22.7.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 242/1


MITTEILUNG DER KOMMISSION

Mitteilung über den Schutz vertraulicher Informationen durch nationale Gerichte in Verfahren zur privaten Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts

(2020/C 242/01)

I.   ANWENDUNGSBEREICH UND ZWECK DIESER MITTEILUNG

1.

Die vorliegende Mitteilung betrifft den Schutz vertraulicher Informationen in Zivilverfahren vor nationalen Gerichten, die die Anwendung von Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (im Folgenden „AEUV“) betreffen.

2.

Je nach Ausgestaltung der anwendbaren nationalen Vorschriften können private Durchsetzungsmaßnahmen vor nationalen Gerichten in der EU unterschiedliche Formen annehmen, z. B. die der Schadensersatzklage, Feststellungsklage oder Unterlassungsklage. In den letzten Jahren hat die Zahl der sogenannten Folgeklagen auf Schadensersatz, durch die ein Opfer einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht nach der Entscheidung einer Wettbewerbsbehörde oder einer abschließenden Entscheidung einer Rechtsmittelinstanz Schadensersatz verlangt, rasch zugenommen. (1)

3.

Der Zugang zu Beweismitteln ist ein wichtiges Element für die Durchsetzung der Rechte, die sich für Einzelpersonen, einschließlich Verbraucher und Unternehmen, oder Behörden im Rahmen privater Durchsetzungsmaßnahmen vor nationalen Gerichten aus Artikel 101 oder 102 AEUV ergeben.

4.

Die nationalen Gerichte können daher in Verfahren zur privaten Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts Anträge auf Offenlegung von Beweismitteln erhalten. Die nationalen Gerichte müssen wirksame private Durchsetzungsmaßnahmen gewährleisten, indem sie Zugang zu den relevanten Informationen zur Begründung der jeweiligen Klage oder eines Einwands gewähren, wenn die Voraussetzungen für ihre Offenlegung erfüllt sind. Gleichzeitig müssen die nationalen Gerichte die Interessen der Partei oder Dritter schützen, deren vertrauliche Informationen offengelegt werden sollen.

5.

Die nationalen Gerichte sollten daher über Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen verfügen, wobei weder der wirksame Zugang der Parteien zur Justiz noch die Ausübung ihres Rechts auf Schadensersatz in voller Höhe beeinträchtigt werden dürfen. (2)

6.

Insbesondere bei Schadensersatzklagen verpflichtet die Schadensersatzrichtlinie (3) die Mitgliedstaaten, dafür Sorge zu tragen, dass die nationalen Gerichte befugt sind, die Offenlegung von Beweismitteln anzuordnen, die vertrauliche Informationen enthalten, sofern eine Reihe von Kriterien erfüllt ist. Die Mitgliedstaaten müssen ferner sicherstellen, dass die nationalen Gerichte über wirksame Mittel zum Schutz dieser vertraulichen Informationen verfügen und gleichzeitig die Ausübung des Rechts auf vollen Schadensersatz gewährleisten. (4) Dies ist wichtig, da die nationalen Gerichte möglicherweise nur über begrenzte Ressourcen verfügen, um Offenlegungsanträge zu bearbeiten.

7.

In diesem Zusammenhang werden in dieser Mitteilung Mittel aufgezeigt, die von den nationalen Gerichten in Betracht gezogen werden können, wenn es um die Offenlegung vertraulicher Informationen bei privaten Durchsetzungsmaßnahmen geht.

8.

Diese Mitteilung soll eine Anregung und Anleitung für die nationalen Gerichte sein und ist für diese nicht bindend. Sie bewirkt weder eine Änderung bestehender Rechtsvorschriften der EU (5) oder der Mitgliedstaaten, noch der nationalen Verfahrensvorschriften für Zivilverfahren oder der Vertraulichkeit der anwaltlichen Korrespondenz. (6) Die in Abschnitt III dieser Mitteilung dargelegten Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen können insbesondere dann Anwendung finden, wenn sie im Rahmen nationaler Vorschriften verfügbar und mit diesen, sowie mit den nach europäischem und nationalem Recht anerkannten Rechten der Parteien in Gerichtsverfahren, vereinbar sind.

II.   ANTRÄGE AUF OFFENLEGUNG VON BEWEISMITTELN, DIE VERTRAULICHE INFORMATIONEN ENTHALTEN, VOR NATIONALEN GERICHTEN

A.   Maßgebliche Erwägungen zu Anträgen auf Offenlegung von Beweismitteln

9.

Im Rahmen der privaten Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts kann die Fähigkeit der Parteien in Zivilverfahren (Kläger und Beklagte(r)), ihre Rechte wirksam auszuüben, von der Möglichkeit abhängen, Zugang zu relevanten Beweismitteln zu erhalten. Diese Beweismittel befinden sich jedoch nicht immer im Besitz der Partei, die die Beweislast trägt, bzw. die Partei hat nicht immer uneingeschränkten Zugang zu diesen Beweismitteln.

10.

Daher können die nationalen Gerichte auf Antrag einer Partei entscheiden, die Offenlegung von Beweismitteln anzuordnen. Die Offenlegung unterliegt den nationalen Verfahrensvorschriften sowie Erwägungen der Verwaltungs- und Prozessökonomie.

11.

Insbesondere im Falle von Schadensersatzklagen sind die Mitgliedstaaten nach der Schadensersatzrichtlinie unter folgenden Voraussetzungen verpflichtet, Klägern und Beklagten das Recht auf Offenlegung von für ihren Anspruch bzw. Einwand relevanten Beweismitteln zu gewähren. (7)

12.

Erstens müssen die nationalen Gerichte prüfen, ob der Schadensersatzanspruch plausibel ist und ob der Offenlegungsantrag relevante Beweismittel betrifft und verhältnismäßig ist. (8) Die Schadensersatzrichtlinie sieht vor, dass bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Umfang und die Kosten der Offenlegung zu berücksichtigen sind, um unter anderem nicht gezielte Suchanfragen nach Informationen zu verhindern, die für die Verfahrensbeteiligten wahrscheinlich nicht relevant sind. Übermäßig weit oder allgemein gefasste Offenlegungsanträge werden diesen Voraussetzungen in den meisten Fällen nicht entsprechen. (9)

13.

Zweitens müssen einzelne Beweismittel oder relevante Kategorien von Beweismitteln in Offenlegungsanträgen „so genau und so präzise“ bestimmt werden, wie dies auf der Grundlage der mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Tatsachen möglich ist. (10) Kategorien von Beweismitteln können durch Bezugnahme auf gemeinsame Merkmale ihrer wesentlichen Elemente wie Art, Gegenstand oder Inhalt der Unterlagen, deren Offenlegung beantragt wird, die Zeit, in der sie erstellt wurden, oder andere Kriterien bestimmt werden. So könnte sich ein Antrag auf Offenlegung einer Kategorie von Beweismitteln beispielsweise auf die Daten zum Verkauf des Produkts Y von Unternehmen A an Unternehmen B im Zeitraum N bis N + 5 beziehen.

14.

Drittens sieht die Schadensersatzrichtlinie im Hinblick auf die Offenlegung von Informationen, die in der Akte der Kommission oder einer nationalen Wettbewerbsbehörde enthalten sind, vor, dass die nationalen Gerichte bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Offenlegungsanordnung berücksichtigen müssen, „ob der Antrag eigens hinsichtlich Art, Gegenstand oder Inhalt der der Wettbewerbsbehörde übermittelten oder in deren Akten enthaltenen Unterlagen und nicht unspezifisch in Bezug auf die der Wettbewerbsbehörde übermittelten Unterlagen formuliert wurde.“ (11)

15.

Es wird darauf hingewiesen, dass Kronzeugenerklärungen und Vergleichsausführungen nach der Schadensersatzrichtlinie niemals offengelegt werden dürfen (sogenannte „schwarze Liste“ der nicht offenzulegenden Dokumente). (12) Wenn die Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde ihr Verfahren noch nicht abgeschlossen hat, kann das nationale Gericht zudem nicht die Offenlegung von Informationen anordnen, die von einer natürlichen oder juristischen Person eigens für das wettbewerbsbehördliche Verfahren erstellt wurden, von Informationen, die die Wettbewerbsbehörde im Laufe ihres Verfahrens erstellt und den Parteien übermittelt hat, oder von Vergleichsausführungen, die zurückgezogen wurden (sogenannte „graue Liste“ der nicht offenzulegenden Dokumente). (13)

16.

Die nationalen Gerichte können jede der Parteien (den Beklagten und/oder den Kläger) oder Dritte anweisen, Informationen offenzulegen, die sich in ihrer Verfügungsgewalt befinden. (14) In den meisten Fällen befinden sich die benötigten Beweismittel im Besitz einer der Verfahrensbeteiligten oder eines Dritten. In einigen Fällen verfügt der Beklagte über Beweismittel, die für die Feststellung einer Zuwiderhandlung oder die Festlegung ihres zeitlichen Rahmens relevant sind und durch Einsicht in die Akte einer Wettbewerbsbehörde erlangt wurden (z. B. bereits vorhandene Beweismittel, Antworten auf Informationsersuchen usw.). In anderen Fällen, beispielsweise bei einer Schadensersatzklage, kann der Beklagte oder der Kläger über zusätzliche Beweismittel verfügen, die nicht in der Akte einer Wettbewerbsbehörde enthalten waren, die aber für eine Schadensersatzklage oder einen Einwand relevant sind (z. B. zur Feststellung des ursächlichen Zusammenhangs, zur Ermittlung des Schadensumfangs (15), zur Bewertung einer möglichen Abwälzung eines Preisaufschlags durch den Beklagten (16) usw.). Dies kann insbesondere für Informationen über kundenspezifische Preise, Umsätze oder sonstige Daten, wie beispielsweise das Preisverhalten von Abnehmern, gelten.

17.

Falls die Parteien oder Dritte die verlangten Beweismittel nicht bereitstellen können und der Offenlegungsantrag Unterlagen, die in der Akte der Kommission oder einer nationalen Wettbewerbsbehörde enthalten sind, betrifft, kann das nationale Gericht die Offenlegungsanordnung direkt an letztere richten. (17)

B.   Vertrauliche Informationen

18.

Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen ist in Artikel 339 AEUV verankert und zudem ein allgemeiner Grundsatz des EU-Rechts. (18) Der vertrauliche Charakter von Informationen im Rahmen nationaler Verfahren stellt jedoch kein Hindernis für ihre Offenlegung dar. (19) Die nationalen Gerichte entscheiden im Einzelfall nach den nationalen und EU-Vorschriften und der einschlägigen Rechtsprechung, was als vertrauliche Information für die private Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts gelten kann.

19.

Aus diesem Grund soll mit der vorliegenden Mitteilung keine Definition des Begriffs „vertrauliche Information“ gegeben werden. Die Rechtsprechung der EU-Gerichte und die Praxis der Kommission könnten jedoch als Anregung dienen. (20)

20.

Die EU-Gerichte stufen Informationen als vertraulich ein, wenn sie alle folgenden Voraussetzungen erfüllen: (21)

i)

Sie sind nur einer begrenzten Zahl von Personen bekannt.

ii)

Durch ihre Offenlegung muss dem Auskunftgeber oder Dritten ein ernsthafter Nachteil entstehen können.

iii)

Die Interessen, die durch die Offenlegung der vertraulichen Information verletzt werden können, sind objektiv schützenswert.

