EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 13.11.2020
COM(2020) 696 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
Neue Verbraucheragenda
Stärkung der Resilienz der Verbraucher/innen für eine nachhaltige Erholung
Neue Verbraucheragenda
Stärkung der Resilienz der Verbraucher/innen für eine nachhaltige Erholung
1.Einführung
Die europäischen Verbraucher/innen erwarten zu Recht, dass sie uneingeschränkt vom Binnenmarkt profitieren und in die Lage versetzt werden, sachkundige Entscheidungen zu treffen und jederzeit eine aktive Rolle beim Übergang zu einer grünen und digitalen Wirtschaft zu spielen, und zwar unabhängig davon, wo sie sich in der EU aufhalten. Sie erwarten freien Zugang zu Waren und Dienstleistungen in der gesamten EU und wollen die Gewähr haben, dass ihre Rechte als Verbraucher/innen ungeachtet traditioneller und neuer Herausforderungen geschützt werden.
Die neue Verbraucheragenda (im Folgenden die „Agenda“) entfaltet eine Vision für die EU-Verbraucherpolitik im Zeitraum 2020-2025, die auf der (im Jahr 2020 auslaufenden) Verbraucheragenda 2012 und der Neugestaltung der Rahmenbedingungen für die Verbraucher („New Deal“) von 2018
aufbaut. Zudem zielt sie darauf ab, den unmittelbaren Bedürfnissen der Verbraucher/innen angesichts der anhaltenden COVID-19-Pandemie Rechnung zu tragen und ihre Resilienz zu steigern. Die Pandemie hat erhebliche Herausforderungen mit sich gebracht, die sich auf den Alltag der Verbraucher/innen auswirken, insbesondere in Bezug auf die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit von Produkten und Dienstleistungen sowie auf Reisen innerhalb der EU, in die EU und aus der EU.
Die Agenda umfasst fünf Schwerpunktbereiche:
(1)grüner Wandel,
(2)digitaler Wandel,
(3)Rechtsschutz und Durchsetzung der Verbraucherrechte,
(4)besondere Bedürfnisse bestimmter Verbrauchergruppen und
(5)internationale Zusammenarbeit.
Indem sichergestellt wird, dass diese Prioritäten angemessen berücksichtigt werden, wird die Agenda als Richtschnur für die Umsetzung des Binnenmarktprogramms im Rahmen des neuen mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) dienen. Durch die Förderung von Maßnahmen für einen umweltfreundlicheren, digitaleren und gerechteren Binnenmarkt soll das Vertrauen der Verbraucher/innen, deren Ausgaben 54 % des BIP der EU
ausmachen, gestärkt werden, um so die wirtschaftliche Erholung auf der Nachfrageseite zu stimulieren. Vor diesem Hintergrund müssen die Interessen der Verbraucher/innen wirksam geschützt und gleichzeitig Unternehmen, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen, unterstützt werden.
Die Agenda verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, der verschiedene Politikbereiche der Union abdeckt, die für die Verbraucher/innen von besonderer Bedeutung sind. Sie spiegelt die Notwendigkeit wider, bei der Formulierung und Durchführung anderer Strategien und Maßnahmen den Erfordernissen des Verbraucherschutzes Rechnung zu tragen, und ergänzt andere EU-Initiativen wie den europäischen Grünen Deal
, den Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft
und die Mitteilung über die Gestaltung der digitalen Zukunft Europas
. Zudem unterstützt sie einschlägige internationale Rahmenwerke wie die Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung und das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen.
Eine wirksame Reaktion auf all diese Prioritäten erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der EU und ihren Mitgliedstaaten sowie die ordnungsgemäße Umsetzung, Anwendung und Durchsetzung des über viele Jahre entwickelten soliden Rahmens für den Verbraucherschutz. Daher werden in der Agenda Prioritäten und wichtige Aktionspunkte genannt, die gemeinsam auf europäischer und nationaler Ebene vorangebracht werden müssen.
Die Agenda ist das Ergebnis intensiver Vorbereitungen und Diskussionen mit den Interessenträgern. Wie eine öffentliche Konsultation zeigte, stoßen die wichtigsten Prioritäten, einschließlich der Notwendigkeit, auf die COVID-19-Pandemie zu reagieren, allgemein auf Unterstützung.
Der ganzheitliche Ansatz wurde als treibende Kraft für eine nachhaltige, umweltverträgliche Erholung und eine faire digitale Gesellschaft begrüßt. Wirksame Durchsetzung und wirksamer Rechtsschutz sowie die Unterstützung von Verbrauchern mit besonderen Bedürfnissen gelten als wichtige Querschnittsthemen.
2.Verbraucher/innen in Zeiten der COVID-19-Pandemie
Beispiel: Der Online-Betrug an Verbrauchern hat während der Krise erheblich zugenommen. Betrüger machen sich die Ängste der Verbraucher/innen zunutze, um unnötige, unwirksame und potenziell gefährliche Produkte auf der Grundlage falscher Angaben über deren gesundheitlichen Nutzen zu verkaufen, beispielsweise durch das Inverkehrbringen von Waren mit nicht nachgewiesenen Schutzeigenschaften oder durch den Verkauf von Masken, die nicht den einschlägigen Anforderungen entsprechen. Die Kommission und die Verbraucherschutzbehörden haben sich an Plattformen gewandt, um dafür zu sorgen, dass Hunderte Millionen illegaler Angebote und Werbeanzeigen entfernt werden. Die Rechte und die Sicherheit der Verbraucher/innen müssen weiterhin geschützt werden, insbesondere in Zeiten beispielloser Unsicherheit und Besorgnis.
Die COVID-19-Pandemie ist in erster Linie eine Gesundheitskrise. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben entschlossene Maßnahmen zur koordinierten Bekämpfung der Pandemie ergriffen. Es ist wichtig, dass alle einen gleichberechtigten und zeitnahen Zugang zu erschwinglichen Tests, Schutzausrüstungen, Behandlungen und künftigen Impfstoffen gegen COVID-19
sowie zu allen notwendigen Vorsorge- und Heilmaßnahmen
haben. Die Kommission hat kürzlich weitere konkrete Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus, zum Schutz des Lebens der Menschen und zur Stärkung der Krisenfestigkeit in allen Mitgliedstaaten festgelegt. Produkte und Dienstleistungen, die sich in der Krise als wesentlich erweisen, müssen den Verbrauchern umfassende Garantien in Bezug auf Grundrechte, medizinische Ethik, Privatsphäre und Datenschutz im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung bieten.
Die tiefgreifenden sozialen und wirtschaftlichen Störungen, die auf den Ausbruch der Pandemie folgten, stellen jedoch eine große Herausforderung für die Gesellschaft dar. Die EU hat mit beispiellosen Anstrengungen reagiert, um die Erholung und die Widerstandskraft zu stärken, doch die Wirtschaft ist weiterhin anfällig.
Die Pandemie verändert auch die Konsumgewohnheiten und Mobilitätsmuster der Menschen spürbar. Die Eindämmungsmaßnahmen haben verdeutlicht, welch entscheidende Rolle digitale Technologien für das Leben der Menschen spielen, da sie trotz der Beschränkungen den Erwerb wesentlicher Güter, die ansonsten nicht zugänglich wären, und den Zugang zu Dienstleistungen ermöglichen. Zu den beobachteten Trends gehört, dass mehr vor Ort gekauft wird und Reisen seltener im Voraus gebucht werden, aber auch, dass Online-Dienste häufiger genutzt werden. Einige Veränderungen können vorübergehender Natur sein und mit der Gesundheitslage zusammenhängen (z. B. sinkende Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel), während andere – insbesondere im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel (z. B. zunehmender Kauf von Lebensmitteln im Internet oder zunehmende Nutzung von Online-Streaming-Diensten zu Hause, etwa in Bezug auf Kultur- und Sportveranstaltungen) – sich strukturell verfestigen könnten.
Die Krise hat sich auf viele Lebensbereiche der Verbraucher/innen ausgewirkt und die entscheidende Bedeutung eines hohen Verbraucherschutzniveaus und einer engen, EU-übergreifenden behördlichen Zusammenarbeit verdeutlicht. Gleichzeitig hat sie gewisse Lücken im Verbraucherschutzrahmen der EU aufgezeigt.
Die Verbraucher/innen in der EU erwarten zu Recht von Verkehrsunternehmen und Reiseveranstaltern, dass sie das Recht der Verbraucher/innen auf eine vollständige Erstattung von Vorauszahlungen wahren. Allerdings sehen sich die Verbraucher/innen bei der Durchsetzung dieses Rechts aufgrund der Liquiditätsprobleme des Sektors und des Umstands, dass der Personenverkehr während der Pandemie praktisch zum Stillstand gekommen ist, mit erheblichen Problemen konfrontiert. Deshalb haben die Kommission und die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergriffen, um den Schutz der Verbraucherrechte zu gewährleisten, indem sie unter uneingeschränkter Einhaltung der geltenden Vorschriften auch praktische Lösungen fördern.
