29.4.2020   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 141/20


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Erweiterungspaket 2019

(2020/C 141/05)

Berichterstatter:

Jaroslav HLINKA (SK/SPE), Bürgermeister von Košice-Süd

Referenzdokumente:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Mitteilung 2019 zur Erweiterungspolitik der EU

COM(2019) 260 final; SWD(2019) 215 final; SWD(2019) 216 final; SWD(2019) 217 final; SWD(2019) 218 final; SWD(2019) 219 final; SWD(2019) 220 final

POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

Allgemeine Bemerkungen

1.

nimmt mit großem Interesse die von der Europäischen Kommission vorgelegte Mitteilung 2019 zur Erweiterungspolitik der EU, ihre Länderberichte über die Bewerberländer Albanien, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien und Türkei, einen Bericht über das Kosovo (*1) sowie parallel dazu die Stellungnahme zum Antrag von Bosnien und Herzegowina auf Beitritt zur Europäischen Union zur Kenntnis;

2.

unterstützt voll und ganz die Ansicht der Europäischen Kommission, dass die Erweiterung als geostrategische Investition in den Frieden, die Stabilität, die Sicherheit und das Wirtschaftswachstum in ganz Europa im eigenen politischen, sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interesse der EU liegt;

3.

begrüßt, dass die Staats- und Regierungschefs im Mai 2018 auf dem Gipfel EU-Westbalkan in Sofia ihre uneingeschränkte Unterstützung für die europäische Perspektive des Westbalkans bekräftigten, während die Westbalkan-Partner ihrerseits bestätigten, dass sie der europäischen Perspektive als ihrer festen strategischen Entscheidung verpflichtet bleiben;

4.

begrüßt, dass der Vorschlag der Europäischen Kommission für das Instrument für Heranführungshilfe (IPA III) im mehrjährigen Finanzrahmen 2021–2027 unter Schwerpunktsetzung auf zentrale Prioritäten auf eine strategischere und dynamischere Bereitstellung der Hilfe ausgerichtet ist;

5.

fordert die Kommission in diesem Zusammenhang auf, die Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen der Bewerberländer und möglichen Bewerberländer fortzusetzen, um spezifische Instrumente für den Aufbau der Kapazitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Westbalkan zu entwickeln, damit auf die zugewiesenen Mittel effektiv zugegriffen werden kann und im Rahmen der Ausarbeitung und Umsetzung von Projekten, die von der EU gefördert werden, strukturelle Kapazitätsmängel bei Ko- und Vorfinanzierung behoben werden;

6.

bekräftigt, dass in den Ländern des Westbalkans wirksame Reformen der öffentlichen Verwaltung, einschließlich einer fiskalischen Dezentralisierung, von entscheidender Bedeutung sowohl für die Verbesserung der lokalen Governance sind als auch für die Stärkung der Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Entwicklung und Erbringung hochwertiger Dienstleistungen mit den Bürgerinnen und Bürgern und für die Bürgerinnen und Bürger, für ihre Einbeziehung in die regionale Zusammenarbeit und für gutnachbarliche Beziehungen sowie für die Verwirklichung einer ehrgeizigen europäischen und globalen Agenda für die nachhaltige Entwicklung und den Klimawandel;

Länderspezifische Bemerkungen

7.

begrüßt das historische Prespa-Abkommen, das Nordmazedonien und Griechenland im Juni 2018 geschlossen haben und mit dem ein 27-jähriger Namensstreit beigelegt wird;

8.

begrüßt die Reaktion des Rates auf die Fortschritte Albaniens und Nordmazedoniens in den Bereichen, die in den Schlussfolgerungen des Rates vom Juni 2018 einstimmig vereinbart worden waren, und begrüßt des Weiteren, dass der Rat den Weg für die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen mit diesen beiden Ländern vorgezeichnet hat;

9.

bedauert, dass die Kommunalwahlen in Albanien im Juni 2019 durch den Boykott der Opposition und die niedrige Wahlbeteiligung gekennzeichnet waren; wiederholt, dass der Erweiterungsprozess leistungsbezogen und an Bedingungen wie an die Achtung demokratischer Grundsätze und die sonstigen Kopenhagener Kriterien geknüpft ist;

