EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 13.3.2020
COM(2020) 111 final
2020/0042(COD)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft
(Text mit Bedeutung für den EWR)
BEGRÜNDUNG
1.KONTEXT DES VORSCHLAGS
•Gründe und Ziele des Vorschlags
Die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 regelt die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der EU. Ihr Artikel 10 enthält eine „Use-it-or-lose-it“-Regelung, nach der die Luftfahrtunternehmen mindestens 80 % der ihnen zugewiesenen Zeitnischen innerhalb einer bestimmten Flugplanperiode (Sommer oder Winter) nutzen müssen, um in der entsprechenden Flugplanperiode des darauffolgenden Jahres ihr Anrecht auf dieselbe Abfolge von Zeitnischen zu wahren (sogenannte "angestammte Rechte").
Der Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Luftfahrtunternehmen und hat seit Beginn des Jahres 2020 weltweit zu einem signifikanten Rückgang des Flugverkehrs geführt. Für europäische Luftfahrtunternehmen wurden diese Auswirkungen erstmals im Januar 2020 bei Flügen in die und aus der Volksrepublik China sowie in die und aus der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China deutlich; seitdem hat die Ausbreitung des Virus allerdings zu einer generellen Verschlechterung der Lage, auch in Europa, geführt. Die weitere Entwicklung der Epidemie oder die Dauer ihrer Auswirkungen lässt sich nicht absehen.
Angesichts des Rückgangs der Buchungen haben die Luftfahrtunternehmen bereits mit der Annullierung von Flügen begonnen, was für die Flugplanperioden Winter 2019-2020 und Sommer 2020 bedeutet, dass die Zeitnischennutzung unter dem in der Verordnung festgelegten Schwellenwert von 80 % liegen wird.
Eurocontrol weist darauf hin, dass nach einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme des Fluggastaufkommens in Europa um 3,3 % zwischen 2009 und 2019 die Anzahl der Flüge in diesem Jahr in den beiden ersten Märzwochen im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Vorjahr um 10 % zurückgegangen ist. Angesichts der krisenbedingten sinkenden Nachfrage halten die meisten europäischen Luftfahrtunternehmen ihre Luftfahrzeuge am Boden zurück, weshalb davon auszugehen ist, dass die Anzahl der Flüge auch weiterhin rückläufig sein wird. Der im Vergleich zum Vorjahr negative Trend wird sich auch noch in der Sommersaison fortsetzen, in der die Luftfahrtunternehmen der IATA zufolge für den Zeitraum von März bis Juni 2020 bei den Buchungen für nicht-italienische Strecken gegenüber dem Vorjahr einen Rückgang um 40-60 % verzeichnen, wovon die Kurzstreckenflüge etwas stärker betroffen sind als die Langstreckenflüge. Die Buchungen auf italienischen Strecken sind Anfang März 2020 um über 50 % zurückgegangen, wobei die Auslastung nur noch bei 40 % liegt.
Der von den europäischen Flughäfen für das erste Quartal des Jahres 2020 prognostizierte Rückgang um 67 Millionen Fluggäste wird schwerwiegende Auswirkungen auf den Luftverkehr in der gesamten Union haben.
Auf der Grundlage der derzeit verfügbaren Informationen von Eurocontrol, von Luftfahrtunternehmen und von Flughäfen kann davon ausgegangen werden, dass die derzeitige Situation, die durch einen außergewöhnlichen Nachfragerückgang gekennzeichnet ist, mindestens für die Monate März, April, Mai und Juni 2020 andauern wird.
Um sicherzugehen, dass sie dieselben Zeitnischen für dieselbe Flugplanperiode im Folgejahr zugewiesen bekommen, sind die Luftfahrtunternehmen gemäß der Zeitnischenverordnung dazu verpflichtet, die ihnen zugewiesenen Zeitnischen zu mindestens 80 % während der betreffenden Flugplanperiode zu nutzen. Da diese Berechnung keine Maßnahmen vorsieht, mit denen die Auswirkungen der derzeitigen Umstände ausgeglichen werden könnten, ist davon auszugehen, dass Luftfahrtunternehmen viele Flüge mit einer sehr niedrigen Auslastung durchführen werden, um angestammten Rechte zu wahren – mit in der Folge noch mehr finanziellen Verlusten und größeren Umweltbelastungen.
