Brüssel, den 25.11.2020

COM(2020) 761 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Eine Arzneimittelstrategie für Europa

{SWD(2020) 286 final}


1.Arzneimittel – ein starkes Ökosystem vor einer wichtigen Weichenstellung

Eine gute Gesundheit hat für das Wohlergehen der Menschen größte Bedeutung. Sie ist abhängig von zahlreichen Faktoren wie einer gesunden Lebensweise sowie dem fairen und gleichberechtigten Zugang zur Gesundheitsversorgung, einem wichtigen Baustein der europäischen Lebensweise. Für die Gesundheitsversorgung wiederum bedarf es sicherer, wirksamer und erschwinglicher Arzneimittel.

In den vergangenen Jahren wurden in der Europäischen Union große Fortschritte im Bereich der menschlichen Gesundheit erzielt; so ist in der EU seit 2002 die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt um 3,3 Jahre gestiegen 1 . Neue Arzneimittel, Impfstoffe und Behandlungsmöglichkeiten haben zur Bekämpfung einiger Hauptkrankheitsursachen und lebensbedrohlicher Erkrankungen beigetragen.

Meilensteine wichtiger Fortschritte bei der Behandlung von Krankheiten in der EU in den vergangenen 20 Jahren:

Biotechnologieprodukte ermöglichen die Behandlung zahlreicher chronischer Erkrankungen wie Diabetes und Anämie bei Patienten mit Nierenversagen. Seit 2014 steht eine neue Generation antiviraler Arzneimittel zur Behandlung chronischer Hepatitis C zur Verfügung.

Mehrere weit verbreitete Impfstoffe schützen vor Hepatitis B, dem Papillomavirus oder Cholera. Im Jahr 2020 erteilte die Kommission eine Zulassung für den ersten Ebola-Impfstoff.

Personalisierte Therapien haben die Prognose von Patienten mit einigen Krebserkrankungen erheblich verbessert; ein Beispiel hierfür ist Trastuzumab, das die Heilungsrate bei HER2 2 -positivem Brustkrebs und die Gesamtüberlebensrate im fortgeschrittenen Stadium gesteigert hat.

Arzneimittel für neuartige Therapien wie Zell- und Gentherapeutika bereiten den Weg für neue vielversprechende Therapien. CAR-T-Zelltherapien 3 zur Behandlung bestimmter Leukämiearten und ein Arzneimittel zur Behandlung transfusionsabhängiger Beta-Thalassämie, einer Blutkrankheit, wurden erst vor kurzem zugelassen.

Doch obwohl wir in einer Zeit raschen Wandels und zahlreicher Innovationen leben, profitieren viele Patientinnen und Patienten nicht von diesen Innovationen, da Arzneimittel entweder nicht erschwinglich oder nicht verfügbar sind. Und es besteht ein stärkeres Bewusstsein für die Notwendigkeit, die Nachhaltigkeit des Einsatzes von Arzneimitteln sicherzustellen.

Die COVID-19-Pandemie hat sehr schwerwiegende, anhaltende Auswirkungen auf Europa. Wenngleich Europa mit seiner Reaktion Stärken offenbart hat, wurden doch vorhandene Schwachstellen deutlich in den Mittelpunkt gerückt, unter anderem im Zusammenhang mit der Datenverfügbarkeit, der Arzneimittelversorgung oder der Verfügbarkeit von Produktionskapazitäten zur Anpassung und Unterstützung der Herstellung von Arzneimitteln. Dessen ungeachtet ist der Abschluss von Abnahmegarantien für Impfstoffe ein Beispiel für die wirksame Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Stellen und Regulierungsbehörden, der Industrie und Organisationen der Zivilgesellschaft. Die erwartete breite, gleichberechtigte Verfügbarkeit sicherer, wirksamer Impfstoffe in Rekordzeit lässt Hoffnung auf eine Überwindung der Krise aufkommen und schafft Anregungen für einen erneuerten, innovativen, patientenorientierten und weltweit führenden Arzneimittelsektor.

Es bedarf eines neuen Konzepts der EU, um eine starke, faire, wettbewerbsfähige und ökologische Branche zu schaffen, die den Patientinnen und Patienten zugutekommt und das Potenzial des digitalen Wandels im Gesundheits- und Pflegebereich ausschöpft, vorangetrieben durch technologische Fortschritte in Bereichen wie künstliche Intelligenz und Computermodellierung. Wir brauchen gut funktionierende internationale Lieferketten und einen gut funktionierenden Binnenmarkt für Arzneimittel, basierend auf einem Konzept, das den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln erfasst, von der Herstellung bis hin zu Vertrieb, Verbrauch und Entsorgung.

In diesem Zusammenhang schlägt die Kommission eine neue Arzneimittelstrategie für Europa vor. Es handelt sich um eine patientenorientierte Strategie, die darauf abzielt, die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln zu gewährleisten und gleichzeitig die globale Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu steigern. Sie bildet eine tragende Säule der Vision der Kommission für den Aufbau einer stärkeren europäischen Gesundheitsunion 4 , die Präsidentin von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union 2020 dargelegt hat.

Die neue Arzneimittelstrategie trägt dem Umstand Rechnung, dass die EU von einer soliden Grundlage ausgeht. Europa verfügt über einen umfassenden Arzneimittelsektor, der von der Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln bis zu ihrer Überwachung nach der Zulassung reicht. Die Kommission, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA), die Arzneimittel-Regulierungsbehörden in den Mitgliedstaaten und der Europäische Wirtschaftsraum arbeiten im Europäischen Netzwerk der Arzneimittelzulassung zusammen, um sicherzustellen, dass Patientinnen und Patienten Zugang zu hochwertigen, wirksamen und sicheren Arzneimitteln haben.

Die Gesundheitssysteme der EU-Mitgliedstaaten, in denen diese Arzneimittel Anwendung finden, tragen ganz erheblich zu dem hohen Niveau an sozialem Schutz und Zusammenhalt in Europa bei und stützen sich auf gemeinsame Werte, nämlich den allgemeinen Zugang zu hochwertiger Gesundheitsversorgung, auf Gerechtigkeit und Solidarität.

In der EU gibt es eine starke, wettbewerbsfähige Arzneimittelindustrie. Zusammen mit weiteren öffentlichen und privaten Akteuren steht sie im Dienst der öffentlichen Gesundheit und agiert als treibende Kraft für die Schaffung von Arbeitsplätzen, den Handel und die Wissenschaft. Die Arzneimittelhersteller leisteten 2019 mit über 37 Mrd. EUR den größten Beitrag zu den Forschungsinvestitionen. Der Sektor bietet 800 000 direkte Arbeitsplätze und weist einen Handelsüberschuss von 109,4 Mrd. EUR 5 auf. Die EU ist der weltweit zweitgrößte Arzneimittelmarkt, an dem viele Interessenträger beteiligt sind, von Start-up-Unternehmen bis hin zu Großunternehmen, von Herstellern patentierter Arzneimittel bis hin zu Generika und Biosimilar-Arzneimitteln, von Groß- und Vertriebshändlern bis hin zu Parallelhändlern, von Medizinprodukten bis hin zu Softwareentwicklern. Auf neu gegründete biopharmazeutische Unternehmen entfallen über 70 % der Forschungspipeline 6 , was zur Dynamik des Sektors beiträgt.

Die Arzneimittelstrategie für Europa stützt sich auf diese Grundlagen. Sie wird den Zugang der Patientinnen und Patienten zu innovativen, erschwinglichen Arzneimitteln fördern sowie die Wettbewerbs- und die Innovationsfähigkeit der pharmazeutischen Industrie in der EU vorantreiben. Zudem wird sie die offene strategische Autonomie der EU weiterentwickeln und solide Lieferketten gewährleisten, damit Europa seinen Anforderungen, auch in Krisenzeiten, gerecht werden kann. Und schließlich wird sie der EU auf der Weltbühne eine starke Stimme verleihen. Die Strategie setzt sich aus vier Aktionsbereichen zusammen, die sich aus diesen Zielen ergeben. Jeder Aktionsbereich umfasst Leitinitiativen und flankierende Maßnahmen, die sicherstellen sollen, dass die Ziele zu greifbaren Ergebnissen führen. Gemeinsam werden sie gewährleisten, dass sich die europäische Arzneimittelpolitik im Einklang mit dem ökologischen, dem digitalen und dem demografischen Wandel weiterentwickelt und angesichts der derzeitigen Gegebenheiten sowie der Ambitionen für die Zukunft als Teil einer stärkeren Gesundheitsunion weiterhin relevant bleibt.

Die Strategie wird darüber hinaus auch zur Verwirklichung anderer Ziele der Union beitragen. Durch die Förderung von Innovationen zur Erfüllung noch offener Anforderungen (darunter Impfungen gegen behandelbare Infektionen, die Krebs verursachen, sowie Arzneimittel für Krebserkrankungen bei Kindern und für seltene Krebserkrankungen) trägt sie unmittelbar zum „Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung“ bei. Zusammen werden die Arzneimittelstrategie und der Krebsbekämpfungsplan gewährleisten, dass Patientinnen und Patienten in ganz Europa Zugang zu hochwertigen Behandlungen und neuen Therapien haben, wenn sie diese benötigen, und die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit wichtiger Arzneimittel für Krebspatientinnen und -patienten in der gesamten EU sicherstellen. Die in der Strategie vorgesehenen Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zu Arzneimitteln werden auch dazu beitragen, die Verpflichtungen auf EU-Ebene im Rahmen der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung zu erfüllen.

Die Strategie 7 ergänzt außerdem den europäischen Grünen Deal 8 und insbesondere das Null-Schadstoff-Ziel im Hinblick auf eine schadstofffreie Umwelt, vor allem was die Auswirkungen pharmazeutischer Stoffe auf die Umwelt anbelangt. Die Arzneimittelstrategie eröffnet der Branche die Möglichkeit, zur Klimaneutralität der EU beizutragen, wobei der Schwerpunkt auf der Reduzierung der Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette liegt. Sie leistet darüber hinaus einen Beitrag zu dem Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte 9 , dem strategischen Rahmen für die Erreichung einer Union der Gleichheit 10 , dem geplanten Grünbuch zum Thema Altern, der Strategie zur Gestaltung der digitalen Zukunft Europas 11 , der europäischen Datenstrategie 12 , den Arbeiten zur Schaffung eines europäischen Raums für Gesundheitsdaten, dem Europäischen Aktionsplan zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ 13 sowie der neuen Industriestrategie für Europa 14 .

Nicht zuletzt ist die Strategie auch für Nicht-EU-Länder von großer Bedeutung, insbesondere im westlichen Balkan und in der Nachbarschaft der EU, da Bewerberländer, mögliche Bewerberländer und Länder mit vertieften und umfassenden Freihandelsabkommen (DCFTA 15 ) verpflichtet sind, ihre Rechtsvorschriften an den Besitzstand der EU im Bereich der Rechtsvorschriften über Arzneimittel anzugleichen.

2.Versorgung der Patientinnen und Patienten: Deckung des bislang ungedeckten medizinischen Bedarfs und Gewährleistung des Zugangs zu Arzneimitteln sowie deren Erschwinglichkeit

2.1.Priorisierung des ungedeckten medizinischen Bedarfs

Investitionen in Forschung und Entwicklung (FuE) im Bereich innovativer Arzneimittel und Behandlungen sind unerlässlich, um Fortschritte bei der Prävention und der Behandlung von Krankheiten zu erzielen. Der Zugang zu sicheren, hochwertigen und wirksamen Arzneimitteln ist ein Schlüsselelement des sozialen Wohlergehens, auch für Menschen aus benachteiligten, schutzbedürftigen Gruppen wie zum Beispiel Menschen mit Behinderungen, Angehörige ethnischer oder rassischer Minderheiten sowie ältere Menschen. Es herrscht zunehmend Einigkeit darüber, dass politische Maßnahmen überdacht werden müssen, um Innovationen insbesondere in Bereichen mit ungedecktem Bedarf zu fördern, und dass pharmazeutische Innovationen stärker auf die Patientinnen und Patienten sowie auf das Gesundheitssystem ausgerichtet sein und multidisziplinären Anforderungen, wie etwa im Bereich der Langzeitpflege, Rechnung tragen müssen.

