EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 29.1.2020
COM(2020) 37 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Arbeitsprogramm der Kommission für 2020
Eine Union, die mehr erreichen will
1.Eine Union, die mehr erreichen will
Bei den Europawahlen im vergangenen Jahr haben sich Rekordzahlen von Europäerinnen und Europäern Gehör verschafft. Sie haben den EU-Organen und ihrer Führung den klaren Auftrag erteilt, mutig und entschlossen die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Sie erwarten von der Union konkrete Ergebnisse in den Bereichen, in denen es am meisten darauf ankommt. Die Europäische Kommission ist entschlossen, diesem Auftrag nachzukommen und eine Union zu schaffen, die mehr erreichen will.
Im Laufe des nächsten Jahres und dieses Jahrzehnts wird sich der Union die einzigartige Gelegenheit bieten, den Übergang zu einem gerechten, klimaneutralen und digitalen Europa maßgeblich zu gestalten. Wir alle – jedes Land, jede Region und jeder einzelne von uns – werden den ökologischen Wandel und den digitalen Wandel zu spüren bekommen. Alle Bereiche unserer Gesellschaft und Wirtschaft werden davon betroffen sein. Gelingen kann dieser Wandel aber nur, wenn er gerecht ist und jeden von uns mitnimmt. Die Europäische Union wird die Chancen, die dieser doppelte Wandel bietet, nur dann in vollem Umfang nutzen können, wenn wir alle unsere Stärken und unsere Vielfalt einbringen. Dabei müssen wir uns auch weiterhin stets für Gleichheit einsetzen, an unseren Werten festhalten und die Rechtsstaatlichkeit verteidigen.
Diese Ziele sind die treibende Kraft hinter dem ersten jährlichen Arbeitsprogramm dieser Kommission. Darin werden sowohl die wichtigsten Initiativen vorgestellt, die die Kommission in ihrem ersten Amtsjahr ergreifen möchte, als auch die Nahziele für die ersten 100 Tage. Das Arbeitsprogramm ist schwerpunktmäßig auf die sechs übergreifenden Ziele aus den politischen Leitlinien von Präsidentin von der Leyen ausgerichtet und trägt den Hauptprioritäten des Europäischen Parlaments ebenso Rechnung wie den Kernzielen aus der strategischen Agenda des Europäischen Rates für den Zeitraum 2019-2024.
Es gibt allen Grund, stolz auf das Erreichte zu sein und mit Zuversicht in die Zukunft zu blicken. Nach Jahren des Krisenmanagements kann Europa sich nun wieder nach vorn orientieren. Dieses Arbeitsprogramm gibt den Rahmen für das weitere Vorgehen vor und soll uns ermöglichen, strittige Fragen, die uns in der Vergangenheit entzweit haben, einer Lösung zuzuführen.
Unsere Arbeit erfolgt gleichwohl unter Rahmenbedingungen, die zunehmend an Stabilität verlieren: Die globale Ordnung ist heute von schwelenden Spannungen, wirtschaftlicher Unsicherheit, plötzlich ausbrechenden Konflikten und einer im stetigen Wandel begriffenen geopolitischen Landschaft geprägt. Dieser prekäre Zustand ist keineswegs auf andere Teile des Globus begrenzt, sondern herrscht auch auf unserem eigenen Kontinent. Hier zeigt sich stärker denn je, wie wichtig eine starke und geeinte Europäische Union ist, die all ihre diplomatischen, wirtschaftlichen und politischen Möglichkeiten nutzt. Diese Notwendigkeit spiegelt sich auch im Arbeitsprogramm dieser geopolitischen Kommission wider. Sämtliche vorgesehenen Maßnahmen und Initiativen werden stark auf das auswärtige Handeln ausgerichtet sein.
Damit Europa den hohen Erwartungen seiner Bürgerinnen und Bürger gerecht werden und seine selbst gesteckten Ziele erreichen kann, müssen allerdings auch entsprechende Ressourcen verfügbar sein. Die Union braucht einen neuen langfristigen Haushalt, der flexibel und auf unsere Prioritäten und Herausforderungen zugeschnitten ist. Die Vorschläge, die die Kommission diesbezüglich bereits unterbreitet hat, sind eine gute Ausgangsbasis hierfür und werden von uns bei Bedarf so angepasst werden, dass wir unsere Ziele erreichen können. Die Kommission ist bereit, das Europäische Parlament und den Rat zu unterstützen, damit zum 1. Januar 2021 ein ausgewogener und ehrgeiziger langfristiger Haushalt vorliegt und unsere Investitions- und Ausgabenprogramme vom ersten Tag an umgesetzt werden können.
Auch werden wir vor beispiellosen Herausforderungen stehen: Wir werden mit dem Vereinigten Königreich Verhandlungen über eine neue Partnerschaft führen müssen, wobei dieses Land für uns ein Partner, Verbündeter und Freund – wenngleich außerhalb der Union – bleiben wird. Wir sind diesbezüglich bereit zu einer weit über den Handel hinausgehenden Partnerschaft bisher ungekannten Umfangs. Gleichwohl sollten wir die Größe dieser Aufgabe nicht unterschätzen. Wie schon bei den Verhandlungen über das Austrittsabkommen wird die Kommission während des gesamten Verhandlungsprozesses für größtmögliche Transparenz gegenüber den anderen EU-Organen, den Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit sorgen.
Bei der Umsetzung unserer ehrgeizigen Agenda werden wir uns an der Agenda 2030 der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung orientieren. Dementsprechend werden wir die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung in den Mittelpunkt unserer Politik rücken. Diese werden den Maßstab für unsere Arbeit in allen Bereichen (d. h. sowohl für unsere internen Maßnahmen als auch für unser externes Vorgehen) bilden, und unsere Maßnahmen zu ihrer Verwirklichung werden von unserem Engagement für eine nachhaltige Entwicklung in und außerhalb der EU zeugen. In diesem Zusammenhang werden wir das Europäische Semester durch die künftige Berücksichtigung der Ziele für nachhaltige Entwicklung neu ausrichten und unser Konzept für die allgemeine Steuerung und Verwirklichung dieser Ziele weiterentwickeln.
