Brüssel, den 5.12.2018

COM(2018) 796 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN RAT (EURO-GIPFEL), DEN RAT, DIE EUROPÄISCHE ZENTRALBANK, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Hin zu einer stärkeren internationalen Rolle des Euro


1.Einleitung: Der Euro als Symbol der Einheit, Souveränität und Stabilität

Die Erklärung von Rom 1 , die 2017 anlässlich des 60. Jahrestages der Unterzeichnung des Römischen Vertrags vereinbart wurde, betonte die Notwendigkeit einer stärkeren Europäischen Union. Die EU-Führungsspitzen unterstrichen insbesondere, dass die EU zu einem stärkeren Akteur auf der Weltbühne werden müsse. Die Union müsse mehr als früher globalen Erschütterungen besser standhalten können, die Weltpolitik mitgestalten und international Verantwortung übernehmen.

In seiner Rede zur Lage der Union vom September 2018 unterstrich Präsident Juncker die in diesem Kontext strategische Relevanz des Euro und forderte entschlossenes Handeln, um dem Euro weltweit die Bedeutung zu geben, die ihm zusteht: „Bis nächstes Jahr müssen wir zudem die internationale Bedeutung des Euro stärken. Nur 20 Jahre nach seiner Einführung – und ungeachtet der Unkenrufe – hat der Euro schon eine weite Wegstrecke zurückgelegt. Der Euro hat sich zur zweitgrößten Währung entwickelt. 60 Länder haben ihre Währung auf die eine oder andere Weise an den Euro gebunden. Aber wir müssen mehr tun, damit unsere gemeinsame Währung auf dem internationalen Parkett die Bedeutung erlangen kann, die ihr zusteht.“

In den zwanzig Jahren seit seiner Einführung hat sich der Euro zum Symbol der wirtschaftlichen Stärke Europas und zum Symbol für Europa in der Welt entwickelt. Rund 340 Millionen Bürgerinnen und Bürger in den 19 Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets nutzen Tag für Tag Euro-Banknoten und -Münzen. Für die Europäer ist der Euro eines der zentralen Symbole der Europäischen Union. 2 Seit die Finanzkrise vor zehn Jahren die Welt erschüttert hat, wurde die Architektur der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erheblich gefestigt – und die öffentliche Unterstützung für den Euro ist auf einem neuen Höchststand. 3 Mit der Zeit werden auch die praktischen Vorzüge des Euro immer deutlicher sichtbar: stabile Preise, niedrigere Transaktionskosten für Verbraucher und Unternehmen, mehr Transparenz und Wettbewerb an den Märkten und verstärkter Handel innerhalb der EU und international. Mit ihrer einheitlichen Währung bleibt die Union der am stärksten integrierte Wirtschaftsraum der Welt und bietet ein investitionsfreundliches Umfeld.

Die weltgeschichtlichen Entwicklungen haben stets die weitere wirtschafts- und währungspolitische Integration Europas beeinflusst – das gilt auch für den Weg hin zu einer gemeinsamen Währung. Wegen der Turbulenzen an den Devisenmärkten Ende der 1960er Jahre forderten die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaften den Rat auf, einen Plan für eine stärkere Währungsintegration aufzustellen. Mit dem daraus resultierenden Werner-Bericht 4 ‚ 1970 veröffentlicht, wurde ein ehrgeiziger Plan zur Schaffung der Wirtschafts- und Währungsunion vorgelegt. Der Bericht stützte sich auf die Annahme, dass die Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar stabil bleiben würden. Am 13. August 1971 jedoch entschied US-Präsident Nixon, die Goldbindung des US-Dollar aufzuheben und damit das seit dem Zweiten Weltkrieg bestehende System fester Wechselkurse einseitig zu beenden.

Jetzt musste Europa sein Schicksal selbst in die Hand nehmen und auf dem Weg zu einer gemeinsamen Währung, die mit dem Wechselkursmechanismus 5 ihren Anfang nahm und am 1. Januar 1999 schließlich Wirklichkeit wurde, voranschreiten. Dies ging Hand in Hand mit der Festlegung gemeinsamer Rahmenbedingungen für die wirtschaftspolitische Steuerung, mit deren Hilfe die Mitgliedstaaten ihre Politik koordinieren und zusammen Verantwortung übernehmen.

Seit seiner Einführung vor 20 Jahren hat sich der Euro zur zweitwichtigsten Weltwährung entwickelt:

·Der Euro macht dank seiner Wertbeständigkeit rund 20 Prozent der internationalen Währungsreserven ausländischer Zentralbanken aus.

·Unternehmen und Regierungen weltweit verwenden den Euro, um Schuldtitel zu emittieren. Bis Ende 2017 wurden mehr als 20 Prozent der Schuldtitel an den internationalen Märkten in Euro ausgegeben.

·Der Euro ist für internationale Zahlungen zu einer allgemein akzeptierten Währung geworden. 2017 wurden wertmäßig etwa 36 Prozent aller internationalen Transaktionen in Euro fakturiert oder abgerechnet, gegenüber etwa 40 Prozent beim US-Dollar.

·Rund 60 Länder 6 weltweit verwenden den Euro schon jetzt, wollen ihn verwenden oder haben ihre Währung an den Euro gebunden. Für die meisten Länder des Europäischen Wirtschaftsraums sowie für kleinere Nachbarländer und die afrikanische CFA-Zone 7 (14 Länder) ist der Euro die wichtigste Bezugswährung. Die Einführung des Euro in weiteren EU-Mitgliedstaaten – eine vertragliche Verpflichtung (außer für Dänemark und das Vereinigte Königreich) – wird dazu beitragen, der einheitlichen Währung noch mehr Gewicht zu verleihen.

Dennoch ist die internationale Verwendung des Euro noch nicht wieder auf dem Stand wie vor der Finanzkrise 8 . So erreichte beispielsweise das Volumen der auf Euro lautenden ausländischen Schuldtitelemissionen vor der Krise (2007) einen Höchststand von 40 Prozent, während es jetzt wieder bei gut 20 Prozent und damit ähnlich hoch liegt wie 1999.