Derzeit konzentrieren sich die Investitionen nicht unbedingt auf den größten ungedeckten Bedarf, da es in der Wissenschaft keine kommerziellen Interessen oder Einschränkungen gibt. Behandlungen für wichtige Krankheiten, zum Beispiel neurodegenerative Erkrankungen und pädiatrische Krebserkrankungen, fehlen nach wie vor. Darüber hinaus existieren mehr als 7000 bekannte seltene Krankheiten, darunter seltene Krebserkrankungen, bei denen für 95 % nach wie vor keine Behandlungsoption besteht. 16 Weitere Schwachstellen betreffen die mangelnde Entwicklung neuer antimikrobieller Mittel und neuer Behandlungen oder Impfstoffe für neu entstehende Gesundheitsgefahren (einschließlich solcher im Zusammenhang mit der derzeitigen Pandemie, wie das schwere akute Atemwegssyndrom Coronavirus 2 (SARS-CoV-2), oder das Nahost-Atemwegssyndrom (MERS)) und das Fehlen von Behandlungen für bestimmte Bevölkerungsgruppen wie Schwangere und Stillende sowie ältere Menschen.

Die Entwicklung neuartiger antimikrobieller Mittel oder entsprechender Alternativen ist ein hervorragendes Beispiel für den ungedeckten medizinischen Bedarf, da es an therapeutischen Optionen zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen (AMR) mangelt. Antimikrobielle Resistenzen schränken die Möglichkeiten der Behandlung von Infektionskrankheiten ein und behindern unter Umständen die Durchführung routinemäßiger Operationen. Wie im Aktionsplan der EU zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen im Rahmen des Konzepts „Eine Gesundheit“ 17 dargelegt, handelt es sich um ein vielschichtiges Problem von weltweiter Tragweite, das gravierende gesundheitliche und wirtschaftliche Auswirkungen hat. Eine große Herausforderung stellt der übermäßige und unangemessene Einsatz antimikrobieller Mittel in der Tier- und Humanmedizin dar, der zur Entwicklung von Resistenzen führt und jährlich schätzungsweise 33 000 Todesfälle in der EU/im EWR verursacht. 18 Die an anderer Stelle ausgeführten Maßnahmen zur Verringerung des übermäßigen und unangemessenen Einsatzes müssen zwar ergriffen werden, können jedoch zu einer unbeabsichtigten Verringerung der Investitionen in neue Antibiotika führen. Die derzeitigen Anreizmodelle bieten keine nachhaltige Lösung; es bedarf neuer unternehmerischer Konzepte, einschließlich neuer Anreize zur Entwicklung antimikrobieller Mittel sowie neuer Preisfestsetzungssysteme.

Leitinitiativen zur antimikrobiellen Resistenz

ØInnovative Pilotkonzepte für die FuE in der EU sowie öffentliche Beschaffung antimikrobieller Mittel und ihrer Alternativen, um Anreize für neuartige antimikrobielle Mittel zu schaffen – Zieldatum 2021.

ØFörderung von Investitionen sowie Koordinierung von Forschung, Entwicklung, Herstellung, Einführung und Einsatz neuartiger Antibiotika als Teil des Aufgabenbereichs der neuen EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen, noch vor Aufnahme der Tätigkeit der Behörde als vorbereitende Maßnahme zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen – 2021.

ØIm Rahmen der Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel 19 Prüfung der Einführung von Maßnahmen zur Beschränkung und Optimierung des Einsatzes antimikrobieller Arzneimittel. Untersuchung neuer Arten von Anreizen für innovative antimikrobielle Mittel – 2022.

Sonstige Maßnahmen

ØVorschläge für nichtlegislative Maßnahmen und Optimierung des Einsatzes vorhandener Regulierungsinstrumente zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen, einschließlich der Harmonisierung von Produktinformationen, der Erstellung evidenzbasierter Leitlinien zur derzeitigen und künftigen Diagnostik, der Förderung des umsichtigen Einsatzes von Antibiotika und der entsprechenden Kommunikation mit den Angehörigen der Gesundheitsberufe sowie mit Patientinnen und Patienten – 2021.

Unsere Antwort auf die Herausforderungen, die sich aus dem nach wie vor ungedeckten medizinischen Bedarf ergeben, sollte vielschichtig sein. Die Forschungsprioritäten sollten auf die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten und die Anforderungen der Gesundheitssysteme abgestimmt sein. Die Ermöglichung der Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlichen Disziplinen durch das Einbinden von Regulierungsbehörden, Hochschulen, Angehörigen der Gesundheitsberufe, Patientenorganisationen, Gesundheitsdienstleistern und Gesundheitskostenträgern in den Anfangsphasen von Forschung und Entwicklung, wie sie von innovativen Partnerschaften für Gesundheitsforschung und -innovation erstmals praktiziert werden, kann diese Zielsetzung unterstützen.

Wir müssen verhärtete Strukturen aufbrechen, damit verschiedene Behörden, die für Zulassungen, die Bewertung von Gesundheitstechnologien, das Gesundheitswesen, die Krankenversicherung und die Finanzierung zuständig sind, zusammenarbeiten. Eine verstärkte Zusammenarbeit bei der wissenschaftlichen Beratung und der Konvergenz von Schlüsselkonzepten wie „ungedeckter medizinischer Bedarf“ wird die Konzipierung klinischer Prüfungen, die Evidenzgenerierung sowie Bewertungen erleichtern und sicherstellen, dass die Innovationen den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten und den Anforderungen der nationalen Gesundheitssysteme entsprechen. Die Ergebnisse dieser Diskussionen könnten auch als Orientierung für die Finanzierung bestimmter Bereiche dienen, z. B. für die Grundlagenforschung in neuen Behandlungsbereichen.

Zur Ergänzung vorhandener länderübergreifender kooperativer Ansätze bei der öffentlichen Beschaffung sowie bei gemeinsamen Verhandlungen über die Preisfestsetzung und die Kostenerstattung sollten neue Wege des Informationsaustauschs, wie z. B. die strategische Früherkennung („Horizon Scanning“), in Betracht gezogen werden. Die vorgeschlagene Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien 20 wird nach ihrer Annahme evidenzbasierte Investitionsentscheidungen im Bereich innovativer Gesundheitstechnologien mit klinischem Mehrwert für die Patientinnen und Patienten fördern.

Es wurde ein Reflexionsprozess darüber eingeleitet, wie das Anreizsystem des EU-Rahmens für Arzneimittel besser angepasst werden kann, um Innovationen in Bereichen mit ungedecktem medizinischem Bedarf zu fördern (z. B. neurodegenerative und seltene Krankheiten sowie pädiatrische Krebserkrankungen). Hierbei werden ein breites Engagement der Interessenträger und multidisziplinärer Input angestrebt. Die Ergebnisse der Studie zu Anreizen im pharmazeutischen Bereich 21 und die Bewertung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten 22 werden im Einklang mit den Grundsätzen der besseren Rechtsetzung in künftige Überprüfungen einfließen.

Leitinitiativen zum ungedeckten Bedarf

ØVorschlag einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten, um die Therapielandschaft zu verbessern und ungedecktem Bedarf (z. B. bei pädiatrischen Krebserkrankungen) durch maßgeschneiderte Anreize zu begegnen – 2022.

ØErleichterung der Zusammenarbeit bei ungedecktem Bedarf und bei der Evidenzgenerierung in gemeinsamen Sitzungen bestehender Ausschüsse/Netzwerke von Regulierungsbehörden, Stellen für die Bewertung von Gesundheitstechnologien (HTA) und Kostenträgern, unter Einbindung wichtiger Akteure in den Bereichen Arzneimittelentwicklung, -zulassung und -zugang mit Blick auf einen Lebenszyklusansatz sowie eine bessere Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit. Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und dem Rat im Hinblick auf die Annahme der Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien – 2021.

Sonstige Maßnahmen

ØAufnahme des Schemas für prioritäre Arzneimittel (PRIME) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) in den regulatorischen Rahmen, um die Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln in Bereichen mit ungedecktem Bedarf zu beschleunigen – 2022.

ØErmöglichung einer parallelen wissenschaftlichen Beratung bei der Konzeption klinischer Arzneimittelstudien durch HTA-Stellen und die EMA, wie in der vorgeschlagenen Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien vorgesehen – 2021.

2.2.Gewährleistung des Zugangs der Patientinnen und Patienten zu Arzneimitteln

Innovative, vielversprechende Therapien finden nicht immer den Weg zu den Patientinnen und Patienten, sodass deren Zugang zu Arzneimitteln in der EU noch immer unterschiedlich gut ist. Für die Unternehmen besteht keine Verpflichtung, ein Arzneimittel in allen EU‑Ländern in Verkehr zu bringen; sie können beschließen, ihre Arzneimittel in einem Land oder mehreren Ländern nicht in Verkehr zu bringen oder vom Markt zu nehmen. Dies kann auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein, z. B. auf die nationale Preisfestsetzungs- und Kostenerstattungspolitik, die Bevölkerungsgröße, die Organisation der Gesundheitssysteme und nationale Verwaltungsverfahren, die dazu führen, dass vor allem kleinere und weniger wohlhabende Märkte mit diesen Problemen konfrontiert sind. Die Erfahrungen im Bereich der Arzneimittel für Kinder und für seltene Krankheiten veranschaulichen das Problem. Die Verfügbarkeit solcher Arzneimittel hat seit dem Erlass der diesbezüglichen Verordnungen zwar zugenommen, doch der Zugang zu ihnen ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich.

Mangelnde Transparenz der Forschungskosten oder der Kapitalrendite kann Entscheidungen beeinflussen, die sich auf die Erschwinglichkeit der Arzneimittel und letztlich auf den Zugang der Patientinnen und Patienten zu diesen auswirken. Ausgehend von diesen und umfassenderen Erfahrungen wird die Kommission das System der Anreize überprüfen. Dies kann auch eine stärkere „Konditionalität“ zur Folge haben, d. h. die Knüpfung von Anreizen an die Förderung eines breiteren Zugangs für die Patientinnen und Patienten sowie an Möglichkeiten zur Steigerung des Wettbewerbs. Darüber hinaus wird die Kommission ein Pilotprojekt starten, um die Ursachen einer verzögerten Markteinführung, auch im Hinblick auf Arzneimittel gegen Krebs, besser zu verstehen; die hierbei gewonnenen Erkenntnisse sollen in die Bewertung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel einfließen.

Generika und Biosimilar-Arzneimittel machen für eine große Zahl von Patientinnen und Patienten zugängliche, erschwingliche Behandlungen möglich. Sie ermöglichen zudem den Gesundheitssystemen potenzielle Kosteneinsparungen durch ihren positiven Effekt auf den Preiswettbewerb. Die Kommission wird gezielte politische Maßnahmen zur Förderung eines stärkeren Wettbewerbs im Bereich der Generika und Biosimilar-Arzneimittel prüfen, und zwar auf der Grundlage des ordnungsgemäßen Funktionierens des Binnenmarkts, geeigneter Marktschutzmechanismen, der Beseitigung von Hindernissen, die ihren zeitnahen Markteintritt verzögern, und ihres verstärkten Einsatzes in den Gesundheitssystemen. Dies kann zu einer weiteren Präzisierung der Bestimmungen über die Durchführung von Versuchen an und mit patentierten Produkten führen, um Anträge auf die Zulassung von Generika und Biosimilar-Arzneimitteln zu fördern (sogenannte Bolar-Klausel).

Die genannten Maßnahmen werden mit der Durchsetzung der EU-Wettbewerbsregeln einhergehen. Aus dem Bericht der Kommission über die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Arzneimittelsektor 23 geht hervor, dass Hersteller von Originalpräparaten bisweilen Strategien verfolgen, die den Markteintritt oder die Expansion der erschwinglicheren Arzneimittel ihrer Wettbewerber aus dem Bereich der Generika und Biosimilar-Arzneimittel behindern sollen, und dass solche Strategien möglicherweise einer wettbewerbsrechtlichen Prüfung bedürfen. Außerdem wird die Kommission Fusionen zwischen Pharmaunternehmen weiterhin eingehend prüfen, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern.

Für neue Gesundheitstechnologien sollten deren klinischer Mehrwert und deren Kostenwirksamkeit im Vergleich zu den bereits verfügbaren Technologien nachgewiesen werden. Die Bewertung von Gesundheitstechnologien unterstützt diese Analyse und dient als Grundlage für nationale Entscheidungen bezüglich Preisfestsetzung und Kostenerstattung. Derzeit sind solche Bewertungen innerhalb der EU sehr uneinheitlich. Die vorgeschlagene Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien wird eine Zusammenarbeit bei den Anforderungen an klinische Nachweise und der Konzipierung klinischer Prüfungen ermöglichen. Sie kann somit die zeitnahe, evidenzbasierte Entscheidungsfindung der Mitgliedstaaten über den Zugang der Patientinnen und Patienten zu neuen Arzneimitteln unterstützen.

Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Beschaffung können den Wettbewerb fördern und den Zugang verbessern. Öffentliche Käufer sollten intelligente, innovative Vergabeverfahren entwickeln, z. B. durch die Bewertung der Rolle von „The winner takes it all“-Verfahren und die Verbesserung damit zusammenhängender Aspekte (z. B. Preisauflagen, rechtzeitige Lieferung, „grüne Produktion“ sowie Sicherheit und Kontinuität der Versorgung), auch mittels der im Rahmen der KMU-Strategie angestoßenen „Big Buyers“-Initiative.

Auf diese Weise könnten durch die Anwendung von Instrumenten für die öffentliche Beschaffung einige wichtige politische Ziele angegangen werden. Die nationalen Behörden werden in die Lage versetzt, ihre Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Konzepte auf der Grundlage bewährter Verfahren zu entwickeln.

Darüber hinaus können Gesundheitssysteme und private Unternehmen zusammenarbeiten, indem sie das neue Vergabeverfahren „Innovationspartnerschaft“ nutzen, das es öffentlichen Käufern ermöglicht, eine Partnerschaft für die Entwicklung, die Herstellung und den anschließenden Erwerb von Arzneimitteln mit begrenzter Nachfrage einzugehen.

Schließlich wird die Kommission regionale Initiativen für gemeinsame Verhandlungen oder gemeinsame Ausschreibungen unterstützen, da diese ebenfalls zu einem verbesserten Zugang zu Arzneimitteln beitragen können. 24

Leitinitiativen zum Zugang zu Arzneimitteln

ØVorschlag einer Überarbeitung des Anreizsystems und der aus den Rechtsvorschriften über Arzneimittel erwachsenden Pflichten unter Berücksichtigung der Verknüpfung mit den Rechten des geistigen Eigentums, um die Innovation, den Zugang und die Erschwinglichkeit von Arzneimitteln in der gesamten EU zu fördern – 2022.

ØÜberarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel, um Wettbewerbsaspekten Rechnung zu tragen und so den Zugang zu Generika und Biosimilar-Arzneimitteln zu verbessern, einschließlich der Austauschbarkeit und der Bolar-Ausnahmeregelung – 2022.

Sonstige Maßnahmen

ØEinleitung eines Pilotprojekts zusammen mit der EMA und den Mitgliedstaaten unter Einbeziehung künftiger Zulassungsinhaber, um die Ursachen einer verzögerten Markteinführung zu verstehen – 2021.

ØErmutigung von Käufern aus dem Gesundheitssektor zur Zusammenarbeit bei der Umsetzung innovativer Beschaffungskonzepte für den Erwerb von Arzneimitteln oder Medizinprodukten im Rahmen der „Big Buyers“-Initiative – 2021.

2.3.Gewährleistung der Erschwinglichkeit von Arzneimitteln für Patientinnen und Patienten sowie der finanziellen und haushaltspolitischen Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme

Die Erschwinglichkeit von Arzneimitteln wirkt sich sowohl auf die öffentlichen Finanzen als auch auf die Privathaushalte aus. Sie stellt für die meisten Mitgliedstaaten eine wachsende Herausforderung dar. Das Geschäftsmodell hat sich vom Verkauf von Blockbustern auf die Vermarktung von „Nischenbustern“ verlagert. Häufig liegen die Preise für neue Produkte sogar noch höher, wobei die Unsicherheit hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit und der anfallenden Gesamtkosten zunimmt. Dies gefährdet die finanzielle Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme und verringert die Möglichkeiten von Patientinnen und Patienten, Zugang zu diesen Arzneimitteln zu erhalten.

Es mangelt an Transparenz (insbesondere bei den FuE-Kosten) und an einem Konsens über die Grundsätze für die Kostenrechnung. Ein besseres Verständnis und mehr Klarheit sind eine wesentliche Grundlage für politische Debatten über die Preisfestsetzung von Nischenarzneimitteln und die „angemessene Rendite“ von Forschungsbeiträgen. Sich ändernde Geschäftsmodelle (z. B. Erwerb vielversprechender in der Entwicklung befindlicher Produkte) und neuartige Zahlungskonzepte wie Risikoteilungsvereinbarungen und Ratenzahlungsregelungen können langfristige Auswirkungen haben und somit die Erschwinglichkeit neuer Arzneimittel beeinflussen. Die Kommission wird die Transparenz von Preisinformationen fördern, um den Mitgliedstaaten dabei zu helfen, fundiertere Entscheidungen bezüglich Preisfestsetzung und Kostenerstattung zu treffen, auch unter Berücksichtigung möglicher Folgewirkungen für Innovationen.

Die Ausgaben für Arzneimittel in Krankenhäusern werden auf EU-Ebene nur unvollständig gemeldet und steigen rasch. Die Arzneimittelbudgets machen 20-30 % der Krankenhausausgaben aus und wachsen schneller als die Einzelhandelsausgaben. 25 Dies ist angesichts der Mittelaufstockung für spezielle Arzneimittel, die in Krankenhäusern verabreicht werden, zu erwarten. Die Kommission wird die Wirksamkeit der derzeitigen finanziellen Schutzmechanismen bewerten und diese optimieren, um die Erschwinglichkeit von Arzneimitteln für die einzelnen Patientinnen und Patienten sowie die Gesundheitssysteme zu gewährleisten. Eine bessere Kenntnis der Effizienz und Zugänglichkeit der medizinischen Versorgung in den Mitgliedstaaten wird zu länderspezifischen Erkenntnissen über die Gesundheitssysteme (z. B. im Rahmen des Europäischen Semesters und des Zyklus „Gesundheitszustand in der EU“) und mögliche Reformen in den Mitgliedstaaten führen. Auch die Abfallminimierung und die Optimierung des Ausgabenwerts für Arzneimittel sind für die Schaffung effizienter, nachhaltiger Gesundheitssysteme von entscheidender Bedeutung. Ein Mix politischer Hebel kann dieses Ziel fördern; er umfasst die Gewährleistung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses durch die Bewertung von Gesundheitstechnologien, die Ausschöpfung potenzieller Einsparungen durch Generika und Biosimilar-Arzneimittel, die Förderung eines verantwortungsvollen Verschreibungsverhaltens sowie die Verbesserung der Therapietreue von Patientinnen und Patienten.

Entscheidungen bezüglich der Preisfestsetzung und Kostenerstattung für Arzneimittel fallen in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Kommission wird die Zusammenarbeit mit und zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Erschwinglichkeit und Kostenwirksamkeit von Arzneimitteln intensivieren und eine Gruppe einsetzen, welche die Zusammenarbeit zwischen den für die Preisfestsetzung und Kostenerstattung zuständigen nationalen Behörden und den Gesundheitskostenträgern koordinieren soll. Sie wird das wechselseitige Lernen durch den Austausch von Informationen und bewährten Verfahren unterstützen, unter anderem über die öffentliche Beschaffung und die Deckung der Arzneimittelkosten durch die Sozialschutzsysteme, über Preiserhöhungskriterien und über verantwortungsvolles Verschreibungsverhalten.

Bestimmte Bedingungen, zum Beispiel neu eingeführte Nischenprodukte für eine kleine Zahl von Patientinnen und Patienten oder das Fehlen automatischer Substitutionsvorschriften für biologische Arzneimittel, können Markthindernisse errichten. Das heißt, dass es für konkurrierende Generika, Biosimilar-Arzneimittel und „ältere“ Produkte schwierig sein kann, auf den Markt zu gelangen oder auf dem Markt zu bleiben. Dieser mangelnde Wettbewerb behindert somit Preiseinsparungen, sobald innovative Produkte ihre Marktexklusivität verlieren. Vorschriften, die die Preise oder Erstattungssätze nicht unmittelbar regeln, können sich dennoch auf die Erschwinglichkeit und Kostenwirksamkeit von Arzneimitteln auswirken, und zwar durch indirekte Auswirkungen auf den Marktzugang oder die Rentabilität von Produkten in ausgereifteren Märkten. Die Kommission wird dies bei der Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel berücksichtigen, um zu ermitteln, wie ein gesunder Wettbewerb, der zu einer Senkung der Arzneimittelpreise führt, am besten gefördert werden kann. Sie wird außerdem weiterhin – unter anderem durch den Austausch bewährter Verfahren – an der Verbreitung von Biosimilar-Arzneimitteln arbeiten, um den Wettbewerb zu fördern.

Leitinitiativen zur Erschwinglichkeit

ØVorschlag einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel im Hinblick auf Aspekte, die das wettbewerbliche Funktionieren der Märkte behindern, und Berücksichtigung der Markteffekte, die sich auf die Erschwinglichkeit auswirken – 2022.

ØAusbau der Zusammenarbeit in einer Gruppe zuständiger Behörden auf der Grundlage des wechselseitigen Lernens und des Austauschs bewährter Verfahren in Bezug auf die Preisfestsetzungs-, Zahlungs- und Beschaffungspolitik, um die Erschwinglichkeit und Kostenwirksamkeit von Arzneimitteln und die Tragfähigkeit der Gesundheitssysteme, auch bei der Behandlung von Krebserkrankungen, zu verbessern – 2021-2024.

Sonstige Maßnahmen

ØZusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung nichtlegislativer Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz, wie Leitlinien zu Grundsätzen und Kostenrechnungsmethoden zur Ermittlung der FuE-Kosten von Arzneimitteln – 2021-2024.

ØFortsetzung der Bewertung von Eignung und Tragfähigkeit der nationalen Gesundheitssysteme im Rahmen des Europäischen Semesters und gegebenenfalls Abgabe länderspezifischer Empfehlungen, um deren Zugänglichkeit und Effizienz sicherzustellen.

3.Unterstützung einer wettbewerbsfähigen und innovativen europäischen Arzneimittelindustrie

3.1.Schaffung eines förderlichen Umfelds für Europas Industrie

Eine wettbewerbsfähige und ressourceneffiziente EU-Arzneimittelindustrie ist für die öffentliche Gesundheit, das Wirtschaftswachstum, Arbeitsplätze, Handel und Wissenschaft von strategischer Bedeutung. Die EU zielt darauf ab, die Industrie mit Blick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz zu unterstützen, damit sie ihrerseits den Bedürfnissen der Patienten besser gerecht werden kann. Der Sektor ist raschen Änderungen unterworfen. Etablierte Unternehmen vergeben Aufgaben zunehmend an externe Dienstleister und konzentrieren ihre Investitionen auf eine begrenzte Zahl an Anwendungsbereichen, während sie Investitionen in anderen Bereichen streichen. Neue Akteure, insbesondere Technologieunternehmen, sind in den Markt eingetreten. Durch das Aufeinandertreffen dieser getrennten Industriesegmente werden die derzeitigen Geschäftsmodelle und Märkte einem Wandel unterworfen.

Die neue Industriestrategie für Europa 26 sieht Schlüsselmaßnahmen vor, mit denen die Industrie in der EU unterstützt werden soll. Gestützt auf diesen Rahmen wird mit der Arzneimittelstrategie ein stabiles und flexibles Regulierungsumfeld geschaffen, das Rechtssicherheit für Investitionen bietet und Technologietrends berücksichtigt. Dieses umfasst ausgewogene und faire Anreize zur Belohnung und zum Schutz von Innovationen und zur Schaffung der Bedingungen, die es EU-Unternehmen jeder Größe ermöglichen, wettbewerbsfähig zu sein.

Rechte des geistigen Eigentums bieten Schutz für innovative Produkte und Prozesse, insbesondere aber für Patente und ergänzende Schutzzertifikate, sie werden in den Mitgliedstaaten jedoch unterschiedlich angewandt.

Die Folge sind Doppelarbeit und Ineffizienz, was die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors beeinträchtigt. Der Aktionsplan für geistiges Eigentum 27 der Kommission enthält Maßnahmen, mit denen das System der EU zum Schutz des geistigen Eigentums im Arzneimittelbereich vereinfacht und gestraft werden soll, insbesondere mit Blick auf die ergänzenden Schutzzertifikate.

