EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 20.5.2020
COM(2020) 381 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
„Vom Hof auf den Tisch“ – eine Strategie für ein faires, gesundes und umweltfreundliches Lebensmittelsystem
INHALTSVERZEICHNIS
1.Handlungsbedarf
2.Gestaltung einer für Verbraucher, Erzeuger, Klima und Umwelt förderlichen Lebensmittelversorgungskette
2.1.Eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung sicherstellen
2.2.Die Ernährungssicherheit gewährleisten
2.3.Förderung nachhaltiger Verfahren in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Großhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe und Verpflegungsdienstleistungen
2.4.Förderung eines nachhaltigen Lebensmittelverzehrs und Erleichterung der Umstellung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung
2.5.Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung
2.6.Bekämpfung von Lebensmittelbetrug entlang der Lebensmittelversorgungskette
3.Den Wandel ermöglichen
3.1.Forschung, Innovation, Technologie und Investitionen
3.2.Beratungsdienste, Daten‑ und Wissensaustausch sowie Kompetenzen
4.Förderung des globalen Wandels
5.Schlussfolgerungen
1.Handlungsbedarf
Im europäischen Grünen Deal wird dargelegt, wie Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent werden kann. Der Weg dorthin führt über eine neue, nachhaltige und integrative Wachstumsstrategie, die die Wirtschaft stimuliert, die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen verbessert, die Natur schützt und niemanden zurücklässt.
Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ stellt das Kernstück des Grünen Deals dar. Sie gibt eine umfassende Antwort auf die Herausforderungen nachhaltiger Lebensmittelsysteme und erkennt an, dass gesunde Menschen, gesunde Gesellschaften und ein gesunder Planet untrennbar miteinander verbunden sind. Die Strategie ist ein zentraler Bestandteil der Agenda der Kommission zur Verwirklichung der Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (SDG). Allen Bürgerinnen und Bürgern und allen Akteuren der Wertschöpfungsketten in der EU und außerhalb sollte ein gerechter Übergang ermöglicht werden, insbesondere nach der COVID-19-Pandemie und dem Einbruch der Konjunktur. Eine Umstellung auf ein nachhaltiges Lebensmittelsystem kann ökologischen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Gewinn mit sich bringen, wirtschaftliche Chancen eröffnen und sicherstellen, dass uns der Weg aus der Krise heraus in Richtung Nachhaltigkeit führt.
Den Bemühungen um Wiederaufbau und Wandel wird nur dann Erfolg vergönnt sein, wenn für die Primärerzeuger, deren Einkommen noch immer hinterherhinkt, ein nachhaltiger Lebensunterhalt gesichert ist.
Die COVID-19-Pandemie hat ein Schlaglicht auf die Bedeutung eines belastbaren und resilienten Lebensmittelsystems geworfen, das unter jeglichen Umständen weiter funktioniert und in der Lage ist, die Bürgerinnen und Bürger in ausreichendem Maße mit erschwinglichen Lebensmitteln zu versorgen. Sie hat uns auch die Wechselwirkungen zwischen unserer Gesundheit, unseren Ökosystemen, Versorgungsketten, Verbrauchsmustern und den Belastungsgrenzen unseres Planeten sehr bewusst gemacht. Es liegt auf der Hand, dass wir viel mehr tun müssen, um uns und den Planeten gesund zu halten. Die derzeitige Pandemie ist nur ein Beispiel. Die zunehmend auftretenden Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände und neuen Schädlinge erinnern immer wieder daran, dass unser Lebensmittelsystem bedroht ist und nachhaltiger und resilienter werden muss.
Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ ist ein neuer umfassender Ansatz dafür, wie Europäerinnen und Europäer die Nachhaltigkeit von Lebensmitteln wertschätzen. Sie eröffnet Möglichkeiten dafür, unsere Lebensweise, unsere Gesundheit und den Schutz der Umwelt zu verbessern. Die Schaffung eines förderlichen Lebensmittelumfelds, das die Entscheidung für eine gesunde und nachhaltige Ernährung erleichtert, wird der Gesundheit und Lebensqualität der Verbraucher zugutekommen und zudem die Gesundheitskosten für die Gesellschaft senken. Die Menschen schenken Umwelt-, Gesundheits-, Sozial- und Ethikfragen immer mehr Aufmerksamkeit und achten mehr denn je auf den Wert von Lebensmitteln. Trotz der wachsenden Urbanisierung der Gesellschaft wünschen sich die Menschen einen engeren Bezug zu ihren Lebensmitteln, die frisch, weniger stark verarbeitet und nachhaltig erzeugt sein sollen. Zudem ist der Ruf nach kürzeren Lieferketten während des Covid-19-Ausbruchs lauter geworden. Die Verbraucher sollten in die Lage versetzt werden, sich für nachhaltige Lebensmittel zu entscheiden, und alle Akteure der Lebensmittelkette sollten dies als Verantwortung und Chance begreifen.
Die europäischen Lebensmittel gelten bereits weltweit als Maßstab für sichere, ausreichend verfügbare, nahrhafte und hochwertige Lebensmittel. Dies ist das Ergebnis einer langjährigen EU-Politik zum Schutz der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen und der Arbeit unserer Landwirte, Fischer und Aquakulturproduzenten. Nun sollten europäische Lebensmittel auch in puncto Nachhaltigkeit globale Maßstäbe setzen. Die vorliegende Strategie zielt darauf ab, jene Landwirte, Fischer und anderen Akteure der Lebensmittelkette, die den Übergang zu nachhaltigen Verfahren bereits vollzogen haben, zu entlohnen, den anderen den Übergang zu ermöglichen sowie zusätzliche Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen. Die Landwirtschaft der EU ist das einzige große System der Welt, das die Treibhausgasemissionen gesenkt hat (um 20 % seit 1990). Allerdings verlief diese Entwicklung auch innerhalb der EU weder linear noch einheitlich in den einzelnen Mitgliedstaaten. Darüber hinaus haben die Herstellung, die Verarbeitung, der Einzelhandel, die Verpackung und der Transport von Lebensmitteln einen wesentlichen Anteil an der Verschmutzung von Luft, Böden und Wasser und an den Treibhausgasemissionen sowie tiefgreifende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt. Obwohl der Übergang der EU zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen in vielen Bereichen eingeleitet ist, sind diese Systeme nach wie vor einer der Hauptverursacher von Klimawandel und Umweltzerstörung. Es ist dringend erforderlich, die Abhängigkeit von Pestiziden und antimikrobiellen Mitteln zu verringern, den übermäßigen Einsatz von Düngemitteln zu reduzieren, den ökologischen Landbau zu intensivieren, den Tierschutz zu verbessern und den Verlust an biologischer Vielfalt rückgängig zu machen.
Im Klimagesetz ist das Ziel festgelegt, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Die Kommission wird bis September 2020 einen Klimazielplan 2030 vorlegen, mit dem die Treibhausgasemissionen gegenüber 1990 noch stärker verringert werden sollen, nämlich um bis zu 50 % oder 55 %. In der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ wird ein neuer Ansatz festgelegt, mit dem sichergestellt werden soll, dass Landwirtschaft, Fischerei und Aquakultur sowie die Lebensmittelwertschöpfungskette angemessen zu diesem Prozess beitragen.
Der Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen birgt auch enorme wirtschaftliche Möglichkeiten. Die Erwartungshaltung der Bürgerinnen und Bürger entwickelt sich weiter, was erhebliche Veränderungen auf dem Lebensmittelmarkt mit sich bringt. Dies ist eine Chance für Landwirte, Fischer und Aquakulturproduzenten genauso wie für Lebensmittelverarbeiter und Verpflegungsdienstleister. Sie können den Übergang zur Nachhaltigkeit als Markenzeichen nutzen und die Zukunft der Lebensmittelkette in der EU sichern, bevor ihre Konkurrenten außerhalb der EU dies tun. Der Übergang zur Nachhaltigkeit bietet allen Akteuren der EU-Lebensmittelkette einen Pioniervorteil.
Es liegt auf der Hand, dass der Übergang nicht ohne eine Änderung des Ernährungsverhaltens der Menschen vollzogen werden kann. Jedoch können sich 33 Millionen Menschen in der EU nicht einmal alle zwei Tage eine hochwertige Mahlzeit leisten, und die Nahrungsmittelhilfe ist in vielen Mitgliedstaaten für Teile der Bevölkerung lebenswichtig. Das Problem der Ernährungsunsicherheit und der Erschwinglichkeit könnte sich während eines Wirtschaftsabschwungs verschärfen, weshalb unbedingt Maßnahmen zur Änderung der Verbrauchsmuster und zur Eindämmung der Lebensmittelverschwendung ergriffen werden müssen. Rund 20 % aller erzeugten Lebensmittel werden weggeworfen, gleichzeitig nimmt die Fettleibigkeit zu. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen ist inzwischen übergewichtig‚ was zu einer hohen Prävalenz ernährungsbedingter Erkrankungen (einschließlich verschiedener Krebsarten) und einem Anstieg der damit verbundenen Gesundheitskosten beiträgt. Generell entspricht die Ernährungsweise in Europa nicht den nationalen Ernährungsempfehlungen, und das „Lebensmittelumfeld“ stellt nicht sicher, dass die gesunde Alternative immer die einfachste ist. Würden die Europäer die Ernährungsempfehlungen befolgen, würde sich dadurch auch der ökologische Fußabdruck der Lebensmittelsysteme erheblich verkleinern.