Abbildung 1: Zusammensetzung der weltweiten Währungsreserven

Quelle: Berechnungen der Kommission auf Grundlage von IWF-Daten

Abbildung 2: Zusammensetzung des weltweiten Zahlungsverkehrs

Quelle: SWIFT

Abbildung 3: Länder, die den Euro verwenden oder ihre Währung an den Euro binden

Quelle: Daten auf Grundlage von IWF- und EZB-Daten

Im Zuge der Krise hat Europa entschlossen gehandelt, um den Euro immer stärker zur Basis wirtschaftlicher Widerstandskraft und Handlungsfähigkeit zu machen. Aufbauend auf der Vision, die im Bericht der fünf Präsidenten 9 vom Juni 2015 entworfen und in den im Frühjahr 2017 veröffentlichten Reflexionspapieren zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion 10 und zur Zukunft der EU-Finanzen 11 weiterentwickelt wurde, legte die Europäische Kommission einen Fahrplan für die Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion vor 12 . Die internationale Bedeutung des Euro zu stärken, ist sowohl die logische Fortsetzung dieser in den vergangenen vier Jahren entwickelten übergeordneten Agenda als auch ein neuer Entwicklungsschritt. Das Thema ist nicht neu: Die globale Rolle des Euro wird seit der Einführung der gemeinsamen Währung diskutiert, allerdings bot sich nie eine geeignetere Gelegenheit als heute, um dem Euro auf der internationalen Bühne zu mehr Gewicht zu verhelfen.

Unterstützt durch die weitere Stärkung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion hat der Euro Spielraum, weltweit noch mehr an Bedeutung zu gewinnen und sein volles Potenzial zu verwirklichen – und so das politische, wirtschaftliche und finanzielle Gewicht der Eurozone zu spiegeln. Für welche Währung sich Bürger, Unternehmen und Märkte in aller Welt entscheiden, ist keine statische Angelegenheit – historische Motive spielen hier ebenso hinein wie Liquiditätserwägungen und Politikentscheidungen. Die internationale Bedeutung einzelner Währungen hat sich in den vergangenen Jahrhunderten gewandelt: Der US-Dollar ist erst nach dem Zweiten Weltkrieg als wichtigste Währung weltweit in Erscheinung getreten, was auf die Wirtschaftskraft des Landes, sein entwickeltes Finanzsystem und seine Stabilität zurückzuführen ist.

Aktuelle internationale Trends, das Erstarken neuer Wirtschaftsmächte und die Entwicklung neuer Technologien fördern eine potenzielle Verschiebung hin zu einem diversifizierten und multipolaren System mit mehreren globalen Währungen. So ist beispielsweise der chinesische Renminbi noch keine Weltwährung, die den Dollar oder den Euro in ihrer Position gefährden könnte, dennoch ist seine internationale Verwendung ein wichtiges Ziel auf der Reformagenda der Volksrepublik. Dies wird dadurch verstärkt, dass die chinesischen Importeure und Exporteure zunehmend in der Lage sind, Zahlungen in ihrer eigenen Währung zu tätigen und zu akzeptieren. Gleichzeitig sind die jüngsten einseitigen extraterritorialen Maßnahmen von Drittstaaten wie im Fall der wiedereingeführten Sanktionen gegen Iran 13 zusammen mit den aktuellen Herausforderungen für die regelbasierte internationale Welt- und Handelsordnung ein Weckruf für Europa, was seine wirtschaftliche und monetäre Souveränität betrifft.

2.Plädoyer für eine gestärkte internationale Rolle des Euro

Die Stärkung der Rolle des Euro in der Welt sollte als Teil des umfassenderen europäischen Engagements für eine offene, multilaterale und regelbasierte Weltwirtschaft verstanden werden. Sie würde dazu beitragen, das internationale Finanzsystem widerstandsfähiger zu machen, indem Marktteilnehmer rund um die Welt mehr Auswahl erhalten und die Weltwirtschaft weniger anfällig für Schocks wird, die mit der starken Abhängigkeit vieler Sektoren von einer einzigen Währung zusammenhängen.

Gleichzeitig kann dies hierzulande ganz konkret von Vorteil sein: Die Europäische Union könnte ihren Bürgern und Unternehmen mehr Schutz bieten, ihre Werte verteidigen und ihre Interessen durch die Mitgestaltung der weltpolitischen Geschicke auf Basis eines regelbasierten Multilateralismus vertreten. Insbesondere sollte der Euro weiterhin die verantwortungsvolle Handelsagenda Europas unterstützen und voranbringen und es europäischen Unternehmen ermöglichen, weltweit ungestört im Interesse der europäischen Wirtschaft Handel zu treiben und gleichzeitig zu Hause das europäische soziale und ordnungspolitische Modell zu bewahren.

Die Entscheidung, eine bestimmte Währung zu verwenden, treffen in letzter Instanz die Marktteilnehmer – und es gibt gute Gründe, warum Wirtschaftsakteure den Wunsch hegen könnten, Investitions- und Sicherungsgeschäfte in unterschiedlichen Währungen zu tätigen.. Ziel ist es nicht, in die unternehmerische Freiheit einzugreifen oder die Auswahl zu beschränken, vielmehr sollen die Marktteilnehmer mehr Auswahl erhalten, indem gewährleistet wird, dass der Euro in jeder Hinsicht eine starke und verlässliche Alternative ist.

KASTEN 1: Vorteile einer vermehrten internationalen Verwendung des Euro

Eine stärkere weltweite Euro-Nutzung kann eine Reihe von Vorteilen bieten:

·Niedrigere Kosten und ein geringeres Risiko für europäische Unternehmen im internationalen Handel. Der Handel in Euro statt in Fremdwährung wird das Wechselkursrisiko und andere währungsbezogene Kosten vor allem für kleine und mittlere europäische Unternehmen beseitigen.

·Mehr Auswahl für Marktteilnehmer weltweit.

·Niedrigere Zinssätze für europäische Privathaushalte, Unternehmen und Mitgliedstaaten. Ein attraktiverer Euro als sicheres Wertaufbewahrungsmittel verringert den von Investoren geforderten Zinssatz (oder die verlangte Rendite).

·Einen zuverlässigeren Zugang zu Finanzmitteln für europäische Unternehmen und Staaten sogar in Zeiten äußerer finanzieller Instabilität, da die europäischen Finanzmärkte tiefer, liquider und stärker integriert werden würden.

·Mehr Autonomie für europäische Verbraucher und Unternehmen‚ sodass sie Zahlungen für ihren internationalen Handel ausführen und entgegennehmen und sich finanzieren können, ohne dem Risiko rechtlicher Schritte durch Drittstaaten (wie etwa extraterritoriale Sanktionen) ausgesetzt zu sein.