21.

In Bezug auf die erste Voraussetzung kann die Information ihren vertraulichen Charakter verlieren, sobald sie „Fachkreisen zugänglich sind oder sich aus öffentlich verfügbaren Informationen ableiten lassen“. (22)

22.

In Bezug auf die zweite Voraussetzung ist anzumerken, dass es für die Beurteilung des Schadenspotenzials wichtig ist, zunächst die Art der Information zu berücksichtigen. Die Offenlegung von Informationen, die einen geschäftlichen, finanziellen oder strategischen Wert haben, wird in der Regel als geeignet angesehen, ernsthaften Schaden zu verursachen. (23) Anschließend ist zu prüfen, wie aktuell die Informationen sind. Geschäftsgeheimnisse, die andauernde oder zukünftige Geschäftsbeziehungen, interne Geschäftspläne oder sonstige zukunftsorientierte Geschäftsinformationen betreffen, könnten häufig (zumindest teilweise) als vertrauliche Informationen erachtet werden. Solche Informationen können ihren vertraulichen Charakter allerdings verlieren, wenn sie „zeitbedingt nicht mehr von geschäftlicher Bedeutung sind“. (24)

23.

In Bezug auf die dritte Voraussetzung stellt das Interesse einer Partei, sich selbst oder ihr Ansehen gegen eine mögliche Verurteilung durch ein nationales Gericht zur Leistung von Schadensersatz wegen ihrer Beteiligung an einer Zuwiderhandlung gegen das Wettbewerbsrecht zu schützen, kein schützenswertes Interesse dar. (25)

24.

Schließlich sind Geschäftsgeheimnisse, wie sie in der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse definiert sind, als vertrauliche Informationen zu betrachten. (26)

C.   Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Gerichten im Hinblick auf die Offenlegung von Beweismitteln

25.

Nach dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union festgelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit können nationale Gerichte im Rahmen von Zivilverfahren zur Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV die Kommission nach Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (27) um Stellungnahmen zu Fragen, die die Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts betreffen, oder um die Übermittlung rechtlicher, wirtschaftlicher oder verfahrensmäßiger Informationen, die sich in ihrem Besitz befinden, bitten. (28)

26.

Nach der Schadensersatzrichtlinie können nationale Gerichte beispielsweise die Offenlegung von Unterlagen aus der Kommissionsakte anordnen, sofern diese nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können. (29) In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Kommission, wie vorstehend bereits dargelegt, keine Unterlagen der schwarzen Liste bzw. — bei noch nicht abgeschlossenen Verfahren — keine Unterlagen der grauen Liste übermittelt (siehe Randnummer 15). (30)

27.

Darüber hinaus darf die Unterstützung der nationalen Gerichte durch die Kommission die Garantien, die natürlichen und juristischen Personen nach dem in Artikel 339 AEUV und Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 verankerten Grundsatz des Berufsgeheimnisses zustehen, nicht einschränken. (31)

28.

Ist die Kommission der Auffassung, dass die vom nationalen Gericht angeforderten Informationen in dem bei ihr anhängigen Verfahren vertraulich sein könnten, so erkundigt sie sich vor deren Übermittlung bei dem nationalen Gericht, ob es den Schutz vertraulicher Informationen gewährleisten kann und wird. (32) Das nationale Gericht sollte dann den geeigneten Schutz vertraulicher Informationen, die den juristischen oder natürlichen Personen gehören, von denen die Kommission die Informationen erhalten hat, tatsächlich gewährleisten. (33)

29.

Gewährleistet das nationale Gericht den Schutz der vertraulichen Informationen, so übermittelt die Kommission die angeforderten Informationen. Das nationale Gericht kann diese Informationen daraufhin unter Anwendung der der Kommission mitgeteilten Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit von Informationen sowie unter Berücksichtigung etwaiger diesbezüglicher Anmerkungen der Kommission im Rahmen von nationalen Verfahren offenlegen.

III.   MITTEL ZUM SCHUTZ VERTRAULICHER INFORMATIONEN

A.   Einführung

30.

Wenn Beweismittel, die vertrauliche Informationen enthalten, offengelegt werden, sollten Mittel zum Schutz dieser Informationen angewendet werden. Auf einige Beispiele solcher Mittel wie die Unkenntlichmachung in Dokumenten, die Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit, die Beschränkung des zur Kenntnisnahme der Beweismittel berechtigten Personenkreises und die Anweisung an Sachverständige, eine Zusammenfassung der Informationen in aggregierter oder sonstiger nichtvertraulicher Form vorzulegen, wird in der Schadensersatzrichtlinie verwiesen. (34)

31.

Welche Mittel bei der Anordnung einer Offenlegung angewendet werden, um vertrauliche Informationen zu schützen, hängt dabei von den spezifischen nationalen Verfahrensvorschriften sowie auch dem Umfang ab, in dem bestimmte Mittel verfügbar sind. Die nationalen Gerichte können ferner verlangen, dass die Parteien eine Vereinbarung über die Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen anstreben.

32.

Die nationalen Gerichte entscheiden nach Lage des Einzelfalls über das wirksamste Mittel oder eine Kombination von Mitteln zum Schutz der Vertraulichkeit. Die Wahl kann von mehreren Faktoren abhängen, unter anderem:

i)

von der Art und dem geschäftlichen/finanziellen/strategischen Wert der offenzulegenden Informationen (z. B. Kundennamen, Preise, Kostenstrukturen, Margen usw.) sowie von der Möglichkeit, den Zugang zu solchen Informationen — unter Wahrung der Rechte der die Offenlegung beantragenden Partei — in aggregierter oder anonymisierter Form zu gewähren;

ii)

vom Umfang der beantragten Offenlegung (d. h. Größe oder Zahl der offenzulegenden Dokumente);

iii)

von der Zahl der von der Rechtsstreitigkeit und der Offenlegung betroffenen Parteien. Einige Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit könnten wirksamer sein als andere, je nachdem, ob es mehr als eine die Offenlegung beantragende und/oder offenlegende Partei gibt;

iv)

vom Verhältnis, in dem die Parteien zueinander stehen (z. B.: Handelt es sich bei der offenlegenden Partei um einen direkten Wettbewerber der die Offenlegung beantragenden Partei? (35) Unterhalten die Parteien derzeit eine Lieferbeziehung? usw.);

v)

davon, ob die offenzulegenden Informationen von Dritten stammen. Auch das Recht von an dem Zivilverfahren beteiligten Dritten auf Schutz ihrer vertraulichen Informationen muss berücksichtigt werden. (36) Die offenlegende Partei kann Dokumente Dritter besitzen, die gegenüber der Partei, die die Offenlegung beantragt, oder gegenüber anderen Parteien des Verfahrens vertraulich sind. (37)

vi)

vom Kreis der zum Zugang zu den Informationen berechtigten Personen (d. h.: Sollten die Informationen nur externen Beratern offengelegt werden, oder sollte auch der die Offenlegung beantragenden Partei (d. h. Unternehmensvertretern) Zugang gewährt werden?);

vii)

vom Risiko einer unbeabsichtigten Offenlegung;

viii)

von der Fähigkeit des Gerichts, vertrauliche Informationen während des gesamten Zivilverfahrens und sogar nach Abschluss des Verfahrens zu schützen; davon, dass nationale Gerichte zu dem Schluss kommen können, dass für einen wirksamen Schutz vertraulicher Informationen ein einziges Mittel nicht ausreicht und während des gesamten Verfahrens möglicherweise weitere Mittel angewendet werden müssen;

ix)

von sonstigen Einschränkungen oder administrativen Umständen (38) im Zusammenhang mit der Offenlegung wie beispielsweise höhere Kosten oder ein administrativer Mehraufwand für das nationale Justizsystem (39), Kosten für die Parteien, etwaige Verfahrensverzögerungen usw.

33.

Um zu verhindern, dass Parteien vertrauliche Dokumente außerhalb der Verfahren verwenden, in deren Rahmen sie offengelegt wurden, sollten nationale Gerichte in der Lage sein, bei Verletzungen der Pflichten zum Schutz vertraulicher Informationen abschreckende Sanktionen zu verhängen. (40) Die Wahl der wirksamsten Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen kann auch durch das Bestehen von Sanktionen für das Versäumnis oder die Verweigerung der Anwendung solcher Mittel sowie die Möglichkeiten für deren Auferlegung und Durchsetzung beeinflusst werden. Für Schadensersatzklagen müssen die nationalen Gerichte nach Artikel 8 der Schadensersatzrichtlinie wirksam Sanktionen gegen die Parteien, Dritte und ihre rechtlichen Vertreter verhängen können, wenn diese die Erfüllung der mit einer Anordnung eines nationalen Gerichts zum Schutz vertraulicher Informationen auferlegten Verpflichtungen unterlassen oder verweigern. (41)

34.

Die Art und der Umfang der Sanktionen hängen von den nationalen Rechtsvorschriften ab. Nach der Schadensersatzrichtlinie umfassen die Sanktionen für die Nichtbefolgung einer Offenlegungsanordnung oder die Nichterfüllung der mit einer Anordnung eines nationalen Gerichts zum Schutz vertraulicher Informationen auferlegten Verpflichtungen unter anderem die Möglichkeit, für die Partei nachteilige Schlussfolgerungen zu ziehen, und die Partei zur Tragung der Kosten zu verpflichten. (42) Externe Rechtsberater und Sachverständige können von ihren Berufsverbänden ebenfalls mit Disziplinarmaßnahmen belegt werden (z. B. zeitweiliger Ausschluss, Geldbußen usw.).

35.

Abschließend kann bei der Wahl der Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen eine umfassende Bewertung mehrerer Faktoren erforderlich sein. Zur Unterstützung der nationalen Gerichte bei dieser Bewertung gibt die Kommission mit dieser Mitteilung einen Überblick über die häufigsten Mittel, die — in Abhängigkeit von ihrer Verfügbarkeit nach den nationalen Verfahrensvorschriften — angewendet werden können, um vertrauliche Informationen zu schützen, sowie über relevante Erwägungen hinsichtlich ihrer Wirksamkeit.

B.   Unkenntlichmachung

36.

Die nationalen Gerichte können auch in Erwägung ziehen, die offenlegende Partei anzuweisen, Kopien der Dokumente zu bearbeiten und die vertraulichen Informationen zu entfernen. Dieses Verfahren wird als Unkenntlichmachung bezeichnet.

37.

Im Zuge einer Unkenntlichmachung können unter anderem alle vertraulichen Informationen durch anonymisierte Daten oder aggregierte Zahlen ersetzt werden bzw. gelöschte Absätze durch informative oder aussagekräftige nichtvertrauliche Zusammenfassungen ersetzt oder sogar die Teile der Dokumente, die die vertraulichen Informationen enthalten, vollständig geschwärzt werden.

38.