Die Umsetzung der in diesem Arbeitsprogramm vorgesehenen Maßnahmen wird das Zusammenwirken aller Organe erfordern. Die Kommission ist, wie sie in ihren politischen Leitlinien dargelegt hat, fest entschlossen, eine besondere Beziehung zum Europäischen Parlament aufzubauen und befürwortet in diesem Rahmen ein Initiativrecht des Parlaments.
Dieses Arbeitsprogramm sieht zudem den Rückgriff auf das unverzichtbare Mittel der strategischen Vorausschau vor, das immer konsequenter angewendet wird. Dahinter steht die Notwendigkeit, tieferen Einblick in langfristige Entwicklungstrends und große Umwälzungen zu gewinnen, die unser Leben und unsere künftige Arbeitswelt bestimmen, das Wesen unserer Wirtschaft, unserer Umwelt und unserer Gesellschaft verändern und sich auf die globalen Machtstrukturen und unsere strategische Autonomie auswirken.
Wenn es uns gelingt, sich abzeichnende Entwicklungen besser zu verstehen und zu antizipieren, können wir geeignete politische Strategien entwickeln und anwenden, die Europa helfen, stets einen Schritt voraus zu sein. Beispielsweise müssen wir uns auf die Auswirkungen vorbereiten, die die höhere Lebenserwartung und das weltweite Bevölkerungswachstum auf die Verfügbarkeit natürlicher Ressourcen, die Migrationsströme, die Renten und die Gesundheitsversorgung haben werden. Gleichzeitig müssen wir uns auf den Bevölkerungsrückgang konzentrieren, von dem die EU in großen Teilen betroffen ist, u. a. in ländlichen Regionen.
Es gibt zahlreiche weitere Beispiele, die deutlich machen, wie wichtig es ist, unser Wissen über sich abzeichnende Risiken und Chancen sowie über deren Ursachen und Abhängigkeiten so gut wie möglich zu verbessern. Mit strategischer Voraussicht wird es uns möglich sein, ein pragmatischeres und langfristiger ausgerichtetes Konzept zu entwickeln, das uns hilft, unsere Führungsrolle in der Welt zu sichern und unsere Politik für die kommenden Jahre zu lenken.
Die nachfolgend und in den Anhängen dieses Arbeitsprogramms aufgeführten großen Initiativen spiegeln die Ziele wider, die wir erreichen möchten. Dabei handelt es sich nicht um eine erschöpfende oder gar endgültige Auflistung. Der besseren Lesbarkeit halber sind die einzelnen Initiativen sechs übergreifenden Zielen zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt unbeschadet der Zuständigkeiten, die Präsidentin von der Leyen in ihren Mandatsschreiben an die einzelnen Kommissionsmitglieder festgelegt hat. Im weiteren Verlauf dieses Jahres werden sich weitere Herausforderungen und Chancen ergeben. Die Kommission wird bereit sein und rasch reagieren können.
2.Umsetzung der sechs übergreifenden Ziele
2.1.Ein europäischer Grüner Deal
Die dringendste Herausforderung und Verantwortung, aber zugleich auch Chance für Europa besteht darin, unseren Planeten und die Menschen gesund zu erhalten. Dies ist die entscheidende Aufgabe unserer Zeit. Die Erderwärmung, die Erschöpfung der natürlichen Ressourcen und die immer weiter schwindende Biodiversität gefährden zusammen mit Waldbränden, Überschwemmungen und anderen Naturkatastrophen unsere Sicherheit und unseren Wohlstand.
Der europäische Grüne Deal ist unsere Reaktion darauf. Er wird uns auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2050 voranbringen und gleichzeitig auf der Anpassung fokussieren. Er wird dazu beitragen, Biodiversität, Naturerbe und Meere zu schützen und zu erhalten, die unserer Union so viel Wohlstand bringen. Und dies wird er tun, indem er unsere Wirtschaft und Industrie innovativer, ressourceneffizienter, kreislauforientierter und wettbewerbsfähiger macht. Der europäische Grüne Deal ist unsere neue Wachstumsstrategie. Er wird dazu beitragen, Arbeitsplätze zu schaffen und Europa weltweit wettbewerbsfähiger zu machen. Unsere neue Industriestrategie wird als Wegbereiter für den ökologischen und für den digitalen Wandel entscheidend dazu beitragen.
Der europäische Grüne Deal umfasst einen Fahrplan mit Strategien und Maßnahmen, um den tief greifenden Wandel herbeizuführen, der in allen Sektoren erforderlich ist. Davon werden viele im ersten Jahr der Amtszeit dieser Kommission umgesetzt, und sie sind ein wesentlicher Teil dieses Arbeitsprogramms.
Im Mittelpunkt steht das erste europäische Klimagesetz, das die Klimaneutralität bis 2050 zum verbindlichen Ziel macht. Nach einer umfassenden Folgenabschätzung und unserer Analyse der nationalen Energie- und Klimapläne wird die Kommission ein neues EU-Ziel für die Verringerung der Treibhausgasemissionen bis 2030 vorschlagen. Und weil die Europäische Union nun ihre eigenen Ziele höher steckt, wird sie im Vorfeld der Klimakonferenz der Vereinten Nationen 2020 in Glasgow auch bei den internationalen Verhandlungen über höhere Zielvorgaben für große Emittenten verhandeln weiterhin die treibende Kraft sein.
Der europäische Grüne Deal sieht Maßnahmen überall in unserer Wirtschaft vor. Vor diesem Hintergrund wird die Kommission eine Strategie für eine intelligente Sektorenintegration und eine Renovierungswelle vorlegen. Im Zuge der Förderung einer nachhaltigen blauen Wirtschaft wird die Kommission auch ein neues Konzept für die Nutzung von Europas Potenzial an erneuerbarer Offshore-Energie vorschlagen. Dies wird zum einen zum Zugang von Bürgerinnen und Bürger zu erschwinglicher sauberer Energie und zum anderen zur Energieversorgungssicherheit beitragen. Die Kommission wird außerdem eine übergreifende Strategie für nachhaltige und intelligente Mobilität vorschlagen, um unseren Verkehrssektor zu modernisieren und grüner zu machen.
