9.2.2022   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 68/2


STELLUNGNAHME DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK

vom 30. November 2021

zu einem Vorschlag für eine Verordnung zur Ausweitung der Rückverfolgbarkeitsanforderungen auf den Transfer von Kryptowerten

(CON/2021/37)

(2022/C 68/02)

Einleitung und Rechtsgrundlage

Am 14. bzw. am 20. Oktober 2021 wurde die Europäische Zentralbank (EZB) vom Europäischen Parlament bzw. vom Rat der Europäischen Union um Stellungnahme zu einem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Übermittlung von Angaben bei Geldtransfers und Transfers bestimmter Kryptowerte (Neufassung) (1) (im Folgenden „Verordnungsvorschlag“) ersucht.

Die Zuständigkeit der EZB zur Abgabe einer Stellungnahme beruht auf Artikel 127 Absatz 4 und Artikel 282 Absatz 5 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, da der Verordnungsvorschlag Bestimmungen enthält, die die grundlegenden Aufgaben des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB), nämlich die Ausführung der Geldpolitik der Union und die Förderung des reibungslosen Funktionierens der Zahlungssysteme gemäß Artikel 127 Absatz 2 erster und vierter Gedankenstrich des Vertrags, betreffen, sowie ferner den Beitrag des ESZB zur Stabilität des Finanzsystems gemäß Artikel 127 Absatz 5 des Vertrags und den Status von Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel gemäß Artikel 128 Absatz 1 des Vertrags. Diese Stellungnahme wurde gemäß Artikel 17.5 Satz 1 der Geschäftsordnung der Europäischen Zentralbank vom EZB-Rat verabschiedet.

Allgemeine Anmerkungen

Die EZB begrüßt die Initiative der Europäischen Kommission zur Ausweitung der Rückverfolgbarkeitsanforderungen auf Kryptowerte im Wege der vorgeschlagenen Verordnung, die Teil des Pakets zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung (2) ist, das am 20. Juli 2020 von der Kommission verabschiedet wurde.

Da von Kryptowertetransfers im Hinblick auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ähnliche Risiken ausgehen wie von elektronischen Geldtransfers, sollten Anbieter von Krypto-Dienstleistungen denselben Anforderungen an die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung unterliegen wie andere Verpflichtete. Die EZB begrüßt daher den Verordnungsvorschlag als Mittel zur Angleichung der Bedingungen für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen.

Die EZB begrüßt die vorgeschlagene Angleichung des EU-Rechtsrahmens an die Empfehlungen der Arbeitsgruppe „Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung“ (Financial Action Task Force – FATF), insbesondere an die Empfehlung 16 (3), da die Angleichung die mit Kryptowertetransfers verbundenen Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung weiter mindert und somit gleiche Bedingungen für Transfers in amtlichen Währungen und solchen in Kryptowerten schafft, um den Missbrauch von Kryptowerten für Zwecke der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verhindern. Während eine Angleichung der Bedingungen in Bezug auf die Höhe der für Anbieter von Krypto-Dienstleistungen geltenden Anforderungen an die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung erfolgen sollte, sollten die spezifischen Anforderungen die mit den technischen Merkmalen von Kryptowerten und Kryptowertetransfers verbundenen Risiken erfassen. Beispielsweise sollten die Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit von Kryptowertetransfers den spezifischen Merkmalen der Technologien Rechnung tragen, die diesen Transfers zugrunde liegen.

Der Verordnungsvorschlag sollte zur wirksamen Minderung der mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verbundenen Risiken präzisiert werden, um klarzustellen, dass Transaktionen zwischen betreuten und nicht betreuten elektronischen Geldbörsen von der Verordnung erfasst werden, was dazu führt, dass genau dieselben Informationen wie für andere Kryptowertetransfers erhoben und gespeichert werden müssen. Darüber hinaus sollten Marktentwicklungen und Geldwäscheaktivitäten im Zusammenhang mit Kryptowerten, die ohne Beteiligung eines Dienstleisters oder im Wege eines dezentralen Peer-to-Peer-Austauschs stattfinden, ebenfalls von der Kommission und den zuständigen nationalen Behörden genau überwacht werden; gegebenenfalls sollten weitere gesetzgeberische Maßnahmen vorgeschlagen werden, falls ein signifikanter Anstieg des Transaktionsvolumens und eine verstärkte Nutzung solcher Kryptowerte für illegale Aktivitäten in diesem Segment zu beobachten sind.