Die Erfahrungen aus der Pandemie und früheren Ereignissen wie dem Konkurs von Thomas Cook im Jahr 2019 erfordern eine eingehendere Analyse, ob der derzeitige Rechtsrahmen für Pauschalreisen, auch in Bezug auf den Insolvenzschutz, immer noch voll und ganz der Aufgabe gerecht wird, jederzeit einen soliden und umfassenden Verbraucherschutz zu gewährleisten, wobei auch Entwicklungen im Bereich der Fluggastrechte
zu berücksichtigen sind.
Ein weiterer Bereich, der Anlass zu Besorgnis gibt und während der Pandemie in den Vordergrund gerückt ist, ist die Zunahme von Verbraucherbetrug, irreführenden Verkaufspraktiken und Betrug beim Online-Einkauf, denen immer mehr Verbraucher zum Opfer fallen.
Die Bekämpfung solcher unseriösen Handelspraktiken erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Durchsetzungsbehörden. Angesichts der zentralen Rolle von Online-Plattformen bei der Erleichterung des Online-Handels hat die Kommission auch ihre Kontakte zu großen Online-Plattformen intensiviert; diese haben wirksame Maßnahmen ergriffen, um einschlägige illegale Inhalte zu verhindern und darauf zu reagieren.
Um die Resilienz gegenüber Massenschadensereignissen zu verbessern, die eine Gefahr für das öffentliche Interesse darstellen, sollten die zuständigen Behörden weiterhin mit wichtigen Interessenträgern wie Plattformen, Unternehmensverbänden, Werbetreibenden und Verbraucherorganisationen zusammenarbeiten. Gleichzeitig ist es notwendig, Online-Betrug aufmerksam zu verfolgen und die Zusammenarbeit mit anderen einschlägigen Netzwerken wie Strafverfolgungsbehörden, Domänenregistern und dem Internationalen Netz für die Durchsetzung des Verbraucherrechts (ICPEN) weiter zu intensivieren.
Aus dem sich verändernden Konsumverhalten ergeben sich neue Herausforderungen. Es hat zu einem sprunghaften Anstieg der Einwegverpackungen und der Abfälle von persönlichen Schutzausrüstungen aus Kunststoff geführt, worauf die Kommission im April 2020 umgehend eine erste politische Antwort gegeben hat.
Die Pandemie hat auch die Gefahr offenbart, dass Verbrauchergruppen ins Hintertreffen geraten, insbesondere diejenigen, die nicht über die Mittel oder Fähigkeiten verfügen, um sich aktiv an einem sich rasch wandelnden Markt, insbesondere im Internet, zu beteiligen. Deshalb müssen Initiativen zur Förderung von Integration, Inklusion, Sensibilisierung und Aufklärung der Verbraucher/innen noch stärker in den Mittelpunkt gerückt werden.
Es wird wichtig sein zu verstehen, wie sich das Verbraucherverhalten langfristig nach der Pandemie einpendelt, und die notwendige Vorausschau
für die künftige Politikgestaltung zu entwickeln, und es müssen auch Forschungsdaten und -erkenntnisse zum Verbraucherverhalten bei der Bewertung der Widerstandsfähigkeit der EU gegenüber künftigen Schocks berücksichtigt werden.
·Maßnahme 1: Die Kommission plant, bis 2022 zu analysieren, inwieweit die Pauschalreiserichtlinie angesichts der jüngsten Krisen noch angemessen ist, und wird sich dabei auf den Bericht über ihre Anwendung von 2021 stützen.
·Maßnahme 2: Die Kommission plant, bis 2022 als Grundlage für künftige politische Initiativen an einer Vorausschau zu arbeiten, um zu sondieren, wie sich die COVID-19-Pandemie längerfristig auf das Konsumverhalten der Menschen in der EU auswirkt.
·Maßnahme 3: Die Kommission wird die Zusammenarbeit zwischen dem Netz für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz und anderen Netzen und Interessenträgern unterstützen und erleichtern, um Verbraucherbetrug, unlautere Verkaufspraktiken und sonstigen Betrug zu bekämpfen.
3.Schwerpunktbereiche
3.1. Grüner Wandel
Beispiel: Negative Umweltauswirkungen und vorzeitige Alterung sind zunehmend Anlass zur Sorge für die Verbraucher/innen in der EU, die sich häufig darüber beschweren, dass die gekauften Waren nicht lange halten und unter umweltschädlichen Bedingungen hergestellt werden; 85 % würden bessere Informationen über die Lebensdauer von Waren für ihre Kaufentscheidungen begrüßen. Studien zufolge können sich die Verkaufszahlen bei besonders langlebigen Marken beinahe verdreifachen, wenn Verbraucher/innen entsprechende Informationen erhalten; die Verbraucher/innen sind sogar bereit, mehr für Waren mit längerer Lebensdauer zu bezahlen.
Die Verbraucher/innen in ganz Europa zeigen ein wachsendes Interesse daran, persönlich zur Verwirklichung der Klimaneutralität, zur Erhaltung der natürlichen Ressourcen und der biologischen Vielfalt sowie zur Verringerung der Wasser-, Luft- und Bodenverschmutzung beizutragen.
Die Herausforderung besteht darin, dieses Potenzial durch Maßnahmen zu erschließen, die es jedem Verbraucher ermöglichen, unabhängig von seiner finanziellen Situation eine aktive Rolle beim grünen Wandel zu spielen, ohne einen bestimmten aufgezwungenen Lebensstil und ohne soziale Diskriminierung. Der Zugang zu nachhaltigen Produkten sollte nicht vom Einkommensniveau oder vom Wohnort abhängen, sondern allen offenstehen.
Der europäische Grüne Deal enthält eine umfassende Strategie zur Umgestaltung der EU in eine gerechte und wohlhabende Gesellschaft mit einer klimaneutralen, ressourceneffizienten und sauberen Kreislaufwirtschaft, in der das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist und bei der die negativen Auswirkungen auf das Naturkapital und die biologische Vielfalt verringert werden. Dies erfordert eine tiefgreifende und rasche Änderung unserer Gewohnheiten und Verhaltensweisen, um unseren ökologischen Fußabdruck in allen Bereichen – von Wohnen über Lebensmittel bis hin zu Mobilität und Freizeit – zu verringern.
Es wird bereits eine Reihe von Initiativen ergriffen, um sicherzustellen, dass Produkte (sowohl Waren als auch Dienstleistungen), die an Verbraucher/innen in der EU verkauft werden, für die Verwirklichung der oben genannten Ziele geeignet sind. Dazu gehören:
üdie Strategie „Vom Hof auf den Tisch“
und die Biodiversitätsstrategie
der EU; dort werden wichtige Maßnahmen und Initiativen angekündigt, die darauf abzielen, den ökologischen und klimatischen Fußabdruck der EU-Lebensmittelsysteme zu verringern und die Verbraucher/innen in die Lage zu versetzen, sachkundige, gesunde und nachhaltige Lebensmittelentscheidungen zu treffen;
üder kürzlich veröffentlichte Fahrplan für den Null-Schadstoff-Aktionsplan
2021, in dem Verbraucherprodukte als wichtiger Handlungsbereich genannt und Möglichkeiten geprüft werden, wie Anreize
für die Verbraucher/innen geschaffen werden können, sich für sauberere Produkte zu entscheiden;
üdie Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien
, in der auch Maßnahmen angekündigt wurden, die darauf abzielen, den Verbrauchern mehr Informationen über Chemikalien zur Verfügung zu stellen, sie vor den schädlichsten Stoffen zu schützen und sichere und nachhaltige Chemikalien zu fördern;
üaufbauend auf dem Aktionsplan 2018
soll die anstehende neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen den Verbrauchern neue Möglichkeiten bieten, positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit zu erzielen, indem ihnen zuverlässige, vollständige und vertrauenswürdige Informationen über die Finanzprodukte, in die sie investieren, bereitgestellt werden;
üin der Mitteilung zur Renovierungswelle wird eine Strategie vorgestellt, mit der Wohngebäude für Verbraucher/innen für eine umweltfreundlichere und digitale Gesellschaft gerüstet werden sollen, was auch verstärkte Informationsinstrumente für Verbraucher/innen umfasst.
Darüber hinaus enthält der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft eine Reihe spezifischer Initiativen
zur Bekämpfung der frühzeitigen Obsoleszenz und zur Förderung der Haltbarkeit, Recyclingfähigkeit, Reparaturfähigkeit und Barrierefreiheit von Produkten sowie zur Unterstützung von Maßnahmen von Unternehmen. Insbesondere zielt die Initiative für nachhaltige Produkte
darauf ab, nachhaltige Produkte zur Norm zu machen, indem Grundsätze für die Nachhaltigkeit von Produkten festgelegt werden und die Ökodesign-Richtlinie
dergestalt überarbeitet wird, dass ihr Geltungsbereich über energieverbrauchsrelevante Produkte hinaus erweitert und dem Kreislaufprinzip Rechnung getragen wird. Zusätzliche regulatorische und nichtregulatorische Maßnahmen werden erforderlich sein, um bestimmte Gruppen von Waren und Dienstleistungen wie IKT, Elektronik, Textilien und Verpackungen zu berücksichtigen. Beispiele hierfür sind:
üMit der Initiative für die Kreislaufwirtschaft
soll sichergestellt werden, dass elektronische Geräte für Langlebigkeit, Wartung, Reparatur, Zerlegung, Demontage, Wiederverwendung und Recycling konzipiert sind und dass die Verbraucher/innen ein „Recht auf Reparatur“ einschließlich Software-Updates haben.
