Brüssel, den 18.5.2021

COM(2021) 251 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT EMPTY

Eine Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert


1. Steuerpolitischer Rahmen der EU

1.1 Kontext

Der Kontext der EU-Politik zur Unternehmensbesteuerung hat sich im vergangenen Jahr grundlegend verändert. COVID-19 hat die Gesellschaften und Volkswirtschaften in Europa und weltweit hart getroffen. Die Krise im Bereich der öffentlichen Gesundheit hat zur schwersten Wirtschaftskrise in der Geschichte der EU geführt, die tief greifende soziale Auswirkungen hat und Ungleichheiten verschärft.

Die Pandemie ereignete sich vor dem Hintergrund anderer großer Entwicklungen, die unsere Volkswirtschaften und Gesellschaften prägen. Dazu gehören die Alterung der Bevölkerung, der Klimawandel, die Umweltzerstörung, die Globalisierung und der Wandel auf dem Arbeitsmarkt. Die Pandemie hat außerdem bereits bestehende Tendenzen der Digitalisierung beschleunigt, da immer mehr Menschen und Unternehmen über das Internet einkaufen, arbeiten, kommunizieren und Geschäfte tätigen. Diese Trends haben erhebliche Auswirkungen auf die bestehenden Steuerbemessungsgrundlagen und machen ein Nachdenken über die Gestaltung effizienter, tragfähiger und gerechter Steuerrahmen für die Zukunft unter Berücksichtigung des gesamten Steuermixes notwendig (siehe Kasten 1).

Es besteht zudem ein Konsens darüber, dass die grundlegenden Konzepte des Steuersitzes und der Steuerquelle, auf denen das internationale Steuersystem in den letzten einhundert Jahren fußte, mittlerweile überholt sind. Geschäfte werden heutzutage regelmäßig ohne physische Präsenz in einem Staat getätigt. Für diesen Sachverhalt sind die derzeitigen Regeln nicht geeignet. Auch die Globalisierung hat neue Möglichkeiten geschaffen, die geltenden Prinzipien durch Steuerplanungsmodelle auszuhebeln.

Als Reaktion darauf haben die Regierungen zunehmend einen Flickenteppich von Maßnahmen zur Bekämpfung von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung erlassen. Zwar wurden einzelne Probleme erfolgreich gelöst, andererseits hat sich die Komplexität der Systeme noch erhöht. Ausgelöst durch mehrere Steuerskandale, die strenge Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen und die Notwendigkeit, die öffentlichen Ausgaben nach der Finanzkrise zu finanzieren, wurden Anfang der 2010er-Jahre die Diskussionen über eine Reform des internationalen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung intensiviert, die in dem BEPS-Projekt (Base Erosion and Profit Shifting) zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung 1 unter der Federführung von OECD und G20 mündeten. Das Projekt brachte seine ersten Ergebnisse im Jahr 2015, die anschließend in der EU unter anderem durch die Richtlinien zur Bekämpfung von Steuervermeidung 2 umgesetzt wurden. In den internationalen Gesprächen zeichnet sich nun eine globale Lösung zur Reform des veralteten internationalen Systems der Unternehmensbesteuerung ab, die Maßnahmen zur Neuverteilung von Besteuerungsrechten und zur effektiven Mindestbesteuerung umfasst. Unabhängig davon, ob eine Einigung auf globaler Ebene erzielt wird, wird der Inhalt dieser Diskussionen auch Auswirkungen auf die Gestaltung der EU-Agenda für die Unternehmensbesteuerung haben.

Gleichzeitig haben internationale Partner wie die USA bereits Pläne zur Gestaltung ihrer eigenen Agenda für die Unternehmensbesteuerung in den nächsten Jahren angekündigt, die über die internationalen Diskussionen hinausgehen oder auf ihnen aufbauen sollen. Diese Maßnahmen erkennen an, dass Einnahmen gebraucht werden, um öffentliche Investitionen in einen nachhaltigen Wiederaufbau („Building back better“) zu finanzieren und eine inklusive wirtschaftliche Erholung zu unterstützen und aufrechtzuerhalten. Auch andere Länder wie das Vereinigte Königreich haben Maßnahmen zur Unternehmensbesteuerung für die Zeit nach COVID-19 angekündigt.

In diesem Zusammenhang braucht die EU einen stabilen, effizienten und gerechten Steuerrahmen, der den Bedarf an öffentlichen Finanzmitteln deckt und gleichzeitig die Erholung und den ökologischen und den digitalen Wandel unterstützt, indem er günstige Voraussetzungen für ein gerechtes und nachhaltiges Wachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Investitionen schafft.

1.2 Steuerpolitische Agenda der EU

Maßnahmen der EU zur Unternehmensbesteuerung müssen in eine umfassende EU‑Steueragenda eingebettet werden. In deren Zentrum stehen die Notwendigkeit eines ausgewogenen Mixes von Steuereinnahmen und ein Steuersystem, das von den Grundsätzen der Fairness, Effizienz und Einfachheit geleitet wird.

Folgende Prioritäten sind entscheidend für die Verwirklichung dieser Vision:

(I)Förderung eines fairen und nachhaltigen Wachstums

Die Steueragenda der EU trägt zu dem übergeordneten Ziel eines fairen und nachhaltigen Wachstums bei, indem sie übergeordnete EU-Strategien wie den europäischen Grünen Deal 3 , die digitale Agenda der Kommission, die neue Industriestrategie für Europa 4 und die Kapitalmarktunion 5 unterstützt. Außerdem sollte sie zur Förderung einer inklusiven Erholung im Einklang mit den Grundsätzen der europäischen Säule sozialer Rechte beitragen.

Ein Steuersystem, das den ökologischen Wandel unterstützt, wird ein zentrales Instrument für die Verwirklichung der Ziele des europäischen Grünen Deals sein. Steuerliche Maßnahmen müssen mit anderen umweltbezogenen Preisinstrumenten und Regulierungsmaßnahmen einhergehen und dabei Verteilungseffekte gebührend berücksichtigen, um einen gerechten Wandel zu gewährleisten.

Auf EU-Ebene wird der angekündigte Vorschlag zur Reform der Energiebesteuerungsrichtlinie 6 in dieser Hinsicht ein entscheidender Schritt nach vorn sein. Die Überarbeitung der Richtlinie ergänzt andere Initiativen des Pakets „Fit für 55“, indem das System der Mindestsätze rationalisiert und überholte Steuerbefreiungen und ermäßigte Sätze abgeschafft werden. Im Rahmen des Pakets wird die Kommission neue und reformierte Preisbildungsmechanismen zur Unterstützung der Klimaziele der EU vorschlagen, insbesondere ein CO2-Grenzausgleichssystem und ein überarbeitetes EU‑Emissionshandelssystem. Auf nationaler Ebene sollten die Mitgliedstaaten ihre Bemühungen intensivieren, indem sie im Rahmen umfassenderer Steuerreformen 7 externe Effekte bepreisen 8 , wobei sie negative soziale Auswirkungen berücksichtigen müssen, und schädliche Subventionen schrittweise abschaffen.