Schließlich ist es angesichts der raschen technologischen Entwicklung im Bereich der Kryptowerte wichtig, die Umsetzung des Rahmens in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden und gegebenenfalls dem Privatsektor genau zu überwachen.

1.   Definition von Kryptowerten und Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags

1.1

In der vorgeschlagenen Verordnung wird die Begriffsbestimmung für „Kryptowerte“ verwendet werden, die bereits im Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 (4) (im Folgenden „MiCA-Verordnungsvorschlag“) festgelegt ist. Wie die EZB bereits angemerkt hat (5), enthält der MiCA-Verordnungsvorschlag eine technologiespezifische und weit gefasste Definition von Kryptowerten. Die EZB geht davon aus, dass es sich dabei um eine weit gefasste Auffangdefinition handeln soll und dass der Verordnungsvorschlag folglich darauf abzielt, die Rückverfolgbarkeitsanforderungen auf alle Kryptowerte auszuweiten, unabhängig von der zugrunde liegenden Technologie (Distributed-Ledger-Technologie oder andere), die für ihre Ausgabe verwendet wird.

1.2

Was den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags betrifft, so geht die EZB davon aus, dass sich dieser ebenso wie der des MiCA-Verordnungsvorschlags nicht auf Kryptowerte erstrecken soll, die von Zentralbanken in ihrer Eigenschaft als Währungsbehörde ausgegeben werden. Aus Gründen der Rechtssicherheit und um den Anwendungsbereich des Verordnungsvorschlags vollständig an den Anwendungsbereich des MiCA-Verordnungsvorschlags anzugleichen, schlägt die EZB jedoch vor, dies in den Erwägungsgründen und Bestimmungen des Verordnungsvorschlags ausdrücklich anzugeben.

2.   Bezugnahme auf amtliche Währungen

Im Verordnungsvorschlag wird mehrmals auf den Begriff „Nominalgeldwährung“ bzw. „Fiatgeld“ Bezug genommen (6). Gemäß den Verträgen und den währungspolitischen Rechtsvorschriften der Union ist der Euro die einheitliche Währung des Euro-Währungsgebiets, d. h. jener Mitgliedstaaten, die den Euro als Währung eingeführt haben. Im Hinblick auf die Mitgliedstaaten, die den Euro nicht als Währung eingeführt haben, wird in den Verträgen durchgängig auf die Währungen dieser Mitgliedstaaten Bezug genommen. An keiner Stelle wird in den Verträgen auf den Euro oder die Währungen der Mitgliedstaaten mit dem Begriff „Nominalgeld“-Währungen bzw. „Fiatgeld“ Bezug genommen. Vor diesem Hintergrund ist es nicht angemessen, in einem Rechtsakt der Union auf „Nominalgeldwährungen“ bzw. „Fiatgeld“ Bezug zu nehmen. Stattdessen sollte im Verordnungsvorschlag auf „amtliche Währungen“ (7) Bezug genommen werden.

3.   Geltungsbeginn des Verordnungsvorschlags

Eine Angleichung des Geltungsbeginns des Verordnungsvorschlags an den Geltungsbeginn des MiCA-Verordnungsvorschlags wäre unter dem Gesichtspunkt der System- und Finanzstabilität zweckdienlich, um sicherzustellen, dass der Verordnungsvorschlag so früh wie möglich auf Kryptowertetransfers Anwendung findet, anstatt auf das Inkrafttreten des übrigen Pakets zur Bekämpfung von Geldwäsche zu warten. Wie die Kommission festgestellt hat, fallen bislang Transfers virtueller Vermögenswerte nicht unter das Finanzdienstleistungsrecht der Union, sodass Inhaber von Kryptowerten Risiken im Zusammenhang mit Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ausgesetzt sind, da Ströme von illegalem Geld über Kryptowerte transferiert werden und so die Integrität, die Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors schädigen können (8). Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat hierzu bereits Rechtsvorschriften erlassen (9).