Es liegt auch auf der Hand, dass wir nur dann etwas verändern können, wenn wir den Rest der Welt mit auf die Reise nehmen. Die EU ist der größte Importeur und Exporteur von Agrarlebensmitteln und der größte Markt der Welt für Meereserzeugnisse. Die Herstellung von Waren kann negative ökologische und soziale Auswirkungen in den Ländern zeitigen, in denen sie hergestellt werden. Daher sollten die Bemühungen um eine Verschärfung der Nachhaltigkeitsanforderungen im EU-Lebensmittelsystem von Politikmaßnahmen flankiert werden, die weltweit auf eine Anhebung der Standards hinarbeiten‚ um die Externalisierung und den Export nicht nachhaltiger Praktiken zu vermeiden.
Ein nachhaltiges Lebensmittelsystem ist die Voraussetzung dafür, dass wir die Klima- und Umweltziele des Grünen Deals erreichen und gleichzeitig die Einkommen der Primärerzeuger verbessern und die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken. Mit der vorliegenden Strategie wird der Übergang gefördert, indem die für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Lebensmittelunternehmer gleichermaßen neu entstehenden Chancen in den Mittelpunkt gestellt werden.
2.Gestaltung einer für Verbraucher, Erzeuger, Klima und Umwelt förderlichen Lebensmittelversorgungskette
Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, den ökologischen und klimatischen Fußabdruck des Lebensmittelsystems der Union zu verkleinern und dessen Resilienz zu stärken, die Ernährungssicherheit angesichts des Klimawandels und des Verlusts an biologischer Vielfalt sicherzustellen und den globalen Wandel hin zu einer wettbewerbsgerechten Nachhaltigkeit vom Hof auf den Tisch anzuführen und die neuen Chancen, die sich bieten, zu nutzen. Dies bedeutet:
Ødafür zu sorgen, dass die Lebensmittelkette von der Erzeugung über Transport und Vertrieb bis hin zu Vermarktung und Verzehr neutrale oder positive Umweltauswirkungen hat und dass die Land-, Süßwasser- und Meeresressourcen, von denen das Lebensmittelsystem abhängt, erhalten und wiederhergestellt werden, zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Auswirkungen beizutragen, Land, Boden, Wasser, Luft, Pflanzen- und Tiergesundheit sowie Tierwohl zu schützen und den Verlust an biologischer Vielfalt umzukehren;
Ødie gesicherte Versorgung mit Lebensmitteln, die Ernährung und die öffentliche Gesundheit sicherzustellen – dafür müssen alle Menschen Zugang zu ausreichenden, nahrhaften und nachhaltigen Lebensmitteln haben, die hohe Standards in Bezug auf Sicherheit und Qualität, Pflanzengesundheit sowie Tiergesundheit und Tierschutz erfüllen und die gleichzeitig den Ernährungsbedürfnissen und -gewohnheiten gerecht werden; und
Ødie Preise für Lebensmittel erschwinglich zu halten und gleichzeitig einen gerechteren wirtschaftlichen Ertrag in der Lieferkette zu erzeugen, damit schließlich die nachhaltigsten Lebensmittel auch die erschwinglichsten sind, die Wettbewerbsfähigkeit des EU-Versorgungssektors zu fördern, den fairen Handel zu unterstützen, neue Geschäftsmöglichkeiten zu schaffen und gleichzeitig die Integrität des Binnenmarkts zu wahren und die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu schützen.
Die Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme ist ein globales Thema und die Lebensmittelsysteme werden sich an unterschiedlichste Herausforderungen anpassen müssen. Mit dieser Strategie kann die EU beim Setzen globaler Maßstäbe eine Schlüsselrolle spielen. Darin werden Schlüsselziele in vorrangigen Bereichen für die EU als Ganzes festgelegt. Neben neuen politischen Initiativen ist die Durchsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften, insbesondere in den Bereichen Tierschutz, Pestizideinsatz und Umweltschutz, für einen gerechten Übergang von wesentlicher Bedeutung. In dem Ansatz werden unterschiedliche Ausgangssituationen und Verbesserungspotenziale auf Ebene der Mitgliedstaaten berücksichtigt. Darin wird auch anerkannt, dass der Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem das wirtschaftliche Gefüge vieler Regionen der EU und ihre Interaktionsmuster verändern wird. Flankiert wird der Wandel durch technische und finanzielle Unterstützung aus bestehenden EU-Instrumenten wie dem Kohäsionsfonds und dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER). Neue Gesetzgebungsinitiativen werden durch die Instrumente der Kommission für eine bessere Rechtsetzung untermauert. Gestützt auf öffentliche Konsultationen, die Ermittlung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen und die Untersuchung der Fragen, wie kleine und mittlere Unternehmen (KMU) betroffen sind und Innovationen gefördert oder behindert werden, werden Folgenabschätzungen dazu beitragen, dass effiziente politische Entscheidungen zu möglichst geringen Kosten im Einklang mit den Zielen des Grünen Deals getroffen werden. Um den Wandel zu beschleunigen und zu erleichtern und um sicherzustellen, dass alle in der EU in Verkehr gebrachten Lebensmittel immer nachhaltiger werden, wird die Kommission bis Ende 2023 eine Rechtsetzungsinitiative mit einem Rahmen für ein nachhaltiges Lebensmittelsystem vorschlagen. Dies wird die Kohärenz der politischen Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene fördern, eine durchgängige Berücksichtigung der Nachhaltigkeit in allen lebensmittelbezogenen Politikfeldern bewirken und die Resilienz der Lebensmittelsysteme stärken. Nach einer breit angelegten Konsultation und einer Folgenabschätzung wird die Kommission gemeinsame Definitionen sowie allgemeine Grundsätze und Anforderungen für nachhaltige Lebensmittelsysteme und Lebensmittel erarbeiten. Innerhalb dieses Rahmens werden auch die Verantwortlichkeiten aller Akteure des Lebensmittelsystems behandelt. In Verbindung mit der Zertifizierung und Kennzeichnung der Nachhaltigkeitsleistung von Lebensmitteln und mit gezielten Anreizen bietet der Rahmen den Marktteilnehmern die Möglichkeit, von nachhaltigen Verfahren zu profitieren und die Nachhaltigkeitsstandards schrittweise anzuheben, sodass diese für alle Lebensmittel, die in der EU in Verkehr gebracht werden, zur Norm werden.
2.1.Eine nachhaltige Lebensmittelerzeugung sicherstellen
Alle Akteure der Lebensmittelkette müssen ihren Beitrag zur Verwirklichung einer nachhaltigen Lebensmittelkette leisten. Landwirte, Fischer und Aquakulturproduzenten müssen ihre Erzeugungsmethoden rascher umgestalten und naturbasierte, technologische, digitale und weltraumgestützte Lösungen vollständig ausschöpfen, um die Klima- und Umweltergebnisse zu verbessern, die Klimaresilienz zu erhöhen und den Einsatz von Betriebsmitteln (z. B. Pestizide, Düngemittel) zu verringern und zu optimieren. Diese Lösungen erfordern personelle und finanzielle Investitionen, versprechen aber auch höhere Renditen durch Schaffung eines Mehrwerts und durch Kostensenkungen.
Ein Beispiel für ein neues grünes Geschäftsmodell ist die CO2-Bindung durch Land- und Forstwirte. Bewirtschaftungsmethoden, mit denen Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernt wird, tragen zum Ziel der Klimaneutralität bei und sollten entweder durch GAP-Zahlungen oder im Wege anderer öffentlicher oder privater Initiativen (CO2-Markt) entlohnt werden. Eine neue Initiative der EU für eine klimaeffiziente Landwirtschaft im Rahmen des Klimapakts wird dieses neue Geschäftsmodell fördern, das den Landwirten eine neue Einkommensquelle erschließt und anderen Sektoren bei der Dekarbonisierung der Lebensmittelkette hilft. Wie im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft angekündigt‚ wird die Kommission einen Rechtsrahmen für die Zertifizierung der Entfernung von Kohlendioxid auf der Grundlage einer soliden und transparenten CO2-Buchführung entwickeln, um die Echtheit des Kohlenstoffabbaus zu überwachen und zu überprüfen.
Die biobasierte Kreislaufwirtschaft birgt für die Landwirte und ihre Genossenschaften nach wie vor ein weitgehend ungenutztes Potenzial. So bieten beispielsweise fortschrittliche Bioraffinerien, die Biodünger, Eiweißfuttermittel, Bioenergie und Biochemikalien herstellen, Möglichkeiten für den Übergang zu einer klimaneutralen europäischen Wirtschaft und die Schaffung neuer Arbeitsplätze in der Primärerzeugung. Die Landwirte sollten die Gelegenheit zur Verringerung der Methanemissionen von Nutztieren nutzen, indem sie die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen ausbauen und in Fermenter für die Biogaserzeugung aus landwirtschaftlichen Abfällen und Reststoffen wie Gülle investieren. Landwirtschaftliche Betriebe haben auch das Potenzial, Biogas aus anderen Abfall- und Reststoffen, etwa aus der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, aus Schmutzwasser, Abwasser und Siedlungsabfällen, zu erzeugen. Bauernhöfe und Scheunen eignen sich häufig hervorragend für die Anbringung von Solarpaneelen, daher sollten solche Investitionen in den künftigen GAP-Strategieplänen Priorität erhalten. Die Kommission wird im Rahmen der Initiativen und Programme zur Förderung sauberer Energie Maßnahmen ergreifen, um die Markteinführung dieser und anderer Energieeffizienzlösungen in der Landwirtschaft und im Lebensmittelsektor zu beschleunigen, sofern diese Investitionen auf nachhaltige Weise und ohne Beeinträchtigung der Ernährungssicherheit oder der biologischen Vielfalt getätigt werden.