·Eine erhöhte Widerstandskraft des internationalen Finanzsystems und der Weltwirtschaft, was sie weniger anfällig für Wechselkursschocks macht.

Die Vorteile einer umfassenderen Nutzung einer internationalen Währung gehen in Einklang mit den jeweiligen Mandaten der Zentralbanken mit stärkerer globaler Verantwortung einher. Obwohl die Vorteile einer stärkeren internationalen Rolle des Euro schwerer wiegen als die möglichen Herausforderungen, müssen die Konsequenzen sorgfältig abgewogen werden – beispielsweise in Bezug auf die Zahlungsbilanz des Euro-Raums gegenüber der übrigen Welt.

Es gibt immer noch eine Reihe von Faktoren, die die stärkere internationale Nutzung des Euro und die finanzielle Souveränität Europas bremsen:

·Das Bretton-Woods-System etablierte den US-Dollar nach dem Zweiten Weltkrieg als globale Reservewährung; er löste damit das Pfund Sterling als wichtigste Weltwährung ab. Parallel dazu wurde der US-Dollar zur Standardwährung im Rohstoffhandel und zur vorherrschenden Währung bei Derivategeschäften 14 . Sobald eine Währung zum herrschenden Standard wird, machen Netzwerkeffekte sie noch attraktiver, da eine stärkere Nutzung weitere komplexe Finanzmarkttransaktionen mit höherer Liquidität ermöglicht 15 . Dies behindert das Aufkommen alternativer Reservewährungen.

·Bei manchen Transaktionen ist die Verwendung des US-Dollar nach wie vor kostengünstiger als die des Euro, was teils darauf zurückzuführen ist, dass der US-Dollar der herrschende Standard ist. Durch die höhere Liquidität des US-Dollar werden zahlreiche Transaktionen am Geldmarkt 16 günstiger, wenn anstelle der direkten Euro-Verwendung der Dollar als Verrechnungswährung zum Einsatz kommt.

·Der Euro ist eine viel jüngere Währung, weshalb seine Strukturen noch weiter ausgebaut und vervollständigt werden müssen. Um die Architektur der Wirtschafts- und Währungsunion – die Basis der gemeinsamen Währung – zu vollenden, sind weitere Schritte notwendig.

·Einige der wichtigsten globalen Finanzmarkt-Infrastrukturen sind vorrangig auf andere Währungen als den Euro fokussiert und/oder liegen außerhalb des Euro-Raums und der Union. International stützen sich das Finanzsystem und die Märkte bei Handel, Clearing und Zahlungsabwicklung inzwischen großenteils – und immer stärker – auf verbundene Plattformen. Eine Reihe dieser Plattformen befinden sich außerhalb des Euro-Raums oder werden aus historischen Gründen oder aus Liquiditätserwägungen heraus von nicht-europäischen Unternehmen betrieben. Daher sind sie potenziell in höherem Maße dem Einfluss von Drittstaaten ausgesetzt.

Verschiedene strategische Optionen könnten die Attraktivität des Euro steigern, den Anteil der Zahlungen in Euro in strategisch wichtigen Bereichen erhöhen und die wirtschaftliche und finanzielle Souveränität Europas intern und im Ausland stärken. Dies sind die wichtigsten Optionen:

3.Vollendung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion als Basis für eine starke internationale Rolle des Euro

Internationale Währungen müssen von großen, stabilen und effizient funktionierenden Volkswirtschaften und Finanzsystemen gestützt werden, die für internationale Nutzer und Investoren attraktiv sind. Während die Rolle des Euro auf der internationalen Bühne weitgehend von den Kräften des Marktes bestimmt wird, stellen auf nationaler Ebene eine solide fiskalische und wachstumsfördernde Politik, ein gesunder Finanzsektor und die Einhaltung des wirtschaftlichen und haushaltspolitischen Rahmens der EU die Grundlage für die gemeinsame europäische Währung dar und sind entscheidend für ihre Glaubwürdigkeit.

Die Schaffung noch stabilerer und widerstandsfähigerer wirtschaftlicher und finanzieller Rahmenbedingungen kann den Euro weltweit attraktiver machen. Europa könnte die internationale Rolle des Euro stärken, indem es ihn als Zahlungsmittel für Handelstransaktionen und als vertrauenswürdige Anlagewährung noch überzeugender macht. Dies bedeutet vor allem, dass die Wirtschafts- und Währungsunion, die Bankenunion und die Kapitalmarktunion vollendet werden müssen, um zukunftsfähiges Wachstum zu generieren und eine erhöhte Widerstandsfähigkeit gegen negative Schocks zu erreichen. Insbesondere eine vollendete Bankenunion 17 würde für stabilere und besser überwachte Banken und damit für einen noch widerstandsfähigeren Bankensektor in Europa sorgen und so das Vertrauen in den EU-Finanzsektor und die gemeinsame Währung steigern. Eine vertiefte Kapitalmarktunion 18 würde diversifiziertere und liquidere Finanzmärkte gewährleisten und zu einer verstärkten Risikoteilung unter Einbeziehung der Privatwirtschaft führen. Dies wiederum würde Kapital mobilisieren und es mehr auch kleinen und mittleren Unternehmen und Infrastrukturen zuleiten. Tiefere und stärker integrierte Kapitalmärkte werden Unternehmen eine größere Auswahl kostengünstigerer Finanzierungen bieten, Sparern und Investoren neue Möglichkeiten eröffnen, das Finanzsystem widerstandsfähiger machen und auf diese Weise die Attraktivität des Euro erhöhen. Zudem wird der Missbrauch des Euro zu Zwecken der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung verhindert und wirksam verfolgt.

Die Kommission hat Rat und Parlament mehrere entscheidende Vorschläge zur Vollendung der Bankenunion und zur Verwirklichung der Kapitalmarktunion vorgelegt, die immer noch nicht verabschiedet sind. Insbesondere die Verwirklichung der Letztsicherung für den einheitlichen Abwicklungsfonds (um auch eine große Bankenkrise in den Griff zu bekommen) sowie des europäischen Einlagenversicherungssystems (um eine noch stärkere und einheitlichere Einlagenversicherung zu bieten) würden die finanzielle Stabilität erhöhen, da das Engagement der Banken gegenüber ihren jeweiligen Staaten weiter verringert würde. Derweil würden das von der Kommission vorgeschlagene Bankenpaket sowie ihr Paket zu notleidenden Krediten die Risiken im Bankensektor weiter verringern.