Sofern die EZB eine Änderung des Verordnungsvorschlags empfiehlt, sind spezielle Redaktionsvorschläge mit Begründung hierfür in einem gesonderten technischen Arbeitsdokument aufgeführt. Das technische Arbeitsdokument steht in englischer Sprache auf EUR-Lex zur Verfügung.

Geschehen zu Frankfurt am Main am 30. November 2021.

Die Präsidentin der EZB

Christine LAGARDE


(1)  COM(2021) 422 final.

(2)  Das Paket umfasst unter anderem a) einen Vorschlag für eine Verordnung zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems für Zwecke der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung (COM(2021) 420 final); b) einen Vorschlag für eine Richtlinie über die von den Mitgliedstaaten einzurichtenden Mechanismen zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/849 (COM(2021) 423 final); und c) einen Vorschlag für eine Verordnung zur Errichtung der Behörde zur Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Verordnungen (EU) Nr. 1093/2010, (EU) Nr. 1094/2010 und (EU) Nr. 1095/2010 (COM(2021) 421 final).

(3)  Siehe Empfehlungen der FATF. Abrufbar auf der Website der FATF unter https://www.fatf-gafi.org

(4)  COM(2020) 593 final.

(5)  Siehe Fußnote 12 der Stellungnahme der Europäischen Zentralbank vom 19. Februar 2021 zu einem Vorschlag für eine Verordnung über Märkte für Kryptowerte und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2019/1937 (CON/2021/4) (ABl. C 152 vom 29.4.2021, S. 1). Sämtliche Stellungnahmen der EZB sind auf EUR-Lex abrufbar.

(6)  Siehe Erwägungsgründe 8 und 27 des Verordnungsvorschlags.

(7)  Siehe Nummer 2.1.5 der Stellungnahme CON/2021/4 und Nummer 1.1.3 der Stellungnahme CON/2016/49 der Europäischen Zentralbank vom 12. Oktober 2016 zu einem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie (EU) 2015/849 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und zur Änderung der Richtlinie 2009/101/EG (ABl. C 459 vom 9.12.2016, S. 3).

(8)  Siehe Abschnitt 1 Nummer 1 achter Absatz der Begründung zum Verordnungsvorschlag.

(9)  Zum Beispiel trat am 1. Oktober 2021 die Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen über verstärkte Sorgfaltspflichten bei dem Transfer von Kryptowerten vom 24. September 2021 (BGBl. I S. 4465)) in Kraft. Nach der Verordnung müssen Kryptowertedienstleister, die Kryptowerte für einen Verpflichteten transferieren, zeitgleich und sicher den Namen, die Anschrift und die Kontonummer (z. B. den öffentlichen Schlüssel) des Auftraggebers sowie den Namen und die Kontonummer (z. B. den öffentlichen Schlüssel) des Begünstigten an den Kryptowertedienstleister übermitteln, der für den Begünstigten handelt. Der Kryptowertedienstleister, der für den Begünstigten handelt, muss sicherstellen, dass er Daten zu Originatoren und Begünstigten erhält und speichert. Die lückenlose Rückverfolgbarkeit der an einem Kryptowertetransfer beteiligten Parteien ist als Instrument zur Verhinderung, Aufdeckung und Ermittlung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sowie zur Überwachung der Umgehung von Sanktionen konzipiert. Nach Maßgabe der Verordnung müssen die Verpflichteten ferner dafür sorgen, dass Daten zu den Begünstigten oder Originatoren eines Transfers erhoben werden, wenn der Transfer von oder zu einer elektronischen Geldbörse erfolgt, die nicht von einem Kryptowertedienstleister verwaltet wird, selbst wenn kein Risiko einer Datenübermittlung besteht.