Im Zuge des Übergangs werden sich auch unser Umgang mit Ressourcen, unsere Produktionsverfahren und unsere Verbrauchsgewohnheiten ändern müssen. Der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft wird dazu beitragen, unsere Produktions- und Verbrauchsmuster zu verändern, um unseren ökologischen Fußabdruck und unsere CO2-Bilanz zu reduzieren.
Der europäische Grüne Deal zielt auch auf die Bewältigung des alarmierenden Verlusts an Biodiversität und gesunden Ökosystemen, der eine Gefahr für die Widerstandsfähigkeit unserer Natur, unser Wohlergehen und unsere Wirtschaft darstellt. Um hier Abhilfe zu schaffen, wird die Kommission eine neue EU-Biodiversitätsstrategie bis 2030 vorschlagen, damit wir die für uns alle kostbare natürliche Umwelt erhalten und schützen können. Die Strategie „Vom Hof auf den Tisch“, die sich über die gesamte Lebensmittelkette erstreckt, wird unsere Landwirte dabei unterstützen, auf nachhaltigere Weise hochwertige, nahrhafte, erschwingliche und sichere Lebensmittel zu erzeugen.
Für die ehrgeizigen Ziele Europas und den grundlegenden Übergang, den es anstrebt, muss eine adäquate Finanzierung bereitgestellt werden. Dem nächsten langfristigen EU-Haushalt kommt eine Schlüsselrolle zu, wenn es darum geht, dort zu investieren, wo der Bedarf am größten ist, und dazu beizutragen, die privaten und öffentlichen Investitionen zu mobilisieren, die Europa braucht. Anfang dieses Jahres schlug die Kommission den Investitionsplan für den europäischen Grünen Deal vor‚ um für die nächsten zehn Jahre mindestens 1 Billion EUR an nachhaltigen Investitionen zu mobilisieren. Die InvestEU-Garantie wird dazu beitragen, indem sie das Risiko für private Investoren verringert. Um sicherzustellen, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit in unserem Finanzsystem durchgängig berücksichtigt wird, soll eine Neue Strategie für ein nachhaltiges Finanzwesen privates Kapital für umweltgerechte Investitionen erschließen. In diesem Kontext ist auch die Schaffung einer Kultur der nachhaltigen Unternehmensführung im Privatsektor wichtig.
Der Übergang zu einem klimaneutralen Kontinent wird nur gelingen, wenn er für alle fair und gerecht ist. Niemand darf zurückgelassen werden. Einige Regionen Europas und deren Wirtschaft stehen vor besonders großen Veränderungen. Die Europäische Union muss diese Regionen mit gezielten Finanzhilfen unterstützen, damit sie den Übergang bewältigen können. Der Mechanismus für einen gerechten Übergang und der dazugehörige Fonds für einen gerechten Übergang, die Anfang 2020 vorgeschlagen wurden, werden die am stärksten betroffenen Regionen unterstützen. Er wird ihnen dabei helfen, ihre Wirtschaft zu modernisieren und zu diversifizieren und die sozialen und wirtschaftlichen Kosten des Übergangs aufzufangen.
Wir alle sind gemeinsam dafür zuständig, den Klimawandel zu bekämpfen und unsere Umwelt zu schützen. Wir alle haben die Pflicht zu handeln, und die Europäerinnen und Europäer haben ihre Entschlossenheit unter Beweis gestellt, an diesem Übergang mitzuwirken. Der Europäische Klimapakt wird sämtliche Anstrengungen bündeln und Regionen, lokale Gemeinschaften, die Zivilgesellschaft, Schulen, die Industrie und Privatpersonen einbinden.
2.2.Ein Europa, das für das digitale Zeitalter gerüstet ist
Der digitale Wandel hat bereits erhebliche Auswirkungen auf alle Aspekte unseres Alltags und Arbeitslebens. Er eröffnet neue Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme und Kommunikation, zur Lösung gesellschaftlicher Probleme und für die Wirtschaft. Die Europäische Union verfügt über die Voraussetzungen, um aus diesem Wandel das Beste zu machen und im digitalen Bereich in Führung zu gehen. Sie muss bei den Technologien der Zukunft mit dem größten Potenzial eine Vorreiterrolle übernehmen und gleichzeitig sicherstellen, dass der europäische Ansatz menschlich, ethisch und wertebasiert ist.
Mit der neuen europäischen Datenstrategie können wir den enormen Wert nicht personenbezogener Daten, die eine immer umfangreichere und wiederverwendbare Ressource in der digitalen Wirtschaft sind, voll ausschöpfen. Die Kommission wird ferner ein Weißbuch über künstliche Intelligenz vorlegen, um deren Entwicklung und Nutzung zu unterstützen und die uneingeschränkte Achtung der europäischen Werte und Grundrechte sicherzustellen. Wenn wir künstliche Intelligenz optimal nutzen, können wir neue Lösungen für alte Probleme finden und eine Vielzahl verschiedener Arbeitsabläufe beschleunigen. Wir müssen aber ein vertrauenswürdiges Ökosystem schaffen, das sich innerhalb klar definierter ethischer Grenzen entwickelt.
Ein neues Gesetz über digitale Dienstleistungen wird den Binnenmarkt für digitale Dienstleistungen stärken und kleineren Unternehmen zu Rechtsklarheit und gleichen Wettbewerbsbedingungen verhelfen. Im Mittelpunkt unserer Bemühungen wird der Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie ihrer Rechte und der Freiheit der Meinungsäußerung stehen.
Digitalisierung und Cybersicherheit sind zwei Seiten derselben Medaille. Um die Cybersicherheit in der Union weiter zu erhöhen, wird die Kommission die Richtlinie über die Sicherheit von Netz- und Informationssystemen überarbeiten. Ferner werden wir Initiativen vorschlagen, um das digitale Finanzwesen besser gegen Cyberangriffe zu rüsten. Dazu wird auch ein Vorschlag über Kryptoanlagen zählen.
