EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 15.7.2020
COM(2020) 318 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kurzfristige Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf COVID-19-Ausbrüche
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kurzfristige Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf COVID-19-Ausbrüche
I.EINLEITUNG
Die COVID-19-Pandemie, die zu einer der schlimmsten Krisen der jüngsten Geschichte geführt hat, erfordert ständige Wachsamkeit und koordinierte Maßnahmen.
Es gibt zwar immer noch Wissenslücken, aber inzwischen weiß man wesentlich mehr über die Erkrankung als solche, über die Übertragung, Prävention und Behandlung. Die Mitgliedstaaten bauen mit Unterstützung der Kommission und der EU-Agenturen ihre Testkapazitäten aus, verbessern die Überwachung und stärken die Kapazitäten der Gesundheitssysteme, beispielsweise durch eine Erhöhung der Bettenzahl auf den Intensivstationen oder durch eine Verstärkung der medizinischen Gegenmaßnahmen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben Maßnahmen zur Abfederung der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen eingeleitet, etwa zur Aufrechterhaltung des Binnenmarktes, zur Unterstützung des Verkehrs- und Tourismussektors, zum Schutz von Arbeitsplätzen und zur Förderung der Gesundheitsversorgung für schutzbedürftige Personengruppen. Die Mitgliedstaaten stimmen ihre Reaktionen zunehmend ab. Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit haben dazu beigetragen, die Lage zu stabilisieren und die Zahl der Neuinfektionen auf ein Niveau zu senken, das von den Gesundheitssystemen bewältigt werden kann. Dadurch wurden die schrittweise Aufhebung zahlreicher in den letzten Monaten verhängter Beschränkungen und die Wiederaufnahme der meisten Tätigkeiten möglich.
Allerdings zirkuliert das Virus nach wie vor in der gesamten Welt. Regionale Ausbrüche quer durch die EU und die täglich steigende Zahl neu auftretender Fälle weltweit zeigen ganz klar, dass die Pandemie erst dann endet, wenn sie überall unter Kontrolle ist. Infektionskrankheiten wie COVID-19 verlaufen häufig in Wellen, und es sind neue, örtlich begrenzte Ausbrüche in Europa und auf anderen Kontinenten zu verzeichnen.
Auf der Grundlage der in den früheren Phasen der Pandemie gewonnenen Erkenntnisse muss Europa diese Zeit niedrigerer Übertragungsraten dazu nutzen, seine Kapazitäten für Vorsorge und koordinierte Reaktion zur Bekämpfung weiterer COVID-19-Ausbrüche zu verstärken. Es ist höchste Zeit, für wissenschaftlich begründete Maßnahmen zu sorgen und diese einem Belastungstest zu unterziehen, um ihre Umsetzung in geeigneter Weise zu gewährleisten.
Zweck dieser Mitteilung ist es, die kurzfristigen Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf weitere COVID-19-Ausbrüche sicherzustellen. Sie befasst sich insbesondere mit der Notwendigkeit, die Belastung durch die saisonale Grippe 2020/2021 gering zu halten, um die zusätzliche Inanspruchnahme der Gesundheitssysteme im Fall eines Zusammenfallens mit einem weiteren COVID-19-Ausbruch abzumildern. Bereich für Bereich werden in dieser Mitteilung die wichtigsten – positiven oder negativen – Erkenntnisse dargelegt und die in den kommenden Monaten zu treffenden Schlüsselmaßnahmen entworfen. Hierzu sind eine intensive Koordinierung und ein aktiver Informationsaustausch innerhalb der und zwischen den Mitgliedstaaten und Gemeinschaften sowie die Entschlossenheit geboten, diese Maßnahmen, die in die nationale Zuständigkeit fallen, umzusetzen. Auch künftig wird eine Einigung auf gemeinsame Konzepte für gesundheitspolitische Maßnahmen sowohl über den Gesundheitssicherheitsausschuss („HSC“) als auch über andere Foren wie die Integrierte EU-Regelung für die politische Reaktion auf Krisen (IPCR) angestrebt.
Erfahrungsgemäß ist die Koordinierung der Maßnahmen mit den Nachbarn und auf EU-Ebene von entscheidender Bedeutung. Eindämmung und Bewältigung etwaiger neuer Ausbrüche werden auch eine fortlaufende Zusammenarbeit mit der unmittelbaren Nachbarschaft der EU und darüber hinaus sowie eine entsprechende Unterstützung erfordern. Daher wird die Kommission, wenn angemessen und durchführbar, den Westbalkan, die Länder der Europäischen Nachbarschaft und weitere Partnerstaaten an den in dieser Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen beteiligen.
II.Bessere Vorsorge – gewonnene Erkenntnisse und kurzfristige Maßnahmen
1.Testen, Kontaktnachverfolgung und Überwachung der öffentlichen Gesundheit
Ausreichende Testkapazitäten sind zur Vorsorge im Hinblick auf COVID-19 und die Reaktion darauf von wesentlicher Bedeutung. Ohne entsprechendes Testen ist keine Früherkennung potenziell infektiöser Personen möglich, und die Infektionsraten sowie die Übertragung innerhalb von Gemeinschaften können nicht sichtbar gemacht werden. Testen ist die Voraussetzung für eine angemessene Kontaktnachverfolgung.
In den vergangenen Monaten verfügte Europa jedoch nicht über ausreichend Tests, Testausrüstung und entsprechend geschultes Laborpersonal, und auch bei einigen Teilen der Laborausrüstung kam es zu Lieferengpässen, dabei ist die EU einer der größten Hersteller von Teilen dieser Ausrüstung. Zudem wichen die Teststrategien und -methoden der einzelnen Länder stark voneinander ab und die nationalen Kontaktnachverfolgungskapazitäten reichten aufgrund der zahlenmäßig starken Übertragungen innerhalb von Gemeinschaften häufig nicht aus.
Örtlich begrenzte Ausbrüche – lokale & nationale Reaktion
Mehrere Wochen nach der Aufhebung strenger Ausgangsbeschränkungen ist nun in mehreren Mitgliedstaaten ein Wiederanstieg der Zahl der gemeldeten Fälle zu beobachten, und in den meisten EU/EWR-Ländern sind immer noch eine Reihe örtlich begrenzter Ausbrüche in bestimmten Settings sowie Übertragungen innerhalb von Gemeinschaften zu verzeichnen. Die jüngsten Ausbrüche veranschaulichen, dass lokale Ausbrüche sofort eingedämmt werden müssen, um eine breitere Übertragung innerhalb von Gemeinschaften zu vermeiden. Hierzu sollten unverzüglich entsprechend skalierte Test- und Nachverfolgungsmaßnahmen in dem betreffenden Gebiet durchgeführt werden. Anschließend sollten lokale Mitigationsmaßnahmen, etwa die Isolierung, ergriffen werden.
Die erforderlichen Kapazitäten sollten unverzüglich unter Rückgriff auf Ressourcen auf lokaler und nationaler Ebene eingesetzt werden. Um eine maßgeschneiderte und individuelle Reaktion zu gewährleisten, muss das Verständnis vorhanden sein, wie wichtig vor Ort vorhandene Kapazitäten und Kenntnisse sind. Entscheidend für eine optimale Reaktion auf diese Ausbrüche wird es sein, die Tätigkeiten zu gruppieren in jene, die im Interesse einer bestmöglichen Effizienz lokales Wissen erfordern, wie Kontaktnachverfolgung, und solche, die auch ohne Ortskenntnis durchgeführt werden können, wie die Bereitstellung mobiler Labors oder die praktische Durchführung von RT-PCR-Tests. Bei einem derartigen Ansatz sind Koordinierung und Informationsaustausch zwischen den lokalen und nationalen Behörden unabdingbar.