Eine Ausweitung des verfügbaren Pools von Euro-Werten mit höherer Bonitätseinstufung trägt zur Entwicklung des europäischen Finanzsektors bei und wertet die EU-Finanzvorschriften sowie EU-ansässige Zahlungssysteme international auf. Der Kommissionsvorschlag 19 zu staatsanleihebesicherten Wertpapieren, die vom Privatsektor begeben würden, wäre eine Möglichkeit, um die verfügbare Menge an Euro-Werten mit hoher Bonität und großer Attraktivität für Investoren aus aller Welt zu erhöhen. Solche Vermögenswerte würden daher die Liquidität in Euro erhöhen – ein wichtiger Aspekt, bei dem der Euro an den Weltmärkten im Vergleich zum US-Dollar im Nachteil ist.

In Zusammenhang mit der Vorbereitung des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens der Union 20 hat die Kommission Vorschläge vorgelegt, um die Leistungs- und Widerstandsfähigkeit der Volkswirtschaften im Euro-Raum mit eigens dafür vorgesehenen Haushaltsinstrumenten weiter zu erhöhen – ebenso wie Vorschläge zur Unterstützung von Nicht-Euro-Ländern, die dem Euro-Währungsgebiet beitreten wollen. Die vorgeschlagene Europäische Investitionsstabilisierungsfunktion 21 würde ein besseres Abfedern massiver asymmetrischer Schocks im Euro-Raum ermöglichen, was seinerseits das Anlegervertrauen in den Euro erhöhen würde. Parallel dazu soll das Reformhilfeprogramm 22 die Umsetzung von Strukturreformen voranbringen, die für mehr Kohäsion und Wettbewerbsfähigkeit entscheidend sind, die Produktivität steigern und die Widerstandsfähigkeit der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in allen Mitgliedstaaten fördern. Das Reformhilfeprogramm umfasst eine Konvergenzfazilität zur Unterstützung von Mitgliedstaaten, die noch nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, ihm aber beitreten wollen.

Eine bedeutendere internationale Rolle erfordert zudem angemessene institutionelle Kapazitäten und eine geschlossenere Vertretung, um die jeweiligen Sichtweisen zu koordinieren und mit einer Stimme zu sprechen. Aufbauend auf den in den EU-Verträgen festgelegten Rollen der Europäischen Zentralbank, der Euro-Gruppe und der Kommission gehen auch mehrere Vorschläge der Kommission in diese Richtung. Im Dezember 2017 legte die Kommission einen Vorschlag zur Schaffung eines Europäischen Währungsfonds vor, der im Rechtsrahmen der Europäischen Union verankert ist auf der bewährten Struktur und Governance des Europäischen Stabilitätsmechanismus aufbaut. Darüber hinaus zielt der Kommissionsvorschlag 23 für eine bessere Außenvertretung des Euro-Währungsgebiets in internationalen Foren darauf ab, seine globale Position zu stärken und zu gewährleisten, dass die Stimme des Euro-Raums weltweit Gehör findet. Durch eine Zusammenlegung bestehender Funktionen auf EU-Ebene und die Zusammenführung eng verknüpfter politischer Instrumente könnte die Position eines europäischen Wirtschafts- und Finanzministers zur Entstehung neuer Synergien beitragen und so mit der Zeit die Kohärenz und Wirksamkeit der EU-Wirtschaftspolitik einschließlich der Fähigkeit, in Euro-Angelegenheiten mit einer Stimme zu sprechen, verbessern. 

4.Weitere Initiativen zur Stärkung der internationalen Rolle des Euro

In dieser Mitteilung werden auch Initiativen vorgestellt, mit denen die internationale Bedeutung des Euro in drei verschiedenen Dimensionen gestärkt wird: im europäischen Finanzsektor (um tiefe und vollumfängliche Finanzmärkte in Euro sicherzustellen), im internationalen Finanzsektor (wo sich ein bedeutenderer Euro positiv auf die globale Finanzstabilität auswirken würde) und in strategischen Schlüsselsektoren, wo die Rolle des Euro noch ausbaufähig ist (z. B. in den Bereichen Energie, Rohstoffe und Flugzeugbau).

4.1.Zusätzliche Maßnahmen für einen tiefen europäischen Finanzsektor

Wird der Euro attraktiver, wird er auch stärker verwendet werden, was wiederum seine Attraktivität noch erhöhen wird. Dadurch kann eine Aufwärtsspirale in Gang gesetzt werden.

Durch zusätzliche und gezieltere Maßnahmen innerhalb der Bankenunion und der Kapitalmarktunion wird das Euro-Währungsgebiet finanziell souveräner. Die Finanzmärkte und -infrastrukturen im Euro-Raum spielen eine maßgebliche Rolle dabei, Möglichkeiten für einen internationalen Bedeutungszuwachs des Euro zu schaffen, indem sie verlässliche und stabile Finanzdienstleistungen und Geschäftsmöglichkeiten bieten. Größenordnung und Autonomie der auf Euro lautenden Dienstleistungen hängen davon ab, ob die Marktteilnehmer sie für wirtschaftlich, einfach und sicher halten, sodass sie ihre internationalen Geschäfte in Euro tätigen und Wertrücklagen in Euro bilden. Folglich führen Maßnahmen, die die Stabilität und Liquidität erhöhen und das Spektrum der auf Euro lautenden Finanzdienstleistungen erweitern, auch dazu, dass der Euro international an Bedeutung gewinnt. Außerdem sollte die EU im Kontext einer stärkeren Rolle des Euro auch ihre Regulierungsagenda in Bereichen wie der Bekämpfung von Geldwäsche 24 und Terrorismusfinanzierung 25 weiter voranbringen. Eine stringente Überwachung von Finanzgeschäften trägt weltweit zu Sicherheit, zur Integrität des Finanzsystems und zu nachhaltigem Wachstum bei.