Im Interesse der führenden Rolle und strategischen Autonomie Europas im digitalen Bereich müssen unsere Industrie- und Innovationskapazitäten gestärkt werden. Zu diesem Zweck wird die Kommission eine umfassende neue Industriestrategie für Europa vorschlagen, die den ökologischen und den digitalen Wandel unterstützt und für fairen Wettbewerb sorgt. Hinzu kommt noch eine KMU-Strategie‚ die kleinen und mittleren Unternehmen die Wirtschaftstätigkeit erleichtern und ihnen helfen wird, zu wachsen und zu expandieren. Dem Medien- und dem AV-Sektor wird besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden.
Für ein besseres Funktionieren der Märkte zum Vorteil von Verbrauchern, Unternehmen und Gesellschaft zu sorgen, wird ganz wesentlich dazu beitragen, Europa für das digitale Zeitalter zu rüsten. Wir kommen nur dann in den Genuss der Vorteile unseres einzigartigen Binnenmarkts, wenn die Regeln überall eingehalten werden. Die Kommission wird daher über die Hindernisse im Binnenmarkt berichten und einen Aktionsplan zur Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften vorschlagen‚ um eine bessere Um- und Durchsetzung zu gewährleisten. Wir müssen auch für fairen Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen auf dem Weltmarkt sorgen. In einem Weißbuch über ein Instrument gegen ausländische Subventionen werden Überlegungen zu möglichen neuen Instrumenten angestellt, mit denen die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen ausländischer Subventionen im Binnenmarkt angegangen werden können. Dies wird den Weg für einen Gesetzgebungsvorschlag im Jahr 2021 ebnen.
Dienstleistungen, die über Online-Plattformen angeboten werden, haben neue Möglichkeiten für das Arbeitsleben eröffnet wie z. B. flexible Arbeitszeiten. Allerdings wächst auch die Unsicherheit, und es stellen sich einige Fragen im Zusammenhang mit der Plattformarbeit, z. B. was den Beschäftigungsstatus, die Arbeitsbedingungen, den Zugang zum Sozialschutz und den Zugang zu Arbeitnehmervertretung und Tarifverhandlungen angeht. Nächstes Jahr werden wir daher Wege zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformarbeitern vorschlagen.
Investitionen in digitale Kompetenzen werden entscheidend dazu beitragen, dem zunehmenden Fachkräftemangel abzuhelfen und dem neuen Arbeitsalltag zu begegnen sowie in Europa wieder Herr und Meister von Schlüsseltechnologien zu werden. Dies und die Verbesserung der digitalen Grundkompetenzen werden das Hauptmotiv der Aktualisierung des Aktionsplans für digitale Bildung sein. In einer Mitteilung über die Zukunft von Forschung und Innovation und den Europäischen Forschungsraum wird untersucht, wie wir unsere Ressourcen besser bündeln und unsere Forschungs-, Innovations- und Wissenskapazitäten ausbauen können.
2.3.Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen
Die europäische Wirtschaft wächst nun im siebten Jahr in Folge und wird diesen Kurs auch in diesem und im nächsten Jahr halten. Die Beschäftigung befindet sich auf einem Rekordhoch, die Arbeitslosigkeit auf dem niedrigsten Stand seit der Jahrhundertwende. Allerdings sind Arbeitslosigkeit und Armut in einigen Mitgliedstaaten nach wie vor zu hoch. Ungleichheiten bestehen fort, und die regionalen Unterschiede innerhalb der Länder haben zugenommen. Insbesondere der weltweite Konjunkturrückgang lässt Wolken am Horizont aufziehen. Für uns bedeutet das erhebliche Herausforderungen, die wir bewältigen müssen.
Europa verfügt über eine einzigartige soziale Marktwirtschaft, die es uns ermöglicht, soziale Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftswachstum miteinander zu verbinden. Dies hilft uns dabei, unsere wettbewerbsfähige Nachhaltigkeit weiter zu verbessern. Für die beiden Übergänge, die wir derzeit in Angriff nehmen, wird die Verknüpfung von Sozialem und Markt wichtiger sein denn je. Die Kommission hat in ihrer Mitteilung „Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang“ den Startschuss für einen Dialog- und Konsultationsprozess gegeben, der den Weg für einen Aktionsplan zur Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte ebnen soll.
Parallel dazu wird die Kommission in Absprache mit den Sozialpartnern und allen einschlägigen Interessenträgern ein Rechtsinstrument für gerechte Mindestlöhne für Arbeitnehmer in der EU vorschlagen und dabei sowohl nationalen Traditionen als auch Tarifverhandlungen Rechnung tragen. Der geplante Vorschlag für eine europäische Arbeitslosenrückversicherung soll dem Ziel dienen, Erwerbstätige zu unterstützen und Personen, die ihren Arbeitsplatz aufgrund externer Schocks verloren haben, zu schützen. Die Förderung von Umschulungsmaßnahmen wird dabei eine besonders wichtige Rolle spielen.
Die neue europäische Kindergarantie‚ die im nächsten Jahr vorgestellt werden soll, wird ein wichtiges Instrument zur Bekämpfung der Armut sein und soll gewährleisten, dass Kinder Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen erhalten. Um jungen Menschen beim Zugang zu den benötigten Bildungs-, Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten zu helfen, wird die Kommission die Jugendgarantie stärken.
Seit der jüngsten Finanzkrise haben wir deutliche Fortschritte bei der Stärkung sowohl des einheitlichen Währungsraums als auch der Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erzielt. Damit sind wir aber noch nicht am Ende des Weges. Die Kommission wird den Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung prüfen und darlegen, wie gut die Haushaltsvorschriften in den vergangenen Jahren insgesamt funktioniert haben. Bei dieser Überprüfung werden auch Mitgliedstaaten und andere Interessenträger in einer breit angelegten Konsultation kontaktiert, um zu sondieren, wie der Rahmen für die wirtschaftspolitische Steuerung in der EU verbessert werden kann.