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Da die Eindämmungsmaßnahmen nun schrittweise aufgehoben werden, ist es erforderlich, zu testen‚ Kontakte nachzuverfolgen und die öffentliche Gesundheit zu überwachen, denn so können örtlich begrenzte Ausbrüche unter Kontrolle gebracht werden. Entscheidend für das Schritthalten mit einer möglichen Ausweitung der Pandemie und das Vermeiden erneuter strenger Ausgangsbeschränkungen ist die rasche Skalierbarkeit dieser Tätigkeiten. Diese müssen auch speziell auf schutzbedürftige Gruppen sowie Settings mit hoher Dichte und nur begrenzt möglicher räumlicher Trennung zugeschnitten sein. Ein wichtiger Schritt im Rahmen der Vorsorge ist daher die systematische Ermittlung gefährdeter Örtlichkeiten und Bevölkerungsgruppen in allen Mitgliedstaaten.
a)Testen
Es stehen mehr Laborkapazitäten für das Testen auf COVID-19-Infektionen zur Verfügung, und damit einhergehend hat es Entwicklungen in den Bereichen Point-of-Care-Testen, Herstellung von Testausrüstung im 3D-Druck und neue Prüfmethoden gegeben. Außerdem hat die Kommission eine gemeinsame Beschaffung mit den Mitgliedstaaten mit einer Obergrenze von über 350 000 000 EUR für Laborlieferungen eingeleitet. In allen Mitgliedstaaten müssen mehr Laborkapazitäten, geschultes Personal und Innovationen bereitstehen, damit ein System gewährleistet werden kann, das eine rasche Skalierbarkeit, belastungsfähige Ergebnisse und einen lokal begrenzten Einsatz ermöglicht.
Nun, da die Mitgliedstaaten ihre Testkapazitäten entsprechend den ECDC-Leitlinien ausgebaut haben, müssen sie sicherstellen, dass sie die Testabdeckung für Patienten mit leichten Symptomen und für Personen, die mit positiv getesteten Menschen in Kontakt gekommen sind, rasch erhöhen können. Außerdem ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten den Testumfang und die Ergebnisse im Zeitverlauf überwachen. Das Testen muss auch rasch anhand dezentraler Strategien durchgeführt werden können, um lokal begrenzte Cluster unter Kontrolle zu bringen. Schließlich sollten die Mitgliedstaaten auch sicherstellen, dass der Ausbau der COVID-19-Testkapazitäten nicht zulasten anderer Überwachungsprogramme (z. B. für Influenza) geht.
b)Kontaktnachverfolgung
Die Verknüpfung standardisierter Verfahren zur Kontaktnachverfolgung und interoperabler mobiler Anwendungen („Apps“) kann die Fähigkeit verbessern, neue Übertragungsketten zu stoppen und die Verbreitung innerhalb einer Gemeinschaft verhindern, und zwar unter gleichzeitiger Einhaltung des geltenden Datenschutzrechts. Zehn Mitgliedstaaten haben bereits Apps zur Kontaktnachverfolgung eingeführt. Elf weitere beabsichtigen dies in naher Zukunft. Nach Annahme der Empfehlung über Technik und Daten zur Bekämpfung und Überwindung der COVID-19-Krise wurden EU-Lösungen und ein gemeinsames Instrumentarium entwickelt, um die Interoperabilität nationaler Apps unter Wahrung der Privatsphäre und des Datenschutzes zu erleichtern. Die Interoperabilität zwischen allen nationalen Apps sollte zur Realität werden, damit Reisende und Arbeitnehmer weiterhin bedenkenlos EU-Grenzen überqueren können. Heute hat die Kommission den Durchführungsbeschluss (EU) 2019/1765 über das Netzwerk für elektronische Gesundheitsdienste geändert, um die Modalitäten für den Betrieb einer sicheren IT-Infrastruktur festzulegen, die die Interoperabilität von Mobil-Apps zur Kontaktnachverfolgung und Warnung in der gesamten EU unterstützt. Das Frühwarn- und Reaktionssystem („EWRS“) gewährleistet einen sicheren und wirksamen Informationsaustausch zwischen den Gesundheitsbehörden der Mitgliedstaaten. Darüber hinaus müssen Vorsorgemaßnahmen an den Unionseingangsorten, etwa internationalen Flughäfen, Häfen, internationalen Bahnhöfen oder Landgrenzübergangsstellen, getroffen werden, die die Kontaktnachverfolgung weiter unterstützen und dazu beitragen, die Freizügigkeit innerhalb der EU wieder zu gewährleisten.
c)Überwachung
Die Überwachung der öffentlichen Gesundheit sollte auf der Grundlage folgender Parameter erfolgen: Intensität und geografische Ausbreitung, Virusstammveränderungen mithilfe der molekularen Typisierung, nosokomiale Ausbrüche, Veränderungen bei Risikogruppen einschließlich des Zusammenhangs mit der Umweltexposition, Atemwegssyndrome, altersspezifische Populationsimmunität, Situation in Heimen oder die Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme.
Dies muss die frühzeitige Erkennung von Hotspots ermöglichen. Die Mitgliedstaaten müssen daher standardisierte und zeitnahe epidemiologische Daten über die subnationale Ebene austauschen, einschließlich Daten über Hospitalisierungen und Intensivpatienten. Die Sammlung derartiger – auch mithilfe der digitalen Epidemiologie durch die Social-Media-Analyse gewonnener – Daten trägt zur Nachverfolgung der Pandemie bei und ermöglicht eine präzise Modellierung ihrer Ausbreitung.
Aktionsbereich: Testen, Kontaktnachverfolgung und Überwachung der öffentlichen Gesundheit
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Zeitrahmen
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ØDurchführen szenariogestützter nationaler Belastungstests für Kontaktnachverfolgungssysteme, Testkapazitäten und Testeinsatz (Mitgliedstaaten)
Da derzeit noch lokal begrenzte Ausbrüche festgestellt werden und dies auch in Zukunft wahrscheinlich der Fall sein wird, sollten diese Belastungstests auf lokaler Ebene durchgeführt werden, und zwar auf der Grundlage spezifischer Szenarien, wie z. B. Situationen mit Menschen, die sehr viele Infektionen übertragen (sogenannte „Superspreader“) oder Ausbrüchen in bestimmten Sektoren, etwa in Schlachthöfen, Bildungseinrichtungen und Wohnheimen, die später auf weitere Tätigkeitsbereiche ausgeweitet werden könnten. Im Anschluss sind die im Rahmen der Übung gewonnenen Erkenntnisse und die Verfahren, die sich bewährt haben, auszutauschen.
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Juli - September
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Testen
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ØDurch Nachfrageplanung und FuE sicherstellen, dass die erforderlichen Testkapazitäten verfügbar sind (Mitgliedstaaten & Europäische Kommission)
So wird es einfacher werden, die Kapazitäten bei Bedarf zu erhöhen.