Die folgenden gezielten Maßnahmen würden nicht nur die Verwendung des Euro attraktiver, sondern auch das Euro-Währungsgebiet gegenüber äußeren Einflüssen resistenter machen:

Erstens will die Kommission die Verwendung des Euro ausweiten, indem die Liquidität und Widerstandsfähigkeit der europäischen Marktinfrastrukturen erhöht werden. Mit dem übergeordneten Ziel, das Systemrisiko zu verringern, wurden die Marktteilnehmer mit der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen (EMIR) 26 verpflichtet, bestimmte Finanzkontrakte (z. B. im Freiverkehr gehandelte („OTC-“) Derivatekontrakte, die beispielweise zur Absicherung gegen Zinsänderungen eingesetzt werden) über spezielle Marktinfrastrukturen 27 zu clearen 28 . Wichtig ist, dass dadurch liquide Clearing-Märkte für auf Euro lautende Produkte entstanden sind, die allen Gegenparteien offenstehen. Hochentwickelte Marktinfrastrukturen für das Clearing bieten den Marktteilnehmern bei ihren Geschäften eine jederzeit verfügbare und effiziente Absicherung gegen künftige Zins- oder Wechselkursänderungen. Die breite Verfügbarkeit solcher auf Euro lautenden Märkte wird den Euro für solche Geschäfte daher attraktiver machen. Vorbehaltlich des in der vorgenannten Verordnung vorgesehenen Feststellungsverfahrens und der ebenfalls darin festgelegten Bedingungen könnte die Kommission das Spektrum der clearingpflichtigen Derivatekontrakte erweitern, um liquide und effiziente zentrale Clearing-Lösungen zu fördern. Die Kommission könnte darüber hinaus in Erwägung ziehen, die Inanspruchnahme von Clearingdiensten auf ein breiteres Spektrum von Gegenparteien auszuweiten.

Zweitens will die Kommission die Finanzmärkte im Euro-Raum effizienter machen, indem sie einen verlässlichen Rahmen für die Ermittlung eines umfassenden Spektrums an vertrauenswürdigen Referenzzinssätzen 29 gewährleistet. Referenzzinssätze werden von den Marktteilnehmern bei vielen Verträgen und Finanzprodukten als Bezugsgrundlage herangezogen. Nach der EU-Benchmark-Verordnung 30 müssen finanzielle Referenzwerte in der EU und im Euro-Raum transparenter und zuverlässiger werden. Die vollständige Umsetzung dieser Verordnung dürfte daher dazu beitragen, dass Handel und Bepreisung von auf Euro lautenden Instrumenten an Attraktivität gewinnen. 31 Die Kommission wird die weitere Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen Marktsegmenten, den Benchmark-Administratoren, den beitragenden Banken, den zuständigen nationalen Behörden und der Europäischen Zentralbank erleichtern.

Drittens unterstützt die Kommission ein vollintegriertes Sofortzahlungssystem in der EU, um die Risiken und Anfälligkeiten von Massenzahlungssystemen zu verringern und die Autonomie der bestehenden Zahlungsverkehrslösungen zu erhöhen. Bei grenzüberschreitenden Karten- und Online-Zahlungen vertrauen die EU-Bürger auf einige wenige globale Anbieter. Da selbst innereuropäische Zahlungen oftmals außerhalb der EU gecleart werden, ist das Massenzahlungssystem bei technisch, wirtschaftlich oder rechtlich bedingten Verwerfungen, die ihren Ursprung außerhalb der EU haben können, unnötig verwundbar. Darüber hinaus ist die Marktdominanz einiger weniger internationaler Kartensysteme auch unter dem Aspekt der Lenkungs- und Kontrollstrukturen fragwürdig, da sie die Einflussmöglichkeiten europäischer Zahlungsdienste-Anbieter hinsichtlich der Entwicklungen in weiten Teilen des Massenzahlungsmarkts erheblich einschränkt. Eine EU-weite grenzüberschreitende „Instant Payment“-Lösung würde die bestehenden Kartensysteme ergänzen, das Risiko externer Verwerfungen verringern und die EU effizienter, aber auch autonomer machen. Die Einführung von Euro-Sofortzahlungen eröffnet auch Möglichkeiten für die Entwicklung effizienter neuer Lösungen für den Massenzahlungsverkehr, auch über Grenzen hinweg, die den europäischen Bürgern, Unternehmen und Banken Vorteile bringen können. Im Rahmen des im November 2017 ins Leben gerufenen SEPA Instant Credit Transfer Scheme (SEPA: single euro payments area) wurden bereits EU-weite Standards für Euro-Sofortzahlungen festgelegt. Im November 2018 startete die Europäische Zentralbank ihr Target Instant Payment Settlement System, kurz „TIPS“, das grenzüberschreitende Sofortzahlungen in der EU erleichtert. Die Kommission wird Maßnahmen ausloten, um die grenzüberschreitende Nutzung von in einzelnen Mitgliedstaaten entwickelten Zahlungslösungen zu erleichtern. Sie wird die Arbeit im Euro Retail Payments Board (unter Federführung der Europäischen Zentralbank) weiter unterstützen, um die Interoperabilität bestehender Sofortzahlungslösungen zu gewährleisten. Auch wird die Kommission mit den einschlägigen Interessenträgern auf eine gemeinsame Verpflichtung hinarbeiten, die die breite Verfügbarkeit von Sofortzahlungsdienstleistungen für Kunden, auch bei grenzüberschreitenden Zahlungen, sicherstellt. Bei der 2019 anstehenden Überprüfung der Zahlungskonten-Richtlinie wird die Kommission eine Bilanz der bis dahin erzielten Fortschritte ziehen. 

Viertens wird die Kommission untersuchen, wie der Euro an den Devisenmärkten noch weiter an Bedeutung gewinnen kann. Der Handel an den Devisenmärkten erfolgt über sogenannte Währungspaare, wie etwa Euro und Dollar oder Euro und japanischer Yen. Die liquidesten Währungspaare beinhalten heute stets den US-Dollar (so auch das liquideste Währungspaar Euro/US-Dollar). Geschäfte mit Euro und anderen Währungen als dem US-Dollar laufen in aller Regel über den US-Dollar („Dreiecksgeschäft“). Dies liegt auch daran, dass der US-Dollar weithin als globale Reservewährung genutzt wird, was durch einen hochentwickelten und hochliquiden Staatsanleihemarkt unterstützt wird. Es lohnt sich, den Ursachen der heutigen Situation auf den Grund zu gehen und zu prüfen, ob die Marktliquidität für bestimmte Währungspaare aus dem Euro und anderen Währungen als dem US-Dollar ausgebaut werden könnte. Hinzu kommt, dass große Market Maker 32 auf den Devisenmärkten eine Schlüsselrolle spielen und die Banken des Euro-Raums bei solchen Market-Making-Tätigkeiten eine aktivere Rolle übernehmen könnten. Die Kommission wird eine gezielte Konsultation der Finanzmarktakteure starten, um potenzielle Hindernisse und Anreize zu ermitteln, damit der Euro an den Devisenmärkten an Bedeutung gewinnen kann.