Von den offenlegenden Parteien wird verlangt, die Unkenntlichmachung auf das Maß zu beschränken, das zum Schutz der Interessen derjenigen, von denen die Informationen stammen (z. B. Dritte), unbedingt erforderlich ist. Unter Umständen genügt eine geringfügige Unkenntlichmachung bestimmter vertraulicher Informationen, um alle vertraulichen Informationen in einem Dokument oder in einer Reihe von Dokumenten zu schützen. Je nach den Umständen des Falles kann es für den Schutz der Vertraulichkeit zum Beispiel ausreichen, die Namen der Kunden unkenntlich zu machen, ohne jedoch die Mengen der ihnen jeweils gelieferten Produkte zu verändern. (43)

39.

Vertrauliche Informationen unkenntlich zu machen, ohne sie durch einen nichtvertraulichen Text zu ersetzen, schafft möglicherweise kein ausgewogenes Verhältnis zwischen dem Recht einer Partei auf Schutz ihrer vertraulichen Informationen und dem Recht der Partei, die Zugang zu dem Beweismittel beantragt, um ihren Anspruch bzw. Einwand zu substantiieren. Eine Unkenntlichmachung ganzer Seiten oder Abschnitte von Dokumenten oder ganzer Anhänge könnte als übermäßig angesehen werden und für die Zwecke des Verfahrens nicht zulässig sein.

B.1.    Unkenntlichmachung als wirksames Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit

40.

Die Unkenntlichmachung kann ein wirksames Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen sein, wenn die offengelegten Dokumente und Informationen trotz der Ersetzung der vertraulichen Informationen durch einen nichtvertraulichen Text ihre Aussagekraft behalten und weiterhin für die Ausübung der Rechte der Partei, die die Offenlegung beantragt, verwendbar sind.

41.

Das Mittel der Unkenntlichmachung ist daher besonders effektiv, wenn es sich bei den vertraulichen Informationen um Marktdaten oder Zahlen (z. B. Umsätze, Gewinne oder Marktanteile) handelt, die durch repräsentative Spannen ersetzbar sind, oder wenn qualitative Daten aussagekräftig zusammengefasst werden können.

42.

Die Unkenntlichmachung kann auch dann ein wirksames Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen sein, wenn die Menge der offenzulegenden vertraulichen Informationen begrenzt ist. Wenn eine sehr große Zahl von Dokumenten unkenntlich gemacht werden muss, können je nach den Umständen des Falles andere Mittel zum Schutz vertraulicher Informationen (z. B. Vertraulichkeitskreis usw.) unter Berücksichtigung der Zeit, der Kosten und der Ressourcen für die Ausarbeitung der nichtvertraulichen Fassungen als geeigneter angesehen werden.

43.

Und schließlich kann die Unkenntlichmachung vertraulicher Informationen Dritter auch ein zweckdienliches Mittel sein, wenn die die Informationen offenlegende Partei Informationen von Dritten in ihrem Besitz hat, die dieser Partei gegenüber nicht vertraulich sind, möglicherweise aber gegenüber der Partei, die die Offenlegung beantragt. (44) Dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn die antragstellende Partei, die Zugang zu den Informationen erhalten würde, und der betreffende Dritte Wettbewerber sind. In solchen Fällen kann es notwendig sein, dass die offenlegende Partei eine Stellungnahme des Dritten zu der Frage einholt, welche Informationen vertraulich sind, oder die Zustimmung des Dritten zu einem Vorschlag für eine Unkenntlichmachung einholt.

44.

Die nationalen Gerichte könnten jedoch feststellen, dass die Unkenntlichmachung in solchen Fällen ein weniger effizientes Mittel ist, wenn der Antrag eine große Zahl von Dokumenten Dritter betrifft, da die Kontaktaufnahme zu den Dritten das Verfahren verkomplizieren kann.

B.2.    Unkenntlichmachung vertraulicher Informationen

45.

Nach Maßgabe der unterschiedlichen Verfahrensvorschriften wirken die nationalen Gerichte mehr oder weniger aktiv an der Unkenntlichmachung mit. Die nationalen Gerichte können die Unkenntlichmachung beaufsichtigen und kontrollieren und als Ansprechpartner für Parteien und Dritte fungieren. Alternativ können in erster Linie die Parteien für die Erstellung nichtvertraulicher Fassungen und/oder gegebenenfalls für die Einholung der Zustimmung Dritter zu Vorschlägen für eine Unkenntlichmachung zuständig sein.

46.

In jedem Fall könnte es für die nationalen Gerichte von Vorteil sein, zur Steuerung der Ausarbeitung nichtvertraulicher Fassungen allgemeine Leitlinien für die Parteien und/oder fallspezifische Leitlinien für die bei ihnen anhängigen Verfahren herauszugeben, sofern dies nach den nationalen Verfahrensvorschriften möglich ist. Solche Leitlinien können von großem Nutzen sein, um das Verfahren darzulegen, das die Gerichte von den Parteien bei der Erstellung nichtvertraulicher Fassungen gegebenenfalls erwarten.

47.

Im Interesse einer effizienten Bearbeitung von Anträgen auf Unkenntlichmachung können die nationalen Gerichte von den Parteien verlangen: (45)

i)

alle vertraulichen Informationen in den vertraulichen Originaldokumenten mit eckigen Klammern zu kennzeichnen und so hervorzuheben, dass sie lesbar bleiben, bis entschieden ist, was unkenntlich gemacht werden soll; (46)

ii)

eine Liste aller Informationen (Wörter, Daten, Absätze und/oder Abschnitte) aufzustellen, für die eine Unkenntlichmachung vorgeschlagen wird;

iii)

für jede vorgeschlagene Unkenntlichmachung anzugeben, warum die betreffenden Informationen vertraulich behandelt werden sollten;

iv)

die unkenntlich gemachten Informationen durch eine informative und aussagekräftige nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen zu ersetzen. (47)Einfache Angaben wie „Geschäftsgeheimnis“, „vertraulich“ oder „vertrauliche Informationen“, sind in der Regel nicht ausreichend. Bei der Unkenntlichmachung quantitativer Daten (z. B. Verkäufe, Umsätze, Gewinne, Marktanteile oder Preise) können aussagekräftige Spannen oder aggregierte Zahlen verwendet werden. Bei Verkaufs- und/oder Umsatzdaten beispielsweise sind Spannen von mehr als 20 % der genauen Zahl möglicherweise nicht aussagekräftig; bei Marktanteilen könnten je nach den Umständen des bei Gericht anhängigen Verfahrens auch Spannen von mehr als 5 % nicht aussagekräftig sein; (48)

v)

nichtvertrauliche Fassungen der betreffenden Dokumente vorzulegen, die in Gliederung und Format den vertraulichen Fassungen entsprechen. Insbesondere im Originaldokument enthaltene Informationen wie Titel oder Überschriften, Seitenzahlen und Inhaltsverzeichnisse müssen unverändert bleiben, damit der Leser den Umfang der Unkenntlichmachung und deren Auswirkungen auf das Verständnis der Informationen nach der Offenlegung erkennen kann;

vi)

dafür zu sorgen, dass die vorgelegten nichtvertraulichen Fassungen technisch sicher sind und die unkenntlich gemachten Informationen auf keine Weise, auch nicht mit forensischen Mitteln, wieder sichtbar gemacht werden können.

48.

Sobald die Parteien ihre jeweiligen Anträge auf Unkenntlichmachung eingereicht oder sich auf einen Vorschlag für eine Unkenntlichmachung geeinigt haben, obliegt es dem nationalen Gericht, zu entscheiden, ob die vorgeschlagenen Unkenntlichmachungen zulässig sind.

49.

Nach der Unkenntlichmachung dürfen die nichtvertraulichen Fassungen der Originaldokumente während des gesamten Zivilverfahrens verwendet werden, ohne dass ein weiter gehender Schutz verlangt werden kann.

C.   Vertraulichkeitskreise

50.

Bei einem Vertraulichkeitskreis handelt es sich um ein im Rahmen einer Offenlegung angewendetes Mittel, bei dem die offenlegende Partei bestimmte Kategorien von Informationen — auch vertraulicher Art — nur bestimmten Personengruppen zugänglich macht. (49)

C.1.    Vertraulichkeitskreise als wirksames Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit

51.

Vertraulichkeitskreise können von den nationalen Gerichten in einer Vielzahl von Gegebenheiten als wirksames Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit angewendet werden.

52.

Erstens können Vertraulichkeitskreise wirksam angewendet werden, um die Offenlegung quantitativer Daten (z. B. Einnahmen, Preise, Gewinnspannen usw.) (50) oder sehr strategischer Geschäftsdaten sicherzustellen, die zwar für den Anspruch der Partei relevant sind, jedoch nur sehr schwer in aussagekräftiger Form zusammenzufassen sind (51) oder nicht offengelegt werden können, ohne dass ihre übermäßige Unkenntlichmachung (52) und — folglich — ein Verlust ihrer Beweiskraft zu befürchten wären.

53.

Zweitens können Vertraulichkeitskreise zu Verfahrensökonomie und Kosteneffizienz beitragen, insbesondere wenn die Zahl der angeforderten Dokumente hoch ist und alle Dokumente vollständig in dem betreffenden Kreis verbleiben (d. h. in ihrer Originalfassung ohne Unkenntlichmachung). In der Praxis können sich die Parteien möglicherweise nicht darauf einigen, Fassungen bestimmter Dokumente im Vertraulichkeitskreis offenzulegen, die nicht unkenntlich gemacht sind, und es kann weiterhin erforderlich sein, vertrauliche und nichtvertrauliche Fassungen einiger Dokumente zu erstellen. Selbst in solchen Fällen können Vertraulichkeitskreise gleichwohl die Notwendigkeit vertraulicher Gespräche zwischen den Parteien und möglicherweise damit einhergehende Verzögerungen verringern.

54.

Drittens können Vertraulichkeitskreise elektronisch organisiert werden (z. B. durch eine sogenannte elektronische Offenlegung). Somit erfordern Vertraulichkeitskreise nicht unbedingt die physische Übergabe von Informationen oder die physische Präsenz ihrer Mitglieder an einem bestimmten Ort.

55.

Vertraulichkeitskreise können dazu beitragen, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Notwendigkeit der Offenlegung und der Verpflichtung zum Schutz vertraulicher Informationen zu schaffen. (53) Durch die Offenlegung von Dokumenten innerhalb eines Vertraulichkeitskreises werden zwar relevante vertrauliche Informationen wirksam offengelegt, jedoch wird der durch die Offenlegung verursachte potenzielle Schaden dadurch kontrolliert bzw. gemindert, dass, je nach den Umständen des Falles (z. B. Charakter der Dokumente, Verhältnis zwischen den Parteien, Zusammensetzung des Kreises, Dokumente von Dritten usw.), einem begrenzten Kreis von Personen Zugang gewährt wird.

56.

Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Umfang Beweismittel in einen Vertraulichkeitskreis aufgenommen werden sollten, können die nationalen Gerichte jedoch dem Umstand Bedeutung beimessen, dass die in einen Vertraulichkeitskreis aufgenommenen Informationen das Ausmaß einschränken können, in dem sie in späteren Phasen des Verfahrens (z. B. Anhörungen, Veröffentlichung usw.) zugänglich sind und/oder verwendet werden können. Die nationalen Gerichte können ferner in Betracht ziehen, ob nichtvertrauliche Fassungen von Dokumenten weiterhin erforderlich sind, und wenn ja, wie viele Dokumente in jedem Fall unkenntlich gemacht werden müssten.