Die Kommission wird weiterhin sorgfältig beobachten, wie gut Bulgarien und Kroatien ihre politischen Verpflichtungen im Hinblick auf den Beitritt zum Wechselkursmechanismus, einem entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Einführung des Euro, umsetzen.
Der Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion zielt darauf ab, die nationalen Kapitalmärkte besser zu integrieren und Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen in der gesamten EU gleichberechtigten Zugang zu Investitionen und Finanzierungsmöglichkeiten zu verschaffen. Zudem soll der Schutz bei Investitionen innerhalb der EU verbessert werden. Diese Arbeiten helfen nicht nur bei der Vollendung der Bankenunion, sondern werden nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs weiter an Bedeutung gewinnen und ganz entscheidend zur Stärkung der internationalen Rolle des Euro beitragen.
Um die Integrität des europäischen Finanzsystems zu gewährleisten und das Risiko von Instabilitäten zu verringern, sollen durch einen neuen Aktionsplan zur Bekämpfung der Geldwäsche das Aufsichtssystem und die Durchsetzung der Vorschriften verbessert werden.
Technologischer Wandel und Globalisierung haben neue Geschäftsmodelle ermöglicht. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, bedeutet aber auch, dass der internationale Rahmen für die Unternehmensbesteuerung mit den Entwicklungen Schritt halten muss. Die Kommission wird eine Mitteilung zur Unternehmensbesteuerung im 21. Jahrhundert vorlegen‚ in deren Mittelpunkt steuerliche Aspekte mit Relevanz für den Binnenmarkt stehen werden. Diese wird durch einen Aktionsplan zur Bekämpfung von Steuerbetrug ergänzt und wird die Besteuerung vereinfachen.
Die Kommission wird einen Aktionsplan für die Zollunion verabschieden, dessen Schwerpunkt auf drei Säulen liegen wird: Schutz der Grenzen, Förderung der Einhaltung der Vorschriften und Verbesserung der Governance in der Zollunion. Die Kommission wird ferner einen Legislativvorschlag zur Schaffung einer einzigen Anlaufstelle für Zollbehörden („Single Window“) verabschieden, um den Schutz der Grenzen zu stärken und die Verwaltungsverfahren für Unternehmen zu vereinfachen.
2.4.Ein stärkeres Europa in der Welt
Das regelbasierte multilaterale System ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs Garant für Frieden und Stabilität. Auch wenn dieses System in den letzten Jahren in Frage gestellt wird wie nie zuvor, wird sich Europa stets dafür einsetzen, die regelbasierte Weltordnung aufrechtzuerhalten, an neue Entwicklungen anzupassen und zu modernisieren, um so sicherzustellen, dass sie den Ansprüchen der heutigen Welt gerecht wird. Gleichzeitig muss Europa die Art und Weise, wie es denkt und handelt, stärker geopolitisch ausrichten, muss geeinter und effektiver sein. Es muss in Bündnisse und Koalitionen investieren, um seinen Werten mehr Gewicht zu verleihen und seine Interessen durch einen offenen und fairen Handel zu fördern und zu schützen. Dazu müssen wir auch unsere Innenpolitik und unsere Außenpolitik stärker aufeinander abstimmen.
Die europäische Diplomatie wird auf allen Kontinenten weiterhin eine entscheidende Rolle spielen und uns helfen, mit unseren Partnern sowohl auf bilateraler Ebene als auch im multilateralen Rahmen zusammenzuarbeiten. Dabei ist auch die Kommission gefordert, die ihren Auftrag in vollem Umfang wahrnehmen und im Rahmen ihrer Zuständigkeiten und Mandate einschlägige Vereinbarungen aushandeln wird.
Ein stärkeres Europa in der Welt bedeutet, dass wir Hand in Hand mit unseren Nachbarn und Partnern arbeiten. Deshalb werden die Kommission und der Hohe Vertreter eine neue umfassende Strategie für Afrika ausarbeiten, um die Wirtschaftsbeziehungen zu fördern, Arbeitsplätze auf beiden Kontinenten zu schaffen und unsere Partnerschaft in allen Bereichen zu vertiefen. Parallel dazu wird sich die Kommission darum bemühen, die Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und den Ländern Afrikas, der Karibik und des Pazifischen Ozeans‚ das das Ende Februar 2020 auslaufende Cotonou-Abkommen ersetzen soll, zum Abschluss zu bringen.
In der näheren Nachbarschaft will die Europäische Union ihre Partnerschaft mit den westlichen Balkanstaaten – einer Region, mit der sie so vieles gemein hat – weiter vertiefen. Eine glaubwürdige Beitrittsperspektive für die Region ist von enormer strategischer Bedeutung für die Union und die Region selbst, wie die Kommission in ihrem Beitrag zum Gipfeltreffen EU-Westbalkan im Mai 2020 in Zagreb bekräftigen wird. Die Kommission wird weiterhin auf die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien drängen und versuchen, das derzeitige Momentum zu bewahren, indem sie Wege zur Verbesserung des Beitrittsprozesses vorschlägt, die unter anderem durch Anpassung des Erweiterungsverfahrens und eine Stärkung des Investitionsrahmens herbeigeführt werden könnte.
Europa hat eine starke Partnerschaft mit seinen östlichen Nachbarn aufgebaut und einen gemeinsamen Raum der Demokratie, des Wohlstands, der Stabilität und der verstärkten Zusammenarbeit geschaffen. Um die Dynamik dieser wichtigen Beziehungen aufrechtzuerhalten und weiter zu stärken, werden wir eine neue Östliche Partnerschaft für die Zeit nach 2020 vorschlagen und in diesem Rahmen neue langfristige politische Ziele setzen.
Die Europäische Union ist der Überzeugung, dass ein freier, fairer und offener Handel nur mit einer starken, handlungsfähigen Welthandelsorganisation (WTO) funktionieren kann. Die Kommission möchte sich an die Spitze der internationalen Bemühungen setzen und zusammen mit Partnern an einer Reform der WTO arbeiten. Wir werden noch nachdrücklicher faire, wirksame und durchsetzbare Regeln fordern, die gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle Handelspartner schaffen. Die Kommission beabsichtigt daher, im Anschluss an die nächste WTO-Ministerkonferenz im Juni 2020 eine umfassende Initiative zur WTO-Reform anzustoßen, um eine weitgehende Einigung möglich zu machen.