Der Einsatz chemischer Pestizide in der Landwirtschaft trägt zur Verschmutzung von Böden, Wasser und Luft sowie zum Verlust der biologischen Vielfalt bei und kann Nichtzielpflanzen, Insekten, Vögeln, Säugetieren und Amphibien schaden. Die Kommission hat bereits einen harmonisierten Risikoindikator aufgestellt, um die Fortschritte bei der Verringerung der mit Pestiziden verbundenen Risiken zu quantifizieren. Demzufolge haben sich diese Risiken in den letzten fünf Jahren um 20 % verringert. Die Kommission wird weitere Maßnahmen ergreifen, um bis 2030 den Einsatz von und das Risiko durch chemische Pestizide insgesamt um 50 % und den Einsatz von Pestiziden mit höherem Risiko um 50 % zu verringern. Um den Weg für Alternativen zu ebnen und die landwirtschaftlichen Einkommen zu erhalten, wird die Kommission eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Sie wird die Richtlinie über die nachhaltige Verwendung von Pestiziden überarbeiten, die Bestimmungen über den integrierten Pflanzenschutz verbessern und den verstärkten Einsatz sicherer alternativer Methoden zum Schutz der Ernten vor Schädlingen und Krankheiten fördern. Mit dem integrierten Pflanzenschutz wird der Einsatz alternativer Methoden wie Fruchtfolge und mechanische Unkrautbekämpfung gefördert, und das Konzept wird eines der Hauptinstrumente zur Verringerung der Verwendung chemischer Pestizide und der Abhängigkeit davon im Allgemeinen und der Verwendung von Pestiziden mit höherem Risiko im Besonderen sein. Landbewirtschaftungsmethoden, die den Einsatz von Pestiziden im Rahmen der GAP verringern, werden von größter Bedeutung sein, und die Strategiepläne sollten diesen Übergang widerspiegeln und den Zugang zu Beratungsdiensten fördern. Die Kommission wird auch das Inverkehrbringen von Pestiziden, die biologische Wirkstoffe enthalten, erleichtern und die Bewertung der von Pestiziden ausgehenden Umweltrisiken verstärken. Sie wird auf die Verkürzung der Verfahren zur Zulassung von Pestiziden durch die Mitgliedstaaten hinarbeiten. Ferner wird sie Änderungen an der Verordnung von 2009 über Statistiken zu Pestiziden vorschlagen, damit Datenlücken geschlossen werden können, und die Politikgestaltung auf Basis von Evidenzdaten fördern.
Aufgrund eines übermäßigen Eintrags und angesichts der Tatsache, dass nicht alle in der Landwirtschaft verwendeten Nährstoffe tatsächlich von den Pflanzen aufgenommen werden, befindet sich in der Umwelt ein Nährstoffüberschuss (insbesondere an Stickstoff und Phosphor), der eine weitere Hauptquelle der Luft-, Boden- und Wasserverschmutzung sowie der Klimaschädigung ist.
Dadurch hat sich die biologische Vielfalt in Flüssen, Seen, Feuchtgebieten und Meeren verringert.
Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um die Nährstoffverluste bei gleichbleibender Bodenfruchtbarkeit um mindestens 50 % zu verringern. Dadurch wird der Einsatz von Düngemitteln bis 2030 um mindestens 20 % reduziert. Dies soll erreicht werden, indem die einschlägigen Umwelt- und Klimavorschriften vollständig umgesetzt und durchgesetzt werden, indem gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ermittelt wird, in welchem Umfang die Nährstoffbelastung zur Erreichung dieser Ziele gesenkt werden muss, indem eine ausgewogene Düngung und eine nachhaltige Nährstoffbewirtschaftung betrieben werden und indem die Stickstoff- und Phosphorbewirtschaftung während des gesamten Lebenszyklus verbessert wird. Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten einen Plan für integriertes Nährstoffmanagement entwickeln, mit dem die Nährstoffbelastung an der Quelle bekämpft und die Nachhaltigkeit des Tierhaltungssektors verbessert werden soll. Die Kommission wird auch in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten darauf hinarbeiten, die Anwendung von Präzisionsdüngungsverfahren und nachhaltigen Landbewirtschaftungsmethoden, insbesondere in Gebieten mit dichter Intensivtierhaltung, sowie das Recycling organischer Abfälle zu erneuerbaren Düngemitteln auszuweiten. Dies wird im Rahmen von Maßnahmen erfolgen, die die Mitgliedstaaten in ihren jeweiligen GAP-Strategieplan aufnehmen, wie z. B. das Betriebsnachhaltigkeitsinstrument für Nährstoffe, Investitionen und Beratungsdienste sowie über EU-Weltraumtechnologien (Copernicus, Galileo).
Die Landwirtschaft ist für 10,3 % der Treibhausgasemissionen der EU verantwortlich‚ von denen fast 70 % aus der Tierhaltung
stammen. Es handelt sich dabei nicht um CO2, sondern um Methan und Distickstoffoxid. Darüber hinaus werden 68 % der gesamten landwirtschaftlichen Fläche für die tierische Erzeugung genutzt. Die Kommission wird das Inverkehrbringen nachhaltiger und innovativer Futtermittelzusatzstoffe erleichtern, um einen Beitrag zur Reduzierung der Auswirkungen der tierischen Erzeugung auf Umwelt und Klima, zur Vermeidung der Verlagerung von CO2-Emissionen durch Einfuhren und zur Unterstützung des derzeit laufenden Übergangs zu einer nachhaltigeren Tierhaltung zu leisten. Sie wird prüfen, wie sich die Abhängigkeit von kritischen Futtermittel-Ausgangserzeugnissen (z. B. auf entwaldeten Flächen angebaute Sojabohnen) durch EU-Vorschriften reduzieren lässt, indem in der EU erzeugte Pflanzenproteine sowie alternative Futtermittel-Ausgangserzeugnisse wie Insekten, marine Biomasse (z. B. Algen) und Reststoffe aus der Bioökonomie (z. B. Fischabfälle) gefördert werden. Darüber hinaus überprüft die Kommission derzeit das EU-Absatzförderungsprogramm für landwirtschaftliche Erzeugnisse, um dessen Beitrag zur Nachhaltigkeit bei Erzeugung und Verzehr im Einklang mit dem sich verändernden Ernährungsverhalten zu stärken. In Bezug auf Fleisch sollte im Mittelpunkt dieser Überprüfung stehen, wie die EU ihr Absatzförderungsprogramm nutzen kann, um die nachhaltigsten und kohlenstoffeffizientesten Methoden der tierischen Erzeugung zu unterstützen. Ferner wird sie alle in den Strategieplänen enthaltenen Vorschläge für gekoppelte Stützung genau danach bewerten, ob sie der Notwendigkeit einer allgemeinen Nachhaltigkeit entsprechen.
Antimikrobielle Resistenzen (AMR) in Verbindung mit dem übermäßigen und unsachgemäßen Einsatz von antimikrobiellen Mitteln in der Human- und Tiermedizin kosten in EU/EWR jährlich schätzungsweise 33 000 Menschen das Leben und führen zu einer beträchtlichen finanziellen Belastung der Gesundheitssysteme. Daher wird die Kommission Maßnahmen ergreifen, um die Gesamtverkäufe von für Nutztiere und für die Aquakultur bestimmten antimikrobiellen Mitteln bis 2030 um 50 % zu verringern. Die neuen Verordnungen über Tierarzneimittel und Arzneifuttermittel sehen ein breites Spektrum an Maßnahmen vor, mit denen dieses Ziel erreicht und das Konzept „Eine Gesundheit“ gefördert werden soll.
Ein besseres Tierwohl stärkt die Tiergesundheit und erhöht die Lebensmittelqualität, verringert den Bedarf an Arzneimitteln und kann zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen. Dies entspricht ganz offensichtlich auch dem Wunsch der Bürgerinnen und Bürger. Die Kommission wird die Tierschutzvorschriften, einschließlich derjenigen für den Transport und die Schlachtung von Tieren, überarbeiten, um sie mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in Einklang zu bringen, ihren Anwendungsbereich auszuweiten, die Durchsetzung zu erleichtern und so letztlich ein höheres Tierschutzniveau sicherzustellen. Untermauert wird dieser Prozess durch die Strategiepläne und die neuen strategischen Leitlinien der EU für Aquakultur. Die Kommission wird auch prüfen, ob sich der Werteaspekt entlang der Lebensmittelkette besser durch Tierwohlkennzeichnungen vermitteln lässt.