C.2.    Organisation eines Vertraulichkeitskreises

57.

Wenn ein nationales Gericht der Auffassung ist, dass ein Vertraulichkeitskreis in einer bestimmten Rechtssache ein wirksames Mittel für die Offenlegung von Informationen darstellt, muss es gegebenenfalls Entscheidungen über eine Reihe von Aspekten treffen, die dann in einem gerichtlichen Beschluss dargelegt werden, wie a) die in den Vertraulichkeitskreis aufzunehmenden Informationen, b) die Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises, c) die Geheimhaltungsverpflichtungen, die von den Parteien einzugehen sind, und d) die logistische Organisation des Vertraulichkeitskreises. Einige dieser Aspekte können bereits in nationalen Verfahrensvorschriften oder den allgemeinen Leitlinien des nationalen Gerichts festgelegt sein. (54)

a)   Bestimmung der innerhalb des Vertraulichkeitskreises zugänglichen Informationen

58.

Für jeden Vertraulichkeitskreis, der von einem nationalen Gericht angeordnet wird, werden in der Regel die Kategorien von Informationen oder spezifische Beweismittel festgelegt, die in den Vertraulichkeitskreis aufgenommen werden sollen. In der Praxis können sich die Parteien über die Dokumente oder Informationen, die in den Vertraulichkeitskreis aufgenommen werden sollen, einigen oder vom Gericht dazu aufgefordert werden, bevor das Gericht seine Anordnung erlässt.

b)   Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises

59.

Nach Prüfung der entweder schriftlich oder in einer mündlichen Verhandlung abgegebenen Stellungnahmen der Parteien oder auf der Grundlage der Vereinbarung der Parteien kann das Gericht über die Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises und die Zugangsrechte seiner Mitglieder entscheiden. (55)

60.

Bei den Mitgliedern des Vertraulichkeitskreises kann es sich um die zur Einsicht in die Dokumente innerhalb des Vertraulichkeitskreises berechtigten Personen handeln. Die Entscheidung über die Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises hängt von den Umständen des Falles ab, insbesondere vom Charakter der von dem Offenlegungsantrag betroffenen Informationen.

61.

Die Mitglieder des Vertraulichkeitskreises können von externen Beratern der Parteien (z. B. externen Rechts- oder sonstigen Beratern) bis hin zu internen Rechtsberatern und/oder sonstigen Unternehmensvertretern reichen. Je nach den nationalen Vorschriften und den jeweiligen besonderen Umständen des Falles können die Vertraulichkeitskreise entweder ausschließlich aus externen Beratern oder aus einer Kombination von externen und internen Beratern bestehen.

Externe Berater

62.

Als externe Berater können — je nach Erfordernis des betreffenden Einzelfalls — Rechtsberater und sonstige Berater oder Sachverständige wie Wirtschaftswissenschaftler, Buch- oder Wirtschaftsprüfer oder Finanzberater gelten.

63.

Je nach dem Verhältnis zwischen der antragstellenden und der offenlegenden Partei sowie den offenzulegenden Informationen kann das Gericht es für notwendig erachten, den Zugang zum Vertraulichkeitskreis auf Berater zu beschränken, die nicht an den Entscheidungsprozessen der von ihnen vertretenen Unternehmen beteiligt sind. (56) Dies trifft häufig auf externe Berater zu.

64.

Im Gegensatz zu externen Beratern können interne Rechtsberater oder Unternehmensvertreter in einer Vielzahl von Unternehmensfunktionen für das Unternehmen tätig und oft direkt oder indirekt an den strategischen Entscheidungen des Unternehmens beteiligt sein. Daher kann unter bestimmten Umständen das Risiko bestehen, dass die geschäftliche oder strategische Beratung der Unternehmensleitung durch interne Rechtsberater durch den Zugang zu bestimmten vertraulichen Informationen im Vertraulichkeitskreis beeinflusst wird. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn es sich bei den Parteien eines Zivilverfahrens um tatsächliche oder potenzielle Wettbewerber handelt und der Zugang zu sensiblen geschäftlichen oder strategischen Informationen diesen einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil verschaffen könnte, wenn die Parteien eine Lieferbeziehung unterhalten oder wenn die offenzulegenden Informationen Vereinbarungen umfassen, die nach wie vor gültig sind.

65.

Bei der Entscheidung darüber, ob der Zugang auf externe Berater beschränkt werden soll, können die nationalen Gerichte den Charakter der Informationen als relevant erachten, ebenso die Frage, ob ein solcher beschränkter Zugang es den Parteien ermöglicht, ihre nach EU-Recht (57) und nationalem Recht anerkannten Rechte in Gerichtsverfahren wirksam auszuüben.

Interne Rechtsberater und/oder sonstige Unternehmensvertreter

66.

Unter bestimmten Umständen können die nationalen Gerichte es für angemessen erachten, dass interne Rechtsberater und/oder Unternehmensvertreter (z. B. Manager oder sonstige Mitarbeiter (58)) Zugang zu Vertraulichkeitskreisen haben. Über den Zugang durch interne Rechtsberater und/oder Unternehmensvertreter ist auf Einzelfallbasis zu entscheiden, wobei die Entscheidung von der Nähe zwischen den von den Parteien benannten Einzelpersonen und dem von dem Antrag oder anderweitig vom Sachverhalt betroffenen Unternehmen, Tätigkeitsbereich oder operativen Geschäft abhängen kann.

67.

Ein solcher Zugang kann gewährt werden, wenn die betreffenden vertraulichen Informationen (vollständig oder teilweise) als geschäftlich weniger sensibel erachtet werden oder wenn die Offenlegung gegenüber Mitarbeitern des Unternehmens — beispielsweise aufgrund des Verhältnisses, in dem die Parteien zueinander stehen — keinen Schaden verursachen kann.

68.

Zugang zu bestimmten Informationen für interne Rechtsberater und/oder andere Unternehmensvertreter kann auch auf begründeten Antrag der Parteien gewährt werden (59), in der Regel dann, wenn der externe Rechtsberater, der Zugang zu den Informationen hatte, der Ansicht ist, dass er die Interessen seines Mandanten nicht angemessen vertreten kann, ohne dass bestimmte Informationen an seinen Mandanten weitergegeben werden. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der externe Rechtsberater nicht in der Lage ist, die Exaktheit der Informationen sowie ihre Relevanz für den Anspruch der Partei zu beurteilen, oder wenn die Informationen sehr technisch oder produkt-/dienstleistungsspezifisch sind und die Bewertung ihrer Relevanz sektor- oder branchenspezifische Kenntnisse voraussetzt. (60)

69.

Darüber hinaus kann es nach den Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen möglich sein, das nationale Gericht um Zustimmung dazu zu ersuchen, internen Rechtsberatern oder Unternehmensvertretern Zugang zu bestimmten Einzelinformationen zu verschaffen, ohne ihnen die Aufnahme in den Vertraulichkeitskreis zu gewähren.

Zugangsrechte

70.

Wenn sich der Vertraulichkeitskreis aus einer Kombination von externen Beratern und internen Rechtsberatern und/oder Unternehmensvertretern zusammensetzt, können alle Mitglieder des Kreises Zugang zu sämtlichen in diesem Kreis offengelegten Informationen haben oder unterschiedliche Zugangsrechte bestehen.

71.

Es ist ferner möglich, dass Vertraulichkeitskreise mit zwei unterschiedlichen Zugangsebenen eingerichtet werden: einem inneren Kreis, dem externe Rechtsberater und/oder sonstige externe Berater mit Recht auf Zugang zu den besonders sensiblen Informationen angehören, und einem äußeren Kreis, dem interne Rechtsberater und/oder Unternehmensvertreter mit Recht auf Zugang zu den übrigen vertraulichen Informationen angehören.

72.

Auf begründeten Antrag der offenlegenden Partei kann das Gericht — nach Maßgabe der nationalen Verfahren — auch besondere Beschränkungen für den Zugang bestimmter Mitglieder des Vertraulichkeitskreises zu einzelnen Dokumenten festlegen.

73.

Es ist möglich, dass auch Verwaltungs- und/oder Servicepersonal (z. B. externer Serviceanbieter für die elektronische Offenlegung oder für die Unterstützung bei Rechtsstreitigkeiten) unter der Aufsicht der anderen dem Kreis angehörenden Personen und mit den gleichen Geheimhaltungspflichten Zugang zu dem Vertraulichkeitskreis erhalten.

74.

Schließlich kann es, wenn das Gericht eine Entscheidung über die Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises getroffen hat, angebracht sein, jedes einzelne Mitglied anhand seines Namens, seiner Funktion oder seines Bezugs zu den Parteien zu bestimmen. (61) Das Gericht kann zudem die Gerichtsbediensteten benennen, die im Falle von Vertraulichkeitskreisen an einem bestimmten Ort anwesend sein müssen bzw. gemeinsam mit den Parteien oder zu einem sonstigen beliebigen Zeitpunkt Zugang zu dem Kreis haben.

c)   Schriftliche Verpflichtungen der Mitglieder des Vertraulichkeitskreises

75.

Das Gericht kann verlangen, dass sich die Mitglieder des Vertraulichkeitskreises dem Gericht gegenüber schriftlich zur Vertraulichkeit verpflichten. Diese Verpflichtungen beziehen sich auf ihre Pflichten hinsichtlich des Zugangs zum Vertraulichkeitskreis und insbesondere auf die vertrauliche Behandlung bestimmter in den Vertraulichkeitskreis aufgenommener Informationen. (62)

76.

Gegenstand solcher Verpflichtungen kann unter anderem die Pflicht sein, die vertraulichen Informationen anderen als den Personen, die vom Gericht als Mitglieder des Vertraulichkeitskreises aufgelistet werden, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Gerichts offenzulegen, die Pflicht, die vertraulichen Informationen nur für den Zweck des Zivilverfahrens, in dem die Offenlegungsanordnung erlassen wurde, zu verwenden, die Pflicht, für eine geeignete Sicherung der Informationen zu sorgen, die Pflicht, je nach den Umständen die für die Verhinderung unbefugten Zugangs erforderlichen Mittel anzuwenden, die Pflicht, die Dokumente, auf die zugegriffen wird, nicht zu kopieren, auszudrucken, herunterzuladen, anderweitig zu vervielfältigen, zu übermitteln oder weiterzugeben, die Pflicht, Kopien von Dokumenten mit vertraulichen Informationen zurückzugeben oder zu vernichten, die Pflicht, den Zugang zu den Dokumente für die angegebenen Personen nach einer bestimmten Frist von allen Computern oder Geräten aus zu unterbinden, usw.

77.

In Fällen, in denen das Gericht ausschließlich externen Beratern Zugang zum Vertraulichkeitskreis gewährt, kann es ihnen die Verpflichtung auferlegen, die vertraulichen Informationen nicht an ihre Mandanten weiterzugeben. Dies kann in den Rechtsordnungen, in denen externe Rechtsberater nach Standesrecht oder sonstigen Vorschriften verpflichtet sind, Informationen an ihre Mandanten weiterzugeben, von erheblicher Relevanz sein. (63) Sollten sich die Parteien zu diesem Zweck mit solchen Beschränkungen für die Zwecke des Vertraulichkeitskreises einverstanden erklären, müssen sie den externen Rechtsberater, der Mitglied des Vertraulichkeitskreises ist (und möglicherweise seine Anwaltskanzlei), ausdrücklich von der Verpflichtung entbinden, ihnen die im Vertraulichkeitskreis enthaltenen Informationen offenzulegen. (64)

78.