Wir werden uns auch in einer Mitteilung über die Stärkung der wirtschaftlichen und finanziellen Souveränität Europas für eine regelbasierte Weltordnung einsetzen. Damit wird – auf der Grundlage der stärkeren internationalen Rolle des Euro – der Weg für eine Stärkung des Sanktionsmechanismus im nächsten Jahr bereitet, um sicherzustellen, dass Europa seine Widerstandsfähigkeit gegen extraterritoriale Sanktionen von Drittländern erhöht und dass von der EU verhängte Sanktionen ordnungsgemäß durchgesetzt werden.
Die Kommission wird in enger Zusammenarbeit mit dem Rat einen Aktionsplan für Menschenrechte und Demokratie erarbeiten, in dessen Mittelpunkt die führende Rolle der EU bei der Festlegung von Standards im Bereich der Menschenrechte stehen wird. Darüber hinaus wird die Kommission einen Aktionsplan zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Stärkung der Frauenrechte durch das auswärtige Handeln der EU vorlegen.
2.5.Förderung unserer europäischen Lebensweise
Unsere europäische Lebensweise gründet sich auf die Werte Solidarität, Gleichheit und Fairness. Es geht um ein Europa, in dem sich die Menschen sicher fühlen und in Frieden leben, das die Schwächsten in unserer Gesellschaft unterstützt und Inklusion fördert. Um ein Europa, in dem wir miteinander Lösungen für gemeinsame Herausforderungen finden, Menschen mit den erforderlichen Kompetenzen ausstatten und in die Gesundheit und das Wohlergehen unserer Bürgerinnen und Bürger investieren. Es geht um stärkere, inklusivere und widerstandsfähigere europäische Gesellschaften, die von einem größeren Zusammenhalt geprägt sind.
Die Europäische Union spielt auch bei der Gesundheitsfürsorge eine wichtige Rolle. Wir wollen, dass Europa beim Kampf gegen den Krebs die Federführung übernimmt. Daher wird die Kommission einen europäischen Plan zur Krebsbekämpfung vorlegen, um die Mitgliedstaaten bei der Krebsvorbeugung und -behandlung zu unterstützen. Ferner wird die Kommission eine Arzneimittelstrategie für Europa auf den Weg bringen, um weiterhin die Qualität und Sicherheit von Arzneimitteln sicherzustellen und die globale Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu festigen. Europa sollte auch dafür sorgen, dass alle Patienten von Innovationen profitieren können, und es sollte dem Druck der steigenden Arzneimittelkosten standhalten.
Die Förderung von Kompetenzen, Bildung und Inklusion ist ebenfalls Ausdruck unserer europäischen Lebensweise. Sie ermöglicht es den Bürgern, die richtigen Instrumente zu nutzen und sich das erforderliche Wissen anzueignen, um den doppelten Wandel aktiv und erfolgreich mitzugestalten. Die Kommission ist fest entschlossen, den europäischen Bildungsraum bis 2025 zu verwirklichen. Dafür benötigen wir einen Ansatz, der alle Altersklassen – von der frühen Kindheit bis zum Erwachsenenalter – einbezieht. Wir werden eine neue europäische Agenda für Kompetenzen vorlegen‚ um Qualifikationsdefizite zu ermitteln und zu beseitigen, und entsprechende Umschulungsmaßnahmen unterstützen. Außerdem werden wir einen neuen Aktionsplan für Integration und Inklusion vorlegen, um sicherzustellen‚ dass die Schwächsten in unserer Gesellschaft geschützt werden.
Ein Leben in Sicherheit und Frieden ist für die Europäer ein zentrales Anliegen. An erster Stelle steht dabei der Schutz unserer Kinder. Daher wird die Kommission eine EU-Strategie für eine wirksamere Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorlegen.
In den letzten Jahren sind neue, zunehmend komplexe grenz- und bereichsübergreifende Sicherheitsbedrohungen entstanden, die uns vor Augen führen, wie wichtig beim Thema Sicherheit eine engere Zusammenarbeit auf allen Ebenen ist. Die Kommission wird daher eine neue EU-Strategie für die Sicherheitsunion vorlegen, in der sie aufzeigt, in welchen Bereichen die Union die Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Sicherheit sinnvoll unterstützen und einen Mehrwert erbringen kann – von der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität über die Verhütung und Aufdeckung hybrider Bedrohungen bis hin zur Cybersicherheit und Stärkung der Widerstandsfähigkeit unserer kritischen Infrastrukturen. Außerdem wird die Kommission das Mandat von Europol ausbauen, um die operative polizeiliche Zusammenarbeit zu verstärken.
Seit Festlegung der Europäischen Migrationsagenda im Jahr 2015 hat die EU in den Bereichen Migration und Grenzen große Fortschritte erzielt. Um das Thema mit neuen Impulsen voranzubringen, wird die Kommission einen neuen Migrations- und Asylpakt ausarbeiten. Geplant ist ein Gesamtkonzept, das der Tatsache Rechnung trägt, dass die internen und externen Aspekte der Migration untrennbar miteinander verbunden sind. Die Reform der gemeinsamen europäischen Asylpolitik wird ein zentraler Teil dieses umfassenden Konzepts sein. Die Kommission wird ein robusteres, humaneres und wirksameres Migrations- und Asylsystem schaffen, das auch das Vertrauen in den Schengen-Raum mit freiem Personenverkehr stärken wird.
2.6.Neuer Schwung für die Demokratie in Europa
Für die Wahrung einer starken und lebendigen Demokratie in Europa sind Legitimität und Vertrauen von zentraler Bedeutung. Demokratie zählt neben den Grundrechten und der Rechtsstaatlichkeit zu den Grundwerten unserer Union. Die Demokratie in Europa steht jedoch vor zahlreichen Herausforderungen und Bedrohungen – sowohl von außen als auch von innen.