4.2.Auf den internationalen Finanzsektor abstellende Initiativen

International könnte der Euro nach und nach eine größere Rolle bei der Wahrung der globalen Finanzstabilität spielen. Die Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken zur Wahrung der Finanzstabilität hilft sicherzustellen, dass europäische Unternehmen weltweit Handel treiben können. Nach der Finanzkrise hat die Europäische Zentralbank zusammen mit anderen großen Zentralbanken Schritte unternommen, um die Finanzstabilität zu erhalten und Verwerfungen in der Weltwirtschaft zu vermeiden, beispielsweise indem sie im Einklang mit ihrem Mandat als Letztsicherung für Fremdwährungsliquidität für den Fall von Marktstörungen verschiedene Devisenswaplinien 33 eingerichtet hat. Diese Praxis hat sich positiv auf die weltweite Handelstätigkeit europäischer Unternehmen ausgewirkt.

Um mit gutem Beispiel voranzugehen, sollten die EU-Einrichtungen und ‑Mechanismen angehalten werden, den auf Euro lautenden Anteil ihrer Schulden zu erhöhen. Europäische Einrichtungen begeben schon seit vielen Jahren Anleihen vorwiegend in Euro, aber auch in anderen Währungen, vor allem um Projektfinanzierungen (EIB-Gruppe) oder Finanzhilfen für Mitgliedstaaten (Europäische Finanzstabilisierungsfazilität, Europäischer Stabilitätsmechanismus) bereitzustellen. Die Emissionen dieser europäischen Einrichtungen haben auch während der Krise bei globalen Investoren Interesse gefunden und das Volumen an hochqualitativen Euro-Vermögenswerten erhöht.

Europa könnte seine Wirtschaftsdiplomatie weiterentwickeln und sich bei seinen globalen Partnern dafür einsetzen, dass der Euro bei Zahlungen und als Reservewährung vermehrt verwendet wird. Europa ist ein wichtiger geopolitischer Akteur mit wirtschaftlichem Einfluss in der Welt. 34 Diplomatische Kontakte mit internationalen Partnern, bei denen zur Verwendung des Euro angeregt und für die Position Europas zur wünschenswerten Entwicklung der globalen Finanzarchitektur geworben wird, würden dazu beitragen, die internationale Rolle des Euro zu stärken.

Die Kommission wird sich gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und den einschlägigen EU-Einrichtungen bei ihren Partnern weltweit für eine verstärkte Nutzung des Euro einsetzen. Hochrangige Handelsmissionen, bei denen die Bedeutung des Euro gegenüber Wirtschaftsdelegationen hervorgehoben wird, wären eine Möglichkeit. Da die Bereitschaft zur Diversifizierung von Fremdwährungspositionen durch die jüngsten Entwicklungen in den aufstrebenden Marktwirtschaften zugenommen haben könnte, könnten sich einige dieser Vorstöße darauf konzentrieren, die Zahl der auf Euro lautenden ausländischen Schuldtitelemissionen zu erhöhen.

Schließlich wurde im September 2017 die Investitionsoffensive für Drittländer 35 verabschiedet, um unter anderem durch technische Hilfe für Behörden und Unternehmen die Investitionen in den Partnerländern in Afrika und der Europäischen Nachbarschaft anzuschieben. Technische Unterstützung könnte ein Weg sein, den Zugang von Entwicklungsländern zum Euro-Zahlungssystem zu verbessern, z. B. damit die EU-Geldwäschevorschriften erfüllt werden, und um Handelsbeziehungen zu erleichtern.

4.3.Weitere Schritte zur stärkeren Nutzung des Euro in strategischen Schlüsselsektoren: Energie-, Rohstoff- und Verkehrssektor

Trotz des erheblichen Anteils des Euro am internationalen Zahlungsverkehr ist bei seiner Verwendung in strategischen Schlüsselsektoren noch Luft nach oben. Obwohl europäische Unternehmen auf zentralen strategischen Märkten nicht nur Großabnehmer, sondern auch Großproduzenten sind, handeln sie dort nach wie vor in US-Dollar, oft sogar untereinander. Dadurch sind die Unternehmen Währungsrisiken und politischen Risiken ausgesetzt, etwa durch internationale Sanktionen, die Dollargeschäfte unmittelbar treffen.

Im Energiesektor werden über 80 Prozent der europäischen Energieeinfuhren in US-Dollar bepreist und bezahlt‚ obwohl die Lieferungen vorwiegend aus Russland, Norwegen, dem Nahen Osten und Afrika stammen und die EU der weltweit größte Energieimporteur ist. Die Energieimportkosten der EU beliefen sich in den letzten fünf Jahren auf durchschnittlich 300 Mrd. EUR. Mehr als 93 Prozent der Handelsvolumen an Energie entfallen auf Öl, wo derzeit alle Verträge auf Dollar lauten. Bei Erdgas dient der US-Dollar als Bezugsgrundlage für rund 70 Prozent der EU-Importe. Die an den Gashubs der EU gehandelten Gaskontrakte lauten auf Euro.

An den Märkten für Rohstoffe (Metalle und Mineralien) und Nahrungsmittelrohstoffe ist die Lage ähnlich. Europa verbraucht weltweit rund 10 Prozent aller Rohstoffe und ist ein wichtiger Importeur. Und doch werden die meisten Rohstoffe an den weltweiten Börsen in US-Dollar gehandelt. Dies gilt auch für die hochstandardisierten Märkte für Nahrungsmittelrohstoffe wie Getreide, Ölsaaten und Zucker. Europa ist ein wichtiger Exporteur von Weichweizen, Zucker und Olivenöl, doch beschränkt sich die Verwendung des Euro vorwiegend auf den Intra-EU-Handel.

Im Verkehrssektor beispielsweise erfolgt einer aktuellen Studie 36 zufolge nahezu die gesamte Fakturierung im Flugzeugbau in US-Dollar, selbst innerhalb des Euro-Raums. Airbus erzielt mehr als die Hälfte seiner Einnahmen in US-Dollar, wobei für rund 60 Prozent dieser Währungspositionen ein „natürliches Hedging“ 37 durch auf US-Dollar lautende Kosten erfolgt. Die restlichen Kosten entstehen vorwiegend in Euro.