Zudem kann die Teilnahme von internen Rechtsberatern und Unternehmensvertretern an einem Vertraulichkeitskreis mit zusätzlichen Auflagen verbunden werden. So kann das nationale Gericht, wenn es dies als zweckmäßig ansieht, verlangen, dass der betreffende Mitarbeiter für einen begrenzten Zeitraum nicht in dem von der Klage betroffenen Geschäftsbereich arbeitet.

d)   Logistische Organisation eines Vertraulichkeitskreises

79.

Im Falle eines Vertraulichkeitskreises muss das nationale Gericht möglicherweise über verschiedene organisatorische, infrastrukturelle und logistische Maßnahmen entscheiden.

80.

Erstens kann die Offenlegung vertraulicher Informationen in einem Vertraulichkeitskreis in physischer oder in elektronischer Form erfolgen. Die physische Offenlegung kann im Gerichtsgebäude stattfinden und vom Gerichtspersonal überwacht werden, oder sie kann von den Parteien ohne Mitwirkung des Gerichts in ihren Geschäftsräumen organisiert werden. Bei einer physischen Offenlegung können Kopien von Dokumenten auf Papier übergeben, aber auch Beweismittel mittels CD, DVD oder USB-Stick an einem physischen Ort im Gerichtsgebäude oder in den Geschäftsräumen der Parteien offengelegt werden.

81.

Erfolgt die Offenlegung der Informationen im Vertraulichkeitskreis im Gerichtsgebäude, muss das Gericht gegebenenfalls dafür sorgen, dass geeignete Einrichtungen für den Zugriff auf die Informationen vorhanden sind, es sei denn, die Personen, die Zugang zum Vertraulichkeitskreis haben, dürfen ihre eigenen Geräte mitbringen.

82.

Die Offenlegung von Informationen in einem Vertraulichkeitskreis kann auch auf elektronischem Wege erfolgen. In diesem Fall werden die Informationen an einen elektronischen Ort (z. B. Cloud) hochgeladen und dort gespeichert, und der Zugang zu den Informationen wird durch eine angemessene Verschlüsselung geschützt.

83.

Zweitens kann das Gericht die Dauer des Zugangs zum Vertraulichkeitskreis bestimmen.

84.

Drittens kann das Gericht ferner entscheiden, wann die Räume, in denen die Offenlegung stattfindet, geöffnet sind (z. B. nur während der Geschäftszeiten), ob Gerichtspersonal in diesen Räumen anwesend sein muss, ob Aufzeichnungen oder Dateien in die Räume mitgebracht werden dürfen usw.

85.

Um schließlich zu gewährleisten, dass die in einem Vertraulichkeitskreis offengelegten vertraulichen Informationen während des gesamten Verfahrens geschützt sind, kann das nationale Gericht verlangen, dass die Parteien ihre Schriftsätze in einer vertraulichen und einer nichtvertraulichen Fassung (in der z. B. quantitative Daten nur in aggregierter oder anonymisierter Form enthalten sind) vorlegen, dass vertrauliche Informationen nur in einem vertraulichen Anhang angeführt werden oder dass andere Mittel angewendet werden, um die Vertraulichkeit der Informationen zu wahren. Näheres hierzu unten in Abschnitt IV.

D.   Bestellung eines Sachverständigen

86.

In einigen Rechtsordnungen können die nationalen Gerichte beschließen, einen externen Dritten mit Fachwissen auf einem bestimmten Gebiet (z. B. Buchhaltung, Finanzen, Wettbewerbsrecht oder Wirtschaftsprüfung) zu bestellen, der Zugang zu bestimmten vertraulichen Informationen erhält, auf die sich der Offenlegungsantrag bezieht. Dieser gerichtlich bestellte Sachverständige kann eine andere Funktion als der von einer Partei bestellte Sachverständige haben, der in einigen Rechtsordnungen häufig eingesetzt wird, um den Anspruch bzw. Einwand einer Partei zu unterstützen.

87.

Soweit nach den nationalen Verfahrensvorschriften zulässig, kann der Auftrag des Sachverständigen etwa darin bestehen, eine aussagekräftige nichtvertrauliche Zusammenfassung der Informationen zu erstellen, die dann der Partei, die die Offenlegung beantragt, zur Verfügung gestellt wird. Alternativ kann der Sachverständige nach Maßgabe der anwendbaren nationalen Verfahrensvorschriften aufgefordert werden, einen nur für den externen Rechtsberater und/oder sonstige externe Berater der die Offenlegung beantragenden Partei bestimmten vertraulichen Bericht auszuarbeiten, während die antragstellende Partei selbst eine nichtvertrauliche Fassung erhält.

D.1.    Bestellung eines Sachverständigen als wirksames Mittel zum Schutz der Vertraulichkeit

88.

Die Bestellung eines Sachverständigen kann sich erstens als wirksames Mittel erweisen, wenn die offenzulegenden Informationen wirtschaftlich sehr sensibel und quantitativer oder technischer Art sind (z. B. Informationen in Geschäfts- oder Rechnungslegungsbüchern, Kundendaten oder Herstellungsverfahren). In diesem Fall kann der Sachverständige vertrauliche Informationen zusammenfassen und/oder aggregieren, um sie der Partei, die die Offenlegung beantragt, zugänglich zu machen.

89.

Zweitens kann die Bestellung eines Sachverständigen auch dann wirksam sein, wenn eine Partei einen weitergehenden Zugang zu vertraulichen Dokumenten mit Basisdaten beantragt, z. B. um die Zuverlässigkeit der Methoden zur Bewertung des Schadensumfangs, der abgewälzten Preisaufschläge usw. zu bewerten.

90.

Drittens kann das Gericht, wenn eine große Zahl offenzulegender Dokumente vertrauliche Informationen Dritter enthält, es als effektiver ansehen, einen Sachverständigen zu bestellen, der Zugang zu den Informationen erhält und zu deren Vertraulichkeit Stellung nimmt, als mit den Parteien über den Umfang einer Unkenntlichmachung oder die Einrichtung eines Vertraulichkeitskreises zu diskutieren.

D.2.    Anweisungen an den Sachverständigen

91.

Das nationale Gericht kann den Sachverständigen bestellen und ihm Anweisungen erteilen. Nach Maßgabe der unterschiedlichen Verfahrensvorschriften kann das nationale Gericht unter anderem einen externen unabhängigen Sachverständigen von einer Liste „gerichtlich zugelassener“ Sachverständiger oder unter den von den Parteien vorgeschlagenen Sachverständigen auswählen. Nach den nationalen Verfahrensvorschriften muss das nationale Gericht bei der Bestellung eines Sachverständigen möglicherweise auch entscheiden, wer die Sachverständigenkosten trägt.

92.

Sobald der Sachverständige bestellt ist, kann das nationale Gericht ihn auffordern, sich schriftlich zur vertraulichen Behandlung aller eingesehenen Informationen zu verpflichten.

93.

Wie die Mitglieder eines Vertraulichkeitskreises kann der Sachverständige aufgefordert werden, sich damit einverstanden zu erklären, vertrauliche Informationen anderen als den Personen, die vom Gericht aufgelistet werden, nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Gerichts offenzulegen, die vertraulichen Informationen nur für den Zweck des Zivilverfahrens, in dem die Offenlegungsanordnung erlassen wurde, zu verwenden, für eine geeignete Sicherung der Informationen zu sorgen, je nach den Umständen die für die Verhinderung unbefugten Zugangs erforderlichen Mittel anzuwenden, Kopien von Dokumenten mit vertraulichen Informationen zurückzugeben oder zu vernichten usw. Diese Verpflichtungen können auch Sanktionen für den Fall vorsehen, dass die Geheimhaltungspflicht verletzt wird.

94.

Von dem Sachverständigen kann verlangt werden, Interessenkonflikte zu melden, die ihn an der Erfüllung seiner Aufgaben hindern könnten.

95.

Ferner kann das Gericht dem Sachverständigen Anweisungen dazu erteilten, welche Art von Bericht er ausarbeiten soll und ob neben einer vertraulichen auch eine nichtvertrauliche Fassung des Berichts benötigt wird.

96.

Wenn eine vertrauliche Fassung des Sachverständigenberichts erstellt wird, kann das Gericht entscheiden, dass der Bericht nur an die externen Berater der Parteien weitergegeben wird, während die Parteien selbst nur Zugang zu einer nicht vertraulichen Fassung des Berichts erhalten. Beschränkt das nationale Gericht den Zugang zu der vertraulichen Fassung des von dem Sachverständigen ausgearbeiteten Berichts auf den externen Berater einer Partei, so darf dieser die darin enthaltenen vertraulichen Informationen nicht an seinen Mandanten weitergeben. (65) Wenn das Gericht entscheidet, dass die von dem unabhängigen Sachverständigen verwendeten Basisdaten auch dem externen Berater offengelegt werden dürfen, können gesonderte Geheimhaltungsregelungen erforderlich sein.

97.

Wenn interne Rechtsberater und/oder Unternehmensvertreter Zugang zu einer vertraulichen Fassung des Sachverständigenberichts erhalten, kann das Gericht auch sie auffordern, sich schriftlich zur vertraulichen Behandlung der Informationen zu verpflichten, zu denen sie Zugang haben.

IV.   SCHUTZ DER VERTRAULICHEN INFORMATIONEN WÄHREND UND NACH DEM VERFAHREN

98.

Wenn eine Offenlegung vertraulicher Informationen stattgefunden hat, können die nationalen Gerichte prüfen, wie diese Informationen während und nach dem Verfahren verwendet werden dürfen. (66) Wenn die externen oder internen Berater der Parteien etwa Informationen, die sie in einem Vertraulichkeitskreis zur Kenntnis genommen haben oder die in einem vertraulichen Sachverständigenbericht enthalten sind, in ihren Schriftsätzen verwenden, kann das nationale Gericht sie auffordern, solche Informationen nur in vertraulichen Anhängen anzuführen, die zusammen mit den Hauptschriftsätzen vorzulegen sind. (67)

99.

Wenn externe Rechtsberater oder Zeugen der Parteien vertrauliche Informationen in der Gerichtsverhandlung oder bei der Anhörung eines Sachverständigen zu den betreffenden Beweismitteln anführen wollen, kann das nationale Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandeln, wenn dies nach den anwendbaren Vorschriften des Prozessrechts möglich ist. Alternativ dazu kann es den Beratern der Parteien möglich sein, den Richter mündlich auf solche Informationen hinzuweisen, ohne sie in öffentlicher Sitzung offenzulegen.

100.

Die Notwendigkeit, vertrauliche Informationen zu schützen, kann sich auch erst später ergeben, z. B. zum Zeitpunkt des Erlasses, der Bekanntgabe oder der Veröffentlichung des Urteils, während des Rechtsmittelverfahrens oder im Zusammenhang mit Anträgen auf Zugang zu den Gerichtsakten.