Um das riesige Potenzial neuer Technologien und der Digitalisierung voll ausschöpfen zu können, muss ein sicherer und effizienter Zugriff auf Gesundheitsdaten gegeben sein. Im Interesse der Innovationsförderung müssen die Industrie und die Regulierungsbehörden über eine solide EU-weite Dateninfrastruktur auf die Daten zugreifen können. Ein vernetztes System, über das auf vergleichbare und interoperable Gesundheitsdaten aus der gesamten EU zugegriffen werden kann, wäre ein echter Multiplikator mit Blick auf Forschung, Regulierung und Datengenerierung. Die Kommission wird einen Vorschlag für einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten vorlegen und eine interoperable Datenzugangsinfrastruktur errichten, dank der der Austausch, der gemeinsame Zugriff auf und die grenzüberschreitende Auswertung von Gesundheitsdaten in der EU verbessert wird. Damit werden Verbesserungen in den Bereichen Gesundheitsversorgung und Forschung im Gesundheitsbereich, Politikgestaltung und Regulierung gefördert und gleichzeitig die Grundrechte des Einzelnen geschützt, insbesondere das Recht auf Privatsphäre und Datenschutz 28 . 

Es ist von zentraler Bedeutung, entlang der Wertschöpfungskette im Arzneimittelbereich weiterhin hochwertige Beschäftigungsmöglichkeiten in der EU zu schaffen. Zu diesem Zweck muss eine wettbewerbsfähige Arzneimittelindustrie auf qualifizierte und spezialisierte Arbeitskräfte zurückgreifen können. Das Instrument NextGenerationEU bietet beispiellose Finanzierungsmöglichkeiten zur Förderung der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte sowie ihrer Anpassungsfähigkeit, und mit der europäischen Kompetenzagenda 29 wird der Weg dafür bereitet. Insbesondere soll mit ihr sichergestellt werden, dass alle wichtigen Akteure des Arzneimittelsektors ihre Ressourcen bündeln und in die Weiterbildung und Umschulung aller Beschäftigten in der gesamten Wertschöpfungskette investieren, auch durch Zusagen, die im Rahmen des am 10. November 2020 auf den Weg gebrachten Kompetenzpakts 30 gemacht werden müssen. Mit der Kompetenzagenda soll dazu beigetragen werden, dass mehr Spezialisten in den MINT 31 -Fachbereichen zur Verfügung stehen; so sollen diese Fächer und Berufswege attraktiver gestaltet werden, um die Zahl der Absolventinnen und Absolventen der MINT-Fächer sowie der einschlägigen Lehrkräfte zu erhöhen. Forschende stehen in Wissenschaft und Innovation an vorderster Front und benötigen ebenfalls besondere Kompetenzen. Im Einklang mit der Kompetenzagenda werden zusätzliche Maßnahmen zur Weiterbildung von Wissenschaftlern sowie zur Förderung ihrer europaweiten Mobilität ergriffen.

Ein wichtiges Instrument zur Innovationsförderung sind diverse Finanzierungsquellen. Ein wichtiges Element zur Untermauerung der Strategie bildet das neue und ehrgeizige eigenständige Programm EU4Health. Darüber hinaus sind Horizont Europa, die Kohäsionspolitik, der Europäische Verteidigungsfonds, öffentlich-private und öffentlich-öffentliche Investitionspartnerschaften wie die Initiative zu Innovation im Gesundheitsbereich 32 sowie nationale Programme wichtige Voraussetzungen für F&E, auch mit Blick auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU) und die Wissenschaft. Einige dieser Partnerschaften können dazu beitragen, dass Innovationen frühzeitig Eingang in die Gesundheitssysteme finden. Mit Initiativen wie der KMU-Strategie für ein nachhaltiges und digitales Europa 33 , Startup Europe 34 , dem Europäischen Innovationsrat und dem Europäischen Innovations- und Technologieinstitut trägt die Kommission dazu bei, das Umfeld zu schaffen, das im Gesundheitsbereich tätige KMU und Start-up-Unternehmen benötigen, um wachsen zu können und Risikokapital anzulocken. Es gibt auch Möglichkeiten, in internationale Partnerschaften im Gesundheitsbereich zu investieren, und zwar im Rahmen internationalen Kooperationsinstrumente wie der europäischen Investitionsoffensive für Drittländer. Gleichzeitig muss die Transparenz bei den Kosten für Erforschung und Entwicklung von Arzneimitteln erhöht werden.

Leitinitiativen zur Wettbewerbsfähigkeit

ØOptimierung des Systems der ergänzenden Schutzzertifikate mit Blick auf eine höhere Transparenz und Effizienz, wie im Aktionsplan für geistiges Eigentum vorgesehen – 2022.

ØLegislativvorschlag für einen europäischen Raum für Gesundheitsdaten, der eine Verbesserung in den Bereichen Gesundheitsversorgung, Forschung auf dem Gebiet der Gesundheit, Innovation und faktengestützte Entscheidungsfindung ermöglichen soll – 2021.

ØEinrichtung einer interoperablen Datenzugangsinfrastruktur bis 2025 für den europäischen Raum für Gesundheitsdaten mit dem Ziel einer leichteren sicheren grenzübergreifenden Auswertung von Gesundheitsdaten; Test im Jahr 2021 im Rahmen eines Pilotprojekts unter Mitwirkung der EMA und der nationalen Behörden – 2021-2025.

ØUnterstützung von öffentlich-privaten und öffentlich-öffentlichen Partnerschaften im Wege der Initiative zu Innovation im Gesundheitsbereich (beispielsweise finanziell und technisch) unter besonderer Berücksichtigung von KMU, Wissenschaft und nicht gewinnorientierten Organisationen sowie im Wege von Partnerschaften zur Umwandlung der Gesundheitssysteme – 2021.

Sonstige Maßnahmen

ØPriorisierung von Investitionen in Kompetenzen zur Förderung der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte und ihrer Anpassungsfähigkeit im Rahmen des Instruments NextGenerationEU und der neuen Aufbau- und Resilienzfazilität sowie im Wege von Zusagen auf der Grundlage des Kompetenzpakts – 2022.

3.2.Ermöglichung von Innovationen und digitalem Wandel

Die Patientinnen und Patienten in der EU verlassen sich darauf, dass die Gesundheitsversorgung, von der sie profitieren, auf dem neusten Kenntnisstand beruht. Der Fortschritt in Wissenschaft und Technik ist unerlässlich, wenn es darum geht, die Gesundheit der Patienten zu verbessern, und fördert eine effizientere und kostengünstigere Entdeckung und Verwendung von Arzneimitteln. Dank dieser Fortschritte können nicht nur komplett neue Arzneimittel entwickelt werden, sondern auch alternative Verwendungszwecke für bestehende Arzneimittel entdeckt werden.

Arzneimittel für neuartige Therapien und einige Arzneimittel für seltene Leiden stellen hohe Anforderungen an Wissenschaft und Herstellung. Eine wachsende Zahl an Gen- und Zelltherapien, die sich derzeit in der Entwicklung befinden, können kurative Behandlungen ermöglichen und erfordern ein neues Geschäftsmodell, das der Verschiebung der Kosten weg von einer Dauerbehandlung hin zu einer einmaligen Behandlung Rechnung trägt. Ein Trend für die Zukunft könnte die patientennahe Herstellung 35 von stärker auf das Individuum zugeschnittenen Arzneimitteln sein.

Impfstoffe, Früherkennung und eine Verbesserung des Wohlbefindens können den Umgang mit Krankheiten und den Einsatz von Behandlungen beeinflussen. Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass innovative Konzepte für die Entwicklung und Zulassung von Impfstoffen und deren Überwachung nach der Zulassung sowie für die Nutzung von Arzneimitteln für neue Indikationen benötigt werden. Als Ergänzung zur üblichen Pharmakovigilanz werden Plattformen eingerichtet, mit denen Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen nach der Zulassung überwacht werden sollen. Durch COVID-19 ist auch deutlich geworden, wie wichtig es ist, dass die verschiedenen Akteure zusammenarbeiten und – im Wege von Vereinbarungen über den Datenaustausch – ein sicherer, freier Zugang zu verschiedenen Arten von Gesundheitsdaten gegeben ist, wie Moleküldatenbanken von Unternehmen. Hierzu bedarf es offener Plattformen und einer weitergehenden Zusammenarbeit, um die Datensätze ermitteln zu können, die zur Weiterverwendung bereitgestellt werden können. 36

Die Entdeckung, Entwicklung, Herstellung, Bewertung, Bereitstellung und Nutzung von Arzneimitteln sowie die Generierung einer einschlägigen Datengrundlage unterliegen dem digitalen Wandel. Arzneimittel, die Medizintechnik und die digitale Gesundheit werden zunehmend zu einem festen Bestandteil von übergeordnete Behandlungsoptionen. Sie umfassen auf künstlicher Intelligenz basierende Systeme zur Prävention, Diagnose, besseren Behandlung, Überwachung der Behandlung sowie Datengenerierung in Bezug auf personalisierte Arzneimittel und andere Gesundheitsanwendungen.

Bei der personalisierten Medizin handelt es sich um ein Gesamtpaket von Gesundheitslösungen (die Arzneimittel und Medizinprodukte umfassen), das auf die Bedürfnisse des jeweiligen Patienten zugeschnitten ist. Den Patientinnen und Patienten können auch künftig weiterhin Tabletten verschrieben werden, aber diese Tabletten können mit einer neuen Technik kombiniert werden, mit deren Hilfe die ihrer persönlichen Situation entsprechende korrekte Anwendung, Verwendungsdauer und Dosierung festgelegt werden. Damit können auch Behandlungen in multidisziplinären Settings wie der Pflege unterstützt werden. Digitale Therapeutika können mithilfe von App-gestützten Plattformen den Patienten dabei helfen, chronische Krankheiten wie Diabetes, Depressionen und Herzerkrankungen in den Griff zu bekommen und die Einnahme von Medikamenten zu reduzieren.

Initiativen wie „Mindestens 1 Mio. Genome 37 sondieren Möglichkeiten des Zugriffs auf Gendaten, die eine potenzielle Verbesserung der Krankheitsprävention ermöglichen könnten, auch durch ein besseres Verständnis der Auswirkungen von Umwelteinflüssen wie dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung, ermöglichen besser auf das Individuum zugeschnittene Behandlungen und sind von einer Größenordnung, die neue klinisch relevante Forschungsarbeiten möglich macht, unter anderem zu verschiedenen Krebsarten.

Mithilfe von Hochleistungsrechentechnik und künstlicher Intelligenz lassen sich das Auffinden potenzieller Wirkstoffe für neue Verwendungszwecke beschleunigen und die hohen Fehlquoten reduzieren. Hochleistungsrechnen kommt in der COVID-19-Pandemie beispielsweise im Rahmen des Kommissionsprojekts Excalate4COV zum Einsatz. Dabei ist sorgfältig darauf zu achten, dass die mithilfe von künstlicher Intelligenz erzeugten Daten keine Verzerrungen in Bezug auf Geschlecht, Rasse oder sonstiges aufweisen. Durch den technologischen Fortschritt lässt sich auch der Grundsatz „replace, reduce, refine“ (Vermeidung und Verminderung von Tierversuchen bzw. Verbesserung ihrer Bedingungen) zugunsten eines ethisch vertretbaren Einsatzes von Tieren bei der Erprobung von Arzneimitteln untermauern.

Die wichtigste Faktengrundlage für die Zulassung innovativer Arzneimittel sollten weiterhin belastbare klinische Prüfungen mit geeigneten Komparatoren, die den Versorgungsstandard in der EU abbilden, darstellen. Mit der vollständigen Umsetzung der Verordnung über klinische Prüfungen 38 wird ein einheitliches, stark koordiniertes, solides und flexibles System zur Bewertung und Überwachung klinischer Prüfungen in der EU eingerichtet. Unabhängig vom Ergebnis der Prüfungen wird damit die Datentransparenz erhöht, damit eine Überwachung durch die Öffentlichkeit stattfinden kann, und es wird neuen Entwicklungen wie adaptiven und komplexen klinischen Prüfungen sowie der Anwendung von In-silico-Verfahren und virtuellen Konzepten Rechnung getragen. Die Erfahrung mit von der EU geförderten FuI-Projekten zum Thema adaptive klinische Prüfungen hat gezeigt, dass durch die Forschung Änderungen auf den Weg gebracht werden können, die zu Kostensenkungen und einer Verkürzung der Entwicklungszeit führen können.

