Brüssel, den 21.11.2018

COM(2018) 761 final

ENTWURF DES GEMEINSAMEN BESCHÄFTIGUNGSBERICHTS DER KOMMISSION UND DES RATES

Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission

































zum Jahreswachstumsbericht 2019


INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT    

KERNBOTSCHAFTEN    

1.    ÜBERBLICK ÜBER DIE ARBEITSMARKTTRENDS UND DIE SOZIALEN ENTWICKLUNGEN SOWIE DIE HERAUSFORDERUNGEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION    

1.1    Arbeitsmarkttrends    

1.2    Soziale Trends    

2.    MOMENTAUFNAHMEN AUS DEM SOZIALPOLITISCHEN SCOREBOARD    

2.1    Beschreibung des Scoreboards    

2.2    Aus dem sozialpolitischen Scoreboard hervorgehende Anhaltspunkte    

3.    BESCHÄFTIGUNGS- UND SOZIALPOLITISCHE REFORMEN – MASSNAHMEN UND LEISTUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN    

3.1    Leitlinie 5: Ankurbelung der Nachfrage nach Arbeitskräften    

3.1.1    Schlüsselindikatoren    

3.1.2    Die Antwort der Politik    

3.2.    Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und des Zugangs zu Beschäftigung, Fähigkeiten und Kompetenzen    

3.2.1    Schlüsselindikatoren    

3.2.2    Die Antwort der Politik    

3.3.    Leitlinie 7: Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte und der Wirksamkeit des sozialen Dialogs    

3.3.1    Schlüsselindikatoren    

3.3.2    Die Antwort der Politik    

3.4.    Leitlinie 8: Förderung von Chancengleichheit für alle, Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung der Armut    

3.4.1    Schlüsselindikatoren    

3.4.2    Die Antwort der Politik    

ANHÄNGE    



VORWORT

Artikel 148 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) schreibt die Erstellung eines gemeinsamen Beschäftigungsberichts durch die Europäische Kommission und den Rat vor. Der ursprüngliche Vorschlag der Europäischen Kommission für diesen Bericht ist Teil des sogenannten Herbstpakets, zu dem auch der Jahreswachstumsbericht zählt, der den Zyklus des „Europäischen Semesters“ einleitet. Der gemeinsame Beschäftigungsbericht vermittelt alljährlich einen Überblick über die wichtigsten beschäftigungs- und sozialpolitischen Entwicklungen innerhalb der EU sowie über die in den Mitgliedstaaten im Einklang mit den Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten unternommenen Reformmaßnahmen. 1 Die Gliederung der Berichterstattung über diese Reformen folgt dem Aufbau der Leitlinien: Ankurbelung der Nachfrage nach Arbeitskräften (Leitlinie 5), Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und Verbesserung des Zugangs zu Beschäftigung, Fähigkeiten und Kompetenzen (Leitlinie 6), Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte und der Wirksamkeit des sozialen Dialogs (Leitlinie 7) und Verbesserung der Chancengleichheit für alle, Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung der Armut (Leitlinie 8).

Im Rahmen des gemeinsamen Beschäftigungsberichts wird auch die Leistung der Mitgliedstaaten in Bezug auf das im Zusammenhang mit der europäischen Säule sozialer Rechte eingeführte sozialpolitische Scoreboard erfasst. Diese Säule war als interinstitutionelle Proklamation vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission am 17. November 2017 geschaffen worden. Darin werden Grundsätze und Rechte in drei Bereichen benannt: i) Chancengleichheit und Arbeitsmarktzugang, ii) faire Arbeitsbedingungen sowie iii) Sozialschutz und soziale Inklusion. Die Verfolgung der auf diesen Feldern erzielten Fortschritte wird von einer eingehenden Analyse des die Säule begleitenden sozialpolitischen Scoreboards untermauert.

Der gemeinsame Beschäftigungsbericht ist wie folgt aufgebaut: In einem Einführungskapitel (Kapitel 1) wird über den Hauptarbeitsmarkt und soziale Entwicklungen in der Europäischen Union berichtet. In Kapitel 2 werden die wichtigsten Erkenntnisse vorgestellt, die bei der Analyse des sozialpolitischen Scoreboards, das der europäischen Säule sozialer Rechte zugehört, gewonnen wurden. Kapitel 3 enthält eine ausführliche Beschreibung von Schlüsselindikatoren (auch aus dem sozialpolitischen Scoreboard) auf Länderebene sowie der Strategien, die die Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen verfolgen.



KERNBOTSCHAFTEN

Das die europäische Säule sozialer Rechte begleitende Scoreboard zeigt auf, dass Europa Fortschritte macht. Vor dem Hintergrund der verbesserten Lage auf den Arbeitsmärkten und sinkenden Armutsquoten verzeichneten 13 der 14 Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards im vergangenen Jahr im Durchschnitt eine Verbesserung. Dennoch profitieren noch nicht alle Bürgerinnen und Bürger und nicht alle Länder in gleicher Weise von der Konjunkturbelebung. Für die Mehrzahl der Mitgliedstaaten werden Probleme mit einzelnen Grundsätzen der Säule ausgemacht. Der derzeitige Wirtschaftsaufschwung bietet die Chance, die Reformen zur Verbesserung der Inklusivität, Widerstandsfähigkeit und Fairness der Arbeitsmärkte und der Sozialschutzsysteme zu intensivieren und so die Konvergenz hin zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen in der EU zu fördern. Allerdings besteht auch das Risiko, dass die Konjunktur wieder nachlässt, weshalb die Mitgliedstaaten diese Chance dringend nutzen sollten.

Der starke Beschäftigungsschub hält an und die Beschäftigung in der EU erreicht ein Rekordniveau. Im zweiten Quartal 2018 waren rund 239 Mio. Menschen in Arbeit; dies sind 14 Millionen mehr als zum niedrigsten Stand Mitte 2013 am Höhepunkt der Krise. Die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen stieg im selben Zeitraum auf 73,2 %. Angesichts des derzeitigen Trends ist die EU auf dem richtigen Weg, das im Rahmen von Europa 2020 verfolgte Ziel einer Beschäftigungsquote von 75 % im Jahr 2020 zu erreichen. Die Beschäftigungszuwächse im Jahr 2017 und in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2018 verteilten sich auf alle großen demografischen Gruppen, wobei die größten Zuwächse wie auch in den letzten Jahren bei den älteren Arbeitskräften (55-64) zu verzeichnen waren. Allerdings lassen stark unterschiedliche Beschäftigungsquoten in der EU erkennen, dass es noch Spielraum für weitere Verbesserungen gibt, insbesondere in denjenigen Mitgliedstaaten, die noch weit davon entfernt sind, ihre einzelstaatlichen Zielvorgaben der Strategie Europa 2020 zu erreichen.

Die Arbeitslosigkeit ist auf den Stand vor der Krise zurückgegangen, ist jedoch in einer Reihe von Mitgliedstaaten nach wie vor hoch. Dank der kontinuierlichen Erholung des Arbeitsmarkts ging die Arbeitslosenquote 2017 weiter zurück und erreichte im zweiten Quartal 2018 einen Wert von 6,9 %. Sie befindet sich nun auf dem niedrigsten Stand seit zehn Jahren und liegt um mehr als 4 Prozentpunkte unter dem Höchstwert von 2013. Im Euro-Währungsgebiet liegt die Arbeitslosenquote im zweiten Quartal 2018 mit 8,3 % weiterhin einen Prozentpunkt über dem niedrigsten Stand von 2008. In Griechenland, Spanien, Italien, Kroatien und Zypern sind die Arbeitslosenquoten immer noch besonders hoch.

Die Beschäftigungszuwächse drücken sich nach wie vor stärker in der Zahl der Beschäftigten als in der Zahl der geleisteten Arbeitsstunden aus. Die Gesamtzahl der in der EU geleisteten Arbeitsstunden nahm auch 2017 – wenngleich langsamer als die Gesamtbeschäftigung – zu und hat noch nicht wieder den Stand von 2008 erreicht. Eine hohe Zahl unfreiwilliger Teilzeitkräfte (d. h. Beschäftigte mit Teilzeitverträgen, die aber gerne länger arbeiten möchten) – es sind immer noch 1,3 Millionen mehr als 2008 – deutet auf eine fortbestehende Stagnation des Arbeitsmarktes hin. Die rückläufige Zahl der geleisteten Arbeitsstunden pro Person ist dennoch Teil eines strukturellen Trends, der Anfang der 2000er Jahre einsetzte.

Die Einkommen der Haushalte steigen weiterhin in nahezu allen Mitgliedstaaten an. In den Mitgliedstaaten, die der Union erst vor Kurzem beigetreten sind, hat sich das reale Pro-Kopf-Einkommen der Haushalte stärker erhöht, was den Prozess der Aufwärtskonvergenz unterstützt. Diese Entwicklungen gehen zwar vor allem auf günstige wirtschaftliche Bedingungen zurück, teilweise jedoch auch auf Reformen, die zu Verbesserungen bei der Angemessenheit der Sozialleistungen, einschließlich Regelungen über Mindesteinkommen, geführt haben. In einer Reihe von Ländern haben die realen verfügbaren Bruttoeinkommen pro Kopf allerdings bei weitem noch nicht wieder das Vorkrisenniveau erreicht. Die Einkommen der Haushalte nahmen langsamer zu als das BIP, was darauf hinweist, dass Einkommenszuwächse aus der Konjunkturbelebung die privaten Haushalte nur bis zu einem gewissen Grad erreicht haben; dies wirft Fragen hinsichtlich der Inklusivität des jüngsten Wachstums auf.

Aufgrund des robusten Aufschwungs von Wirtschaft und Arbeitsmarkt ging der Anteil der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen 2017 deutlich zurück. Mehr als 5 Millionen Menschen gelang es, Armut oder soziale Ausgrenzung zu überwinden; dies ist der stärkste Rückgang seit Beginn der Konjunkturbelebung. Diese Veränderung geht in erster Linie darauf zurück, dass die Zahl der Menschen, die von einer erheblichen materiellen Deprivation betroffen sind und/oder in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität leben, zurückgegangen ist (seit den jeweiligen Spitzen sind diese Indikatoren um 15 bzw. 8 Mio. gefallen). Die Gesamtzahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen liegt nun im Jahr 2017 mit 113 Millionen Menschen bzw. 22,5 % der Gesamtbevölkerung unter dem Stand vor der Krise. Schätzungen zufolge setzt sich dieser Trend auch im nächsten Jahr fort. Allerdings ist es noch ein langer Weg, bis das Ziel der Strategie Europa 2020 zur Verringerung der Armut und der sozialen Ausgrenzung erreicht ist. Die Gefahr von Armut oder sozialer Ausgrenzung ist nach wie vor eine Herausforderung, insbesondere für Kinder, Menschen mit Behinderungen und Menschen mit Migrationshintergrund.

Das Reallohnwachstum, das sich im Jahr 2017 verlangsamt hatte, hat 2018 wieder angezogen. Insgesamt bleibt das Lohnwachstum hinter den Erwartungen angesichts der positiven Arbeitsmarktlage und der Wirtschaftsleistung zurück. Die geringe Lohndynamik in den vergangenen Jahren lässt sich durch ein schwaches Produktivitätswachstum, weiterhin niedrige Inflationserwartungen und noch vorhandene Reserven auf dem Arbeitsmarkt erklären. Die Durchschnittslöhne liegen real in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor unter dem Vorkrisenniveau, und das Lohnwachstum blieb 2017 hinter dem Produktivitätszuwachs zurück. Dies entspricht einem langfristigen Trend: EU-weit ist im Zeitraum 2000 bis 2017 die reale Wertschöpfung je Erwerbstätigen um 15,6 % gestiegen, während die reale Vergütung pro beschäftigte Person um lediglich 11,2 % gestiegen ist. Trotz dieser Entwicklungen gibt es Anzeichen dafür, dass die Arbeitseinkommen konvergieren, auch wenn es noch große Unterschiede zwischen und innerhalb von Mitgliedstaaten gibt.

Die Rahmenbedingungen für die Lohnfestsetzung (einschließlich Mindestlöhne) beginnen auf die Verbesserung der Arbeitsmarktbedingungen zu reagieren. So wurden insbesondere die gesetzlichen Mindestlöhne in mehreren Ländern unter Beteiligung der Sozialpartner angehoben. Diese Entwicklung ist angesichts der in einer Reihe von Mitgliedstaaten anhaltend hohen Armut trotz Erwerbstätigkeit von Bedeutung; hier sind auch Maßnahmen in den Bereichen Steuersystemgestaltung und Angemessenheit der Leistungen erforderlich. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Anpassung der Mindestlöhne auf transparente und vorhersehbare Weise erfolgt; dabei sind die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu berücksichtigen.

Es werden kontinuierlich neue Arbeitsplätze geschaffen und trotzdem kommen einige Gruppen nur schwer in den Genuss der Vorteile der Konjunkturerholung. Das Beschäftigungswachstum im Jahr 2017 geht hauptsächlich auf Frauen, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und hoch qualifizierte Arbeitskräfte zurück. Die Beschäftigungsquote der gering qualifizierten Arbeitskräfte ist dagegen immer noch geringer als vor der Krise und liegt fast 30 Prozentpunkte unter dem Wert für hoch qualifizierte Arbeitskräfte. Die Beschäftigungsquote junger Menschen ist zwar gestiegen, ist aber niedriger als 2008 (um 2,7 Prozentpunkte). Positiv ist zu vermerken, dass der Anteil der jungen Menschen, die weder einen Arbeitsplatz haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren, mit 10,9 % nun wieder auf dem Vorkrisenstand liegt. Die Beschäftigungsfähigkeit von Personen mit Migrationshintergrund lässt noch zu wünschen übrig: Das Beschäftigungsgefälle zwischen einheimischen und nicht in der EU geborenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern belief sich 2017 auf 10 Prozentpunkte (2008 betrug es nur 4,5 Prozentpunkte). Dieses Gefälle zeigt sich besonders deutlich bei Migrantinnen. Außerdem nehmen Menschen mit Behinderungen tendenziell weniger am Arbeitsmarkt teil; also bleiben ihre Talente weitgehend ungenutzt.

Die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt nimmt weiterhin rasch zu. Die Beschäftigungsquote von Frauen lag 2017 bei 66,5 % und damit fast 5 Prozentpunkte höher als 2008. Allerdings ist die geschlechtsspezifische Diskrepanz bei der Beschäftigungsquote nach wie vor hoch, und zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen erhebliche Unterschiede. Obwohl Frauen im Allgemeinen besser qualifiziert sind als Männer, d. h. ein höheres Bildungsniveau erlangt haben, ist das Einkommensgefälle zwischen den Geschlechtern groß und geht nur allmählich zurück. Frauen sind in Tätigkeitsfeldern und Berufen mit geringerer Bezahlung überrepräsentiert und häufiger für die von ihnen verrichtete Arbeit überqualifiziert. Die Auswirkungen der Elternschaft und der Betreuungspflichten sind nach wie vor der Hauptgrund für niedrigere Beschäftigungsquoten, und es ist das unzulängliche Diensteangebot, das eine Fortführung der Berufstätigkeit oder die Rückkehr in den Arbeitsmarkt erheblich behindert. Darüber hinaus sind informelle Betreuungskräfte, die mehrheitlich Frauen sind, stärker von Armut und finanzieller Abhängigkeit bedroht, denn Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn bedingen häufig niedrigere Rentenansprüche. Eine Reihe von Mitgliedstaaten ergreift Maßnahmen, um einen erschwinglichen und gleichberechtigten Zugang zu Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegediensten von hoher Qualität zu gewährleisten, aber das Problem ist noch längst nicht gelöst. Eine ausgewogenere Verteilung familiär begründeter, bezahlter Urlaubsansprüche zwischen Frauen und Männern wäre in einigen Fällen von Vorteil. Einige Mitgliedstaaten passen ihre Steuer- und Sozialleistungssysteme an, um Negativanreize zu beseitigen, die Zweitverdiener von der Aufnahme einer Arbeit abhalten. Konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Einkommensgefälles sind nur in einer begrenzten Anzahl von Ländern vorhanden.

Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer ist über das letzte Jahrzehnt deutlich angestiegen. In der Altersgruppe der 55-64-Jährigen erhöhte sie sich von 45,5 % im Jahr 2008 auf 57,1 % im Jahr 2017. Ältere Arbeitnehmer waren vergleichsweise besser vor der Rezession geschützt: Ihre Beschäftigungsquote stieg während der Krise weiter an und wurde zu einem wichtigen Motor für den Beschäftigungsaufschwung. Die Zunahme der Lebensarbeitszeit wird durch eine Reihe von Faktoren bestimmt, u. a. die Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters, einen besseren Zugang zu Betreuungsdiensten, die Verfügbarkeit flexibler Arbeitsregelungen und Strategien für aktives Altern. Mehrere Mitgliedstaaten fördern die Arbeitsmarktbeteiligung älterer Arbeitnehmer weiter, unter anderem indem sie flexible Übergänge in den Ruhestand unterstützen und sowohl Arbeitgebern als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finanzielle Anreize bieten.

Die Situation junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt verbessert sich weiterhin, allerdings bleibt die Jugendarbeitslosigkeit in einer Reihe von Mitgliedstaaten hoch. Die Jugendarbeitslosenquote (Altersgruppe 15-24 Jahre) nimmt zwar stetig ab und liegt wieder auf dem Stand von 2008‚es gibt jedoch große Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und in einigen Ländern sehr hohe Werte. Ein noch beträchtlicher Anteil der jungen Menschen ist nicht erwerbstätig. Insgesamt waren 2017 in der EU fast 6 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren weder in Beschäftigung noch in einer schulischen oder beruflichen Ausbildung (NEETs - Not in Employment, Education or Training). Dauert diese Situation an, kann die Ablösung junger Menschen vom Arbeitsmarkt negative Auswirkungen auf das Wachstumspotenzial und für die Betroffenen selbst haben, wie etwa den Verlust fachlicher Fähigkeiten und später ein höheres Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung. Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Einklang mit der Empfehlung des Rates für eine Jugendgarantie geben maßgebliche Impulse für eine Verbesserung der Lage.

Die Gewährleistung des Zugangs zu hochwertiger und inklusiver allgemeiner und beruflicher Bildung befähigt die jüngeren Generationen dazu, engagierte und aktive Bürgerinnen und Bürger zu werden, und hilft ihnen, sich in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren. In Bezug auf den frühzeitigen Schulabgang macht Europa Fortschritte bei der Verwirklichung des für 2020 anvisierten Kernziels von 10 % und hat das 40-Prozent-Ziel bei den tertiären Bildungsabschlüssen fast erreicht. Allerdings gibt es nach wie vor große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen Bevölkerungsgruppen (etwa zwischen Männern und Frauen sowie zwischen einheimischen und nicht in der EU geborenen Personen). Der hohe Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Leistungsdefiziten bei den Grundkompetenzen sowie die starke Korrelation zwischen Bildungsergebnissen und sozioökonomischem Status und Arbeitsmarktergebnissen sind bedenklich. Die Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen zur Stärkung ihrer Bildungssysteme, insbesondere zur weiteren Senkung der Abbruchsquoten, zur Förderung des gleichberechtigten Zugangs und zur Verbesserung der Bildungsergebnisse unter den Lernbenachteiligten. Mehr (und effizientere) Investitionen in die Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung haben in einigen Mitgliedstaaten Priorität. Die Verbesserung der Qualität der Hochschulbildung und ihrer Relevanz für den Arbeitsmarkt steht ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung der Mitgliedstaaten, insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Tertiärabschlussquoten.

Der technologische Wandel und die damit verbundenen Veränderungen auf den Arbeitsmärkten machen eine Weiter- und Neuqualifizierung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter unabdingbar. Eine arbeitsmarktrelevante Qualifikation wird für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer wichtiger, damit sie sich an ein sich rasch veränderndes Umfeld anpassen können. In der EU beträgt das Verhältnis zwischen gering qualifizierten Erwachsenen und der Zahl der Arbeitsplätze mit niedrigen Qualifikationsanforderungen im Durchschnitt drei zu eins. Trotzdem nehmen gering qualifizierte und ältere Menschen eher selten und deutlich unterdurchschnittlich an Programmen der Erwachsenenbildung teil. Erhebliche Defizite bestehen nach wie vor bei den digitalen Kompetenzen: Mehr als 40 % der Erwachsenen in der EU verfügen nicht über IKT-Grundkenntnisse, in einigen Mitgliedstaaten sind es sogar 70 %. Dies bedeutet, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung keinen Zugang zu einer ganzen Bandbreite von Dienstleistungen hat, was sich negativ auf die Inklusion und die Produktivität auswirkt.

Die Mitgliedstaaten passen ihre Systeme zur Entwicklung von Kompetenzen an und erarbeiten Strategien zur Verbesserung der Arbeitsmarktrelevanz der Ausbildungen, um den Übergang der Lernenden in den Arbeitsmarkt und Übergänge innerhalb des Arbeitsmarktes zu erleichtern. Dazu gehört, Kompetenzen und Qualifikationen in ganz Europa verständlicher zu machen und anzuerkennen, sowie auch die Berücksichtigung des Lernens außerhalb der institutionellen Rahmenbedingungen. Die Systeme der beruflichen Aus- und Weiterbildung werden derzeit mit dem Ziel überarbeitet und aktualisiert, ihre Arbeitsmarktrelevanz zu verbessern und den Zugang zu diesen Systemen zu fördern, aber auch in diesen Bereichen bleibt noch einiges zu tun. Die Schaffung von Anreizen für benachteiligte Gruppen, an der Erwachsenenbildung teilzunehmen, sowie eine zweckdienliche Orientierung und die finanzielle Unterstützung von Unternehmen bei der Schulung ihrer Beschäftigten sind wichtige politische Hebel, die bessere Ergebnisse bewirken können. Im Einklang mit der Initiative „Weiterbildungspfade“ bauen die Mitgliedstaaten die Angebote für Lern- und Qualifizierungsmöglichkeiten für gering qualifizierte Erwachsene weiter aus. Die Förderung der Entwicklung digitaler Kompetenzen nimmt bei den Bildungs- und Kompetenzprioritäten der Mitgliedstaaten einen wichtigen Platz ein.

Die Häufigkeit atypischer Beschäftigungsverhältnisse ist auf EU-Ebene weitgehend unverändert, allerdings ist eine starke Arbeitsmarktsegmentierung in einer Reihe von Mitgliedstaaten nach wie vor problematisch. Der Anteil der Beschäftigten mit einem befristeten Vertrag hat sich in den letzten Jahren nicht wesentlich verändert und liegt durchschnittlich bei rund 14 %. Insgesamt arbeitet mehr als die Hälfte der befristet Beschäftigen unfreiwillig unter einem solchen Vertrag; in 12 Mitgliedstaaten liegt dieser Wert sogar bei 70 % bzw. höher. In einigen Ländern ist die Kombination aus einem hohen Anteil befristeter Verträge und niedrigen Quoten für die Übernahme in unbefristete Verträge symptomatisch für die Dualität des Arbeitsmarkts. Dies ist bedenklich, da die Arbeitsplätze atypisch Beschäftigter von geringerer Qualität sind und das Risiko von Armut trotz Erwerbstätigkeit bei ihnen höher ist. Hinzu kommt, dass die Situation von etwa einem Viertel aller Selbstständigen in der EU als „gefährdet“ oder „scheinselbstständig“ eingestuft werden kann. Auch Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass der Anteil der Personen, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens aus der Arbeit auf Plattformen beziehen, inzwischen etwa 2 % erreicht hat (2017) und voraussichtlich steigen wird, weshalb die Politik dieser Entwicklung höhere Aufmerksamkeit schenken sollte. In einigen Mitgliedstaaten werden die Beschäftigungsschutzgesetze reformiert, um ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Flexibilität und Sicherheit zu erreichen und eine Segmentierung zu vermeiden. Dazu gehören in einigen Fällen strengere Bedingungen für den Rückgriff auf Zeitverträge oder ein größerer Spielraum zur Festlegung der Bedingungen hierfür im Rahmen von Tarifverhandlungen. In einigen Mitgliedstaaten wurden Vorschriften für neue Beschäftigungsformen eingeführt, darunter auch für auf Online-Plattformen beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und für Selbstständige ohne abhängig Beschäftigte.

Leistungen bei Arbeitslosigkeit in zulänglicher Höhe und angemessener Dauer, die allen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zugänglich sind und mit wirksamen Aktivierungsmaßnahmen einhergehen, sind für die Unterstützung von Arbeitsuchenden in Übergangsphasen von zentraler Bedeutung. Die Gestaltung dieser Systeme ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat und über alle Dimensionen hinweg sehr unterschiedlich. Die jüngsten Reformen in diesem Bereich konzentrierten sich in erster Linie auf die Stärkung der Aktivierungsanforderungen für Arbeitsuchende, die Leistungen erhalten, beispielsweise indem die Pflichten im Zusammenhang mit der Arbeitsplatzsuche und der Annahme einer neuen Tätigkeit verschärft werden. Bedenklich bleibt die Absicherung atypischer Arbeitnehmer, die häufig keinen vollen Zugang zum System haben, und die fehlende Absicherung von Selbstständigen – Fragen, die im Vorschlag der Kommission für eine Empfehlung des Rates über den Zugang von Arbeitnehmern und Selbstständigen zum Sozialschutz thematisiert werden.

Wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und effiziente öffentliche Arbeitsverwaltungen sind von entscheidender Bedeutung, um gut funktionierende und inklusive Arbeitsmärkte zu gewährleisten. Aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen verbessern die Abstimmung von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt und erhöhen die Chancen, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Ihre Rolle ist besonders wichtig, um die Integration von Langzeitarbeitslosen zu fördern. Die Aufgabe, Arbeitslose bei der Arbeitsplatzsuche zu unterstützen und sie Aktivierungsmaßnahmen zuzuführen, obliegt hauptsächlich den öffentlichen Arbeitsverwaltungen. Allerdings sind die Beteiligung an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und einschlägige Investitionen in der EU sehr unterschiedlich. Ähnlich weicht – wenn es um die Unterstützung bei der Arbeitsplatzsuche geht – auch die Effizienz der öffentlichen Arbeitsverwaltungen zwischen den Mitgliedstaaten und manchmal innerhalb eines Mitgliedstaates voneinander ab. Während in den meisten Mitgliedstaaten wesentliche Maßnahmen ergriffen werden, deren Schwerpunkt auf der Bereitstellung individualisierter Dienstleistungen liegt, gibt es in einigen Mitgliedstaaten durchaus noch Spielraum für eine Intensivierung der aktiven Arbeitsmarktpolitik. Die Mitgliedstaaten haben insbesondere Fortschritte bei der Umsetzung der Empfehlung des Rates zur Wiedereingliederung Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt erzielt, wobei weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren zu fördern und den Kontakt zu nicht erwerbstätigen Personen zu verbessern. Die öffentlichen Arbeitsverwaltungen setzen ihre Reformagenda im Rahmen des europäischen ÖAV-Netzwerks fort. Während einige Mitgliedstaaten weitere Maßnahmen ergriffen haben, um die Integration von Migranten (mit besonderem Schwerpunkt auf Flüchtlingen) in den Arbeitsmarkt zu fördern, mangelt es an systematischen Ansätzen, und es muss mehr in die Weiterqualifizierung und die Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen, eine effiziente Arbeitsmarktpolitik und die Unterstützung durch öffentliche Arbeitsverwaltungen investiert werden.

Zum ersten Mal seit der Krise nahm 2017 die Einkommensungleichheit in der EU leicht ab, weil die Einkommen einkommensschwacher Haushalte rascher angestiegen sind. Dies deutet darauf hin, dass die Konjunkturerholung langsam auch die Schwächsten erreicht. Den vorliegenden Schätzungen ist zu entnehmen, dass sich dieser positive Trend in den meisten Mitgliedstaaten fortsetzen wird. Allerdings verfügten in der EU im Jahr 2017 die reichsten 20 % der Bevölkerung über ein verfügbares Einkommen von rund dem 5,1-fachen des Einkommens der ärmsten 20 % (2016: 5,2 %), wobei sich zwischen den einzelnen Ländern erhebliche Diskrepanzen feststellen ließen. In einigen Ländern liegt die Ungleichheit über dem Stand vor der Krise, was häufig mit ungleichen Chancen beim Zugang zu Bildung, Ausbildung und sozialem Schutz zusammenhängt und mit schlechten Arbeitsmarktergebnissen korreliert. Einige Mitgliedstaaten haben bereits politische Maßnahmen zur Verringerung der Ungleichheiten eingeleitet, insbesondere bei der Gestaltung von Mindestlohnregelungen sowie der Steuer- und Sozialleistungssysteme. Damit derartige Ungleichheiten nicht von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, können die Mitgliedstaaten weitere Maßnahmen in einer Reihe von Bereichen ergreifen, so z. B. indem sie die Chancengleichheit bei Aus- und Weiterbildung fördern, den Zugang zu einer hochwertigen Gesundheitsversorgung und anderen Diensten gewährleisten, die Geschlechtergleichstellung vorantreiben und etwas gegen regionale Ungleichgewichte unternehmen.

Die gemessene Wirksamkeit sozialer Transferleistungen (mit Ausnahme von Renten) auf die Armutsbekämpfung ging 2017 weiter zurück. Dies geht mit einer verringerten automatischen Stabilisatorwirkung in einer Phase der wirtschaftlichen Expansion einher, allerdings bestehen nach wie vor große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Die armutslindernde Wirksamkeit sozialer Transferleistungen ging vor allem in den alten Mitgliedstaaten der Union zurück, während sie in den Ländern, die erst kürzlich der EU beigetreten sind, zugenommen hat (was darauf schließen lässt, dass Konvergenz stattfindet). Das Gesamtergebnis hängt von den verbesserten Arbeitsmarktbedingungen (und den damit in Zusammenhang stehenden Merkmalen armutsgefährdeter Personen) sowie von den Veränderungen bei der Angemessenheit und dem Umfang der Leistungen ab (einschließlich der Tatsache, dass diese Leistungen zuweilen hinter den allgemein steigenden Einkommen zurückbleiben). Wie die Ergebnisse des Benchmarkings zeigen, ist die Angemessenheit von Mindesteinkommensleistungen in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich.