Der Klimawandel bringt neue Gefahren für die Pflanzengesundheit mit sich. Das Nachhaltigkeitsanliegen erfordert Maßnahmen zum besseren Schutz der Pflanzen vor neu auftretenden Schädlingen und Krankheiten sowie Innovationen. Die Kommission wird Vorschriften zur Stärkung der Wachsamkeit bei Pflanzenimporten und der Überwachung auf dem Gebiet der Union erlassen. Neue innovative Techniken, einschließlich der Biotechnologie und der Entwicklung biobasierter Produkte, können bei der Steigerung der Nachhaltigkeit eine Rolle spielen, sofern sie für Verbraucher und Umwelt sicher sind und gleichzeitig Vorteile für die Gesellschaft insgesamt mit sich bringen. Mit ihnen lässt sich auch die Verringerung der Abhängigkeit von Pestiziden beschleunigen. Auf Ersuchen der Mitgliedstaaten führt die Kommission eine Studie durch, mit der das Potenzial neuartiger genomischer Verfahren für die Verbesserung der Nachhaltigkeit entlang der Lebensmittelversorgungskette untersucht wird. Nachhaltige Lebensmittelsysteme fußen auch auf Saatgutsicherheit und -vielfalt. Die Landwirte müssen Zugang zu einer Auswahl hochwertigen Saatguts für Pflanzensorten haben, die dem Druck des Klimawandels standhalten. Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um die Registrierung von Saatgutsorten, auch von solchen für den ökologischen Landbau, zu vereinfachen und den Marktzugang für traditionelle und an die Verhältnisse vor Ort angepasste Sorten zu erleichtern.
Der Markt für Biolebensmittel wird weiter wachsen und der ökologische Landbau muss weiter vorangetrieben werden. Er wirkt sich positiv auf die biologische Vielfalt aus, schafft Arbeitsplätze und bietet attraktive Bedingungen für Junglandwirte. Bei den Verbrauchern genießt er Wertschätzung. Die Umstellung auf diese Art der Landwirtschaft wird durch den Rechtsrahmen untermauert, doch es bleibt noch so manches zu tun; eine vergleichbare Umstellung muss auch in Bezug auf die Ozeane und Binnengewässer vollzogen werden. Zusätzlich zu den GAP-Maßnahmen wie Öko-Regelungen, Investitionen und Beratungsdiensten sowie den Maßnahmen der gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) wird die Kommission einen Aktionsplan für ökologische Landwirtschaft vorlegen. Mit diesem werden die Mitgliedstaaten dabei unterstützt, sowohl das Angebot als auch die Nachfrage nach ökologischen Erzeugnissen anzukurbeln. Das Verbrauchervertrauen wird dabei durch Absatzförderungskampagnen und ein umweltfreundliches öffentliches Beschaffungswesen sichergestellt und die Nachfrage wird so angekurbelt. Dieser Ansatz wird zur Verwirklichung des Ziels beitragen, bis zum Jahr 2030 mindestens 25 % der landwirtschaftlichen Flächen in der EU ökologisch zu bewirtschaften und die ökologische Aquakultur beträchtlich auszubauen.
Es liegt auf der Hand, dass der Übergang durch eine GAP untermauert werden muss‚ bei der der Schwerpunkt auf dem Grünen Deal liegt. Die neue GAP‚ die die Kommission im Juni 2018 vorgeschlagen hat, soll den Landwirten helfen, ihre Umwelt- und Klimaleistung durch eine Verlagerung des Schwerpunkts auf Ergebnisse, eine bessere Nutzung von Daten und Analysen, verbesserte verbindliche Umweltstandards, neue freiwillige Maßnahmen und eine stärkere Konzentration auf Investitionen in umweltfreundliche und digitale Technologien und Verfahren zu verbessern. Sie soll auch ein angemessenes Einkommen garantieren, mit dem sie ihre Familie ernähren und Krisen jeglicher Art überstehen können.Die Anforderung, die Wirtschaftlichkeit und Wirksamkeit der Direktzahlungen durch eine Deckelung und gezieltere Ausrichtung der Einkommensstützung auf diejenigen Landwirte zu verbessern, die sie brauchen und die ökologische Ergebnisse erarbeiten, und nicht die Einrichtungen und Unternehmen zu bedenken, die lediglich Land zur Verfügung haben, ist nach wie vor ein wesentlicher Bestandteil der künftigen GAP. Die Fähigkeit der Mitgliedstaaten, dies sicherzustellen, muss in den Strategieplänen eingehend bewertet und während der gesamten Durchführung überwacht werden. In ihrer jüngsten Analyse kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Reform tatsächlich das Potenzial hat, den Grünen Deal voranzubringen, dass aber die wichtigsten Bestimmungen der Vorschläge im Verhandlungsprozess beibehalten werden müssen und dass bestimmte Verbesserungen und praktische Initiativen entwickelt werden sollten.
Mit den neuen „Öko-Regelungen“ wird eine wichtige Finanzierungsquelle zur Förderung nachhaltiger Verfahren wie Präzisionslandwirtschaft, Agrarökologie (einschließlich ökologischem Landbau), klimaeffiziente Landwirtschaft und Agrarforstwirtschaft bereitgestellt. Die Mitgliedstaaten und die Kommission müssen sicherstellen, dass sie im Rahmen der Strategiepläne mit angemessenen Ressourcen ausgestattet und angemessen umgesetzt werden. Die Kommission wird die Einführung eines zweckgebundenen Mindestbudgets für Öko-Regelungen unterstützen.
Die Kommission wird ferner vor der förmlichen Vorlage der Entwürfe der Strategiepläne jedem Mitgliedstaat Empfehlungen zu den neun spezifischen Zielen der GAP aussprechen. Sie wird besonders darauf achten, dass die Ziele des Grünen Deals sowie die aus der vorliegenden Strategie und der Biodiversitätsstrategie 2030 stammenden Ziele berücksichtigt werden. Sie wird die Mitgliedstaaten auffordern, unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Lage und der oben genannten Empfehlungen explizite nationale Werte für diese Zielvorgaben festzusetzen. Auf der Grundlage dieser Werte werden die Mitgliedstaaten dann die erforderlichen Maßnahmen in ihren Strategieplänen festlegen.
Parallel zu den Veränderungen in der Landwirtschaft muss auch der Übergang zu einer nachhaltigen Fischzucht und Produktion von Meereserzeugnissen beschleunigt werden. Wirtschaftsdaten belegen, dass dort, wo auf eine nachhaltige Fischerei umgestellt worden ist, gleichzeitig das Einkommen gestiegen ist. Die Kommission wird sich verstärkt darum bemühen, dort, wo die Umsetzung lückenhaft ist, die Fischbestände im Wege der GFP auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen (z. B. durch die Verringerung verschwenderischer Rückwürfe), sie wird die Bestandsbewirtschaftung im Mittelmeer in Zusammenarbeit mit allen Küstenstaaten stärken und bis 2022 neu bewerten, wie den durch den Klimawandel verursachten Risiken im Rahmen der GFP begegnet wird. Die vorgeschlagene Überarbeitung der EU-Fischereikontrollregelung
zielt darauf ab, die Betrugsbekämpfung durch ein verbessertes Rückverfolgbarkeitssystem zu erleichtern. Durch die obligatorische Verwendung digitalisierter Fangbescheinigungen werden die Maßnahmen gestärkt‚ mit denen verhindert werden soll, dass illegale Fischereierzeugnisse auf den EU-Markt gelangen.
Zuchtfisch und Meereserzeugnisse (z. B. Algen) haben einen kleineren CO2-Fußabdruck als die Landtierproduktion. Zusätzlich zu der beträchtlichen Unterstützung aus dem nächsten Europäischen Meeres- und Fischereifonds für eine nachhaltige Produktion von Meereserzeugnissen beabsichtigt die Kommission, EU-Leitlinien für die Aquakultur herauszugeben, mit denen sie den Mitgliedstaaten Wege zur Erstellung von Plänen für einen nachhaltigen Aquakulturausbau aufzeigt und für die sachgerechte Verwendung von Fondsmitteln wirbt. Sie wird außerdem eine zielgerichtete Unterstützung für die Algenindustrie vorsehen, da Algen mit Blick auf ein nachhaltiges Lebensmittelsystem und die weltweite Ernährungssicherheit als wichtige alternative Proteinquelle genutzt werden sollten.
Um Primärerzeuger im Übergangsprozess zu unterstützen, beabsichtigt die Kommission schließlich, die Wettbewerbsregeln für kollektive Initiativen zur Förderung der Nachhaltigkeit in den Lieferketten zu präzisieren. Sie wird auch Landwirte und Fischer darin unterstützen, ihre Position in der Lieferkette zu festigen und sich einen angemessenen Anteil am Mehrwert einer nachhaltigen Erzeugung zu sichern, indem sie die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen für landwirtschaftliche Erzeugnisse
und Fischerei- und Aquakulturerzeugnisse bewirbt. Die Kommission wird die Umsetzung der Richtlinie über unlautere Handelspraktiken
durch die Mitgliedstaaten überwachen. Darüber hinaus wird sie mit den gesetzgebenden Organen zusammenarbeiten, um die Vorschriften im Bereich der Landwirtschaft dahin gehend zu verbessern, dass die Position der Landwirte (z. B. derjenigen, die für ihre Erzeugnisse geografische Angaben verwenden), ihrer Genossenschaften und Erzeugerorganisationen in der Lebensmittelversorgungskette gestärkt wird.