10.

sieht mit großer Besorgnis, dass weitere Beschlüsse des Rates zu Albanien und Nordmazedonien zunächst von Juni auf Oktober 2019 vertagt wurden, und ist nunmehr zutiefst enttäuscht vom Beschluss des Europäischen Rates vom Oktober 2019, den Beginn der EU-Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Nordmazedonien abermals zu vertagen, obwohl beide Länder ein kontinuierliches Engagement auf dem europäischen Pfad vorzuweisen haben; bedauert außerdem, dass dieser Beschluss nicht auf Grundlage einer individuellen Beurteilung der Fortschritte jedes einzelnen Landes gefasst wurde, und warnt davor, dass das Ausbleiben eines positiven Signals an die beiden Bewerberländer negative Auswirkungen auf lokaler und regionaler Ebene haben könnte; empfiehlt dem Rat außerdem, für diese Frage noch vor dem Gipfeltreffen EU-Westbalkan im Mai 2020 in Zagreb eine gute Lösung zu finden;

11.

unterstützt die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 24. Oktober 2019 (1) zur Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien und ruft den Rat nachdrücklich auf, zu bedenken, dass eine glaubwürdige EU-Erweiterungsstrategie eine Motivation bieten und auf den erreichten Zielen aufbauen muss, die zuvor von allen Parteien vereinbart worden waren, und dass sie allen beteiligten Ländern eine solide und realistische Perspektive bieten muss;

12.

befürchtet, dass sich die ausbleibenden Fortschritte bei der Erweiterung auch unmittelbar auf die Sicherheit und das Wohlergehen in der EU auswirken können, denn sie könnten den gesamten Westbalkan allmählich in die Arme Dritter treiben, die dort bereits versuchen, ihren Einfluss auszudehnen, darunter u. a. Russland und China;

13.

stellt mit Besorgnis fest, dass Serbien und Montenegro in wesentlichen Bereichen mit größerer Entschlossenheit handeln sollten, insbesondere mit Blick auf eine Depolarisierung des politischen Lebens, auch auf lokaler Ebene;

14.

fordert alle politischen Akteure und Regierungsebenen in Serbien, Montenegro und Bosnien und Herzegowina nachdrücklich dazu auf, bei der Umsetzung der vom Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte der OSZE gegebenen Empfehlungen zur Verbesserung des lokalen Wahlsystems eng und partnerschaftlich zusammenzuarbeiten und sich im Rahmen einer parteiübergreifenden Debatte ohne politischen Druck und Einschüchterung politischer Gegner an der Schaffung eines transparenten und inklusiven lokalen politischen Umfelds zu beteiligen;

15.

ruft die Europäische Kommission dazu auf, sich in den Beitrittsverhandlungen mit Serbien mit den Vorwürfen der Einschüchterung demokratisch gewählter Amtsträger aus Oppositionsparteien auseinanderzusetzen (dies betrifft insbesondere die Gemeinden Paraćin, Šabac und Čajetina);

16.

stellt fest, dass Bosnien und Herzegowina die Kopenhagener Kriterien noch nicht zur Genüge erfüllen, und stimmt zu, dass, sobald ein hinreichender Erfüllungsgrad erreicht ist, die Beitrittsverhandlungen aufgenommen werden sollten;

17.

bringt erneut seine tiefste Besorgnis und Betroffenheit darüber zum Ausdruck, dass Mostar die einzige Stadt in Bosnien und Herzegowina ist, in der seit 2008 keine Kommunalwahlen stattgefunden haben;

18.

ruft angesichts des Antrags von Bosnien und Herzegowina auf Mitgliedschaft in der EU insbesondere die führenden Kommunalpolitiker in Mostar und auf der Ebene der Föderation Bosnien und Herzegowina dazu auf, dieser beispiellosen Verletzung der in Artikel 3 der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung verankerten Grundsätze, die für alle Mitgliedstaaten des Europarats und damit auch für Bosnien und Herzegowina verbindlich sind, ein Ende zu setzen;