Die Kommission hat in ihrer Mitteilung zum Weg in die digitale Dekade 9 die Ziele der EU für den digitalen Wandel bis 2030 vorgezeichnet. Die Besteuerung muss diesen Wandel erleichtern, indem sie die Voraussetzungen für das Gedeihen digitaler Unternehmen schafft. Gleichzeitig muss der Steuerrahmen besser an die Wirklichkeit einer digitalisierten Wirtschaft angepasst werden. Dazu gehört auch die Digitalisierung der Steuerverwaltung.

Der EU-Steuerrahmen muss so gestaltet werden, dass er im Einklang mit der neuen Industriestrategie von 2020 und ihrer Aktualisierung vom Mai 2021 10 zu einem stärkeren Binnenmarkt für die Erholung Europas beiträgt. Er sollte die Befolgungskosten für Unternehmen reduzieren, grenzüberschreitende Investitionen erleichtern und die richtigen Voraussetzungen schaffen, damit KMU und größere Unternehmen in einem grünen und digitalen Europa florieren.

Der EU-Steuerrahmen spielt außerdem eine zentrale Rolle für die Förderung der Entwicklung der Kapitalmarktunion 11 , indem er insbesondere steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen beseitigt und die verschuldungsfreundliche Besteuerung von Unternehmen beendet.

(II)Gewährleistung einer effektiven Besteuerung

Die Gewährleistung einer effektiven Steuererhebung ist entscheidend für die Finanzierung hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen und eine Voraussetzung für die gerechte Aufteilung der Steuerlast unter den Steuerpflichtigen. Sie trägt außerdem zur Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen bei und verbessert die Wettbewerbsfähigkeit der EU. Jedes Jahr entgehen den Staaten in der EU Milliarden Euro durch Steuerbetrug, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung. 12 Auch das Steuerrecht der einzelnen Mitgliedstaaten kann zu Steuerausfällen in anderen Mitgliedstaaten führen, wenn beispielsweise Lizenzgebühren und Zinszahlungen an Empfänger in Niedrig- oder Nullsteuergebieten entrichtet werden können, ohne dass Steuern in der EU gezahlt werden.

Kasten 1: Der EU-Steuermix auf dem Weg zu den Zielen von 2050

Die Steuersysteme müssen modernisiert werden, damit sie den aktuellen und künftigen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen besser Rechnung tragen. Die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten sind in hohem Maße auf die Besteuerung des Faktors Arbeit und die Sozialabgaben angewiesen, die mehr als 50 % des gesamten Steueraufkommens in der EU-27 ausmachen. Auf die Mehrwertsteuer entfallen mehr als 15 % des Gesamtsteueraufkommens; andere Steuerarten wie Umweltsteuern (~6 %), Immobiliensteuern (~5 %) oder die Körperschaftsteuer (~7 %) machen jeweils nur einen kleinen Anteil aus. 13 Obwohl die Zusammensetzung der Steuereinnahmen in der EU in den letzten zwanzig Jahren insgesamt relativ stabil geblieben ist 14 , dürften Megatrends wie der Klimawandel und der digitale Wandel des Arbeitsmarkts sich künftig auf den Steuermix in den EU-Mitgliedstaaten auswirken.

Aufgrund der Alterung der Bevölkerung und der Zunahme atypischer Beschäftigungsformen werden sich durch die Besteuerung des Faktors Arbeit künftig möglicherweise nicht mehr die gleichen Einnahmen wie zum jetzigen Zeitpunkt generieren lassen. Wie bereits im Grünbuch zum Thema Altern 15 und in dem Bericht über die demografische Alterung 2021 16 unterstrichen wurde, werden wir die Besteuerung des Faktors Arbeit und die Konsequenzen für die Besteuerung anderer Faktoren überdenken müssen. Dabei ist gleichzeitig der Notwendigkeit nachhaltiger Einnahmen und der Generationengerechtigkeit Rechnung zu tragen und die Tragfähigkeit der Systeme der sozialen Sicherheit zu gewährleisten. Die auch im Vergleich zu anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften traditionell hohe Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit in der EU muss weiter gesenkt werden, um Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und die Schaffung neuer Arbeitsplätze nach der Krise zu fördern. 17  

Gleichzeitig haben die Verbrauchsteuersätze mit der Anhebung der Mehrwertsteuersätze nach der Finanzkrise bereits einen historischen Höchststand erreicht. Eine der Prioritäten sollte die Einschränkung ineffizienter ermäßigter Mehrwertsteuersätze und -befreiungen sein, die oft nicht die erwartete Wirkung entfalten.

Auf das Verhalten abstellende Lenkungsabgaben wie Umwelt- oder Gesundheitssteuern gewinnen zunehmend an Bedeutung für die EU-Steuerpolitik. Sorgfältig konzipierte Umweltsteuern fördern den ökologischen Wandel, indem sie die richtigen Preissignale aussenden und das Verursacherprinzip umsetzen. 18 Außerdem schaffen sie Einnahmen, die einige der notwendigen Steuersenkungen bei der Besteuerung der Arbeit ausgleichen könnten. In ähnlicher Weise können Gesundheitssteuern wie beispielsweise auf Tabak oder Alkohol zur Verbesserung der öffentlichen Gesundheit beitragen, Leben retten und gleichzeitig den Druck auf die öffentlichen Gesundheitssysteme verringern.

Und schließlich erfordert ein zukunftsfähiger Steuermix die gerechte und effektive Besteuerung von Kapitaleinkünften sowohl von natürlichen Personen als auch von Unternehmen. Gleichzeitig sind die Vereinfachung und andere Maßnahmen zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands erforderlich. Darüber hinaus können periodische Steuern auf Immobilien ein relativ effizientes Mittel zur Erzielung zusätzlicher Steuereinnahmen sein. Dazu müssen jedoch die Verteilungs- und Verwaltungsprobleme im Zusammenhang mit der Bewertung von Immobilien angemessen gelöst werden.

Ausgehend von diesen Überlegungen wird die Kommission umfassendere Überlegungen anstoßen, die 2022 in einem Steuersymposium zum Thema „Der EU-Steuermix auf dem Weg zu den Zielen von 2050“ münden sollen. Bei diesen Überlegungen werden die oben dargelegten Grundsätze sowie die Verteilungswirkung möglicher Änderungen des Steuermixes, auch auf einkommensschwache Haushalte, berücksichtigt.