2.2.Die Ernährungssicherheit gewährleisten
Ein nachhaltiges Lebensmittelsystem muss – gerade in Krisenzeiten – eine jederzeit ausreichende und abwechslungsreiche Versorgung der Menschen mit sicheren, nahrhaften, erschwinglichen und nachhaltigen Lebensmitteln gewährleisten. Ereignisse mit Folgen für die Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme sind nicht unbedingt in der Lebensmittelversorgungskette selbst begründet, sondern können durch politische, wirtschaftliche, ökologische oder gesundheitliche Krisen ausgelöst werden. Zwischen der derzeitigen COVID-19-Pandemie und der Lebensmittelsicherheit in der EU besteht kein Zusammenhang, eine solche Krise kann aber sehr wohl die Ernährungssicherheit wie auch die Existenzgrundlagen gefährden. Der Klimawandel und der Verlust an biologischer Vielfalt stellen akute und dauerhafte Bedrohungen für die Ernährungssicherheit und die Existenzgrundlagen dar. Im Kontext der vorliegenden Strategie wird die Kommission die Ernährungssicherheit sowie die Wettbewerbsfähigkeit von Landwirten und Lebensmittelunternehmern weiterhin genau im Blick behalten.
Angesichts der Komplexität und der Zahl der an der Lebensmittelwertschöpfungskette beteiligten Akteure wird sie auf unterschiedliche Arten und Weisen von Krisen tangiert. Die Lebensmittelversorgung ist im Allgemeinen zwar ausreichend, die Pandemie hat aber zahlreiche Komplikationen verursacht, etwa Störungen der Lieferkettenlogistik, Arbeitskräftemangel, Verlust bestimmter Märkte und ein verändertes Verbraucherverhalten, was sich auf die Funktionsweise der Lebensmittelsysteme auswirkt. Hierbei handelt es sich um eine beispiellose Situation, und die Lebensmittelkette ist angesichts der Häufung von Dürren, Überschwemmungen und Waldbränden, dem Verlust an biologischer Vielfalt und dem Auftreten neuer Schädlinge Jahr für Jahr mit zunehmenden Bedrohungen konfrontiert. Werden die Lebensmittelerzeuger nachhaltiger, macht sie das letztlich auch resilienter. Mit dieser Strategie soll ein neuer Rahmen hierfür geschaffen werden, der durch die in der Biodiversitätsstrategie vorgesehenen Maßnahmen ergänzt wird.
Die COVID-19-Pandemie hat uns auch die Bedeutung des systemrelevanten Personals, wie z. B. der Beschäftigten im Agrar- und Lebensmittelsektor, vor Augen geführt. Aus diesem Grund wird es besonders wichtig sein, die sozioökonomischen Auswirkungen auf die Lebensmittelkette abzumildern und sicherzustellen, dass die in der europäischen Säule sozialer Rechte verankerten Grundsätze gewahrt werden, insbesondere im Hinblick auf prekäre, saisonale und nicht angemeldete Beschäftigung. Anliegen wie der soziale Schutz der Beschäftigten, Arbeitsbedingungen und Wohnverhältnisse sowie Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit werden beim Aufbau fairer, starker und nachhaltiger Lebensmittelsysteme eine wichtige Rolle spielen.
Die Kommission wird ihre Koordinierung einer gemeinsamen europäischen Reaktion auf Krisen, die die Lebensmittelsysteme in Mitleidenschaft ziehen, intensivieren, um die Ernährungs- und Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, die öffentliche Gesundheit zu stärken und die sozioökonomischen Auswirkungen in der EU abzumildern. Auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen wird die Kommission die Resilienz des Lebensmittelsystems bewerten und einen Notfallplan zur Gewährleistung der Lebensmittelversorgung und der Ernährungssicherheit ausarbeiten, der in Krisenzeiten in Kraft gesetzt werden soll. Die Reserve für Krisen im Agrarsektor wird umgestaltet, damit ihr Potenzial im Falle einer Krise auf den Agrarmärkten im Vorfeld voll ausgeschöpft werden kann. Zusätzlich zu den im Krisenfall zu ergreifenden Risikobewertungs- und Risikomanagementmaßnahmen wird mit dem Plan ein von der Kommission koordinierter Krisenreaktionsmechanismus eingerichtet, in den die Mitgliedstaaten eingebunden sind. Je nach Art der Krise werden verschiedene Sektoren einbezogen (Landwirtschaft, Fischerei, Lebensmittelsicherheit, Arbeitskräfte, Gesundheit und Verkehr).
2.3.Förderung nachhaltiger Verfahren in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Großhandel, Einzelhandel, Gastgewerbe und Verpflegungsdienstleistungen
Lebensmittelverarbeiter, Verpflegungsdienstleister und Einzelhändler prägen den Markt und beeinflussen durch Art und Nährwertzusammensetzung der von ihnen hergestellten Lebensmittel, Wahl der Lieferanten, Erzeugungsmethoden und Verpackung, Transport, Merchandising und Vermarktungsmethoden das Ernährungsverhalten der Verbraucher. Als weltweit größter Importeur und Exporteur von Lebensmitteln hat die Lebensmittel- und Getränkeindustrie der EU ihren Anteil am ökologischen und sozialen Fußabdruck des Welthandels. Die Stärkung der Nachhaltigkeit unserer Lebensmittelsysteme kann dazu beitragen, die Reputation von Unternehmen und Produkten weiter zu verbessern, Wertsteigerungen für die Anteilseigner zu erzielen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, Arbeitnehmer und Investoren anzulocken und Wettbewerbsvorteile, Produktivitätsgewinne und Kostensenkungen für die Unternehmen zu bewirken.
Die Lebensmittelindustrie und der Einzelhandel sollten hier eine Vorreiterrolle einnehmen und die Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit gesunder und nachhaltiger Lebensmittel verbessern, um den ökologischen Fußabdruck des Lebensmittelsystems als Ganzem zu verkleinern. Um dies zu fördern, wird die Kommission einen EU-Verhaltenskodex für verantwortungsvolle Unternehmens- und Marketingpraktiken ausarbeiten und begleitend einen Monitoringrahmen abstecken. In die Entwicklung des Kodex werden alle einschlägigen Interessenträger einbezogen.
Die Kommission wird sich um Zusagen von Lebensmittelunternehmen und ‑organisationen bemühen, konkrete Maßnahmen in puncto Gesundheit und Nachhaltigkeit zu ergreifen, die insbesondere folgende Aspekte betreffen: Neuformulierung von Lebensmitteln im Einklang mit den Leitlinien für eine gesunde und nachhaltige Ernährung; Verkleinerung ihres ökologischen Fußabdrucks und ihres Energieverbrauchs durch mehr Energieeffizienz; Anpassung der Marketing- und Werbestrategien unter Berücksichtigung der Bedürfnisse von Risikogruppen; Sicherstellung, dass Preiskämpfe im Lebensmittelbereich in der Bevölkerung nicht zu einer geringeren Wertschätzung von Lebensmitteln führen; weniger Verpackung im Einklang mit dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft. Beispielsweise ist von Werbekampagnen für Fleisch zu Tiefstpreisen abzusehen. Die Kommission wird die Erfüllung dieser Verpflichtungen überwachen und bei Ausbleiben ausreichender Fortschritte Legislativmaßnahmen in Betracht ziehen. Außerdem bereitet die Kommission eine Initiative zur Verbesserung des Corporate-Governance-Rahmens vor; dazu gehört die Verpflichtung der Lebensmittelindustrie, den Nachhaltigkeitsaspekt in die Unternehmensstrategie einzubeziehen. Sie wird außerdem nach Möglichkeiten suchen, den Übergang zu einer gesünderen Ernährung zu erleichtern und die Neuformulierung von Lebensmitteln anzuregen, unter anderem durch die Erstellung von Nährwertprofilen zu dem Zweck, die Bewerbung von Lebensmitteln mit hohem Fett-, Zucker- und Salzgehalt (durch nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben) einzuschränken.
Die Kommission wird Maßnahmen ergreifen, um nachhaltige und sozialverantwortliche Erzeugungsmethoden und Kreislaufwirtschaftsmodelle in der Lebensmittelverarbeitung und im Einzelhandel, insbesondere auch für KMU, in Synergie mit den Zielen und Initiativen des neuen Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft auszuweiten und zu fördern. Die Einführung einer kreislaufbasierten und nachhaltigen EU-Bioökonomie eröffnet Geschäftsmöglichkeiten, beispielsweise im Zusammenhang mit der Nutzung von Lebensmittelabfällen.
Die Lebensmittelverpackungen spielen für die Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme eine Schlüsselrolle. Die Kommission wird die Rechtsvorschriften über Lebensmittelkontaktmaterialien überarbeiten, um die Lebensmittelsicherheit und die öffentliche Gesundheit zu verbessern (insbesondere durch eine Verringerung des Einsatzes gefährlicher Chemikalien), die Verwendung innovativer und nachhaltiger Verpackungsarten unter Einsatz umweltfreundlicher, wiederverwendbarer und rezyklierbarer Materialien zu fördern und zur Verringerung der Lebensmittelabfälle beizutragen. Darüber hinaus wird sie im Rahmen der im Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft angekündigten Initiative für nachhaltige Produkte eine Legislativinitiative zur Wiederverwendung im Bereich Verpflegungsdienstleistungen vorbereiten, um Lebensmittel-Einwegverpackungen, Einweggeschirr und -besteck durch wiederverwendbare Produkte zu ersetzen.
Schließlich wird die Kommission die Vermarktungsnormen überarbeiten, um die Akzeptanz von bzw. die Versorgung mit nachhaltigen Agrar-, Fischerei- und Aquakulturerzeugnissen sicherzustellen und Nachhaltigkeitskriterien größeres Gewicht zu verleihen, und dabei die möglichen Auswirkungen dieser Normen auf Lebensmittelverluste und -verschwendung berücksichtigen. Parallel dazu wird sie den Rechtsrahmen für geografische Angaben stärken und gegebenenfalls spezifische Nachhaltigkeitskriterien aufnehmen.