Nach der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 ist der Zeitnischenkoordinator die einzige für die Zuweisung von Zeitnischen zuständige Person und ist verpflichtet, gemäß der Verordnung Artikel 4 Absatz 5 zu handeln. Die Koordinatoren sind in Bezug auf ihre Aufgabe, Zeitnischen zuzuweisen, unabhängig und gegenüber einer anderen Partei nicht weisungsgebunden.
Angesichts der beschriebenen Umstände sollte die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 geändert werden, damit Luftfahrtunternehmen in dem Zeitraum, in dem der Luftverkehrsmarkt unter dem Ausbruch des SARS-CoV-2 besonders zu leiden hat, ihre Anrechte auf die von ihnen nicht genutzten Zeitnischen wahren können. Der vorgeschlagene Zeitraum erstreckt sich für alle Flüge auf den Zeitraum von vier Monaten zwischen März 2020 und Juni 2020. Da die schwerwiegenden Auswirkungen des Ausbruchs des SARS-CoV-2-Virus erstmals in der Volksrepublik China und in der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China auftraten, wird vorgeschlagen, die angestammten Rechte für Zeitnischen, die für Luftverkehrsdienste in diese Märkte und aus diesen Märkten genutzt werden, über einen längeren Zeitraum hinweg zu schützen. Der verlängerte Zeitraum beginnt am 23. Januar 2020, dem Datum, an dem der erste Flughafen in der Volksrepublik China von Behörden geschlossen wurde.
Diese Änderung wird in Form einer Vorschrift erfolgen, nach der die Koordinatoren die für die betreffenden Bezugszeiträume zugewiesenen Zeitnischen als genutzt betrachten. Diese Regelung würde die Auswirkungen der derzeitigen Krise abmildern und den Luftfahrtunternehmen Rechtssicherheit für die relevanten Teile der Flugplanperioden bieten. Alle ungenutzten Zeitnischen der Luftfahrtunternehmen könnten von den Koordinatoren je nach Bedarf dann neu zugewiesen werden. Eine solche Neuzuweisung hätte nur einen Ad-hoc-Charakter und würde die Stellung der Luftfahrtunternehmen, deren Zeitnischen nach der vorgeschlagenen Regelung als genutzt gelten würden, nicht beeinträchtigen.
Die Art der derzeitigen Umstände macht es schwierig, mit einem gewissen Maß an Sicherheit vorherzusagen, wann die öffentliche Gesundheitslage wieder zur Normalität zurückkehren wird und wann die Verbraucher wieder Vertrauen fassen. Eine Verlängerung der vorgeschlagenen Maßnahme auf die gesamte Sommersaison 2020 (die am 24. Oktober 2020 endet) könnte im Hinblick auf das klar definierte Ziel unverhältnismäßig sein, sollte sich die Lage in der Zwischenzeit wieder normalisieren. Aus diesem Grund wird vorgeschlagen, die Kommission zu ermächtigen, die Geltungsdauer der Maßnahmen soweit erforderlich durch delegierte Rechtsakte zu verlängern. Die Kommission sollte sich bei derartigen Entscheidungen auf die neuesten verfügbaren Informationen stützen, die vom EU-Netzmanagement bei der Europäischen Organisation für Flugsicherung („Eurocontrol“) veröffentlicht werden, sowie auf einschlägige wissenschaftliche Gutachten.
•Kohärenz mit den bestehenden Vorschriften in diesem Bereich
Die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 geht nicht auf die Probleme ein, mit denen Luftfahrtunternehmen aufgrund des Ausbruchs von SARS-CoV-2 im Zusammenhang mit ihren Möglichkeiten konfrontiert sind, ihre Zeitnischen für die folgenden Flugplanperioden zu wahren. Die Verordnung sollte daher geändert werden, um die Auswirkungen der derzeitigen Krise abzumildern, Rechtssicherheit für die Luftfahrtunternehmen zu schaffen und die Einheitlichkeit des europäischen Systems für die Zuweisung von Zeitnischen aufrechtzuerhalten.