Die in diesem Abschnitt erläuterten Grundsätze sollten auch auf das Eigenmittelsystem zur Finanzierung des EU-Haushalts anwendbar sein. Im Einklang mit dem vom Europäischen Rat erteilten Mandat und den Verpflichtungen, die sie in der Interinstitutionellen Vereinbarung 19 zum neuen mehrjährigen Finanzrahmen eingegangen ist, wird die Kommission außerdem Vorschläge für neue Eigenmittel vorlegen, die der Rückzahlung von NextGenerationEU dienen sollen. Nach einer ersten Reihe von Vorschlägen unter anderem zu einem CO2‑Grenzausgleichssystem, einer Digitalsteuer und der Überarbeitung des EU‑Emissionshandelssystems, die die Kommission im Juli 2021 vorlegen wird, wird sie später weitere neue Eigenmittelquellen wie beispielweise eine Finanztransaktionssteuer und Eigenmittel in Verbindung mit dem Unternehmenssektor vorschlagen.

Der Vorschlag für das CO2-Grenzausgleichssystem ist Teil des angekündigten Pakets „Fit für 55“. Er soll die Gefahr einer Verlagerung von CO2-Emissionen verringern, indem sichergestellt wird, dass sich der CO2-Gehalt bei Einfuhren in den Preisen niederschlägt, wenn Drittländer nicht eine ähnlich ehrgeizige Klimapolitik wie die EU verfolgen. Außerdem soll er zur Verwirklichung der Klimaziele beitragen, indem für Hersteller in Drittländern und EU-Einführer Anreize geschaffen werden, emissionsarme Technologien zu verwenden. Das CO2-Grenzausgleichssystem wird voll und ganz mit den WTO- und anderen internationalen Verpflichtungen in Einklang stehen.

Digitale Unternehmen zahlen tendenziell weniger Steuern als andere Unternehmen, und die Steuern, die sie zahlen, kommen nicht immer den Ländern zugute, in denen sie tätig sind. Die Digitalsteuer soll gewährleisten, dass der digitale Sektor einen gerechten Beitrag zur Finanzierung der Erholung in der EU und zur Gesellschaft insgesamt leistet. Sie wird unabhängig von der angekündigten globalen Vereinbarung über die Reform der internationalen Körperschaftsteuer gestaltet werden und mit den WTO- und anderen internationalen Verpflichtungen vereinbar sein. 20 Die Steuer wird mit dem zentralen politischen Ziel vereinbar sein, den digitalen Wandel zu unterstützen und zu beschleunigen. Sie wird parallel zur Umsetzung einer OECD-Vereinbarung über die Aufteilung eines Teils des Steueraufkommens der größten multinationalen Unternehmen existieren, wenn letztere ratifiziert und in EU-Recht umgesetzt wurde.

1.3 Was bedeutet dies für die Unternehmensbesteuerung in der EU?

Die Unternehmensbesteuerung sollte gewährleisten, dass die Steuerlast gerecht zwischen den Unternehmen verteilt wird und dass steuerpflichtige Einnahmen gerecht zwischen den verschiedenen Steuergebieten aufgeteilt werden. Das gesamte System sollte einfach sein, um die Befolgungskosten zu senken, und Investitionen und Wachstum begünstigen, um so den Binnenmarkt zu stärken. Obwohl bereits einige Hindernisse für den Binnenmarkt in anderen Bereichen beseitigt wurden, ringen Unternehmen, die in der EU tätig sind, nach wie vor mit bis zu 27 verschiedenen nationalen Steuersystemen. Der Flickenteppich aus nationalen Steuervorschriften verursacht unnötige Befolgungskosten für Unternehmen und erschwert grenzüberschreitende Investitionen im Binnenmarkt. Dies gilt nicht nur für größere Unternehmen, sondern auch für KMU, Start-ups und andere Unternehmen, die wachsen, expandieren und grenzüberschreitend Handel treiben wollen, was im Verhältnis höhere Kosten verursacht. 21 Gleichzeitig entstehen Schlupflöcher und eine Komplexität, die Möglichkeiten für aggressive Steuerplanung eröffnen und die Herstellung gleicher Wettbewerbsbedingungen behindern. Dies beeinträchtigt Investitionen und Wachstum und die Wettbewerbsfähigkeit der EU im Vergleich zu anderen internationalen Partnern. Politische Entscheidungen im Bereich der Unternehmensbesteuerung beeinflussen außerdem die Investitionsfreundlichkeit des Steuersystems. Und schließlich sollte ein Steuersystem unbeabsichtigte Verzerrungen von Geschäftsentscheidungen beispielsweise gegen eine Eigenkapital- und für Fremdfinanzierung reduzieren und so eine tragfähige und langfristige Unternehmensfinanzierung und die Neukapitalisierung von Unternehmen fördern, die sich – auch infolge der COVID-19-Krise – gefährlich hoch verschuldet haben.

Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip sollten bei EU-Maßnahmen zur Unternehmensbesteuerung Herausforderungen mit eindeutig grenzüberschreitendem Bezug berücksichtigt werden. Dazu gehören unter anderem Hindernisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und für grenzüberschreitende Investitionen, die durch Unterschiede zwischen den nationalen Steuersystemen entstehen.

Fortschritte auf EU-Ebene sollten durch unterstützende nationale Maßnahmen in Bereichen ergänzt werden, in denen die Mitgliedstaaten die Erfordernisse ihrer Wirtschaft und Gesellschaft selbst am besten beurteilen können. Dies umfasst die Festsetzung des Körperschaftsteuersatzes oberhalb des auf internationaler Ebene zu vereinbarenden Mindestniveaus (siehe Abschnitt 2), die weiterhin in die Zuständigkeit der EU‑Mitgliedstaaten fallen wird, sowie nationale Maßnahmen zur Verbesserung der Steuerverwaltung und zur Erleichterung der Befolgung des Steuerrechts. Falls angezeigt, können weitere gezieltere Maßnahmen wie gut konzipierte und effiziente Steueranreize zur Unterstützung breiter angelegter politischer Ziele ergriffen werden. In diesen Bereichen kann die Rolle der EU auch darin bestehen, die Agenda festzusetzen und Informationen zu verbreiten sowie Reformen und Investitionen auf nationaler Ebene finanziell zu unterstützen. Aus der Aufbau- und Resilienzfazilität, dem Kernstück der EU-Agenda für die Erholung, und dem Instrument für technische Unterstützung können notwendige Mittel für die Modernisierung und die Digitalisierung der Steuerverwaltungen und zur Unterstützung wichtiger steuerpolitischer Reformen bereitgestellt werden.