A.   Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

101.

Gemäß dem Grundsatz der offenen Justiz sind Zivilverfahren in der Regel öffentlich (68), und nationale Gerichte können das Interesse am Schutz der vertraulichen Informationen gegen die Notwendigkeit, eine Beeinträchtigung des Grundsatzes der offenen Justiz zu unterbinden, abwägen.

102.

Vorbehaltlich der nationalen Vorschriften können die Gerichte Bezugnahmen auf vertrauliche Informationen im Rahmen von öffentlichen Verhandlungen ausschließen oder jene Teile der Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit führen, die vertrauliche Informationen zum Gegenstand haben könnten. Im zweiten Fall müssen die nationalen Gerichte entscheiden, wer zur Teilnahme an der nichtöffentlichen Sitzung berechtigt ist. Diese Entscheidung kann davon abhängen, in welcher Form und gegenüber wem die vertraulichen Informationen offengelegt wurden (z. B. gegenüber externen Rechtsberatern der Parteien, einem Sachverständigen, den Unternehmensvertretern der Parteien usw.).

103.

Zur Teilnahme an den unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindenden Verhandlung(steil)en sind in der Regel nur die externen Berater und/oder internen Rechtsberater oder sonstigen Unternehmensvertreter berechtigt, denen im Rahmen des Vertraulichkeitskreises Zugang zu den vertraulichen Dokumenten gewährt wurde, sowie (gegebenenfalls) die Sachverständigen, die die Informationen eingesehen haben.

104.

Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit können ein wirksames Mittel sein, um Parteien oder Zeugen zu vertraulichen Beweismitteln, die im Rahmen eines Vertraulichkeitskreises offengelegt wurden, unmittelbar zu befragen oder um einen Sachverständigen zu den in seinem Bericht enthaltenen vertraulichen Beweismitteln zu hören.

B.   Zustellung an die Parteien und Veröffentlichung

105.

Die Gerichte müssen gegebenenfalls prüfen, wie vertrauliche Informationen in der den Parteien zuzustellenden Fassung des Urteils geschützt werden können, ohne dass dadurch das Recht der Parteien auf Einlegung eines Rechtsmittels beeinträchtigt würde.

106.

Darüber hinaus müssen die nationalen Gerichte gegebenenfalls die vertraulichen Informationen schützen, wenn Beschlüsse oder Urteile veröffentlicht werden. Um vertrauliche Informationen der Parteien oder Dritter zu schützen, können die nationalen Gerichte beim Erlass eines Urteils sowie bei der Entscheidung über seine Veröffentlichung erwägen, Informationen zu anonymisieren, die Rückschlüsse auf die Informationsquelle zulassen könnten, oder Teile der öffentlich zugänglichen Fassung eines Urteils, die Bezugnahmen auf vertrauliche Informationen enthalten, unkenntlich zu machen. (69) Zu diesem Zweck kann das Gericht die Parteien um Unterstützung bei der Bestimmung von Informationen bitten, die nicht an die breitere Öffentlichkeit weitergegeben werden sollten (z. B. durch die Anforderung einer änderungsmarkierten Fassung). (70)

C.   Zugang zu den Gerichtsakten

107.

Unter Umständen müssen die nationalen Gerichte im Zusammenhang mit Anträgen auf Zugang zu Gerichtsakten vertrauliche Informationen schützen (entweder die vertrauliche Fassung des betreffenden Urteils oder die gesamte Akte), sofern derartige Anträge nach den nationalen Verfahrensvorschriften vorgesehen sind.

108.

Je nach den nationalen Vorschriften können die Gerichte den Zugang zu den Gerichtsakten entweder in Bezug auf einen Teil der Akte (z. B. zu im Rahmen eines Vertraulichkeitskreises offengelegten Dokumenten, Sachverständigenberichten, Protokollen von Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit, vertraulichen Fassungen von Schriftsätzen usw.) oder zu einer vollständigen Gerichtsakte beschränken.

109.

In diesem Zusammenhang können die nationalen Gerichte unter anderem erwägen, die Parteien zu bitten, die vertraulichen Dokumente anzugeben, damit sie für nicht an dem Verfahren beteiligte Personen nicht zugänglich sind, oder nichtvertrauliche Fassungen der betreffenden Dokumente für die Gerichtsakten anzufordern. Wenn beispielsweise in dem Verfahren eine bedeutende Zahl vertraulicher Dokumente offengelegt wurde und Mittel wie Vertraulichkeitskreise zum Schutz der Vertraulichkeit eingesetzt wurden, kann das Gericht ferner in Erwägung ziehen, nur nichtvertrauliche Fassungen von Schriftsätzen, Protokollen von Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit (71) oder Sachverständigenberichten in die Gerichtsakten aufzunehmen. Das Gericht kann ferner erwägen, den Zugang zu einer Gerichtsakte ganz oder teilweise für einen bestimmten Zeitraum zu unterbinden.

110.

Wenn ein nationales Gericht über die vollständige oder teilweise Beschränkung des Zugangs entscheidet, dürfte es unter anderem prüfen, wer den Zugang zur Gerichtsakte beantragt. So müssen Gerichte beispielsweise unter Umständen berücksichtigen, dass Personen, die den Zugang zu Informationen beantragen, möglicherweise auf demselben Markt oder im selben Geschäftsbereich tätig sind wie die an dem Zivilverfahren beteiligten Parteien (z. B. als Wettbewerber oder Geschäftspartner einer oder mehrerer Parteien usw.) und folglich ein besonderes Interesse daran haben, nach Abschluss des Verfahrens Zugang zur Gerichtsakte zu erhalten.

(1)  Jean-François Laborde, Cartel damages actions in Europe: How courts have assessed cartel overcharges (2019 ed.), Concurrences Review Nr. 4-2019, Artikel Nr. 92227, November 2019, abrufbar unter www.concurrences.com.

(2)  Zum Recht auf Schadensersatz siehe Urteil des Gerichtshofs vom 5. Juni 2014, Kone AG u. a./ÖBB-Infrastruktur AG, C-557/12, ECLI:EU:C:2014:1317, Rn. 21 und 22.

(3)  Richtlinie 2014/104/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über bestimmte Vorschriften für Schadensersatzklagen nach nationalem Recht wegen Zuwiderhandlungen gegen wettbewerbsrechtliche Bestimmungen der Mitgliedstaaten und der Europäischen Union (ABl. L 349 vom 5.12.2014, S. 1) („Schadensersatzrichtlinie“).

(4)  Siehe Artikel 5 der Schadensersatzrichtlinie. Siehe auch Erwägungsgrund 18 der Schadensersatzrichtlinie.

(5)  Diese Mitteilung lässt beispielsweise die Bestimmungen folgender Rechtsakte unberührt: Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen (ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 1), Verordnung (EU) 2018/1725 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2018 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union und zum freien Datenverkehr (ABl. L 295 vom 21.11.2018, S. 39) oder Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

Diese Mitteilung gilt ferner unbeschadet der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission (ABl. L 145 vom 31.5.2001, S. 43), die die Transparenz betrifft und der Offenlegung von Informationen für die breite Öffentlichkeit dienen soll; siehe Urteil des Gerichts vom 12. Mai 2015, Unión de Almacenistas de Hierros de España/Kommission, T-623/13, ECLI:EU:T:2015:268, Rn. 86, und Urteil des Gerichtshofs vom 27. Februar 2014, Kommission/EnBW Energie Baden-Württemberg AG, C-365/12 P, ECLI:EU:C:2014:112, Rn. 100 bis 109. In Bezug auf die Umsetzung der Schadensersatzrichtlinie, können sich Kläger hinsichtlich der Offenlegung relevanter Informationen uneingeschränkt auf die nationalen Vorschriften zur Umsetzung der Artikel 5 und 6 der vorgenannten Richtlinie berufen.

(6)  Für Schadensersatzklagen siehe Artikel 5 Absatz 6 der Schadensersatzrichtlinie.

(7)  Siehe Erwägungsgrund 15 und Artikel 5 Absatz 1 der Schadensersatzrichtlinie.

(8)  Siehe Artikel 5 Absätze 1 und 3 der Schadensersatzrichtlinie. Siehe auch die am 27. Januar 2017 dem High Court of Justice des Vereinigten Königreichs übermittelte Stellungnahme der Kommission nach Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 in der Rechtssache „EURIBOR“, Rn. 24, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/court/antitrust_amicus_curiae.html.

(9)  Siehe Erwägungsgrund 23 der Schadensersatzrichtlinie in Bezug auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Verhinderung von Ausforschungsmaßnahmen, d. h. einer nicht gezielten oder unnötig weit gefassten Suche nach Informationen, die für die Verfahrensbeteiligten wahrscheinlich nicht relevant sind.

(10)  Siehe Erwägungsgrund 16 und Artikel 5 Absatz 2 der Schadensersatzrichtlinie.

(11)  Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe a der Schadensersatzrichtlinie.

(12)  Artikel 6 Absatz 6 der Schadensersatzrichtlinie.

(13)  Artikel 6 Absatz 5 der Schadensersatzrichtlinie.

(14)  Artikel 5 Absatz 1 der Schadensersatzrichtlinie.

(15)  Mitteilung der Kommission zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen wegen Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (ABl. C 167 vom 13.6.2013, S. 19) und Leitfaden zur Ermittlung des Schadensumfangs bei Schadensersatzklagen im Zusammenhang mit Zuwiderhandlungen gegen Artikel 101 oder 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (11.6.2013).

(16)  Führt ein Beklagter beispielsweise an, dass der Kläger einen aus der Zuwiderhandlung entstandenen Preisaufschlag auf seine eigenen Kunden abgewälzt hat (sogenannter Einwand der Schadensabwälzung), so benötigt er unter Umständen Zugang zu Beweismitteln, die sich im Besitz des Klägers oder von Dritten befinden. Siehe Leitlinien für die nationalen Gerichte zur Schätzung des Teils des auf den mittelbaren Abnehmer abgewälzten Preisaufschlags (ABl. C 267 vom 9.8.2019, S. 4).

(17)  Siehe Artikel 4 Absatz 3 EUV zum Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zu Ersuchen auf Übermittlung von Informationen durch die Kommission In Bezug auf Schadensersatzklagen sieht Artikel 6 Absatz 10 der Schadensersatzrichtlinie ausdrücklich vor, dass die Offenlegung von Beweismitteln durch eine Wettbewerbsbehörde nur ein letztes Mittel ist („Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass die nationalen Gerichte die Offenlegung von Beweismitteln, die in den Akten der Wettbewerbsbehörde enthalten sind, nur dann bei der Wettbewerbsbehörde beantragen, wenn die Beweismittel nicht mit zumutbarem Aufwand von einer anderen Partei oder von Dritten erlangt werden können.“).