Die Mitgliedstaaten ergreifen weiterhin Maßnahmen zur Modernisierung der Sozialschutzsysteme, zur Stärkung des Erfassungsgrads und der Angemessenheit von Leistungen und Dienstleistungen. Es werden Schritte unternommen, um den Zugang zum Sozialschutz zu verbessern, insbesondere für atypisch Beschäftigte und Selbstständige, in Bezug auf die es nach wie vor erhebliche Lücken zu beklagen gibt. Auch im Hinblick auf neue Formen der Beschäftigung werden innovative Maßnahmen eingeleitet. Die Anstrengungen für eine Verbesserung der Angemessenheit der Leistungen werden fortgesetzt, in einigen Fällen kam es allerdings zu Verzögerungen. Eine Reihe von Mitgliedstaaten verbessern ihre Mindesteinkommenssysteme, indem sie im Rahmen einer Strategie der aktiven Eingliederung ein angemessenes Maß an Unterstützung mit dem Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen sowie Anreizen zur (Wieder-)Eingliederung in den Arbeitsmarkt kombinieren. Einige Mitgliedstaaten intensivieren die integrierte Erbringung von Leistungen (z. B. Sozialhilfe, Arbeitsvermittlungs- und andere soziale Dienste). In einem Kontext, in dem zahlreiche Haushalte einen erheblichen Anteil ihres Einkommens für Miete und Nebenkosten aufwenden müssen und die Zahl der Obdachlosen nicht zurückgegangen ist, haben einige Mitgliedstaaten Reformen durchgeführt, um den Zugang zu Wohnraum zu verbessern, entweder durch die Bereitstellung von Anreizen oder durch Präventivmaßnahmen.

Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung machen eine Anpassung der Altersversorgungs-, Gesundheits- und Langzeitpflegesysteme zwingend erforderlich. Die Nachfrage nach Langzeitpflege und Gesundheitsversorgung steigt und die Bedürfnisse ändern sich mit der Alterung der Bevölkerung. In den nächsten fünf Jahrzehnten verdoppelt sich die Zahl der Europäer ab 80 Jahren. 2050 kommen auf eine Person über 65 nur zwei Personen im erwerbsfähigen Alter (15-64 Jahre); heute sind es noch drei Personen und der Quotient sinkt bereits. Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Tragfähigkeit stehen in vielen Mitgliedstaaten nach wie vor im Vordergrund, aber angesichts des Vorstehenden wird es immer wichtiger, dass die Angemessenheit der Altersversorgung sichergestellt wird. Die Kapazität der Altersversorgungsleistungen als Einkommensersatz und Armutsprävention variiert stark zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten. Mehr und mehr ergreifen die Mitgliedstaaten Maßnahmen, um die Angemessenheit der Altersversorgung durch Mindestgarantien und eine Indexierung der Leistungen zu sichern, einen flexiblen Eintritt in den Ruhestand zu fördern, die Bedingungen für den Erwerb von Altersversorgungsansprüchen auf verschiedene Kategorien von Arbeitnehmern zuzuschneiden und die Rolle von Systemen der ergänzenden Altersversorgung zu stärken. 

Die Verbesserung des Zugangs zu hochwertiger Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege sowie deren Wirksamkeit sind ein Leitprinzip für Reformen in den Mitgliedstaaten. Manchen Europäern wird der Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung weiterhin durch die Kosten und die Wartezeiten erheblich erschwert. Daher liegt der Schwerpunkt in einer Reihe von Mitgliedstaaten auf einer Effizienzverbesserung durch bessere Koordinierung und eine Stärkung der Rolle der Primärversorgung und Prävention. Es werden Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung und der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im Gesundheitswesen ergriffen. Im Bereich der Langzeitpflege werden die meisten Pflegeleistungen nach wie vor von den Familienangehörigen erbracht, da es in der Mehrzahl der Mitgliedstaaten an umfassenden Systemen fehlt, die die Pflege im Alter abdecken. Die derzeitigen Reformen zielen darauf ab, ein System der Unterstützung für informelle Betreuer und betreuende Familienangehörige durch öffentliche Einrichtungen mit einem Netz von kommunalen und institutionellen Dienstleistungen zu kombinieren und dabei die Nachhaltigkeit angesichts des demografischen Wandels nicht aus den Augen zu verlieren.

Ein gut funktionierender sozialer Dialog ist ein Schlüsselelement der europäischen sozialen Marktwirtschaft. Er trägt zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts und zur Entschärfung gesellschaftlicher Konflikte zum wechselseitigen Nutzen der Beschäftigten, der Arbeitgeber und der Regierungen bei. Die Einbeziehung der Sozialpartner in die Vorbereitung von Reformen kann deren Gestaltung und Umsetzung verbessern, die Eigenverantwortung der Bürgerinnen und Bürger erhöhen und letztlich zu besseren sozioökonomischen Ergebnissen führen. Allerdings sind Grad und Auswirkungen der Beteiligung der Sozialpartner je nach Mitgliedstaat sehr unterschiedlich und in mehreren Fällen schwach ausgeprägt. Zwar gibt es kein Patentrezept für die Verfahren des sozialen Dialogs, doch gibt es in einigen Mitgliedstaaten klare Möglichkeiten, die Kapazität der Sozialpartner zu verbessern und ihnen einen angemessenen Rahmen für eine vorhersehbare und rechtzeitige Konsultation zu bieten, dies auch in allen Schlüsselphasen des Europäischen Semesters. Gleichermaßen können die Erfahrungen zivilgesellschaftlicher Organisationen eine wichtige Rolle spielen und sind maßgeblich, wenn es sicherzustellen gilt, dass Reformen wirksam konzipiert und umgesetzt werden. Der Grad der Zusammenarbeit mit den gesellschaftlichen Interessenträgern ist jedoch von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat sehr unterschiedlich, wobei die Kapazität zur aktiven Beteiligung an der politischen Debatte nicht in allen Mitgliedstaaten ausreichend vorhanden ist, was ein Problem darstellt.



1.    ÜBERBLICK ÜBER DIE ARBEITSMARKTTRENDS UND DIE SOZIALEN ENTWICKLUNGEN SOWIE DIE HERAUSFORDERUNGEN IN DER EUROPÄISCHEN UNION

Dieser Abschnitt vermittelt anhand einer detaillierten analytischen Darstellung der wichtigsten beschäftigungs- und sozialpolitischen Bereiche einen Überblick über die Arbeitsmarkttrends und die sozialen Entwicklungen sowie die Herausforderungen in der Europäischen Union.

1.1    Arbeitsmarkttrends

Die Arbeitsmarktbedingungen verbessern sich weiter und der Beschäftigungsstand erreicht in der EU ein neues Rekordniveau. Getragen vom starken Wirtschaftswachstums (2,4 %) stieg die Anzahl der Personen in Beschäftigungsverhältnissen in der EU im Jahr 2017 um 1,6 %, was dem höchsten Zuwachs seit Beginn der Erholung entspricht. In den ersten beiden Quartalen des Jahres 2018 stieg die Gesamtbeschäftigung weiter an und erreichte 238,9 Millionen 2 . Dies sind etwa 3,2 Millionen Arbeitsplätze mehr als vor einem Jahr und stellt den höchsten Stand dar, der jemals in der EU erreicht wurde. Seit sich der Beschäftigungsstand ab Mitte 2013 erholt hat, wurden über 14 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

Die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen steigt stetig an und nähert sich dem Ziel von Europa 2020. Sie stieg im Jahr 2017 etwas schneller als im Jahr 2016, und zwar um 1,1 Prozentpunkte auf 72,2 %. In den ersten beiden Quartalen 2018 legte sie weiter zu und erreichte 73,2 % (Schaubild 1). Hält diese positive Entwicklung im gegenwärtigen Tempo an, wäre die EU gut positioniert, um das Ziel von Europa 2020, nämlich eine Beschäftigungsquote von 75 % zu erreichen. Die Lage verbessert sich auch im Euro-Währungsgebiet weiter, wo die Beschäftigungsquote im zweiten Quartal 2018 mit 71,9 % ihren höchsten Wert erreichte. Diese positiven Entwicklungen werden durch einen anhaltenden Aufwärtstrend der Teilhabe am Arbeitsmarkt getragen. Im zweiten Quartal 2018 erreichte die Erwerbsquote (Altersgruppe 15–64 Jahre) ein Rekordhoch von 73,8 % (73,5 % im Euro-Währungsgebiet). Sie verzeichnet in der EU selbst während der Krise ein konstantes Wachstumstempo, wodurch der Rückstand auf die Vereinigten Staaten aufgeholt werden konnte. Im Jahr 2017 waren ältere Arbeitnehmer und Frauen weiterhin der Motor für den Anstieg der Erwerbsbeteiligung.

Die Arbeitslosenquote ist wieder auf das Vorkrisenniveau gefallen. Dank des anhaltenden Trends zur Schaffung von Arbeitsplätzen sank die Arbeitslosenquote im zweiten Quartal 2018 weiter auf 6,9 %. Ein solcher Stand konnte in der EU seit dem zweiten Quartal 2008 nicht mehr verzeichnet werden und liegt 4 Prozentpunkte unter dem Spitzenwert von 2013. Im Euro-Währungsgebiet ist der Fortschritt weniger deutlich. Die Arbeitslosenquote verbleibt dort mit 8,3 % im zweiten Quartal 2018 einen Prozentpunkt über dem niedrigsten Stand aus dem Jahr 2008. Diese positiven Entwicklungen gehen mit einem anhaltenden Rückgang der Langzeitarbeitslosenquote (d. h. Anteil der seit mindestens einem Jahr arbeitslosen Personen an der Erwerbsbevölkerung) einher, die im Vergleich zum Vorjahr im zweiten Quartal 2018 um 0,5 Prozentpunkte auf 3 % gefallen ist (3,9 % im Euro-Währungsgebiet). Obwohl die Arbeitslosigkeit, einschließlich der Langzeitarbeitslosigkeit, in allen Mitgliedstaaten im Laufe des letzten Jahres zurückgegangen ist, zeichnet sich weiterhin eine erhebliche Streuung der Arbeitslosenquoten ab (wie in Abschnitt 3.1.1 erläutert). Einige Länder liegen noch immer weit hinter dem niedrigsten Stand vor der Krise zurück.

Schaubild 1: Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten in der EU und im Euro-Währungsgebiet

Quelle: Eurostat, AKE. Anmerkung: saisonbereinigte Zahlen für das 2. Quartal 2018.

Die Jugendarbeitslosigkeit nimmt ebenfalls weiterhin rasch ab und ihre Quote sank im zweiten Quartal 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 1,8 Punkte auf 15,2 % (16,9 % im Euro-Währungsgebiet). Dieses Niveau entspricht dem niedrigsten Stand unmittelbar vor der Krise (2. Quartal 2008) und liegt jetzt fast 9 Prozentpunkte unter dem Spitzenwert von 2013. Die Jugendarbeitslosigkeit ist in einigen Mitgliedstaaten jedoch weiterhin hoch. In Spanien, Italien und Griechenland liegt die Quote bei über 30 % (siehe Abschnitt 3.2.1). Kontinuierliche Verbesserungen zeichnen sich bei der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen ab, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden (NEET). Ihre Arbeitslosenquote sank im Jahr 2017 um 0,6 Prozentpunkte auf 10,9 %, was etwa dem Niveau von 2008 entspricht.

Spiegelbildlich zum Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit ist ein Anstieg bei den Bildungsabschlüssen der Jugendlichen zu verzeichnen: Die Quote der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger im Alter von 18 bis 24 Jahren, die im Laufe der letzten zehn Jahre stetig abgenommen hat, erreichte im Jahr 2017 einen Stand von 10,6 %, was wiederum einem Rückgang um 0,1 Prozentpunkte entspricht. Dieser Wert liegt sehr nahe am Ziel von Europa 2020 (10 %), eine weitere Senkung erscheint jedoch möglich 3 . Die Quote der tertiären Bildungsabschlüsse für die Altersgruppe der 30- bis 34-Jährigen stieg weiterhin stetig an und erreichte im Jahr 2017 39,9 %, was fast dem Ziel von Europa 2020 (40 %) entspricht.

Die Erholung verläuft hinsichtlich der Anzahl an Arbeitnehmern nach wie vor besser als in Bezug auf die Arbeitsstunden. Die Menge an Arbeitsstunden in der EU nahm im Jahr 2017 um 1,2 % zu und die positive Entwicklung, die im Jahr 2015 begann, setzte sich somit fort. Dennoch blieb dieser Anstieg hinter dem Zuwachs der Gesamtbeschäftigung (1,6 %, siehe oben) zurück, was darauf schließen lässt, dass die Anzahl der Arbeitsstunden pro Kopf gesunken ist. Die Gesamtarbeitsstunden haben noch nicht wieder den Spitzenwert von 2008 erreicht. Diese Nachweise deuten neben weiteren Indikatoren auf eine anhaltende Flaute am Arbeitsmarkt hin. Im Jahr 2017 gab es in der EU fast 9 Millionen Arbeitnehmer, die unfreiwillig einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen und gerne mehr arbeiten würden. Im Vergleich zum Spitzenwert von 10,3 Millionen aus dem Jahr 2013 entspricht dies zwar einem Rückgang, aber der Wert liegt noch immer 1,3 Millionen über dem Niveau von 2008. Langfristig betrachtet ist die mäßige Dynamik der Arbeitsstunden Teil eines strukturellen Wandels, mit dem ein zunehmendes Aufkommen an Teilzeitarbeit in den letzten 15 Jahren und sich verändernde Präferenzen der Arbeitnehmer bei den Arbeitszeitregelungen verbunden sind: Folglich geht die Anzahl der Arbeitsstunden pro Person seit 2000 schrittweise zurück 4 .

Der Beschäftigungszuwachs verteilte sich im Jahr 2017 auf alle wichtigen Bevölkerungsgruppen. Wie in den Vorjahren war der größte Zuwachs bei den älteren Arbeitnehmern (55 bis 64 Jahre) zu verzeichnen (Schaubild 2): Die Zahl der Beschäftigten nahm in dieser Gruppe im Jahr 2017 um 4,3 % zu, wodurch die Beschäftigungsquote auf 57,1 % anstieg, den bisher höchsten Stand (fast 12 Prozentpunkte höher als im Jahr 2008). Die Zahl junger Menschen (15 bis 24 Jahre) mit einer Beschäftigung stieg etwas schneller an als im Jahr 2016 (1,6 % gegenüber 1,3 %). Dennoch hat sich die Jugendbeschäftigungsquote von der Krise nicht vollständig erholt, zumal sie mit 34,7 % im Jahr 2017 2,7 Prozentpunkte unter dem Wert von 2008 bleibt. Angesichts einer stabilen Erwerbsquote von 41,7 % im Jahr 2017 gegenüber 41,6 % im Jahr 2016 sorgt der Beschäftigungszuwachs trotzdem für einen anhaltenden Rückgang der Arbeitslosigkeit bei dieser Altersgruppe. Bei den Frauen stieg die Beschäftigungsquote im Jahr 2017 mit 1,5 % etwas schneller als bei den Männern (1,3 %). Das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung bleibt mit 11,5 Prozentpunkten (0,1 Prozentpunkte unter dem Stand von 2016) jedoch nahezu unverändert, liegt aber deutlich unter dem Wert vor der Krise, der sich im Jahr 2008 auf 15 Prozentpunkte belief. Obwohl die Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen, die außerhalb der EU geboren wurden, im Jahr 2017 um 1,7 Punkte auf 63 % angestiegen ist, liegt sie weiterhin 10 Prozentpunkte unter dem Wert für die Personen, die in der EU geboren wurden. Bei Frauen ist der Unterschied noch größer (etwa 14 Prozentpunkte).

Schaubild 2: Beschäftigungsquoten und Beschäftigungswachstum in der EU für unterschiedliche Gruppierungen

Quelle: Eurostat, AKE.