üDie Initiative für ein einheitliches Ladegerät für Mobiltelefone und andere tragbare Geräte
zielt darauf ab, die Verbraucherfreundlichkeit zu erhöhen sowie Materialverbrauch und Elektronikabfall im Zusammenhang mit der Herstellung und Entsorgung von Ladegeräten, die täglich von der überwiegenden Mehrheit der Verbraucher/innen genutzt werden, zu verringern.
üMit der künftigen Textilstrategie der EU sollen die Verbraucher/innen in die Lage versetzt werden, sich für nachhaltige Textilien zu entscheiden und einfachen Zugang zu Wiederverwendungs- und Reparaturdiensten zu haben.
üDie Überarbeitung der Richtlinie über Verpackungen und Verpackungsabfälle zielt darauf ab, dass alle Verpackungen auf wirtschaftlich tragfähige Weise wiederverwendbar und rezyklierbar gemacht und überflüssige Verpackungen vermieden werden.
Diese Initiativen werden dazu beitragen, dass der Wert von Produkten länger erhalten bleibt, sichereren und langlebigeren Produkten Vorrang eingeräumt wird und Materialien so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf verbleiben (Vermeidung und Reduzierung von Abfällen, Reparatur, Wiederverwendung und Recycling).
Um eine für die Gesellschaft optimale Akzeptanz neuer Waren und Dienstleistungen sowie neuer Konsumkonzepte zu ermöglichen, benötigen die Verbraucher bessere und zuverlässigere Angaben zu den Nachhaltigkeitsaspekten von Waren und Dienstleistungen – ohne jedoch mit Informationen überflutet zu werden. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der öffentlichen Konsultation bemängelten, dass es an solchen Informationen fehle, und äußerten ihre Bedenken hinsichtlich der Verlässlichkeit umweltbezogener Angaben und Produktinformationen. Dies seien beträchtliche Hürden für eine breitere Akzeptanz nachhaltiger Konsumentscheidungen. Mit der anstehenden Initiative zur Stärkung der Position der Verbraucher im Hinblick auf den grünen Wandel soll der Zugang von Konsumentinnen und Konsumenten zu Informationen über die Umwelteigenschaften von Produkten – und damit auch über ihre Haltbarkeit, Reparaturfähigkeit oder Aufwertbarkeit – ebenso angegangen werden wie das Thema Verlässlichkeit und Vergleichbarkeit derartiger Informationen. Mit der Initiative werden allgemeine Anforderungen festgelegt, die gezieltere Vorschriften in sektorspezifischen Rechtsvorschriften, z. B. für bestimmte Produkte oder Produktgruppen, ergänzen würden.
Bessere Informationen über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Reparaturdiensten können die Langlebigkeit von Produkten weiter unterstützen. Die anstehende Initiative zur Stärkung der Position der Verbraucher beim ökologischen Wandel, die Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik und gegebenenfalls sektorspezifische Initiativen werden von wesentlicher Bedeutung sein, wenn es darum geht, den Verbrauchern ein wirksames Recht auf Reparatur zu gewähren. Zudem würde die künftige Überarbeitung der Richtlinie über den Warenhandel
die Gelegenheit bieten zu prüfen, wie mehr zur Förderung von Reparaturen und nachhaltigeren kreislauforientierten Produkten getan werden kann. Es werden verschiedene Optionen in Bezug auf Abhilfen für Verbraucher/innen geprüft, so etwa die Bevorzugung von Reparatur gegenüber Ersatz, die Verlängerung des Mindesthaftungszeitraums für neue Produkte oder Gebrauchtwaren und das Einsetzen einer neuen Haftungsperiode nach der Reparatur.
Ergänzt werden könnten diese Bemühungen durch die Förderung neuer Verbrauchskonzepte und Verhaltensweisen wie die Wirtschaft des Teilens (Sharing Economy), neue Geschäftsmodelle, die Verbrauchern den Kauf einer Dienstleistung anstelle einer Ware ermöglichen, oder die Unterstützung von Reparaturen durch Initiativen von Gemeinschaften und sozialwirtschaftlicher Organisationen (z. B. Reparaturcafés) und die Unterstützung von Second-Hand-Märkten.
Verbraucherinnen und Verbrauchern bessere und zuverlässigerer Informationen an die Hand zu geben, bedeutet häufig auch, die schon bestehenden Instrumente zu verbessern. Die aktualisierten Kennzeichnungen mit Informationen über Produkte und Geräte, die unter die Ökodesign-Richtlinie und den Rahmen für die Energieverbrauchskennzeichnung fallen, werden zur Schärfung des Bewusstseins für die Energieeffizienz von Produkten und zur Erfüllung der an diese Energieeffizienz geknüpften Erwartungen und so zur Verwirklichung des EU-Energieeffizienzziels beitragen. Zudem könnten Kommunikationsmaßnahmen und Partnerschaften mit einschlägigen Interessenträgern – wie etwa Einzelhändlern – zur Bewerbung des EU-Umweltzeichens auch auf digitalen Marktplätzen die Akzeptanz und den Bekanntheitsgrad dieses Labels fördern. Das EU-Umweltzeichen würde darüber hinaus gemäß dem Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen von 2018 auch für Finanzprodukte für Privatkunden gelten, sodass sich die Verbraucher/innen bei Investitionen in grüne Finanzprodukte auf ein vertrauenswürdiges und glaubwürdiges Gütesiegel verlassen könnten.
Darüber hinaus müssen die Verbraucher/innen besser vor unwahren, verwirrenden oder irreführenden Informationen geschützt werden, mit denen ein Produkt oder Unternehmen als umweltfreundlicher dargestellt werden soll, als es in Wirklichkeit ist („Greenwashing“). Entsprechende Maßnahmen werden zurzeit auch im Bereich des nachhaltigen Finanzwesens entwickelt. Darüber hinaus wird die Kommission vorschlagen, dass Unternehmen ihre Umweltaussagen anhand von Methoden zur Messung des Umweltfußabdrucks von Produkten und Organisationen belegen müssen, um den Verbrauchern zuverlässige ökologische Informationen zur Verfügung zu stellen.
Die Kommission wird prüfen, wie ein nachhaltiger Kennzeichnungsrahmen geschaffen werden kann, der in Synergie mit anderen einschlägigen Initiativen die ernährungsphysiologischen, klimabezogenen, ökologischen und sozialen Aspekte von Lebensmitteln abdeckt.
Die Entscheidungen der Verbraucher im Bereich Energie werden für die Verwirklichung der neuen Klimaziele bis 2030 und der Klimaneutralität bis 2050 entscheidend sein. Neue Vorschriften, die am 1. Januar 2021 in Kraft treten, werden die Informationen für die Verbraucher durch sachdienliche Angaben auf der Stromabrechnung und durch unabhängige Preisvergleichsinstrumente verbessern, Prosumenten-Entscheidungen erleichtern und die Bildung von Energiegemeinschaften vereinfachen. Die Kommission wird Bestimmungen für andere Energieträger vorschlagen, um Gas- und Fernwärmeverbraucher mit ähnlichen Rechten zu stärken.
Der digitale Wandel bietet auch andere neue Möglichkeiten, um gezieltere und verständlichere Informationen bereitzustellen. Die Entwicklung digitaler Produktpässe im Zuge der Initiative für nachhaltige Produkte
würde dazu beitragen, die Verbraucher/innen über die ökologischen und kreislaufwirtschaftlichen Aspekte von Produkten zu informieren. Ganz allgemein könnten digitale Informationen die Verbraucher/innen in die Lage versetzen, die Zuverlässigkeit von Informationen zu überprüfen, Produktvergleiche anzustellen und sich auch ganzheitlicher über ihren Einfluss auf die Umwelt (z. B. ihren ökologischen Fußabdruck) zu informieren. Maßnahmen und Ressourcen, auch aus dem Instrument für technische Unterstützung für den Kapazitätsaufbau
im Rahmen des nächsten MFR, sollten genutzt werden, um Initiativen zu unterstützen, die eine saubere, klimaneutrale und nachhaltige Konsumkultur und ein entsprechendes Verhalten der Verbraucher/innen anstoßen und fördern. Dies sollte auf barrierefreie, innovative und attraktive Weise geschehen, z. B. durch Smartphone-Anwendungen und Websites
, auch sollten die vorhandenen Instrumente genutzt werden
.