•Kohärenz mit der Politik der Union in anderen Bereichen
Das effektive Funktionieren des Binnenmarkts für den Luftverkehr und der damit verbundenen Dienstleistungen hängt von der Wirtschaftsleistung der Luftfahrtunternehmen ab. Die negativen wirtschaftlichen Folgen des SARS-CoV-2-Ausbruchs für die Luftfahrtunternehmen könnten deren finanzielle Solidität gefährden und schwerwiegende negative Auswirkungen auf das Verkehrssystem und die Wirtschaft insgesamt haben. Daher ist es von größter Bedeutung, die Zeitnischenverordnung zu ändern und so dem derzeitigen Hauptanliegen der Luftfahrtunternehmen Rechnung zu tragen.
Die Maßnahme dient auch einem wichtigen Nachhaltigkeitsziel, indem Luftfahrtunternehmen keinen Anreiz mehr haben, lediglich zur Wahrung ihrer Zeitnischen Flüge mit niedrigem Auslastungsgrad durchzuführen.
2.RECHTSGRUNDLAGE, SUBSIDIARITÄT UND VERHÄLTNISMÄẞIGKEIT
•Rechtsgrundlage
Rechtsgrundlage der Initiative ist Artikel 100 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Er gestattet den Erlass aller geeigneten Vorschriften für den Luftverkehr und diente bereits als Grundlage für die Annahme der Verordnung (EWG) Nr. 95/93.
•Subsidiarität (bei nicht ausschließlicher Zuständigkeit)
Die Ziele des Vorschlags können von den Mitgliedstaaten aus folgenden Gründen nicht ausreichend verwirklicht werden: Die Mitgliedstaaten haben auf der Grundlage der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 keine Handhabe, aus den dargelegten Gründen die Koordinatoren zu verpflichten, ungenutzte Zeitnischen als genutzt zu betrachten. Dieses Ziel kann nur von der Union durch eine Änderung der Verordnung selbst erreicht werden.
•Verhältnismäßigkeit
Der Vorschlag geht nicht über das zur Erreichung des Ziels erforderliche Maß hinaus, für die Zwecke der Anwendung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 die Auswirkungen des derzeitigen SARS-CoV-2-Ausbruchs abzumildern. Die vorgeschlagene Maßnahme ist daher auch in Bezug auf ihre zeitnahe Anwendung auf die verschiedenen Arten von Reisezielen verhältnismäßig.
•Wahl des Instruments
Um sein Ziel zu erreichen, muss das Rechtsinstrument unmittelbar und allgemein gelten, ebenso wie die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 selbst. Das geeignete Instrument ist daher eine Verordnung.
3.ERGEBNISSE DER EX-POST-BEWERTUNG, DER KONSULTATION DER INTERESSENTRÄGER UND DER FOLGENABSCHÄTZUNG
•Ex-post-Bewertung/Eignungsprüfungen bestehender Rechtsvorschriften
Es handelt sich hier um eine dringende Maßnahme, die durch den plötzlichen und unvorhersehbaren Ausbruch des SARS-CoV-2-Virus und die sich daraus ergebende Ausbreitung der Covid-19-Krankheit ausgelöst wird. Aus diesem Grund ist die Maßnahme für das Programm zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung nicht relevant und es wurde keine Ex-post-Bewertung durchgeführt.
Diese Maßnahme ähnelt jedoch in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Wirkung früheren Änderungen der Verordnung (EWG) Nr. 95/93, die durch andere Notlagen ausgelöst wurden. Dabei handelt es sich um Folgende:
–im Jahr 2002 die Folgen der Terroraschläge vom 11. September (Verordnung (EG) Nr. 894/2002),
–im Jahr 2003 die Folgen des Irak-Kriegs und des Ausbruchs des schweren akuten Atemwegssyndroms (SARS) (Verordnung (EG) Nr. 1554/2003) und
–im Jahr 2009 die Folgen der weltweiten Finanzkrise (Verordnung (EG) Nr. 545/2009).