Aufgrund der Erholung steigt die Zahl der hochqualifizierten Arbeitnehmer in der Wirtschaft weiter an. Die Zahl der Personen mit Hochschulabschluss, die einer Beschäftigung nachgehen, nahm im Jahr 2017 bei der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen um 2,9 % zu. Gleichzeitig konnte bei den Arbeitnehmern mit mittlerer Qualifikation (d. h. mit oberem Sekundarschulabschluss) ein mäßiger Zuwachs von 0,8 % verzeichnet werden. Im Gegensatz dazu ging die Zahl der Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation (d. h. mit höchstens einem unteren Sekundarschulabschluss) um 0,4 % zurück. Da die Bevölkerungszahl der Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation in der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen abnimmt (um 2,7 % im Vergleich zu 2016), ist die Beschäftigungsquote dieser Gruppe sogar von 54,3 % im Jahr 2016 auf 55,6 % im Jahr 2017 angestiegen. Ein Teil dieser Entwicklung ist auf die Alterung der Bevölkerung und den höheren Bildungsgrad unter den jüngeren Generationen zurückzuführen. Der Unterschied zwischen den Beschäftigungsquoten der Arbeitnehmer mit geringer Qualifikation und der hochqualifizierten Arbeitnehmer hat von 30,5 Prozentpunkten im Jahr 2016 auf 29,7 Prozentpunkte im Jahr 2017 leicht abgenommen, bleibt aber weiterhin sehr hoch und ein Kennzeichen für den Handlungsspielraum, um die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen mit niedrigem Bildungsstand zu verbessern. Einzelheiten zu den Trends in den Mitgliedstaaten werden in den folgenden Abschnitten des Berichts vorgestellt.

Die befristete Beschäftigung als Anteil an der Gesamtbeschäftigung blieb im Jahr 2017 nahezu stabil, während die Teilzeitbeschäftigung geringfügig abnahm. Die Erholung führt wie bei einem ähnlichen Trend in den vergangenen Jahren zur Schaffung von Arbeitsplätzen. Sowohl bei den Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen als auch bei den befristeten Arbeitsverträgen war im Jahr 2017 jeweils ein Zuwachs von rund 2,7 Millionen bzw. 0,8 Millionen zu verzeichnen, was einem prozentualen Anstieg um 1,7 % und 2,9 % entspricht. Dennoch blieb der Anteil der befristet Beschäftigten an der Gesamtbeschäftigung nahezu stabil. In der Altersgruppe der 15- bis 64-Jährigen ergab sich ein leichter Zuwachs von 0,1 Prozentpunkten auf 14,3 %. Ein zweites Jahr in Folge ging der Anteil an Teilzeitbeschäftigten in der Altersgruppe der 15- bis 64-Jährigen geringfügig zurück (um 0,1 % auf 19,4 % im Jahr 2017) und blieb knapp 2 Prozentpunkte über dem Wert von 2008. Wie bereits oben angemerkt, nahm der Anteil an unfreiwillig Teilzeitbeschäftigten auf der anderen Seite erheblich ab (von 21,1 % im Jahr 2016 auf 19,8 % im Jahr 2017), bleibt jedoch beträchtlich. Bei der Selbstständigkeit der 15- bis 64-Jährigen zeichnete sich im Verhältnis zur Gesamtbeschäftigung ein langsamer Rückgang von 14,4 % im Jahr 2013 auf 14,0 % im Jahr 2016 und 13,7 % im Jahr 2017 ab.

Im Hinblick auf die sektorspezifischen Entwicklungen verlagerte sich die Beschäftigung weiter in Richtung Dienstleistungen. Im Einklang mit den Entwicklungen der letzten Jahre wurden die meisten neuen Arbeitsplätze in der Dienstleistungsbranche geschaffen 5 (2,8 Millionen zusätzliche Personen mit Beschäftigung im Jahr 2017 oder +1,6 % im Vergleich zu 2016: auf Grundlage volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen). Von 2008 bis 2017 stieg der Anteil an Beschäftigungsverhältnissen im Dienstleistungsgewerbe in der EU kontinuierlich von 70,1 % auf 73,9 %. Mit einem Anstieg von 2 % verzeichnete das Baugewerbe seit der Rezession den größten Zuwachs bei der Beschäftigung. Dort begann die Erholung im Jahr 2015, aber die Zahl der Beschäftigten liegt noch immer knapp 15 % unter dem Stand von 2008. Auch in der Industrie zeigte sich ein solides Wachstum von 1,5 %, was die höchste Quote seit 2007 darstellt. Nach einer langen Reihe an Rückgängen stieg die Beschäftigungsquote in der Landwirtschaft im Jahr 2017 schließlich leicht um 0,3 %.

1.2    Soziale Trends

Die Anzahl der Personen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind 6 7 ist im Jahr 2017 erheblich zurückgegangen und liegt jetzt unter dem Stand vor der Krise. Die rückläufige Entwicklung bei diesem Indikator hielt 2017 ein fünftes Jahr in Folge an und die Zahl der betroffenen Menschen fiel auf 113 Millionen oder 22,5 % der Gesamtbevölkerung, was mit der Erholung bei der Beschäftigung und dem Anstieg des verfügbaren Einkommens im Einklang steht. Folglich gab es in der EU im Jahr 2017 5 Millionen weniger Personen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht waren, als vor der Krise im Jahr 2008. Der Rückgang im Vergleich zum Spitzenwert von 2012 beläuft sich auf nahezu 11 Millionen Menschen. Aufgrund des Rückschlags durch die Krise bleibt das Leitziel von Europa 2020 (20 Millionen weniger Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, als im Jahr 2008) in weiter Entfernung. Motor für den derzeit allgemeinen Rückgang bei diesem Indikator sind alle drei Teilkomponenten, jedoch in unterschiedlichem Ausmaß (vgl. unten und Schaubild 3).

Schaubild 3: Anteil an der Bevölkerung, der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht ist, sowie die Teilkomponenten (2005–2017).

Quelle: Eurostat, SILC. Anmerkung: Die Legende ist in Fußnote 6 erläutert.

Ein starker Rückgang bei der Anzahl an Personen, die unter erheblicher materieller Entbehrung leiden, bringt die Zahlen auf den niedrigsten Stand in der jüngsten Vergangenheit, was den steigenden Lebensstandards Rechnung trägt. Im Jahr bis 2017 konnten 3 Millionen Menschen, die unter erheblicher materieller Entbehrung litten, entlastet werden. Dadurch fiel die Gesamtzahl der betroffenen Personen auf 34,8 Millionen oder 6,9 % der EU-Bevölkerung (0,6 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2017 und unter dem Stand von 2008). Dieser Rückgang stellt das fünfte Jahr in Folge eine erhebliche Verbesserung dar, was sich in einer besser werdenden materiellen Situation der Haushalte niederschlägt. Trotz dieser positiven Entwicklungen bestehen weiterhin große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten (vgl. Abschnitt 3.4).

Der Rekordzuwachs bei den Beschäftigungsquoten hat im Jahr 2017 zur Reduzierung der Zahl an Personen, die in einem Quasi-Erwerbslosenhaushalt leben, um 3,7 Millionen beigetragen. Als Anteil an der Bevölkerung im Alter von 0 bis 59 Jahren entspricht dies einem Rückgang von 10,5 % im Jahr 2016 auf 9,3 % im Jahr 2017 und somit erstmals seit 2009 einem Wert von unter 10 %. Sowohl die Quote als auch die Zahl der betroffenen Personen liegen jedoch beide weiterhin über dem Niveau vor der Krise.

Der von Armut bedrohte Anteil an der Bevölkerung ist seit der Krise zum ersten Mal rückläufig. Nach der Anzahl an Personen, die von Armut bedroht sind, bis 2014 gestiegen war, hatte sich dieser Indikator in den folgenden zwei Jahren stabilisiert. Im Jahr 2017 sank die Quote um 0,4 Prozentpunkte auf 16,9 % oder fast 2 Millionen Menschen. Dies ist somit das erste Jahr nach der Krise, in dem die Einkommen der armen Haushalte schneller gestiegen sind als die Medianeinkommen. Die neusten Daten aus Schnellschätzungen von Eurostat 8 lassen vermuten, dass sich dieser Rückgang der Armutsquoten fortsetzen wird. Die Armutsgefährdungsquote für Personen, die in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität leben, ist jedoch das vierte Jahr in Folge gestiegen und liegt jetzt auf einem Rekordhoch von 62,3 %. Dies deutet auf anhaltende Unterschiede bei der Angemessenheit von Sozialleistungen in mehreren Ländern hin und wurde vom Ausschuss für Sozialschutz als eine Entwicklung identifiziert, die weiter beobachtet werden muss 9 .

Ungeachtet des allgemeinen Rückgangs beim Anteil an Personen, die von Armut bedroht sind, bleibt die Armut trotz Erwerbstätigkeit hoch. Im Jahr 2017 hatten 9,6 % der erwerbstätigen Bevölkerung ein Haushaltseinkommen, das unter 60 % des nationalen Medianwertes lag. Diese Zahl hat sich im Vergleich zu 2016 nicht verändert und liegt deutlich über dem Wert von 8,5 % aus dem Jahr 2008. Die steigenden Zahlen betreffen bis heute sowohl Teilzeit- als auch Vollzeitbeschäftigte, obwohl bei den Teilzeitbeschäftigten ein erheblich höheres Armutsrisiko besteht (15,8 % gegenüber 8,0 %). Betroffen von dieser Entwicklung sind vor allem junge Arbeitnehmer unter 30 Jahren, bei denen das Risiko gegenüber Arbeitnehmern im Alter ab 30 Jahren höher ausfällt und weiter zunimmt. Die Armut trotz Erwerbstätigkeit wurde vom Ausschuss für Sozialschutz als eine Entwicklung identifiziert, die es zu beobachten gilt, sowohl kurzfristig als auch langfristig 10 .

Die Armutszahlen für die am meisten schutzbedürftigen Personengruppen weisen auf mäßige Verbesserungen hin, was einer Umkehr der bisherigen Entwicklungen entspricht. Die Armutsrisikospanne, mit der gemessen wird, wie weit diejenigen, die von Armut bedroht sind, von der Armutsgrenze entfernt sind, ging im Jahr 2017 zurück. Sie fiel geringfügig von 25 % auf 24,7 % und liegt dennoch deutlich über dem Niveau vor der Krise. Dies deutet darauf hin, dass sich die relative Einkommenslage der am meisten schutzbedürftigen Personengruppen leicht verbessert. Bei den Arbeitslosen sank das Armutsrisiko seit der Krise zum ersten Mal, bleibt jedoch mit 48 % weiterhin nahe am Rekordhoch.

Trotz allgemeiner Verbesserungen bleibt das Armutsrisiko oder die Gefahr der sozialen Ausgrenzung für Kinder hoch. Die Quote für Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, ist weiterhin rückläufig und fiel von 26,4 % auf 24,5 % im Jahr 2017. Damit liegt sie deutlich unter dem Niveau vor der Krise. 62,9 % der Kinder von Eltern mit geringer Qualifikation sind jedoch noch immer dem Armutsrisiko und der Gefahr der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt. Für Kinder von hochqualifizierten Eltern liegt der Wert dagegen bei nur 9 %. Unter den Kindern von nicht in der EU geborenen Personen nahm der Anteil derjenigen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, in der gesamten Zeit nach der Krise zu und erreichte im Jahr 2017 34,5 %. Diese Quote ist mehr als doppelt so hoch wie für Kinder von Eltern, die in der EU geboren wurden. Ein wichtiger Grund für die Kinderarmut ist die steigende Zahl an Haushalten mit Alleinerziehenden, deren Anteil von 4,4 % der EU-Bevölkerung im Jahr 2011 auf 4,8 % im Jahr 2016 gestiegen, aber im Jahr 2017 auf 4,3 % gefallen ist. Die Quote der von Armut bedrohten Kinder in Haushalten mit Alleinerziehenden ist doppelt so hoch wie der Durchschnittswert für Kinder im Allgemeinen. Dieser Abstand wird immer größer.

Die Haushaltseinkommen steigen weiter, aber langsamer als das allgemeine Wirtschaftswachstum. Das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte stieg zwar bis 2017 das vierte Jahr in Folge an und liegt nun deutlich über dem Niveau von 2008, aber der jährliche Zuwachs liegt hinter dem Wachstum des BIP. Das Bruttoeinkommen der Haushalte verzeichnete im Jahr bis 2017 einen Anstieg von weniger als 1 %, während das BIP pro Kopf im gleichen Zeitraum um 2,2 % anstieg. Dies ist ein deutliches Zeichen dafür, dass der Zuwachs beim Haushaltseinkommen hinter dem allgemeinen Einkommensanstieg in der Wirtschaft zurückliegt. Wie in Abschnitt 3.4 veranschaulicht bleibt das reale verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf in einigen Mitgliedstaaten unter dem Niveau vor der Krise.

Die zunehmende Einkommensungleichheit in den Jahren nach der Krise vollzieht seit 2017 eine Trendwende, die den Anstieg in der Vergangenheit aber noch nicht ausgleichen kann. Im Durchschnitt haben die reichsten 20 % der Haushalte in den Mitgliedstaaten ein Einkommen, das die ärmsten 20 % der Haushalte um ein mehr als Fünffaches übersteigt. Das Verhältnis von S80/S20 stieg zwischen 2008 und 2016 von 5,0 auf 5,2. Verantwortlich dafür waren unter anderem die unzulänglichen Arbeitsmarktbedingungen sowie die stagnierenden Einkommen, insbesondere im untersten Teil der Verteilung. Im Jahr 2017 ging das Verhältnis zunächst auf einen EU-Durchschnitt von 5,1 zurück. Die jüngsten Schnellschätzungen von Eurostat deuten darauf hin, dass dieser Rückgang andauern wird.

 



2.    MOMENTAUFNAHMEN AUS DEM SOZIALPOLITISCHEN SCOREBOARD

In der als interinstitutionelle Proklamation vom Europäischen Parlament, vom Rat und von der Kommission am 17. November 2017 errichteten europäischen Säule sozialer Rechte sind eine Reihe zentraler Grundsätze und Rechte zur Unterstützung fairer und reibungslos funktionierender Arbeitsmärkte und Sozialsysteme dargelegt. Sie ist konzipiert als Richtschnur für einen erneuerten Prozess der Konvergenz hin zu besseren sozioökonomischen Bedingungen zwischen den Mitgliedstaaten.

Die europäische Säule sozialer Rechte wird von einem sozialpolitischen Scoreboard zur Leistungsüberwachung und zum Aufspüren von Trends in Mitgliedstaaten begleitet 11 . Das Scoreboard stellt eine Reihe ausgewählter Indikatoren (Leitindikatoren und sekundäre Indikatoren) für die Überprüfung der sozialen und der Beschäftigungsleistung von Mitgliedstaaten in Bezug auf drei im Kontext der Säule benannte umfassende Dimensionen bereit: (i) Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt, (ii) dynamische Arbeitsmärkte und faire Arbeitsbedingungen sowie (iii) öffentliche Unterstützung / Sozialschutz und Inklusion. Seit der Ausgabe von 2018 ist im gemeinsamen Beschäftigungsbericht das sozialpolitische Scoreboard enthalten, dessen Ergebnisse in Bezug auf die Leitindikatoren in diesem Kapitel zusammengefasst sind. Die Analyse ist in den in Kapitel 3 vorgestellten breiteren Reformkontext eingeordnet.