Unternehmen einschließlich KMU könnten eine wichtige Rolle in dem Bestreben spielen, umweltfreundlicher zu konsumieren. Die Integration von Nachhaltigkeitszielen in Unternehmensstrategien und Beschlussfassung könnte dazu führen, dass mehr nachhaltige Produkte verfügbar werden. Beispiele für bewährte Verfahren reichen von der Überwachung der Auswirkungen auf, der Interdependenzen von und der Risiken für Umwelt- und Naturkapital entlang der gesamten Wertschöpfungskette über die Einbeziehung von Umweltinformationen in die Unterrichtung von Verbrauchern bis hin zur Berücksichtigung von Verbraucherinteressen bei Aufsichtsratsbeschlüssen. Die Kommission beabsichtigt, 2021 eine Gesetzgebungsinitiative zur nachhaltigen Unternehmensführung vorzulegen, um langfristig nachhaltiges und verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln zu fördern
. Um mehr freiwilliges unternehmerisches Handeln zu unterstützen, plant die Kommission, die Wirtschaft zu freiwilligen Zusagen zu motivieren, was die Offenlegung des ökologischen Fußabdrucks eines Unternehmens gegenüber Verbraucherinnen und Verbrauchern, mehr Nachhaltigkeit und verringerte Umweltauswirkungen angeht. Diese Zusagen werden im Zusammenspiel mit dem künftigen europäischen Klimapakt konzipiert. Sie werden auf bestehenden Methoden, Instrumenten und geltenden Rechtsvorschriften aufbauen
. Im Laufe der Zeit könnten mit Hilfe dieser Zusagen auf Basis vielfältiger Selbstverpflichtungen dieser Art Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus einem breiten Spektrum von Sektoren an Bord geholt werden.
·Maßnahme 4: Für das Jahr 2021 plant die Kommission die Vorlage eines Legislativvorschlags zur Förderung mündigen Entscheidens und Handelns der Verbraucher/innen mit Blick auf den ökologischen Wandel. Zu diesem Zweck sollen letztere besser über die Nachhaltigkeit von Produkten informiert und besser vor bestimmten Praktiken wie Greenwashing und frühzeitiger Obsoleszenz geschützt werden. Vorgesehen ist zudem ein Legislativvorschlag zur Anspruchsbegründung umweltbezogener Angaben auf Grundlage der Methoden der Messung des Umweltfußabdrucks.
·Maßnahme 5: Ab diesem Jahr will die Kommission mit der Wirtschaft zusammenarbeiten, um die Akteure hier zu freiwilligen Zusagen für Maßnahmen zur Unterstützung nachhaltigen Konsums zu motivieren, die über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehen.
·Maßnahme 6: Ab 2022 wird die Kommission im Zuge der Überprüfung der Richtlinie über den Warenhandel prüfen, wie die Reparatur und nachhaltigere, kreislauforientierte Produkte weiter gefördert werden können.
3.2. Digitaler Wandel
Beispiel: Zwischen 2014 und 2019 stieg der Anteil der Internetnutzerinnen und -nutzer in der EU, die Waren oder Dienstleistungen online für den privaten Gebrauch gekauft oder bestellt haben, von 63 % auf 71 %; in fünf Mitgliedstaaten
lag der Anteil sogar bei über 80 %
. Die Verbraucher sollten online auf einem vergleichbaren Niveau geschützt sein wie im richtigen Leben. Die Vorschriften sollten an das vernetzte Umfeld angepasst werden, um sicherzustellen, dass Smart-Home-Geräte keine Angriffsfläche für Cyberrisiken bieten und Online-Kreditangebote die erforderlichen Informationen in einer Form enthalten, die auch auf dem Smartphone leicht lesbar und zugänglich ist.
Der digitale Wandel verändert das Leben von Verbraucherinnen und Verbrauchern radikal, und er bietet ihnen mehr Möglichkeiten und eine größere Auswahl an Waren und Dienstleistungen. Gleichzeitig kann er es ihnen aber erschweren, fundierte Entscheidungen zu treffen und ihre Interessen zu schützen. Die zugrunde liegende Datenerhebung und -verarbeitung in Verbindung mit einer Analyse des Verhaltens und der kognitiven Vorlieben von Verbraucherinnen und Verbrauchern kann dazu ausgenutzt werden, Verbraucher zu Entscheidungen zu veranlassen, die ihren eigenen Interessen zuwiderlaufen. Dies könnte die Wirksamkeit der geltenden Vorschriften zum Verbraucherschutz im digitalen Umfeld – unter anderem vor unlauteren Geschäftspraktiken – einschränken. Die Richtlinie über bessere Durchsetzung und Modernisierung des Verbraucherrechts
und die Richtlinie über digitale Inhalte
sind wichtige Instrumente zur Bewältigung bestimmter Herausforderungen dieser Art. Angesichts des rasanten technologischen Fortschritts und seiner Auswirkungen auf die Erfahrungen der Verbraucher/innen sind zusätzliche Maßnahmen erforderlich.
Geschäftspraktiken, die das Recht der Verbraucher/innen auf eine fundierte Entscheidung missachten, ihre Verhaltensmuster ausnutzen oder ihre Entscheidungsprozesse verzerren, müssen bekämpft werden. Zu diesen Praktiken zählen die Nutzung von „Dark Patterns“
, bestimmte, oftmals auf der Erstellung von Profilen basierende Personalisierungen, versteckte Werbung, Betrug, falsche oder irreführende Informationen und manipulierte Verbraucherbewertungen. Es bedarf zusätzlicher Orientierungshilfen zur Anwendbarkeit verbraucherrechtlicher Instrumente wie der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und der Richtlinie über die Rechte der Verbraucher auf diese Praktiken. Letztlich sollten die Verbraucher/innen online von einem Schutzniveau profitieren, das dem Offline-Schutzniveau vergleichbar ist.
Damit die Verbraucher/innen das beträchtliche Potenzial des digitalen Wandels in vollem Umfang nutzen können, sollte Verbraucherinteressen bei der Gestaltung oder Anpassung der Vorschriften für die digitale Wirtschaft Rechnung getragen werden. Hierbei werden zwei Ziele verfolgt: die Schaffung eines sichereren digitalen Raums für Verbraucher, in dem ihre Rechte geschützt werden, sowie die Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen, was Innovationen zugunsten neuerer und besserer Dienstleistungen für alle Europäer ermöglicht.
Erstens zielt der bevorstehende Vorschlag der Kommission für ein neues Gesetz über digitale Dienste darauf ab, neue und erweiterte Zuständigkeiten festzulegen und die Rechenschaftspflicht von Online-Vermittlern und -Plattformen zu stärken. Das Gesetz soll sicherstellen, dass die Verbraucher/innen genau wie offline auch auf Online-Plattformen wirksam vor illegalen Produkten, Inhalten und Aktivitäten geschützt werden.
Zweitens plant die Kommission, auch ein Gesetz über digitale Märkte vorzulegen, um die Probleme zu lösen, die auf für Marktversagen anfälligen digitalen Märkten auftreten, wie etwa die Torwächter-Marktmacht bestimmter Online-Plattformen. Es würde die Vorabregulierung von Online-Plattformen mit Torwächter-Charakteristika mit einem dynamischen Rahmen für die Marktuntersuchung kombinieren, um digitale Märkte zu überprüfen, die für Marktversagen anfällig sind. Die Verbraucher/innen sind letztlich die Begünstigten fairerer und stärker von Wettbewerb geprägter digitaler Märkte, was niedrigere Preise, bessere und neue Dienstleistungen und mehr Auswahl mit sich bringt.
Während künstliche Intelligenz (KI) viel Gutes bewirken kann, könnten einige KI-Anwendungen gegen Verbraucherrechte verstoßen und Verbraucher/innen schädigen
. Nach dem Weißbuch zur KI
und dem dazugehörigen Bericht über Haftung und Sicherheit neuer Technologien
arbeitet die Kommission derzeit an:
üeinem Vorschlag
zur Gewährleistung eines hohen Verbraucherschutzniveaus und des Schutzes der Grundrechte, wodurch wiederum das erforderliche Vertrauen für die gesellschaftliche Akzeptanz von KI geschaffen wird;
üMaßnahmen im Bereich der zivilrechtlichen Haftung, mit denen sichergestellt werden soll, dass durch KI-Anwendungen geschädigte Opfer in der Praxis dasselbe Schutzniveau genießen wie Opfer von Schäden, die durch andere Produkte oder Dienstleistungen verursacht werden.
Der Fortschritt neuer Technologien und die Globalisierung von Produktion und Einzelhandel, auch über Online-Kanäle, werfen die Frage auf, ob die bestehenden Vorschriften zur Produktsicherheit ausreichen, um aktuellen Entwicklungen Rechnung zu tragen und die Verbraucher angemessen zu schützen. Die Kommission arbeitet derzeit an einer Reihe von Initiativen zur Sicherheit neuer Technologien, darunter
üdie Überarbeitung der Maschinenrichtlinie
;
üdie Annahme delegierter Rechtsakte im Rahmen der Funkanlagenrichtlinie
und
üdie Überarbeitung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit
.