Die EU hat in den letzten Jahren bereits wichtige Fortschritte erzielt, beispielsweise durch die Annahme und den Beginn der Umsetzung der Richtlinien zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD) und der Richtlinie über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden (DAC) 22 . Im Rahmen der Gruppe „Verhaltenskodex (Unternehmensbesteuerung)“ setzen die Mitgliedstaaten die Peer-Review ihrer jeweiligen Steuersysteme fort, um sicherzustellen, dass diese mit den Grundsätzen des fairen Steuerwettbewerbs im Einklang stehen. Auch das Europäische Parlament ist im Bereich der Besteuerung allgemein und insbesondere der Unternehmensbesteuerung sehr engagiert. Zudem hat die Kommission im Juli 2020 einen ambitionierten Aktionsplan 23 für eine gerechtere, einfachere und den modernen Technologien angemessenere Besteuerung und die Mitteilung über verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich in der EU und darüber hinaus 24 angenommen, mit denen die EU sich noch intensiver für Transparenz und gerechte Besteuerung auf europäischer Ebene und weltweit einsetzt.

In dieser Mitteilung werden sowohl kurz- als auch längerfristig angelegte Maßnahmen im Bereich der Unternehmensbesteuerung dargelegt. Die Kommission wird rasch handeln, um die künftige globale Vereinbarung über die Neuzuweisung von Besteuerungsrechten und die effektive Mindestbesteuerung (siehe Abschnitt 2) umzusetzen. Außerdem wird sie in den nächsten zwei Jahren die dringendsten Herausforderungen angehen (siehe Abschnitt 3). Ferner wird in dieser Mitteilung ein Plan für einen umfassenden EU-Rahmen für die Unternehmensbesteuerung für die nächsten Jahrzehnte skizziert (siehe Abschnitt 4).

2. Reform des internationalen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung

2.1 Laufende Gespräche auf internationaler Ebene

Im Auftrag der G20 sucht der Inklusive Rahmen der OECD nach einer globalen Konsenslösung zur Reform des internationalen Rahmens für die Unternehmensbesteuerung. Im Mittelpunkt der Gespräche stehen zwei große Arbeitsbereiche: Säule 1 (teilweise Neuzuordnung der Besteuerungsrechte) und Säule 2 (effektive Mindestbesteuerung der Gewinne multinationaler Unternehmen). Beide Säulen betreffen unterschiedliche, aber miteinander verbundene Fragen im Zusammenhang mit der zunehmenden Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft.

Die EU hat sich konsequent für ehrgeizige Reformen auf globaler Ebene eingesetzt, und die internationalen Gespräche können nun auch auf das positive Engagement der neuen US-Regierung bauen. Die Rücknahme des früheren „Safe-Harbour“-Vorschlags 25 und die Vorlage konkreter und konstruktiver Vorschläge zur Säule 1 sind wichtige Maßnahmen, die eine vielversprechende Gelegenheit bieten, um wirkliche Fortschritte in Richtung einer globalen Einigung über die Aufteilung eines Teils der Steuerbemessungsgrundlage multinationaler Unternehmen zu erzielen. Die jüngsten Ankündigungen der US-Regierung, eine nationale Unternehmenssteuerreform durchführen zu wollen, sind ein ehrgeiziger Meilenstein und ein wichtiger Schritt in Richtung einer Einigung über Säule 2, die dem Unterbietungswettbewerb ein Ende setzen wird. Die Finanzministerinnen und -minister der G20 haben kürzlich ihre Entschlossenheit bekräftigt, bis Mitte 2021 zu einer globalen, einvernehmlichen Lösung zu gelangen. 26  

Ziel der Arbeiten der Säule 1 ist es, die internationalen Regeln für die Besteuerung von Unternehmensgewinnen so anzupassen, dass sie die sich wandelnden Geschäftsmodelle –beispielsweise die Tatsache, dass Unternehmen tätig sein können, ohne physisch präsent zu sein – widerspiegeln. Die Marktstaaten sollen das Recht erhalten, einen Teil der Gewinne bestimmter nichtansässiger Unternehmen zu besteuern, indem ein Anteil an diesen globalen Gewinnen auf der Grundlage einer vereinbarten Formel unter den Steuergebieten, in denen das Unternehmen Kunden oder Nutzer hat, neu aufgeteilt wird. Die Gespräche zur Säule 1 konzentrierten sich zunächst in erster Linie auf Unternehmen im digitalen Sektor. Die vorgeschlagene Lösung könnte nun jedoch vereinfacht werden und weniger multinationale Unternehmen erfassen; dafür könnte der Geltungsbereich erweitert werden, sodass die größten und rentabelsten multinationalen Konzerne unter die Regelung fallen, unabhängig davon, in welchem Wirtschaftszweig sie tätig sind.

Die Säule 2 soll einem übermäßigen Steuerwettbewerb Einhalt gebieten, indem sichergestellt wird, dass multinationale Unternehmen ihren gesamten Gewinn jedes Jahr zu einem bestimmten Mindeststeuersatz versteuern. Die Globalisierung der Wirtschaft und die zunehmende Nutzung immaterieller Vermögenswerte in globalen Wertschöpfungsketten haben es einigen multinationalen Unternehmen ermöglicht, ihre Gewinne in Niedrigsteuergebiete zu verlagern. Die Säule 2 soll es den Ländern erlauben, die von multinationalen Unternehmen entrichteten Steuerbeträge auf ein effektives Mindestniveau anzuheben, und es gleichzeitig den einzelnen Ländern ermöglichen, die Merkmale ihres jeweiligen Steuersystems festzulegen. Eine solche effektive Mindestbesteuerung von Unternehmensgewinnen wird die Möglichkeiten der Steuervermeidung einschränken.

Beide Säulen der künftigen globalen Vereinbarung stehen im Einklang mit der Vision der Kommission für einen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert, der in Abschnitt 4 skizziert wird. Ihre Ziele ergänzen einander, und im Zuge der internationalen Gespräche muss eine Lösung für beide gefunden werden. Sie tragen zur Verwirklichung der wichtigen Grundsätze der formelbasierten Gewinnaufteilung (unter Verwendung einer Formel für die teilweise Neuzuordnung von Besteuerungsrechten im Rahmen der Säule 1) und zu einer gemeinsamen Definition der Steuerbemessungsgrundlage bei. Die Kommission beteiligt sich aktiv an den internationalen Gesprächen und arbeitet eng mit den Mitgliedstaaten zusammen, um sicherzustellen, dass Fragen von gemeinsamem Interesse für die EU – wie die Binnenmarktkompatibilität und die Minimierung des Verwaltungsaufwands – berücksichtigt werden und die Lösung auch der EU zugutekommt. Auch der Europäische Rat bekräftigte in seinen Schlussfolgerungen vom 25. März 2021 seine „eindeutige Präferenz und [sein] engagiertes Eintreten für eine globale Lösung“ und unterstrich, dass er sich dafür einsetzen werde, dass bis Mitte 2021 eine einvernehmliche Lösung im Rahmen der OECD erzielt wird 27 .