Die Kommission wird gewährleisten, dass mit dem neuen Rahmen innovative Prüfungsdesigns gefördert werden. Darüber hinaus wird sie in Absprache mit den europäischen Regulierungsbehörden, Patientenverbänden und Akteuren darauf hinwirken, dass Aufbau, Planung und Durchführung klinischer Prüfungen stärker auf den Patienten ausgerichtet werden, und zwar durch einheitliche internationale Leitlinien und unter Berücksichtigung der Erfahrungen mit der klinischen Erprobung von COVID-19-Impfstoffen und -Behandlungsmethoden. Damit Sicherheit und Wirksamkeit hinreichend gewährleistet sind, schließt dies die repräsentative Beteiligung von Bevölkerungsgruppen (wie geschlechts- oder altersspezifischen Gruppen) ein, die das im Rahmen der klinischen Prüfung getestete Arzneimittel voraussichtlich verwenden werden. Im Rahmen einer Prüfung in der Praxis, bei der die Behandlung verschrieben und wie in der normalen täglichen Praxis angewandt wird, können die Patienten-Compliance und die Verträglichkeit der Behandlung verbessert werden, indem die optimale Dosierung ermittelt und die Anwendung zusammen mit anderen Behandlungen erforscht wird. Für diese Prüfungen ist das kommerzielle Interesse oft geringer, sodass sie hauptsächlich von wissenschaftlichen Einrichtungen durchgeführt werden; so können der Preis der für die Prüfung benötigten Medikation und die unzureichende Kenntnis der Regulierungsvorschriften ein Hindernis darstellen.

Die Kommission unterstützt Initiativen, mit denen Forschern und nicht gewinnorientierten Akteuren im Wege einer Beratung in wissenschaftlichen und regulatorischen Fragen bessere Kenntnisse der Rechtsvorschriften vermittelt werden, damit die von ihnen generierten Daten unmittelbar dazu genutzt werden können, patentfreie Arzneimittel für neue therapeutische Anwendungen umzuwidmen. Es werden Maßnahmen zur Förderung einer Beteiligung der Industrie an diesem Prozess und einer entsprechenden Partnerschaft getroffen.

Anhand der neuen Modelle für Produktentwicklung und Versorgung können die Regulierungsbehörden die Grenzen der Rechtsvorschriften erkennen wie auch gegebenenfalls die Notwendigkeit einer Anpassung der Rechtsvorschriften. Die rasche Entwicklung bei den Produkten, die aus einer Kombination von Arzneimitteln und Medizinprodukten bestehen, wird in den neuen Rechtsvorschriften 39 abgebildet, dennoch sind noch einige Probleme zu lösen. Hierzu gehören eine klarere Definition von Aufgaben und Zuständigkeiten, eine Straffung der Anforderungen und Verfahren, der Erwerb des erforderlichen regulatorischen Fachwissens und der Aufbau einer Zusammenarbeit zwischen den Sektoren. Große Bedeutung kommt der Zugänglichkeit von Testanlagen für das Testen von Produkten mithilfe künstlicher Intelligenz zu, wenn es darum geht, die Qualität dieser Produkte zu gewährleisten.

Die Kommission wird einen Vorschlag betreffend die Überprüfung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel mit Blick darauf vorlegen, wie der größte Nutzen aus diesem Wandel gezogen werden kann. Dies umfasst neue Verfahren für Datengenerierung und Bewertung wie die Auswertung von Big Data und Echtdaten zur Untermauerung der Entwicklung, Zulassung und Anwendung von Arzneimitteln. Die Regulierungsbehörden müssen zum Zeitpunkt der Zulassung möglicherweise auf die Rohdaten zugreifen, um diese innovativen Aspekte der Behandlung in vollem Umfang bewerten zu können. Durch die Schaffung von Anreizen für die Entwicklung und Validierung einschlägiger Biomarker wird ferner die Wirksamkeit der Aufnahme einiger neuer und teurer Arzneimittel, aber auch von Generika, verbessert, was die Nachhaltigkeit der Gesundheitssysteme erhöht.

Leitinitiativen zur Innovation

ØVorschlag betreffend die Überprüfung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel dahin gehend, dass Spitzenprodukten, wissenschaftlichen Entwicklungen (z. B. Genomik oder personalisierte Medizin) und dem technologischen Wandel (z. B. Datenauswertung und digitale Tools) Rechnung getragen wird und maßgeschneiderte Anreize für Innovationen geschaffen werden – 2022.

ØStärkung des Dialogs zwischen den Regulierungsbehörden und sonstigen mit Arzneimitteln und Medizinprodukten befassten Behörden mit dem Ziel, die Zusammenarbeit bei der Datengeneration in ihren jeweiligen Fachbereichen auszubauen – 2021.

ØUnterstützung von Gemeinschaftsprojekten, mit denen die Akteure den Einsatz von Hochleistungsrechentechnik und künstlicher Intelligenz im Verbindung mit EU-Gesundheitsdaten mit dem Ziel der Innovation im Arzneimittelbereich vorantreiben – 2021-2022.

ØEinrichtung eines sicheren gemeinsamen Zugangs zu einem grenzübergreifenden Pool von 10 Mio. Genomen für die Zwecke von Forschung, Innovation und klinischer Anwendung, einschließlich der personalisierten Medizin – 2025.

Sonstige Aktionen

ØVollumfängliche Umsetzung des Regulierungsrahmens für klinische Prüfungen, mit dem innovative Prüfungsdesigns und die Entwicklung von stärker auf den Patienten ausgerichteten Arzneimitteln gefördert werden – 2021.

ØAnstoßen eines Pilotprojekts unter Mitwirkung von Industrie und Wissenschaft zum Testen eines Rahmens für die Umwidmung patentfreier Arzneimittel und zur Untermauerung möglicher regulatorischer Maßnahmen – 2021.

ØEinrichtung einer Impfplattform zur Überwachung der Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen, die von einem EU-weiten Netz für klinische Prüfungen unterstützt wird – 2021.

ØStärkung der Unterstützung und Schulungen für Wissenschaftler und nicht gewinnorientierte Organisationen im Bereich der Regulierungswissenschaft, damit sich die Forschungsergebnisse besser in der Produktentwicklung niederschlagen – 2022.

ØInitiative für regelmäßige Pilotprojekte in einer von der EMA und der Kommission bereitgestellten Sandkasten-Umgebung mit dem Ziel, zu testen, wie sich der Rahmen für Arzneimittel auf die Entwicklung neuer Spitzenprodukte ausrichten lässt – 2022.

3.3.Ein solides und flexibles Regulierungssystem

Ein modernes Arzneimittelsystem muss sich auf eine effiziente Regulierung stützen. Die EU hat ihren Rahmen kontinuierlich dahin gehend aktualisiert, dass das System umfassend ist und den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln abdeckt. Er fußt auf einem dualen System, in dem die Kommission – gestützt auf eine befürwortende Stellungnahme der EMA – innovative Arzneimittel für die gesamte EU zulässt und die nationalen Regulierungsbehörden eine Vielzahl generischer und sonstiger wichtiger Arzneimittel zulassen.

Die Kommission wird sondieren, ob die Rolle des Netzes der nationalen Arzneimittelagenturen (Leiter der Arzneimittelagenturen) und seine operationelle Struktur im Regulierungssystem stärker formal anerkannt werden sollte.

Im Rahmen der Überprüfung der Rechtsvorschriften wird die Kommission Verfahren bewerten, mit denen neue Konzepte zur Bewertung wissenschaftlicher Erkenntnisse zur Sicherheit und Wirksamkeit von Arzneimitteln erprobt werden, und danach streben, die in den Rechtsvorschriften geregelte Dauer des Zulassungsverfahrens an diejenige in anderen Teilen der Welt anzugleichen. Sie wird prüfen, wie über die Infrastruktur und adaptierte regulatorische Prozesse die digitale Technik und die künstliche Intelligenz gestärkt werden könnten, um die regulatorische Entscheidungsfindung zu untermauern und die Effizienz zu erhöhen. Die Erfahrungen der EMA während der COVID-19-Pandemie (z. B. mit der fortlaufenden Überprüfung der eingehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Zweck einer zügigeren Bewertung) werden in Entscheidungen über künftige Maßnahmen einfließen. Die Kommission strebt danach, die bestehenden regulatorischen Instrumente wie die Überprüfung der Prioritäten und wissenschaftliche Beratung von Unternehmen, insbesondere von KMU, bei der Entwicklung innovativer Produkte zur Deckung des ungedeckten medizinischen Bedarfs zu überprüfen.

Eine Studie 40 zur Zulassung und Überwachung von Humanarzneimitteln wird als Grundlage für die Evaluierung des Regulierungsrahmens mit dem Ziel der Vereinfachung und Straffung der Verfahren und der Kostensenkung dienen. Zwei Bereiche, in denen eine Vereinfachung erforderlich ist, sind die Handhabung von Änderungen an den Zulassungsbedingungen und die Bewertung von Qualitätsdossiers betreffend Wirkstoffe. Es wird ein Reflexionsprozess betreffend die Arbeitsweise der wissenschaftlichen Ausschüsse und der damit verbundenen Synergien sowie betreffend die Rolle der Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe eingeleitet.

Im Wege einer besseren Handhabung der Produktinformation in elektronischem Format (ePI) könnte es ferner leichter werden, den Angehörigen der Gesundheitsberufe und den Patienten im mehrsprachigen Kontext der EU Informationen auf dem Arzneimittel bereitzustellen und Arzneimittel in den Mitgliedstaaten flächendeckender bereitzustellen. Bei allen Maßnahmen sind die Bedürfnisse aller Patienten und Angehörigen der Gesundheitsberufe zu berücksichtigen. Es sollten auch Maßnahmen erwogen werden, mit denen sichergestellt werden soll, dass Arzneimittel von den Verwendern sicher gehandhabt werden, auch im Rahmen der Verabreichung einer Behandlung.

Die Kommission wird Herausforderungen im Zusammenhang mit der Einstufung und den Wechselwirkungen mit anderen Regulierungsverfahren (wie betreffend Medizinprodukte und Substanzen menschlichen Ursprungs) bewerten und Maßnahmen erwägen, mit denen sich die Zusammenarbeit zwischen den Regulierungsbereichen ausbauen und gegebenenfalls die Klarheit bezüglich innovativer Produkte für die Akteure erhöhen lässt und gleichzeitig die hohen Standards bezüglich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit aufrechterhalten werden.

Die regulatorischen Anforderungen an die Zulassung von Humanarzneimitteln, die genetisch veränderte Organismen (GMO) enthalten oder aus ihnen bestehen, sollten zweckdienlich sein mit Blick auf die Besonderheiten der Arzneimittel und die Durchführung klinischer Prüfungen mit solchen Arzneimitteln in der EU (die derzeit durch die Fragmentierung der nationalen Vorschriften verhindert wird). Entsprechende Lösungen werden im Zuge der Evaluierung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel sondiert. Im Allgemeinen sollten Mechanismen erwogen werden, mit denen deren technische Anforderungen fortlaufend und zügig und auf der Grundlage der sich neu abzeichnenden wissenschaftlichen Erkenntnisse und Technologien angepasst werden können, damit die menschliche Gesundheit wirksamer geschützt wird und gleichzeitig schädliche ökologische Auswirkungen auf ein Minimum beschränkt werden.

Die Regulierungsbehörden müssen auch neuen wissenschaftlichen und technologischen Entwicklungen Rechnung tragen, indem sie das erforderliche Fachwissen ausbauen und im Umgang mit neuen und komplexen Therapieformen eine operative Exzellenz entwickeln. Eine wichtige Voraussetzung hierfür ist, dass auf allen Ebenen genug Finanzmittel bereitstehen. Das Gebührensystem der EMA spielt eine zentrale Rolle bei der Finanzierung der Regulierungsmaßnahmen auf EU-Ebene und der Deckung der einschlägigen Kosten. Bei der anstehenden Überarbeitung der Rechtsvorschriften über die von der EMA erhobenen Gebühren wird die Kommission diesem Aspekt Rechnung tragen.

Leitinitiativen zur regulatorischen Effizienz

ØVorlage eines Vorschlags für die Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel mit Blick auf eine Vereinfachung, die Straffung der Zulassungsverfahren und Flexibilität für die zügige Anpassung der technischen Anforderungen an wissenschaftliche und technologische Entwicklungen, um den Herausforderungen betreffend die Wechselwirkung von Arzneimitteln und Medizinprodukten Rechnung zu tragen, und mit Blick auf die Stärkung wettbewerbsfördernder Elemente – 2022.

ØVorlage eines Vorschlags für die Überarbeitung des Rahmens für Änderungen an den Zulassungsbedingungen von Arzneimitteln durch Änderung der Rechtsvorschriften und Leitlinien mit dem Ziel, das Lifecycle-Management in Bezug auf Arzneimittel effizienter zu gestalten und besser auf die Digitalisierung auszurichten – 2021-2023.

Sonstige Maßnahmen

ØVorschlag für überarbeitete Rechtsvorschriften über die von der EMA erhobenen Gebühren – 2021.