2.1    Beschreibung des Scoreboards    

Das sozialpolitische Scoreboards ist ein wichtiges Instrument zur Überwachung der Leistung in den Bereichen Beschäftigung und Soziales sowie der Konvergenz hin zu besseren Lebens- und Arbeitsbedingungen. Insbesondere unterstützt es die Überwachung der Situation in den Mitgliedstaaten bei messbaren Dimensionen der Säule und dient als Ergänzung zu den bestehenden Überwachungsinstrumenten, insbesondere dem Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und dem Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes 12 . Es besteht insbesondere aus 14 Leitindikatoren zur Beurteilung der sozialen Entwicklungen und Beschäftigungstrends in ihrer Gesamtheit 13 :

-Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt:

§Anteil der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger, Altersgruppe 18–24 Jahre

§Geschlechtergefälle bei der Beschäftigungsquote, Altersgruppe 20–64 Jahre

§Als Einkommensquintil gemessene Einkommensungleichheit – S80/S20

§Quote der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen

§Quote der jungen Menschen, die sich weder in Ausbildung noch in Beschäftigung befinden (NEET), Altersgruppe 15–24 Jahre

-Dynamische Arbeitsmärkte und faire Arbeitsbedingungen:

§Beschäftigungsquote, Altersgruppe 20–64 Jahre

§Arbeitslosenquote, Altersgruppe 15–74 Jahre

§Langzeitarbeitslosenquote, Altersgruppe 15–74 Jahre

§Reales verfügbares Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf 14

§Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen 15

-Öffentliche Unterstützung / Sozialschutz und Inklusion:

§Wirksamkeit sozialer Transferleistungen (abgesehen von Renten) bei der Armutsbekämpfung 16

§Kinder unter 3 Jahren in formaler Kinderbetreuung

§Nach eigenen Angaben nicht gedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung

§Anteil der Bevölkerung mit zumindest grundlegenden allgemeinen IKT-Kompetenzen.

Die Leitindikatoren werden mithilfe einer gemeinsamen Methodik analysiert, die vom Beschäftigungsausschuss und vom Ausschuss für Sozialschutz vereinbart wurde (für Einzelheiten hierzu vgl. Anhang 3). Diese Methodik nimmt anhand einer Prüfung des Werts und der jährlichen Veränderung 17 der einzelnen im sozialpolitischen Scoreboard enthaltenen Leitindikatoren eine Bewertung der Lage und der Entwicklungen in den Mitgliedstaaten vor. Die Einstufung der Werte und der Änderungen erfolgt nach deren Abstand von den jeweiligen (ungewichteten) EU-Durchschnittswerten. Die von den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Werte und Änderungen an den Tag gelegten Leistungen werden anschließend (unter Verwendung einer vordefinierten Matrix) miteinander kombiniert und jeder Mitgliedstaat in eine von sieben Kategorien („beste Leistung“, „überdurchschnittlich“, „gut, aber zu beobachten", „durchschnittlich/neutral", „schwach, aber mit Aufwärtstrend“, „zu beobachten“ und „kritische Lage“) eingeordnet. Auf dieser Grundlage bietet Tabelle 1 eine Übersicht über die vom Scoreboard nach den neuesten zu jedem Indikator verfügbaren Daten gelieferten Messwerte.

Ein sorgfältiges, nicht rein mechanisches Lesen der Tabelle ist unverzichtbar. Hierzu wird in Kapitel 3 eine detaillierte Analyse der 14 Indikatoren unter Berücksichtigung längerfristiger Trends und ggf. zusätzlicher Indikatoren vorgestellt. Die anstehenden Länderberichte werden überdies eine eingehende Analyse aller Fälle einer „kritischen Lage“ sowie einen zusätzlichen sozioökonomischen und politischen Kontext bereitstellen, um auf dieser Grundlage die länderspezifischen Herausforderungen vor dem Hintergrund des Europäischen Semesters besser einstufen zu können. Gemeinsam mit weiteren Analysen, die im Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und des Sozialschutzes enthalten sind, stellt dies die analytische Grundlage für weitere Vorschläge der Kommission zu ggf. erforderlichen länderspezifischen Empfehlungen dar.

2.2    Aus dem sozialpolitischen Scoreboard hervorgehende Anhaltspunkte

Die Analyse des Scoreboards deutet auf eine anhaltende Erholung am Arbeitsmarkt und in Bezug auf die soziale Lage in der EU insgesamt hin 18 . Im Durchschnitt war in der EU 19 bei 13 der 14 Leitindikatoren über das letzte Jahr mit verfügbaren Daten (d. h. 2017 oder 2016) eine Verbesserung zu verzeichnen und nur bei einem Indikator (Wirksamkeit sozialer Transferleistungen bei der Armutsbekämpfung) ergab sich eine leichte Verschlechterung, obwohl diese dem geringeren Einfluss der automatischen Stabilisatoren in einer Phase des Wirtschaftswachstums entspricht. Der deutlichste Fortschritt war bei den allgemeinen Arbeitslosenquoten und den Langzeitarbeitslosenquoten zu verzeichnen, die im Jahr 2017 in allen Mitgliedstaaten zurückgingen. Dabei wurde nur einmal eine „kritische Lage“ hervorgehoben. Die Entwicklungen der Arbeitslosenquote sowie der Armutsgefährdungsquote und der Quote der von sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen waren ebenfalls durchweg positiv, zumal eine große Mehrheit der Mitgliedstaaten eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr aufweisen konnte.

Die meisten Mitgliedstaaten stehen bei mindestens einem Leitindikator vor Herausforderungen, aber die Gesamtzahl ist im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. In Bezug auf die drei problematischsten Klassifizierungen insgesamt, d. h. „kritische Lage“, „zu beobachten“ und „schwach, aber mit Aufwärtstrend“, wurden die meisten Mitgliedstaaten, mit Ausnahme von Deutschland, Finnland, Frankreich, den Niederlanden und Schweden, mindestens einmal entsprechend eingestuft. Betrachtet man ausschließlich die Kategorie „kritische Lage“ (d. h. Indikatoren, bei denen das Niveau deutlich schlechter ist als der Durchschnitt und sich entweder nicht ausreichend schnell verbessert oder weiter verschlechtert), ist die Anzahl der so eingestuften Mitgliedstaaten von 14 im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 (mit einer geringeren Zahl an Indikatoren) auf 13 bei der aktuellen Überprüfung zurückgegangen (Estland, Malta und Portugal sind nicht mehr Teil dieser Gruppe, dafür sind Ungarn und Lettland hinzugekommen). Die Zahl der Herausforderungen weist auf eine allgemeine Verbesserung hin. Für alle 14 beurteilten Bereiche wurden insgesamt 117 Fälle mit einer Einstufung als „kritische Lage“, „zu beobachten“ oder „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ ermittelt, d. h. etwa 31 % der Gesamtzahl an Bewertungen (im Vergleich zu 33 % im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018). Davon sind 39 eine „kritische Lage“, was 10 % aller Bewertungen entspricht (im Vergleich zu 13 % im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018) 20 .

Bei Betrachtung der drei vom Scoreboard erfassten großen Dimensionen sind Negativbewertungen mit durchschnittlich 9,3 Fällen (darunter 3,5 Fälle einer „kritische Lage“) pro Indikator ähnlich wie im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 häufiger im Bereich „Öffentliche Unterstützung / Sozialschutz und Inklusion“ zu finden. Die Wirksamkeit sozialer Transferleistungen bei der Armutsbekämpfung scheint das anspruchsvollste Kriterium darzustellen: 11 Mitgliedstaaten weisen diesbezüglich eine Negativbewertung (fünf davon in der untersten Kategorie) auf.

Die Dimensionen „Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt“ sowie „Dynamische Arbeitsmärkte und faire Arbeitsbedingungen“ folgen mit Durchschnittswerten von 8,6 bzw. 7,4 Negativbewertungen pro Indikator (bei jeweils 3,2 bzw. 1,8 Fällen einer „kritischen Lage“). Innerhalb des ersten Bereichs sind die frühen Schul- und Ausbildungsabgänger der am häufigsten (10 Mal) angetroffene Negativindikator. Im letztgenannten Bereich scheint der Indikator „Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen“ mit den meisten Herausforderungen (12 Negativbewertungen) verbunden zu sein.

In Bezug auf das letzte Jahr unterscheiden sich die Situation der Mitgliedstaaten und die Tragweite der entsprechenden Herausforderungen sehr stark. Griechenland, Rumänien und Italien haben jeweils bei mindestens zehn Indikatoren die Bewertung „kritische Lage“, „zu beobachten“ oder „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ erhalten und jeweils sieben, vier bzw. sechs dieser Indikatoren wurden als „kritische Lage“ eingestuft (vgl. Tabelle 1). Für diese drei Länder verteilen sich die Herausforderungen einheitlich auf die drei Bereiche, dennoch haben Griechenland und Italien jeweils eine positive Bewertung mit „überdurchschnittlich“ erhalten, und zwar für die Quote der frühen Schulabgänger bzw. den nach eigener Aussage nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung, während dies bei Rumänien für die Arbeitslosenquote und das Wachstum des verfügbaren Bruttoeinkommens der Haushalte pro Kopf zwei Mal der Fall war. Was die Gesamtzahl der Herausforderungen anbetrifft, folgen Kroatien und Spanien (mit jeweils 9), Bulgarien (mit 8) sowie Zypern, Lettland und Portugal (mit jeweils 6). Demgegenüber zeigen die Niederlande bei allen 11 Leitindikatoren Ergebnisse der Kategorien „beste Leistung“ oder „überdurchschnittlich“, gefolgt von der Tschechischen Republik und Schweden (jeweils 10), Österreich, Deutschland und Slowenien (jeweils 8).

Bei Betrachtung des Indikators „Chancengleichheit und gleichberechtigter Zugang zum Arbeitsmarkt“ waren im Schnitt beim Armutsrisiko, der Gefahr der sozialen Ausgrenzung und den NEET-Quoten die umfangreichsten Verbesserungen zu finden. Unterdessen waren die Fortschritte in Bezug auf die frühen Schulabgänger, das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung und die Einkommensungleichheit eher verhalten. Beim letzten Indikator zeigte sich jedoch im Zeitraum nach der Krise ein erster Rückgang. Betrachtung der einzelnen Indikatoren:

·Beim Problem der Zahl der frühen Schul- und Ausbildungsabgänger sehen sich Spanien, Italien und Rumänien einer kritischen Lage gegenüber, während Kroatien, Irland, Polen und Slowenien diesbezüglich Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“ verzeichnen;

·Griechenland, Italien und Rumänien schneiden beim Problem des Geschlechtergefälles bei der Beschäftigung „kritisch“ ab, wobei Finnland, Litauen und Schweden „beste Leistungen“ erzielen;

·in Bulgarien, Spanien, Lettland und Litauen bietet sich eine „kritische Lage“ bei der Einkommensungleichheit, während die Tschechische Republik, Finnland, Slowenien und die Slowakei diesbezüglich die besten Ergebnisse aufweisen;

·was das Armutsrisiko und die Gefahr der sozialen Ausgrenzung anbelangt, ist die Lage in Bulgarien und Griechenland „kritisch“, während die Tschechische Republik und Finnland Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“ verzeichnen;

·Zypern, Kroatien, Griechenland und Italien sehen sich einer „kritischen Lage“ in Bezug auf die Gruppe der NEET gegenüber; Österreich, die Tschechische Republik, Deutschland, die Niederlande, Slowenien und Schweden zeigten hier die besten Leistungen.

Bei Betrachtung der Themen Dynamische Arbeitsmärkte und Faire Arbeitsbedingungen in der EU hat sich die Lage im zurückliegenden Jahr bei allen Indikatoren im Schnitt verbessert, insbesondere bei den Beschäftigungs- und Arbeitslosenquoten (sowohl die allgemeinen Arbeitslosenquoten als auch die Langzeitarbeitslosenquoten), dem Wachstum des verfügbaren Bruttoeinkommens der Haushalte pro Kopf und dem Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen. Betrachtung der einzelnen Indikatoren:

·Kroatien, Griechenland, Italien und Spanien sehen sich nach wie vor einer „kritischen Lage“ bei der Beschäftigungsquote gegenüber, während die Tschechische Republik, Estland, Deutschland, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“ aufweisen;

·bei der Arbeitslosenquote besteht in keinem Land eine „kritische Lage“ (Zypern, Kroatien, Griechenland und Spanien wurden als „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ und Italien als „zu beobachten“ eingestuft); andererseits erzielt die Tschechische Republik die „beste Leistung“;

·bei der Langzeitarbeitslosenquote erhält Italien die Einstufung „kritische Lage“ (es wurden anhand dieser Methodik keine Länder mit „bester Leistung“ ermittelt, aber 14 Länder erzielten Ergebnisse der Kategorie „überdurchschnittlich“);

·als „kritisch“ stellt sich das Wachstum beim verfügbaren Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf in Griechenland und Zypern dar; diesbezüglich erzielen Bulgarien und Polen Werte der Kategorie „beste Leistung“;

·die Lage beim Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen wird für Ungarn und die Slowakei als „kritisch“ bewertet, während Österreich, Deutschland, Luxemburg, die Niederlande und das Vereinigte Königreich Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“ zu verzeichnen haben.

Was den Bereich Öffentliche Unterstützung / Sozialschutz und Inklusion anbelangt, hat sich die Lage bei der Verfügbarkeit von Leistungen der Kinderbetreuung, dem nach eigenen Angaben nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung sowie den IKT-Kompetenzen wie oben beschrieben im zurückliegenden Jahr verbessert, sich aber in Bezug auf die Wirksamkeit sozialer Transferleistungen bei der Armutsbekämpfung verschlechtert. Betrachtung der einzelnen Indikatoren:

·Bulgarien, Griechenland, Italien, Lettland und Rumänien stehen beim Problem der Eignung des Transfers von Sozialleistungen zur Armutsbekämpfung weiterhin vor einer „kritischen Lage“; Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“ verzeichnen hier Dänemark, Finnland, Ungarn und Schweden;

·bei der Teilnahme von Kindern unter 3 Jahren an der formalen Kinderbetreuung ist die Lage in Bulgarien, der Tschechischen Republik, Griechenland, Polen und der Slowakei „kritisch“, hingegen erzielen Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Portugal Ergebnisse der Kategorie „beste Leistung“;

·Lettland steht in Bezug auf den nach eigenen Angaben nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung vor einer „kritischen Lage“ (es wurden anhand dieser Methodik keine Länder mit „bester Leistung“ ermittelt, aber 12 Länder erzielten Ergebnisse der Kategorie „überdurchschnittlich“);

·in Bulgarien, Kroatien und Rumänien stellt sich die Lage beim Blick auf das Niveau der IKT-Kompetenzen als „kritisch“ dar; in diesem Bereich erzielen Finnland, Luxemburg, die Niederlande und Schweden die besten Werte.

Tabelle 1. Übersicht über die Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards

Anmerkung: Am 26. Oktober 2018: Für IE und UK waren keine Daten zum Einkommensquintil, zur Quote für Personen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, zur Wirksamkeit sozialer Transferleistungen bei der Armutsbekämpfung und zu dem nach eigenen Angaben nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung verfügbar. Für HR und MT waren zum verfügbaren Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf keine Daten verfügbar. Für CY waren zum Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen keine Daten verfügbar. Für IT waren zum Niveau an IKT-Kompetenzen der Einzelpersonen keine Daten verfügbar.    Auf Zeitreihenbrüche und andere statistische Besonderheiten wird in den Anhängen 1 und 2 hingewiesen.

Kasten 1. Vergleichende Analyse – Sachstand

Die Bedeutung der vergleichenden Analyse als Instrument zur Unterstützung struktureller Reformen und zur Förderung einer Aufwärtskonvergenz in den Bereichen Beschäftigung und Soziales wurde im Bericht der fünf Präsidenten von Juni 2015 21 anerkannt und im Reflexionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion von Mai 2017 weiter unterstrichen 22 . In der Mitteilung vom 26. April 2017 zur Einführung einer europäischen Säule sozialer Rechte 23 wurde die vergleichende Analyse als wesentliches Instrument ermittelt, um die Umsetzung der Säule im Rahmen des Europäischen Semesters zu fördern. Seither wurden mit den Mitgliedstaaten in mehreren Bereichen vergleichende Analysen erstellt und erörtert.