Die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit, die den Rechtsrahmen für die Sicherheit von Non-Food-Konsumgütern bildet
, stammt aus einer Zeit, in der KI-gestützte Produkte und vernetzte Geräte eine Seltenheit waren – was inzwischen nicht mehr der Fall ist. Solche Entwicklungen stellen die geltende Definition von Produkten infrage, bringen neue Risiken mit sich oder verändern die Art und Weise, in der bestehende Risiken eintreten könnten. Dies sollte in gebührender Form berücksichtigt werden. Der zunehmende Online-Handel birgt auch neue Herausforderungen, da den Behörden nicht immer ausreichend wirksame Instrumente zur Überwachung des Online-Markts zur Verfügung stehen. Darüber hinaus ermöglicht es der elektronische Handel Verbrauchern, direkt bei Anbietern in Drittstaaten zu kaufen, was die Überprüfung der Sicherheit von Produkten, die in den EU-Binnenmarkt gelangen, erschwert. Der für 2021 geplante Vorschlag für eine Überarbeitung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit dürfte eine tragfähige Lösung für diese wachsenden Herausforderungen bieten.
Darüber hinaus könnte eine allgemein anerkannte öffentliche elektronische Identität — basierend auf der Wahlmöglichkeit der Verbraucher, ihrer Einwilligung und der Gewährleistung, dass ihre Privatsphäre gemäß der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in vollem Umfang gewahrt wird – den Verbrauchern die Möglichkeit geben, den Zugang zu ihren Daten und deren Nutzung gänzlich kontrolliert und sicher zu verwalten. Die Kommission prüft derzeit ein solches System und berücksichtigt dabei die Interessen und den Schutz der Verbraucher/innen
.
Um gegen ungerechtfertigtes Geoblocking vorzugehen, durch das Verbraucher in der EU diskriminiert werden, um Märkte entlang von Landesgrenzen aufzuteilen, führt die Kommission derzeit ihre erste kurzfristige Überprüfung der Geoblocking-Verordnung durch.
Die europäische Datenstrategie
zielt darauf ab, die wirksame Wahrnehmung des Rechts des Einzelnen auf Datenübertragbarkeit im Rahmen der DSGVO zu erleichtern. Dieses Recht besitzt deutliches Potenzial, den Einzelnen ins Zentrum der Datenwirtschaft zu rücken, indem ihm ermöglicht wird, Diensteanbieter zu wechseln, Dienstleistungen zu kombinieren, andere innovative Dienste zu nutzen und sich für die Dienste mit dem höchsten Datenschutz zu entscheiden. Die Strategie wird auch die Schaffung eines echten Binnenmarkts für Daten und gemeinsamer europäischer Datenräume vorantreiben.
Darüber hinaus ist der Finanzdienstleistungssektor für Privatkunden durch den digitalen Wandel, der zu neuen Trends und Lösungen geführt sowie eine größere Vielfalt der angebotenen Finanzprodukte und -dienstleistungen ermöglicht hat, grundlegend verändert worden
. Nicht-traditionelle Anbieter solcher Dienste – wie FinTech-Unternehmen und Privatpersonen, die anderen Privatleuten Kredit geben (Peer-to-Peer Lending) – sind zu traditionellen Anbietern hinzugekommen, die selbst zunehmend auch Online-Vertriebskanäle nutzen. Neue Produkte wie kurzfristige hochpreisige Kredite, die für einen kurzen Zeitraum abgeschlossen werden und erhebliche Kosten für den Kreditnehmer verursachen können, werden immer stärker vermarktet und online angeboten. Neue Technologien wie Lösungen zur Sofortzahlung können für die Verbraucher ganz konkrete Vorteile bringen, erfordern jedoch möglicherweise besondere Maßnahmen zum Schutz des Verbrauchers
. Die Kommission hat kürzlich Initiativen angekündigt, die den Verbraucherschutz beim Zahlungsverkehr verbessern sollen. Diese Fragen werden im Rahmen der kürzlich angenommenen EU-Strategie für den Massenzahlungsverkehr behandelt.
Die Verwendung alternativer Datenkategorien in Kombination mit einer automatisierten Entscheidung bei der Bonitätsprüfung wirft die Frage auf, welche Daten zur Bewertung der Kreditwürdigkeit von Verbrauchern genutzt werden sollten, und verdeutlicht die Diskriminierungsrisiken bei Entscheidungen auf Basis undurchsichtiger Algorithmen – eine Art von Risiko, die auch durch den oben genannten Rechtsakt zu Anforderungen an künstliche Intelligenz angegangen werden dürfte. Darüber hinaus sollten bestehende Rechtsvorschriften wie die Verbraucherkreditrichtlinie, die Hypothekarkredit-Richtlinie, die Richtlinie über Zahlungskonten und die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen überarbeitet werden, um die zunehmende Nutzung digitaler Mittel widerzuspiegeln und auf die oben genannten Herausforderungen einzugehen. Die Verbraucher sollten befähigt werden, Produkte zu verstehen und Angebote online zu vergleichen und anzunehmen, was sowohl Innovationen als auch dem Verbrauchervertrauen förderlich wäre.
Das neue Paket der Kommission zur Digitalisierung des Finanzsektors mit Strategien für die digitale Finanzierung und für den Massenzahlungsverkehr sowie Legislativvorschlägen zu Kryptowerten und zur Betriebsstabilität digitaler Systeme im Finanzsektor soll sicherstellen, dass Verbraucher und Unternehmen die Vorteile von Innovationen nutzen können und gleichzeitig geschützt werden. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich digitaler Wandel werden auch Teil der Strategie zur Förderung der Investitionen von Kleinanlegern sein, die sich auf die Interessen kleiner Anleger konzentrieren soll und für das erste Halbjahr 2022 geplant ist.
Darüber hinaus kann der digitale Wandel auch neue Herausforderungen mit sich bringen, beispielsweise wenn digitale Lösungen nicht so konzipiert sind, dass sie auch für Menschen mit Behinderungen zugänglich sind. Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des europäischen Rechtsakts zur Barrierefreiheit. Seine Anwendung bis 2025 wird dazu beitragen, für Menschen mit Behinderungen Hürden im Zusammenhang mit der Digitalisierung zu beseitigen und mehr barrierefreie Produkte und Dienstleistungen für sie verfügbar zu machen.
Schließlich macht der digitale Wandel es erforderlich, dass die Verbraucher über ausgeprägte digitale Kompetenzen verfügen, die durch eine auf das lebenslange Lernen angelegte allgemeine und berufliche Bildung gefördert werden sollten, wie im Aktionsplan für digitale Bildung 2021-2027 und seinen strategischen Prioritäten hervorgehoben wird.
·Maßnahme 7: Nach der Aktualisierung ihrer Leitfäden zur Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken und zur Richtlinie über die Rechte der Verbraucher will die Kommission bis 2022 prüfen, ob mittelfristig zusätzliche Rechtsvorschriften oder andere Maßnahmen erforderlich sind, um online wie offline für das gleiche Maß an Fairness zu sorgen.
·Maßnahme 8: Wie im Weißbuch zur KI angekündigt, plant die Kommission 2021 einen Vorschlag für einen horizontalen Rechtsakt, um die Anforderungen an künstliche Intelligenz festzulegen.
·Maßnahme 9: Für das Jahr 2021 plant die Kommission die Ausarbeitung eines Vorschlags für eine Überarbeitung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit, um neuen Herausforderungen für die Produktsicherheit zu begegnen, die durch neue Technologien und den Online-Handel entstehen. Ergänzend will die Kommission 2021 auch einen Vorschlag für die Überarbeitung der Maschinenrichtlinie ausarbeiten.
·Maßnahme 10: Für 2021 beabsichtigt die Kommission, Vorschläge für die Überarbeitung der Verbraucherkreditrichtlinie und der Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen auszuarbeiten, um vor dem Hintergrund der Digitalisierung von Finanzdienstleistungen für Privatkunden den Verbraucherschutz zu stärken.
3.3. Wirksame Durchsetzung und Rechtsschutz
Beispiel: Die anstehende Richtlinie über Verbandsklagen ermöglicht den Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Kräfte zu bündeln. Zukünftig können zu diesem Zweck benannte qualifizierte Einrichtungen die Gerichte oder Verwaltungsbehörden leichter – und auch grenzübergreifend – mit Fällen befassen, die den Kollektivinteressen der Verbraucher dienen. Dies wird es den Verbrauchern erleichtern, in Fällen, die beispielsweise mit den Vorfällen in Zusammenhang mit manipulierten Abgastests für bestimmte Dieselfahrzeuge vergleichbar sind, gemeinsam Rechtsmittel einzulegen.
Ebenso wie Unternehmen das Recht haben, Produkte zu verkaufen und allen Verbrauchern im Binnenmarkt Dienstleistungen anzubieten, sollten die Verbraucher unabhängig von ihrem Wohnort in der EU in der Lage sein, ihre Rechte gegenüber diesen Unternehmen wirksam durchzusetzen. In der Praxis hat die Überprüfung von Websites durch die Durchsetzungsbehörden jedoch gezeigt, dass die Verbraucherrechte häufig missachtet werden. Zwischen 2007 und 2019 entsprachen durchschnittlich 60 % der überprüften Websites nicht den grundlegenden Verbraucherschutzvorschriften, was Korrekturen erforderlich machte
.