ØVorsehen eines in allen Mitgliedstaaten einheitlichen Bewertungsprozesses für Wirkstoffe, die in unterschiedlichen Generika verwendet werden (Wirkstoff-Stammdokumentation), mit dem Ziel, ihre Zulassung und das Lifecycle-Management zu erleichtern – 2022.

ØPrüfen einer Anpassung der regulatorischen Anforderungen der Rechtsvorschriften über Arzneimittel, die für Humanarzneimittel gelten, die genetisch veränderte Organismen (GMO) enthalten oder aus ihnen bestehen – 2022.

ØAktualisierung des Unionsregisters der zentral zugelassenen Arzneimittel der Kommission durch Ergänzung um eine statistische Übersicht und durch vollumfängliche Bereitstellung der Daten für die Sekundärnutzung im Rahmen der EU-Initiative für offene Daten – 2021.

ØAusarbeitung und Umsetzung einer elektronischen Produktinformation (ePI) für alle EU-Arzneimittel unter Beteiligung der Mitgliedstaaten und der Industrie sowie Evaluierung und Überarbeitung der entsprechenden Rechtsvorschriften – 2022.

ØVorlage eines Vorschlags für eine Überarbeitung der Rechtsvorschriften dahin gehend, die Befugnis der Regulierungsbehörden zu erweitern, Zulassungen auf der Grundlage wissenschaftlicher Erkenntnisse auf eigene Initiative anzupassen – 2022.

ØVereinfachung und Straffung des Sanktionssystems dahin gehend, dass Verstöße auf verhältnismäßige und effiziente Weise geahndet werden – 2024.

4.Stärkung der Resilienz: Diversifizierte und sichere Lieferketten; ökologisch nachhaltige Arzneimittel; Mechanismen der Krisenvorsorge- und -reaktion

4.1.Gewährleistung der Arzneimittelversorgung in der gesamten EU und Vermeidung von Engpässen

Der Europäische Rat 41 hat anerkannt, dass es „ein zentrales Ziel der Union ist, die strategische Autonomie der EU beim gleichzeitigen Erhalt einer offenen Wirtschaft zu erreichen“. Arzneimittelengpässe geben in der EU seit mehreren Jahren Anlass zu ernster Besorgnis und haben während der COVID-19-Pandemie zugenommen. Engpässe gefährden die Gesundheit der Patienten und belasten die Gesundheitssysteme sowie die Angehörigen der Gesundheitsberufe erheblich. Unterversorgung und vermehrte Krankenhausaufenthalte können die Folge sein. Immer häufiger kommt es bei Produkten, die seit vielen Jahren auf dem Markt und weit verbreitet sind, zu Engpässen. 42 Die Gründe dafür sind komplex: sie umfassen Marketingstrategien, Parallelhandel, knappe pharmazeutische Wirkstoffe und Rohstoffe, schwache Gemeinwohlverpflichtungen, Lieferkontingente oder Probleme im Zusammenhang mit der Preisfestsetzung und Kostenerstattung.

Für den Aufbau der offenen strategischen Autonomie der EU im Bereich Arzneimittel ist es erforderlich, Maßnahmen zu setzen, die strategische Abhängigkeiten im Gesundheitsbereich ermitteln, und Vorschläge für deren Verringerung – möglicherweise durch die Diversifizierung der Produktions- und Lieferketten, die Sicherstellung von Vorräten an strategisch wichtigen Gütern und die Förderung der Produktion und Investitionen in Europa – vorzubringen. Um die Auswirkungen von Arzneimittelengpässen auf die Patientenversorgung so gering wie möglich zu halten, sind sowohl Präventiv- als auch Milderungsmaßnahmen erforderlich, um die Verpflichtung zur kontinuierlichen Versorgung deutlich zu stärken. In diesem Jahr hat die Kommission eine Studie in Auftrag gegeben, um die Ursachen von Engpässen zu ermitteln und den Rechtsrahmen zu prüfen. Die Studie wird in die Bewertung und Überarbeitung der geltenden Rechtsvorschriften einfließen. Zu den legislativen Maßnahmen könnten strengere Verpflichtungen der Industrie zur Sicherstellung der Arzneimittelversorgung, eine frühere Meldung von Engpässen und Rücknahmen, eine verbesserte Transparenz über Lagerbestände in der gesamten Lieferkette und eine stärkere Koordinierungsrolle der EMA bei der Überwachung und Bewältigung von Engpässen gehören. Diese Maßnahmen werden durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ergänzt, beispielsweise durch verbesserte Beschaffungskonzepte und -strategien, eine gemeinsame Beschaffung kritischer Arzneimittel und eine Zusammenarbeit auf EU-Ebene bei Instrumenten für die nationale Preis- und Kostenerstattungspolitik. Für Produkte, die nur in geringen Mengen produziert oder selten verwendet werden, werden neue Vergabe- und/oder Zahlungsmodelle von entscheidender Bedeutung sein.

Die Arzneimittelerzeugung und die Lieferketten sind komplex, zunehmend globalisiert und bisweilen nicht ausreichend diversifiziert. An den verschiedenen Produktionsschritten für einzelne Wirkstoffe können mehrere Akteure in verschiedenen Teilen der Welt mit unterschiedlicher Umweltbilanz der Produktionsverfahren beteiligt sein. Bestimmte für die Herstellung von Rohstoffen erforderliche Technologien sind in der EU nicht mehr verfügbar. Schon vor der COVID-19-Pandemie bestanden Bedenken hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit der Arzneimittelherstellungsketten, und sowohl das Europäische Parlament als auch die Mitgliedstaaten haben die Kommission aufgefordert, sich mit diesem Problem zu befassen 43 – insbesondere im Hinblick auf den Nachschub an pharmazeutischen Rohstoffen, Zwischenprodukten und pharmazeutischen Wirkstoffen, der zur Gefahr von Engpässen bei kritischen Arzneimitteln beitragen kann. Die Pandemie hat gezeigt, dass Behörden häufig keinen Zugang zu vollständigen Informationen über den Aufbau der Herstellungs- und Lieferketten haben. Eine angemessene Krisenreaktion erfordert resiliente und ausreichend diversifizierte Lieferketten, die in einem verlässlichen und ressourcenschonenden Handelsumfeld tätig sind.

Die Kommission wird daher einen strukturierten Dialog mit den Akteuren der Wertschöpfungskette für die Arzneimittelherstellung, Behörden, nichtstaatlichen Patienten- und Gesundheitsorganisationen sowie mit der Forschungsgemeinschaft einleiten und führen. In der ersten Phase des strukturierten Dialogs soll ein besseres Verständnis der Funktionsweise globaler Lieferketten erlangt werden und mithilfe von Datensammlung und -analyse sollen die genauen Ursachen und treibenden Kräfte der verschiedenen potenziellen Schwachstellen ermitteln werden, einschließlich potenzieller Abhängigkeiten, die die Versorgung mit kritischen Arzneimitteln, pharmazeutischen Wirkstoffen und Rohstoffen bedrohen.

In einer zweiten Phase wird der strukturierte Dialog dazu dienen, eine Reihe möglicher Maßnahmen zur Beseitigung der ermittelten Schwachstellen vorzuschlagen und politische Optionen zu formulieren, die von der Kommission und anderen Behörden in der EU zu prüfen sind, um die Versorgungssicherheit und die Verfügbarkeit kritischer Arzneimittel, pharmazeutischer Wirkstoffe und Rohstoffe zu gewährleisten. Zwar ist es wichtig, zu bewerten, ob in der EU Produktionskapazitäten für bestimmte kritische Arzneimittel unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Gesundheit und der Krisenvorsorge erforderlich sein könnten, jedoch müssten etwaige Maßnahmen mit den Wettbewerbsvorschriften der EU und den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) im Einklang stehen.

Zur Verbesserung der Verlässlichkeit des Handelsumfelds für Gesundheitsprodukte, einschließlich Arzneimittel, wird die EU mit den WTO-Mitgliedern an einer Initiative arbeiten, die den Handel mit Gesundheitsprodukten erleichtern und zu einer wirksamen Reaktion im Falle einer gesundheitlichen Notlage beitragen soll. Eine solche Initiative würde dazu beitragen, die Resilienz und Robustheit der Lieferketten in der EU und allen anderen WTO-Partnern zu stärken. Dafür wäre eine verstärkte Zusammenarbeit der Handelspartner erforderlich, um unnötige Störungen der Produktion und der Verteilung wesentlicher Güter zu vermeiden, was in Notsituationen von entscheidender Bedeutung ist.

Leitinitiativen zur offenen strategischen Autonomie

ØVorschlag einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel, um die Versorgungssicherheit zu verbessern und Engpässe durch spezifische Maßnahmen zu beseitigen – unter anderem stärkere Versorgungs- und Transparenzverpflichtungen, die frühzeitigere Meldung von Engpässen und Rücknahmen, größere Transparenz über Lagerbestände und eine stärkere Koordinierung durch die EU sowie Mechanismen zur Überwachung, Bewältigung und Vermeidung von Engpässen – 2022.

ØErgreifen von Folgemaßnahmen zu der Forderung des Europäischen Rates nach offener strategischer Autonomie und Einleitung eines strukturierten Dialogs mit und zwischen den Akteuren der Wertschöpfungskette für die Arzneimittelherstellung und den Behörden zur Ermittlung von Schwachstellen in der globalen Lieferkette für kritische Arzneimittel, Rohstoffe, Zwischenprodukte und pharmazeutische Wirkstoffe, um politische Optionen zu formulieren und Maßnahmen zur Stärkung der Kontinuität und Sicherheit der Versorgung in der EU vorzuschlagen – 2021.

ØPrüfung von Maßnahmen zur Sicherstellung, dass die Industrie die Transparenz der Lieferketten durch freiwillige Verfahren erhöht – 2021.

Sonstige Maßnahmen

ØErmutigung und Unterstützung der engen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten durch die von EU4Health bereitgestellten Mittel, um Leitlinien, Maßnahmen und Instrumente zu entwickeln, die sowohl auf EU-Ebene als auch in der nationalen Politikgestaltung zur Behebung struktureller Engpässe eingesetzt werden könnten – 2021-2022.

ØFörderung von WTO-basierten Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz globaler Lieferketten für wesentliche Güter – 2021.

4.2.Hochwertige, sichere und ökologisch nachhaltige Arzneimittel

Die jüngsten Erfahrungen mit unerwarteten Verunreinigungen von Nitrosaminen in einigen Arzneimitteln 44 haben gezeigt, wie wichtig ein solides System zur Erkennung von Qualitätsmängeln und das Compliance-Management sind. Die Aufsicht über die weltweite Herstellungskette und die Gewährleistung von mehr Transparenz in der gesamten Lieferkette sind von entscheidender Bedeutung. Die Rechenschaftspflicht aller Akteure in Bezug auf die Arzneimittelqualität ist unerlässlich, insbesondere aber jene der Zulassungsinhaber. Die Einhaltung der guten Herstellungs- und Vertriebspraxis sollte verbessert werden.

Die EU spielt auf internationaler Ebene eine aktive Rolle bei der Förderung guter Herstellungspraxis, die die höchste Qualität der Arzneimittel gewährleistet. Dies kann durch Foren wie den Internationalen Rat für die Harmonisierung der technischen Anforderungen an Humanarzneimittel (ICH) und die bilaterale und multilaterale Zusammenarbeit im Bereich der Inspektionen erreicht werden. Bilaterale Kooperationsmechanismen – insbesondere das gegenseitige Vertrauen in die Inspektionen, um Doppelarbeit zu vermeiden und einen effizienteren Einsatz der Inspektoren zu ermöglichen – sind von Vorteil. Innerhalb der EU wird die Kommission die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten bei Inspektionen unterstützen und dazu beitragen, die Kapazitäten zu verbessern.

Die Kommission wird auch die Auswirkungen von aufkommenden neuen Herstellungsmethoden, wie der dezentralen oder der kontinuierlichen Herstellung, auf die Rechtsvorschriften analysieren. Mit diesen Methoden entstehen neue Herstellungsmethoden – mit einer Verlagerung von der industriellen auf die patientennahe Herstellung. Obgleich die Produktionszeiten dadurch beschleunigt wird, bringen diese Methoden neue Herausforderungen in Bezug auf angemessene Qualität, Inspektion und Aufsicht mit sich.