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läuft
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ØHerbeiführen einer Einigung auf EU-Ebene über abgestimmte Teststrategien und -methoden im Wege des HSC (Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
Es wird eine Einigung im HSC in Form einer schriftlichen Erklärung angestrebt.
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Juli - September
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Kontaktnachverfolgung
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ØEinführen von interoperablen Kontaktnachverfolgungs-Apps (Mitgliedstaaten, Europäische Kommission & ECDC)
Folgemaßnahmen zu den Leitlinien für die Mitgliedstaaten zu Interoperabilität und Entwicklung geeigneter Lösungen für die grenzüberschreitende Interoperabilität von Apps; kontinuierliche Weiterentwicklung des EWRS zur Erleichterung des Informationsaustauschs.
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Juli - September
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ØEntwickeln von EU-Mechanismen für gemeinsame digitalisierte Passagierlokalisierungsformulare (Passenger Locator Forms) für alle relevanten Verkehrssektoren (z. B. Gemeinsame Aktion EU Healthy Gateways mit Unterstützung der Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit – EASA)
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läuft
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Überwachung der öffentlichen Gesundheit
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ØLeitlinien für spezifische Ausbruchsuntersuchungen, z. B. in nosokomialen Settings, möglichen „Superspreading“-Situationen (etwa Massenveranstaltungen) und anderen besonderen Unterkunftssettings (ECDC)
Dies trägt dazu bei, das Verständnis und die Überwachung der epidemiologischen Dynamik zu verbessern.
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August
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ØAbwässer-Probenahmekampagne, Bewerten der Ergebnisse und Verknüpfen mit epidemiologischen Daten (Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
Ziel ist es, das Auftreten des Virus in städtischen Abwässern nachzuverfolgen.
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läuft
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ØStärken des populationsbasierten klinisch-epidemiologischen Surveillancesystems in den Bereichen Grundversorgung und Krankenhaus (ECDC & Mitgliedstaaten)
Das ECDC wird mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten und diese über bewährte Verfahren zur Stärkung bestehender Systeme beraten, die die Überwachung auf nationaler Ebene unterstützen.
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Juli - September
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ØTechnische Unterstützung bei Design und Durchführung von Seroprävalenzstudien sowie der Ergebnisanalyse zur Förderung der Vergleichbarkeit auf EU-Ebene (ECDC, Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØGewährleisten eines EU-weiten Austauschs klinischer, epidemiologischer und virologischer Daten über die EU-Plattform für den Datenaustausch zu COVID-19 (Europäische Kommission, ECDC & Mitgliedstaaten)
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läuft
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ØEinrichten eines Registers auf EU-Ebene für die Prävention und Verringerung epidemiologischer Risiken, einschließlich umweltbedingter Gesundheitsfaktoren (Europäische Kommission)
Es ergänzt andere Plattformen und gewährleistet den offenen Zugang und die Interoperabilität von Datenplattformen, die COVID-19-Daten enthalten.
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Oktober
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2.Medizinische Gegenmaßnahmen: reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts und Zugang zu persönlicher Schutzausrüstung, Arzneimitteln und Medizinprodukten
Die COVID-19-Krise hat sich negativ auf den Handel mit Drittländern, den freien Warenverkehr innerhalb der EU und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ausgewirkt. Insbesondere der Zugang zu persönlicher Schutzausrüstung, Arzneimitteln und Medizinprodukten ließ in der EU zu Beginn der Pandemie sehr zu wünschen übrig. Als sich die Krise verschärfte, konnten die globalen Lieferketten die gestiegene Nachfrage nicht bewältigen. In den damals am stärksten betroffenen Regionen stand die Produktion still. Der Erlass von Ausfuhrverboten durch nationale Behörden und Behörden von Drittländern, Probleme beim internationalen Warentransport, Engpässe bei der Konformitätsbewertung sowie die Verbreitung nicht konformer, unsicherer und gefälschter Produkte verschärfte die Verknappungssituation weiter. Es war offensichtlich, dass der weltweite Beschaffungswettlauf die Preise für Produkte, deren Qualität in manchen Fällen unzureichend war, in die Höhe schnellen ließ. Es wurden auch die auf EU-Ebene über das Katastrophenschutzverfahren der Union koordinierten Solidaritätsmaßnahmen behindert oder verzögert, da alle Länder zur gleichen Zeit mit derselben Art von Verknappungen konfrontiert waren. Darüber hinaus wurde der Markt für den gewerblichen Güterverkehr gestört und der Zugang zu Transportmöglichkeiten unberechenbar.
Zur Lösung dieser Probleme wurde eine Reihe von Maßnahmen getroffen. Dazu gehörten Umstellungen in der Industrie, die Überwachung von Engpässen durch die Europäische Arzneimittel-Agentur, die Unterstützung von Initiativen der Industrie zur Optimierung der Produktion von und der Versorgung mit unentbehrlichen Arzneimitteln, Ausfuhrgenehmigungen‚ die Zusammenarbeit mit Drittländern sowie kostenlos verfügbare Normen. Darüber hinaus leitete die Kommission gemeinsame Beschaffungsverfahren ein, legte einen strategische Vorrat an (rescEU), verstärkte die Zusammenarbeit zwischen den Marktüberwachungs- und Sicherheitsbehörden und intensivierte die Kontrollen, um sicherzustellen, dass im Binnenmarkt nur sichere Schutzausrüstungen angeboten werden; außerdem wurde das Europäische Komitee für Normung (CEN) mit der Ausarbeitung neuer Leitlinien für Alltagsmasken beauftragt.
Darüber hinaus hat die Kommission Leitlinien zu Ausfuhrbeschränkungen und für die optimale und rationalisierte Versorgung mit Arzneimitteln zur Vermeidung von Engpässen während des COVID-19-Ausbruchs angenommen und sich aktiv für die Aufhebung nationaler Ausfuhrbeschränkungen und anderer Hemmnisse für den freien Verkehr von medizinischem Material und Medizinprodukten eingesetzt. Die Kommission hat ferner einen Beschluss angenommen, durch den die von der Coronavirus-Pandemie betroffenen Mitgliedstaaten ermächtigt werden, Zölle und Mehrwertsteuer auf Schutzausrüstungen, Testkits oder Medizinprodukte wie Beatmungsgeräte vorübergehend auszusetzen. Dies erleichtert die Beschaffung von medizinischem Material, das von Ärzten, Pflegekräften und Patienten dringend gebraucht wird.
Zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs innerhalb der EU hat sich die Kommission aktiv für die Aufhebung nationaler Ausfuhrbeschränkungen eingesetzt. Die Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften („SMET“) setzte sich umgehend für die Beseitigung der Beschränkungen des freien Warenverkehrs, einschließlich des freien Verkehrs mit medizinischem Material, ein.
Der Schutz der Integrität des Binnenmarktes – einer unserer Haupttrümpfe für die wirtschaftliche Erholung – bleibt für die Kommission prioritär. Gegen ungerechtfertigte Hindernisse für den freien Warenverkehr, insbesondere für medizinisches Material und Arzneimittel, wird sie weiterhin aktiv unter Einsatz aller verfügbaren Instrumente, einschließlich Vertragsverletzungsverfahren, vorgehen.