Die Durchsetzung von Verbraucherrechten fällt in erster Linie in die Zuständigkeit der nationalen Behörden, jedoch spielt die EU eine wichtige koordinierende und unterstützende Rolle. Die neue, im Januar 2020 in Kraft getretene Verordnung über die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz
bietet eine solidere Grundlage für gemeinsames Handeln der EU. Sie stärkt die Kapazitäten der Durchsetzungsbehörden für die Online-Arbeit, die Kooperationsmechanismen und das System zur Sammlung sachdienlicher Erkenntnisse, um gegen weitreichende Verstöße gegen das EU-Verbraucherrecht vorzugehen, ein einheitliches Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten und den Unternehmen eine zentrale Anlaufstelle zu bieten. Die Kommission wird nicht zögern, von ihren Befugnissen im Rahmen der Verordnung Gebrauch zu machen, um erforderlichenfalls koordinierte Durchsetzungsmaßnahmen in EU-weiten Fragen zu veranlassen. Im Einklang mit den strategischen Prioritäten dieser Agenda werden die Schwerpunkte der Arbeit folgende Aspekte sein:
·die Folgen von COVID-19 für die Verbraucherrechte (Betrugsdelikte, Probleme beim Reisen und Ausbeutung finanzieller Schwachstellen, die zwar schon vor der Pandemien bestanden, jetzt aber akuter geworden sind) und
·irreführende umweltbezogene Aussagen und unlautere Praktiken im Zusammenhang mit Methoden zur Beeinflussung und Personalisierung im Internet.
Nach der Verordnung muss die Kommission bis Januar 2023 eine Evaluierung der Wirksamkeit der neuen Vorschriften vornehmen.
Zudem hat die EU unlängst ihren Rechtsrahmen für den Verbraucherschutz überprüft. Mit der neuen Richtlinie über bessere Durchsetzung und Modernisierung des Verbraucherrechts
und der künftigen Richtlinie über Verbandsklagen
werden die Verbraucherrechte erheblich gestärkt, insbesondere durch mehr digitale Fairness, schärfere Sanktionen und einen wirksamen Mechanismus für den kollektiven Rechtsschutz.
Um eine einheitliche Durchsetzung in der ganzen EU zu gewährleisten und den Behörden dabei zu helfen, die mit dem digitalen Wandel verbundenen Schwierigkeiten besser zu bewältigen, sollen aus dem Binnenmarktprogramm im neuen MFR vorrangig Maßnahmen der nationalen Behörden zum Kapazitätsaufbau finanziert werden. Die Kommission plant, ein Projekt zur Einrichtung eines „EU e-Lab“ als Plattform für die Bereitstellung eines gemeinsamen Instrumentariums zu finanzieren, mit dem Behörden unter Einsatz moderner IT-Lösungen und Nutzung von KI, Data-Mining-Techniken und Webcrawlern Online-Untersuchungen durchführen und online verkaufte gefährliche Produkte überwachen können. Zudem will sie die Kapazitäten der potenziellen qualifizierten Einrichtungen im Sinne der künftigen Richtlinie über Verbandsklagen und der nationalen Verbraucherorganisationen als Stellen, die über die Warnmeldungen nach der CPC-Verordnung Bericht erstatten sollen, stärken. Da die Erleichterung des individuellen Rechtsschutzes nach wie vor Priorität hat, wird die EU auch weiterhin die Europäischen Verbraucherzentren sowie die Instrumente für die alternative Streitbeilegung und die Online-Streitbeilegung finanzieren und modernisieren. Maßgeschneiderte technische Unterstützung für den Ausbau der Verwaltungskapazitäten in den nationalen Behörden kann auch über das Instrument für technische Unterstützung geleistet werden.
·Maßnahme 11: Die Kommission unterstützt die Mitgliedstaaten bei der rechtzeitigen und effizienten Umsetzung, Durchführung und Durchsetzung der Richtlinie über bessere Durchsetzung und Modernisierung des Verbraucherrechts, die im Mai 2022 anwendbar wird, sowie der künftigen Richtlinie über Verbandsklagen, sobald diese förmlich erlassen und in Kraft ist.
·Maßnahme 12: Im Jahr 2022 und danach alle zwei Jahre stellt die Kommission zusammen mit den nationalen Behörden die gemeinsamen Durchsetzungsprioritäten des CPC-Netzes für die Lösung der in den verschiedenen Bereichen festgestellten Probleme im Zusammenhang mit der Einhaltung der Vorschriften vor.
·Maßnahme 13: Bis 2022 stellt die Kommission ein Instrumentarium mit innovativen elektronischen Tools bereit, um die nationalen Behörden nach den Grundsätzen des Europäischen Interoperabilitätsrahmens besser in die Lage zu versetzen, gegen illegale Online-Geschäftspraktiken vorzugehen und unsichere Produkte aufzuspüren.
·Maßnahme 14: Bis 2023 evaluiert die Kommission die Anwendung der CPC-Verordnung, um insbesondere zu prüfen, ob die Durchsetzung bei der Bekämpfung unionsweiter Praktiken, die gegen das Verbraucherrecht verstoßen, Wirkung zeigt.
3.4. Berücksichtigung spezifischer Verbraucherbedürfnisse
Beispiel: Im Jahr 2018 waren 10 % der Haushalte in der EU mit Hypotheken, Mieten, Rechnungen von Versorgungsunternehmen oder Kreditrückzahlungen im Rückstand und von Überschuldung bedroht. Die derzeitige Pandemie verschärft die Lage vieler verschuldeter Verbraucher/innen. Die Kommission hat mit Mitgliedstaaten und Interessenträgern zusammengearbeitet, um bewährte Verfahren zur Unterstützung von Verbrauchern in Schwierigkeiten zu ermitteln und zu fördern
, einschließlich eines besseren Zugangs zu Schuldnerberatung. Studien zufolge können mit einem Euro, der für Schuldnerberatung ausgegeben wird, mehr als zwei Euro für Sozialleistungen eingespart werden.
Die Instrumente der Verbraucherpolitik schützen alle Verbraucher/innen in ihren Beziehungen zu Gewerbetreibenden. Es wird davon ausgegangen, dass Verbraucher in der Regel die schwächere Partei eines Geschäfts sind und dass ihre Gesundheit, ihre Sicherheit und ihre wirtschaftlichen Interessen daher geschützt werden müssen. Einige Gruppen von Verbrauchern können in bestimmten Situationen jedoch besonders schutzbedürftig sein und besondere Garantien benötigen. Die Schutzbedürftigkeit der Verbraucher kann durch soziale Umstände oder durch bestimmte Merkmale einzelner Verbraucher oder Verbrauchergruppen wie Alter, Geschlecht, Gesundheit, digitale Kompetenz, Rechenkompetenz oder finanzielle Lage bedingt sein.
Ein Mangel an Zugänglichkeit kann dazu führen, dass ältere Menschen oder Menschen mit Behinderung ausgeschlossen oder in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Diese Formen der Schutzbedürftigkeit werden durch die derzeitige Pandemie möglicherweise noch verschärft, bestehen aber unabhängig davon.
Die zunehmende finanzielle Anfälligkeit vieler Haushalte in der EU ist derzeit besonders besorgniserregend. Eine unlängst in 21 Mitgliedstaaten durchgeführte Umfrage ergab, dass seit Beginn der COVID-19-Krise 6 von 10 Verbrauchern finanziellen Schwierigkeiten gegenübergestanden haben
, die zu Überschuldung führen könnten. Schuldnerberatung hat sich als wirksames Mittel erwiesen, um überschuldeten Verbrauchern bei der Rückkehr zu finanzieller Tragfähigkeit zu helfen und gleichzeitig sicherzustellen, dass die Gläubiger ihr Geld bekommen. Die Kommission stellt Verfahren zusammen, die sich in den Mitgliedstaaten bewährt haben, prüft ihre Übertragbarkeit und ermittelt Finanzierungsbedarf und -möglichkeiten auf der Grundlage des neuen MFR. Im Juni 2020 hat die Kommission auch den aktualisierten Europäischen Verhaltenskodex für die Vergabe von Mikrokrediten
veröffentlicht. Die Verbraucherkreditrichtlinie
wird unter anderem daraufhin überprüft, wie die Vorschriften verbessert werden können, die sicherstellen sollen, dass Kredite nur nach einer eingehenden Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers gewährt werden. Die Verbraucher sollten außerdem alle vorvertraglichen Informationen und Beratungen erhalten, die erforderlich und angemessen sind, damit sie beim Abschluss von Kreditverträgen fundierte Entscheidungen treffen können.