•Konsultation der Interessenträger
Angesichts der Dringlichkeit der Angelegenheit wurde keine formelle Konsultation der Interessenträger durchgeführt. Sowohl die Behörden der Mitgliedstaaten als auch die Interessenträger haben die Kommission jedoch aufgefordert, einen Vorschlag für geeignete Maßnahmen im Zusammenhang mit der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 zu erlassen.
•Einholung und Nutzung von Expertenwissen
Wie bereits erläutert, war eine ordnungsgemäße Einholung von Fachwissen aufgrund der Dringlichkeit der Situation nicht möglich. Die Kommission hat sich jedoch auf die Erfahrungen bei der Anwendung und Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 gestützt, die auch Konsultationen mit Sachverständigen umfasste.
•Folgenabschätzung
Angesichts der Dringlichkeit der Situation wurde keine Folgenabschätzung durchgeführt. Diese Maßnahme ähnelt in ihrem Anwendungsbereich und ihrer Wirkung früheren Änderungen der Verordnung (EWG) Nr. 95/93, die durch andere Notfälle ausgelöst wurden. Die Maßnahme zielt darauf ab, die finanziellen Verluste, die den Luftfahrtunternehmen aufgrund der „Use-it-or-lose-it“-Regel entstehen, zu verringern und die negativen Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern.
•Grundrechte
4.AUSWIRKUNGEN AUF DEN HAUSHALT
5.WEITERE ANGABEN
•Durchführungspläne sowie Monitoring-, Bewertungs- und Berichterstattungsmodalitäten
Die Maßnahme enthält keine spezifischen Überwachungs- oder Berichterstattungsregelungen; die Kommission sollte jedoch verpflichtet sein, die Entwicklung des Ausbruchs von SARS-CoV-2 und seine Auswirkungen auf den Luftverkehr zu verfolgen und erforderlichenfalls einen delegierten Rechtsakt zur Verlängerung der von der Maßnahme betroffenen Zeiträume zu erlassen.
•Ausführliche Erläuterung einzelner Bestimmungen des Vorschlags
Artikel 10a wird durch einen neuen Artikel ersetzt, mit dem die Koordinatoren dazu verpflichtet werden, bei der Bewertung der angestammten Rechte zu berücksichtigen, dass die für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 zugewiesenen Zeitnischen als von den Luftfahrtunternehmen, denen sie ursprünglich zugewiesen wurden, genutzt gelten. Für Zeitnischen, die für Flüge zwischen der EU und der Volksrepublik China oder zwischen der EU und der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China genutzt werden, ist ein zusätzlicher, früherer Zeitraum vorgesehen (ab dem 23. Januar 2020). Voraussetzung ist, dass in Fällen nach Inkrafttreten der vorgeschlagenen Verordnung solche Zeitnischen an den Zeitnischenkoordinator zurückgegeben werden müssen. Bei zurückgegebenen Zeitnischen, die anschließend anderen Luftfahrtunternehmen neu zugewiesen werden, kann das Luftfahrtunternehmen, das sie nutzt, keine angestammten Rechte erwerben.
Artikel 10a ermächtigt die Kommission ferner, delegierte Rechtsakte zu erlassen, wenn die Krise im Zusammenhang mit dem Ausbruch von SARS-CoV-2 nicht beendet werden kann und sie sich weiterhin negativ auf den Luftverkehr, auch auf die angestammten Rechte für Zeitnischen, auswirkt. Angesichts der raschen Entwicklung des Ausbruchs ist es erforderlich, dass die delegierten Rechtsakte im Wege eines Dringlichkeitsverfahrens erlassen werden.