Die geringe Verwendung des Euro in Schlüsselsektoren ist durch mehrere Faktoren zu erklären, darunter historische Trägheit, Netzeffekte und Liquiditätserwägungen. So gibt es beispielsweise keine auf Euro lautenden Benchmarks für den internationalen Handel mit Erdöl und Rohstoffen. 38 An den Rohstoffmärkten dominiert der US-Dollar, da sich die Börsen von Chicago und New York früher entwickelt haben. Was den Flugzeugbau angeht, wirken sich die in Dollar gestellten Kraftstoffpreise darauf aus, welche Währung in der gesamten Wertschöpfungskette verwendet wird. Hinzu kommt, dass der Markt für Luftfahrzeuge, einschließlich Versicherung und Wartung, ein globaler Markt ist, der keine regionale Preisdifferenzierung zulässt.

Die Kommission wird in den kommenden Monaten mehrere gezielte Initiativen für strategische Sektoren vorlegen:

·Mit einer heute angenommenen Empfehlung der Kommission soll eine breitere Verwendung des Euro in internationalen Energieabkommen und -geschäften gefördert werden. Die Kommission empfiehlt, dass der Euro für Verträge verwendet wird, die im Rahmen zwischenstaatlicher Energieabkommen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern geschlossen werden. Eine breitere Verwendung des Euro bei Energiegeschäften europäischer Marktteilnehmer und Finanzdienstleister wird ebenfalls empfohlen. Außerdem wird die Kommission eine Konsultation starten, um die Meinung der Interessenträger zum Marktpotenzial für mehr auf Euro lautende Transaktionen in den Bereichen Öl, Raffinerieprodukte und Gas einzuholen. Bei der Konsultation soll insbesondere in Erfahrung gebracht werden, ob auf Euro lautende Referenzkontrakte für Rohöl geschaffen und Kontrakte über Raffinerieprodukte verstärkt werden sollten. Bei der Konsultation werden die Interessenträger außerdem nach ihrer Meinung zu einer vermehrten Nutzung von auf Euro lautenden Gasverträgen gefragt.

·Im Bereich Rohstoffe (Metalle und Mineralien) und Nahrungsmittelrohstoffe wird die Kommission eine breit angelegte Konsultation der Interessenträger durchführen, um Möglichkeiten für eine Ausweitung des Handels in Euro zu ermitteln, insbesondere im Zusammenhang mit Geschäften an europäischen Börsen und Direktgeschäften zwischen europäischen Unternehmen. Für 2020 ist ein allgemeiner Europäischer Rohstoffgipfel geplant, auf dem die Gespräche mit allen maßgeblichen Akteuren fortgeführt werden sollen. Darüber hinaus wird die Kommission weiterhin eine marktorientierte Gemeinsame Agrarpolitik betreiben, die die Weiterentwicklung des internationalen Handels mit landwirtschaftlichen Rohstoffen ermöglicht. Die Kommission wird sich auch für die Nutzung von Terminmärkten und Terminkontrakten in Euro (z. B. durch Informations- und Schulungsmaßnahmen) und eine größere Markttransparenz bei Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen in Euro stark machen. 39

·Bei einer weiteren Konsultation soll in Erfahrung gebracht werden, mit welchen Maßnahmen die Verwendung des Euro durch Hersteller im Verkehrssektor (Luft-, See- und Schienenverkehr) gefördert werden könnte. Die Konsultation soll genauer Aufschluss darüber geben, warum der Euro bei den wichtigsten internationalen Geschäften häufig nicht verwendet wird und durch welche Bedingungen die Nutzung des Euro bei Geschäften mit europäischen Unternehmen gefördert werden könnte.

Die Kommission wird die entsprechenden Arbeiten parallel durchführen und bis zum Sommer 2019 über die Fortschritte berichten.

5.Schlussfolgerung

Aufbauend auf dem Fahrplan zur Vollendung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion kann der Euro seine Bedeutung weltweit noch ausbauen, sodass sie dem politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Gewicht des Euro-Währungsgebiets in größerem Maße entspricht. Dies wird es der EU ermöglichen, ihre Bürger und Unternehmen besser zu schützen, ihre Werte zu verteidigen und ihre Interessen zu behaupten. Außerdem wird dies die Anfälligkeit der Weltwirtschaft für Schocks, die durch die Dominanz einer einzigen Währung bedingt sind, verringern und eine ausgewogene, regelbasierte politische und wirtschaftliche Weltordnung unterstützen.

Die Kommission fordert die EU-Staats- und -Regierungschefs auf, die internationale Rolle des Euro auf der Tagung des Europäischen Rates und dem Euro-Gipfel im Dezember im Rahmen ihrer Gespräche über die Vollendung der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu erörtern. Die Stärkung der internationalen Rolle des Euro wird eine weitere Stärkung der Strukturen der Wirtschafts- und Währungsunion erfordern, unter anderem indem alle noch anhängigen Vorschläge zur Vollendung der Bankenunion verabschiedet und bei der Kapitalmarktunion entscheidende Fortschritte erzielt werden.

Darüber hinaus wird die Kommission die oben dargelegten gezielten Initiativen weiterverfolgen und ruft alle einschlägigen Akteure und Interessenträger auf, sich aktiv an diesem Prozess zu beteiligen.