Die Kommission erinnert daran, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Entwürfe nationaler technischer Vorschriften zu notifizieren, bevor diese tatsächlich angenommen werden, damit die Kommission und die anderen Mitgliedstaaten darauf reagieren können. Bei Bedarf, etwa bei einer plötzlichen starken Zunahme von Handelshemmnissen wie während der COVID-19-Krise, sollte die SMET als Dringlichkeitsmechanismus zur Koordinierung einer angemessenen Reaktion genutzt werden.
Die Erfahrungen mit der Umsetzung des „Mobilitätspakets“ im Rahmen des Soforthilfeinstruments (ESI) können als Grundlage für die Entwicklung einer koordinierten Reaktion der EU auf einen etwaigen künftigen Rückgang der weltweiten und regionalen Frachtkapazitäten dienen.
Darüber hinaus hat die Kommission einen Clearing-House-Mechanismus, die Clearingstelle für medizinisches Gerät (COVID-19), eingerichtet, der als Plattform für den Austausch mit den Mitgliedstaaten und für die Bewertung von Nachfrage nach und Angebot von wichtigen medizinischen Gegenmaßnahmen sowie für die Überwachung der EU-Industriekapazitäten und deren Steigerung dient. Es wurde eine Online-Plattform zur Sammlung von Informationen über Angebot und Nachfrage eingerichtet, um die Abstimmung von Angebot und Nachfrage zwischen den Mitgliedstaaten, die ihren Bedarf angeben, und den Unternehmen, die medizinisches Material anbieten, zu erleichtern. Trotz einiger Verbesserungen gibt es keine Anzeichen dafür, dass die Mangelsituation bei medizinischem Material vollständig behoben wurde. Das ECDC und die Gemeinsame Forschungsstelle (JRC) unterstützen Prognose- und Modellierungstätigkeiten.
Zur Vorbereitung auf in Zukunft gegebenenfalls steigende Fallzahlen braucht es jedoch noch mehr. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, umgehend eine klare Übersicht über ihren Bedarf an medizinischem Material, die nationalen Produktionskapazitäten und die Lagerbestände an unentbehrlichem Material zu erstellen. Auf EU-Ebene laufen derzeit Beschaffungsmaßnahmen, um die Verfügbarkeit von persönlichen Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräten, Laborausrüstungen und unverzichtbaren ITS-Arzneimitteln (siehe Anhang) sowie den Zugang zu Therapeutika nach ihrer Zulassung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur zu gewährleisten und um die Herstellung und den Einsatz potenzieller erfolgreicher Impfstoffe zu unterstützen. Mit den umfangreichen EU-Beschaffungsrahmenverträgen werden die Vorsorgemaßnahmen der Mitgliedstaaten unterstützt. Die Mitgliedstaaten werden aufgerufen, von den Möglichkeiten, im Rahmen der derzeitigen Verträge medizinisches Material zu erwerben, Gebrauch zu machen. Ferner müssen Maßnahmen sichergestellt werden, mit denen gewährleistet wird, dass der risikobehaftete Sektor der Sozialbetreuung, der die Grundversorgung für ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen leistet, mit angemessenen persönlichen Schutzausrüstungen ausgestattet wird.
Die Mitgliedstaaten werden ferner aufgefordert, Möglichkeiten für flexible Produktionskapazitäten und die Umstellung der Produktion in ihrem Hoheitsgebiet aufzuzeigen. Die Kommission steht bereit, die Mitgliedstaaten bei der Umstellung der Industrie und der Aufstellung von Plänen für flexible Produktionskapazitäten zu unterstützen.
Darüber hinaus wird die Forschungs- und Innovationstätigkeit darauf ausgerichtet, medizinische Gegenmaßnahmen zu entwickeln und eine Evidenzbasis für die Entwicklung und Schaffung der erforderlichen gemeinsamen Standards für unentbehrliche Waren zu erarbeiten (z. B. für Diagnosetests, Gesundheitsdaten, Produktzulassungen, die gemeinsame öffentliche Beschaffung von Innovationen sowie die Ausarbeitung klinischer Leitlinien). Diese Bemühungen müssen aufrechterhalten und koordiniert werden und können gegebenenfalls auch unterstützt werden, indem sichergestellt wird, dass die einschlägigen europäischen Forschungseinrichtungen bei weiteren Ausbrüchen ihre Arbeit fortsetzen können.
Wie in der von der Kommission vorgelegten EU-Strategie für COVID-19-Impfstoffe vom 17. Juni 2020 hervorgehoben, wird eine dauerhafte Lösung zur Bewältigung der derzeitigen Krise wohl am ehesten durch die Entwicklung und Bereitstellung eines wirksamen und sicheren Impfstoffs gegen das Virus erreicht werden. In diesem Zusammenhang verhandelt die Europäische Kommission derzeit im Namen der Mitgliedstaaten mit den Impfstoffherstellern über Abnahmegarantien. Dies wird entscheidend dazu beitragen, dass sich das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben in ganz Europa und der Welt wieder normalisieren kann.
Aktionsbereich: Lieferung von persönlichen Schutzausrüstungen, Arzneimitteln und Medizinprodukten
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Zeitrahmen
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ØAufrechterhalten des freien Warenverkehrs, insbesondere von unentbehrlichem medizinischem Material innerhalb der EU (Mitgliedstaaten & Europäische Kommission)
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läuft
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ØUmsetzen der EU-Impfstoffstrategie (ESI – Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
Die Kommission wird im Namen der Mitgliedstaaten Garantien mit einzelnen Impfstoffherstellern vereinbaren, um sich das Recht auf die Beschaffung von Impfstoffen durch Abnahmegarantien zu sichern.