Um die Resilienz der regionalen und lokalen Lebensmittelsysteme zu stärken, wird die Kommission zudem zur Schaffung kürzerer Lieferketten die Reduzierung der Abhängigkeit von Langstreckentransporten unterstützen (2017 wurden rund 1,3 Mrd. Tonnen Erzeugnisse aus Land- und Forstwirtschaft sowie Fischerei auf der Straße transportiert).
2.4.Förderung eines nachhaltigen Lebensmittelverzehrs und Erleichterung der Umstellung auf eine gesunde und nachhaltige Ernährung
Die derzeitigen Lebensmittelverzehrsmuster sind sowohl unter gesundheitlichen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten nicht nachhaltig. Nach wie vor liegen die Energiezufuhr und der Verzehr von rotem Fleisch, Zucker, Salz und Fetten über den Empfehlungen, und Vollkorngetreide, Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse werden nicht in ausreichenden Mengen verzehrt.
Es ist entscheidend, dass der Zunahme von Übergewicht und Adipositas bis 2030 EU-weit entgegengewirkt wird. Der Übergang zu einer hauptsächlich pflanzlichen Ernährung mit weniger rotem Fleisch und verarbeiteten Fleischerzeugnissen und mehr Obst und Gemüse verringert nicht nur das Risiko lebensbedrohlicher Krankheiten wie Krebs, sondern auch die Umweltauswirkungen des Lebensmittelsystems. Schätzungen zufolge waren im Jahr 2017 in der EU über 950 000 Todesfälle (jeder fünfte) und über 16 Mio. verlorene gesunde Lebensjahre auf eine ungesunde Ernährung zurückzuführen; hauptsächlich handelt es sich um Herz-Kreislauf- und Krebserkrankungen. Im europäischen Plan zur Krebsbekämpfung ist die Förderung einer gesunden Ernährung Bestandteil der Maßnahmen zur Krebsprävention.
Die Bereitstellung eindeutiger Informationen, die den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Entscheidung für eine gesunde und nachhaltige Ernährung erleichtern, wird der Gesundheit und Lebensqualität der Menschen zugutekommen und zudem die Gesundheitskosten senken. Um die Verbraucher in die Lage zu versetzen‚ sich sachkundig für gesunde und nachhaltige Lebensmittel zu entscheiden, wird die Kommission eine harmonisierte obligatorische Nährwertkennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite vorschlagen und in Erwägung ziehen, eine Ausweitung der obligatorischen Ursprungs- oder Herkunftsangabe auf bestimmte Erzeugnisse vorzuschlagen, und dabei die Auswirkungen auf den Binnenmarkt in vollem Umfang berücksichtigen. Die Kommission wird auch prüfen, wie freiwillige umweltbezogene Angaben vereinheitlicht werden können und ein Rahmen für Nachhaltigkeitskennzeichnungen geschaffen werden kann, der in Synergie mit anderen einschlägigen Initiativen Lebensmittel unter den Aspekten Nährwert, Klima, Umwelt und Soziales abdeckt. Die Kommission wird auch neue Möglichkeiten der Bereitstellung von Informationen an die Verbraucher über andere Kanäle, einschließlich digitaler Medien, prüfen, um den Zugang zu Lebensmittelinformationen insbesondere für sehbehinderte Menschen zu verbessern.
Um die Verfügbarkeit und den Preis nachhaltiger Lebensmittel zu verbessern und eine gesunde und nachhaltige Ernährung in der institutionellen Verpflegung zu fördern, wird die Kommission den für die Erstellung verbindlicher Mindestkriterien für die Beschaffung nachhaltiger Lebensmittel am besten geeigneten Weg bestimmen. So werden auch Städte, Regionen und Behörden ihren Beitrag leisten können, indem sie nachhaltige Lebensmittel für Schulen, Krankenhäuser und öffentliche Einrichtungen beschaffen, und der Ausbau nachhaltiger Bewirtschaftungssysteme wie des ökologischen Landbaus wird weiter vorangetrieben. Die Kommission wird mit gutem Beispiel vorangehen und die Nachhaltigkeitsstandards im Restaurationsvertrag für ihre Kantinen erhöhen. Außerdem wird sie das Schulprogramm der EU überarbeiten, um dessen Beitrag zum Verzehr nachhaltiger Lebensmittel zu steigern und insbesondere um die Aufklärung über die Bedeutung einer gesunden Ernährung, einer nachhaltigen Lebensmittelerzeugung und der Reduzierung der Lebensmittelverschwendung zu stärken.
Es sollten auch steuerliche Anreize als Triebkraft für den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem und als Motivation für die Verbraucher, sich für eine nachhaltige und gesunde Ernährung zu entscheiden, gesetzt werden. Der Vorschlag der Kommission zu den Mehrwertsteuersätzen (wird derzeit im Rat erörtert) könnte es den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Steuersätze in dieser Hinsicht gezielter zu nutzen, beispielsweise zur Förderung von Bioobst und -gemüse. In den Steuersystemen in der EU sollte auch darauf abgezielt werden, über den Preis der verschiedenen Lebensmittel die tatsächlichen Kosten in puncto Nutzung begrenzter natürlicher Ressourcen, Umweltverschmutzung, Treibhausgasemissionen und anderer externer Umwelteffekte zum Vorschein zu bringen.
2.5.Verringerung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung
Gegen Lebensmittelverluste und -verschwendung vorzugehen, ist ein Kernelement auf dem Weg zur Nachhaltigkeit. Weniger Lebensmittelabfälle bewirken Einsparungen für Verbraucher und Unternehmer, und die Sammlung und Umverteilung überschüssiger Lebensmittel, die anderenfalls weggeworfen würden, hat eine wichtige soziale Dimension. Hier geht es auch um politische Maßnahmen betreffend die Rückgewinnung von Nährstoffen und Sekundärrohstoffen, die Erzeugung von Futtermitteln, die Lebensmittelsicherheit, die biologische Vielfalt, die Bioökonomie, die Abfallbewirtschaftung und erneuerbare Energien.
Die Kommission hat sich verpflichtet, die Lebensmittelabfälle pro Kopf auf Ebene des Einzelhandels und der Verbraucher bis 2030 zu halbieren (SDG-Zielvorgabe Nr. 12.3). Auf der Grundlage der neuen EU-Methodik zur Quantifizierung der Lebensmittelverschwendung und der von den Mitgliedstaaten für 2022 erwarteten Daten wird sie einen Referenzwert festlegen und rechtsverbindliche Ziele zur Reduzierung der Lebensmittelabfälle in der gesamten EU vorschlagen.
Die Kommission wird die Vermeidung von Lebensmittelverlusten und -verschwendung in andere EU-Politikfelder miteinbeziehen. Ein falsches Verständnis und eine falsche Handhabung der Datumsangabe (Verbrauchsdatum und Mindesthaltbarkeitsdatum) führen dazu, dass Lebensmittel weggeworfen werden. Die Kommission wird die EU-Vorschriften unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus der Verbraucherforschung überarbeiten. Die Kommission wird nicht nur den Umfang von Lebensmittelabfällen quantifizieren, sondern auch das Entstehen von Lebensmittelverlusten auf der Stufe der Herstellung untersuchen und eruieren, wie sich diese verhindern lassen. Eine Koordinierung der Maßnahmen auf EU-Ebene wird das Vorgehen auf nationaler Ebene vorantreiben, und die Empfehlungen der EU-Plattform für Lebensmittelverluste und -verschwendung werden dazu beitragen, allen Akteuren den Weg in die richtige Richtung aufzuzeigen.
2.6.Bekämpfung von Lebensmittelbetrug entlang der Lebensmittelversorgungskette
Lebensmittelbetrug gefährdet die Nachhaltigkeit der Lebensmittelsysteme. Die Verbraucher werden getäuscht und können daher keine fundierten Entscheidungen treffen. Die Lebensmittelsicherheit, faire Geschäftspraktiken, die Resilienz der Lebensmittelmärkte und letztlich der Binnenmarkt werden ausgehöhlt. Eine Null-Toleranz-Politik mit wirksamen Abschreckungsmaßnahmen ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung. Die Kommission wird ihren Kampf gegen Lebensmittelbetrug verstärken, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmer zu schaffen, und die Befugnisse der Kontroll- und Durchsetzungsbehörden erweitern. Sie wird mit den Mitgliedstaaten, Europol und anderen Stellen zusammenarbeiten und sich auf EU-Daten zur Rückverfolgbarkeit sowie Warnmeldungen stützen, um die Koordinierung im Bereich des Lebensmittelbetrugs zu verbessern. Außerdem wird sie härtere Abschreckungsmaßnahmen und strengere Einfuhrkontrollen vorschlagen und die Möglichkeit untersuchen, die Koordinierungstätigkeit und die Untersuchungskapazitäten des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) zu stärken.