Insbesondere der Beschäftigungsausschuss und der Ausschuss für Sozialschutz haben sich auf einen gemeinsamen Ansatz in drei Schritten geeinigt: (1) Ermittlung zentraler Herausforderungen sowie einer Reihe von Ergebnisindikatoren auf hohem Niveau, die für das betrachtete Politikfeld von Bedeutung sind; (2) Leistungsindikatoren, anhand derer sich eine vergleichende Analyse vornehmen lässt; (3) Ermittlung wirtschaftspolitischer Hebel, begleitet von Grundprinzipien für politische Leitlinien sowie – soweit verfügbar – von speziellen Indikatoren. Zu diesem Zeitpunkt sind noch keine Referenzwerte für die politischen Hebel festgelegt, zumal das Ziel darin besteht, einen Vergleich der Mitgliedstaaten zu ermöglichen.

Der Vergleichsrahmen für die Leistungen bei Arbeitslosigkeit und die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen kam erstmals im Europäischen Semester 2018 zur Anwendung. In diesem Zusammenhang wurde in den gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 und in die länderspezifischen Berichte eine vergleichende Analyse der spezifischen Gestaltungsmerkmale und der Leistungsfähigkeit der Systeme der Arbeitslosenunterstützung aufgenommen, insbesondere im Hinblick auf Aspekte der Eignung und Angemessenheit. Nach Annahme durch den Beschäftigungsausschuss sind Elemente des Rahmenwerks, die sich auf die Aktivierungskomponente der Systeme der Arbeitslosenunterstützung (z. B. an die Auszahlung des Arbeitslosengeldes geknüpfte Verfügbarkeitsbedingungen für Beschäftigungen) und auf Arbeitsmarktdienstleistungen beziehen, die Arbeitssuchenden als Unterstützung dienen, jetzt Bestandteil des Europäischen Semesters 2019 und werden in diesem Bericht vorgestellt.

Bei Annahme durch den Ausschuss für Sozialschutz erhält das Europäische Semester 2019 außerdem einen vollständig integrierten Vergleichsrahmen zu Mindesteinkommensleistungen, der sowohl Angemessenheits-, Versorgungs- und Aktivierungskomponenten aus den Regelungen über Mindesteinkommen umfasst, auch hinsichtlich deren Beziehung zu Sachleistungen (Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum). Schließlich profitiert dieser Semesterzyklus wie mit den Mitgliedstaaten im Oktober 2018 vereinbart zum ersten Mal von den Ergebnissen des Vergleichsrahmens zu den Kompetenzen Erwachsener und der Erwachsenenbildung. Die Arbeiten in den relevanten Ausschüssen zu möglichen weiteren Vergleichsrahmen wie der Angemessenheit der Renten, die in künftigen Semesterzyklen zur Anwendung kommen sollen, dauern an.



3.    BESCHÄFTIGUNGS- UND SOZIALPOLITISCHE REFORMEN – MASSNAHMEN UND LEISTUNGEN DER MITGLIEDSTAATEN

Dieser Abschnitt vermittelt einen Überblick über die aktuellen beschäftigungs- und sozialpolitischen Schlüsselindikatoren und die jüngsten Schritte der Mitgliedstaaten in den Schwerpunktbereichen, die in den im Jahr 2018 vom Rat verabschiedeten Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen 24 bezeichnet sind. Zu jeder Leitlinie werden die jüngsten Entwicklungen bei einer Reihe zentraler Indikatoren sowie von den Mitgliedstaaten ergriffene politische Maßnahmen vorgestellt. Hinsichtlich Letzterer stützen sich die Inhalte des Abschnitts auf nationale Reformprogramme der Mitgliedstaaten von 2018 sowie Daten der Europäischen Kommission 25 . Soweit nicht anders angegeben, sind in dem Bericht nur solche politischen Maßnahmen aufgeführt, die nach Juni 2017 umgesetzt wurden. Eine eingehende Analyse der jüngsten Entwicklungen des Arbeitsmarktes findet sich in den Berichten „Labour Market and Wage Developments: Annual review 2018“ 26 und „Employment and Social Developments in Europe 2018“ 27 (beide in englischer Sprache).

3.1    Leitlinie 5: Ankurbelung der Nachfrage nach Arbeitskräften 

In diesem Abschnitt wird die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinie 5 behandelt, mit der den Mitgliedstaaten empfohlen wird, günstige Rahmenbedingungen für die Nachfrage nach Arbeitskräften und die Schaffung von Arbeitsplätzen zu schaffen. Zunächst wird in Ergänzung zu der in Kapitel 1 vorgenommenen Analyse auf EU-Ebene ein Überblick über die Arbeitslosen- und Beschäftigungsquoten in den einzelnen Mitgliedstaaten gegeben, um die Bedeutung der Schaffung von Arbeitsplätzen in den einzelnen Ländern in den Mittelpunkt zu rücken. Sodann richtet sich der Blick auf die Beschäftigungsdynamik im Bereich selbstständiger Tätigkeiten, stellvertretend für das Unternehmertum und als Quelle für Beschäftigungswachstum an sich (Aspekte selbstständiger Tätigkeiten in Bezug auf neue Formen der Arbeit werden in Kapitel 3.3 erörtert). Schließlich werden die Entwicklung der Löhne sowie der Steuern- und Abgabenbelastung als die wichtigsten makroökonomischen Determinanten für Einstellungsentscheidungen näher beleuchtet. In Abschnitt 3.1.2 wird über die in diesen Bereichen von den Mitgliedstaaten unternommenen Maßnahmen zur Förderung der Nachfrage nach Arbeitskräften, unter anderem Einstellungszuschüsse, berichtet.

3.1.1    Schlüsselindikatoren

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit nahm im Jahr 2017 an Fahrt auf. Erstmals nach der Krise ging die Arbeitslosenquote in allen EU-Mitgliedstaaten zurück. Ein überdurchschnittlich rascher Rückgang war vor allem in einzelnen jener Mitgliedstaaten zu beobachten, die unter besonders hohen Arbeitslosenquoten leiden – Griechenland, Spanien, Kroatien und Portugal verzeichnen einen Rückgang um mindestens 2 Prozentpunkte –, was auf eine eindeutige Konvergenz 28 hin zu allgemein niedrigeren Arbeitslosenniveaus hindeutet. Dennoch war auch in einigen Ländern mit geringer Arbeitslosigkeit ein starker Rückgang um mehr als 1 Prozentpunkt zu verzeichnen, so in der Tschechischen Republik, den Niederlanden und Polen. Wie aus Schaubild 4 hervorgeht, in dem die einzelnen Niveaus und Veränderungen nach der zur Beurteilung der Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboard vereinbarten Methodik im Zusammenhang betrachtet werden 29 , war die Streuung der Arbeitslosenquoten mit Werten, die von etwa 3 % in der Tschechischen Republik bis zu 21,5% in Griechenland reichten, im Jahr 2017 weiterhin beträchtlich. Die Arbeitslosenquote bleibt auch in Italien hoch, wo sich im Vergleich zu 2016 nur begrenzte Verbesserungen zeigten. Trotz des stetigen Rückgangs seit 2013 ist die Arbeitslosenquote in vielen Mitgliedstaaten weiterhin viel höher als im Jahr 2008 (Schaubild 5), insbesondere in Kroatien, Griechenland, Zypern, Italien und Spanien. Im Gegensatz dazu lag die Arbeitslosenquote in Deutschland, Ungarn und Polen im Jahr 2017 mehr als 2 Prozentpunkte unter dem Niveau vor der Krise.

Schaubild 4: Arbeitslosenquote (15–74 Jahre) und Veränderung pro Jahr (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, AKE. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

Schaubild 5: Arbeitslosenquote (15–74 Jahre), Vergleich über mehrere Jahre

Quelle: Eurostat, AKE.

Die Beschäftigungsquoten verzeichnen zwar starke Anstiege, aber es verbleiben erhebliche Diskrepanzen. Mit Ausnahme von Dänemark 30 , wo sich ein Rückgang um 0,5 Prozentpunkte ergab, jedoch ausgehend von einem sehr hohen Niveau, verzeichneten alle Mitgliedstaaten einen Anstieg. Wie sich aus Schaubild 6 ersehen lässt, konvergieren die Beschäftigungsquoten nur zu einem Teil: Mitgliedstaaten mit einer niedrigeren Beschäftigungsquote erfahren tendenziell ein etwas schnelleres Wachstum als der Durchschnitt, aber die Lage stellt sich weiterhin sehr uneinheitlich dar. Die Beschäftigungsquoten (in der Altersgruppe der 20 bis 64 Jährigen) variieren erheblich und reichten im Jahr 2017 von 57,8 % in Griechenland bis zu 81,8 % in Schweden. Am unteren Ende liegt die Beschäftigungsquote in einigen Ländern, die von der Krise am härtesten getroffen wurden, nämlich Griechenland, Kroatien, Italien und Spanien (als „kritisch“ eingestuft), weiterhin deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Neun Länder haben das Ziel von 75 % bereits überschritten und die sechs Länder, die am besten abschneiden (Schweden, Deutschland, Estland, die Tschechische Republik, das Vereinigte Königreich und die Niederlande), stehen bei knapp 78 % oder mehr.

Schaubild 6: Beschäftigungsquoten (20–64 Jahre) und Veränderung pro Jahr (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, AKE. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

Die durchschnittlichen Beschäftigungsquoten in der EU sind seit 2013 stetig gestiegen und liegen jetzt deutlich über dem Spitzenwert vor der Krise. Ungarn und Malta, die im Jahr 2008 die niedrigste Beschäftigungsquote in der EU vorzuweisen hatten, verzeichneten den stärksten langfristigen Anstieg (+11,8 Prozentpunkte bzw. +13,8 Prozentpunkte im Jahr 2017) und liegen nun knapp über dem EU-Durchschnitt. Die Unterschiede sind jedoch noch immer groß. Insbesondere liegen die Beschäftigungsquoten ähnlich wie die Arbeitslosenquoten in den Ländern, die von der Krise am stärksten betroffen sind, wie Griechenland, Italien, Kroatien, Spanien, Zypern und Irland, weiterhin unter dem Niveau von 2008 (Schaubild 7).

Schaubild 7: Beschäftigungsquote (20–64 Jahre), Vergleich über mehrere Jahre

Quelle: Eurostat, AKE.

Das Beschäftigungswachstum hatte keine Auswirkungen auf den langfristigen Abwärtstrend bei den selbstständigen Tätigkeiten. In absoluten Zahlen war bei den Selbstständigen (nach einem leichten Anstieg im Jahr 2016 31 ) im Jahr 2017 ein Rückgang um 0,5 % zu verzeichnen. Auch relativ gesehen hielt dieser Abwärtstrend an. Im Jahr 2017 entfielen 13.7 % der Gesamtbeschäftigung auf selbstständige Tätigkeiten, im Jahr 2016 waren dies noch 14,0 %, im Jahr 2013 14,4 %. Der Anteil an selbstständig tätigen Männern im Verhältnis zu den Männern in einem Beschäftigungsverhältnis liegt mit 17,2 % weiterhin deutlich über dem Wert für Frauen (9,7 %). Die Entwicklungen bei der Selbstständigkeit fallen ohne den Primärsektor und die Fertigungsbranche weniger negativ aus. Insbesondere hat sich bei der Selbstständigkeit im Laufe der letzten zehn Jahre in den meisten dienstleistungsorientierten Branchen ein stetiger Zuwachs abgezeichnet.

Die Gesamtzahlen sind das Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen in den Mitgliedstaaten, Wirtschaftszweigen und Untergruppen. Die Entwicklungen bei den selbstständigen Tätigkeiten stehen jedoch offenbar nicht in Verbindung mit der Beschäftigungsleistung auf Ebene der Mitgliedstaaten oder der Wirtschaftszweige. In Bezug auf die Altersgruppen und den Bildungsstand orientieren sich die Entwicklungen in großem Maße an der sich verändernden Zusammensetzung der Arbeitskräfte: Bei den selbstständigen Tätigkeiten ergab sich in der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen ein weiterer Rückgang, während bei den 50- bis 64-Jährigen sowie in der Altersgruppe ab 65 Jahren ein deutlicher Anstieg spürbar war (+1,2 % bzw. 4,0 %). Der Bildungsstand ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, denn im Jahr 2017 sank die Zahl der Selbstständigen unter den Personen mit bestenfalls einem unteren Sekundarschulabschluss um 3,2 %, stieg aber unter den Personen mit tertiärem Bildungsabschluss um 1 % an. Schließlich ist ein Zuwachs bei der Zahl an Selbstständigen zu verzeichnen, die außerhalb der EU geboren wurden. Aspekte in Bezug auf die Selbstständigkeit als atypische Form der Beschäftigung werden in Kapitel 3.3 genauer erörtert.

In den meisten Mitgliedstaaten war bei den Löhnen ein mäßiges Wachstum zu verzeichnen. Die Löhne entwickelten sich in der EU während der Erholung nominal weiterhin verhalten, legten aber ab 2017 zu, sodass die Vergütung pro Arbeitnehmer um 2,1 % anstieg. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind erheblich, wobei in den Mitgliedstaaten mit niedrigeren Vergütungen und in den Ländern, die nicht zum Euro-Währungsgebiet gehören, im Allgemeinen ein schnellerer Anstieg zu verzeichnen war. Am höchsten war das Wachstum der nominalen Vergütung pro Arbeitnehmer in Rumänien (16,0 %), Litauen (9,1 %), Ungarn (7,9 %), Lettland (7,9 %) und Bulgarien (7,5 %), was auf eine Lohnkonvergenz zwischen Ost- und Westeuropa hindeutet. Am unteren Ende sanken die nominalen Löhne in Finnland (-1,1 %) und Kroatien (-1,1 %) und blieben in Spanien, Italien und Griechenland unverändert.

Das Reallohnwachstum ging im Jahr 2017 im Vergleich zu 2016 zurück. Die realen Verbraucherlöhne in der EU (d. h. an die sich verändernden Verbraucherpreise angepasste Löhne) stiegen im Jahr 2017 um 0,5 %, im Jahr 2016 hingegen lag der Zuwachs noch bei 1,2 %. Im Euro-Währungsgebiet blieben die Reallöhne nahezu unverändert (+0,2 %). In acht Ländern war ein Rückgang zu verzeichnen: Spanien, Italien, Griechenland, Kroatien, Portugal, die Niederlande, Österreich und Finnland. Das langsamere Wachstum im Vergleich zu 2016 ergab sich teilweise aufgrund der steigenden Verbraucherpreise, mit denen der Anstieg bei den Vergütungen nicht Schritt halten konnte. Bei Betrachtung der realen Fertigungslöhne (um den BIP-Deflator angepasst) ergibt sich jedoch ein nahezu unverändertes Bild, bei dem das Reallohnwachstum in der EU im Jahr 2017 nur leicht anstieg (0,7 %) und in zehn Ländern ein Rückgang zu verzeichnen war (Schaubild 8).

Schaubild 8: Jährliche prozentuale Veränderung der realen Vergütung pro Arbeitnehmer im Jahr 2017, HVPI- und BIP-Deflator 

Quelle: Datenbank AMECO der Europäischen Kommission.