19.

weist darauf hin‚ dass ein weiterer Stillstand bei den Wahlen in Mostar einem Beitritt von Bosnien und Herzegowina zur EU faktisch entgegensteht, weil ab dem Beitritt ein Verstoß gegen Artikel 40 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union vorliegen würde, da Unionsbürgerinnen und Unionsbürger, die in dem Land ihren Wohnsitz haben, ihres aktiven und passiven Wahlrechts bei Kommunalwahlen beraubt wären;

20.

verweist darauf, dass die Europäische Kommission im Juli 2018 bestätigte, dass das Kosovo alle vom Rat gebilligten Benchmarks für die Visaliberalisierung erfüllt hat;

21.

begrüßt die im September 2018 und im März 2019 geäußerte und im neuen Mandatszeitraum im September 2019 vom Ausschuss für bürgerliche Freiheiten bekräftigte Unterstützung des Europäischen Parlaments für den Vorschlag der Europäischen Kommission zur Visaliberalisierung für die Inhaberinnen und Inhaber kosovarischer Pässe;

22.

fordert den Rat dazu auf, die Visaliberalisierung mit dem Kosovo, das nunmehr der einzige Staat des Westbalkans ist, dessen Bürgerinnen und Bürger für eine Reise in die EU noch ein Visum benötigen, zügig in Angriff zu nehmen;

23.

stellt mit Bedauern fest, dass in der Türkei eine fortdauernde erhebliche Verschlechterung der Situation bei den grundlegenden Menschenrechten sowie gravierende Rückschritte in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu beobachten sind; bedauert außerdem die durch das Inkrafttreten der Verfassungsänderungen verursachte Schwächung einer wirksamen Gewaltenteilung im politischen System;

24.

nimmt die Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ vom Juni 2018 zur Kenntnis, in denen festgestellt wird, dass die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei praktisch zum Stillstand gekommen sind, die Öffnung bzw. der Abschluss weiterer Kapitel nicht in Betracht gezogen und gegenwärtig keine weiteren Arbeiten zur Modernisierung der Zollunion vorgesehen werden können; bedauert, dass die Türkei entgegen den Bestimmungen des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen mit der EU die Republik Zypern nach wie vor nicht anerkennt; bekräftigt in diesem Zusammenhang außerdem seine früheren — ausführlich in seiner Stellungnahme zum Erweiterungspaket 2018 dargelegten — Bedenken und Empfehlungen in Bezug auf Zypern; bedauert außerdem, dass die Türkei noch nicht auf die wiederholten Aufforderungen der EU reagiert hat, ihre illegalen Tätigkeiten im östlichen Mittelmeer einzustellen, sondern die illegalen Bohrungen in den Hoheitsgewässern Zyperns fortsetzt; bekundet erneut die uneingeschränkte Solidarität mit Zypern in Bezug auf seine internationale Anerkennung sowie auf die Achtung seiner Souveränität und Hoheitsrechte im Einklang mit dem Völkerrecht;

25.

erinnert an die Bedeutung des Status von Varosia, der Gegenstand früherer Resolutionen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ist, darunter der Resolutionen 550 (1984) und 789 (1992); fordert erneut, dass nichts unternommen wird, was diesen Resolutionen zuwiderläuft;

26.

ist ernsthaft besorgt über die Rechtmäßigkeit und Integrität des Wahlprozesses in der Türkei, insbesondere die 2019 ergangene Entscheidung des Obersten Wahlrates der Türkei, die Bürgermeisterwahl in Istanbul wiederholen zu lassen; ist ebenfalls besorgt über die Amtsenthebung der demokratisch gewählten Bürgermeister von Diyarbakır, Mardin und Van, deren Ämter nun von ernannten Provinzgouverneuren geführt werden; verurteilt entschlossen weitere Repressionen gegen Kommunalratsmitglieder und -angestellte, die dem Geist und den Grundsätzen der Europäischen Charta der kommunalen Selbstverwaltung widersprechen;