Diese Maßnahmen sind von zentraler Bedeutung, wenn es darum geht, den Finanzierungsbedarf der Verbraucher/innen mit ihren Rückzahlungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen und so die Gefahr von Zahlungsausfällen und Überschuldung zu verringern. Dennoch sind letztere möglicherweise manchmal nicht in der Lage, Schulden bei Fälligkeit zu begleichen. Daher kann es notwendig sein, die am besten geeigneten Mittel zur Bekämpfung der Überschuldung von Verbrauchern, einschließlich der Entschuldung
, zu prüfen.
Erschwinglichkeit ist von entscheidender Bedeutung für die Sicherstellung des Zugangs von Verbrauchern mit geringem Einkommen zu Waren und Dienstleistungen, wie das Europäische Netzwerk für Sozialpolitik
hervorgehoben hat. Einige Mitgliedstaaten treffen neben Sozialschutzmaßnahmen auch Verbraucherschutzmaßnahmen, um Menschen mit geringem Einkommen gezielt zu helfen. In ihrer Empfehlung zu Energiearmut
gibt die Kommission den Mitgliedstaaten Leitlinien für die Bekämpfung von Energiearmut an die Hand, um schutzbedürftige Energieverbraucher zu stärken.
Ältere Menschen und Menschen mit Behinderung haben spezifische verbrauchsbezogene Bedürfnisse. Es ist wichtig, dafür zu sorgen, dass im Einklang mit den Barrierefreiheitsanforderungen der EU für Produkte und Dienstleistungen
klare, benutzerfreundliche und leicht zugängliche Informationen sowohl online als auch offline zur Verfügung stehen. Ältere Verbraucher und Verbraucher mit Behinderung benötigen auch barrierefreie Produkte und unterstützende Technologien, die mit den gängigen Technologien kompatibel sind. Ein faires, diskriminierungsfreies Konzept für den digitalen Wandel sollte den Bedürfnissen von älteren Verbrauchern, Verbrauchern mit Behinderung und ganz allgemein „Offlinern“ Rechnung tragen, die mit digitalen Instrumenten weniger vertraut sind oder nicht so gut zurechtkommen und leichter Opfer von Betrug werden. Die Erfahrungen aus einigen Mitgliedstaaten zeigen, dass lokale Initiativen für die Beratung von Verbrauchern in ländlichen Gebieten oder in Stadtteilen
mit am wirksamsten sind. Organisationen der Sozialwirtschaft sind aufgrund ihrer Nähe zu lokalen und ländlichen Gemeinschaften besonders gut in der Lage, diesen Bedarf zu decken. Ähnliche Initiativen könnten durch gemeinsame Maßnahmen auf EU-Ebene mit dem künftigen MFR gefördert werden.
Kinder und Minderjährige sind durch irreführende oder aggressive Geschäftspraktiken im Internet besonders gefährdet. Es ist wichtig, mehr in lebenslange Verbraucherbildung und Sensibilisierung für Menschen in allen Lebensphasen von der Schule an zu investieren. In diesem Rahmen sollte auch das Finanzwissen gefördert werden, da dieses eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass Verbraucher/innen die richtigen Entscheidungen über ihre persönlichen Finanzen treffen können.
Eine bessere Koordinierung der Maßnahmen zwischen den zentralen Akteuren auf nationaler und EU-Ebene in Bereichen wie Zugang zu Online-Lehrmaterial und Kapazitätsaufbau könnte dazu beitragen, Synergien, kontinuierliche Innovation sowie Anpassung und Übernahme neuer Online- und pädagogischer Konzepte zu bewirken, unter anderem durch die Schaffung von Online-Plattformen und anderen Instrumenten.
Kinder sind auch in besonderem Maße Gefahren ausgesetzt, die von Produkten ausgehen.
Von allen Produkten, die 2019 im Safety-Gate/RAPEX-System als gefährlich gemeldet wurden, waren 32 % Spielzeug oder Babyartikel. Die Kommission wird nicht nur die Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit überarbeiten und den Gesamtrahmen stärken, sondern auch aktualisierte Sicherheitsanforderungen im Zusammenhang mit Normen für Produkte für Kinder erarbeiten. Die Kommission plant ferner, die Probenahme und Untersuchung von Produkten für Kinder
im Wege einer koordinierten Marktüberwachung durch die Mitgliedstaaten
zu unterstützen. Zudem wird sie den Schutz der Sicherheit von Kindern und anderen schutzbedürftigen Gruppen bei der Vergabe des EU-Preises für Produktsicherheit 2021 berücksichtigen, um bewährte Geschäftspraktiken in diesem Bereich zu fördern.
Die Richtlinie 2004/113/EG
gewährleistet die Gleichbehandlung von Männern und Frauen beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Waren und Dienstleistungen. Dies umfasst beispielsweise den Schutz gegenüber der Verweigerung des Zugangs zu Kreditdienstleistungen für Schwangere, weil mit potenziellen Einkommensverlusten gerechnet wird, und dem Ausschluss alleinerziehender Mütter von bestimmten Finanzdienstleistungen, weil ihnen ein höheres Ausfallrisiko unterstellt wird. Zudem wird mit der Richtlinie 2000/43/EG im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten ein Rahmen für die Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft geschaffen.
Die Gefahr einer Diskriminierung wird mitunter durch Algorithmen verschärft, die von bestimmten Anbietern von Waren und Dienstleistungen verwendet werden und die möglicherweise mit gewissen Vorurteilen formuliert wurden, denen häufig bereits bestehende kulturelle und gesellschaftliche Erwartungen zugrunde liegen. Dies kann zwar ganz allgemein zu einer Diskriminierung von Verbrauchern führen, betrifft aber häufig bestimmte Gruppen stärker als andere, insbesondere Angehörige ethnischer oder rassischer Minderheiten. Der anstehende Vorschlag für einen horizontalen Rechtsrahmen für künstliche Intelligenz soll sich insbesondere mit der Frage befassen, wie die Gefahr begrenzt werden kann, dass Vorurteile und Diskriminierung in algorithmische Systeme eingebaut werden.
Darüber hinaus hat die Verhaltensökonomie
nachgewiesen, dass das Verhalten der Verbraucher – vor allem im Internet – häufig von kognitiven Verzerrungen beeinflusst wird, die von Gewerbetreibenden zu kommerziellen Zwecken ausgenutzt werden können. Diese neuen Formen von Risiken können praktisch alle Verbraucher/innen betreffen. Transparenzverpflichtungen sind sicherlich wichtig, wenn es darum geht, Informationsasymmetrien zu beseitigen (wie bereits im Zusammenhang mit dem digitalen Wandel erwähnt), doch bedarf es einer weiteren Prüfung, um festzustellen, ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um gezielt auf diese dynamische Form der Schutzbedürftigkeit einzugehen.
·Maßnahme 15: Ab 2021 plant die Kommission eine Aufstockung der Mittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Verfügbarkeit und der Qualität von Schuldnerberatungsdiensten in den Mitgliedstaaten.
·Maßnahme 16: Die Kommission beabsichtigt, ab 2021 Initiativen zur lokalen Beratung von Verbrauchern zu unterstützen, die aus strukturellen oder persönlichen Gründen keinen Zugang zu online oder bei zentralen Informationsstellen bereitgestellter Unterstützung und Information haben.
·Maßnahme 17: Im Jahr 2021 will die Kommission einen Beschluss der Kommission über Sicherheitsanforderungen ausarbeiten, denen Normen für Babyartikel genügen müssen, und außerdem den Rahmen für die Produktsicherheit durch einen Vorschlag für die Überarbeitung der Richtlinie über die allgemeine Produktsicherheit stärken.
·Maßnahme 18: Bis 2023 wird die Kommission ein strategisches Konzept für die Verbesserung des Verbraucherbewusstseins und der Verbraucherbildung erarbeiten und dabei auch den Bedürfnissen verschiedener Gruppen Rechnung tragen, unter anderem auf der Grundlage von Gleichstellungs- und Antidiskriminierungsansätzen.
3.5. Verbraucherschutz im globalen Kontext
Beispiel: Mit der Zunahme des elektronischen Handels gewinnt die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern, insbesondere China, immer mehr an Bedeutung. Der Anteil der Käufe bei Verkäufern außerhalb der EU stieg von 17 % im Jahr 2014 auf 27 % im Jahr 2019.
Eine Intensivierung der Zusammenarbeit mit China im Bereich der Produktsicherheit durch einen Aktionsplan mit online verkauften Produkten als besonderem Schwerpunkt könnte dazu beitragen, die Zahl der unsicheren Produkte, die direkt an Verbraucher/innen in der EU verkauft werden, zu verringern.
Die Produktions- und Wertschöpfungsketten haben eine zunehmende Globalisierung und Vernetzung erfahren. Die Vertriebs- und Einzelhandelsketten werden durch das rasche Wachstum des Online-Handels und der Plattformwirtschaft angetrieben. Daher ist eine enge internationale Zusammenarbeit zwischen den Behörden und allen Akteuren der Lieferkette wichtig, um einen wirksamen Verbraucherschutz zu gewährleisten. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die EU auf internationaler Ebene ihr hohes Verbraucherschutzniveau als europäischen Wert und als europäisches Modell propagiert.