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läuft
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ØErstellen einer Übersicht über den Bedarf an medizinischem Material, die nationalen Produktionskapazitäten und die Lagerbestände an unentbehrlichem Material, Darstellen flexibler Produktionskapazitäten/Umstellungsmöglichkeiten (Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØOrganisieren eines Austauschs bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf Umwidmung, Anpassung und Ausbau der Produktionslinien für die Herstellung von medizinischem Material (Europäische Kommission)
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September/Oktober
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ØSicherstellen des Zugangs zu COVID-19-Therapeutika, die derzeit klinisch geprüft werden, durch Liefervereinbarungen mit Arzneimittelunternehmen (Europäische Kommission)
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Juli - September
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ØUnterstützen eines koordinierten Ansatzes der EU für die Planung und Durchführung groß angelegter klinischer Prüfungen im Zusammenhang mit COVID-19 in Europa (Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
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läuft
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ØAustausch zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten über nationale Beschaffungsverfahren und Engpässe (Mitgliedstaaten & Europäische Kommission)
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läuft
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ØFördern des gleichberechtigten Zugangs zu und Einsatzes von notwendigen medizinischen Gegenmaßnahmen:
-laufende Verträge im Rahmen gemeinsamer Beschaffungsverfahren (persönliche Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte, Laborausrüstung, ITS-Arzneimittel) (Mitgliedstaaten)
-neue gemeinsame Beschaffungsverfahren (Europäische Kommission)
-Soforthilfe-Beschaffungsverfahren der Kommission für die Mitgliedstaaten (ESI)
-strategische Bevorratung auf EU-Ebene (rescEU) und EU-weite Verteilungspläne
-Transport von medizinischem Material in die EU (ESI)
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läuft
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ØBeobachten des Zugangs zu, der Verfügbarkeit von und der Verknappungsrisiken bei medizinischen Gegenmaßnahmen und ihren wichtigsten Inhaltsstoffen und Bestandteilen (Europäische Kommission, Europäische Arzneimittel-Agentur & Mitgliedstaaten)
ØErhöhen der Kapazitäten und Beschleunigen der Zertifizierung und Konformitätsbewertung von Produkten, die in Verkehr gebracht werden sollen, bei gleichzeitiger Gewährleistung von Sicherheit, Präzision und Konformität mit EU-Normen (Mitgliedstaaten)
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läuft
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ØVolles Ausschöpfen der bestehenden Instrumente durch die Mitgliedstaaten, etwa der gemeinsamen Beschaffungsvereinbarung, um unentbehrliches medizinisches Material anzuschaffen und zu bevorraten, und Sicherstellen koordinierter nationaler Bevorratungsinitiativen (Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØZoll- und Marktüberwachungsbehörden: Sicherstellen, dass nur konforme/s medizinisches Material und persönliche Schutzausrüstungen auf den EU-Markt gelangen (gemeinsame Maßnahmen mit Mitgliedstaaten)
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läuft
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ØLeitlinien für wiederverwendbare/s medizinisches Material und persönliche Schutzausrüstungen (ECDC)
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Juli
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3.Kapazitätspuffer in der Gesundheitsversorgung
Die Coronavirus-Pandemie hat die COVID-19-Patienten betreuenden Gesundheitsfachkräfte, die häufig über lange Zeiträume hinweg unter hohem Stress arbeiten, stark beansprucht. Sie sind nicht nur aufgrund ihrer erhöhten Virusexposition anfällig für Ansteckungen, sondern müssen häufig auch ohne angemessene persönliche Schutzausrüstung arbeiten. Außerdem fehlte es fast überall an ITS-Kapazitäten und spezialisiertem medizinischen Personal zur Behandlung von COVID-19-Patienten. In den meisten EU-Ländern haben sich nationale Lösungen für das Problem des Intensivbettenmangels als praktikabel erwiesen. Eine der wichtigsten Erkenntnisse besteht allerdings darin, dass die physische Infrastruktur zwar ausgebaut werden konnte, jedoch dringend Gesundheitspersonal benötigt wurde, das für die Intensivversorgung ausgebildet ist. In einigen Fällen wurden vormals in der Gesundheitsversorgung tätige Personen und Medizinstudierende mobilisiert und erforderlichenfalls im Rahmen eines Schnellkurses geschult. Die Kommission hat außerdem ein europäisches Netz von Klinikern unterstützt, über das Gesundheitsfachkräfte Informationen austauschen und so ihre Betreuung von COVID-19-Patienten verbessern können. Diese Ressourcenumschichtung ging jedoch mitunter zulasten der Versorgung von Patienten mit anderen Erkrankungen.
Grenzüberschreitende Unterstützung: Gesundheitspersonal und Patiententransfer
Während des ersten Ausbruchs in Europa waren bestimmte Gegenden erheblich stärker betroffen als andere. In einigen Fällen waren die Kapazitäten vor Ort überlastet, und zur europäischen grenzüberschreitenden Unterstützung wurde spezialisiertes Gesundheitspersonal entsandt und es wurden COVID-19-Patienten transferiert. So entsandten beispielsweise Rumänien und Norwegen mit finanzieller Unterstützung im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union Ärzte und Pflegepersonal nach Norditalien, und sechs Mitgliedstaaten beteiligten sich am grenzüberschreitenden Transfer von COVID-19-Patienten.
Auf der Grundlage dieser ersten Erkenntnisse sollten nationale Strategien entwickelt werden, um die Widerstandsfähigkeit der Gesundheitssysteme zu maximieren. In bestimmten Fällen ist jedoch die Unterstützung durch Länder der Europäischen Nachbarschaft und durch EU-Mitgliedstaaten notwendig. So hat die Kommission die Solidaritätsmechanismen gestärkt, indem sie Mittel aus den ESI-Fonds gezielt bereitgestellt und spezifische Mechanismen zur Unterstützung des grenzüberschreitenden Transfers von Patienten und des Transports von medizinischen Teams eingesetzt hat.
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Es ist sehr wichtig‚ Kapazitätspuffer im Bereich der öffentlichen Gesundheit rasch nutzen zu können, ohne dass dabei andere Bereiche der Gesundheitsversorgung vernachlässigt werden. Darüber hinaus muss unbedingt sichergestellt werden, dass bei kritischen Engpässen die Priorisierung (oder „Triage“) der Gesundheitsversorgung auf der Grundlage von Leitlinien erfolgt, die sich strikt auf medizinische Kriterien stützen. Schließlich hat die Kommission angesichts der Erfahrungen mit dem grenzüberschreitenden Patiententransfer und des Bedarfs an zusätzlichen Personalkapazitäten im Gesundheitswesen bei Überforderung auf nationaler Ebene im Rahmen des Soforthilfeinstruments bereits finanzielle Unterstützung für die Beförderung von medizinischem Personal und Patienten zwischen den Mitgliedstaaten mobilisiert. Darüber hinaus wird im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens der Union die Entsendung medizinischer Notfallteams und Ausrüstung in die anfordernden Länder koordiniert.
Aktionsbereich: Kapazitätspuffer in der Gesundheitsversorgung
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Zeitrahmen
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ØFinanzieren und Organisieren des Transports von medizinischem Personal und medizinischen Teams in die EU und zwischen den Mitgliedstaaten sowie des Transfers von Patienten zwischen den Mitgliedstaaten und in Drittländer (ESI – Europäische Kommission)
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läuft
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ØLeitlinien für die Optimierung von Klinikräumlichkeiten, auch im Zusammenhang mit der Beendigung der Isolierung und der Entlassung klinisch geheilter Patienten, die aber noch COVID-19-positiv sind (ECDC)
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Juli
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ØEuropäisches Online-Netz von Klinikern und Entwickeln von COVID-19-Schulungsmodulen für Gesundheitsfachkräfte (auch über eine virtuelle Akademie) in Zusammenarbeit mit europäischen Verbänden wie der European Society of Intensive Care Medicine (Mitgliedstaaten, ECDC, Europäische Kommission)
Dazu gehören praktische Schulungen und Informationen wie etwa das An- und Ablegen persönlicher Schutzausrüstungen bis zu Schulungsmodulen zur Intensivversorgung.
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läuft
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4.Nichtpharmazeutische Gegenmaßnahmen
In Mitgliedstaaten und Drittländern wurde eine Reihe nichtpharmazeutischer Gegenmaßnahmen, etwa Ausgangsbeschränkungen, physische Distanzierung, Tragen von Gesichtsmasken im öffentlichen Raum und Grenzkontrollen, eingeführt. Diese Maßnahmen waren häufig nötig, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen, und haben bereits Zehntausenden das Leben gerettet, gleichzeitig aber auch Gesellschaft und Wirtschaft stark belastet. Ausgangsbeschränkungen und Maßnahmen wie die Schließung öffentlicher Räume hatten störende und nie da gewesene negative soziale und wirtschaftliche Folgen für die Gesellschaften (z. B. Zugang für Grenzgänger zum Arbeitsplatz, Trennung der Familie, Zugang zu Bildung und Kinderbetreuung, Stillstand und Störungen in einer Reihe von Wirtschaftszweigen sowie soziale Effekte wie Isolierung) ebenso wie für die Volkswirtschaften der EU, da der Binnenmarkt nicht mehr reibungslos funktionierte. Sie haben sich negativ auf den Binnenmarkt für Waren ausgewirkt, den freien Warenverkehr eingeschränkt und die Lieferketten in der gesamten EU und darüber hinaus unterbrochen. Die Maßnahmen haben außerdem in hohem Maße die Freizügigkeit innerhalb der EU sowie das Funktionieren und die Integrität des Schengen-Raums beeinträchtigt. Der exponentiell gestiegene Einsatz von Technologien zur Erledigung alltäglicher Tätigkeiten wie Kommunikation, Empfang von Informationen, Einkaufen, Arbeiten und Lernen war für all diejenigen eine Herausforderung, die nur einen begrenzten oder gar keinen Zugang zu solchen IKT-Diensten haben.