3.Den Wandel ermöglichen
3.1.Forschung, Innovation, Technologie und Investitionen
Forschung und Innovation (FuI) sind wichtige Triebkräfte, die den Übergang zu nachhaltigen, gesunden und integrativen Lebensmittelsystemen – von der Primärerzeugung bis zum Verzehr – beschleunigen. FuI kann dazu beitragen, Lösungen zu entwickeln und zu testen, Hindernisse zu überwinden und neue Marktchancen zu eröffnen. Im Rahmen von Horizont 2020 bereitet die Kommission 2020 eine weitere Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für die Prioritäten des Grünen Deals mit einem Gesamtvolumen von rund 1 Mrd. EUR vor. Im Rahmen von Horizont Europa schlägt sie FuI-Ausgaben in Höhe von 10 Mrd. EUR für die Bereiche Lebensmittel, Bioökonomie, natürliche Ressourcen, Landwirtschaft, Fischerei, Aquakultur und Umwelt sowie Nutzung digitaler Technologien und naturbasierter Lösungen für den Agrar- und Lebensmittelsektor vor. Ein Forschungsschwerpunkt werden die Bereiche Mikrobiom, Lebensmittel aus dem Meer, urbane Lebensmittelsysteme sowie die bessere Verfügbarkeit und weitere Erschließung alternativer Proteinquellen sein, wie pflanzliche, mikrobielle, marine und insektenbasierte Eiweiße und Fleischersatzprodukte. Ziel einer Forschungsmission im Bereich Bodengesundheit und Lebensmittel wird die Entwicklung von Lösungen zur Wiederherstellung der Gesundheit und der Funktionen der Böden sein. Neue Erkenntnisse und Innovationen werden durch eine spezielle „Living Labs“-Partnerschaft auf dem Gebiet der Agrarökologie auch den Ausbau agrarökologischer Ansätze in der Primärerzeugung ermöglichen. In der Folge werden weniger Pestizide, Düngemittel und antimikrobielle Mittel benötigt. Um die Innovationstätigkeit anzukurbeln und den Wissenstransfer zu beschleunigen, wird die Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten die Rolle der Europäischen Innovationspartnerschaft „Landwirtschaftliche Produktivität und Nachhaltigkeit“ (EIP-AGRI) in den Strategieplänen stärken. Darüber hinaus werden über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung Investitionen in Innovationen und die Zusammenarbeit entlang der Lebensmittelwertschöpfungsketten im Sinne der intelligenten Spezialisierung getätigt.
Im Rahmen einer neuen Horizont-Europa-Partnerschaft „Sichere und nachhaltige Lebensmittelsysteme für Menschen, Planet und Klima“ wird ein FuI-Governance-Mechanismus eingerichtet, in den die Mitgliedstaaten und die Akteure der Lebensmittelsysteme „vom Hof auf den Tisch“ eingebunden werden, um innovative Lösungen zu erarbeiten, die positive Nebeneffekte für Ernährung, Lebensmittelqualität, Klima, Kreislaufwirtschaft und Gemeinschaften bieten.
Alle Landwirte und alle ländlichen Gebiete müssen über eine schnelle und zuverlässige Internetverbindung verfügen. Dies ist ein Schlüsselfaktor für Arbeitsplätze, Unternehmenstätigkeit und Investitionen in ländlichen Gebieten sowie für die Verbesserung der Lebensqualität in Bereichen wie Gesundheitsversorgung, Unterhaltung und elektronische Behördendienste. Der Zugang zum schnellen Breitband-Internet wird auch die Anwendung von Verfahren der Präzisionslandwirtschaft und die Nutzung künstlicher Intelligenz durchgängig ermöglichen. So wird die EU das Potenzial ihrer weltweiten Führungsrolle in der Satellitentechnologie voll ausschöpfen können. Letztlich wird dies zu Kostensenkungen für Landwirte, zu einer besseren Bodenbewirtschaftung und Wasserqualität, zu einem verringerten Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden, zu weniger Treibhausgasemissionen, zur Verbesserung der biologischen Vielfalt und zur Schaffung eines gesünderen Umfelds für die Landwirte sowie die Bürgerinnen und Bürger führen. Die Kommission will den Ausbau des schnellen Breitband-Internets in ländlichen Gebieten vorantreiben, um das anvisierte Ziel eines Zugangs für alle bis zum Jahr 2025 zu erreichen.
Zur Ankurbelung von Innovationen und zur Schaffung nachhaltiger Lebensmittelsysteme werden Investitionen benötigt. Über EU-Haushaltsgarantien werden aus dem Fonds „InvestEU“ Investitionen in den Agrar- und Lebensmittelsektor gefördert, und zwar durch eine Risikominderung für Investitionen europäischer Unternehmen und durch einen vereinfachten Zugang zu Finanzmitteln für KMU sowie Midcap-Unternehmen. Im Jahr 2020 werden der EU-Rahmen zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen (EU-Taxonomie) sowie die neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen den Finanzsektor mobilisieren, sodass dieser nachhaltigere Investitionen tätigen kann, und zwar auch in der Landwirtschaft und der Lebensmittelerzeugung. Darüber hinaus muss die GAP die Investitionsförderung zunehmend erleichtern, um die Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe zu verbessern und den ökologischen und digitalen Wandel dort zu beschleunigen.
3.2.Beratungsdienste, Daten‑ und Wissensaustausch sowie Kompetenzen
Wissen und Beratung sind für alle Akteure des Lebensmittelsystems auf ihrem Weg hin zur Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung. Was Primärerzeuger besonders brauchen, ist eine objektive, maßgeschneiderte Beratung zu nachhaltigen Bewirtschaftungsentscheidungen. Daher wird die Kommission wirksame Systeme für Wissen und Innovation in der Landwirtschaft (Agricultural Knowledge and Innovation Systems – AKIS) fördern, in denen alle Akteure der Lebensmittelkette zusammengefasst sind. In ihren GAP-Strategieplänen werden die Mitgliedstaaten die Unterstützung für die AKIS ausweiten und die Ressourcen für die Entwicklung und Aufrechterhaltung geeigneter Beratungsdienste aufstocken müssen, die gebraucht werden, damit wir die Ziele und Vorgaben des Grünen Deals verwirklichen können.
Die Kommission wird Rechtsvorschriften vorschlagen, um ihr Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen in das Datennetz für die Nachhaltigkeit landwirtschaftlicher Betriebe umzuwandeln, über das auch Daten zu den Zielen der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ und der Biodiversitätsstrategie und andere Nachhaltigkeitsindikatoren erhoben werden sollen. Das Netz wird ein Benchmarking der Leistung landwirtschaftlicher Betriebe anhand regionaler, nationaler oder sektoraler Referenzwerte ermöglichen. Durch maßgeschneiderte Beratungsdienste erhalten Landwirte auf diesem Weg Rückmeldungen und Erläuterungen und ihre Erfahrungen fließen in die Europäische Innovationspartnerschaft und Forschungsprojekte ein. Dies wird die Tragfähigkeit der teilnehmenden Betriebe und auch ihre Einkommen verbessern.
Im Rahmen der europäischen Datenstrategie werden mit dem gemeinsamen europäischen Agrardatenraum die wettbewerbsgerechte Nachhaltigkeit der EU-Landwirtschaft durch die Verarbeitung und Analyse von Erzeugungs-, Flächennutzungs-, Umwelt- und sonstigen Daten verbessert, eine präzise und maßgeschneiderte Anwendung von Produktionskonzepten auf Betriebsebene sowie das Monitoring der Leistung des Sektors ermöglicht und die Initiative für eine klimaeffiziente Landwirtschaft unterstützt. Mithilfe des EU-Programms Copernicus und des europäischen Meeresbeobachtungs- und Datennetzwerks (EMODNET) werden die Investitionsrisiken verringert und die Anwendung nachhaltiger Methoden im Fischerei- und Aquakultursektor erleichtert.
Die Kommission wird für maßgeschneiderte Lösungen sorgen, um KMU in den Bereichen Lebensmittelverarbeitung, Verpflegung und Einzelhandel bei der Entwicklung neuer Kompetenzen und Geschäftsmodelle zu unterstützen, und dabei zusätzliche administrative und finanzielle Belastungen vermeiden. Sie wird Leitlinien für Einzelhändler, Lebensmittelverarbeiter und Verpflegungsdienstleister zu bewährten Nachhaltigkeitsverfahren herausgeben. Das Enterprise Europe Network wird KMU Beratungsdienste zum Thema Nachhaltigkeit anbieten und die Verbreitung bewährter Verfahren fördern. Die Kommission wird auch ihre Kompetenzagenda aktualisieren‚ um sicherzustellen, dass die Lebensmittelkette auf genügend Arbeitskräfte mit geeigneter Qualifikation zugreifen kann.
4.Förderung des globalen Wandels
Die EU wird den weltweiten Übergang zu nachhaltigen Agrar- und Lebensmittelsystemen im Einklang mit den Zielen dieser Strategie und den Zielen für nachhaltige Entwicklung unterstützen. Im Rahmen ihres auswärtigen Handelns, zu dem die internationale Zusammenarbeit und die Handelspolitik zählen, wird die EU die Entwicklung grüner Bündnisse für nachhaltige Lebensmittelsysteme mit allen Partnern in bilateralen, regionalen und multilateralen Foren weiterverfolgen. Dazu gehören die Zusammenarbeit mit Afrika und mit Nachbarstaaten und anderen Partnern zur Thematisierung der jeweiligen Herausforderungen in den verschiedenen Erdteilen. Um einen erfolgreichen globalen Wandel sicherzustellen, wird die EU die Entwicklung umfassender, integrierter Lösungen fördern und ermöglichen, die den Menschen, der Natur und dem Wirtschaftswachstum zugutekommen.