Die Kommission wird daher einen Europäischen Aktionsplan für Demokratie vorlegen, um die Resilienz unserer Demokratien zu stärken und bei den Europawahlen eine mögliche Einflussnahme von außen zu verhindern. Ziel ist es, gegen Desinformation vorzugehen, auf sich verändernde Bedrohungen und Manipulationen reagieren zu können sowie freie und unabhängige Medien zu unterstützen.
Um unsere Demokratie weiter zu stärken, werden Bürgerinnen und Bürger, EU-Organe sowie nationale, regionale und lokale Politiker auf der Konferenz über die Zukunft Europas zusammenkommen, um diese Aspekte gemeinsam zu erörtern. Die Kommission hat bereits im Januar ihre Vorstellungen unterbreitet, um mit dem Europäischen Parlament und dem Rat eine rasche Einigung über Umfang, Format und Ziele der Konferenz zu erreichen.
Zu den Stärken unserer Demokratie zählt auch unsere Entschlossenheit, Recht und Rechtsstaatlichkeit zu wahren. Diese Werte gilt es kontinuierlich zu schützen. Im Rahmen des neuen Rechtsstaatlichkeitsmechanismus wird die Kommission ihren ersten jährlichen Bericht über die Rechtsstaatlichkeit ausarbeiten, in dem auf alle Mitgliedstaaten eingegangen wird. Dies wird dazu beitragen, die Rechtsstaatlichkeitskultur in der EU zu stärken. Ferner wird die Kommission eine neue Strategie zur Umsetzung der Charta der Grundrechte vorlegen, deren Schwerpunkt auf der Sensibilisierung auf nationaler Ebene liegt.
Gleichheit ist ein Grundwert der Europäischen Union und ein Motor für Wirtschaftswachstum und soziales Wohlergehen. Die Kommission wird eine Gleichstellungsstrategie vorlegen, um die wichtigsten Herausforderungen und Probleme anzugehen, mit denen Frauen heute konfrontiert sind, darunter geschlechtsspezifische Gewalt, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Zugang zum Arbeitsmarkt. In diesem Zusammenhang werden auch Vorschläge zum Thema Lohntransparenz vorgelegt.
Ferner wird die Kommission Maßnahmen für die Gleichstellung und bessere Integration der Roma ergreifen. Sie wird eine Strategie ausarbeiten, um EU-weit die Gleichstellung von LGBTI-Personen sicherzustellen. Dem Schutz der Schwächsten müssen wir stets unser besonderes Augenmerk widmen. Daher wird Kommission eine EU-Opferschutzstrategie vorlegen.
Darüber hinaus wird die Kommission einen Bericht über die Auswirkungen des demografischen Wandels vorlegen, damit wir die Veränderungen besser verstehen und darauf reagieren können. Untersucht werden die Auswirkungen der neuen demografischen Gegebenheiten in allen Bereichen: von Sozial- und Regionalpolitik über Gesundheit bis hin zu Finanzen, digitaler Vernetzung, Kompetenzen und Integration. Die Kommission wird ferner eine langfristige Vision für ländliche Gebiete sowie ein Grünbuch zum Thema Altern vorschlagen.
Die neue Verbraucheragenda der Kommission wird dafür sorgen, dass der Verbraucherschutz den aktuellen Entwicklungen Rechnung trägt, insbesondere was den grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr und Online-Transaktionen anbelangt. Sie wird es den Verbrauchern ermöglichen, fundierte Entscheidungen zu treffen und den ökologischen und digitalen Wandel aktiv mitzugestalten.
3.Überprüfung der in vorherigen Amtsperioden der Kommission vorgeschlagenen Initiativen, über die das Europäische Parlament und der Rat noch keine Einigung erzielt haben
Um sicherzustellen, dass unsere Bemühungen darauf ausgerichtet sind, bei den Hauptprioritäten, die wir für diese Amtsperiode festgelegt haben, Fortschritte zu erzielen, hat die Kommission alle Vorschläge, die vom Europäischen Parlament und vom Rat noch nicht angenommen wurden, sorgfältig geprüft, um zu bewerten, ob sie beibehalten, geändert oder zurückgezogen werden sollten. Dabei hat die Kommission geprüft, ob die anhängigen Vorschläge unseren übergreifende Zielen entsprechen, ob sie nach wie vor geeignet sind, die derzeitigen Herausforderungen zu bewältigen, ob sie erfolgreich umgesetzt werden können und ob es realistisch ist, dass sie in naher Zukunft angenommen werden. Ferner haben wir die Standpunkte des Parlaments und des Rates sorgfältig geprüft.
Nach dieser eingehenden Analyse der Legislativvorschläge, über die eine Einigung mit dem Parlament und dem Rat derzeit noch aussteht, gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass 32 davon zurückgezogen werden sollten.
Die Kommission ist aber nach wie vor fest entschlossen, die Hauptziele zu erreichen, die vielen der Vorschläge, die momentan möglicherweise nicht weiterverfolgt werden sollen, zugrunde liegen. Die Fortschritte bei diesen Dossiers erfordern jedoch, etwas Abstand zu gewinnen, um darüber nachzudenken, wie ihre Ziele am effizientesten erreicht werden können.
Alle Vorschläge, die die Kommission zurückzuziehen beabsichtigt, sowie eine Erläuterung der Gründe für die Rücknahme, sind in Anhang IV aufgeführt.
Bevor die Kommission die Vorschläge tatsächlich zurückzieht, wird sie das Europäische Parlament und den Rat zu der vorgeschlagenen Liste konsultieren. Unter den weiteren noch anhängigen Initiativen hat die Kommission diejenigen Gesetzgebungsinitiativen ermittelt, denen im Jahr 2020 im Gesetzgebungsverfahren vorrangige Aufmerksamkeit gewidmet werden sollte; diese sind in Anhang III aufgeführt.