Angesichts dieser wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen ist es im allgemeinen Interesse, im Falle weiterer Ausbrüche umfassende Ausgangsbeschränkungen zu vermeiden und die Auswirkungen auf verschiedene Sektoren, einschließlich Verkehr und Tourismus, verträglich zu gestalten. Angestrebt werden sollten eher gezielte und örtlich begrenzte nichtmedizinische Gegenmaßnahmen, die auf Forschungsergebnissen und Evidenzdaten basieren. Aggregierte und anonymisierte Mobilitätsdaten, die eine Bewertung der Wirksamkeit solcher Maßnahmen ermöglichen, werden hier hilfreich sein. Diese Datensammlung kann als Grundlage einer Szenarioplanung für mögliche weitere Ausbrüche und die entsprechenden nichtpharmazeutischen Maßnahmen dienen. Von entscheidender Bedeutung für die Kontinuität der Arbeit und der wirtschaftlichen Tätigkeiten ist es zu gewährleisten, dass die Arbeitsplätze sicher sind und dass für Kinderbetreuung sowie schulische Bildung gesorgt ist, damit alle Eltern weiterhin Beruf und Familie miteinander vereinbaren können. Es sollten Präventiv- und Schutzmaßnahmen auf der Grundlage der EU-Vorschriften für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz sowie spezifische Leitlinien eingeführt werden, um die Gesundheit der Arbeitnehmer zu schützen und die Ausbreitung des Virus am Arbeitsplatz zu verhindern. Insbesondere sind die Arbeitgeber nach geltendem Recht zu einer aktualisierten Risikobewertung und zu an den sich wandelnden Kontext angepassten Präventivmaßnahmen verpflichtet.
Ab jetzt gilt es, die Wiedereinführung unwirksamer Beschränkungen und die Kontrollen an den EU-Binnengrenzen zu vermeiden. Maßnahmen, die Beschränkungen des Personen- oder Warenverkehrs innerhalb der EU beinhalten, sollten nur dann angewandt werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Derartige Beschränkungen zur Begegnung von Risiken für die öffentliche Gesundheit sollten koordiniert, verhältnismäßig und diskriminierungsfrei erfolgen. Vorübergehende Kontrollen an den Grenzen dürfen nur unter außergewöhnlichen Umständen eingesetzt werden, um auf Situationen zu reagieren, die die öffentliche Ordnung oder die innere Sicherheit ernsthaft gefährden, und sollten als letztes Mittel nur so lange fortbestehen, wie die außergewöhnlichen Umstände andauern.
Beschränkungen innerhalb der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten müssen nicht unbedingt mit Reisebeschränkungen und Kontrollen an den Binnengrenzen einhergehen. Werden dennoch Grenzkontrollen eingeführt, sollte dies im Benehmen mit den anderen Mitgliedstaaten unter Nutzung der bestehenden Kanäle und im Einklang mit geltenden Vorschriften erfolgen; der freie Warenverkehr und der freie Personenverkehr für Beschäftigte in systemrelevanten Funktionen und im Verkehrsbereich tätige wichtige Arbeitnehmer hingegen sollte jederzeit gewährleistet sein. Es sollten unverzüglich Sonderfahrspuren und die bestehenden Leitlinien zu Grenzmanagementmaßnahmen‚ Luftfracht, Freizügigkeit der Arbeitnehmer und zu Besatzungswechseln eingeführt bzw. umgesetzt werden. Die Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften wird weiterhin alle ungerechtfertigten Hindernisse für den freien Warenverkehr überwachen und dagegen vorgehen. Zur Aufrechterhaltung des Personenverkehrs sind die Leitlinien für Verkehrsdienste und Fahrgastrechte weiterhin von Belang und sollten angepasst an die epidemiologische Lage angewandt werden. Beschränkungen für nicht unbedingt notwendige Reisen in die EU werden laufend geprüft. Es ist von wesentlicher Bedeutung, dass jede schrittweise Aufhebung der Beschränkungen für Reisen in die EU umfassend zwischen den EU-Mitgliedstaaten koordiniert wird.
Aktionsbereich: Nichtpharmazeutische Maßnahmen
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Zeitrahmen
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ØZeitnahes Austauschen von Informationen zwischen den Mitgliedstaaten über die Wirksamkeit von Maßnahmen und etwaige Wiedereinführungen als Reaktion auf Folgeausbrüche
Es werden eine Website und Datenbank für die Dateneingabe von der GFS bereitgestellt, die von GFS und ECDC mit Beiträgen aus den Mitgliedstaaten gefüttert werden und zur Modellierung, Risikobewertung und Überwachung der Situation in den Mitgliedstaaten genutzt werden können.
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Juli - September
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ØEU Handbook on COVID-19 non-pharmaceutical interventions (ECDC and JRC)
Zusammenstellen bewährter Verfahren und wissenschaftlicher Leitlinien auf der Grundlage von Modellierungsergebnissen zur Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Kalibrierung von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit (einschließlich Massenveranstaltungen), basierend auf verschiedenen Parametern, Kriterien und auslösenden Faktoren
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August
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ØAustauschen von Informationen und bewährten Verfahren im Zusammenhang mit Binnen- und Außengrenzübergangsstellen zur Begrenzung der negativen Auswirkungen auf den freien Personen- und Warenverkehr (Europäische Kommission & Mitgliedstaaten)
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läuft
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5.Unterstützung schutzbedürftiger Personengruppen
Bestimmte Personengruppen sind anfälliger für das Virus als andere. Dabei handelt es sich um drei Kategorien: 1) medizinisch gefährdete Personen wie ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen (z. B. Bluthochdruck, Diabetes, Adipositas); 2) sozial benachteiligte Personen, z. B. Personen, die in bestimmten räumlichen Settings mit hoher Dichte und nur begrenzt möglicher räumlicher Trennung wohnen oder arbeiten; sowie 3) Personen mit berufsbedingtem näherem Kontakt zu bestätigten oder vermuteten COVID-19-Fällen. In einigen Mitgliedstaaten waren etwa die Hälfte aller Todesopfer ältere Menschen, insbesondere solche, die in Pflegeheimen lebten. Darüber hinaus hat die COVID-19-Krise bestehende Ungleichheiten deutlich gemacht und verschärft, darunter auch die häusliche Gewalt, da sie an den Rand gedrängte Gemeinschaften in unserer Gesellschaft unverhältnismäßig hart getroffen hat. Weitere Ausbrüche sollten die sozioökonomischen Unterschiede in den europäischen Gesellschaften nicht noch vergrößern. Da es sich um viele verschiedene Bevölkerungsgruppen handelt, müssen die Gesundheitsschutzmaßnahmen auf die jeweiligen Besonderheiten zugeschnitten werden, da die Bedürfnisse und Anforderungen jeweils andere sind. Dies schließt auch Bedürfnisse wie psychologische Betreuung ein, beispielsweise bei Isolation und Einsamkeit.
Spezifische Settings erfordern spezifische Maßnahmen. Die Situation von Gesundheitsfachkräften, von Arbeitnehmern in Langzeitpflegeeinrichtungen und anderen an vorderster Front tätigen Arbeitnehmern sowie von schutzbedürftigen Personengruppen und in Settings wie Heimen erfordert eine kontinuierliche und angemessene Überwachung durch regelmäßiges Testen, um eine weitere Ausbreitung des Virus in diesen Umfeldern zu verhindern. Darüber hinaus ist bei Ausbrüchen in Settings wie Schlachthöfen, Bergwerken oder bestimmten klimatisierten Bereichen der sofortige Einsatz von Kapazitäten zur Bekämpfung von Ausbrüchen geboten, um sicherzustellen, dass diese örtlich begrenzt bleiben. Besondere Aufmerksamkeit muss auch Wander- oder Saisonarbeitnehmern gelten.
Aktionsbereich: Unterstützung schutzbedürftiger Personengruppen
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Zeitrahmen
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ØKonzipieren und Umsetzen spezifischer niedrigschwelliger Teststrategien für gefährdete Gruppen & Settings mit hoher Dichte (Mitgliedstaaten und ECDC)
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Juli - August
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ØAustausch bewährter Verfahren zur Unterstützung der COVID-19-Prävention, -Testung und -Betreuung in gesellschaftlichen Randgruppen und medizinisch gefährdeten Personengruppen und Settings (Europäische Kommission & ECDC)
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Juli - September
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ØAustausch bewährter Verfahren und Bereitstellen psychologischer und psychosozialer Unterstützung für gefährdete Personen, die für COVID-19 anfällig sind (Europäische Kommission und Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØBereitstellen spezifischer Online-Schulungen für Mitarbeiter, die vor Ort mit gefährdeten Gruppen arbeiten (ECDC)
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Juli - September
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6.Verringerung der Belastung durch die saisonale Grippe
Die saisonale Grippe bedeutet jedes Jahr eine Belastung für die Gesundheitssysteme. Gleichzeitige Ausbrüche von Influenza und COVID-19 würden die Gesundheitssysteme erheblich unter Druck setzen. Daher müssen unverzüglich Maßnahmen geprüft werden, die die Belastung durch die saisonale Grippe verringern würden, z. B. verstärktes Überwachen, Testen, Zugang zu Impfstoffen und Differentialdiagnose.
Aktionsbereich: Mitigationsmaßnahmen für die saisonale Grippe
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Zeitrahmen
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ØErhöhen der Impfquote: vorgezogener Start der Impfkampagnen und Ausweitung der Zielgruppen (Mitgliedstaaten)
Die Mitgliedstaaten sollten erwägen, die Impfkampagnen vorzuziehen und die Zielgruppen zu erweitern (Mitgliedstaaten).
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Juli - September
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ØGewährleisten zusätzlicher nationaler Beschaffungsverfahren für Grippeimpfstoffe (z. B. durch Überschussproduktion) (Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØWissenschaftliche Leitlinien für die Influenza-Impfinfrastruktur im Kontext eines COVID-19-Ausbruchs (ECDC)
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Juli
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ØVorbereiten von an den Kontext eines COVID-19-Ausbruchs angepassten Influenza-Impfinfrastrukturen (z. B. Vorkehrungen für eine gegebenenfalls höhere Influenza-Impfbereitschaft) (Mitgliedstaaten)
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Juli - September
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ØAustauschen von Verfahren, die sich in nationalen Influenza-Immunisierungsprogrammen bewährt haben (Europäische Kommission und ECDC)
Dazu können angepasste Pläne für die Impfung gegen die saisonale Grippe bei einem COVID-19-Ausbruch, die Antizipation des Impfbedarfs der Bevölkerung und die Sicherstellung der Impfung im Falle von Ausgangsbeschränkungen gehören.
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Juli - September
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ØErhöhen der Impfquote durch gezielte Sensibilisierungskampagnen am Arbeitsplatz (EU-OSHA)
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September - Oktober
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ØLeitlinien für klinisches Management und Behandlungsprotokoll für Differentialdiagnose und -management von Influenza und COVID-19 (ECDC)
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Juli
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III.SCHLUSSFOLGERUNG
Die EU muss sicherstellen, dass sie für ein etwaiges Wiederaufflammen von COVID-19 gewappnet ist. Dies erfordert kurzfristige und stark koordinierte Maßnahmen zur Stärkung der Schlüsselbereiche von Vorsorge und Reaktion. Die Früherkennung von Infektionsfällen und eine rasche Reaktion zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung sind in Verbindung mit spezifischen Maßnahmen zum Schutz der schwächsten Bevölkerungsgruppen derzeit am besten geeignet, die Wiedereinführung umfassender Beschränkungen wie Lockdowns zu vermeiden. Die in dieser Mitteilung dargelegten Maßnahmen wurden auf der Grundlage der in den Mitgliedstaaten, in der Kommission und den EU-Agenturen laufenden Arbeiten entwickelt.
Diese Bemühungen sollten durch belastbare Fakten und eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit untermauert werden. Ob ein Wiederaufflammen verhindert werden kann, hängt weitgehend vom Verhalten der Einzelnen und der Einhaltung der Empfehlungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit ab. Nur durch die nicht nachlassende Wachsamkeit aller kann die fortdauernde Einhaltung eines Kernbestands grundlegender individueller Vorsichtsmaßnahmen sichergestellt werden. Dafür wiederum braucht es Akzeptanz und Verständnis seitens der Bevölkerung für die Begründetheit und die Bedeutung dieser Maßnahmen. Ein Schlüsselfaktor für künftige Entwicklungen werden die Überwachung der sozialen Akzeptanz und die frühzeitige Auseinandersetzung mit Bedenken aus der Gesellschaft sein. Zu dieser Öffentlichkeitsarbeit gehört auch eine systematische und sofortige Reaktion auf Desinformation über die Coronavirus-Pandemie; außerdem sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Cyberabwehrfähigkeit wichtiger Gesundheitsinfrastrukturen zu verbessern. Für den Fall, dass ein Mitgliedstaat erneut Notfallmaßnahmen einführt, sollten diese maßvoll und begrenzt gestaltet werden, damit sie die Rechtsstaatlichkeit und die parlamentarische Demokratie nicht behindern.
Das Virus macht nicht an den Grenzen der EU Halt, und deshalb stellen die EU und ihre Mitgliedstaaten über 36 Mrd. EUR für Soforthilfe, humanitäre Hilfe und eine längerfristige Unterstützung von Drittländern in einer Notlage bereit. Darüber hinaus wurde eine humanitäre Luftbrücke der EU eingerichtet, um wichtige Verkehrsverbindungen für humanitäre und medizinische Hilfskräfte und Material aufrechtzuerhalten.