27.

erkennt an, dass die Türkei in den Bereichen Migration und Flüchtlinge nach wie vor ein wichtiger Partner der EU ist, und bekräftigt seine Überzeugung, dass ein Teil der von der EU bereitgestellten Mittel für die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften vorgesehen werden sollte, die direkt an der Bewältigung der Migrationsströme von Vertriebenen und Flüchtlingen beteiligt sind. Das Rückübernahmeabkommen EU-Türkei sollte in vollem Umfang und wirksam gegenüber allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden, wobei die Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres mit allen EU-Mitgliedstaaten weiterhin entscheidend ist;

28.

fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in der EU auf, die Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in Bewerberländern und möglichen Bewerberländern weiter zu intensivieren, sie auf ihrem Weg zu einer vertieften europäischen Integration zu begleiten und ihre institutionellen und administrativen Kapazitäten auf regionaler und lokaler Ebene ebenso wie ihre Kapazitäten zur Verbreitung und Achtung der europäischen Werte und Grundsätze zu stärken;

29.

verweist in diesem Zusammenhang erneut auf die unersetzliche Rolle der nationalen Verbände lokaler und regionaler Gebietskörperschaften sowie des Netzes der Verbände lokaler Gebietskörperschaften Südosteuropas (NALAS), die die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung von Reformen der öffentlichen Verwaltung sowie beim Aufbau ihrer Kapazitäten zur besseren Erfüllung ihrer Zuständigkeiten und Erbringung lokaler öffentlicher Dienstleistungen unterstützen können;

Die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Erweiterungsprozess

30.

betont, dass die europäischen Grundsätze Subsidiarität, Verhältnismäßigkeit und Multi-Level-Governance auch für den Erweiterungsprozess der Europäischen Union gelten sollten;

31.

verweist darauf, dass eine inklusive und nachhaltige Erweiterung einer Beteiligung nachgeordneter Regierungs- und Verwaltungsebenen bedarf. Der Erfolg der Erweiterung der EU im Westbalkan hängt von der weiteren Unterstützung durch die Bürgerinnen und Bürger sowie dem Engagement lokaler und regionaler Gebietskörperschaften ab, damit im Rahmen einer Partnerschaft zwischen lokalen, regionalen, nationalen und europäischen Regierungs- und Verwaltungsebenen der beabsichtigte nachhaltige Effekt vor Ort erzielt wird;

32.

weist darauf hin, dass mehr als 60 % des Besitzstands der EU auf lokaler Ebene umgesetzt werden, wohingegen — im derzeitigen mehrjährigen Finanzrahmen — annähernd ein Drittel des Gesamthaushalts der EU für die Kohäsionspolitik vorgesehen ist, die auf alle Regionen und Städte in der Europäischen Union abzielt;

33.

unterstreicht die wichtige Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Erweiterungsprozess, nicht nur im Hinblick auf die politischen Kriterien, sondern auch als Motor des Wirtschaftswachstums und der nachhaltigen Entwicklung in ihrem Gebiet und als Erbringer hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen für ihre Bürgerinnen und Bürger;

34.

bekräftigt in diesem Zusammenhang, dass es ein entscheidender Faktor für die nachhaltige Umsetzung der Erweiterungsstrategie der EU für den Westbalkan sowie für eine erfolgreiche europäische Integration in der Zukunft ist, dass die nachgeordneten Regierungs- und Verwaltungsebenen zur Wahrnehmung dieser Rolle befähigt werden;

35.

begrüßt, dass die Europäische Kommission anerkannt hat, dass die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften zu berücksichtigen ist und dass zwischen der zentralen, regionalen und lokalen Verwaltungsebene ein angemessenes Gleichgewicht gefunden werden muss, das die Umsetzung von Reformen und die Erbringung von Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger bestmöglich unterstützt;

36.

drückt wie schon in seiner Stellungnahme zum Erweiterungspaket 2018 sein Bedauern darüber aus, dass spezifische Vorschläge für politische Maßnahmen in Bezug auf die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fehlen;