2020/0042 (COD)
Vorschlag für eine
VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates über gemeinsame Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen auf Flughäfen in der Gemeinschaft
(Text mit Bedeutung für den EWR)
DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —
gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 100 Absatz 2,
auf Vorschlag der Europäischen Kommission,
nach Zuleitung des Entwurfs des Gesetzgebungsakts an die nationalen Parlamente,
nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses,
nach Stellungnahme des Ausschusses der Regionen,
gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren,
In Erwägung nachstehender Gründe:
(1)Der Ausbruch der COVID-19-Krankheit, verursacht durch das schwere akute Atemwegssyndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), hat infolge der sinkenden Nachfrage und der von den Mitgliedstaaten und Drittländern zur Eindämmung des Ausbruchs ergriffenen direkten Maßnahmen zu einem deutlichen Rückgang des Luftverkehrs geführt. Die bereits im Januar 2020 im Zusammenhang mit der Volksrepublik China und der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China zu verzeichnenden ersten schwerwiegenden Folgen für die Luftfahrtunternehmen haben sich seit dem 1. März 2020 ausgeweitet und dürften sich auf mindestens zwei Flugplanperioden auswirken – die Winterperiode 2019/2020 und die Sommerperiode 2020.
(2)Diese Umstände sind von den Luftfahrtunternehmen nicht zu beherrschen, weshalb die hierauf zurückzuführende freiwillige oder obligatorische Annullierung von Luftverkehrsdiensten durch die Luftfahrtunternehmen eine notwendige bzw. legitime Reaktion auf diese Umstände ist. Durch die freiwillige Annullierung schützen die Luftfahrtunternehmen insbesondere ihre finanzielle Solidität und vermeiden Umweltbelastungen, indem sie keine leeren oder überwiegend leeren Flüge nur zum Zweck der Aufrechterhaltung der entsprechenden Flughafenzeitnischen durchführen.
(3)Die vom EU-Netzmanager bei der Europäischen Organisation für Flugsicherung (Eurocontrol) veröffentlichten Zahlen lassen darauf schließen, dass in der Region Europa der Luftverkehr im Vergleich zum Vorjahr in der ersten Hälfte des Monats März 2020 in einer Größenordnung von 10 % zurückgegangen ist. Die Luftfahrtunternehmen melden enorme Einbrüche bei den Vorausbuchungen und nehmen infolge des Ausbruchs erhebliche Annullierungen von Flügen für die Flugplanperioden Winter 2019-2020 und Sommer 2020 vor.
(4)Nach Artikel 8 Absatz 2 in Verbindung mit Artikel 10 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 des Rates läuft ein Luftfahrtunternehmen, das 80 % der ihm auf einem koordinierten Flughafen zugewiesenen Abfolge von Zeitnischen nicht nutzt, Gefahr, das Anrecht auf die gleiche Abfolge dieser Zeitnischen zu verlieren.
(5)Nach Artikel 10 Absatz 4 der Verordnung (EWG) Nr. 95/93 können die Zeitnischenkoordinatoren zur Berechnung der angestammten Rechte die Nichtnutzung von Flughafenzeitnischen für Zeiträume außer Acht lassen, in denen das Luftfahrtunternehmen die geplanten Flugdienste etwa aufgrund einer Sperrung des Flughafens nicht durchführen kann. Dieser Artikel befasst sich jedoch nicht mit Situationen wie dem Ausbruch von SARS-CoV-2. Daher sollte eine entsprechende Maßnahme erlassen werden.
(6)Angesichts der bekannten Vorausbuchungen und epidemiologischen Prognosen ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt davon auszugehen, dass zwischen dem 1. März 2020 und mindestens dem 30. Juni 2020 eine erhebliche Zahl von Annullierungen aufgrund des Ausbruchs von SARS-CoV-2 erfolgen wird. Die Nichtnutzung der für diesen Zeitraum zugewiesenen Zeitnischen sollte nicht dazu führen, dass Luftfahrtunternehmen ihre angestammten Rechte verlieren, die sie andernfalls wahrnehmen würden. Daher müssen die Bedingungen festgelegt werden, unter denen nicht genutzte Zeitnischen mit Blick auf die folgende Saison für diese Zwecke als genutzte Zeitnischen betrachtet werden sollten.
(7)Zeitnischen auf koordinierten Flughäfen sind eine wertvolle wirtschaftliche Ressource. Trotz des allgemeinen Rückgangs des Luftverkehrs sollte die Annullierung von Luftverkehrsdiensten nicht dazu führen, dass andere Luftfahrtunternehmen diese Zeitnischen nicht vorübergehend nutzen können, ohne dabei jedoch Rechte zu erwerben. Daher sollten Zeitnischen, die von dem Luftfahrtunternehmen, dem sie zugewiesen wurden, nicht genutzt werden, unverzüglich an den Koordinator zurückgegeben werden.