Die Gewährleistung der Sicherheit von Einfuhren und der Schutz der Verbraucher/innen in der EU vor unlauteren Geschäftspraktiken, die von Anbietern aus Drittländern angewendet werden, erfordert verstärkte interne Maßnahmen mithilfe stärkerer Marktüberwachungsinstrumente und eine engere Zusammenarbeit mit den Behörden in den EU-Partnerländern. Zahlreiche gefährliche Produkte, die in der EU angetroffen werden, stammen aus Drittländern. Im Jahr 2019 beispielsweise betrafen 64 % der Warnmeldungen im Safety-Gate/RAPEX-System Produkte, die außerhalb des EWR, häufig in China, hergestellt worden waren. Seit 2006 betreibt die Kommission über das RAPEX-China-System eine Zusammenarbeit im Bereich der Produktsicherheit, was dazu beigetragen hat, dass die Zahl der unsicheren Produkte zurückgegangen ist, auch wenn sie insgesamt hoch bleibt.
Die Zusammenarbeit und der Austausch von Daten über gefährliche Produkte mit Ländern mit ähnlichen Märkten könnten eine weitere Möglichkeit sein, die Sicherheit der Verbraucher/innen in der EU zu gewährleisten. Dadurch könnten die Mitgliedstaaten gezielter vorgehen und neuen und sich abzeichnenden Risiken entgegenwirken. Um diese Bemühungen zu unterstützen, hat die Kommission Regelungen für einen regelmäßigen Informationsaustausch über gefährliche Produkte mit Kanada getroffen. Sie nutzt auch das große Potenzial der Handelspolitik und erörtert derzeit die Aufnahme eines ähnlichen Austausches über die Sicherheit und Konformität von Non-Food-Produkten und die entsprechende Marktüberwachung in die Handelsabkommen, die derzeit (z. B. mit Australien, Neuseeland und Chile) ausgearbeitet werden.
Ebenso wichtig ist es, eine enge Zusammenarbeit mit den Ländern der Europäischen Nachbarschaft und den westlichen Balkanländern anzustreben. Letzteren kommt aufgrund ihrer geografischen Nähe und ihrer Angleichung an den EU-Besitzstand im Bereich Verbraucherschutz und -sicherheit besondere Bedeutung zu.
Die hohen Verbraucherschutzstandards der EU können Ländern mit weniger fortschrittlichen Verbraucherschutzstrukturen als Beispiel dienen und sollten bei der internationalen Themensetzung gefördert werden. So haben einige Drittländer bereits großes Interesse an der Einführung eines dem Safety-Gate/RAPEX-System der EU entsprechenden Systems bekundet. In diesem Zusammenhang leistet die Kommission regulatorische Unterstützung und beteiligt sich an Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau.
Die multilaterale Zusammenarbeit in Verbraucherfragen ist für die Förderung eines hohen Schutz- und Sicherheitsniveaus auf internationaler Ebene und für den Schutz der Verbraucher weltweit von zentraler Bedeutung. In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission weiterhin ihren Einfluss in internationalen Organisationen wie der Welthandelsorganisation (WTO), der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) oder der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geltend machen, um diese Ziele zu erreichen.
·Maßnahme 19: Für 2021 strebt die Kommission an, mit China einen Aktionsplan für eine verstärkte Zusammenarbeit im Bereich der Produktsicherheit für online verkaufte Produkte zu erarbeiten.
·Maßnahme 20: Ab 2021 wird die Kommission regulatorische Unterstützung, technische Hilfe und Kapazitätsaufbau für die EU-Partnerländer unter anderem in Afrika entwickeln.
4.Governance
In dieser Agenda werden die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur Förderung der verbraucherpolitischen Prioritäten dargelegt, die von der EU und ihren Mitgliedstaaten in den kommenden fünf Jahren und darüber hinaus verfolgt werden könnten. Ihr Erfolg wird von einer breit angelegten Partnerschaft abhängen, in die alle relevanten Interessenträger einbezogen werden. Diese neue Vision des Zusammenwirkens zwischen den politischen Prioritäten der EU und der Mitgliedstaaten erfordert einen neuen Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit, der konkrete Maßnahmen ermöglicht. Sie sollte auf jährlichen Prioritäten aufbauen, die bei einem jährlichen Verbrauchergipfel erörtert werden, zu dem alle Interessenträger
um den Weltverbrauchertag
herum zusammenkommen. Auf dem Gipfel sollten die im Vorjahr erzielten Fortschritte überprüft und die Prioritäten für das kommende Jahr festgelegt werden.
Die Kommission wird sich um regelmäßige Gespräche mit dem Europäischen Parlament, dem Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen bemühen. Sie wird auch im Rahmen der bestehenden Netze
, Arbeitsgruppen oder Ad-hoc-Taskforces eng mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten. Die Kommission wird in diesem Zusammenhang eng mit den nationalen Behörden zusammenarbeiten, um eine enge Koordinierung der Maßnahmen und eine optimale Nutzung der einschlägigen verfügbaren Mittel auf EU- und nationaler Ebene zu gewährleisten. Der Austausch der Ergebnisse von Forschung und wissenschaftlichen Projekten sowie der Datenaustausch zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission könnte zu einer soliden Faktengrundlage beitragen.
Diese Arbeit sollte durch eine enge, wirksame Zusammenarbeit mit maßgeblichen Interessenträgern, darunter Verbraucherorganisationen, Industrievertreter und Wissenschaftler, flankiert werden. Starke Verbraucherorganisationen auf Unions- und nationaler Ebene sind unverzichtbare Partner bei der Gestaltung der Arbeit im Rahmen dieser Agenda, der Kontaktaufnahme mit den Verbrauchern und ihrer Unterstützung. Die Kommission wird eine neue Beratergruppe für Verbraucherpolitik einsetzen, die die Fortschritte überprüfen und als Beitrag zu den Beratungen des Verbrauchergipfels Überlegungen über Prioritäten für das jeweils folgende Jahr anstellen soll. Diese Beratergruppe sollte sämtliche Interessenträger zusammenbringen, aber auch gezielte Gespräche, z. B. zwischen Verbraucherorganisationen und Behörden, ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit Unternehmen sollte in verschiedenen Formen erfolgen, darunter Schulungsmaßnahmen, der Austausch bewährter Verfahren und Treffen mit Unternehmen, die freiwillige Zusagen gemacht haben.
Parallel dazu sollte das derzeitige Verbraucherbarometer zur Lage der Verbraucher in der gesamten EU weiterentwickelt werden, um die Realität des Verbraucherschutzes, der Produktsicherheit und des nachhaltigen Verbrauchs auf EU- und nationaler Ebene mithilfe überarbeiteter Indikatoren besser widerzuspiegeln. Es sollte auf einem verstärkten Datenerfassungssystem aufbauen, das die Situation in allen Märkten und Ländern, die Ansichten und das Verhalten der Verbraucher sowie die Durchsetzungskapazitäten und ‑maßnahmen der Mitgliedstaaten erfasst. Auf der Grundlage der mit dem Verbraucherbarometer erhobenen Daten und der engen Zusammenarbeit mit allen Interessenträgern könnten Maßnahmen und Aktionen der EU und der Mitgliedstaaten so konzipiert, aufeinander abgestimmt und priorisiert werden, dass eine größtmögliche Wirkung zum Nutzen der Verbraucher in der gesamten EU erzielt wird.
·Maßnahme 21: Die Kommission will eine Beratergruppe für Verbraucherpolitik
einrichten, in der Vertreter der Verbraucherorganisationen, der Zivilgesellschaft und der Industrie zusammenkommen, um die Verbraucheragenda zu unterstützen.
·Maßnahme 22: Die Kommission plant, 2021 das Verbraucherbarometer zu überarbeiten, um seine Überwachungs- und Benchmarking-Funktion sowie seine Bedeutung für die Stärkung der Zusammenarbeit bei der Durchsetzung in der EU zu verbessern.
5.Fazit
Die EU verfügt über einen soliden Verbraucherschutzrahmen, der sich über viele Jahre entwickelt hat und in jüngster Zeit durch mehrere Gesetzgebungsinitiativen gestärkt wurde, von denen die Verbraucher in der EU in den kommenden Jahren profitieren werden. In dieser neuen Verbraucheragenda wird umrissen, wie die erwähnten Errungenschaften durch eine Reihe von Maßnahmen konsolidiert werden könnten, um die Herausforderungen zu bewältigen, von denen viele in der derzeitigen Pandemie noch deutlicher geworden sind, und um den Gesamtrahmen für die Zusammenarbeit zwischen den EU-Organen, den Mitgliedstaaten und den Interessenträgern zu stärken. Auf diese Weise würden wichtige Impulse für eine nachhaltige Erholung und Resilienz der Wirtschaft und der Verbraucher in der EU gegeben.
Die Kommission sieht einem breit angelegten Dialog mit allen interessierten Kreisen über die Prioritäten und Maßnahmen sowie die Methoden der Zusammenarbeit zur Förderung des Verbraucherschutzes in den kommenden Jahren nach Maßgabe dieser Agenda erwartungsvoll entgegen.