Brüssel, den 17.6.2020

COM(2020) 241 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

über die Auswirkungen des demografischen Wandels

{SWD(2020) 109 final}


INHALTSVERZEICHNIS

1.EINLEITUNG

2.DIE TRIEBKRÄFTE DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS IN EUROPA

2.1. HÖHERE LEBENSERWARTUNG

2.2. WENIGER GEBURTEN

2.3. EINE ALTERNDE BEVÖLKERUNG

2.4. KLEINERE HAUSHALTE

2.5. EIN MOBILERES EUROPA

2.6. EINE SICH VERÄNDERNDE BEVÖLKERUNGSGRÖSSE

3.DIE AUSWIRKUNGEN DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS AUF UNSERE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

3.1. MENSCHEN, ARBEIT UND KOMPETENZEN

3.1.1 EIN GRÖẞERER UND INKLUSIVERER ARBEITSMARKT

3.1.2. PRODUKTIVITÄT DURCH KOMPETENZEN UND BILDUNG

3.2. GESUNDHEITSWESEN UND LANGZEITPFLEGE

3.3. AUSWIRKUNG AUF DIE ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE

3.4. REGIONALE UND LOKALE DIMENSION

3.4.1. LEBENSQUALITÄT, INFRASTRUKTUR UND ZUGANG ZU DIENSTLEISTUNGEN

4.DOPPELTER ÜBERGANG UND DEMOGRAFISCHER WANDEL

5. DEMOGRAFIE UND GEOPOLITIK: DIE ROLLE EUROPAS IN DER WELT

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK



1.EINLEITUNG

Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat Europa und die Welt auf einen Schlag verändert. Er hat unsere Gesundheits- und Sozialsysteme ebenso auf die Probe gestellt wie die Resilienz unserer Wirtschaft und unserer Gesellschaft. Er wird die Art und Weise, wie wir leben und zusammenarbeiten, dauerhaft prägen – selbst wenn das Virus wieder verschwunden ist. Und er ereignete sich zu einer Zeit, als in Europa durch den Klimawandel und die gesellschaftlichen und demografischen Veränderungen bereits eine tief greifende Transformation eingesetzt hatte.

Beim demografischen Wandel geht es um Menschen und ihr Leben, darum, was wir tun, wie wir arbeiten und wo wir uns zu Hause fühlen. Es geht um unsere Gemeinschaften und die Art und Weise unseres Zusammenlebens. Es geht um die Vielfalt der Menschen und der Hintergründe, die unsere Gesellschaft bereichern und prägen, die uns stärker machen und das Motto der EU mit Leben füllen: In Vielfalt geeint. Dies ist heute wichtiger denn je. Da die europaweiten Ausgangsbeschränkungen nun langsam aber sicher gelockert werden, rückt wieder ins Bewusstsein, wie wichtig es ist, die Auswirkungen des demografischen Wandels auf unsere Gesellschaft richtig zu verstehen und darauf zu reagieren. Dies muss bei der wirtschaftlichen Erholung Europas und den aus der Pandemie gezogenen Lehren stets berücksichtigt werden – ganz gleich, ob es um die sozialen und wirtschaftlichen Aspekte, um Gesundheit und Langzeitpflege oder die vielen anderen, weit darüber hinausreichenden Fragen geht.

In den letzten Wochen und Monaten wurde uns der Zusammenhang zwischen demografischen Strukturen und ihren Folgen und dem Potenzial für die Erholung unserer Wirtschaft drastisch und oft schmerzhaft vor Augen geführt. So hat das größte Leid die älteste Generation getroffen, da Ältere in dieser Krise am stärksten gefährdet sind. Bei ihnen ist nicht nur das Risiko größer, dass die Krankheit zu Komplikationen führt, sondern sie sind durch die soziale Distanzierung und die Ausgangsbeschränkungen, die überall in Europa verhängt wurden, um Menschenleben zu retten, auch am stärksten isoliert und vereinsamt. Solidarität zwischen den Generationen muss eine der Triebkräfte der wirtschaftlichen Erholung Europas sein. 1  

Die Bewältigung der Folgen des langfristigen demografischen Wandels ist vielschichtig: Es geht um unseren Umgang mit der öffentlichen Gesundheit, den öffentlichen Haushalten oder dem öffentlichen Leben, aber ebenso um Fragen wie Vereinsamung, Pflege innerhalb des gewohnten Lebensbereichs und Zugang zu lebenswichtigen Dienstleistungen. Diese Fragen anzugehen, wird für einen erfolgreichen Aufschwung von großer Bedeutung und mitentscheidend dafür sein, wie schnell und inwieweit wir unseren früheren Alltag, unsere sozialen Beziehungen und unsere Volkswirtschaften wiederherstellen können. Auf längere Sicht ist dies für Europa eine Chance, eine gerechtere und resilientere Gesellschaft aufzubauen.

Die durch die Krise verursachten Schäden und die Notwendigkeit, Verluste aller Art zu bewältigen, sind nicht zu unterschätzen. Vor diesem Hintergrund mutet es vielleicht widersprüchlich an, dass die Europäerinnen und Europäer heute im Allgemeinen länger, gesünder und sicherer leben denn je. Doch längerfristig betrachtet ist dies noch immer Realität, und wir sollten stolz auf die großen Fortschritte sein, die in den letzten Jahrzehnten erzielt wurden und dies ermöglicht haben. Die Gesundheits- und Sozialsysteme Europas sind die fortschrittlichsten der Welt. Zusammen mit der Kompetenz und Hingabe so vieler an vorderster Front tätiger Pflege- und Sozialkräfte haben sie dazu beigetragen, dass seit Beginn der Krise unzählige Menschenleben gerettet werden konnten. Doch der Druck, unter den diese Systeme vor allem in Gegenden mit älterer Bevölkerung geraten sind, hat gezeigt, dass sie weiterreichend unterstützt werden müssen.

Dank der erwähnten Fortschritte ist unsere Lebensqualität nach wie vor einzigartig und die soziale Gleichheit in unseren Gesellschaften weltweit mit am stärksten ausgeprägt, auch wenn nach wie vor Ungleichheiten bestehen. Unsere Bevölkerung wird älter und lebt generell in kleineren Haushalten. Wir sind zunehmend mobil, arbeiten länger, lernen mehr und wechseln häufiger den Arbeitsplatz. All diese Trends haben signifikante Folgen für unsere Gesellschaft – und einige davon könnten einen Einfluss darauf gehabt haben, wie das Virus in einige Länder gelangt ist und sich dort verbreitet hat – sei es die alternde Bevölkerung, die Haushaltszusammensetzung oder die Bevölkerungsdichte.

Diese Aspekte lassen sich häufig am besten auf lokaler und regionaler Ebene angehen, da der demografische Wandel innerhalb ein und desselben Landes oft sehr unterschiedlich verläuft. Einige Regionen stehen vor der doppelten Herausforderung, dass das Einkommensniveau niedrig und die Bevölkerung rasch rückläufig ist. Da in diesen zumeist ländlichen Regionen 31 Millionen Menschen leben, steht viel auf dem Spiel. Europa wird danach streben, den Lebensstandard zu verbessern und Ungleichheiten zu verringern. Ziel ist es, dass für die Bedürfnisse der Menschen gesorgt ist und diese dort, wo sie leben, Perspektiven und Beschäftigungsmöglichkeiten vorfinden. Es geht um den Zugang zu Gesundheitsversorgung, Kinderbetreuung und Bildung sowie anderen unverzichtbaren lokalen Dienstleistungen wie Postämtern, öffentlichen Bibliotheken oder Transport.

Demografische Veränderungen sind nichts Neues, doch ist der Unterschied in unserem Leben nun akuter spürbar. Diesen Wandel anzugehen, wird umso wichtiger, als Europa Kurs auf die wirtschaftliche Erholung nimmt. Den Fokus weiterhin auf den doppelten – ökologischen und digitalen – Wandel zu richten, wird dazu beitragen, viele der innovativen und nachhaltigen Lösungen, die wir zur Bewältigung des demografischen Wandels brauchen, hervorzubringen.

Der demografische Wandel hat auch Einfluss auf die Stellung Europas in der Welt. Da der Bevölkerungsanteil Europas weltweit schrumpft, wird es umso wichtiger, dass die EU mit einer Stimme spricht und an einem Strang zieht, um so ihre kollektiven Stärken und ihre Vielfalt zur Geltung zu bringen. Dies ist auch vor dem Hintergrund der großen demografischen Veränderungen zu sehen, die sich in unserer Nachbarschaft und weltweit vollziehen und sich unmittelbar auf Europa auswirken werden.

In diesem Bericht werden die Triebkräfte des demografischen Wandels und deren europaweite Auswirkungen beleuchtet. 2  Er gibt Hinweise darauf, wie die am stärksten betroffenen Menschen, Regionen und Gemeinschaften am besten dabei unterstützt werden können, sich an die sich wandelnden Gegebenheiten anzupassen – in Krisen, wirtschaftlichen Erholungsphasen und ganz allgemein. Ziel der Kommissionsarbeiten in diesem Bereich ist es, unser Wissen zu vertiefen und Erkenntnisse für die Zukunft zu erlangen, damit wir diejenigen, die Hilfe brauchen, unterstützen können – sowohl jetzt als auch in Zukunft. Es geht nicht unbedingt darum, die genannten Trends umzukehren oder zu verlangsamen; es geht darum, uns selbst die richtigen Instrumente an die Hand zu geben, damit wir neue Lösungen bieten und die Menschen durch den Wandel begleiten können.

Letztlich geht es darum‚ sicherzustellen, dass keine Region und kein Mensch zurückgelassen wird – ein Gefühl, das letztlich das Vertrauen in unsere Demokratie untergraben kann. Deshalb gibt es in dieser Kommission erstmalig eine Vizepräsidentin für Demokratie und Demografie, und deshalb steht dieses Thema auch auf der Tagesordnung der Konferenz über die Zukunft Europas, die den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit geben wird, beim Aufbau einer resilienteren, nachhaltigeren und gerechteren Union eine Schlüsselrolle zu spielen. Auch wenn viele Zuständigkeiten in diesen Bereichen bei den Mitgliedstaaten liegen, steht die Kommission bereit, die Richtung vorzugeben, indem sie Handlungsfelder benennt und Maßnahmen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene unterstützt.

2.DIE TRIEBKRÄFTE DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS IN EUROPA 3

Als Europäerinnen und Europäer leben wir heute länger denn je und werden als Bevölkerung mit jedem Jahr älter. Immer mehr von uns entscheiden sich dafür, in einem anderen EU-Land zu leben, zu arbeiten oder zu studieren, und die Zu- und Abwanderung nach bzw. aus Europa fluktuiert weiter. Außerdem leben inzwischen immer mehr von uns in kleineren Haushalten, und wir bekommen weniger Kinder als früher. Diese Triebkräfte des demografischen Wandels sind innerhalb Europas unterschiedlich stark ausgeprägt, oft auch in den verschiedenen Regionen ein und desselben Landes. 4  

2.1. HÖHERE LEBENSERWARTUNG

Die Europäerinnen und Europäer leben länger und bleiben im Durchschnitt länger gesund. Die Lebenserwartung bei der Geburt hat sich in den letzten fünf Jahrzehnten sowohl für Männer als auch für Frauen um etwa 10 Jahre erhöht. 5 Die Pandemie hat zwar die Verwundbarkeit einer alternden Bevölkerung deutlich gemacht, dürfte an diesem insgesamt positiven Trend bei der Lebenserwartung vermutlich jedoch nichts ändern.

Projektionen 6 zufolge wird die Lebenserwartung bei der Geburt bis zum Jahr 2070 für Männer auf 86,1 Jahre steigen, gegenüber 78,2 Jahren 2018. Für Frauen dürfte sie bei 90,3 Jahren liegen – gegenüber 83,7 im Jahr 2018. Wo man lebt, hat großen Einfluss auf die Lebenserwartung. So liegt die Lebenserwartung bei der Geburt zwischen 83,5 Jahren in Spanien und 75 Jahren in Bulgarien.

Dabei zeigen sich Unterschiede zwischen Frauen und Männern – je nachdem, in welcher Region der EU sie leben. In der EU-27 ist die Lebenserwartung von Frauen bei der Geburt 5,5 Jahre höher als bei Männern, doch dies ist nicht überall so. In Lettland und Litauen beträgt der Unterschied mehr als neun Jahre, in Dänemark, Irland, den Niederlanden, Schweden und Zypern hingegen weniger als vier.

Unterschied zwischen der Lebenserwartung von Frauen und Männern bei der Geburt, 2018

Quelle: Eurostat.

Wir verbringen einen Großteil unseres Lebens bei guter Gesundheit. Die Anzahl der gesunden Lebensjahre 7 ist je nach Geschlecht und Land unterschiedlich. Für die EU insgesamt betrug die Zahl der gesunden Lebensjahre bei der Geburt 2018 für Frauen 64,2 Jahre und für Männer 63,7 Jahre. 8 Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Regionen. So kann ein in Schweden lebender Mann im Durchschnitt auf mehr als 73 gesunde Lebensjahre hoffen, ein Mann in Lettland aber nur auf 51. Fast die Hälfte aller älteren Menschen hat eine Behinderung 9 – die Zahl steigt mit der Altersgruppe an. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass sie durch eingeschränkte Mobilität vor Herausforderungen gestellt werden, und ihre Lebensqualität hängt davon ab, wie inklusiv und barrierefrei unsere Gesellschaften und unsere Umwelt sind.

Gesunde Lebensjahre bei der Geburt, 2018

Quelle: Eurostat.

Lebenserwartung bei der Geburt nach Regionen 10 ‚ 2018


2.2. WENIGER GEBURTEN

Von Mitte der 1960er bis Mitte der 1990er Jahre ist die durchschnittliche Zahl der Geburten je Frau in Europa zurückgegangen. 11 In den 2000er Jahren stieg sie erneut leicht an, bevor sie im darauffolgenden Jahrzehnt in etwa stabil blieb.

Im Jahr 2018 lag die durchschnittliche Kinderzahl bei 1,55 je Frau und damit unterhalb des Werts von 2,1, der als erforderlich gilt, um die Bevölkerungsgröße ohne Migration konstant zu halten. Diese Fertilitätsrate 12 wird in fast keiner Region Europas erreicht; in einigen liegt sie gar unter 1,25, wie etwa im Nordwesten der Iberischen Halbinsel, in Südostitalien und Sardinien sowie einigen Teilen Griechenlands.

Auch bekommen Frauen ihre Kinder heute im Durchschnitt später. Im Zeitraum 2001 bis 2018 stieg das mittlere Alter der Frauen bei der Geburt in der EU von 29,0 auf 30,8 Jahre an.

Fertilitätsindikatoren, EU-27, 2001-2018

Quelle: Eurostat.

Fertilitätsrate nach Regionen 13 ‚ 2018


2.3. EINE ALTERNDE BEVÖLKERUNG

Die Bevölkerung Europas wird immer älter. Das mittlere Alter 14 der EU-27-Bevölkerung steigt seit Jahren an und wird sich den Projektionen zufolge in den kommenden beiden Jahrzehnten in ähnlichem Tempo weiter erhöhen. Bis zum Jahr 2070 könnte das mittlere Alter auf 49 Jahre ansteigen – gegenüber heute also um rund fünf Jahre.

Mittleres Alter der EU-27-Bevölkerung, 2001-2070

Quelle: Eurostat.

Mit steigendem mittlerem Alter nehmen auch Anzahl und Anteil der Menschen in den älteren Altersgruppen zu. Im Jahr 2070 werden schätzungsweise 30 % der Menschen in Europa 65 Jahre oder älter sein, gegenüber heute etwa 20 %. Von 2019 bis 2070 wird sich der Anteil der Menschen, die 80 Jahr oder älter sind, den Projektionen zufolge auf mehr als 13 % verdoppeln. 15  

Derweil dürfte die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre) 16  schrumpfen. Im Jahr 2019 machte die Erwerbsbevölkerung 59 % der Gesamtbevölkerung aus. Bis 2070 dürfte dieser Anteil auf 51 % sinken. Gleichzeitig wird die Zahl der Kinder und Jugendlichen (im Alter von 0 bis 19 Jahren) den Projektionen zufolge um 12,6 Millionen sinken.



Bevölkerung nach Altersgruppen, EU-27, 2001-2070

Quelle: Eurostat.

2.4. KLEINERE HAUSHALTE

Die Zahl der Haushalte in Europa nimmt zu, aber ihre durchschnittliche Größe nimmt ab. Im Jahr 2019 gab es in Europa 195 Millionen Haushalte und damit 13 Millionen mehr als 2010. Die Haushalte werden im Durchschnitt kleiner. Im Jahr 2010 lebten im durchschnittlichen Haushalt 2,4 Personen. In den letzten zehn Jahren ist diese Zahl langsam auf 2,3 im Jahr 2019 gesunken.

Rund ein Drittel aller Haushalte sind Einpersonenhaushalte – ein Anstieg um 19 % seit 2010. Allgemein geht der Trend zu kinderlosen Zweipersonenhaushalten, Alleinstehenden und Alleinerziehenden. Die Mehrzahl der Haushalte ist kinderlos, während die Zahl der Alleinerziehenden-Haushalte seit 2010 um 13 % gestiegen ist. Diese Muster könnten auch im Zusammenhang mit der Pandemie eine Rolle spielen, wobei bestimmte Haushaltsstrukturen die Ausbreitung des Virus beeinflusst haben könnten.

Mit fortschreitender Alterung Europas werden immer mehr Menschen ab 65 Jahren allein leben. 17 Dies gilt insbesondere für Frauen. Im Jahr 2019 lag der Anteil der allein lebenden älteren Frauen bei 40 % und damit mehr als doppelt so hoch wie bei Männern.

Haushalte nach Kinderzahl, EU-27, 2010-2019 (in Mio.)

Quelle: Eurostat.

2.5. EIN MOBILERES EUROPA

Zu den wichtigsten Triebkräften des demografischen Wandels zählt, dass Menschen in andere Länder ziehen – sowohl innerhalb Europas als auch darüber hinaus.

Ein Teil dieser Bewegungen entfällt auf Zu- und Abwanderungen über die EU-Außengrenzen. Im Jahr 2018 wanderten 2,4 Millionen Menschen in die EU-27 ein, während 1,1 Millionen Menschen aus der EU-27 auswanderten. 18 Dank innereuropäischer Freizügigkeit haben sich viele Menschen dafür entschieden, in ein anderes EU-Land zu ziehen. Dies hat zwar keinen Einfluss auf die Größe und Altersstruktur der EU-Bevölkerung insgesamt – aber erhebliche Auswirkungen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene. Im Jahr 2018 zogen 1,4 Millionen Menschen in einen anderen Mitgliedstaat. In dieser Gruppe sind auch in Europa lebende Drittstaatsangehörige berücksichtigt.

Am 1. Januar 2019 zählte die Bevölkerung der EU-27 21,8 Millionen Drittstaatsangehörige, was einem Anteil von 4,9 % entspricht. 13,3 Millionen EU-Bürgerinnen und -Bürger lebten in einem anderen EU-Land.

Die jährliche Größenordnung der entsprechenden Bevölkerungsbewegungen kann sich verändern, doch sind die langfristigen Trends vergleichsweise stabil. In den letzten 35 Jahren war Europa ein Nettozuwanderungskontinent. Seit Mitte der 1980er Jahre kamen alljährlich mehr Menschen in die EU als abwanderten, sodass der Wanderungssaldo positiv war.

Offen bleibt, wie die Notmaßnahmen, mit denen die Menschen in ihrer Mobilität eingeschränkt wurden, die Mobilitätsmuster und -präferenzen längerfristig beeinflussen werden. Dazu gehört die Frage, ob diejenigen, die Arbeitsplätze und Existenzgrundlagen verloren haben, andernorts nach neuen Möglichkeiten suchen werden.

Nettozuwanderung, EU-27, 1961-2018

Quelle: Eurostat.  

2.6. EINE SICH VERÄNDERNDE BEVÖLKERUNGSGRÖSSE

Die europäische Bevölkerung ist im Laufe der Zeit immer weiter gewachsen. In der EU-27 ist die Gesamtbevölkerung seit 1960 um ein Viertel auf knapp 447 Millionen Menschen im Jahr 2019 angewachsen. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Ländern. Während in Belgien, Irland, Luxemburg, Malta, Schweden und Zypern ein vergleichsweise stetiger Anstieg zu verzeichnen war, ist die Bevölkerung in Bulgarien, Kroatien, Lettland, Litauen und Rumänien seit 1990 geschrumpft. 19

Der Gesamttrend zu einer wachsenden Bevölkerung dürfte sich fortsetzen – aber nicht mehr lange. Seit 2012 sterben in der EU-27 mehr Menschen, als Kinder geboren werden. Ohne Nettozuwanderung hätte die europäische Bevölkerung also schon zu schrumpfen begonnen. 

Vorausberechnungen 20 zufolge wird die Gesamtbevölkerung Europas in den kommenden beiden Jahrzehnten vergleichsweise stabil bleiben und dann zurückgehen. Demnach dürfte noch vor 2025 ein Plateauwert von rund 449 Millionen erreicht werden,   bevor die Bevölkerungszahl dann nach 2030 schrittweise auf 424 Millionen im Jahr 2070 sinkt – ein Rückgang um 5 % innerhalb von 50 Jahren.

Den Projektionen zufolge wird die Bevölkerung in einigen Mitgliedstaaten bis 2070 durchgängig abnehmen, namentlich in Bulgarien, Griechenland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Ungarn. Einigen Ländern wird bis 2070 ein Bevölkerungszuwachs prognostiziert: Dänemark, Irland, Luxemburg, Malta, Schweden und Zypern. In anderen Ländern wiederum wird zunächst ein Zuwachs erwartet, gefolgt von einem Rückgang, nämlich in Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Portugal, der Slowakei, Slowenien, Spanien und Tschechien.

Gesamtbevölkerung und jährliche Bevölkerungsentwicklung, EU-27, 1960-2070

Quelle: Eurostat.



3.DIE AUSWIRKUNGEN DES DEMOGRAFISCHEN WANDELS AUF UNSERE SOZIALE MARKTWIRTSCHAFT

Die Auswirkungen des demografischen Wandels in Europa sind überall in unserer Wirtschaft und Gesellschaft spürbar. Dies ist in den letzten Monaten deutlich geworden, als große Teile der Wirtschaft zum Stillstand kamen und die notwendige soziale Distanzierung unser Alltagsleben beeinträchtigt hat. Dies hat Folgen für die Zukunft unserer Sozial- und Gesundheitssysteme, unsere öffentlichen Haushalte und unseren Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur. Die Überfüllung unserer Städte und städtischen Gebiete wird möglicherweise zunehmen und die ländlichen Gebiete werden mit eigenen Herausforderungen konfrontiert sein. Unsere Berufswege werden sich weiter verändern, und wir werden Lösungen finden müssen, um Europa angesichts einer schrumpfenden Erwerbsbevölkerung wettbewerbsfähig zu halten.

Die wirtschaftliche und demografische Struktur eines Landes wird mitentscheidend dafür sein, wie schnell und inwieweit es sich zu erholen vermag. Die Anforderungen des langfristigen demografischen Wandels und der wirtschaftlichen Erholung werden sich auch in anderen Punkten decken. Dazu zählt, dass wir unsere Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme resilienter gestalten müssen, um sicherzustellen, dass unsere städtischen und ländlichen Gebiete mit einer hohen Bevölkerungsdichte bzw. einem mangelnden Dienstleistungsangebot zurechtkommen.

Mit der Aufbau- und Resilienzfazilität der Kommission wird umfangreiche finanzielle Hilfe zur Verfügung gestellt, um die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten resilienter zu machen und besser auf die Zukunft vorzubereiten, insbesondere auch auf den demografischen Wandel. Die Investitionsprioritäten werden den in den länderspezifischen Empfehlungen des Europäischen Semesters genannten Herausforderungen entsprechen.

3.1. MENSCHEN, ARBEIT UND KOMPETENZEN

Die Auswirkungen der Bevölkerungsalterung auf den Arbeitsmarkt werden immer deutlicher. Die Erwerbsbevölkerung der EU-27 ist seit einem Jahrzehnt rückläufig und dürfte bis 2070 um 18 % schrumpfen. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und Regionen.

Bevölkerungsentwicklung bei den 20-64-Jährigen nach Regionen 21 , 2020-2030

Wirtschaftsprojektionen von 2018 zufolge könnte die Zahl der Beschäftigten um das Jahr 2020 ihren Höchststand erreichen und dann in den kommenden Jahrzehnten stetig sinken. 22 Ob die derzeitige Krise die langfristigen Projektionen verändert wird, ist noch nicht abzusehen, doch deuten die ersten seit Beginn der Pandemie angestellten Prognosen 23 darauf hin, dass die Beschäftigung erheblich schrumpfen wird. Je nach Verbreitung des Virus könnte dies bedeuten, dass noch weniger Menschen gleichzeitig erwerbstätig sind. Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, insbesondere der Jugendarbeitslosigkeit, und die Steigerung der Erwerbsbeteiligung werden daher umso drängendere Herausforderungen sein.

Unzweifelhaft ist auch, dass sich die Auswirkungen einer geringeren Erwerbsbevölkerung stärker und schneller bemerkbar machen werden, wenn und solange die Arbeitsmarktbeteiligung der derzeit unterrepräsentierten Gruppen nicht zunimmt.

Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre), EU-27, 2001-2070

Quelle: Eurostat.

3.1.1 EIN GRÖẞERER UND INKLUSIVERER ARBEITSMARKT

Der Rückgang der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter führt vor Augen, wie wichtig es für Europa und den europäischen Arbeitsmarkt ist, all seine Stärken und Talente zu mobilisieren und auf deren Vielfalt zu bauen.

Es wird von entscheidender Bedeutung sein, die Beschäftigungsquote der Frauen zu steigern. Im Jahr 2019 betrug das geschlechtsspezifische Beschäftigungsgefälle 12 %. Unter Berücksichtigung der signifikant höheren Quote von Teilzeitarbeitsverhältnissen bei Frauen tritt diese Differenz sogar noch deutlicher zutage: 2019 waren drei von zehn erwerbstätigen Frauen in Teilzeit tätig; damit lag die Teilzeitquote der Frauen fast um das Vierfache höher als die der Männer. Während der Pandemie wurde dieses Ungleichgewicht möglicherweise noch stärker spürbar, als die Betreuungs- und Pflegearbeit für ältere Menschen, Menschen mit Behinderungen oder Kinder privat organisiert werden musste und hauptsächlich von Frauen geleistet wurde. Das Fehlen angemessener formeller Langzeitpflegedienste und flexibler Arbeitsmöglichkeiten sowie die mangelnden Anreize für Zweitverdiener in einigen Mitgliedstaaten tragen allesamt zur Verschärfung des Problems bei.

Im Grunde geht es um die Herausforderung, Berufs- und Familienleben miteinander zu vereinbaren. Im Jahr 2019 lag die Beschäftigungsquote von Frauen mit Kindern unter 6 Jahren fast 14 Prozentpunkte unter der Beschäftigungsquote der Frauen ohne Kinder. Frauen werden für ihre Arbeit nach wie vor schlechter bezahlt als Männer, wobei sich das geschlechtsspezifische Lohngefälle derzeit auf 14,8 % beläuft. Die Kommission geht diese Themen im Rahmen ihrer Arbeit zur Gleichheit sowie in der neuen EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 24 an.

Hilfreich wären auch weitere Fortschritte bei der Eingliederung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt. Im Jahr 2019 lag die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (55 bis 64 Jahre) in der EU-27 bei 59,1 % (2009: 44,1 %). Um diese Quote weiter zu steigern, müssten Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, die die Menschen in die Lage versetzen, länger zu arbeiten, fit zu bleiben und ihre Kompetenzen auf dem neuesten Stand zu halten; überdies müssten neue Kompetenzen und Qualifikationen auch anerkannt werden. Mittelfristig werden aufgrund der Bevölkerungsalterung wohl mehr Menschen länger erwerbstätig bleiben müssen. Im anstehenden Grünbuch zum Thema Altern wird dies genauer beleuchtet, wobei den während der Pandemie zutage getretenen Schwachstellen in vollem Umfang Rechnung getragen wird.

Es wird weiterhin unerlässlich sein, in die Qualifizierung von Menschen mit niedrigem Bildungsniveau zu investieren. Mehr als 10 % der jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren beenden die Schule oder Ausbildung mit einem niedrigschwelligen oder ganz ohne Abschluss, in den Regionen in äußerster Randlage sind es sogar mehr als 20 %. Von diesen „frühzeitigen Schul- und Ausbildungsabgängern“ haben 45 % eine Arbeit gefunden. Die Arbeiten zur Verwirklichung des europäischen Bildungsraums bis 2025, die Neugestaltung des Europäischen Forschungsraums und die Förderung der Jugendbeschäftigung werden wichtige Instrumente dabei sein, den Rückstand wieder auszugleichen.

Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund in Beschäftigung zu bringen würde ebenfalls dazu beitragen, die Beschäftigungsquote weiter zu erhöhen. Die Beschäftigungsquote der außerhalb der EU Geborenen liegt um 9,6 Prozentpunkte unter der Beschäftigungsquote der in der EU Geborenen und fällt insbesondere bei den Frauen niedrig aus. Bei den Drittstaatsangehörigen bietet sich ein ähnliches Bild.

Die Öffnung des Arbeitsmarkts für Menschen mit Behinderungen würde zu einer gerechteren Gesellschaft beitragen und den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegenwirken. Die Beschäftigungsquote der Menschen mit Behinderungen in der EU fällt jedoch aufgrund der vielen Hindernisse, mit denen diese konfrontiert sind, niedrig aus. Zu den Hindernissen zählen Diskriminierung und mangelnde Barrierefreiheit in den Bereichen Arbeit, Wohnen und hochwertige Bildung. Solche Hindernisse können ihren Ursprung in einer negativen Wahrnehmung von Menschen mit Behinderungen und unfairen Vorbehalten hinsichtlich ihrer Einstellung in ein Arbeitsverhältnis haben.

Ein größerer und inklusiverer Arbeitsmarkt setzt die Bekämpfung jeder Form von Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts, der Rasse oder der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung voraus. Sozialwirtschaftliche Akteure und Unternehmen können eine wichtige Rolle bei der Förderung eines inklusiveren Arbeitsmarkts spielen, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie den lokalen Gemeinschaften zugute kommt.

3.1.2. PRODUKTIVITÄT DURCH KOMPETENZEN UND BILDUNG

Mit beginnender Schrumpfung der Zahl der Erwerbstätigen werden wirtschaftliche Resilienz und Produktivitätswachstum umso wichtiger werden. Auch für eine nachhaltige Erholung nach der Krise spielt dies eine große Rolle. Vor dem Coronavirus-Ausbruch deuteten die Projektionen der Kommission darauf hin, dass für eine Stabilisierung des BIP-Wachstums bei jährlich 1,3 % bis 2070 eine Zunahme der Arbeitsproduktivität von durchschnittlich 1,5 % pro Jahr erforderlich wäre. 25 Das Produktivitätswachstum ist jedoch zurückgegangen und lag Schätzungen zufolge vor Beginn der Krise bei unter 1 %.

Der Übergang zu einer klimaneutralen und digitalen Wirtschaft kann dazu beitragen, die Produktivität zu steigern. Dieser zweifache Übergang erfordert Innovation und Technologieverbreitung im Rahmen einer stärker kreislauforientierten und digitalen Wirtschaft, in der neue Geschäftsmodelle und Arbeitsmethoden entstehen. Die Pandemie hat mit ihren Auswirkungen auf unser Leben und unsere Volkswirtschaften verdeutlicht, wie wichtig die Digitalisierung in allen Bereichen der EU-Wirtschaft und -Gesellschaft ist. Wie in der kürzlich verabschiedeten neuen Industriestrategie für Europa 26 dargelegt, sind außerdem Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen von entscheidender Bedeutung.

Automatisierung und neue, sauberere Technologien können dazu beitragen, künftig die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, und ein für alle gerechter Übergang wird insbesondere für jene von enormer Bedeutung sein, die sich weiterqualifizieren oder eine andere Berufstätigkeit aufnehmen müssen. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission vorgeschlagen, den Fonds für einen gerechten Übergang zu stärken, um die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs abzufedern, Umschulungen zu fördern, KMU bei der Schaffung neuer Geschäftsmöglichkeiten zu unterstützen und in die Umstellung auf saubere Energie zu investieren.

Europa braucht hochqualifizierte, gut ausgebildete und anpassungsfähige Arbeitskräfte. 27  Die Verwirklichung des lebenslangen Lernens für alle wird damit umso wichtiger: In den kommenden Jahren werden Millionen von Europäerinnen und Europäern ihre Kompetenzen erweitern oder eine Umschulung durchlaufen müssen. Auch eine wirksamere Anwerbung kompetenter und talentierter Arbeitskräfte aus Drittländern kann dazu beitragen, den Bedarf auf dem Arbeitsmarkt zu decken.

Da der zweifache Übergang Fahrt aufnimmt, wird Europa dafür sorgen müssen, dass es bei den Kompetenzen – auch den umweltspezifischen und digitalen Kompetenzen – Schritt halten kann. Vor der Krise gab es in Europa 1 Million offene Stellen für Fachleute im Bereich Digitales; gleichzeitig berichteten 70 % der Unternehmen, dass sie Investitionen aufschieben mussten, da sie nicht die geeigneten Fachkräfte finden konnten. Dies ist darauf zurückzuführen, dass im Jahr 2019 29 % der EU-Bevölkerung nur über geringe und 15 % über keinerlei digitale Kompetenzen verfügten. Die Krise hat noch deutlicher gezeigt, wie wichtig digitale Kompetenzen für Kinder, Studierende, Lehrkräfte, Ausbildende und uns alle sind, um miteinander in Kontakt zu bleiben und unserer Arbeit nachgehen zu können. Sie hat vor Augen geführt, dass noch immer viele Menschen keinen Zugang zu den hierfür erforderlichen Tools haben. Die Kommission wird einen Aktionsplan für digitale Bildung vorlegen, der konkrete Maßnahmen enthält, um diese Herausforderungen anzugehen.

Die Lösung liegt darin, in Menschen und deren Kompetenzen zu investieren und den Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung zu verbessern. Dies wird ein gemeinsames Handeln der Industrie, der Mitgliedstaaten, der Sozialpartner und anderer Interessenträger erfordern‚ damit diese ihren Beitrag zur Weiterqualifizierung und Umschulung leisten und öffentliche und private Investitionen in Arbeitskräfte mobilisiert werden. Die Aktualisierung der europäischen Agenda für Kompetenzen und die Empfehlung zur beruflichen Aus- und Weiterbildung werden auf diesem Weg ebenfalls wichtige Schritte sein.

3.2. GESUNDHEITSWESEN UND LANGZEITPFLEGE

Die Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme in Europa standen bei der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie an vorderster Front. 28  Bereits davor waren sie zunehmend unter Druck geraten, nicht zuletzt aufgrund der Alterung unserer Gesellschaft, und während der Pandemie mussten sehr große Belastungen bewältigt werden. Dies betrifft insbesondere Regionen, in denen bis 2030 mit einem erheblichen Anstieg des Anteils der über 65-Jährigen gerechnet wird.

Veränderung des Bevölkerungsanteils der über 65-Jährigen nach Regionen 29 ‚ 2020-2030

Der Coronavirus-Ausbruch hat gezeigt, dass ältere Menschen durch Pandemien und andere Krankheiten besonders gefährdet sind, vor allem weil Vorerkrankungen bei ihnen wahrscheinlicher sind. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die öffentlichen Gesundheitssysteme belastbar sein müssen und Intensivstationen mit höheren Kapazitäten benötigt werden.

Für widerstandsfähigere Gesundheitssysteme sind Investitionen und finanzielle Unterstützung erforderlich, die ihrer wichtigen Funktion Rechnung tragen Aus diesem Grund hat die Kommission kürzlich das eigenständige Programm EU4Health vorgeschlagen, um die Mitgliedstaaten und die EU beim Aufbau von Kapazitäten und bei der Vorsorge zu unterstützen. 30 Das Programm wird dazu beitragen, eine langfristige Vision für gut funktionierende und widerstandsfähige öffentliche Gesundheitssysteme zu entwickeln, insbesondere durch Investitionen in die Prävention und Überwachung von Krankheiten sowie durch einen verbesserten Zugang zu Gesundheitsversorgung, Diagnose und Behandlung für alle. In diesem Rahmen kann außerdem eine Debatte darüber angestoßen werden, wie wir im Krisenfall – aber auch im Gesundheitswesen im Allgemeinen – noch besser zusammenarbeiten können.

Auch die zunehmende Belastung durch chronische Erkrankungen wird die europäischen Gesundheitssysteme vor Herausforderungen stellen. Bereits heute entfallen schätzungsweise 70-80 % der Gesundheitskosten auf chronische Erkrankungen. 31  Derzeit leiden rund 50 Millionen europäische Bürgerinnen und Bürger an zwei oder mehr chronischen Erkrankungen 32 ; die meisten der Betroffenen sind über 65 Jahre alt. Im Rahmen der Bemühungen um eine verstärkte Prävention zielt die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ 33 darauf ab, den Europäerinnen und Europäern mehr Informationen an die Hand zu geben und sie dabei zu unterstützen, bessere Ernährungsentscheidungen zu treffen. Angesichts der höheren Risiken, die mit chronischen Erkrankungen verbunden sind, wird die Arbeit am Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung von entscheidender Bedeutung für unsere Gesundheit und das Funktionieren unserer Gesundheitssysteme sein. Auch Sport und körperliche Bewegung können bei der Gesundheitsvorsorge und -förderung eine wichtige Rolle spielen.

Die Nachfrage nach Fachkräften dürfte sich mit der Nachfrage nach Gesundheits- und Langzeitpflegediensten erhöhen. Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Arbeitskräfte 34 im Gesundheitswesen 35 und in der Langzeitpflege fehlen. Die laufenden Arbeiten der OECD zu Arbeitskräften im Langzeitpflegesektor 36 verdeutlichen, wie wichtig es ist, die Arbeitsbedingungen in diesem Sektor zu verbessern und den Pflegebereich attraktiver zu machen. Wenngleich die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte sowie der Pflegekräfte in den letzten zehn Jahren in fast allen EU-Ländern gestiegen ist, mangelt es nach wie vor an niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten, insbesondere in ländlichen und abgelegenen Gebieten.

Die größte Herausforderung besteht darin, der wachsenden Nachfrage nach ausreichenden, zugänglichen, hochwertigen und bezahlbaren Gesundheits- und Langzeitpflegediensten im Sinne der europäischen Säule sozialer Rechte gerecht zu werden. Hoher Gesundheitsschutz 37 setzt die richtige Infrastruktur voraus, d. h. Krankenhäuser, Langzeitpflegeheime und seniorengerechte Wohnungen u. a. Im Gegensatz zur Gesundheitsversorgung ist die Langzeitpflege nicht in allen Mitgliedstaaten Bestandteil der sozialen Sicherung. Die formelle Langzeitpflege ist teuer und die Kosten dafür werden häufig von den Pflegebedürftigen selbst oder ihren Familien übernommen. Da die europäische Bevölkerung älter und die Haushalte kleiner werden, dürfte dies auch in Zukunft viele vor eine Herausforderung stellen.

Die wachsende „Silver Economy“ (Seniorenwirtschaft) kann Chancen im Gesundheitswesen und in der Langzeitpflege eröffnen. Sie kann Innovationen vorantreiben und auf diese Weise dazu beitragen, dass hochwertige Pflegedienste effizienter bereitgestellt werden. Die Digitalisierung kann älteren Menschen ermöglichen, ihren Gesundheitszustand eigenständig zu überwachen. Mit digitalen Technologien lassen sich in der Gesundheitsversorgung und in der Langzeitpflege in dreifacher Hinsicht Vorteile erzielen – in Form von verbesserter Lebensqualität, von höherer Effizienz im Gesundheitswesen und in der Langzeitpflege sowie von Marktwachstum und der Weiterentwicklung des Sektors. 38 In diesem Zusammenhang werden Forschung und Innovation eine entscheidende Rolle spielen.

3.3. AUSWIRKUNG AUF DIE ÖFFENTLICHEN HAUSHALTE

Ein älteres Europa mit einer geringeren Erwerbsbevölkerung dürfte den Druck auf die öffentlichen Haushalte erhöhen – und das in Zeiten, in denen signifikante Mittel für Aufbaumaßnahmen benötigt werden. Vor der Krise wurden die Gesamtkosten der Bevölkerungsalterung 39 in der EU bis 2070 auf 26,6 % des BIP veranschlagt.

Eine auch generationenübergreifend faire Finanzierung der alterungsbedingten Ausgaben wird Europa angesichts der rasch voranschreitenden ungünstigen Entwicklung des Verhältnisses von Personen, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen, zu Personen, die Renten und andere Leistungen beziehen, vor große Herausforderungen stellen. So kamen 2019 auf jede Person über 65 Jahren im Durchschnitt 2,9 Personen im erwerbsfähigen Alter; bis 2070 dürften es nur noch 1,7 sein.

Wenngleich der größte Teil der alterungsbedingten Ausgaben in Gesundheitswesen und Langzeitpflege fließen wird, ist davon auszugehen, dass auch bei den Ausgaben für die gesetzlichen Renten – gemessen am BIP – bis 2040 ein Anstieg zu verzeichnen sein wird. Da die Rentensysteme in den meisten Mitgliedstaaten tiefgreifend reformiert worden sind, dürften diese Ausgaben allerdings anschließend langsamer ansteigen als das BIP, sodass ihr Anteil am BIP voraussichtlich wieder etwa auf den Stand von 2016 sinken wird. In einigen Mitgliedstaaten werden die jüngsten Rentenreformen jedoch über den Projektionen liegende Rentenausgaben nach sich ziehen. Die politischen Entscheidungsträger sind bei der Erarbeitung von Lösungen für diese Probleme mit einem hohen Maß an Unsicherheit konfrontiert. Wie sich die öffentlichen Ausgaben entwickeln werden, hängt nicht nur von demografischen Trends ab, sondern auch von anderen Faktoren wie dem technologischen Fortschritt bei Diagnostik, Therapien, Arzneimitteln und Medizinprodukten oder einer steigenden Nachfrage nach öffentlich bereitgestellter Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege. 40 All dies ist mittel- und langfristig mit zusätzlichen Kosten verbunden. Ohne einen Politikwechsel wird auch der Druck auf die privaten Ausgaben zunehmen, da Menschen in Langzeitpflege möglicherweise einen höheren Anteil an den Gesamtkosten selbst tragen werden müssen.

Bei den meisten vorliegenden Projektionen wird für das erwerbsfähige Alter eine Obergrenze von 65 Jahren zugrunde gelegt. Gleichwohl werden künftig mehr Menschen länger erwerbstätig bleiben müssen. Wird für die Projektionen eine höhere Obergrenze herangezogen, ändern sich die Ergebnisse signifikant. Insgesamt jedoch weisen alle Daten darauf hin, wie wichtig gute Arbeitsbedingungen, leistungsfähige öffentliche Gesundheitssysteme, lebenslanges Lernen und kontinuierliche Investitionen in Kompetenzen und Bildung sind.

In Anbetracht des anhaltenden demografischen Wandels dürfte die Altersarmut zunehmend Anlass zur Sorge geben. Die Mehrheit der Rentnerinnen und Rentner erhält heute ein Renteneinkommen, das es ihnen ermöglicht, ihren Lebensstandard aufrechtzuerhalten und das sie vor Altersarmut schützt. 41 Dies lässt jedoch nicht den Umkehrschluss zu, dass es unter Menschen über 64 Jahren keine Altersarmut mehr gibt. Im Jahr 2018 waren in der EU-27 15,5 % der über 65-Jährigen armutsgefährdet. 42

Frauen sind häufiger von Altersarmut betroffen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Beschäftigungsquoten von Frauen tendenziell niedriger sind, Frauen ihre berufliche Laufbahn öfter unterbrechen, weniger verdienen und häufiger in Teilzeit 43 und befristeten Beschäftigungsverhältnissen 44 arbeiten. Die monatlichen Rentenbezüge von Frauen sind um etwa ein Drittel niedriger als die der Männer; überdies haben Frauen eine höhere Lebenserwartung.

Menschen mit Behinderungen, deren Armutsrisiko höher ist, können zusätzlichen Risiken ausgesetzt sein. Menschen mit Behinderungen im erwerbsfähigen Alter haben häufig Anspruch auf spezifische Leistungen und Unterstützung. Bei Erreichung des Rentenalters fallen solche Ansprüche jedoch möglicherweise weg, was eine weitere Ursache von Armut oder sozialer Ausgrenzung sein kann.

Gleichzeitig eröffnet eine ältere Bevölkerung unseren Volkswirtschaften auch neue Möglichkeiten. Ältere Verbraucherinnen und Verbraucher machen einen wesentlichen Teil der Wirtschaft aus. Der Verbrauch der über 50-Jährigen in der EU belief sich 2015 auf 3,7 Billionen Euro, dürfte jährlich um rund 5 % zulegen und bis 2025 auf 5,7 Billionen Euro steigen. Im Grünbuch der Kommission zum Thema Altern wird auch darauf eingegangen, wie wir die damit verbundenen Chancen bestmöglich nutzen können. 

3.4. REGIONALE UND LOKALE DIMENSION 45

Der demografische Wandel hat in den einzelnen Regionen unterschiedliche Auswirkungen. In einigen Regionen ist die Bevölkerung mit einem mittleren Alter von über 50 Jahren vergleichsweise älter, in anderen Ländern (oder Teilen davon) liegt dieser Wert bei unter 42,5 Jahren, etwa in Irland, Luxemburg, Nordrumänien, Polen, der Slowakei, Südschweden, Südspanien und Zypern.

Zudem haben Bevölkerungsbewegungen auf regionaler Ebene große Auswirkungen auf das demografische Profil einer Region. Dies ist vor allem dort zu spüren, wo in erster Linie junge Menschen weg- oder zuziehen. Solche Bewegungen wirken sich auch auf die Gesamtbevölkerung einer Region aus. 65 % der EU-Bevölkerung leben in Regionen, in denen im Zeitraum von 2011 bis 2019 ein Bevölkerungszuwachs zu verzeichnen war. Demgegenüber ist der Bevölkerungsrückgang in einigen Regionen ein oftmals über Jahrzehnte anhaltender Trend, und es ist davon auszugehen, dass es in den nächsten zehn Jahren und darüber hinaus noch mehr Regionen geben wird, in denen sich die Bevölkerungszahlen rückläufig entwickeln.

Damit sich die Lage durch die Pandemie nicht noch weiter verschärft, hat die Kommission vorgeschlagen, im Rahmen der neuen Initiative REACT-EU 46 zusätzliche Mittel für die Kohäsionspolitik für Maßnahmen zur Linderung der Krisenfolgen und für Aufbaumaßnahmen bereitzustellen. Weitere Unterstützung ist im Rahmen des vorgeschlagenen Aufbauinstruments „Next Generation EU“ vorgesehen, damit die Finanzierung wichtiger Maßnahmen zur Bewältigung der Krisenfolgen sichergestellt ist und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie KMU, Gesundheitssysteme und der ökologische und digitale Wandel in den Regionen unterstützt werden. Darüber hinaus wird dem EU-Programm „Ländliche Entwicklung“ eine wesentliche Rolle bei der Erholung zukommen.

Bevölkerungsentwicklung insgesamt nach Regionen 47 ‚ 2011-2019

Der demografische Wandel manifestiert sich in städtischen Regionen anders als in ländlichen. Die Regionen in der EU werden in verschiedene Kategorien eingeteilt, je nachdem, ob es sich um eher städtische oder ländliche Regionen oder um Regionen handelt, die sowohl städtisch als auch ländlich geprägt sind. Jede dieser drei Kategorien zeichnet sich durch ihre eigenen Merkmale aus. Die Bevölkerungszahl und -dichte von Siedlungen ist in städtischen Regionen am höchsten, in intermediären Regionen niedriger und in ländlichen Gebieten am geringsten. Während der Pandemie scheinen die Bevölkerungsdichte und die Kategorie der Region mit Blick auf die Ausbreitung des Virus ein Faktor gewesen zu sein. So wird davon ausgegangen, dass das Virus früher in städtischen Regionen ankam und sich dort schneller ausbreitete als in intermediären und ländlichen Regionen. 48  

Bevölkerung der EU-27 nach Stadt-Land-Typologie, 2019

Quelle: Eurostat.

In den ländlichen Regionen ist die Bevölkerung zwischen 2014 und 2019 um 0,8 Millionen gesunken. Hinter dieser Zahl steckt aber mehr: In einigen Mitgliedstaaten sind die Einwohnerzahlen diese Regionen jährlich um mehr als 0,2 % gewachsen, in anderen in derselben Größenordnung geschrumpft. In acht Mitgliedstaaten – den drei baltischen Staaten, Bulgarien, Kroatien, Portugal, Rumänien und Ungarn – ist die Einwohnerzahl der ländlichen Regionen seit 1991 im Sinken begriffen. Aktuelle Arbeiten der OECD zeigen, dass Regionen in der Nähe von Städten tendenziell wachsen, während entlegenere Regionen tendenziell ihre Bevölkerung verlieren. 49

In den städtischen Regionen der EU zeichnet sich ein anderes Bild ab: Ihre Bevölkerung ist im selben Zeitraum um 3,8 Millionen Menschen gewachsen. In Lettland und Griechenland ist sie dagegen in den einschlägigen Regionen um 0,3 % bzw. 0,6 % gesunken. 22 % der Stadtbevölkerung lebten in einer Region, in der zwischen 2014 und 2019 ein Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen war. In vierzehn Mitgliedstaaten wuchs die Einwohnerzahl in sämtlichen städtischen Regionen.

3.4.1. LEBENSQUALITÄT, INFRASTRUKTUR UND ZUGANG ZU DIENSTLEISTUNGEN

Jeder Teil Europas ist bestrebt, Dienstleistungen und Infrastrukturen bereitzustellen, die den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden. Dienstleistungen und Infrastruktur in Bereichen wie Verkehr, Digitales, Wohnungswesen, Schulen, Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sowie soziale Integration müssen sowohl bei einem Wachstum als auch einem Rückgang der Bevölkerungszahlen entsprechend angepasst werden.

Wie stark sich der demografische Wandel auf einzelne Regionen auswirkt, hängt vor allem von der Geschwindigkeit und dem Umfang der Bevölkerungsentwicklung, darüber hinaus aber auch von den Mitteln ab, die eine Region aufbringen kann, um diesen Wandel zu bewältigen. In den meisten Regionen mit raschem Bevölkerungswachstum liegt das Pro-Kopf-BIP über dem EU-Durchschnitt, während Regionen mit raschem Bevölkerungsrückgang tendenziell ein eher niedriges Pro-Kopf-BIP ausweisen. Regionen mit niedrigem Einkommen und rascher Bevölkerungsbewegung sind mit den größten Herausforderungen konfrontiert.

31 Millionen Menschen, d. h. 7 % der EU-Bevölkerung, leben in Regionen, die angesichts eines raschen Bevölkerungsrückgangs und eines niedrigen Pro-Kopf-BIPs gleich eine doppelte Herausforderung meistern müssen. Viele dieser Regionen liegen in den baltischen Staaten, Bulgarien, Kroatien, Portugal, Rumänien und Ungarn. Auch einige Regionen in Griechenland und Spanien sowie einige wenige Regionen in Ostdeutschland, Frankreich und Polen befinden sich in dieser Situation.

Um die Auswirkungen des demografischen Wandels auf lokaler und regionaler Ebene bewältigen zu können, muss zunächst analysiert werden, was Menschen dazu bringt, in eine bestimmte Region zu ziehen oder aus ihr wegzuziehen. Häufige Gründe hierfür sind die Beschäftigungsmöglichkeiten und die Lebensqualität. Letztere ist wiederum durch viele unterschiedliche Faktoren beeinflusst, etwa durch die natürliche Umwelt, den Zugang zu Dienstleistungen (z. B. Kinderbetreuung, barrierefreier Zugang, qualitativ hochwertiges Bildungsangebot, Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege, Wohnraum, Freizeit- und Kulturdienstleistungen) oder die Verfügbarkeit und Qualität der Infrastruktur (z. B. Straßen- und Schienenwege, Energieversorgung, Zugang zum Internet).

Faktoren wie Zugänglichkeit und Anbindung werden zu immer wichtigeren Kriterien für die Zukunftsperspektiven der Regionen. Sie haben Einfluss auf die wirtschaftlichen Aussichten und das Potenzial einer Region, attraktive Arbeitsplätze zu schaffen. Jetzt, da Europa den grünen Übergang in Angriff nimmt, werden saubere, gut zugängliche und erschwingliche öffentliche Verkehrsmittel mit günstiger Taktung für die Attraktivität einer Region zunehmend an Bedeutung gewinnen. Vor dem Hintergrund der stetig fortschreitenden Digitalisierung Europas erwarten die Menschen einen hochwertigen Zugang zu Breitbandnetzen der nächsten Generation, der dazu beitragen kann, die Kluft zwischen Stadt und Land im digitalen Bereich zu überbrücken.

Zugang zu Breitbanddiensten der nächsten Generation

Investitionen in Infrastruktur und Dienstleistungen, die unter anderem im Rahmen der Kohäsionspolitik getätigt werden, sind ein wichtiger Bestandteil von Lösungen. Infrastruktur hat viele Dimensionen; dazu gehören auch die Verfügbarkeit digitaler Dienste (einschließlich Zugang zu Informations- und Kommunikationstechnologien und 5G-Versorgung), Bildungs- und Gesundheitsdienstleistungen sowie Freizeit und Kultur.

Erreichbarkeit per Schiene nach Regionen 50 ‚ 2014

Regionale Initiativen können die Lebensqualität, den Zugang zu Dienstleistungen und die Infrastrukturen verbessern und den negativen Auswirkungen der Entvölkerung entgegenwirken. Werden z. B. Unternehmen durch gezielte Maßnahmen unterstützt oder Anreize für Innovation und Forschung gesetzt, können dadurch die lokalen Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessert werden. Eine lokale Entwicklung, die sich an den Wünschen der Bevölkerung orientiert, kann den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger besser Rechnung tragen und die Lebensqualität vor Ort verbessern. Bei einer raschen Einigung auf den nächsten langfristigen EU-Haushalt und das Aufbauinstrument „Next Generation EU“ 51 wäre sichergestellt, dass EU-Mittel und kohäsionspolitische Programme Arbeiten in diese Richtung sinnvoll unterstützen.

Die zentrale Frage für die öffentliche Politik ist die nach nachhaltigen Lösungen. Sowohl auf regionaler als auch auf lokaler Ebene wurde gezeigt, dass man dort in der Lage ist, neue Wege zu gehen und den demografischen Wandel intelligent zu gestalten. Diese Erfahrungen müssen nun genutzt werden, um bewährte Verfahren auszutauschen und innovative Ideen, Produkte oder Dienstleistungen auf die nächste Ebene zu heben.

Politische Maßnahmen zur Bewältigung von Herausforderungen, die sich auf regionaler Ebene stellen, müssen sich stets an der Lage vor Ort orientieren. Diese gestaltet sich von einem Land zum nächsten, aber auch innerhalb desselben Landes stets anders, wobei in einigen Gebieten eine größere Kluft zwischen Stadt und Land besteht und in anderen gegenläufige Trends zu verzeichnen sind. Im Jahr 2018 war der Anteil der von Armut bedrohten Bevölkerung in weiten Teilen Westeuropas unter Stadtbewohnern besonders hoch; in den östlichen und südlichen Teilen der EU betraf dieses Risiko eher die Bewohner ländlicher Gebiete. 

In Städten werden Energie, Verkehr und Flächen effizienter genutzt. Die Organisation und Wartung öffentlicher Infrastrukturen wie der öffentlichen Verkehrsmittel oder des Internetzugangs sind dort leichter zu bewerkstelligen; auch der Zugang zu sozialen Diensten, z. B. im Pflegesektor, ist einfacher. Qualifikationsangebot und -nachfrage lassen sich tendenziell leichter aufeinander abstimmen, was zu höherer Produktivität und einem höheren Pro-Kopf-Einkommen führt. Städte bieten einen besseren Zugang zu hochwertiger Bildung und verfügen über mehr Hochschuleinrichtungen, was zu mehr Innovation beitragen kann. 52  

Das starke Bevölkerungswachstum in den Städten muss gut gesteuert werden, um einen weiteren Anstieg von Verkehrsüberlastung, Umweltverschmutzung und Wohnkosten zu vermeiden. 53 Die Städte werden zudem ihre Dienstleistungen in Bereichen wie Gesundheitsversorgung und Mobilität sowie öffentliche Infrastruktur, Wohnungswesen, Bildung und Sozialpolitik an den demografischen Wandel anpassen müssen. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen Alterung und Behinderung gehört hierzu auch die Verbesserung der Barrierefreiheit von Produkten, Dienstleistungen und Infrastrukturen.

Ländliche Gebiete bieten viel Fläche und haben geringere Lebenshaltungskosten und weniger Luftverschmutzung. Dem stehen allerdings auch einige Herausforderungen gegenüber, insbesondere was die Gewährleistung eines guten Zugangs zu öffentlichen und privaten Dienstleistungen betrifft. In ländlichen Gebieten mit starkem Bevölkerungsrückgang kann es zu Landaufgabe und zu einem höheren Risiko von Waldbränden kommen 54 ; außerdem wird es generell schwieriger, dort neue Investitionen anzuziehen. Anlass zur Sorge geben auch die rückläufige Zahl der Junglandwirte und die Folgen des „Generationenwechsels“.

Eine entscheidende Frage ist bei ländlichen Gebieten die, ob sie sich in Stadtnähe oder in weiter Entfernung von einem funktionalen urbanen Gebiet befinden. Ländliche Gebiete in Stadtnähe können intensiv mit der Stadt interagieren. Menschen können in der Stadt arbeiten, aber außerhalb der Stadt leben und jeden Tag pendeln. Solche Muster bringen besondere Anforderungen mit sich, z. B. für den Verkehr. Hier ist eine spezifische Aufgabenteilung denkbar, bei der z. B. die Stadt Menschen, die im nahegelegenen ländlichen Raum leben, Zugang zu Krankenhäusern bietet.

Einige ländliche Gebiete haben jedoch keine größere Stadt in der Nähe. In diesem Fall sind bei der Entwicklung des ländlichen Raums andere Probleme zu meistern, z. B. das Vorherrschen des Primärsektors und der damit verbundenen Wertschöpfungsketten 55 und ein geringeres Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum. 56 Der wirtschaftliche Niedergang bestimmter Regionen stellt nicht nur den territorialen Zusammenhalt auf die Probe, sondern kann auch zu einer „Geografie der Unzufriedenheit“ führen. Wenn Menschen das Gefühl haben, alleingelassen zu werden, können sie schnell das Vertrauen in die Fairness unserer Wirtschaft und unserer demokratischen Institutionen verlieren.

All diese und weitere Fragen wird die Kommission in einer langfristigen Vision für ländliche Gebiete behandeln, die sie im nächsten Jahr im Anschluss an eine breit angelegte öffentliche Konsultation vorlegen und in der sie sich mit verschiedenen Aspekten, deren Bedeutung durch die COVID-19-Pandemie hervorgehoben wurden, befassen wird.

4.    DOPPELTER ÜBERGANG UND DEMOGRAFISCHER WANDEL

Der demografische Wandel und der doppelte – grüne und digitale – Übergang werden sich häufig gegenseitig beeinflussen oder beschleunigen. Die strategische Vorausschau kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Herausforderungen, die bei diesen beiden Übergängen eine Rolle spielen werden, zu ermitteln und vorherzusagen und politische Maßnahmen zu deren gemeinsamer Bewältigung besser vorzubereiten.

Der Druck, der durch den demografischen Wandel weltweit entsteht, dürfte sich durch die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung noch verschärfen. Wenn so weitergemacht wird wie bisher, wird in den nächsten Jahrzehnten nicht nur der weltweite Bedarf an Lebensmitteln, sondern gleichzeitig auch der Bedarf an Energie und Wasser enorm steigen: Bis 2050 würde der Bedarf an Nahrungsmitteln um 60 %, an Energie um 50 % und an Wasser um 40 % wachsen. 57  

Europa wird im Einklang mit dem europäischen Grünen Deal und dem europäischen Klimagesetz 58 in diesem Zeitraum den Übergang zu einer klimaneutralen und ressourcenschonenden Wirtschaft vollziehen. Unser Bedarf an sauberer Energie sowie nachhaltiger und intelligenter Mobilität wird dadurch noch zunehmen. Auch der Übergang zu einer stärker kreislauforientierten Wirtschaft wird wichtiger. Die Anstrengungen zum Schutz und zur Wiederherstellung unserer biologischen Vielfalt müssen deutlich intensiviert werden. Die jüngsten Ausgangsbeschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie haben uns den Wert städtischer Grünflächen für unser physisches und psychisches Wohlbefinden vor Augen geführt. Viele europäische Städte haben auch Schritte unternommen, um aktive Mobilität wie Zufußgehen und Radfahren während der Pandemie zu einer sichereren und attraktiveren Option zu machen. Um Arbeiten in diese Richtung zu erleichtern, wird die Kommission im Jahr 2021 im Rahmen einer mit Städten und Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern getroffenen neuen „Vereinbarung für grüne Städte“ eine EU-Plattform für die Begrünung der Städte einrichten.

Mit zunehmender Verdichtung der Städte müssen diese ihre Bemühungen um städtische Grünflächen fortsetzen und verstärken. Zudem entstehen dadurch CO2‑Senken und es wird dazu beigetragen, Emissionen aus der Atmosphäre zu binden. Mit der Umsetzung des Aktionsplans für die Kreislaufwirtschaft, der Biodiversitätsstrategie der EU, der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ sowie der kommenden Überarbeitung der EU-Strategie zur Anpassung an den Klimawandel werden viele dieser Fragen angegangen.

Klimawandel und Verlust an biologischer Vielfalt dürften die Migrationsmuster erheblich beeinflussen. Veränderungen in der Umwelt wie Wüstenbildung, Versauerung der Meere und Küstenerosion wirken sich unmittelbar auf die Lebensgrundlagen der Menschen und auf ihre Fähigkeit, an ihrem Herkunftsort zu leben, aus. 59 Mit den fortschreitenden Auswirkungen des Klimawandels wird sich dieser Trend wahrscheinlich noch fortsetzen. Ohne Maßnahmen zum Schutz des Klimas könnten nach Angaben der Weltbank bis 2050 bis zu 143 Millionen Menschen in afrikanischen Ländern südlich der Sahara, Südasien und Lateinamerika gezwungen sein, umzusiedeln. 60  Europa ist dadurch noch mehr gefordert, bei Klima- und Umweltmaßnahmen weltweit eine Führungsrolle einzunehmen, indem es insbesondere den europäischen Grünen Deal umsetzt und seine Diplomatie des Grünen Deals in allen Politikbereichen und Partnerschaften intensiviert.

Die digitale Revolution und die rasche Verbreitung des Internet haben das Leben und die Gewohnheiten der Menschen bereits verändert. Die Digitalisierung kann die Produktivität und das Wirtschaftswachstum steigern helfen. Ein ungleicher Zugang zum Internet führt allerdings zu einer digitalen Kluft, die zu einem wichtigen Faktor für Ungleichheit wird. Unzureichende digitale Kompetenzen und starke Unterschiede im Qualifikationsniveau zwischen Ländern und Regionen sowie mangelhafte Zugangsmöglichkeiten können diese Kluft noch verschärfen.

Die aktuelle Krise hat deutlich vor Augen geführt, wie wichtig es ist, den digitalen Wandel so schnell wie möglich für alle Wirklichkeit werden zu lassen. Aufgrund der sozialen Distanzierung in ganz Europa mussten viele Menschen zu Hause arbeiten und konnten nur über das Internet oder mobile Anwendungen mit Familie und Freunden kommunizieren. Ein zuverlässiger, schneller Internetzugang und die Fähigkeit, digitale Werkzeuge zu nutzen, sind für Unternehmen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Selbstständige umso wichtiger geworden.  

5.    DEMOGRAFIE UND GEOPOLITIK: DIE ROLLE EUROPAS IN DER WELT

Der demografische Wandel wirkt sich auch auf die geopolitischen Perspektiven und die Stellung Europas in der Welt aus. Bevölkerungsstärke und Wirtschaftsgröße spielen in den Machtstrukturen der Welt eine wichtige Rolle. Die Länder Europas verlieren im Vergleich zu Schwellenländern an Größe und Wirtschaftsmacht, sodass es für die Europäische Union umso wichtiger ist, ihr gesamtes kollektives Gewicht in die Waagschale zu werfen. Wie wir in der aktuellen Pandemie sehen können, kennen Viren keine Grenzen und schaffen Herausforderungen, die für viele Teile der Welt die gleichen sind.

Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung nimmt ab. Im Jahr 1960 machten die Mitgliedstaaten der EU-27 noch rund 12 % an der Weltbevölkerung aus. Heute liegt dieser Wert bei etwa 6 % und wird bis 2070 voraussichtlich auf unter 4 % sinken. Eine andere bemerkenswerte Entwicklung ist der wachsende Anteil Afrikas an der Weltbevölkerung, der von 9 % auf 32 % ansteigen soll, während der Anteil der Bevölkerung Asiens wohl leicht zurückgehen wird. 61

Weltbevölkerung nach Kontinent, 1960-2070

Quelle: Vereinte Nationen, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, Abteilung Bevölkerungsfragen (2019).

Europa ist nicht der einzige Kontinent, der altert, hat aber das höchste Durchschnittsalter. Vergleicht man den Trend in Europa mit den Trends in anderen Teilen der Welt, so zeigt sich, dass sich auf anderen Kontinenten ein ähnlicher Alterungsprozess vollzieht, dieser aber dort im Vergleich zu Europa zeitlich verzögert verläuft. Laut den Prognosen dürfte Afrika bis 2070 der jüngste Kontinent bleiben, obwohl das Durchschnittsalter auch dort im Laufe der Zeit steigen wird.

Medianalter der Weltbevölkerung nach Kontinent, 1960-2070

Quelle: Vereinte Nationen, Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten, Abteilung Bevölkerungsfragen (2019).

Auch der Anteil Europas am globalen BIP sinkt. Im Jahr 2004 entfielen auf Europa 18,3 % des weltweiten BIP, 2018 noch 14,3 %. 62 Da die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter schrumpft, besteht die Gefahr, dass sich dieser Trend fortsetzen und sogar beschleunigen wird. Die einzelnen Mitgliedstaaten haben als Wirtschaftsakteure immer weniger Gewicht, die EU als Ganzes wird aber auch weiterhin ein wichtiger Akteur in Wirtschaft, Politik und Diplomatie sein. 

Europa muss in seiner Art zu denken, zu handeln und zu sprechen mehr Stärke und Einigkeit beweisen und sich stärker strategisch ausrichten. Wir müssen bestehende Partnerschaften stärken und neue Partnerschaften schließen, insbesondere mit unseren engsten Partnern und unseren Nachbarn. Die neue umfassende Strategie für Afrika 63 hat angesichts der komplementären demografischen Herausforderungen unserer Kontinente besondere Bedeutung. Europa muss sich in Zukunft noch engagierter dafür einsetzen, die auf Regeln beruhende Weltordnung und ihre Institutionen wie die Vereinten Nationen oder die Welthandelsorganisation zu bewahren, und eine aktivere Rolle in internationalen Strukturen spielen.



SCHLUSSFOLGERUNGEN UND AUSBLICK

In dieser Zeit außergewöhnlicher Härten und Unsicherheiten haben die Europäische Union, die Mitgliedstaaten und ihre Regionen ein gemeinsames Interesse daran, in einer Weise auf die Auswirkungen des demografischen Wandels zu reagieren, die allen Europäerinnen und Europäern zugute kommt. Dies ist Teil der wirtschaftlichen Erholung Europas und der Bemühungen, eine widerstandsfähigere, nachhaltigere und gerechtere Union zu schaffen. Auf dem Weg in die Zukunft müssen strategische Weichen gestellt und mehrere Fragen beantwortet werden: Wie können wir Innovation und Produktivität fördern? Wie können wir mehr Menschen in Arbeit bringen? Wie können Gesundheitssysteme, Sozialschutz und soziale Dienste modernisiert und territoriale Unterschiede beseitigt werden?

Vor diesem Hintergrund wird die Kommission auf der Grundlage der Ergebnisse dieses Berichts ein Grünbuch zum Thema Altern und eine langfristige Vision für ländliche Gebiete vorlegen. Sie wird sich auch mit anderen Themen, die in diesem Bericht angesprochen werden, eingehend befassen, darunter Fragen im Zusammenhang mit Einsamkeit, sozialer Isolation, psychischer Gesundheit, wirtschaftlicher Widerstandsfähigkeit und langfristiger Gesundheitsversorgung.

Dieser Bericht zeigt auch, dass demografische Erwägungen in allen Bereichen der EU-Politik berücksichtigt werden müssen. Die Kommission ist bereit, sich ihrer Verantwortung zu stellen und wird zu diesem Zweck – insbesondere im Rahmen des nächsten langfristigen EU-Haushalts und seines Aufbauinstruments „Next Generation EU“ – alle ihr zur Verfügung stehenden Instrumente einsetzen. Ihre Bemühungen um eine Ankurbelung der Konjunktur werden auch einen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt, zu Integration und Inklusion, zur Entwicklung des ländlichen Raums und zur Verbesserung der allgemeinen und beruflichen Bildung leisten. Die Kommission wird erforderliche Strukturreformen unterstützen, auf wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit hinarbeiten und sich dabei umfassend auf das Europäische Semester stützen. 

Gleichzeitig ist klar, dass es kein Patentrezept gibt, mit dem alle Probleme gelöst werden können. Die Politik muss stets den Blick auf die Realitäten vor Ort richten und auf eine Verringerung der Unterschiede zwischen den Regionen hinarbeiten. In diesem Sinne wird die Kommission weiterhin die Aufwärtskonvergenz fördern und für einen gerechten Übergang sowie soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung eintreten; hierbei kommt der europäischen Säule sozialer Rechte und der EU-Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter eine besondere Rolle zu.

Die Herausforderung, der die Demokratie gegenübersteht, und die Herausforderung aufgrund der demografischen Entwicklung müssen beide entschlossen angegangen werden. Der demografische Wandel bringt für unsere Demokratie sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich. Dies hat uns die Krise deutlich gezeigt. Wenn es gelingt, diesen Wandel gut zu steuern, wird er zu dynamischen, widerstandsfähigen und inklusiven Regierungs- und Partizipationssystemen beitragen und ein Spiegelbild der Vielfalt der Gesellschaft sein. Wir müssen die Probleme an der Wurzel anpacken und eine „Geografie der Unzufriedenheit“ 64 vermeiden. Die Konferenz zur Zukunft Europas wird in diesem Zusammenhang eine wichtige Plattform sein, die uns die Möglichkeit bietet, zuzuhören, zu lernen und Lösungen zu finden.

Es ist noch zu früh, um mit Blick auf die Demografie fundierte Lehren aus der COVID-19-Krise ziehen zu können. Die parallel zu diesem Bericht eingerichtete Website wird bei der Analyse umfangreicher, vergleichbarer statistischer Daten aus der gesamten Union helfen. Wir werden diese Daten, sobald sie vorliegen, auswerten, um eine zuverlässige Grundlage für fundierte politische Überlegungen und Entscheidungen zu schaffen.

Die Kommission wird auf der Grundlage dieses Berichts einen Dialog mit den einschlägigen Interessenträgern‚ insbesondere mit Akteuren auf regionaler Ebene, aufnehmen und Gespräche mit Mitgliedstaaten, Organen und Einrichtungen der EU wie dem Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und dem Ausschuss der Regionen führen.

(1)

COM(2020) 456 final: Die Stunde Europas – Schäden beheben und Perspektiven für die nächste Generation eröffnen.

(2)

Die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SWD(2020) 109 final) enthält ergänzende Zahlen, Karten und Tabellen zu diesem Bericht.

(3)

Sofern nicht anders angegeben, bezeichnen „Europa“ und „EU“ die EU-27.

(4)

Die in diesem Bericht verwendeten statistischen Daten von Eurostat beruhen auf Zahlen aus der Eurostat-Datenbank vom Mai 2020.

(5)

Weitere Informationen finden sich auf der Eurostat-Website „Statistics Explained“ über die Statistiken zu Sterblichkeit und Lebenserwartung:

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Mortality_and_life_expectancy_statistics .

(6)

Bei den Bevölkerungsvorausberechnungen handelt es sich um hypothetische Fallszenarien, die auf historischen Daten aufbauen und Aufschluss über die Bevölkerungsdynamik geben sollen. Vorausberechnungen sind wohlgemerkt nicht als Prognosen zu verstehen. Näheres hierzu siehe die Bevölkerungsvorausberechnungen von Eurostat unter: https://ec.europa.eu/eurostat/web/population-demography-migration-projections/population-projections-data .

(7)

 Weitere Informationen zu Konzepten und Daten unter: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/pdfscache/1101.pdf .

(8)

Weitere Informationen siehe State of Health in the EU, Health at a Glance: Europe 2018, OECD/EU (2018) – https://ec.europa.eu/health/state/glance_de .

(9)

2018 gaben 49 % aller Personen ab 65 Jahren an, unter einer Behinderung oder langfristigen Bewegungseinschränkung zu leiden. (Quelle: Eurostat, Online-Tabelle hlth_silc_06)

(10)

In der gemeinsamen Klassifikation der Gebietseinheiten für die Statistik (NUTS) werden drei verschiedene Einteilungen der Regionen verwendet. Diese Karte zeigt die NUTS-2-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-2-Region eines Landes hat zwischen 800 000 und 3 Millionen Einwohner.

(11)

Weitere Informationen enthält die Eurostat-Website „Statistics Explained“ zur Geburtenstatistik:

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Fertility_statistics .

(12)

Von den 1169 NUTS-3-Regionen weisen nur vier eine Fertilitätsrate von mehr als 2,1 auf: Mayotte (4,6), Guyana (3,8), Réunion (2,4) und Melilla (2,3).

(13)

Diese Karte zeigt die NUTS-3-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-3-Region eines Landes hat zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner.

(14)

Das mittlere Alter ist ein ungefähres Maß für das Alter einer Bevölkerung: die eine Hälfte der Bevölkerung ist älter, die andere jünger.

(15)

Weitere Informationen enthält die Eurostat-Website „Statistics Explained“ zu Bevölkerungsstruktur und Alterung:

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Population_structure_and_ageing .

(16)

Die Erwerbsbevölkerung ist üblicherweise definiert als Bevölkerung im Alter von 20-64 Jahren. In dem Maße, wie die Bevölkerung altert und mehr Menschen im Alter von 65 Jahren und mehr erwerbstätig bleiben, könnte sich diese Definition ändern.

(17)

Ageing Europe: Looking at the lives of older people in the EU, Europäische Kommission (2019).

(18)

Neben Drittstaatsangehörigen sind hier auch EU-Bürgerinnen und -Bürger eingerechnet, die in die EU zurückkehren/aus der EU auswandern. Weitere Informationen finden sich auf der Eurostat-Website „Statistics Explained“ zur Migrationsstatistik: https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Migration_and_migrant_population_statistics  

(19)

Weitere Informationen enthält die Eurostat-Website „Statistics Explained“ zu Bevölkerung und Bevölkerungswachstum:

https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Population_and_population_change_statistics .

(20)

Im April 2020 veröffentlichte Eurostat Bevölkerungsprojektionen auf Basis von Daten aus dem Jahr 2019. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie waren zum damaligen Zeitpunkt noch unbekannt und blieben somit unberücksichtigt. Weitere Informationen enthält die Eurostat-Website „Statistics Explained“ zu den Bevölkerungsprojektionen: https://ec.europa.eu/eurostat/web/population-demography-migration-projections/population-projections-data .  

(21)

Diese Karte zeigt die NUTS-3-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-3-Region eines Landes hat zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner. Die Daten entsprechen den regionalen Projektionen von Eurostat (EUROPOP2013).

(22)

The 2018 Ageing Report: Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2016-2070); Institutional Paper 079, Europäische Kommission und Ausschuss für Wirtschaftspolitik (2018).

(23)

The Commission’s Spring 2020 Economic Forecast, 6.5.2020.

(24)

Eine Union der Gleichheit: Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025, angenommen am 5. März 2020 (COM(2020) 152 final).

(25)

The 2018 Ageing Report: Economic and Budgetary Projections for the EU Member States (2016-2070), Institutional Paper 079, Europäische Kommission und Ausschuss für Wirtschaftspolitik (2018).

(26)

Eine neue Industriestrategie für Europa, angenommen am 10. März 2020 (COM(2020) 102 final).

(27)

Siehe z. B. Canton, E., Thum-Thysen, A., Voigt, P. (2018) Economists’ musings on human capital investment: How efficient is public spending on education in EU Member States? European Economy Discussion Paper 81:

https://ec.europa.eu/info/publications/economy-finance/economists-musings-human-capital-investment-how-efficient-public-spending-education-eu-member-states_en  

(28)

  https://www.ecdc.europa.eu/en/cases-2019-ncov-eueea  

(29)

Diese Karte zeigt die NUTS-3-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-3-Region eines Landes hat zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner. Die Daten entsprechen den regionalen Projektionen von Eurostat (EUROPOP2013).

(30)

Weitere Informationen zu EU4Health: https://ec.europa.eu/health/funding/eu4health_de  

(31)

  https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-12983-2013-INIT/en/pdf  

(32)

State of Health in the EU, Country Health Profiles 2019, SHARE survey (2017).

(33)

Weitere Informationen: https://ec.europa.eu/food/farm2fork_en  

(34)

Dieser Fachkräftemangel kann unterschiedliche Ursachen haben und z. B. auch auf die Bezahlung und die Arbeitsbedingungen zurückzuführen sein.

(35)

State of Health in the EU, Health at a glance: Europe 2018, OECD/EU (2018), S. 178 und 180.

(36)

Weitere Informationen: https://www.oecd.org/els/health-systems/who-cares-attracting-and-retaining-elderly-care-workers-92c0ef68-en.htm  

(37)

Artikel 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

(38)

Der „dreifache Vorteil“ wird von der Europäischen Innovationspartnerschaft „Aktives und gesundes Altern“ unterstützt. Weitere Informationen: https://ec.europa.eu/eip/ageing/about-the-partnership_en  

(39)

Laut Bericht über die demografische Alterung 2018 umfassen die Gesamtkosten der Bevölkerungsalterung die öffentlichen Ausgaben für Renten, Gesundheitsversorgung, Langzeitpflege, Bildung und Arbeitslosenunterstützung.

(40)

Eine detaillierte Analyse der Kostentreiber in der Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege findet sich im Joint Report on Healthcare and Long-Term Care Systems and Fiscal Sustainability, Europäische Kommission und Ausschuss für Wirtschaftspolitik, 2016.

(41)

Altersarmut lässt sich an zwei Komponenten festmachen: sie betrifft Personen, deren Einkommen unter 60 % des nationalen Medianwerts liegt, und Personen, die nicht mindestens vier von zehn Grundbedürfnissen erfüllen können (siehe https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Glossary:Material_deprivation ).

(42)

Ausführliche Analyse der Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Angemessenheit der Renten: Bericht zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe (2018): gegenwärtige und künftige Angemessenheit der Altersversorgung in der EU, Europäische Kommission und Ausschuss für Sozialschutz, 2018.

(43)

Im Jahr 2018 waren in der EU-27 30,5 % der Frauen und 9,2 % der Männer teilzeitbeschäftigt (Eurostat, AKE).

(44)

Der Anteil der befristeten Arbeitsverträge für Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren ist in den letzten Jahren stabil geblieben. Gemessen an der Gesamtbeschäftigung lag der Anteil im Jahr 2018 bei 12,1 %. Der Anteil der Frauen ist hier etwas höher (13,1 %) als der der Männer (11,2 %) (Eurostat).

(45)

Regional bezieht sich auf die NUTS-3-Ebene und lokal auf LAU-Ebene (lokale Verwaltungseiheiten).

(46)

COM(2020) 451 final vom 28.5.2020.

(47)

Diese Karte zeigt die NUTS-3-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-3-Region eines Landes hat zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner.

(48)

  http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC120680

(49)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://doi.org/10.1787/b902cc00-en

(50)

Diese Karte zeigt NUTS-3-Regionen. Die durchschnittliche NUTS-3-Region eines Landes hat zwischen 150 000 und 800 000 Einwohner.

(51)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://ec.europa.eu/info/publications/mff-legislation_en  

(52)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://ec.europa.eu/regional_policy/en/information/publications/regional-focus/2018/access-to-universities-in-the-eu-a-regional-and-territorial-analysis  

(53)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://urban.jrc.ec.europa.eu/thefutureofcities/ageing#the-chapter

(54)

Forest fires – Sparking fire smart policies in the EU, Europäische Kommission (2018).

(55)

OECD, 2018. Strategiepapier „Rural 3.0 – a framework for rural development“.

https://www.oecd.org/cfe/regional-policy/Rural-3.0-Policy-Note.pdf  

(56)

  https://ec.europa.eu/regional_policy/en/information/publications/regional-focus/2008/remote-rural-regions-how-proximity-to-a-city-influences-the-performance-of-rural-regions  

(57)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: http://www.fao.org/global-perspectives-studies/en  

(58)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/european-green-deal_de  

(59)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://news.un.org/en/story/2019/07/1043551  

(60)

Zu weiteren Einzelheiten siehe: https://openknowledge.worldbank.org/handle/10986/29461

(61)

Zu weiteren Informationen über die überarbeiteten Prognosen zur Weltbevölkerung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2019 siehe: https://population.un.org/wpp/

(62)

Quelle: Weltbank, BIP nach KKP (Kaufkraftparität) aus der Datenbank Weltentwicklungsindikatoren.

(63)

JOIN(2020) 4 final vom 9.3.2020.

(64)

  https://ec.europa.eu/regional_policy/en/information/publications/working-papers/2018/the-geography-of-eu-discontent