(8)Es lässt sich nur schwer vorhersagen, wie sich die Situation im Zusammenhang mit SARS-CoV-2 weiterentwickeln und welche Auswirkungen sie noch auf die Luftfahrtunternehmen haben wird. Die Kommission sollte die Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf den Luftverkehrssektor kontinuierlich analysieren, und die Union sollte in der Lage sein, den Zeitraum, in dem die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen gelten, unverzüglich zu verlängern, falls die Beeinträchtigungen fortbestehen.
(9)Der Kommission sollte – sofern notwendig und gerechtfertigt – die Befugnis nach Artikel 290 AEUV übertragen werden, Rechtsakte zur Änderung dieser Verordnung zu erlassen, um den Zeitraum, in dem die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen gelten, zu verlängern. Es ist von besonderer Bedeutung, dass die Kommission im Zuge ihrer Vorbereitungsarbeiten angemessene Konsultationen, auch auf Sachverständigenebene, durchführt und dass diese Konsultationen den Grundsätzen entsprechen, die in der Interinstitutionellen Vereinbarung vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung niedergelegt wurden. Um insbesondere für eine gleichberechtigte Beteiligung an der Vorbereitung delegierter Rechtsakte zu sorgen, erhalten das Europäische Parlament und der Rat alle Dokumente zur gleichen Zeit wie die Sachverständigen der Mitgliedstaaten, und deren Sachverständige haben systematisch Zugang zu den Sitzungen der Sachverständigengruppen der Kommission, die mit der Vorbereitung der delegierten Rechtsakte befasst sind.
(10)Angesichts der Dringlichkeit, die die der vorgeschlagenen Maßnahme zugrundeliegenden außergewöhnlichen Umstände gebieten, sollte eine Ausnahme von der Achtwochenfrist gemacht werden, die nach Artikel 4 des dem Vertrag über die Europäische Union, dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft beigefügten Protokolls Nr. 1 über die Rolle der nationalen Parlamente in der Europäischen Union vorgesehen ist.
(11)Angesichts der Dringlichkeit, die die den festgelegten Maßnahmen zugrundeliegenden außergewöhnlichen Umstände gebieten, sollte diese Verordnung unverzüglich in Kraft treten —
HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:
Artikel 1
Die Verordnung (EWG) Nr. 95/93 wird wie folgt geändert:
1.Artikel 10a erhält folgende Fassung:
„Artikel 10a
(1)
Für die Zwecke der Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 betrachten die Koordinatoren die Zeitnischen, die für den Zeitraum vom 1. März 2020 bis zum 30. Juni 2020 Luftfahrtunternehmen ursprünglich zugewiesen wurden, so, als seien sie von diesen Luftfahrtunternehmen genutzt worden.
(2)
Für die Zwecke der Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 10 Absatz 2 betrachten die Koordinatoren die Zeitnischen, die für den Zeitraum vom 23. Januar 2020 bis zum 29. Februar 2020 Luftfahrtunternehmen ursprünglich zugewiesen wurden, so, als seien sie von diesen Luftfahrtunternehmen genutzt worden, sofern es sich um Luftverkehrsdienste zwischen Flughäfen in der Europäischen Union und Flughäfen entweder in der Volksrepublik China oder in der Sonderverwaltungsregion Hongkong der Volksrepublik China handelt.
(3)
Für Zeitnischen, deren Datum später als eine Woche nach Inkrafttreten dieser Verordnung liegt, gilt Absatz 1 nur, wenn die entsprechenden ungenutzten Zeitnischen dem Koordinator zur Neuzuweisung an andere Luftfahrtunternehmen zur Verfügung gestellt wurden.