Im Jahr 2017 lag das Reallohnwachstum in den meisten Mitgliedstaaten hinter den Produktivitätssteigerungen zurück. Dieser Trend bestätigt sich über einen Zeitraum von drei Jahren (Schaubild 9) sowie auf lange Sicht (Schaubild 10). In neun Ländern (Belgien, Finnland, Griechenland, Italien, Kroatien, die Niederlande, Portugal, Spanien und Zypern) wurde über den Zeitraum 2015–2017 ein negatives Reallohnwachstum verzeichnet. Auch auf längere Sicht (2000–2017) blieb die Entwicklung der Reallöhne im Schnitt hinter den Produktivitätssteigerungen zurück. In Portugal und Italien liegen die Reallöhne noch immer unter dem Niveau aus dem Jahr 2000. In den meisten mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten zeigen die jüngsten Trends eine entgegengesetzte Entwicklung auf. Dort überstieg das Reallohnwachstum (deflationiert mit dem BIP-Deflator) über die letzten drei Jahre die Produktivitätssteigerungen, teilweise als Folge des Aufholprozesses in Richtung der Länder mit höherem Einkommen. Das höchste Reallohnwachstum, das die Produktivitätssteigerungen überstieg, war im Jahr 2017 in den baltischen Mitgliedstaaten, Bulgarien und der Slowakei zu beobachten.

Schaubild 9: Reale Vergütung pro Arbeitnehmer und nach Produktivität, durchschnittliche Wachstumsraten für 2015, 2016, 2017 

Quelle: Eurostat, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (eigene Berechnungen, aus dem Bericht „Labour Market and Wage Developments in Europe: Annual Review 2018“).

Schaubild 10: Lohn- und Produktivitätsentwicklung, 2000–2017, durchschnittliche prozentuale Veränderungen

Quelle: Eurostat, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (eigene Berechnungen).

Die Entwicklung der Löhne blieb hinter den Erwartungen auf Grundlage der derzeitigen Arbeitslosenniveaus zurück. Im Rahmen der Erholung war insgesamt ein mäßiges Lohnwachstum zu verzeichnen, das anscheinend nicht wie in den vorangegangenen Konjunkturzyklen auf den Rückgang der Arbeitslosenquote reagiert hat. Dieses Phänomen wurde als die offensichtliche „Abflachung“ der Phillips-Kurve für Löhne bezeichnet, d. h. die Beziehung zwischen Lohnwachstum und Arbeitslosigkeit. Wie in Schaubild 11 für das Euro-Währungsgebiet ersichtlich deutet dies darauf hin, dass die Löhne in geringerem Maße auf die allgemeine Arbeitslosenquote in der Wirtschaft reagieren.

Schaubild 11: Phillips-Kurve zum Euro-Währungsgebiet: Wachstumsrate der Vergütung je Arbeitnehmer, 2000–2017

Quelle: Datenbank AMECO der GD Wirtschaft und Finanzen sowie Eurostat, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (eigene Berechnungen, aus dem Bericht „Labour Market and Wage Developments in Europe: Annual Review 2018“).

Das mäßige Wachstum der nominalen Löhne während der Erholung kann durch die niedrige Inflation, die geringen Produktivitätssteigerungen, die Auswirkungen einiger Arbeitsmarktreformen und die verbleibenden Reserven auf dem Arbeitsmarkt erklärt werden. Ein erheblicher Teil des mäßigen Wachstums der nominalen Löhne lässt sich durch die niedrige Inflation (durchschnittlich 1,5 % während der Erholung von 2010 bis 2017 im Vergleich zu 2,2 % im Zeitraum 2000–2007) erklären. Unterdessen legten die realen Produktivitätssteigerungen geringfügig zu (durchschnittlich 0,7 % im Zeitraum 2010–2017 im Vergleich zu 0,4 % vor der Krise), gingen aber mit einer erheblich höheren Arbeitslosenquote einher (11,7 % im Zeitraum nach der Krise im Vergleich zu 8,7 % vor der Krise). Insgesamt deuten die jüngsten Schätzungen darauf hin, dass Inflation, Produktivität und Arbeitsmarktreserven eine gute Erklärung für das mäßige Lohnwachstum bieten (IWF 2017 32 , Europäische Kommission 2018 33 ). Latente Arbeitsmarktreserven, insbesondere ein höherer Anteil an unterbeschäftigten Teilzeitkräften, können zum mäßigen Lohnwachstum in einigen Mitgliedstaaten mit geringer Arbeitslosenquote beitragen.

Die Nettoeinkommen in Europa nähern sich bei schnellem Wachstum in Mittel- und Osteuropa sowie langsamem Wachstum in West- und Südeuropa, insbesondere in den Ländern, die von der Krise am stärksten betroffen sind, einander an. Die Konvergenz beim Niveau der Erwerbseinkommen ist von zentraler Bedeutung, damit alle Menschen in der EU einen angemessenen Lebensstandard erreichen können, so wie es gemäß der europäischen Säule sozialer Rechte vorgesehen ist. Dieser Annäherungsprozess findet zwar nachweislich statt, aber relativ langsam, denn zwischen den Mitgliedstaaten bestehen noch immer große Unterschiede. Am Beispiel eines alleinstehenden kinderlosen Arbeitnehmers mit durchschnittlichem Lohn sind die Nettoeinkommen über einen Zeitraum von drei Jahren (2013–2016) 34 in einigen der Länder, in denen das Lohnniveau am niedrigsten ist, am stärksten gestiegen. Daher wurden Bulgarien, Rumänien, Lettland, Litauen und Estland als „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ eingestuft. Die Slowakei und Ungarn, wo ebenfalls ein überdurchschnittlicher Anstieg zu verzeichnen war, wurden angesichts der langsameren Fortschritte als „kritisch“ eingestuft. Am anderen Ende des Spektrums war bei den am besten abschneidenden Ländern (Luxemburg, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Deutschland und Österreich) ein mäßiges Wachstum der Nettoeinkommen zu verzeichnen, das von 0,7 % bis 2,1 % reichte. In Portugal, Griechenland und Belgien stiegen die Nettoeinkommen nicht und waren auch nicht rückläufig.

Schaubild 12: Nettoeinkommen und jährliche Veränderungen – Durchschnitt über drei Jahre (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: OECD (eigene Berechnungen). Zeitraum: Werte von 2016 (dreijähriges Mittel) und durchschnittliche jährliche Veränderungen 2013-2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Bei den mit einem Sternchen gekennzeichneten Mitgliedstaaten überstiegen die nominellen Lohnstückkosten den gemäß dem Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) festgelegten Schwellenwert. Der Scoreboard-Indikator für das MIP ist die prozentuale Veränderung der nominellen Lohnstückkosten über drei Jahre. Der Schwellenwert liegt für die Länder des Euro-Währungsgebiets bei 9 % und für die anderen EU-Mitgliedstaaten bei 12 %. Für Zypern sind keine Daten verfügbar.

Die Armut trotz Erwerbstätigkeit ist weiterhin über dem Niveau vor der Krise und nimmt nur langsam ab. Der Anteil an Personen, die trotzt Erwerbstätigkeit ein verfügbares Äquivalenzeinkommen unter der Armutsschwelle haben, stieg von 8,6 % im Jahr 2008 auf 9,0 % im Jahr 2013 und 9,6 % im Jahr 2017 (vgl. auch Kapitel 3.4). Der höchste Wert war mit 17,4 % in Rumänien zu verzeichnen, gefolgt von Luxemburg, Spanien, Griechenland und Italien, die alle über 12 % liegen. Am anderen Ende des Spektrums ist die Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit in Finnland, der Tschechischen Republik und Irland bei unter 5 %. In mehreren Mitgliedstaaten nahm die Armut trotz Erwerbstätigkeit im Jahr 2017 zu, unter anderem um mehr als 0,5 Prozentpunkte in Ungarn, Italien, Lettland, Slowenien, Belgien und den Niederlanden (vgl. auch Kapitel 3.4).

Schaubild 13: Quote der Armutsgefährdung trotz Erwerbstätigkeit, Vergleich über mehrere Jahre

Quelle: Eurostat. Anmerkung: Daten für HR von 2010 anstatt von 2008. Daten für IE und UK von 2016 anstatt von 2017.

Die Einkommensverteilung scheint in Europa weitgehend stabil zu sein. Das Lohnwachstum, insbesondere am unteren Ende der Lohnskala, spielt bei der Verminderung der Einkommensungleichheiten und der Armut trotz Erwerbstätigkeit eine wichtige Rolle. Die Unterschiede bei den Bruttoeinkommen, gemessen als Verhältnis zwischen dem fünften und dem ersten Zehntel (D5/D1), reichten im Jahr 2016 von 1,43 in Finnland bis zu 1,90 in der Tschechischen Republik. Lohnbildungseinrichtungen können Auswirkungen auf die Einkommensverteilung haben. Insbesondere ausgeprägtere Tarifvereinbarungen gehen tendenziell mit einer niedrigeren Einkommensungleichheit einher (Europäische Kommission, 2018 35 ). Die Absicherung durch Tarifvereinbarungen ist in Europa sehr unterschiedlich, was den verschiedenen nationalen Traditionen und Einrichtungen zuzuschreiben ist. Im Jahr 2015 reichte der Anteil an Arbeitnehmern mit dem Recht auf Tarifvereinbarungen von 98 % in Österreich bis 7,1 % in Litauen.

Aufgrund gesetzlicher Mindestlöhne wurde in den meisten Mitgliedstaaten eine niedrigere Grenze für die Einkommensverteilung festgelegt. Die Mindestlöhne können für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine höhere Teilhabe am Arbeitsmarkt zur Folge haben und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fördern, indem das Einkommen von Familien mit geringem Einkommen, die eine höhere Konsumbereitschaft aufweisen, erhöht wird. Gleichzeitig führen Mindestlöhne in Bezug auf Arbeitnehmer mit geringem Lohn zu höheren Einstellungskosten, was abhängig von der Wirtschaftsstruktur und der makroökonomischen Lage unter Umständen die Beschäftigungsmöglichkeiten der Gruppen beeinträchtigt, die üblicherweise niedrige Löhne erhalten (z. B. junge und Arbeitskräfte mit geringer Qualifikation). Auf nationaler Ebene stehen mit Ausnahme von Dänemark, Finnland, Italien, Österreich, Schweden und Zypern in den meisten Mitgliedstaaten gesetzliche Mindestlöhne. Für einen internationalen Vergleich ist der absolute Wert des Mindestlohns kein sehr nützlicher Maßstab, weil die Unterschiede zwischen den Ländern bei der Arbeitsproduktivität und den Preisen keine Berücksichtigung finden. Daher ist es sinnvoller, den Mindestlohn im Vergleich zum Durchschnittslohn oder Medianlohn zu betrachten. In Schaubild 14 ist der Mindestlohn als Anteil am Medianlohn in den EU-Mitgliedstaaten gemäß den Berechnungen der OECD aufgetragen. Die höchsten Mindestlöhne im Verhältnis zum Medianwert finden sich in Frankreich, Slowenien, Portugal, Rumänien und Luxemburg. Die niedrigsten Werte sind in Spanien, der Tschechischen Republik, Estland, den Niederlanden und Irland zu beobachten. Da die möglichen Auswirkungen sowohl auf die Beschäftigung als auch auf die Lebensbedingungen größer sind, wenn der Mindestlohn für einen Großteil der Arbeitskräfte gilt, sollte dieser Indikator auch bei der Erörterung der politischen Optionen auf nationaler Ebene Berücksichtigung finden. Zielgerichtete Maßnahmen zur Verminderung der Armut trotz Erwerbstätigkeit, z. B. Lohnergänzungsleistungen, sollten ebenfalls in Betracht gezogen werden.

Schaubild 14: Mindestlöhne als Anteil am Median- und am Durchschnittseinkommen von Vollzeitbeschäftigen (2017)

Quelle: OECD, Anmerkungen: In AT, CY, DK, FI, IT und SE gibt es keinen gesetzlichen Mindestlohn. Für BG, HR und MT stellt die OECD keine Informationen zur Verfügung. Eurostat-Daten zeigen, dass im Jahr 2017 der monatliche Mindestlohn als Anteil am Mittelwert der Monatseinkommen bei 47,8 % in BG, 40,6 % in HR und 43.6% in MT lag (Industrie, Bausektor und Dienstleistungen; nicht vergleichbar mit OECD-Daten).

Die Steuerbelastung des Faktors Arbeit ist in Europa in den letzten Jahren schrittweise zurückgegangen, aber zwischen den Mitgliedstaaten bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede. Im Jahr 2017 reichte die Steuerbelastung für einen alleinstehenden Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Lohn von weniger als 30 % in Irland und Malta bis zu fast 50 % in Belgien, Deutschland, Ungarn, Italien, Frankreich und Österreich. Für Arbeitnehmer mit geringerem Einkommen (definiert als Personen, die 67 % des Durchschnittslohns erhalten) reichte die Steuerbelastung von etwa 20 % in Malta und Irland bis zu über 45 % in Belgien, Ungarn und Deutschland. In Bezug auf die Steuerprogression und den Umverteilungseffekt des Steuersystems ergeben sich in den einzelnen Ländern unterschiedliche Muster (vgl. Abschnitt 3.4). Der deutlichste Rückgang bei der Steuerbelastung für alleinstehende Arbeitnehmer mit einem durchschnittlichen Lohn ergaben sich im Jahr 2017 in Ungarn (-2,1 Prozentpunkte), Luxemburg (-1,8 Prozentpunkte) und Finnland (-1,2 Prozentpunkte), während in Bulgarien (+0,6 Prozentpunkte) der größte Anstieg zu verzeichnen war. Zwischen 2013 und 2017 ging die nicht gewichtete durchschnittliche Steuerbelastung in der EU um 0,5 Prozentpunkte zurück. Für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen lag dieser Wert bei 0,8 Prozentpunkten, mit bedeutenden Steuersenkungen in Italien, Ungarn, Belgien, Rumänien und den Niederlanden. Im gleichen Zeitraum haben sich die Niveaus der Steuerbelastung leicht angenähert, wobei der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Wert beim Durchschnittslohn 2,1 Prozentpunkte geringer ausfiel und für Arbeitnehmer mit geringem Einkommen 2,9 Prozentpunkte abnahm. Dies ist grundsätzlich auf die umfassenden Steuersenkungen in einigen Ländern mit den höchsten Steuersätzen zurückzuführen (Belgien, Österreich, Ungarn sowie Italien und Frankreich, aber nur in Bezug auf Arbeitnehmer mit geringem Einkommen). In Rumänien und den Niederlanden waren darüber hinaus umfassende Rückgänge bei der Steuerbelastung zu beobachten. Erhöhungen der Steuerbelastung waren im gleichen Zeitraum weniger ausgeprägt, wirkten sich in Slowenien, Portugal und der Tschechischen Republik aber besonders auf Arbeitnehmer mit geringem Einkommen aus 36 .

Schaubild 15: Steuer- und Abgabenbelastung der Arbeit, Werte für 2017 und Veränderung 2013/2017

Quelle: Steuer- und Leistungsdatenbank, Europäische Kommission/OECD. Anmerkung: Die Daten beziehen sich auf (kinderlose) Alleinverdienerhaushalte. Zu Zypern liegen keine aktuellen Daten vor. Daten aktualisiert am 11. April 2018.