Sich dafür eignende politische Maßnahmen der EU, einschließlich der Handelspolitik, werden dazu eingesetzt, den ökologischen Wandel in der EU zu unterstützen, und sind auch Bestandteil dieses Wandels. Die EU wird sich dafür einsetzen, dass in alle bilateralen Handelsabkommen der EU ein inhaltlich ehrgeiziges Kapitel zur Nachhaltigkeit aufgenommen wird. Sie wird die vollständige Umsetzung und Durchsetzung der den Handel und die nachhaltige Entwicklung betreffenden Bestimmungen aller Handelsabkommen sicherstellen, und zwar auch durch den Leitenden Handelsbeauftragten der EU.
Die Handelspolitik der EU sollte dazu beitragen, die Zusammenarbeit mit Drittländern in Schlüsselbereichen wie Tierschutz, Pestizideinsatz und Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen zu verbessern und ambitionierte Zusagen von Drittländern zu erreichen. Die EU wird bestrebt sein, internationale Standards in den einschlägigen internationalen Gremien zu fördern und die Erzeugung von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen zu unterstützen, die hohen Sicherheits- und Nachhaltigkeitsmaßstäben entsprechen, und sie wird Kleinbetriebe bei der Einhaltung dieser Standards und beim Marktzugang unterstützen. Sie wird auch die Zusammenarbeit zum Zweck der Verbesserung der Ernährung und des Abbaus der Ernährungsunsicherheit intensivieren, indem sie die Resilienz der Lebensmittelsysteme stärkt und die Lebensmittelverschwendung verringert.
Im Bereich der internationalen Zusammenarbeit wird die EU den Schwerpunkt auf Forschung und Innovation im Lebensmittelbereich legen, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung folgender Aspekte: Anpassung an den Klimawandel und Klimaschutz; Agrarökologie; nachhaltige Landschaftspflege und Verwaltung von Landnutzungsrechten; Erhaltung und nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt; integrative und faire Wertschöpfungsketten; nahrhafte und gesunde Ernährung; Prävention von und Reaktion auf Ernährungskrisen, insbesondere in instabilen Situationen; Resilienz und Vorsorge; integrierter Pflanzenschutz; Standards in den Bereichen Tier- und Pflanzengesundheit, Tierwohl, Lebensmittelsicherheit, antimikrobielle Resistenzen sowie Nachhaltigkeit ihrer koordinierten humanitären und entwicklungsbezogenen Maßnahmen. Die EU wird auf den laufenden Initiativen
aufbauen und die Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung in all ihre politischen Maßnahmen einbinden. Mit diesen Maßnahmen wird der Druck auf die biologische Vielfalt weltweit verringert. Auf diese Weise wird ein besserer Schutz der natürlichen Ökosysteme in Verbindung mit Bemühungen um eine Reduzierung des Handels mit bzw. des Verzehrs von Wildtieren dazu beitragen, möglichen künftigen Krankheiten und Pandemien vorzubeugen und die Resilienz zu stärken.
Um die Mitwirkung der EU an der weltweiten Entwaldung und Waldschädigung zu reduzieren, wird die Kommission 2021 Rechtsvorschriften und sonstige Maßnahmen vorschlagen, um das Inverkehrbringen in der EU von Produkten, die im Zusammenhang mit der Entwaldung und Waldschädigung stehen, zu verhindern oder auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Die EU wird mit null Toleranz gegen illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei (IUU-Fischerei) vorgehen, die Überfischung bekämpfen, die nachhaltige Bewirtschaftung von Fisch- und Meereserzeugnisbeständen fördern sowie die Meerespolitik, die Zusammenarbeit in die Meere betreffenden Fragen und das Küstenzonenmanagement stärken.
Die Kommission wird alle oben genannten Prioritäten in die Programmierungsleitlinien für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Zeitraum 2021-2027 aufnehmen und dabei Querschnittsziele wie Menschenrechte, Geschlechtergerechtigkeit, Frieden und Sicherheit gebührend berücksichtigen.
Importierte Lebensmittel müssen weiterhin den einschlägigen EU-Vorschriften und ‑Normen entsprechen. Die Kommission wird bei der Prüfung von Anträgen auf Einfuhrtoleranzen für Pestizidwirkstoffe, die in der EU nicht mehr genehmigt sind, Umweltaspekte berücksichtigen und gleichzeitig die Einhaltung von WTO-Standards und -Verpflichtungen wahren. Um der globalen Bedrohung durch antimikrobielle Resistenzen zu begegnen, müssen Erzeugnisse tierischen Ursprungs, die in die EU eingeführt werden, im Einklang mit der kürzlich angenommenen Verordnung über Tierarzneimittel strengen Anforderungen an den Einsatz von Antibiotika genügen.
Voraussetzung für ein nachhaltigeres EU-Lebensmittelsystem ist auch, dass unsere Handelspartner zunehmend nachhaltigere Verfahren anwenden. Um einen schrittweisen Übergang zum Einsatz sichererer Pflanzenschutzmittel zu fördern, wird die EU erwägen, die Einfuhrtoleranzen für Stoffe, auf die die Ausschlusskriterien zutreffen und die ein hohes Risiko für die menschliche Gesundheit bergen, unter Einhaltung der WTO-Regeln auf der Grundlage einer Risikobewertung zu überarbeiten. Sie wird sich gegenüber ihren Handelspartnern, insbesondere gegenüber Entwicklungsländern, tatkräftig dafür einsetzen, den Übergang zu einem nachhaltigeren Einsatz von Pestiziden zu flankieren, um Handelsstörungen zu vermeiden und alternative Pflanzenschutzmittel und -methoden zu fördern.
Die EU wird den weltweiten Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen in internationalen Normungsgremien‚ in einschlägigen multilateralen Foren und auf internationalen Veranstaltungen fördern, unter anderem auf der 15. Konferenz der Vertragsparteien zum UN-Übereinkommen über die biologische Vielfalt, auf dem Gipfel „Ernährung für Wachstum“ sowie auf dem UN-Gipfel über Lebensmittelsysteme im Jahr 2021, und dabei darauf hinwirken, dass möglichst weitreichende Maßnahmen beschlossen werden.
Im Rahmen ihres Konzepts für die Information der Verbraucher über Lebensmittel und in Verbindung mit dem Rechtsrahmen für nachhaltige Lebensmittelsysteme wird die EU Programme fördern (einschließlich eines EU-Rahmens für eine Kennzeichnung nachhaltiger Lebensmittel) und in multilateralen Foren eine Führungsrolle bei der Ausarbeitung internationaler Nachhaltigkeitsstandards und Methoden zur Berechnung des ökologischen Fußabdrucks übernehmen, um eine breitere Übernahme von Nachhaltigkeitsstandards zu fördern. Sie wird auch die Durchsetzung der Vorschriften über irreführende Informationen unterstützen.
5.Schlussfolgerungen
Der europäische Grüne Deal bietet die Chance, unser Lebensmittelsystem mit ökologischen Belangen in Einklang zu bringen und konstruktiv auf den Wunsch der Europäerinnen und Europäer nach gesunden, gerechten und umweltfreundlich erzeugten Lebensmitteln einzugehen. Ziel der Strategie ist es, das EU-Lebensmittelsystem zu einem globalen Maßstab für Nachhaltigkeit zu machen. Für den Übergang zu nachhaltigen Lebensmittelsystemen braucht es einen kollektiven Ansatz, in den Behörden auf allen Regierungs- und Verwaltungsebenen (einschließlich Städten, Land- und Küstengemeinden), Akteure des Privatsektors entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette, Nichtregierungsorganisationen, Sozialpartner, akademische Kreise sowie Bürgerinnen und Bürger einbezogen sind.
Die Kommission ruft alle Bürgerinnen und Bürger sowie alle Interessenträger dazu auf, sich an einer breit angelegten öffentlichen Debatte zu beteiligen, um eine nachhaltige Lebensmittelpolitik zu formulieren, und zwar auch im Rahmen von Versammlungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Sie ruft das Europäische Parlament und den Rat dazu auf, diese Strategie zu unterstützen und zu ihrer Umsetzung beizutragen. Sie wird die Bürgerinnen und Bürger in koordinierter Weise über die vorliegende Strategie informieren und sie dazu ermutigen, sich an der Neugestaltung unserer Lebensmittelsysteme zu beteiligen.
Die Kommission wird sicherstellen, dass diese Strategie in enger Verbindung mit den anderen Elementen des Grünen Deals umgesetzt wird, insbesondere mit der Biodiversitätsstrategie 2030, dem neuen Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und dem Null-Schadstoff-Ziel. Sie wird den Übergang zu einem nachhaltigen Lebensmittelsystem und damit auch die Fortschritte überwachen, die bei der Verwirklichung der Ziele und der allgemeinen Verkleinerung des ökologischen und klimatischen Fußabdrucks des EU-Lebensmittelsystems erreicht werden, sodass dieses die Belastungsgrenzen unseres Planeten nicht überschreitet. Sie wird regelmäßig Daten erheben, auch auf der Grundlage der Erdbeobachtung, um eine umfassende Bewertung der kumulativen Auswirkungen aller Maßnahmen dieser Strategie auf Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt und Gesundheit vorzunehmen. Bis Mitte 2023 wird sie diese Strategie daraufhin überprüfen, ob die ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um die gesteckten Ziele zu verwirklichen, oder ob zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind.