Brüssel, den 8.4.2020

COM(2020) 148 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT UND DEN RAT

über die Bewertung der Anwendung der vorübergehenden Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in der EU


I    Einleitung

Am 10. März 2020 betonten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union die Notwendigkeit eines gemeinsamen europäischen Ansatzes im Hinblick auf COVID-19 sowie einer engeren Abstimmung mit der Europäischen Kommission.

Am 16. März 2020 nahm die Kommission eine Mitteilung an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat und den Rat mit dem Titel „Vorübergehende Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen in die EU“ 1 an. In dieser Mitteilung empfahl die Kommission dem Europäischen Rat zu handeln, damit die Staats- und Regierungschefs der Schengen-Länder zusammen mit ihren Amtskollegen der assoziierten Schengen-Länder rasch eine vorübergehende Beschränkung von nicht unbedingt notwendigen Reisen aus Drittländern in den erweiterten EU-Raum 2 annehmen könnten.

Am 17. März 2020 einigten sich diese Staaten auf ein koordiniertes Vorgehen an den Außengrenzen auf der Grundlage dieser Empfehlung der Kommission. Seither haben alle EU-Mitgliedstaaten (mit Ausnahme Irlands) und assoziierten Schengen-Länder 3 nationale Entscheidungen zur Umsetzung der Reisebeschränkungen getroffen.

Die vorübergehende Reisebeschränkung gilt für alle nicht unbedingt notwendigen Reisen aus Drittländern in den erweiterten EU-Raum. Um zugleich sicherzustellen, dass die Rechte der Bürgerinnen und Bürger der EU-Mitgliedstaaten und der assoziierten Schengen-Länder, ihrer Familienangehörigen und der Drittstaatsangehörigen, die sich rechtmäßig in der EU aufhalten, geachtet werden, sind diese Gruppen für die Zwecke der Rückkehr an den Wohnort von der Anwendung von Reisebeschränkungen ausgenommen. Damit die Beschränkungen das Funktionieren unserer Gesellschaften möglichst wenig beeinträchtigen, sollen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen nicht auf bestimmte Kategorien von Reisenden anwenden, die eine wichtige Funktion ausüben oder deren Reise zwingend notwendig ist.

Zur Unterstützung der Mitgliedstaaten hat die Kommission am 30. März 2020 Hinweise zur Umsetzung der vorübergehenden Reisebeschränkungen und zum Umgang mit daraus resultierenden Überschreitungen der zulässigen Aufenthaltsdauer sowie zur Vereinfachung der Rückkehr von EU-Bürgern aus der ganzen Welt angenommen. 4 An der Ausarbeitung dieser Leitlinien wirkten die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex), das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und Europol mit.

In ihrer Mitteilung vom 16. März 2020 empfahl die Kommission, die vorübergehende Reisebeschränkung solle zunächst für 30 Tage gelten, wobei etwaige Verlängerungen dieses Zeitraums von den weiteren Entwicklungen abhängig gemacht werden sollten. Zwar wurden die Entscheidungen der Mitgliedstaaten zu unterschiedlichen Zeitpunkten getroffen, doch waren die meisten am 20. März 2020 in Kraft getreten, sodass die ursprüngliche 30-tägige Anwendungsfrist demnächst abläuft.

Diese Maßnahme an den Außengrenzen ergänzte weitere wichtige Schritte und Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zur Eindämmung der Ausbreitung von COVID-19 und zur Deckung des Bedarfs im Bereich der Gesundheitsversorgung ergriffen haben, darunter eine Vielzahl von Ausgangsbeschränkungen, Einschränkungen der sozialen Interaktion und Maßnahmen an den Binnengrenzen.

In dieser Mitteilung werden die Entwicklungen seit der Annahme der Mitteilung vom 16. März 2020 und die Frage bewertet, ob eine Verlängerung erforderlich und gerechtfertigt ist.

II    Entwicklungen seit der Annahme der Mitteilung

Ziel der Beschränkungen an der Außengrenze ist es, das Risiko einer Ausbreitung der Krankheit durch Reisen in die EU zu verringern. Im März war ein drastischer Rückgang von Reisen in die und aus der EU sowie innerhalb der EU zu verzeichnen.

Eurocontrol 5 berichtete am 31. März 2020 von einem Rückgang der Zahl der Flüge um insgesamt 86,1 %, was im Vergleich zum 31. März des Vorjahres 25 948 weniger Flüge 6 ausmacht. Das Gesamtpassagieraufkommen ist auf fast null zurückgegangen, die verbleibenden Flüge beschränken sich hauptsächlich auf Fracht- und Rückholflüge.

Eine ähnliche Entwicklung des Passagieraufkommens ist bei anderen Verkehrsmitteln zu beobachten, so etwa im Fähr-, Bus- und Schienenverkehr. Beispielsweise führen Kreuzfahrtgesellschaften seit Anfang März keine neuen Kreuzfahrten mehr durch, sodass der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr 100 % beträgt, da es derzeit bis auf Schiffe, die in ihre Häfen zurückkehren, keine Kreuzfahrtaktivitäten gibt.

Über diese Entwicklungen in Bezug auf die Reisereduzierung an den Außengrenzen hinaus haben alle EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Schengen-Länder in ihrem Hoheitsgebiet Maßnahmen ergriffen, um die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen, wobei einige Länder sogar wieder Kontrollen an den Binnengrenzen eingeführt haben. Die ergriffenen Maßnahmen variieren je nach Gesundheitslage von Land zu Land, aber allgemein zielen sie darauf ab, die Ausbreitung des Virus einzudämmen, indem die soziale Interaktion auf ein Minimum reduziert wird.

Die Wiedereinführung von Kontrollen an den Binnengrenzen sowie verschiedene Maßnahmen in der EU, die sich auf den normalen Betrieb von Industrie und Dienstleistungssektor auswirken, haben schwerwiegende Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts. Diese Maßnahmen beeinträchtigen die Lieferkette, da lebenswichtige Produkte wie Lebensmittel, Arzneimittel und Schutzausrüstungen ihren Bestimmungsort nicht erreichen oder nur mit erheblichen Verzögerungen eintreffen. Um dieses Problem anzugehen und die Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes so weit wie möglich zu begrenzen, hat die Kommission unermüdlich mit den Mitgliedstaaten zusammengearbeitet und dabei alle erforderlichen Ressourcen mobilisiert und die Koordinierung auf EU-Ebene sichergestellt. Auch hat sie praktische Leitlinien vorgelegt, um über „Green Lanes“ (Sonderfahrspuren) den kontinuierlichen Fluss lebenswichtiger Güter in der EU zu gewährleisten 7 ‚ den Luftfrachttransport zu erleichtern 8 und die Ausübung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu gewährleisten 9 .

III    Verlängerung der vorübergehenden Reisebeschränkung im erweiterten EU-Raum

Die Kommission empfahl am 16. März 2020, die Maßnahmen für einen Zeitraum von 30 Tagen anzuwenden und eine mögliche Verlängerung dieses Zeitraums vorzusehen.

Die Erfahrungen der Mitgliedstaaten und anderer von der Pandemie betroffener Länder zeigen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung der Pandemie länger als 30 Tage dauern müssen, um wirksam zu sein und die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Dies wird aktuell durch die Situation innerhalb der EU bestätigt. Die epidemiologische Lage in der EU hat sich seit dem 16. März verschlechtert. Aktuell steigt die Zahl neuer Infektions- und Todesfälle im gesamten erweiterten EU-Raum kontinuierlich. Das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten bewertet das Risiko einer zunehmenden Übertragung innerhalb der Gesellschaften als mäßig, wenn Eindämmungsmaßnahmen bestehen, aber als sehr hoch, wenn diese Maßnahmen unzureichend sind. Das Risiko, dass die Kapazitäten der Gesundheits- und Sozialfürsorgesysteme in den kommenden Wochen überschritten werden, wird auch mit bestehenden Eindämmungsmaßnahmen als hoch eingestuft. 10   

Die Pandemie breitet sich nach wie vor auch außerhalb der EU aus, darunter in Ländern, aus denen jährlich Millionen von Menschen in die EU reisen bzw. die umgekehrt für Millionen von Menschen aus der EU ein Reiseziel darstellen. Die weitere Entwicklung in vielen Drittländern in den kommenden Wochen hängt davon ab, welche Maßnahmen diese Länder ergriffen haben und inwieweit sie in der Lage sind, die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Um die Anstrengungen der EU-Mitgliedstaaten und der Schengen-Länder zur Eindämmung der weiteren Ausbreitung des Virus innerhalb des erweiterten EU-Raums zu ergänzen und eine weitere Ausbreitung des Virus zwischen der EU und anderen Ländern zu verhindern, bedarf es weiterhin paralleler und koordinierter Maßnahmen an den Außengrenzen des erweiterten EU-Raums. Solche Maßnahmen werden wesentlich für eine konzertierte EU-Strategie für die Zeit nach der Krise und die schrittweise Aufhebung der Eindämmungsmaßnahmen im erweiterten EU-Raum sein.

Maßnahmen an den Außengrenzen können nur wirksam sein, wenn sie von allen EU-Mitgliedstaaten und Schengen-Ländern mit der gleichen Frist und in einheitlicher Weise für alle Außengrenzen beschlossen und umgesetzt werden.

Die Kommission fordert die Schengen-Mitgliedstaaten und die assoziierten Schengen-Länder daher auf, die Anwendung der Reisebeschränkung für nicht unbedingt notwendige Reisen aus Drittländern in den erweiterten EU-Raum auf koordinierte Weise um weitere 30 Tage bis zum 15. Mai 2020 zu verlängern. Etwaige Verlängerungen dieses Zeitraums sollten erneut von den weiteren Entwicklungen der epidemiologischen Lage abhängig gemacht werden.

Die Verlängerung der vorübergehenden Reisebeschränkung sollte sich hinsichtlich ihres Geltungsbereichs nach der Mitteilung der Kommission vom 16. März 2020 richten. Bei der Anwendung der vorübergehenden Reisebeschränkung sollten sich die Mitgliedstaaten an die Hinweise der Kommission vom 30. März 2020 halten. Ferner erinnert die Kommission an Ziffer 15 ihrer Mitteilung über die Einrichtung von „Green Lanes“ (Sonderfahrspuren) vom 23. März 2020 und fordert alle darin genannten Staaten und Akteure auf, die Zusammenarbeit fortzusetzen und die Leitlinien für die Umsetzung dieser Sonderfahrspuren an den Außengrenzen so weit wie möglich anzuwenden.

Die Beschränkungen für nicht unbedingt notwendige Reisen an den EU-Außengrenzen und die im Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten und der assoziierten Schengen-Länder ergriffenen Maßnahmen haben das gemeinsame Ziel, die soziale Interaktion zu begrenzen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen und den Bedarf im Bereich der Gesundheitsversorgung zu decken. Damit die Aufhebung dieser Maßnahmen möglichst wirksam ist, muss sie auf einem koordinierten und schrittweisen Ansatz der EU beruhen.

(1)      COM(2020) 115 vom 16. März 2020.
(2)      Der „erweiterte EU-Raum“ sollte alle Schengen-Länder (sowie Bulgarien, Kroatien, Zypern und Rumänien) und die vier assoziierten Schengen-Länder umfassen. Auch Irland und das Vereinigte Königreich würden dazu gehören, sollten sie sich diesen Maßnahmen anschließen.
(3)      Island, Liechtenstein, Norwegen, Schweiz.
(4)      C(2020) 2050 vom 30. März 2020.
(5)      Eurocontrol sind weltweit 41 Staaten angeschlossen.
(6)       www.eurocontrol.int  
(7)      C(2020) 1897.
(8)      C(2020) 2010.
(9)      C(2020) 2051.
(10)    https://www.ecdc.europa.eu/en/publications-data/rapid-risk-assessment-coronavirus-disease-2019-covid-19-pandemic-eighth-update