(18)  Siehe Urteil des Gerichtshofs vom 14. Februar 2008, Varec SA/Belgischer Staat, C-450/06, ECLI:EU:C:2008:91, Rn. 49. Siehe auch Urteil des Gerichtshofs vom 24. Juni 1986, Akzo Chemie/Kommission, C-53/85, ECLI:EU:C:1986:256, Rn. 28, Urteil des Gerichtshofs vom 19. Mai 1994, SEP/Kommission, C-36/92 P, ECLI:EU:C:1994:205, Rn. 37, und Urteil des Gerichtshofs vom 19. Juni 2018, Baumeister, C-15/16, ECLI:EU:C:2018:464, Rn. 53. Die Notwendigkeit des Schutzes vertraulicher Informationen lässt sich zudem aus dem in Artikel 7 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. C 326 vom 26.10.2012, S. 391) verankerten Recht einer jeden Person auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens herleiten (siehe auch vorgenanntes Urteil in der Rechtssache Varec SA/Belgischer Staat, Rn. 48).

(19)  Urteil des Gerichts vom 18. September 1996, Postbank, T-353/94, ECLI:EU:T:1996:119, Rn. 66 und 89; siehe zur Anregung auch Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrags (ABl. C 101 vom 27.4.2004, S. 54) („Bekanntmachung über die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten“), Rn. 24, und Mitteilung der Kommission über die Regeln für die Einsicht in Kommissionsakten in Fällen einer Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag, Artikel 53, 54 und 57 des EWR-Abkommens und der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (ABl. C 325 vom 22.12.2005, S. 7) („Mitteilung über die Akteneinsicht“), Rn. 24. Siehe auch Artikel 3 und 9 der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1) („Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse“).

(20)  Siehe z. B. Mitteilung über die Akteneinsicht, Rn. 17 bis 19, Kapitel 11 des Verfahrenshandbuchs der GD Wettbewerb für die Anwendung der Artikel 101 und 102 AEUV (abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/antitrust_manproc_11_2019_en.pdf) und Leitfaden zu Anträgen auf vertrauliche Behandlung in kartellrechtlichen Verfahren der Kommission, Rn. 8 bis 17 (abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/business_secrets_en.pdf).

Je nach den Umständen müssen die nationalen Gerichte die Vertraulichkeit von Informationen im Zusammenhang mit privaten Durchsetzungsmaßnahmen jedoch möglicherweise neu bewerten, selbst wenn sie im Zusammenhang mit der öffentlichen Durchsetzung des EU-Wettbewerbsrechts festgestellt wurde. So können die Parteien eines Verwaltungsverfahrens Vertraulichkeitsansprüche gegenüber anderen Parteien des Verwaltungsverfahrens geltend gemacht haben, müssen aber möglicherweise andere Ansprüche gegenüber den Parteien geltend machen, die eine Offenlegung vor dem nationalen Gericht in einem Zivilverfahren beantragen. Gleiches würde für Dritte gelten, von denen die Kommission oder eine nationale Wettbewerbsbehörde im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens Informationen erhalten hat. Aufgrund des zeitlichen Abstands zwischen verschiedenen Verfahren kann es zudem von Bedeutung sein, dass Informationen erneut daraufhin geprüft werden, ob sie ihren vertraulichen Charakter verloren haben oder nicht (siehe auch Rn. 22 weiter unten).

(21)  Urteil des Gerichts vom 30. Mai 2006, Bank Austria/Kommission, T-198/03, ECLI:EU:T:2006:136, Rn. 71; Urteil des Gerichts vom 8. November 2011, Idromacchine/Kommission, T-88/09, ECLI:EU:T:2011:641, Rn. 45; Urteil des Gerichts vom 28. Januar 2015, Akzo Nobel NV u. a./Kommission, T-345/12, ECLI:EU:T:2015:50, Rn. 65; Urteil des Gerichtshofs vom 14. März 2017, Evonik Degussa/Kommission, C-162/15 P, ECLI:EU:C:2017:205, Rn. 107.

(22)  Siehe beispielsweise Urteil des Gerichts vom 19. Juni 1996, NMH Stahlwerke/Kommission, T-134/94, ECLI:EU:T:1996:85, Rn. 40; Urteil des Gerichts vom 29. Mai 1997, British Steel/Kommission, T-89/96, ECLI:EU:T:1997:77, Rn. 29; Urteil des Gerichts vom 15. Juni 2006, Deutsche Telekom/Kommission, T-271/03, ECLI:EU:T:2006:163, Rn. 64 und 65; Urteil des Gerichts vom 2. März 2010, Telefónica/Kommission, T-336/07, ECLI:EU:T:2008:299, Rn. 39 und 63 bis 64. Siehe auch Mitteilung über die Akteneinsicht, Rn. 23.

(23)  Dies ist auch hinsichtlich des Schutzes Dritter vor möglichen Vergeltungsmaßnahmen durch einen Wettbewerber oder Handelspartner, der auf diese einen erheblichen wirtschaftlichen Druck ausüben kann, von Bedeutung. Siehe beispielsweise Urteil des Gerichtshofs vom 6. April 1995, BPB Industries und British Gypsum/Kommission, C-310/93, ECLI:EU:C:1995:101, Rn. 26 und 27.

(24)  Informationen, die vertraulich waren, jedoch mindestens fünf Jahre alt sind, müssen als historisch betrachtet werden, es sei denn, der Antragsteller weist im Einzelfall nach, dass sie nach wie vor ein wesentliches Element seiner wirtschaftlichen Stellung oder der eines Dritten darstellen; siehe diesbezüglich Evonik Degussa/Kommission, oben angeführt, Rn. 64, Baumeister, oben angeführt Rn. 54, und Urteil des Gerichts vom 15. Juli 2015, Pilkington Group Ltd/Kommission, T-462/12, ECLI:EU:T:2015:508, Rn. 58. Siehe auch Mitteilung über die Akteneinsicht, Rn. 23.

(25)  Urteil des Gerichts vom 15. Dezember 2011, CDC Hydrogene Peroxide/Kommission, T-437/08, ECLI:EU:T:2011:752, Rn. 49 („das Interesse einer an einem Kartell beteiligten Gesellschaft an der Vermeidung solcher Klagen [kann] nicht als geschäftliches Interesse eingestuft werden …; jedenfalls ist es insbesondere im Hinblick auf das Recht eines jeden, Ersatz des Schadens zu verlangen, der ihm durch ein Verhalten entstanden ist, das den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, nicht schutzwürdig (Urteile des Gerichtshofs vom 20. September 2001, Courage und Crehan, C-453/99, Slg. 2001, I-6297, Randnr. 24 und 26, und vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Randnrn. 59 und 61).“ Desgleichen ist in Artikel 5 Absatz 5 der Schadensersatzrichtlinie festgelegt, dass das Interesse von Unternehmen, Schadensersatzklagen nach einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht zu vermeiden, nicht schutzwürdig ist.

(26)  Siehe Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse für die Definition des Geschäftsgeheimnisses in Verbindung mit Artikel 3 Absatz 2 derselben Richtlinie.

(27)  ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

(28)  Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003; Bekanntmachung über die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten, Rn. 21, 27 und 29; Postbank, oben angeführt, Rn. 65; siehe auch Beschluss des Gerichtshofs vom 13. Juli 1990, Imm Zwartveld, C-2/88, ECLI:EU:C:1990:315, Rn. 21 und 22. Es sei darauf hingewiesen, dass, sofern es die kohärente Anwendung des Artikels 101 oder 102 AEUV erfordert, die Kommission aus eigener Initiative den Gerichten der Mitgliedstaaten schriftliche Stellungnahmen übermitteln kann; zu diesem Zweck kann sie das zuständige Gericht des Mitgliedstaats ersuchen, ihr alle für die Beurteilung des Falles erforderlichen Schriftstücke zu übermitteln oder für ihre Übermittlung zu sorgen; siehe Artikel 15 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(29)  Siehe Artikel 6 Absatz 10 der Schadensersatzrichtlinie.

(30)  Siehe Artikel 16a Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission, in der geänderten Fassung (ABl. L 123 vom 27.4.2004, S. 18). Siehe auch Bekanntmachung über die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten, Rn. 26, in Bezug auf die Verweigerung der Übermittlung von Informationen aus Gründen, die Vorrang haben und die sich auf die notwendige Sicherung der Unionsinteressen beziehen, oder um einen etwaigen Eingriff in ihre Funktionsabläufe und ihre Unabhängigkeit zu unterbinden.

(31)  Postbank, oben angeführt Rn. 90. Siehe auch Artikel 7 der oben angeführten Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

(32)  Bekanntmachung über die Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten, Rn. 25.

(33)  Siehe Randnummer 12 der Stellungnahme der Kommission vom 22. Dezember 2014 infolge eines Ersuchens nach Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, The Secretary of State for Health and others v Servier Laboratories Limited and others, C(2014) 10264 final, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/court/confidentiality_rings_final_opinion_en.pdf.

(34)  Siehe Erwägungsgrund 18 der Schadensersatzrichtlinie.

(35)  Wenn es sich bei den Parteien um direkte Konkurrenten handelt, müssen die gewählten Mittel beispielsweise gewährleisten, dass die Art der Offenlegung der Informationen den Parteien keine Möglichkeit zu kollusiven Absprachen gibt und der Partei, die die Offenlegung beantragt, keinen Wettbewerbsvorteil verschafft.

(36)  Siehe insbesondere Artikel 5 Absatz 7 der Schadensersatzrichtlinie („Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass diejenigen, von denen die Offenlegung verlangt wird, Gelegenheit zur Anhörung erhalten, bevor ein nationales Gericht die Offenlegung … anordnet.“).

(37)  Die offenlegende Partei muss nicht unbedingt die Partei sein, von der die Informationen stammen. So kann eine Partei im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens beispielsweise vor der Kommission oder einer nationalen Wettbewerbsbehörde Zugang zu Informationen Dritter erlangt haben. Der Zugang zu den Informationen berechtigt diese Partei nicht dazu, die vertraulichen Informationen einer dritten Partei näher offenzulegen. In Bezug auf nichtvertrauliche Fassungen von Dokumenten, die ein zu Zwecken der Akteneinsicht eigens erarbeitetes Datenerhebungsverfahren betreffen, siehe beispielsweise Randnummer 23 der Stellungnahme der Kommission vom 29. Oktober 2015 zur Anwendung von Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, Sainsbury’s Supermarkets Ltd v MasterCard Incorporated and Others, C(2015) 7682 final, in der die Kommission hervorhob, dass es für die Zwecke der Untersuchung der Kommission nicht notwendig war, zu der Frage Stellung zu nehmen, ob Informationen gegenüber anderen Parteien vertraulich seien, dass Dritte, die diese Informationen vorgelegt haben, jedoch Einwände dagegen erheben könnten, dem Kläger diese Informationen offenzulegen. In der Stellungnahme wurde der Schluss gezogen, dass die Tatsache, dass MasterCard sich mit den angewandten Sonderregelungen wie beispielsweise einem Vertraulichkeitskreis zufriedengibt, nicht unbedingt bedeutet, dass sich auch Dritte, die die entsprechenden Informationen vorgelegt haben, mit diesen zufriedengeben. Die Stellungnahme kann unter folgendem Link abgerufen werden: http://ec.europa.eu/competition/court/sainsbury_opinion_en.pdf.

(38)  Siehe Rn. 6 und 10.

(39)  Der Schutz vertraulicher Informationen im Zusammenhang mit einem Offenlegungsantrag kann eine Änderung der üblichen Funktionsweise der Logistik des Gerichts oder sogar telematische Verfahren erfordern oder im Einzelfall die Einführung von Ad-hoc-Verfahren im Rahmen des geltenden nationalen Verfahrensrechts notwendig machen.