Die Bemühungen sollten in Abstimmung mit anderen globalen Akteuren, einschließlich der Vereinten Nationen und der WHO, fortgesetzt werden, um die erforderliche internationale Reaktion auf diese globale Gesundheitsgefahr, einschließlich des gleichberechtigten Zugangs zu einem COVID-19-Impfstoff, sicherzustellen. Dies sollte Hand in Hand gehen mit den Anstrengungen zur Bewältigung der sozioökonomischen Auswirkungen dieser Krise, die die Fortschritte bei der Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung vereiteln könnten, sowie mit Investitionen in die Widerstandsfähigkeit der Partnerländer, insbesondere durch die Stärkung der Gesundheitssysteme, um den weltweiten Aufschwung zu unterstützen. Nur so kann die derzeitige Pandemie in der EU und weltweit beendet werden.
Mehr als je zuvor muss darauf geachtet werden, die Auswirkungen der Grippesaison 2020/2021 möglichst gering zu halten, und es müssen jetzt Maßnahmen ergriffen werden, um dieses Szenario zu entschärfen. Gleichzeitige COVID-19-Ausbrüche, gepaart mit einer drastischen Influenzasaison, könnten unsere Gesundheitssysteme auf eine noch stärkere Belastungsprobe stellen.
Die Europäische Kommission wird COVID-19 weiterhin Seite an Seite mit den Mitgliedstaaten bekämpfen. Gemeinsam werden wir auch in Zukunft Forschungsarbeiten zur Vorhersage der Ausbreitung und des Wiederaufflammens finanzieren und die Entwicklung notwendiger medizinischer Gegenmaßnahmen unterstützen. Wir werden außerdem Verfahren ermitteln, die sich vor Ort bewährt haben, und diese verbreiten. Durch einen ehrgeizigen Aufbauplan und untermauert durch einen neu gestalteten langfristigen Haushaltsplan 2021-2027 und das Instrument „Next Generation EU“ wird Europa auch Investitionen tätigen, um Aufbau und Widerstandsfähigkeit gegenüber möglichen künftigen COVID-19-Ausbrüchen sicherzustellen, strukturelle Veränderungen in allen Gesundheitssystemen zu befördern und die Krisenmanagementsysteme und -kapazitäten der Union zu stärken. Europa wird seine Lehren aus der COVID-19-Krise zu ziehen wissen und sie dazu nutzen, stärker und geeinter zu werden sowie für künftige Krisen besser gewappnet zu sein.
EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 15.7.2020
COM(2020) 318 final
ANHANG
der
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Kurzfristige Vorsorgemaßnahmen der EU im Gesundheitsbereich im Hinblick auf COVID-19-Ausbrüche
ANHANG
ÜBERBLICK – GEMEINSAME BESCHAFFUNG
Die gemeinsame Beschaffungsvereinbarung – Rechtsgrundlage und Ziele
Am 10. April 2014 nahm die Kommission die gemeinsame Beschaffungsvereinbarung für die Institutionen der EU an, um zusammen mit der Vereinbarung angeschlossenen Staaten Folgendes zu erwerben: Impfstoffe, antivirale Medikamente und medizinische Gegenmaßnahmen gegen schwerwiegende grenzüberschreitende Gesundheitsgefahren. Die gemeinsame Beschaffungsvereinbarung wurde von allen 27 EU-Ländern, dem Vereinigten Königreich, den drei EWR-Staaten (Norwegen, Island und Liechtenstein) sowie auch von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Serbien, Nordmazedonien und dem Kosovo unterzeichnet (Stand April 2020). Diese Länder können sich an allen künftigen gemeinsamen Beschaffungsverfahren beteiligen. Die Vereinbarung wurde von 37 Partnern für eine Bevölkerung von 537 Millionen Menschen unterzeichnet. Der gemeinsame Beschaffungsmechanismus wurde eingerichtet, um die Bereitschaft der Mitgliedstaaten zur Reaktion auf Krisensituationen zu verbessern, d. h. Vorräte im Zusammenhang mit medizinischen Gegenmaßnahmen anzulegen, bevor eine Krisensituation eintritt. Er war nicht in erster Linie als in Krisensituationen einzusetzendes Instrument gedacht. Die derzeitigen Umstände zeigen, wie wichtig es ist, gewappnet zu sein, und haben zu einer enormen Belastung dieses Mechanismus geführt. Trotzdem erweisen sich die Instrumente auch unter dem gegenwärtigen Druck bereits als nützlich.
Praktische Modalitäten und Geschwindigkeit der Umsetzung gemeinsamer Beschaffungsverfahren im Zusammenhang mit COVID-19
Im Zusammenhang mit COVID-19 findet aus Gründen äußerster Dringlichkeit das Verhandlungsverfahren Anwendung. Dies bedeutet, dass potenzielle Bieter im Wege einer Marktanalyse ermittelt werden und dass nur dazu aufgeforderte Unternehmen ein Angebot einreichen können. Nach Zuschlagserteilung erhalten die teilnehmenden Mitgliedstaaten die Gesamtmenge der bestellten oder vorbehaltenen Maßnahmen. Die Lieferfristen hängen jedoch von der Produktionskapazität der Hersteller und den anwendbaren Zuteilungskriterien ab. Die endgültige Zuteilung der verfügbaren Mengen medizinischer Gegenmaßnahmen erfolgt durch den zuständigen Lenkungsausschuss. Die Kommission hat aus eigener Initiative eine Reihe von Ausnahmeregelungen vorgeschlagen, um die Verfahren zu beschleunigen. Diese werden zum einen dadurch verlangsamt, dass alle interessierten Mitgliedstaaten Zeit benötigen, um ihre Bedarfsmeldungen abschließend vorzulegen, und zum anderen durch die Reaktionszeiten in den Unternehmen/auf den Märkten.
Laufende gemeinsame Beschaffungsverfahren im Zusammenhang mit COVID-19
Es wurden fünf gemeinsame Beschaffungsverfahren für persönliche Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Laborausrüstung eingeleitet. Im Rahmen des ersten Beschaffungsverfahrens für persönliche Schutzausrüstungen konnten die Mitgliedstaaten seit Anfang April Handschuhe bestellen. Seit Anfang Mai können die Mitgliedstaaten auch OP-Mäntel bestellen. Im Rahmen des zweiten Beschaffungsverfahrens für persönliche Schutzausrüstungen können die Mitgliedstaaten seit Anfang April Schutzbrillen, Gesichtsschilde und Gesichtsmasken bestellen. Im Rahmen des dritten Beschaffungsverfahrens für Beatmungsgeräte können die Mitgliedstaaten seit dem 15. April Bestellungen aufgeben. Das vierte gemeinsame Beschaffungsverfahren für Laborausrüstung steht den Mitgliedstaaten seit Mai für Bestellungen offen. Für das fünfte gemeinsame Beschaffungsverfahren für ITS-Arzneimittel werden seit dem 17. Juni Angebote eingeholt.
Verträge über persönliche Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Laborausrüstung bieten den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres unentbehrliches Material für einen Gesamthöchstbetrag von über 3,3 Mrd. EUR zu beschaffen.
Bei Bedarf können jederzeit weitere gemeinsame Beschaffungsverfahren eingeleitet werden. Voraussetzung dafür ist, dass sich mindestens vier Mitgliedstaaten sowie die Kommission daran beteiligen.