2.2 Umsetzung der globalen Vereinbarung in der EU

Sobald eine Einigung erzielt und in einem multilateralen Übereinkommen festgelegt wird, sind die teilnehmenden Länder verpflichtet, die Säule 1 anzuwenden. Damit eine einheitliche Umsetzung in allen EU-Mitgliedstaaten, d. h. auch in denen, die nicht Mitglied der OECD und nicht am Inklusiven Rahmen beteiligt sind, gewährleistet ist, wird die Kommission eine Richtlinie zur Umsetzung von Säule 1 in der EU vorschlagen.

Damit die konsequente Anwendung innerhalb der EU und die Kompatibilität mit dem EU‑Recht gewährleistet sind, wird Säule 2 hauptsächlich im Wege einer EU-Richtlinie umzusetzen sein, die die OECD-Mustervorschriften mit den erforderlichen Anpassungen abbildet. Die Umsetzung eines globalen Übereinkommens über eine effektive Mindestbesteuerung wird sich auch auf bestehende und künftige EU-Richtlinien und ‑Initiativen auswirken (siehe Kasten 2).

Kasten 2: Zusammenspiel zwischen einem Übereinkommen über eine effektive Mindestbesteuerung und bestehenden EU-Initiativen

Die Umsetzung von Säule 2 wird sich auf die geltenden Vorschriften der Richtlinien zur Bekämpfung von Steuervermeidung (ATAD) und insbesondere die Vorschriften für beherrschte ausländische Gesellschaften (CFC) auswirken, da diese mit der primären Regel der Säule 2 („Income Inclusion Rule“, IIR, oder Hinzurechnungsbesteuerung) interagieren werden. Bei der Umsetzung der IIR in der EU wird zu prüfen sein, wie das Zusammenspiel zwischen den beiden Vorschriften am besten gestaltet werden kann.

Die Umsetzung von Säule 2 dürfte den Weg für eine Einigung über den Vorschlag zur Neufassung der Richtlinie über Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren (IRD) 28 ebnen, der seit 2011 beim Rat anhängig ist. Ziel der Neufassung der Richtlinie war es, die Vorteile, die die Richtlinie (welche die Hindernisse für die Erhebung der Quellensteuer bei grenzüberschreitenden Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb einer Unternehmensgruppe beseitigen soll) bietet, an die Besteuerung dieser Zahlungen im Bestimmungsland zu knüpfen. Einige Mitgliedstaaten waren der Ansicht, dass die Richtlinie noch weiter gehen und einen Mindeststeuersatz im Bestimmungsstaat als Voraussetzung für die Befreiung von der Quellensteuer hätte festlegen sollen. Eine Einigung über die Säule 2 würde dieses Problem beseitigen.

Wie bereits in der vor Kurzem angenommenen Mitteilung über verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich in der EU und darüber hinaus 29 angekündigt, wird die Kommission vorschlagen, die Säule 2 in die Bewertungskriterien zur Erstellung der EU-Liste nicht kooperativer Länder und Gebiete aufzunehmen, um Anreize für diese Länder zu schaffen, dem internationalen Übereinkommen beizutreten. Dies steht im Einklang mit dem Ansatz der EU, das Verfahren zur Erstellung der EU-Liste zu nutzen, um international vereinbarte bewährte Verfahren zu fördern.

3. Über die OECD-Vereinbarung hinausgehen – gezielte Lösungen finden

In diesem Abschnitt wird die EU-Agenda für die Unternehmensbesteuerung für die nächsten beiden Jahre vorgestellt, die Maßnahmen zur Verbesserung des derzeitigen Systems umfasst und zwei Prioritäten verfolgt: die Gewährleistung einer fairen und effektiven Besteuerung und die Förderung produktiver Investitionen und des Unternehmertums.

3.1 Eine faire und effektive Besteuerung

Ein erster Schritt auf dem Weg zu gerechteren Steuersystemen ist mehr öffentliche Transparenz der von großen Wirtschaftsakteuren entrichteten Steuern. Bürgerinnen und Bürger und Organisationen der Zivilgesellschaft fordern zunehmend sowohl Transparenz als auch Fairness bei der Unternehmensbesteuerung und insbesondere der Körperschaftsteuer.

Die Kommission wird einen neuen Vorschlag für die jährliche Offenlegung der effektiven Körperschaftsteuersätze bestimmter in der EU tätiger Großunternehmen unter Zugrundelegung der für die Berechnungen der Säule 2 vereinbarten Methodik vorlegen. Der effektive Körperschaftsteuersatz bietet Informationen über den Anteil der von den Unternehmen entrichteten Körperschaftsteuer im Verhältnis zu den erwirtschafteten Gewinnen statt zu den „steuerpflichtigen Gewinnen“, die mit verschiedenen Mitteln wie beispielsweise Steuerfreibeträgen verringert werden können. Mit dem Vorschlag wird daher die Transparenz in Bezug auf den tatsächlichen effektiven Steuersatz, dem große EU‑Unternehmen unterliegen, verbessert.

Außerdem wird die EU stärker gegen die missbräuchliche Nutzung von Briefkastenfirmen – d. h. Unternehmen, die wenig oder gar keine Substanz und tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit aufweisen – vorgehen und einen neuen Legislativvorschlag vorlegen, der dem Einsatz von Briefkastenfirmen für steuerliche Zwecke ein Ende bereiten soll. Obwohl auf EU‑ und auf internationaler Ebene bereits mehrere Instrumente zur Bekämpfung missbräuchlicher Steuergestaltungen zur Verfügung stehen, besteht nach wie das Risiko, dass Rechtspersonen mit wenig oder gar keiner Substanz und wirtschaftlichen Tätigkeit für missbräuchliche Zwecke wie aggressive Steuerplanung, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche genutzt werden. Zwar kann es legitime Gründe für den Rückgriff auf diese Rechtspersonen geben; es sind jedoch weitere Maßnahmen erforderlich, um Einrichtungen und Strukturen zu bekämpfen, die hauptsächlich mit dem Ziel gegründet werden, die Steuerschuld zu senken oder das missbräuchliche Verhalten der Gruppe oder der Unternehmen zu verschleiern, zu denen sie gehören, ohne dass sie in dem Land, in dem sie ansässig sind, über Substanz verfügen oder eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausüben.