(40)  Siehe beispielsweise Artikel 16 der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse, der die Möglichkeit vorsieht, all jenen Personen Sanktionen aufzuerlegen, die es versäumen oder ablehnen, einer zum Schutz der Vertraulichkeit von Geschäftsgeheimnissen im Rahmen von Gerichtsverfahren erlassenen Maßnahme nachzukommen.

(41)  Siehe auch Erwägungsgrund 33 der Schadensersatzrichtlinie. Die Anwendung von Sanktionen ist von zentraler Bedeutung, da nationale Gerichte in den meisten Fällen nicht in der Lage sein könnten, die Einhaltung der Bestimmungen der Offenlegungsanordnung durch die Parteien in Echtzeit zu überwachen, insbesondere im Falle eines Vertraulichkeitskreises.

(42)  Artikel 8 Absatz 2 der Schadensersatzrichtlinie.

(43)  Der Zugang zu Informationen über Liefermengen kann unerlässlich sein, um den auf der unteren Vertriebsstufe (d. h. mittelbaren Kunden) entstandenen Schaden zu beziffern.

(44)  Etwa weil die Dokumente der Dritten keine Informationen enthalten, die der offenlegenden Partei gegenüber vertraulich sind, oder weil die die offenlegende Partei bereits Zugang zu einer nichtvertraulichen Fassung der Dokumente hatte, in der die Informationen, die der offenlegenden Partei gegenüber als vertraulich angesehen wurden, unkenntlich gemacht waren.

(45)  Siehe zur Anregung Mitteilung über die Akteneinsicht, Rn. 35 bis 38; Leitfaden zu Anträgen auf vertrauliche Behandlung in kartellrechtlichen Verfahren der Kommission, Rn. 18 bis 26, abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/business_secrets_en.pdf, und informeller Leitfaden der GD Wettbewerb zu Vertraulichkeitsanträgen, abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/guidance_en.pdf.

(46)  So könnte beispielsweise ein Farbkodierungssystem verwendet werden, um anzuzeigen, welcher Partei die vertraulichen Informationen gehören oder ob es sich um Informationen Dritter handelt.

(47)  Siehe z. B. Artikel 103 Absatz 3 der Verfahrensordnung des Gerichts der Europäischen Union.

(48)  Zu den Spannen bei Verkäufen, Umsatzdaten und Marktanteilen siehe Rn. 22 des Leitfadens zu Anträgen auf vertrauliche Behandlung in kartellrechtlichen Verfahren der Kommission, abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/business_secrets_en.pdf.

(49)  In einigen Rechtsordnungen wird dieses Mittel der Offenlegung auch als Vertraulichkeitsclub oder Datenraum bezeichnet. Es kann auch in Verwaltungsverfahren Anwendung finden. In Bezug auf die Verfahren der Kommission siehe Bekanntmachung der Kommission über bewährte Vorgehensweisen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 des AEUV (ABl. C 308 vom 20.10.2011, S. 6), Rn. 96 und 97; in Bezug auf Datenräume siehe Bewährte Vorgehensweisen zur Offenlegung von Informationen in Datenräumen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 AEUV und nach der EU-Fusionskontrollverordnung, Rn. 9, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/mergers/legislation/disclosure_information_data_rooms_en.pdf; in Bezug auf Vertraulichkeitskreise siehe Orientierungshilfe in Bezug auf die Anwendung von Vertraulichkeitskreisen im Rahmen von Kommissionsverfahren, abrufbar unter http://ec.europa.eu/competition/antitrust/conf_rings.pdf.

(50)  Siehe Leitlinien zum Thema Abwälzung von Preisaufschlägen, oben angeführt, Rn. 43.

(51)  Siehe beispielsweise OECD-Bericht vom 5. Oktober 2011, Procedural fairness: transparency issues in civil and administrative enforcement proceedings [Verfahrensgerechtigkeit: Transparenzprobleme im Rahmen von zivil- und verwaltungsrechtlichen Durchsetzungsverfahren], S. 12, abrufbar unter www.oecd.org/competition/mergers/48825133.pdf; siehe auch Scoping note on Transparency and Procedural Fairness as a long-term theme for 2019-2020 [Anwendungserläuterung zu Transparenz und Verfahrensgerechtigkeit als langfristiger Rahmen für 2019-2020], 6.-8. Juni 2018, OECD Conference Centre, S. 4-5, abrufbar unter www.oecd.org/officialdocuments/publicdisplaydocumentpdf/?cote=DAF/COMP/WD(2018)6&docLanguage=En.

(52)  In Bezug auf die Daten von Teilnehmern einer Umfrage der Kommission, die von externen Auftragnehmern erhoben wurden, ist die Kommission in ihrer Stellungnahme in der Rechtssache Sainsbury’s Supermarkets Ltd v MasterCard Incorporated and Others (oben angeführt), Rn. 21, beispielsweise zu dem Schluss gekommen, dass die betreffenden Informationen in keiner Weise anonymisiert werden konnten, die dem berechtigten Interesse der Datenlieferanten am Schutz ihrer vertraulichen Informationen vollständig Rechnung getragen hätte.

(53)  Siehe hierzu die im Urteil des Gerichts vom 14. März 2014, Cementos Portland Valderrivas, SA/Kommission, T-296/11, ECLI:EU:T:2014:121, Rn. 24, angeordnete Offenlegung gegenüber einem Vertraulichkeitskreis: „… um den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens einerseits sowie die Merkmale des Verfahrensabschnitts der Voruntersuchung — in dem das betroffene Unternehmen weder das Recht hat, über die wesentlichen Gesichtspunkte informiert zu werden, auf die sich die Kommission stützt, noch ein Recht auf Akteneinsicht — miteinander in Einklang zu bringen, [ist] durch den Beschluss vom 14. Mai 2013 die Einsichtnahme in die von der Kommission vorgelegten Auskünfte allein den Rechtsanwälten der Klägerin vorbehalten worden, unter der Bedingung, dass sie sich zur Vertraulichkeit verpflichten.“

(54)  Zu Beispielen für Maßnahmen zur Organisation von Verfahren siehe Praktische Durchführungsbestimmungen zur Verfahrensordnung des Gerichts, insbesondere Abschnitt VI zum Umgang mit vertraulichen Informationen (ABl. L 152 vom 18.6.2015, S. 1). Zu den Vorschriften für Vertraulichkeitskreise und Datenräume in Verwaltungsverfahren der Kommission siehe beispielsweise Abschnitt 4.3 der Bewährten Vorgehensweisen zur Offenlegung von Informationen in Datenräumen in Verfahren nach Artikel 101 und 102 AEUV und nach der EU-Fusionskontrollverordnung, oben angeführt, Anhang A der Bewährten Vorgehensweisen, Standardvorschriften für Datenräume (zur Offenlegung vertraulicher Informationen nur gegenüber externen Beratern), abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/data_room_rules_en.pdf, und Orientierungshilfe in Bezug auf die Anwendung von Vertraulichkeitskreisen, insbesondere Abschnitt 5 über die ausgehandelte Offenlegungsvereinbarung, oben angeführt.

(55)  Mit der Entscheidung über die Zusammensetzung des Vertraulichkeitskreises kann zudem die Höchstzahl der Mitglieder pro Partei festgelegt werden.

(56)  Siehe Erwägungsgrund 18 der Schadensersatzrichtlinie („Beschränkung des zur Kenntnisnahme der Beweismittel berechtigten Personenkreises“).

(57)  Siehe beispielsweise Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse.

(58)  z. B. Personen, die — durch einen Arbeitsvertrag oder sonstige Dienstleistungs- oder Vertragsvereinbarungen — in einem Anstellungsverhältnis mit der antragstellenden Partei stehen.

(59)  Siehe zur Anregung die Mitteilung über die Akteneinsicht, oben angeführt, Rn. 47.

(60)  Bei Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen schreibt Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse vor, dass der beschränkte Kreis der zum Zugang zu den Beweismitteln berechtigten Personen mindestens eine natürliche Person einer jeden Partei umfassen muss. Dieses Erfordernis gilt ausschließlich für (mutmaßliche) Geschäftsgeheimnisse.

(61)  Siehe Stellungnahme der Kommission in der Rechtssache Servier, oben angeführt, Rn. 22.

(62)  Beispielsweise verwendet die Kommission in ihren Verwaltungsverfahren eine Standard-Geheimhaltungsvereinbarung, abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/nda_en.pdf.

(63)  Damit wird von der gängigen Praxis abgewichen, dass der externe Rechtsberater einer Partei Informationen und Schriftsätze, die er in dem Verfahren von anderen Parteien erhalten hat, seinem Mandanten offenlegen und frei erörtern darf.

(64)  In ihrer Verwaltungspraxis kann die Kommission auch eine Befreiung von der Offenlegungspflicht zwischen Anwalt und Mandant beantragen; siehe beispielsweise Orientierungshilfe in Bezug auf die Anwendung von Vertraulichkeitskreisen, oben angeführt, Rn. 13, und Bewährte Vorgehensweisen zur Offenlegung von Informationen in Datenräumen, oben angeführt, Rn. 23.

(65)  Wie im Falle der Vertraulichkeitskreise für externe Rechtsberater müssen die Mandanten die externen Berater unter Umständen von der Verpflichtung entbinden, ihnen die in dem Bericht enthaltenen vertraulichen Informationen offenzulegen. Siehe Rn. 77.

(66)  Der Schutz vertraulicher Informationen stellt einen allgemeinen Grundsatz des EU-Rechts dar. Siehe Fußnote 18.

(67)  Die nichtvertrauliche Fassung der Schriftsätze muss es den anderen Parteien ermöglichen, die angeführten Argumente und Beweise zu verstehen, damit sie die Sache mit ihren Vertretern erörtern und ihnen entsprechende Weisungen erteilen können.

(68)  Siehe Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention und Artikel 47 der oben angeführten Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Ausnahmen von diesem Grundsatz können in einigen Mitgliedstaaten auf die Wahrung der öffentlichen Ordnung, den Schutz der Grundrechte oder sonstige übergeordnete Ziele zurückzuführen sein.

(69)  Siehe auch Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe c der Richtlinie über Geschäftsgeheimnisse.

(70)  Als Anregung zur Durchführung dieses Prozesses siehe Guidance on the preparation of public versions of Commission Decisions [Orientierungshilfe für die Erstellung nichtvertraulicher Fassungen von Beschlüssen der Kommission], abrufbar unter https://ec.europa.eu/competition/antitrust/guidance_on_preparation_of_public_versions_antitrust_04062015.pdf.

(71)  Dies kann erforderlich sein, wenn während der Verhandlung unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf vertrauliche Informationen Bezug genommen wurde, die in die Akte aufgenommen wurden. Das Gericht kann jedoch, wenn dies nach den anwendbaren nationalen Vorschriften möglich ist, entscheiden, dass auf bestimmte Informationen unter Ausschluss der Öffentlichkeit Bezug genommen wird, ohne sie in die Akte aufzunehmen. In diesem Fall kann es sich als unnötig erweisen, nichtvertrauliche Fassungen der Protokolle von Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit anzufertigen.