(1)       Erklärung von Rom der führenden Vertreter von 27 Mitgliedstaaten und des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission.
(2)    Standard Eurobarometer 89: http://ec.europa.eu/commfrontoffice/publicopinion/index.cfm/Survey/getSurveyDetail/instruments/STANDARD/surveyKy/2180  
(3)    Eurobarometer-Flash 473: Allgemeine Unterstützung für unsere gemeinsame Währung wieder auf Rekordniveau. 74 Prozent der Bürger im Euro-Raum sind der jüngsten Eurobarometer-Umfrage zufolge der Meinung, dass der Euro gut für die EU ist. https://ec.europa.eu/info/news/eurobarometer-2018-nov-20_en
(4)       http://ec.europa.eu/economy_finance/publications/pages/publication6142_en.pdf  
(5)    Zur Geschichte des Euro (unter anderem auch zur „Währungsschlange“ und zum Wechselkursmechanismus EWR) siehe: https://ec.europa.eu/info/about-european-commission/euro/history-euro/history-euro_de.
(6)      Einschließlich abhängiger Gebiete.
(7)    „CFA-Franc“ ist die Bezeichnung zweier Währungen, die in Teilen West- und Zentralafrikas verwendet werden und die durch die französische Staatskasse garantiert und an den Euro gekoppelt sind.
(8)    Europäische Zentralbank – The international role of the euro, Juni 2018. https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/ire/ecb.ire201806.en.pdf
(9)     https://ec.europa.eu/commission/publications/five-presidents-report-completing-europes-economic-and-monetary-union_de  
(10)     https://ec.europa.eu/commission/publications/reflection-paper-deepening-economic-and-monetary-union_de  
(11)     https://ec.europa.eu/commission/publications/reflection-paper-future-eu-finances_de  
(12) https://ec.europa.eu/commission/publications/completing-europes-economic-and-monetary-union-factsheets_de  
(13)    Die Vereinigten Staaten beschlossen am 8. Mai 2018 den Rückzug aus dem gemeinsamen umfassenden Aktionsplan und die unilaterale Wiedereinführung sämtlicher zuvor aufgehobener Sanktionen gegen Iran, die in zwei Stufen am 7. August und am 5. November wieder in Kraft traten. Die Europäische Union hat ihr Bekenntnis zum Nuklearabkommen bekräftigt und eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Wirtschaftsbeziehungen mit Iran aufrechtzuerhalten. Dies umfasst auch die Aktivierung des Abwehrgesetzes (Blocking Statute), um die extraterritorialen Auswirkungen von US-Sanktionen auf EU-Unternehmen abzumildern.
(14)    Finanzinstrumente, deren Wert vom Wert anderer zugrunde liegender Variablen abhängt.
(15)    Durch einen größeren Markt stehen mehr Mittel für Geschäfte bereit.
(16)    Märkte, an denen Finanzinstrumente mit hoher Liquidität und sehr kurzen Laufzeiten gehandelt werden.
(17)    Dritter Bericht über die Fortschritte beim Abbau notleidender Kredite und der weiteren Risikominderung in der Bankenunion (COM(2018) 766 final vom 28. November 2018).
(18)    COM(2018) 767 final vom 28. November 2018.
(19)    COM(2018) 339 final vom 24. Mai 2018.
(20)      COM(2018) 322 final vom 2. Mai 2018.
(21)    COM(2018) 387 final vom 31. Mai 2018.
(22)    COM(2018) 391 final vom 31. Mai 2018.
(23)      COM(2015) 602 final vom 21. Oktober 2015.
(24)    COM(2018) 645 final vom 12. September 2018.
(25) COM(2018) 640 final vom 12. September 2018.
(26)    Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 201 vom 27.7.2012, S. 1).
(27)      Zentrale Clearing-Gegenparteien.
(28)      Abgleich von Kauf- und Verkaufsaufträgen.
(29)    Referenzzinssätze werden bei vielen Finanzkontrakten (z. B. solchen, die mit variablen Zinssätzen indexiert sind), zur Bewertung von Bilanzposten und zur Bepreisung von Derivaten wie Terminkontrakten, Optionen und Swaps herangezogen.
(30)      Verordnung (EU) 2016/1011 (ABl. L 171 vom 29.6.2012, S. 1).
(31)    Dies würde insbesondere für die Geldmärkte (auf denen hochliquide Finanzinstrumente mit sehr kurzen Laufzeiten gehandelt werden) gelten. Die Marktteilnehmer nutzen den Geldmarkt für die kurzfristige, d. h. unterjährige Kreditaufnahme und -vergabe.
(32)      Unternehmen, die über lange Zeit jederzeit bereit ist, einen finanziellen Vermögenswert zu einem offen gestellten Preis zu kaufen oder zu verkaufen.
(33)    Eine Devisenswaplinie ist eine Vereinbarung zwischen zwei Zentralbanken, ihre jeweiligen Währungen zu tauschen. Indem Swaplinien den Zugang zu Fremdwährungsliquidität auch unter widrigen Umständen erhalten, machen sie Geschäfte mit anderen Teilen der Welt sicherer. 2011 richtete die EZB zusammen mit der Bank von England, der Bank von Kanada, der Bank von Japan, der Federal Reserve Bank und der Schweizerischen Nationalbank ein Netz aus Swaplinien ein, das es den teilnehmenden Zentralbanken ermöglicht, sich Devisen voneinander zu beschaffen. 2013 schloss die EZB eine Währungsswapvereinbarung mit China.
(34)      So sind die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten mit einem Gesamtbetrag von 75,7 Mrd. EUR im Jahr 2017 nach wie vor der weltweit größte Geber öffentlicher Entwicklungshilfe.Im Rahmen der Investitionsoffensive für Drittländer dürfte ein anfänglicher EU-Beitrag von 4,1 Mrd. EUR Investitionen im Umfang von 44 Mrd. EUR freisetzen. Werden die Vorschläge der Kommission angenommen, könnte die EU im nächsten Programmplanungszeitraum insgesamt 123 Mrd. EUR an Finanzhilfen für Drittländer bereitstellen.
(35)     https://ec.europa.eu/commission/eu-external-investment-plan/what-eus-external-investment-plan_de  
(36)      Studie der JRC: http://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/bitstream/JRC96913/lbna27754enn.pdf
(37)      Von „natürlichem Hedging“ spricht man, wenn Organisationen die von großen Währungsschwankungen ausgehenden Risiken durch Ausnutzung ihrer normalen Betriebsabläufe verringern. Dazu kann gehören, dass Einnahmen in einem anderen Land und einer anderen Währung erzielt und gleichzeitig Ausgaben in dieser Währung getätigt werden.
(38)      Im Ölsektor wurden die ersten Preisbenchmarks für den physischen Markt Ende der 1980er Jahre von den großen Ölkonzernen und Ölpreismeldestellen entwickelt, die den US-Dollar verwendeten, um weltweite Transaktionen und Vergleiche zwischen verschiedenen Rohölsorten zu erleichtern.
(39)    Seit die EU-Marktbeobachtungsstellen 2014 eingerichtet wurden, werden über sie immer mehr Referenzpreise in Euro veröffentlicht (während früher die meisten Informationen für Händler in US-Dollar ausgedrückt wurden). Mit dem Vorschlag zur Gewährleistung größerer Markttransparenz, der 2019 angenommen werden soll, wird dies noch weiter konsolidiert.