Der Kommissionsvorschlag würde unter anderem folgende Maßnahmen umfassen: Verpflichtung von Unternehmen, der Steuerverwaltung die erforderlichen Informationen zu übermitteln, damit diese bewerten kann, ob eine substanzielle wirtschaftliche Präsenz und Wirtschaftstätigkeit vorliegt, außerdem die Streichung von Steuervergünstigungen bei Existenz oder Nutzung missbräuchlicher Briefkastenfirmen sowie die Einführung neuer Anforderungen an Steuerinformationen, Überwachung und Berichterstattung. Die Kommission beabsichtigt außerdem, weitere Schritte zu unternehmen, um zu verhindern, dass Zinszahlungen und Lizenzgebühren die EU verlassen, ohne besteuert zu werden („doppelte Nichtbesteuerung“).

Gleichzeitig wird die Kommission weiterhin alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente nutzen, um sicherzugehen, dass die Unternehmen ihren gerechten Anteil an der Steuer zahlen, unter anderem durch die Durchsetzung der Vorschriften über staatliche Beihilfen. Zwar fallen die direkten Steuern in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Diese üben ihre Zuständigkeit jedoch im Einklang mit dem Unionsrecht, d. h. auch den Vorschriften über staatliche Beihilfen, aus.

Maßnahmen zur Gewährleistung einer fairen und effektiven Besteuerung:

Maßnahme 1: Legislativvorschlag für die Veröffentlichung der effektiv von Großunternehmen gezahlten Steuersätze unter Zugrundelegung der in Säule 2 der OECD-Verhandlungen erörterten Methodik (bis 2022)

Maßnahme 2: Legislativvorschlag mit Unionsvorschriften zur Bekämpfung der missbräuchlichen Nutzung von Briefkastenfirmen für steuerliche Zwecke (4. Quartal 2021)

3.2 Förderung produktiver Investitionen und des Unternehmertums

Die Besteuerung spielt eine wichtige Rolle für die Unterstützung von Unternehmen bei Investitionen und Wachstum, indem sie Geschäftsentscheidungen von Unternehmen fördert und ermöglicht, die sozial wünschenswert sind. Diese „aktivierende“ Dimension der Steuerpolitik ist besonders wichtig für den ökologischen und den digitalen Wandel und die wirtschaftliche Erholung nach der COVID-19-Pandemie.

Aufgrund begrenzter Liquidität können KMU finanzielle Verluste oft weniger gut verkraften oder finanzieren als größere Unternehmen. Deswegen haben viele Mitgliedstaaten während der derzeitigen Krise schnell Maßnahmen ergriffen, um die unmittelbare Steuerbelastung von KMU beispielsweise durch Steueraufschübe zu verringern. Die Mitgliedstaaten behandeln Unternehmensverluste jedoch nach wie vor sehr unterschiedlich, und das Investitions- und Wachstumsumfeld könnte noch verbessert werden. Gleichzeitig mit dieser Mitteilung nimmt die Kommission eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten zur steuerlichen Behandlung von Verlusten an. Sie soll dazu beitragen, einen fairen Wettbewerb zwischen den Unternehmen und die bessere Unterstützung von Unternehmen während der Erholung zu gewährleisten. Dies soll insbesondere den KMU zugutekommen. Die Kommissionsdienststellen werden außerdem generell prüfen, inwieweit eine koordinierte Behandlung des grenzüberschreitenden Verlustausgleichs es KMU und anderen Unternehmen ermöglicht, die Herausforderungen, mit denen sie in der Anfangsphase ihrer Expansion in Europa konfrontiert sind, zu bewältigen.

Die steuerliche Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen stellt seit Langem einen steuerrechtlichen Anreiz für die Fremdkapitalfinanzierung dar. Unternehmen können Zinsen für eine Fremdkapitalfinanzierung, nicht jedoch die mit der Eigenkapitalfinanzierung verbundenen Kosten wie beispielsweise die Ausschüttung von Dividenden von der Steuer absetzen, was sie dazu veranlassen kann, Investitionen eher mit Fremd- als mit Eigenkapital zu finanzieren. Dies kann zu einer übermäßigen Verschuldung mit negativen Ausstrahlungseffekten auf die gesamte EU führen, wenn einige Länder mit hohen Insolvenzwellen konfrontiert sind. Auch die Finanzierung von Innovationen durch Eigenkapital wird durch diese verschuldungsfreundliche Besteuerung benachteiligt. Das Problem ist dringlicher geworden, da der Schuldenstand der Unternehmen aufgrund der Wirtschaftskrise nach der COVID‑19‑Pandemie erheblich gestiegen ist. Die Kommission wird daher einen Vorschlag für ein System von Freibeträgen als Anreiz gegen eine Bevorzugung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung vorlegen, der zur Neukapitalisierung finanziell angeschlagener Unternehmen beitragen soll. Der Vorschlag wird Maßnahmen zur Vorbeugung gegen eine missbräuchliche Verwendung für nicht beabsichtigte Zwecke umfassen.

Maßnahmen zur Förderung produktiver Investitionen und des Unternehmertums

Maßnahme 3: Annahme einer Empfehlung zur steuerlichen Behandlung von Verlusten (gleichzeitig mit dieser Mitteilung)

Maßnahme 4: Legislativvorschlag für einen Freibetrag als Anreiz gegen eine Bevorzugung der Fremd- gegenüber der Eigenkapitalfinanzierung (DEBRA) (bis zum 1. Quartal 2022)

4. Über die OECD-Vereinbarung hinaus – ein EU-Rahmen für die Unternehmensbesteuerung für das 21. Jahrhundert

Ein Konsens über die Reform der internationalen Körperschaftsteuervorschriften wird einen historischen Schritt in Richtung der Modernisierung der globalen Vorschriften für die Unternehmensbesteuerung darstellen. Aus guten Gründen wird eine globale Einigung über die Säule 1 zunächst nur für eine begrenzte Zahl von Unternehmen gelten. Damit eine solche Lösung auf globaler Ebene funktionieren kann, muss sie von und zwischen 139 Ländern und Gebieten verwaltbar sein, die alle unterschiedliche Wirtschaftsprofile und Verwaltungskapazitäten haben. Eine stark integrierte Europäische Union mit ihrem Binnenmarkt dagegen kann und sollte noch weiter gehen.

Das Fehlen eines gemeinsamen Körperschaftsteuersystems im Binnenmarkt wirkt sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit aus. Grund dafür sind Verzerrungen bei Investitions- und Finanzierungsentscheidungen (wenn diese aufgrund von Strategien der Steueroptimierung statt anderer Erwägungen getroffen werden) und höhere Befolgungskosten für Unternehmen, die in mehreren EU-Mitgliedstaaten tätig sind. Dies führt zu einem Wettbewerbsnachteil gegenüber Drittlandsmärkten.