Die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Arzneimitteln haben Auswirkungen auf die Umwelt, da Rückstände und Abfallprodukte in die Umwelt gelangen können. Die negativen Auswirkungen sind dabei nicht auf die Umwelt beschränkt: einige Abfälle und Rückstände können endokrinschädigend wirken und andere können das Risiko einer antimikrobiellen Resistenz erhöhen. Das Vorhandensein von antimikrobiellen Arzneimitteln in Wasser und Boden kann dazu beitragen, die Entwicklung resistenter Keime zu beschleunigen. Das Null-Schadstoff-Ziel aus dem europäischen Grünen Deal soll sowohl die öffentliche Gesundheit als auch die Ökosysteme schützen. Während des gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln sind Maßnahmen zur Verringerung der Ressourcennutzung, der Emissionen und der Mengen von Arzneimittelrückständen in der Umwelt erforderlich. Die Gesamtexposition gegenüber solchen Rückständen sollte minimiert und so weit wie möglich reduziert werden. Immer noch gibt es viele Abfälle nicht verwendeter Arzneimittel. Die Kommission hat kürzlich Leitlinien für die getrennte Sammlung von gefährlichen Haushaltsabfällen, zu denen auch Arzneimittel gehören, angenommen 45 . Zur Begrenzung solcher Abfälle sollten weitere Maßnahmen in Betracht gezogen werden, einschließlich der Verringerung der Packungsgrößen und ihrer Anpassung an die tatsächliche Verwendung. Der Aktionsplan der EU für die Kreislaufwirtschaft 46 und die Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien 47 bilden einen Rahmen für einen allgemeinen Wandel hin zur Herstellung und Nutzung von Ressourcen und pharmazeutischen Ausgangsstoffen, die sicher sind und möglichst geringe Auswirkungen auf die Umwelt und das Klima haben. Darüber hinaus sind im strategischen Ansatz der EU für Arzneimittel in der Umwelt 48 und im EU-Aktionsplan für Gesundheit zur Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen 49 gezielte Maßnahmen aufgeführt, die derzeit umgesetzt werden (unter anderem Maßnahmen zur Verbesserung der Umweltverträglichkeitsprüfung und der Abfallbewirtschaftung).

Die Arzneimittelstrategie für Europa baut auf diesen Maßnahmen auf und ergänzt sie, insbesondere durch die Überprüfung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel, einschließlich der Bestimmungen über die Umweltverträglichkeitsprüfung. Innovationen für ökologisch nachhaltige und klimaneutrale Arzneimittel und Herstellung sollten eine treibende Kraft für die Arzneimittelindustrie in der EU werden, die bei der Herstellung die besten verfügbaren Techniken anwenden sollte, um Emissionen zu verringern und entlang ihrer Lieferketten zu den Klimaschutzzielen der EU beizutragen.

Durch internationale Zusammenarbeit wird die Kommission weitere Maßnahmen fördern, die Umweltrisiken in anderen Ländern angehen, in denen bei der Herstellung und auf anderem Wege Arzneimittelemissionen entstehen, die zur Verbreitung antimikrobieller Resistenzen beitragen können. Es sollte untersucht werden, inwieweit die gute Herstellungspraxis zur Bewältigung antimikrobielle Resistenzen beitragen können. Die Kommission wird mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO), anderen wichtigen internationalen Organisationen und bilateral zusammenarbeiten, um das Bewusstsein für Umweltrisiken zu schärfen – unter anderem durch den Austausch bewährter Verfahren und die Entwicklung internationaler Leitlinien. Die Kommission wird die ökologisch nachhaltige Herstellung und Entsorgung von Arzneimitteln weltweit – unter anderem durch politischen Dialog und freiwillige Verpflichtungen des Sektors – fördern.

Leitinitiativen zur Qualität und ökologischer Nachhaltigkeit

ØVorschlag einer Überarbeitung der Herstellungs- und Lieferbestimmungen in den Rechtsvorschriften über Arzneimittel zur Verbesserung der Transparenz der Lieferkette und zur Stärkung der Aufsicht über die Lieferkette sowie zur Klärung der Zuständigkeiten, um die ökologische Nachhaltigkeit insgesamt, die Qualität von Arzneimitteln und die Vorbereitung auf neue Fertigungstechnologien zu gewährleisten – 2022.

ØVorschlag einer Überarbeitung der Rechtsvorschriften über Arzneimittel, um die Anforderungen an die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Verwendungsbedingungen für Arzneimittel zu stärken sowie eine Bestandsaufnahme der Forschungsergebnisse im Rahmen der Initiative für innovative Arzneimittel vorzunehmen – 2022.

Sonstige Maßnahmen

ØÜberprüfung des Rahmens für die gute Herstellungspraxis und Förderung von Kontrollen der guten Herstellungs- und Vertriebspraxis, um die Einhaltung der Vorschriften zu verbessern – 2022.

ØZusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, um ihre Fähigkeit zur Teilnahme an internationalen Kontroll- und Auditprogramms zu verbessern – im Gange.

ØZusammenarbeit mit internationalen Partnern, um die Qualität und ökologische Nachhaltigkeit der aus Drittländern eingeführten pharmazeutischen Wirkstoffe zu gewährleisten – im Gange.

ØPrüfung – mit den Mitgliedstaaten und der EMA –, ob die Informationen in bestehenden Datenbanken oder verbundenen Repositories in Bezug auf Produktionsstätten, deren Verwendung für in der EU zugelassene Produkte und Inspektionsstatus verbessert werden können – 2022.

ØWeitere Umsetzung der Maßnahmen im Rahmen des strategischen Ansatzes für Arzneimittel in der Umwelt, einschließlich der umweltverträglichen Entsorgung von Arzneimitteln und der Verringerung der Packungsgrößen und Verpackung – im Gange.

ØZusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern bei der Entwicklung bewährter Verfahren für die Dekarbonisierung von Wertschöpfungsketten – 2021.

4.3.Stärkung von Europas Gesundheitskrisenreaktionsmechanismen

Eine wirksame Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor war von zentraler Bedeutung für die Reaktion der Union auf die COVID-19-Pandemie. Die Fähigkeit, mehrere Abnahmegarantien für einen Impfstoff abzuschließen, ist ein Beweis für ein vielfältiges Ökosystem kleiner und mittlerer pharmazeutischer Unternehmen und etablierter multinationaler Unternehmen des Sektors, das durch ein solides Regulierungs- und Finanzumfeld ermöglicht wird. Wie und wie schnell auf COVID-19 reagiert wurde zeigt jedoch, dass es eines strukturierteren Vorsorgeansatzes bedarf und der Sektor Schwächen bei der raschen Reaktion und Vorbereitung auf gesundheitliche Notlagen aufweist, was sich auf die strategische Autonomie Europas auswirken könnte.

Das Paket zur Europäischen Gesundheitsunion ist ein erster Schritt zur Entwicklung struktureller und zukunftssicherer Lösungen zur Verbesserung der Vorsorge und Krisenfestigkeit der EU gegenüber grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren. Es erweitert die Rolle der EMA als zentrale Plattform für wissenschaftliche Exzellenz. Die EMA wird durch das Paket in die Lage versetzt, wissenschaftliche Beratung und Bewertungsverfahren rasch weiterzugeben, die Lieferkapazitäten zu bewerten und Engpässe bei wichtigen Arzneimitteln während einer Krise zu überwachen, zu quantifizieren und zu mindern. Das Paket stärkt das Mandat des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten, die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission durch epidemiologische Überwachung und wissenschaftliche Empfehlungen für geeignete Gesundheitsmaßnahmen zur Bewältigung von Gesundheitskrisen in der Praxis zu unterstützen. Schließlich enthält das Paket eine Verordnung über schwerwiegende grenzüberschreitende Gefahren zur Verbesserung der Krisenvorsorge und -reaktion, sowie die Ankündigung einer EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA).

Die HERA schließt eine große Lücke in der EU-Infrastruktur für Krisenvorsorge und -reaktion und wird die Koordinierung der Tätigkeiten entlang der gesamten Wertschöpfungskette stärken sowie strategische Investitionen in Forschung, Entwicklung, Einführung, Einsatz, Vertrieb und Nutzung medizinischer Gegenmaßnahmen entwickelt. Dies erfordert das Zusammenstellen von Infrastrukturen mit öffentlichen und privaten Kapazitäten, die zusammen im Bedarfsfall eine rasche Reaktion ermöglichen.

Die HERA wird spezifische Gefahren antizipieren und einschlägige Technologien durch strategische Früherkennung und Vorausschau ermöglichen. Sie wird Investitionslücken bei wichtigen Gegenmaßnahmen, darunter die Entwicklung innovativer antimikrobieller Mittel, ermitteln und schließen. Sie wird die Produktionskapazität, den Rohstoffbedarf und die -verfügbarkeit überwachen und bündeln und so Schwachstellen in der Lieferkette beheben. Sie wird die Entwicklung bereichsübergreifender technologischer Lösungen (z. B. Plattformtechnologien für Impfstoffe) unterstützen, die die Vorsorge- und Reaktionsplanung für künftige Gefahren für die öffentliche Gesundheit und die Entwicklung spezifischer Gegenmaßnahmen – unter anderem durch Forschung, klinische Studien und Dateninfrastruktur – stützen.

Zusätzliche Ressourcen, wie groß angelegte und rechtzeitige Beschaffungsmechanismen oder Vorräte, werden im Fall einer gesundheitlichen Notlage in der EU erforderlich sein, um im Interesse aller Mitgliedstaaten angemessen reagieren zu können. Aufbauend auf den Erfahrungen mit der Entwicklung von COVID-19-Impfstoffen und ihrer gemeinsamen Beschaffung wird die Kommission eine vorbereitende Maßnahme bewerten und einleiten, deren Schwerpunkt auf neu auftretende Gefahren für die menschliche Gesundheit liegt, zum Beispiel Infektionskrankheiten und antimikrobielle Resistenzen. Parallel dazu wird sie eine Folgenabschätzung und eine Konsultation zur Errichtung einer EU-Behörde einleiten, um 2021 eine ordnungsgemäß beauftragte und mit Ressourcen ausgestattete spezielle Struktur vorzuschlagen, die ihre Tätigkeit rasch aufnehmen soll. Synergien und Komplementarität mit bestehenden EU-Einrichtungen und einschlägigen Ausgabenprogrammen werden gewährleistet.

Verschiedene zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz sind geplant. Das Programm EU4Health und öffentlich-private Partnerschaften werden die nationalen Maßnahmen zum Schutz der Menschen vor schwerwiegenden grenzüberschreitenden Gesundheitsgefahren ergänzen und zur Krisenvorsorge und -reaktion beitragen. Im Rahmen der Überprüfung der Rechtsvorschriften wird auch untersucht, wie ein krisenfesteres System geschaffen werden kann. Parallel dazu werden Forschung und Innovation, globale Wertschöpfungs- und Lieferketten, internationale Zusammenarbeit und Konvergenz sowie verbesserte und diversifizierte Produktionsstätten das Bild vervollständigen. Im Rahmen ihres Aktionsplans für geistiges Eigentum wird die Kommission Instrumente analysieren, um einen besseren Zugang zu geistigem Eigentum im Zusammenhang mit kritischen Technologien in Krisenzeiten zu gewährleisten.

Leitinitiative zu Europas Gesundheitskrisenreaktionsmechanismen

ØVorschlag für eine EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen – 2021.

5.Gewährleistung einer starken Stimme der EU auf der Weltbühne

Das Regulierungssystem für Arzneimittel der EU gilt als gut entwickelt, zuverlässig und ausgereift. Darüber hinaus ist der Arzneimittelsektor für die EU im Hinblick auf den Welthandel von wirtschaftlicher Bedeutung.

Bei ihrer Arbeit auf globaler Ebene wird die Kommission eng mit der EMA und den zuständigen nationalen Behörden im Regulierungsnetzwerk zusammenarbeiten.

Die Kommission wird ihren offenen Dialog mit anderen Regionen und Ländern – auch mit Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen – fortsetzen. Sie wird untersuchen, wie das Verfahren zur Abgabe von Stellungnahmen zu Arzneimitteln, die ausschließlich für Märkte außerhalb der EU bestimmt sind, attraktiver gestaltet werden kann, um mit anderen Ländern zusammenzuarbeiten und den Zugang zu Arzneimitteln außerhalb der EU zu erleichtern. Darüber hinaus wird die EU ihre Arbeit in multilateralen Foren hin zu einer intensiveren Zusammenarbeit in Regulierungsfragen und, falls möglich, Konvergenz fortsetzen, insbesondere im Rahmen des Internationalen Programms für Arzneimittelregulierungsbehörden 50 und der International Coalition of Medicines Regulatory Authorities 51 .