4.Bessere Rechtsetzung, Umsetzung der Politikgestaltung und Durchsetzung des EU-Rechts
Die Kommission hat eine ehrgeizige Agenda vorgelegt, um in Partnerschaft mit anderen EU-Organen, Mitgliedstaaten, Regionen und Akteuren der Zivilgesellschaft in die Menschen in Europa, den Planeten und die Wirtschaft zu investieren. Eine bessere Rechtsetzung wird auch weiterhin im Mittelpunkt unserer Politikgestaltung stehen. Die aktuelle Kommission ist entschlossen, politische Maßnahmen auszuarbeiten und umzusetzen, die vor Ort konkrete Ergebnisse liefern und Menschen und Unternehmen das Leben erleichtern. Entsprechend der im Rahmen des Europäischen Grünen Deals eingegangenen Verpflichtung werden alle Initiativen mit dem grünen Gebot „Verursache keine Schäden“ vereinbar sein.
Im Rahmen der kontinuierlichen Bemühungen zur Verbesserung der Politikgestaltung wird die Kommission ihre erste Vorausschau ausarbeiten. In dem Bericht werden die wichtigsten Trends und ihre potenziellen politischen Auswirkungen dargelegt. Er wird dazu beitragen, die öffentliche Debatte über langfristige strategische Fragen anzuregen und Empfehlungen enthalten, die uns dabei helfen sollen, die Ziele zu erreichen, die Europa sich selbst gesetzt hat. Ferner wird die Kommission eine Mitteilung über bessere Rechtsetzung vorlegen und sich bemühen, Erkenntnisse aus Evaluierungen stärker zu berücksichtigen, eine Vorausschau in ihre Regulierungsinstrumente zu integrieren, das Konzept der „aktiven“ Subsidiarität anzuwenden und effizientere Bürgerkonsultationen zu entwickeln.
Des Weiteren wird die Kommission ein neues Instrument auf der Grundlage des Konzepts „One In, One Out“ entwickeln, um sicherzustellen, dass nur dann neue Verwaltungslasten eingeführt werden, wenn gleichzeitig Menschen und Unternehmen – insbesondere KMU – auf EU-Ebene in demselben Politikbereich von gleichwertigen Verwaltungskosten befreit werden. Diese Vorgehensweise wird weder zu einer Senkung unserer sozialen und ökologischen Standards führen noch rein mechanisch umgesetzt werden. Ihr Zweck besteht vielmehr darin sicherzustellen, dass die EU-Rechtsvorschriften den Endnutzern zugutekommen, ohne dass den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Unternehmen, insbesondere den KMU, unnötige Belastungen auferlegt werden. Damit dies gelingt, müssen wir die EU-Rechtsvorschriften aus der Nutzerperspektive ausarbeiten und den Grundsatz „standardmäßig digital“ durchgehend anwenden.
Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands werden auf einer engen Zusammenarbeit mit den beiden gesetzgebenden Organen, den Mitgliedstaaten, den Regionen und den lokalen Behörden beruhen. Um ihrer Verpflichtung nachzukommen, Unternehmen und Menschen größtmöglichen Nutzen zu bringen und gleichzeitig unnötige Belastungen zu vermeiden, wird die Kommission die Plattform „Fit-for-future“ einrichten. Auf dieser Plattform wird das Fachwissen von nationalen Verwaltungen, Regionen, Sozialpartnern, kleinen und großen Unternehmen sowie Verbraucher-, Gesundheits- und Umweltorganisationen und anderen NRO zusammengeführt. Die Plattform wird prüfen, welche Möglichkeiten es für Vereinfachungen, Verringerungen des Verwaltungsaufwands und Digitalisierung gibt und ob die Rechtsvorschriften für die Zukunft geeignet sind.
Rechtsvorschriften können nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie einheitlich umgesetzt werden. Daher wird die Kommission die Umsetzung und Anwendung der bestehenden Rechtsvorschriften weiterhin genau überwachen. Sie wird den Dialog mit den Mitgliedstaaten suchen, um Probleme besser zu verstehen, Lösungen zu finden und letztlich Zeit und Steuergelder zu sparen. In Fällen, in denen der Dialog nicht zu Ergebnissen führt, wird die Kommission bei Bedarf nicht zögern, entschlossene und wirksame Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen.
5.Fazit
In diesem Arbeitsprogramm und im ersten Jahr dieser Amtsperiode werden die Vision, die Richtung und das Tempo für die nächsten fünf Jahre vorgegeben. Die ersten 100 Tage werden entscheidend sein – als Absichtserklärung gegenüber den Europäerinnen und Europäern, dass ihre Union den bei den Wahlen im vergangenen Jahr formulierten Ambitionen und Forderungen nachkommen wird.
Bei jeder der in diesem Arbeitsprogramm aufgeführten Initiativen geht es letztlich darum, den Menschen in Europa zu dienen. Sie sollen das Leben erleichtern und gesünder machen, die Gesellschaften gerechter gestalten, vielfältigere und zugänglichere Möglichkeiten schaffen und die Volkswirtschaften modernisieren und auf umfassendere Ziele ausrichten. Sie können unserer Union aber nur dann auf diese Weise dienen, wenn die Mitgliedstaaten und die Organe der Europäischen Union an einem Strang ziehen, um Vorschläge in Rechtsvorschriften und schließlich in konkrete Ergebnisse vor Ort umzuwandeln. Die Kommission ist fest entschlossen, partnerschaftlich mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zusammenzuarbeiten, um dies zu erreichen.
Bei der Umsetzung dieses Arbeitsprogramms wird sich die Kommission auch darauf konzentrieren, zu erklären, was wir tun, und die Ansichten der Bürger zu berücksichtigen, unter anderem im Rahmen der Konferenz über die Zukunft Europas. Zusammen mit unserer Arbeit im Bereich der Vorausschau wird dies ein wichtiger Bestandteil der Entscheidungen über künftige Prioritäten, Strategien und Arbeitsprogramme sein.
Indem wir alle Stärken Europas nutzen, die Verbindung zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und denjenigen, die ihnen dienen, stärken und dafür sorgen, dass unsere Institutionen zusammenarbeiten, können wir gemeinsam die Chancen nutzen, die sich uns in den nächsten fünf Jahren und darüber hinaus bieten. Wir wollen in Europa mehr erreichen, um in der Welt eine Führungsrolle einzunehmen.