Die Kommission wird daher einen neuen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung in Europa (Business in Europe: Framework for Income Taxation or BEFIT) vorschlagen. BEFIT wird ein gemeinsames Regelwerk für die Körperschaftsteuer für die EU auf der Grundlage einer gemeinsamen Steuerbemessungsgrundlage und der formelbasierten Zuordnung von Gewinnen zu den Mitgliedstaaten bilden. Es wird auf den Fortschritten der internationalen Verhandlungen aufbauen, wo diese beiden Konzepte bereits existieren. Übernommen werden die Formel für die teilweise Neuzuordnung von Gewinnen der Säule 1 und gemeinsame Regeln für die Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage für die Zwecke der Säule 2. BEFIT soll gewährleisten, dass die Unternehmen im Binnenmarkt ohne größere Steuerhindernisse tätig sein können. Gleichzeitig wird es sicherstellen, dass Diskrepanzen zwischen den Körperschaftsteuersystemen die Mitgliedstaaten nicht daran hindern, Einnahmen zur Finanzierung nationaler Ausgabenprioritäten zu erzielen.

Gemeinsame Vorschriften für die Bestimmung der Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer werden eine erhebliche Vereinfachung für im Binnenmarkt tätige Unternehmensgruppen bringen. Statt die Körperschaftsteuervorschriften von 27 Mitgliedstaaten einhalten zu müssen, wird eine Unternehmensgruppe in der Lage sein, ihre Steuerschuld in jedem EU-Mitgliedstaat nach einem einzigen Regelwerk festzustellen. Außerdem wird dies den Weg für weitere administrative Vereinfachungen wie die Möglichkeit einer einzigen EU-Körperschaftsteuererklärung für eine Gruppe ebnen.

Ferner wird der neue Vorschlag den anhängigen Vorschlag für eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage 30 (GKKB) ersetzen, der damit zurückgezogen wird.

BEFIT wird …

§… ein gemeinsames Regelwerk für Unternehmensgruppen schaffen, die in mehr als einem Mitgliedstaat im Binnenmarkt tätig sind, und Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen beseitigen;

§… Bürokratie abbauen und Befolgungskosten im Binnenmarkt senken und so den Verwaltungsaufwand für Steuerbehörden und Steuerpflichtige reduzieren;

§… Steuervermeidung bekämpfen und die Schaffung von Arbeitsplätzen, Wachstum und Investitionen unterstützen;

§… die Verteilung der Besteuerungsrechte unter den Mitgliedstaaten einfacher und gerechter machen;

§… den Mitgliedstaaten verlässliche und berechenbare Körperschaftsteuereinnahmen garantieren.

Mit BEFIT sollen die Gewinne von in der EU ansässigen Mitgliedern multinationaler Unternehmensgruppen in einer gemeinsamen Steuerbemessungsgrundlage zusammengefasst werden, die dann anhand einer Formel unter den Mitgliedstaaten aufgeteilt und zu den jeweiligen nationalen Körperschaftsteuersätzen besteuert wird. Dabei wird insbesondere zu überlegen sein, wie Umsätze nach ihrem Bestimmungsort angemessen gewichtet werden können, damit die Bedeutung des Marktes, in dem ein multinationaler Konzern tätig ist, widergespiegelt wird, und wie Vermögenswerte (einschließlich immaterieller Vermögenswerte) und Arbeit (Personal und Löhne/Gehälter) abzubilden sind, um eine ausgewogene Verteilung der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer unter EU-Mitgliedstaaten mit unterschiedlichen Wirtschaftsprofilen zu gewährleisten.

Durch die Verwendung einer Formel für die Zuteilung der Gewinne fallen die komplexen Verrechnungspreisvorschriften innerhalb der EU für die unter die neue Regelung fallenden Unternehmen weg. Unterschiedliche Arten der formelbasierten Aufteilung kommen bereits in mehreren Ländern zur Anwendung. In den USA, Kanada und der Schweiz wird beispielsweise eine Formel zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage auf nationaler oder subnationaler Ebene verwendet. Bei der Verrechnungspreismethode dagegen müssen Transaktionen zwischen Mitgliedern derselben multinationalen Unternehmensgruppe auf dieselbe Weise bepreist werden wie vergleichbare Transaktionen zwischen zwei voneinander unabhängigen Unternehmen („Fremdvergleichsgrundsatz“). Mit den BEPS-Maßnahmen der OECD zur Verrechnungspreisgestaltung wurden die internationalen Leitlinien zwar aktualisiert, die Grundsätze sind jedoch in einer modernen Wirtschaft, die auf immateriellen und nicht vermarkteten Vermögenswerten beruht, nur schwer anwendbar und durchsetzbar. Die Arbeiten an Säule 1 haben das Interesse an einem neuen Ansatz für die Zuordnung von Besteuerungsrechten gezeigt, indem ein kleiner Teil der Steuerbemessungsgrundlage auf der Grundlage einer Formel neu zugeordnet wird. BEFIT wird darauf aufbauen und diesen Ansatz weiterentwickeln, um ein einfacheres System im Binnenmarkt zu schaffen. Im Gegensatz zur Säule 1, wo die geltenden Vorschriften und die Neuzuordnung der Gewinne nach einer Aufteilungsformel nebeneinander existieren würden, würden im Rahmen von BEFIT die derzeit geltenden Regeln für die Zuordnung der Steuerbemessungsgrundlage im Binnenmarkt durch die formelbasierte Aufteilung für die Unternehmen, die in den Anwendungsbereich fallen, ersetzt.

Durch die Kombination der formelbasierten Aufteilung mit gemeinsamen Regeln für die Steuerbemessungsgrundlage leistet BEFIT einen wichtigen Beitrag zum Aufbau eines robusten Systems für die Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt. Zwar waren die Grundsätze einer gemeinsamen Steuerbemessungsgrundlage und der formelbasierten Aufteilung bereits im ursprünglichen GKKB-Vorschlag enthalten. Der neue Vorschlag wird jedoch den erheblichen Veränderungen der Wirtschaft und des internationalen Rahmens Rechnung tragen, die seit der Vorlage des Vorschlags im März 2011 eingetreten sind. So wird er insbesondere bei der vorzuschlagenden Definition der Steuerbemessungsgrundlage auf dem Ansatz der künftigen globalen Einigung aufbauen. Außerdem wird er eine andere Aufteilungsformel enthalten, die der Realität der heutigen Wirtschaft und den weltweiten Entwicklungen besser Rechnung trägt, indem insbesondere die Digitalisierung stärker berücksichtigt wird.