37.

fordert die Europäische Kommission auf, konkrete Strategien, Werkzeuge und Instrumente zur Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Westbalkan vorzuschlagen, um ihre Rolle als bürgernächste politische Ebene zu stärken;

38.

fordert die Europäische Kommission auf, ein praktisches Instrument zum Aufbau der Kapazitäten der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Westbalkanländer zu konzipieren, das die Harmonisierung ihrer lokalen und regionalen öffentlichen Politiken mit dem gemeinsamen Besitzstand unterstützt, und zwar mithilfe von gezielten Schulungen, Peer-to-Peer-Learning und dem Austausch bewährter Verfahren in der gesamten Region und mit den Partnern in der EU nach dem Vorbild der Fazilität für Kommunal- und Regionalverwaltungen, des Regionalausbildungsprogramms oder des Erasmus-Programms für lokale und regionale Vertreter;

39.

fordert die Kommission erneut nachdrücklich auf, das Programm zur Unterstützung der Verbesserung des Regierungs- und Verwaltungssystems (SIGMA) auf den subnationalen Verwaltungsebenen in den Bewerberländern und möglichen Bewerberländern auszuweiten, um dezentrale Modelle für Verwaltungsreformen festzulegen und die Verbesserung der lokalen Regierungsführung und der lokalen öffentlichen Verwaltung im Hinblick auf die Anwendung des gemeinsamen Besitzstands zu unterstützen;

40.

fordert die Europäische Kommission erneut dazu auf, entsprechende praktische Modalitäten einzuführen, damit TAIEX und Twinning für die Zusammenarbeit zwischen den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften der Mitgliedstaaten und der Bewerber- und möglichen Bewerberländer genutzt werden können;

41.

erklärt seine Bereitschaft, bei der praktischen Umsetzung und Nutzung dieser Instrumente auf lokaler und regionaler Ebene eng mit der neuen Europäischen Kommission und insbesondere mit dem für Nachbarschaft und Erweiterung zuständigen Kommissionsmitglied zusammenzuarbeiten;

Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte

42.

weist erneut darauf hin, dass die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien der entscheidende Faktor bleiben muss, um festzustellen, inwieweit Bewerberländer für eine Mitgliedschaft in der EU bereit sind, und unterstützt uneingeschränkt die Grundsätze einer fairen und strikten Konditionalität sowie das Prinzip „Wesentliches zuerst“;

43.

stellt mit großer Besorgnis fest, dass das ordnungsgemäße Funktionieren der demokratischen Institutionen sowie glaubwürdige Fortschritte im Bereich der Rechtsstaatlichkeit in den meisten Bewerberländern und möglichen Bewerberländern nach wie vor eine zentrale Herausforderung darstellen;

44.

ist in diesem Zusammenhang gleichermaßen besorgt angesichts des der Zivilgesellschaft zunehmend feindlich gegenüberstehenden Umfelds in diesen Ländern sowie angesichts der negativen Entwicklungen im Bereich der Freiheit der Meinungsäußerung und der Unabhängigkeit der Medien;

45.

betont, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften aufgrund ihrer Bürgernähe eine entscheidende Funktion bei der Förderung und Achtung europäischer Werte zukommt und dass sie bei der Bekämpfung von Rassismus und Hassreden, beim Schutz gefährdeter Gruppen und Minderheiten sowie bei der Förderung des sozialen Zusammenhalts an vorderster Stelle mitwirken;

46.

ist fest davon überzeugt, dass die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften selbst stärker bei der Gestaltung der lokalen politischen Szene und des öffentlichen politischen Raums mitwirken und ihren Teil der Verantwortung übernehmen können, wenn es darum geht, einige der Mängel im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu beheben, wie dies auch von der Europäischen Kommission betont wurde;

47.

fordert die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in den Bewerberländern und möglichen Bewerberländern auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um in folgender Hinsicht greifbare Ergebnisse zu erzielen:

47.1.