(4)
Stellt die Kommission auf der Grundlage der vom EU-Netzmanager bei der Europäischen Organisation für Flugsicherung (Eurocontrol) veröffentlichten Zahlen fest, dass der Rückgang des Luftverkehrs im Vergleich zum Niveau im entsprechenden Zeitraum des Vorjahres anhält und wahrscheinlich weiter anhalten wird, und lassen die bestverfügbaren wissenschaftlichen Daten darauf schließen, dass diese Situation eine Folge der Auswirkungen des Ausbruchs von SARS-CoV-2 ist, so erlässt die Kommission nach Artikel 12a delegierte Rechtsakte, um den in Absatz 1 genannten Zeitraum entsprechend zu ändern.
(5)
Die Kommission überwacht die Lage anhand der in Absatz 4 genannten Kriterien laufend. Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen legt sie bis zum 15. April 2020 einen zusammenfassenden Bericht zu diesem Thema vor. Erforderlichenfalls erlässt sie so bald wie möglich den delegierten Rechtsakt nach Absatz 4.
(6)
Sofern infolge anhaltender Auswirkungen von SARS-CoV-2 auf den Luftverkehrssektor in der Europäischen Union aus Gründen äußerster Dringlichkeit erforderlich, findet das Verfahren nach Artikel 12b auf delegierte Rechtsakte, die gemäß diesem Artikel erlassen werden, Anwendung.“
2.Folgende Artikel 12a und 12b werden eingefügt:
„Artikel 12a
Ausübung der Befugnisübertragung
(1)
Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte wird der Kommission unter den in diesem Artikel festgelegten Bedingungen übertragen.
(2)
Die Befugnis zum Erlass delegierter Rechtsakte nach Artikel 10a wird der Kommission für einen Zeitraum von einem Jahr ab Inkrafttreten dieser Verordnung übertragen.
(3)
Die Befugnisübertragung nach Artikel 10a kann vom Europäischen Parlament oder vom Rat jederzeit widerrufen werden. Der Beschluss über den Widerruf beendet die Übertragung der in diesem Beschluss angegebenen Befugnis. Er wird am Tag nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union oder zu einem im Beschluss über den Widerruf angegebenen späteren Zeitpunkt wirksam. Die Gültigkeit von delegierten Rechtsakten, die bereits in Kraft sind, wird von dem Beschluss über den Widerruf nicht berührt.
(4)
Vor dem Erlass eines delegierten Rechtsakts konsultiert die Kommission die von den einzelnen Mitgliedstaaten benannten Sachverständigen im Einklang mit den in der Interinstitutionellen Vereinbarung über bessere Rechtsetzung vom 13. April 2016 enthaltenen Grundsätzen.
(5)
Sobald die Kommission einen delegierten Rechtsakt erlässt, übermittelt sie ihn gleichzeitig dem Europäischen Parlament und dem Rat.
(6)
Ein delegierter Rechtsakt, der nach Artikel 10a erlassen wurde, tritt nur in Kraft, wenn weder das Europäische Parlament noch der Rat innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach Übermittlung dieses Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat Einwände erhoben haben oder wenn vor Ablauf dieser Frist das Europäische Parlament und der Rat beide der Kommission mitgeteilt haben, dass sie keine Einwände erheben werden. Auf Initiative des Europäischen Parlaments oder des Rates wird diese Frist um zwei Monate verlängert.
Artikel 12b
Dringlichkeitsverfahren
(1)
Delegierte Rechtsakte, die nach diesem Artikel erlassen werden, treten umgehend in Kraft und sind anwendbar, solange keine Einwände gemäß Absatz 2 erhoben werden. Bei der Übermittlung eines delegierten Rechtsakts an das Europäische Parlament und den Rat werden die Gründe für die Anwendung des Dringlichkeitsverfahrens angegeben.
(2)
Das Europäische Parlament oder der Rat können gemäß dem in Artikel 12a Absatz 6 genannten Verfahren Einwände gegen einen delegierten Rechtsakt erheben. In diesem Fall hebt die Kommission den Rechtsakt unverzüglich nach der Übermittlung des Beschlusses des Europäischen Parlaments oder des Rates, Einwände zu erheben, auf.“
Artikel 2
Diese Verordnung tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.
Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.
Geschehen zu Brüssel am […]
Im Namen des Europäischen Parlaments
Im Namen des Rates
Der Präsident
Der Präsident