Die Kommission wird diesen Vorschlag in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und in Abstimmung mit der Wirtschaft und der Zivilgesellschaft ausarbeiten und dabei auch dem Standpunkt des Europäischen Parlaments gebührend Rechnung tragen.

Längerfristige Maßnahmen für einen Rahmen für die Unternehmensbesteuerung

Maßnahme 5: Vorlage des Vorschlags für BEFIT (Unternehmen in Europa: ein Rahmen für die Unternehmensbesteuerung) zur Schaffung eines gemeinsamen Regelwerks im Steuerbereich und zur gerechteren Zuordnung der Besteuerungsrechte unter den Mitgliedstaaten (2023) 

5. Schlussfolgerung

Die erwartete Einigung auf internationaler Ebene wird ein entscheidender Schritt für die Reform des internationalen Körperschaftsteuersystems sein, da sie zentrale Herausforderungen in Bezug auf die Zuordnung von Besteuerungsrechten und die effektive Mindestbesteuerung auf globaler Ebene lösen wird. Auf EU-Ebene müssen wir auf diesem Erfolg aufbauen und eine ähnlich ambitionierte Agenda für die Unternehmensbesteuerung vorantreiben, die eine gerechte und effektive Besteuerung gewährleistet und produktive Investitionen und das Unternehmertum fördert. Die in dieser Mitteilung angekündigten Maßnahmen und die bereits laufenden Arbeiten werden die EU ein großes Stück voranbringen und die Vision eines EU-Rahmens für die Unternehmensbesteuerung verwirklichen, der den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gerecht wird und den Erfordernissen eines gut funktionierenden Binnenmarkts entspricht.

(1)

An dem Projekt sind heute weltweit 139 Länder und Gebiete beteiligt.

(2)

Richtlinie (EU) 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts (ABl. L 193 vom 19.7.2016, S. 1).

(3)

COM(2019) 640 final.

(4)

COM(2020) 102 final.

(5)

Siehe beispielsweise COM(2020) 590 final. 

(6)

Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283 vom 31.10.2003, S. 51).

(7)

Um diesen Prozess zu unterstützen und dem angekündigten Bericht des Europäischen Rechnungshofs nachzukommen, wird die Kommission Empfehlungen dazu annehmen, wie einschlägige Instrumente und Anreize zur besseren Umsetzung des Verursacherprinzips stärker gefördert werden können und so die Ära der „Verschmutzung zum Nulltarif“ beendet werden kann (COM(2021) 400).

(8)

In Artikel 191 Absatz 2 AEUV ist die Bepreisung der negativen externen Effekte umweltschädlicher oder anderweitig schädlicher Tätigkeiten festgelegt. In der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum 2021 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, strukturelle Reformen wie „steuerliche Reformen, durch die beispielsweise die Steuerlast vom Faktor Arbeit auf weniger verzerrende Steuern verlagert wird,“ in ihre Aufbau- und Resilienzpläne aufzunehmen (COM(2020) 575).

(9)

COM(2021) 118 final.

(10)

COM(2021) 350 final.

(11)

COM(2020) 590 final.

(12)

Durch die Steuervermeidung auf internationaler Ebene durch natürliche Personen entgehen den EU-Mitgliedstaaten jährlich Steuereinnahmen in Höhe von 46 Mrd. EUR. Siehe ECOPA and CASE (2019) Estimating International Tax Evasion by Individuals, Taxation Papers 76. Dazu kommen Schätzungen zufolge Einbußen aufgrund der Steuervermeidung durch Unternehmen von 35 bis 70 Mrd. EUR jährlich. Siehe Dover, R., Ferrett, B., Gravino, D., Jones, E., & Merler, S. (2015). Bringing transparency, coordination and convergence to corporate tax policies in the European Union, Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, PE 558.773; Álvarez-Martínez, M., Barrios, S., d’Andria, D., Gesualdo, M., Nicodème, G., & Pycroft, J. (2018). How Large is the Corporate Tax Base Erosion and Profit Shifting? A General Equilibrium Approach, CEPR Discussion Papers 12637; und Tørsløv, T., Wier, L., & Zucman, G. (2018) The Missing Profits of Nations, NBER Working Paper 24701.

(13)

  https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/economic-analysis-taxation/data-taxation_de

(14)

Europäische Kommission, Annual Review of Taxation – 2021 Edition (erscheint in Kürze).

(15)

COM(2021) 50 final vom 27.1.2021.

(16)

Bericht über die Bevölkerungsalterung 2021. Wirtschafts- und Haushaltsprognosen für die EU-Mitgliedstaaten (2019-2070). Institutional Paper 148, Mai 2021.

(17)

Zwischen 2012 und 2020 ist die durchschnittliche Steuer- und Abgabenbelastung in der EU-27 für eine alleinstehende Person, die das Durchschnittsgehalt verdient, um mehr als 2 Prozentpunkte gesunken.

(18)

Artikel 191 Absatz 2 AEUV.

(19)

Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission über die Haushaltsdisziplin, die Zusammenarbeit im Haushaltsbereich und die wirtschaftliche Haushaltsführung sowie über neue Eigenmittel, einschließlich eines Fahrplans für die Einführung neuer Eigenmittel (ABl. L 433I vom 22.12.2020, S. 28).

(20)

Dieser Vorschlag wird sich von den Vorschlägen von 2018 für eine Digitalsteuer auf Erträge aus der Erbringung bestimmter digitaler Dienstleistungen (COM(2018) 148 final) und für eine signifikante digitale Präsenz (COM(2018) 147 final) unterscheiden, die zurückgezogen werden.

(21)

Die Befolgungskosten im Steuerbereich machen bei großen Unternehmen schätzungsweise ca. 2 % und bei KMU rund 30 % der gezahlten Steuern aus.

https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/resources/documents/tax_survey.pdf  

(22)

Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Besteuerung, ABl. L 64 vom 11.3.2011, S. 1.

(23)

COM(2020) 312 final.

(24)

COM(2020) 313 final.

(25)

Dieser Vorschlag hätte die Anwendung von Säule 1 im Wesentlichen fakultativ für die Unternehmen gemacht.

(26)

  https://www.g20.org/wp-content/uploads/2021/04/Communique-Second-G20-Finance-Ministers-and-Central-Bank-Governors-Meeting-7-April-2021.pdf .

(27)

https://www.consilium.europa.eu/media/48976/ 250321-vtc-euco-statement-en.pdf (europa.eu)

(28)

COM(2011) 714 final.

(29)

COM(2020) 313 final.

(30)

COM(2016) 685 final und COM(2016) 683 final.