Schaffung positiver und günstiger Rahmenbedingungen für eine funktionierende Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene und Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen in die partizipative Politikgestaltung auf lokaler Ebene,

47.2.

im Sinne der Charta der Grundrechte der Europäischen Union Bekämpfung jedweder wie auch immer gearteten Diskriminierung, insbesondere der Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen, schutzbedürftigen Gruppen und ethnischen Minderheiten, insbesondere der Roma,

47.3.

Bekämpfung von Ausgrenzung, Marginalisierung und Diskriminierung lesbischer, schwuler, bi-, trans- und intersexueller Personen sowie Bekämpfung von Hassreden und Gewalt gegen diese Gruppen,

47.4.

bessere Vertretung von Frauen in allen Bereichen der öffentlichen Governance auf lokaler und regionaler Ebene, allgemeine Gewährleistung der Gleichbehandlung der Geschlechter sowie Verhütung und Bekämpfung von Diskriminierung und aller Formen von Gewalt gegen Frauen;

48.

fordert die Europäische Kommission auf, die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Lösung grundlegender Fragen auf lokaler Ebene anzuerkennen, den Aufbau ihrer Kapazitäten und Kompetenzen im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte zu erleichtern und sie durch die Bereitstellung konkreter Werkzeuge und Instrumente bei der Erfüllung dieser Aufgaben zu unterstützen;

Die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im Rahmen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung

49.

verweist auf seine jüngste Stellungnahme zu den Nachhaltigkeitszielen als Grundlage einer langfristigen EU-Strategie für ein nachhaltiges Europa bis 2030, in der darauf hingewiesen wird, dass 65 % der 169 Einzelziele der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung nur verwirklicht werden können, wenn die Regionen und Städte konsequent in die Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele eingebunden werden;

50.

hebt erneut hervor, dass das Ziel, niemanden zurückzulassen, von allen Regierungs- und Verwaltungsebenen verlangt, für eine bereichsübergreifende Integration und die Gestaltung ineinandergreifender, auf Zusammenhalt ausgerichteter ortsbezogener Maßnahmen zu sorgen;

51.

erinnert ferner daran, dass den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften eine Schlüsselrolle bei der Verwirklichung der Ziele des Pariser Klimaschutzübereinkommens zukommt und dass Klimaschutzmaßnahmen auf lokaler Ebene von entscheidender Bedeutung für die Eindämmung des Klimawandels sowie für eine Anpassung an seine Folgen und für die Eröffnung von Möglichkeiten für nachhaltige Investitionen und Wachstum vor Ort sind;

52.

ist dementsprechend davon überzeugt, dass der Konvent der Bürgermeister für Klima und Energie als Basisbewegung die treibende Kraft dafür sein könnte, Städte und Gemeinden der Länder des Westbalkans in die Lage zu versetzen, zur Umsetzung des Übereinkommens von Paris, der Agenda 2030 und der Nachhaltigkeitsziele durch deren Anpassung an die örtlichen Gegebenheiten beizutragen;

53.

ruft die Europäische Kommission nachdrücklich dazu auf, die Länder des Westbalkans und vor allem ihre lokalen und regionalen Gebietskörperschaften besser in die künftige Entwicklung des Konvents der Bürgermeister für Klima und Energie bzw. entsprechende nationale und regionale Initiativen, mit denen Verpflichtungen auf lokaler und regionaler Ebene eingegangen werden, einzubinden sowie das Potenzial der nationalen Verbände lokaler und regionaler Gebietskörperschaften und des Netzes der Verbände lokaler Gebietskörperschaften Südosteuropas (NALAS) zu nutzen, um die Ausarbeitung und Umsetzung lokaler Pläne für Klimaschutz, Energieeffizienz und nachhaltige städtische Mobilität sowie anderer lokaler und regionaler Politikinstrumente für die Umsetzung der Agenda 2030 zu erleichtern.

Brüssel, den 12. Februar 2020

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Apostolos TZITZIKOSTAS


(*1)  Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status und steht im Einklang mit der Resolution 1244/1999 des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovos.

(1)  EP-Entschließung 2019/2883(RSP).