Die EU hat ein Interesse daran, mit ihren internationalen Partnern in Foren und Organisationen für internationale Zusammenarbeit auf ein ambitionierteres Niveau an Qualitäts-, Wirksamkeits- und Sicherheitsnormen hinzuarbeiten. Gemeinsame internationale Normen sind ein wichtiges Instrument. Sie erleichtern die weltweite Entwicklung von Arzneimitteln. Die EU wird weiterhin eine führende Rolle in internationalen Organisationen spielen, die eine solche Normung fördern, wie etwa dem ICH, dessen Leitlinien zunehmend als globale Normen bezeichnet werden. Die Kommission wird aktiv mit anderen ICH-Partnern zusammenarbeiten, um die Agenda für die Ausarbeitung und Aktualisierung der Leitlinien für eine weitere Harmonisierung festzulegen.

Globale Märkte sind eine wichtige Quelle für Wachstum – auch für KMU. Dazu gehört die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen und eines Regulierungsumfelds, das Innovation und Wettbewerbsfähigkeit förderlich ist. In den bilateralen Beziehungen zu anderen Ländern wird die Kommission die Interessen der EU verteidigen – einschließlich des gegenseitigen Zugangs zu Beschaffungsmärkten in Drittländern –, aber auch gemeinsame Bereiche von strategischem Interesse ermitteln. Insbesondere Afrika ist ein wichtiger Partner, mit dem eine Zusammenarbeit in den Bereichen Innovation, Produktion und Technologietransfer ausgelotet werden sollte. Der Schwerpunkt wird auf der internationalen Zusammenarbeit, der Stärkung der Weltordnungspolitik und der Allianzen mit Partnerländern liegen, unter anderem durch eine WTO-basierte Initiative oder Maßnahme zur Erleichterung des Handels mit Gesundheitsprodukten.

Die EU wird die Arbeit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Stärkung der Regulierungskapazität unterstützen, indem sie die regulatorischen Anerkennungsmechanismen („reliance“) fördert und einen Rahmen für die Benennung von Regulierungsbehörden als von der WHO benannte Behörden schafft.

Leitinitiative zur internationalen Zusammenarbeit

ØZusammenarbeit auf globaler Ebene mit der EMA und dem Netzwerk der nationalen Regulierungsbehörden in internationalen Foren und durch bilaterale Zusammenarbeit zur Förderung der regulatorischen Konvergenz, um weltweit den Zugang zu sicheren, wirksamen, hochwertigen und erschwinglichen Arzneimitteln zu gewährleisten – im Gange.

Sonstige Maßnahmen

ØVoranbringen der internationalen Harmonisierung, indem proaktiv Themen im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen vorgeschlagen werden; Förderung der Einführung und Umsetzung internationaler Normen und Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen für Akteure auf dem internationalen Markt durch Verbesserung der bilateralen und multilateralen Beziehungen der EU – im Gange.

6.Gemeinsam zum Erfolg: kooperativer und mehrschichtiger Ansatz für die Umsetzung der Strategie

Die Arzneimittelstrategie wird sicherstellen, dass wir weiterhin hochwertige und sichere Arzneimittel bereitstellen und dass die Früchte der Innovation den Patienten in der EU zugutekommen. Sie wird gewährleisten, dass die EU auch in Zukunft ein attraktiver Standort für Investitionen, Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln bleibt. Sie wird die Widerstandsfähigkeit und Krisenvorsorge des EU-Systems verbessern. Und schließlich wird sie der Stimme der EU auf der Weltbühne mehr Gehör verschaffen.

Um sicherzustellen, dass diese Strategie erfolgreich ist, brauchen wir einen umfassenden, integrierten Ansatz, bei dem die Herausforderungen angegangen werden und die Perspektive erweitert wird, wobei über den gesamten Lebenszyklus von Arzneimitteln und Medizintechnik über Fachbereiche und Regulierungskompetenzen hinweg zusammengearbeitet werden muss, um die richtigen politischen Ansätze zu finden.

Ein erfolgreicher Übergang wird vom auf Zusammenarbeit beruhenden Dialog abhängen, wie die verschiedenen Konsultationstätigkeiten bei der Ausarbeitung dieser Strategie zeigen. Die Kommission ist bereit, diesen Dialog fortzusetzen. Dementsprechend beabsichtigt sie, sich an alle einschlägigen nationalen Behörden und Interessenträger zu wenden, damit sie sich nicht nur äußern, sondern auch Partner in diesem Prozess werden können. Ein inklusiver zivilgesellschaftlicher Dialog, der auf bestehenden Strukturen aufbaut, soll die Interaktion mit den Interessenträgern erleichtern. Die Interessenträger sind: Behörden, Industrie, Angehörige der Gesundheitsberufe, Patienten-, Verbraucher- und zivilgesellschaftliche Organisationen sowie die Forschungsgemeinschaft.

Die Kommission wird regelmäßig über die erzielten Fortschritte berichten und das Europäische Parlament und den Rat – entsprechend ihrer Rolle bei der Politikgestaltung und der Rechtsetzung – umfassend unterrichten und sie an allen einschlägigen Maßnahmen beteiligen.

Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten die Ziele der Strategie verfolgen und spezifische Maßnahmen umsetzen, und zwar durch einen verstärkten Dialog, eine enge Interaktion und einen proaktiven Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission. Das wichtigste Diskussionsforum mit den Mitgliedstaaten wird der Pharmazeutische Ausschuss 52 sein, während andere bestehende Kooperationsmechanismen in der EU zu diesem Zweck gestärkt und optimiert werden.

Diese Strategie entwirft eine mehrjährige Vision. Sie setzt einen Prozess in Gang, der sicherstellen wird, dass die Arzneimittelpolitik der EU funktioniert und der öffentlichen Gesundheit dient – und dies auf eine wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltige Weise in einem sich permanent wandelnden Umfeld, das sowohl die Wissenschaft als auch die Märkte neu prägt. Ihre Umsetzung erfordert langfristiges Engagement und die Mobilisierung von Ressourcen. Ihr Erfolg hängt davon ab, dass alle Akteure in der pharmazeutischen Wertschöpfungskette ihren engagierten Beitrag zum Aufbau gemeinsamer Eigenverantwortung leisten.

(1)

     Eurostat: Statistiken zu Sterblichkeit und Lebenserwartung.

(2)

     Human epidermal growth factor receptor 2.

(3)

     Chimeric antigen receptor T cells.

(4)

     Paket zur europäischen Gesundheitsunion: COM(2020) 724, COM(2020) 725, COM(2020) 726, COM(2020) 727. 

(5)

     Eurostat, internationaler Warenverkehr nach Art der Waren.

(6)

     IQVIA Institute for Human Data Science (2019), „The global use of medicine in 2019 and outlook to 2023“.

(7)

     Die Umsetzung der Strategie wird mit den im mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 verfügbaren Mitteln vereinbar und auf die einschlägigen Programme und Strategien abgestimmt sein.

(8)

     COM(2019) 640.

(9)

      https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1226&langId=de  

(10)

     Siehe die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter (COM(2020) 152), den Aktionsplan gegen Rassismus (COM(2020) 565), den Strategischen Rahmen der EU zur Gleichstellung, Inklusion und Teilhabe der Roma (COM(2020) 620) und die Strategie zur Gleichstellung von LGBTIQ+ sowie die geplante Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und den Aktionsplan für Integration und Inklusion 2020-2027.

(11)

     Europäische Kommission (2020), Shaping Europe’s digital future (ISBN 978-92-76-16363-3).

(12)

     COM(2020) 66. 

(13)

      https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/antimicrobial_resistance/docs/amr_2017_action-plan.pdf  

(14)

     COM(2020) 102.

(15)

     Zwischen der Europäischen Union und Georgien, Moldau und der Ukraine wurden jeweils vertiefte und umfassende Freihandelsabkommen (Deep and Comprehensive Free Trade Areas, DCFTA) geschlossen.

(16)

     Gemeinsame Bewertung der Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (SWD(2020) 163).

(17)

      https://ec.europa.eu/health/sites/health/files/antimicrobial_resistance/docs/amr_2017_action-plan.pdf

(18)

     Cassini et al., (2019) „Attributable deaths and disability-adjusted life-years caused by infections with antibiotic-resistant bacteria in the EU and the European Economic Area in 2015: a population-level modelling analysis“, in Lancet Infect Dis. Band 19, Ausgabe 1, S. 55.

(19)

     Der Begriff „Rechtsvorschriften über Arzneimittel“ bezieht sich auf die Richtlinie 2001/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. November 2001 zur Schaffung eines Gemeinschaftskodexes für Humanarzneimittel (ABl. L 311 vom 28.11.2001, S. 67) und die Verordnung (EG) Nr. 726/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Festlegung von Unionsverfahren für die Genehmigung und Überwachung von Humanarzneimitteln und zur Errichtung einer Europäischen Arzneimittel-Agentur (ABl. L 136 vom 30.4.2004, S. 1).

(20)

     Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (COM(2018) 51).

(21)

     Study on the economic impact of supplementary protection certificates, pharmaceutical incentives and rewards in Europe: final report (2018).

(22)

     (SWD(2020) 163.

(23)

     COM(2019) 17.

(24)

     Ein Beispiel für eine solche Initiative ist die Beneluxa-Initiative, siehe https://beneluxa.org/collaboration

(25)

     Europäische Kommission, Gesundheitszustand in der EU – Begleitbericht 2019 (ISBN 978-92-76-10194-9).

(26)

     Siehe Fn. 10.

(27)

      COM(2020) 760.

(28)

     Unter vollumfänglicher Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung – Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1).

(29)

     COM(2020) 274 final.

(30)

     Kompetenzpakt: alle Partner zur Investition in Kompetenzen mobilisieren.

(31)

     Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik.

(32)

     (die Initiative) Europäische Partnerschaft im Bereich der innovativen Gesundheit.

(33)

     COM(2020) 103.

(34)

      https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/startup-europe .

(35)

     Dies bezieht sich auf die Umstellung von der ausschließlich in der Fabrik erfolgenden Produktion personalisierter Arzneimittel hin zu einer Feinabstimmung am Patientenbett.

(36)

     Im Einklang mit der Datenstrategie der EU, insbesondere mit Bezug auf die Weiterverwendung von Daten und die Nutzung von Unternehmensdaten durch die Behörden.

(37)

     Towards access to at least 1 million sequenced genomes in the EU by 2022 (Zugänglichmachung von mindestens 1 Mio. Genomsequenzen in der EU bis 2022);

https://ec.europa.eu/digital-single-market/en/european-1-million-genomes-initiative .

(38)

     Verordnung (EU) Nr. 536/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über klinische Prüfungen mit Humanarzneimitteln (ABl. L 158 vom 27.5.2014, S. 1).

(39)

     Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 1) und Verordnung (EU) 2017/746 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2017 über In-vitro-Diagnostika und zur Aufhebung der Richtlinie 98/79/EG und des Beschlusses 2010/227/EU der Kommission (ABl. L 117 vom 5.5.2017, S. 176).

(40)

     Studie betreffend die aus dem Verfahren für die Zulassung und die Überwachung von Humanarzneimitteln gewonnenen Erfahrungen – Veröffentlichung im Jahr 2021 geplant.

(41)

     Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 2. Oktober 2020 (EUCO 13/20)

(42)

     Pharmazeutische Gruppe der Europäischen Union (PGEU), Medicine shortages survey: 2019 results. 

(43)

     Entschließung des Europäischen Parlaments vom 17. September 2020 zu Engpässen bei Arzneimitteln und dem Umgang mit einem sich abzeichnenden Problem (2020/2071 (INI)) und Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 2. Oktober 2020 (EUCO 13/20).

(44)

      https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/post-authorisation/referral-procedures/nitrosamine-impurities  

(45)

      Mitteilung der Kommission – Getrennte Sammlung von gefährlichen Haushaltsabfällen (2020/C 375/01) vom 6.11.2020.

(46)

     COM(2020) 98.

(47)

     COM(2020) 667.

(48)

     COM(2019) 128. Weitere Informationen über die Fortschritte bei der Umsetzung des strategischen Ansatzes für Arzneimittel in der Umwelt finden Sie unter https://ec.europa.eu/environment/water/water-dangersub/pharmaceuticals.htm .

(49)

     COM(2017) 339.

(50)

     http://www.iprp.global/home 

(51)

     http://www.icmra.info/drupal/en/home 

(52)

     Beschluss 75/320/EWG des Rates vom 20. Mai 1975 betreffend die Einsetzung eines Pharmazeutischen Ausschusses (ABl. L 147 vom 9.6.1975, S. 23).