3.1.2    Die Antwort der Politik

Mehrere Mitgliedstaaten griffen zur Schaffung von Arbeitsplätzen auf Beschäftigungszuschüsse zurück, obwohl im Zuge der sich verbessernden Arbeitsmarktbedingungen teilweise eine Verminderung der Beihilfen erfolgt. Die meisten dieser Maßnahmen sind auf bestimmte Gruppen ausgerichtet, die Probleme dabei haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen (z. B. junge Menschen, ältere Menschen, Langzeitarbeitslose, Migranten usw.) und bestehen aus finanziellen Anreizen für Arbeitgeber, die Arbeitskräfte aus einer der Zielgruppen einstellen. Gezielte Einstellungszuschüsse wurden von mehreren Mitgliedstaaten eingeführt oder bestätigt (weitere Einzelheiten sind Abschnitt 3.2 zu entnehmen). Einige Länder führten auch weniger zielgerichtete Einstellungszuschüsse ein, d. h. Beihilfen, die an keine oder weniger strenge Eignungsvoraussetzungen geknüpft sind, zumeist mit dem Ziel einer vermehrten Schaffung unbefristeter Arbeitsverhältnisse. In Griechenland wurden im Jahr 2017 in 51 Kommunen zusätzliche öffentliche Aufträge erteilt und neue Programme befinden sich der Vorbereitung. Des Weiteren wurde im Mai 2018 ein neues Programm für öffentliche Aufträge im Bereich Brandschutz des Waldes ins Leben gerufen. Im Oktober 2017 verabschiedete Griechenland außerdem ein Programm, mit dem die Löhne von Arbeitskräften, die über einen Vertrag zur Bereitstellung von unabhängigen Dienstleistungen verfügen, bezuschusst werden, sofern diese als Arbeitnehmer eingestellt werden. Schließlich wurde vor Kurzem ein Programm zur Bezuschussung von Unternehmen eingeführt, damit 15 000 Arbeitslose im Alter von 30 bis 49 Jahren eine Beschäftigung erhalten. In Frankreich nahm die Zahl der bezuschussten Arbeitsverträge im Jahr 2018 von 310 000 auf 200 000 weiter ab. Diese sind jetzt auf die am meisten schutzbedürftigen Personen im gemeinnützigen Sektor begrenzt, darunter junge Menschen und Langzeitarbeitslose. Seit 2018 werden bestehende Programme zur Bezuschussung von Arbeitsverträgen überprüft und in Parcours Emploi Compétence umbenannt, um der Beratungs- und Schulungsdimension mehr Gewicht zu verleihen. In diesem Zusammenhang wird seit April 2018 in zehn Gebieten eine gezielte Einstellungsprämie genannt Emplois francs für das Einstellen von Arbeitssuchenden aus den am meisten benachteiligten Stadtvierteln (Quartiers politique de la ville) getestet, wobei die einzige Bedingung darin besteht, arbeitssuchend und in dem betreffenden Gebiet ansässig zu sein. Darüber hinaus wurden im Zusammenhang mit dem neuen Plan zur Armutsbekämpfung weitere Maßnahmen beschlossen, damit Menschen mit sozialen Problemen und Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Arbeitsplatz (Insertion par l’activité économique) auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können. Italien hat eine strukturbedingte Kürzung der Beiträge für Arbeitgeber eingeführt, die in den südlichen Regionen junge Menschen oder Langzeitarbeitslose als Vollzeitkräfte oder Auszubildende einstellen. Portugal bietet finanzielle Anreize für unbefristete Einstellungen in Form einer teilweisen Freistellung von den Beiträgen zur Sozialversicherung für bestimmte schutzbedürftige Gruppen (junge Menschen, Langzeitarbeitslose, ältere Personen). In Ungarn trägt der ESF durch Anreize und Zuschüsse für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu einer Verbesserung des Beschäftigungspotenzials von sozialen Unternehmen bei. 

Einige Mitgliedstaaten werben für Unternehmertum und Unternehmensgründungen. In Griechenland werden Zuschüsse gewährt, wenn junge Selbstständige oder Unternehmen, die von jungen Menschen geleitet werden, erstmals Arbeitnehmer einstellen. In Lettland legt ein neues Gesetz die zentralen Grundsätze und Arbeitsregelungen von sozialen Unternehmen fest. Etwa 200 soziale Unternehmen erhalten Unterstützung. Darüber hinaus wurde die Umsatzschwelle für Zahlungspflichtige der Steuer für Kleinstunternehmen von 100 000 EUR auf 40 000 EUR herabgesetzt und ein einzelner Steuersatz von 15 % beibehalten, von dem 80 % für verbindliche staatliche Versicherungsbeiträge abgeführt werden. In Ungarn steht seit Herbst 2017 eine Darlehensfazilität zur Verfügung, die mit mehreren anderen Zuschussinstrumenten kombiniert werden kann, um Einzelpersonen dabei zu unterstützen, als Unternehmer tätig zu werden, oder den Ausbau der Marktaktivitäten von sozialen Unternehmen zu fördern. In Polen hat die Regierung einen Gesetzentwurf zur Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Inhaber von kleinen Unternehmen, die sogenannten ZUS-Beiträge, verabschiedet. In der Slowakei wurden neue Rechtsvorschriften zu den Bedingungen für die öffentliche Unterstützung der Sozialwirtschaft und sozialer Unternehmen verabschiedet. In Finnland besteht seit 2018 die Möglichkeit, Arbeitslosenleistungen in Form eines Zuschusses zu beziehen, um ein Unternehmen zu gründen und gleichzeitig einer Teilzeittätigkeit nachzugehen. Darüber hinaus sind Diskussionen im Gange, wie Arbeitslosen die Gründung eines Unternehmens erleichtert werden kann. In zahlreichen Mitgliedstaaten wurden Schritte unternommen, mit denen sichergestellt werden soll, dass Selbstständige über ausreichende soziale Rechte verfügen (vgl. Abschnitt 3.3 zur Arbeitsmarktsegmentierung).

In einigen Mitgliedstaaten wurden die Arbeitskosten durch eine Verminderung der Steuerbelastung gesenkt, wobei diese Maßnahmen vielfach auf die niedrigsten Einkommen abzielten. Die Steuerbelastung wurde hauptsächlich für Bezieher geringer Einkommen mit Reformen angegangen, die gezielt auf die Besteuerung des persönlichen Einkommens ausgerichtet waren. Häufig wurden dabei die steuerlichen Vergünstigungen erhöht (d. h. der steuerfreie Einkommensbetrag) oder im Gesamtsystem eine Steuerprogression eingeführt. Beispielsweise wurde in Litauen eine umfassende Reform verabschiedet, mit der das Gesetz über die persönliche Einkommensteuer geändert und statt dem bisherigen Pauschalsatz eine Steuerprogression eingeführt sowie der steuerfreie Einkommensbetrag erhöht wurde. In Lettland wurde im Rahmen einer großen Steuerreform auf ähnliche Weise eine pauschale 23-prozentige Besteuerung von Einkommen durch ein progressives System ersetzt. Die Steuerfreibeträge wurden ebenfalls angehoben. Auch in Estland wurden solche Freibeträge eingeführt. Die Niederlande kündigten eine Reform der persönlichen Einkommensteuer an, die im Laufe von 2019 und 2020 umgesetzt werden soll. Diese umfasst neben einer Reduzierung der Steuerstufen von vier auf zwei auch eine Anhebung der allgemeinen Steuergutschriften und der eingenommenen Einkommensteuergutschriften. Mit der Reform wird voraussichtlich die allgemeine Steuerbelastung des Faktors Arbeit verringert, insbesondere für das mittlere und höhere Einkommensniveau. Neben wichtigen Änderungen bei der Gestaltung der Sozialversicherungsbeiträge wurde in Rumänien der Pauschalsatz der persönlichen Einkommensteuer ab 2018 von 16 % auf 10 % reduziert. Portugal führte Reformen bei der persönlichen Einkommensteuer ein, um die Steuerbelastung für Bezieher geringer bis mittlerer Einkommen zu senken. Dazu zählte auch die Erhöhung der Anzahl an Steuerstufen. Weitere Mitgliedstaaten führten Reformen in geringerem Umfang ein. In Malta wurde zum Beispiel eine Einkommensteuerermäßigung für Erwerbseinkommen zwischen 40 EUR und 68 EUR beschlossen, sofern das Jahreseinkommen weniger als 60 000 EUR beträgt. Das Vereinigte Königreich hat den Grundfreibetrag auf 11 850 GBP (ca. 13 400 EUR) pro Jahr und den Schwellenbetrag für den Wechsel in den höheren Steuersatz von 45 000 GBP (ca. 50 850 EUR) auf 46 350 GBP (ca. 52 400 EUR) angehoben. In Dänemark dient das Steuerabkommen von 2018 verstärkt als Anreiz, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, und ist insbesondere auf Arbeitslose und Teilzeitbeschäftigte ausgerichtet. In Zypern wurde das Gesetz über Kindergeld geändert, um die förderfähige Einkommensschwelle um 5 000 EUR für jedes weitere Kind nach den ersten beiden Kindern zu erhöhen.

Einige Mitgliedstaaten haben die Steuerbelastung auch durch eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge vermindert. In Frankreich soll im Jahr 2019 die Überführung der Steuergutschriften für Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in eine direkte Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für Löhne umgesetzt werden, die zweieinhalbmal über dem Mindestlohn liegen. Ergänzt werden soll diese durch eine umfassendere Steuersenkung für geringe Löhne, die auf Oktober 2019 verschoben wurde. In Kroatien wurde die Grundlage, auf der die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung berechnet werden, für Arbeitnehmer, die länger als 12 Monate zum Mindestlohn beschäftigt werden, um 50 % gekürzt. Belgien verabschiedete eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge für einige Arten der Schichtarbeit im Baugewerbe. Das Gewinnbeteiligungsmodell im privaten Sektor wurde allgemein durch eine neue Prämie (ein Betrag oder ein Anteil am Gehalt) ersetzt, die 30 % des Gesamtbruttogehalts nicht übersteigen darf. Der Arbeitgeber ist von den Sozialbeiträgen für diese Prämien befreit, der Arbeitnehmer muss unterdessen eine Solidaritätsabgabe von 13,07 % entrichten.

Rahmenwerke zur Lohnfestlegung waren in den letzten Jahren Gegenstand wichtiger Reformen. Nachdem Griechenland im August 2018 aus dem ESM-Programm ausgeschieden ist, wurden zwei Grundsätze der Tarifvereinbarungen, die im Jahr 2011 ausgesetzt worden waren, wieder eingeführt: die Möglichkeit, branchenweite Vereinbarungen auf nichtunterzeichnende Parteien verwaltungstechnisch auszuweiten, und das Begünstigungsprinzip (im Falle widersprüchlicher Tarifvereinbarungen, z. B. auf Branchen- und Unternehmensebene, hat die für den Arbeitnehmer günstigere Vereinbarung Vorrang). In Kroatien wurde der Rahmen für das System der Vergütungsklassen und -stufen sowie zur Beurteilung der Arbeitseffizienz im Entwurf eines Vorschlags für das Gesetz über Löhne im öffentlichen Dienst festgelegt. Frankreich definierte die Grenzen jeder Ebene der Tarifvereinbarungen aufbauend auf bisherigen Reformen genauer. Künftig haben Vereinbarungen auf Branchenebene Vorrang vor dem nationalen Arbeitsrecht, wenn es um die Festlegung eines Rahmens und der Bedingungen zur Anwendung eines befristeten oder projektbasierten Arbeitsvertrags und die Probezeit geht (vgl. auch Kapitel 3.3). Vereinbarungen auf Unternehmensebene können weniger günstig ausfallen als auf Branchenebene, mit Ausnahme der 13 definierten Bereiche für Tarifvereinbarungen, darunter branchenweite Mindestlöhne. Falls auf Unternehmensebene keine Einigung zustande kommt, gilt hingegen die Vereinbarung auf Branchenebene. Außerdem reichen bedeutende Vereinbarungen auf Unternehmensebene zur Sicherung von Arbeitsplätzen (accords de competitivité) nun über die Arbeitszeitregelungen hinaus und umfassen auch die Vergütung. Somit können Unternehmen Arbeitnehmer entlassen, die solche Vereinbarungen aus realen und schwerwiegenden Gründen ablehnen. In Italien ebnete im März 2018 eine Vereinbarung unter den wichtigsten Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden den Weg für die Stärkung der Tarifverhandlungen, indem Kriterien zur Messung des repräsentativen Charakters von Vereinigungen der Sozialpartner definiert wurden. In Zypern trat im Jahr 2018 eine neue Vereinbarung zum Index für die Angleichung der Lebenshaltungskosten in Kraft, was zu begrenzten Lohnerhöhungen und zur Definition von Kriterien für die Häufigkeit und Art der periodischen Anpassungen führte. In Lettland werden derzeit unter Beteiligung der Sozialpartner neue Bedingungen für die Vergütung von Überstunden festgelegt, gleichzeitig finden Verhandlungen zu branchenweiten Mindestlöhnen statt. In Portugal wurde mit den Sozialpartnern eine Einigung hinsichtlich einer Reihe von Maßnahmen erzielt, um den Geltungsbereich der Tarifvereinbarungen zu erweitern. Über diese wird derzeit im Parlament diskutiert. Insbesondere würden „Stundenkontingente“ nicht mehr im Einzelfall vereinbart, sondern als Teil der Tarif- oder Konzernvereinbarungen, die nach Absprache mit dem Arbeitnehmer getroffen werden (vgl. auch Kapitel 3.3). In Spanien erzielten die Sozialpartner im Juni 2018 eine vorläufige Tarifvereinbarung für das Jahr 2018, die eine allgemeine Lohnerhöhung von 2 % (knapp über der erwarteten Inflationsrate) sowie von weiteren 1 % abhängig von den Ergebnissen, der Produktivität und den Abwesenheitsquoten der Firma bzw. der Branche vorsieht. In Rumänien sind jetzt alle Unternehmen zu Tarifverhandlungen verpflichtet. In Irland wurde für bestimmte Kategorien der Selbstständigkeit die Möglichkeit der Tarifverhandlungen eingeführt, die Slowakei führte wieder die Möglichkeit ein, Tarifvereinbarungen mit höherem Tarifabschluss unter bestimmten Bedingungen auf nicht teilnehmende Arbeitgeber auszuweiten, und zwar ohne deren ausdrückliche Einwilligung.

Mit den sich verbessernden Arbeitsmarktbedingungen wurden die Mindestlöhne in mehreren Ländern angehoben und gleichzeitig Schritte unternommen, damit Rahmenwerke zur Festlegung von Mindestlöhnen berechenbarer werden. Die gesetzlichen Mindestlöhne stiegen in allen Ländern, in denen sich zwischen 2017 und 2018 Änderungen ergeben haben, mit Ausnahme von Deutschland, Griechenland, Luxemburg und Belgien, wo in realen Zahlen eine Verminderung zu verzeichnen war 37 . In den letzten Jahren wurden bei der Festlegung von Mindestlöhnen in einer zunehmenden Anzahl an Ländern Gruppen von Sachverständigen mit einbezogen, unter anderem in Deutschland und Irland. Malta wird im Jahr 2018 eine solche Gruppe einsetzen und in Bulgarien und Rumänien steht eine mögliche Beteiligung von Sachverständigen zur Diskussion. Estland verabschiedete im Jahr 2018 eine Erhöhung des Mindestlohns um 30 EUR auf 500 EUR und legte gleichzeitig eine Formel für künftige Erhöhungen fest, die an offizielle Prognosen der Arbeitsproduktivität und des Wirtschaftswachstums geknüpft ist. Irland erhöhte den nationalen Mindestlohn um 30 Cent auf 9,55 EUR pro Stunde und folgte damit der Empfehlung der Niedriglohnkommission. Berücksichtigung fanden dabei auch die Entwicklungen auf dem Gebiet der Wettbewerbsfähigkeit und die Auswirkungen auf die Beschäftigungslage. In Spanien wurde der Mindestlohn im Jahr 2018 durch ein mit den Sozialpartnern vereinbartes Gesetz im Vergleich zu 2017 um 4 % angehoben, für 2019 wurden weitere Anhebungen vorgeschlagen. In Kroatien wurde neben der Anhebung des Mindestlohnniveaus und der Reduzierung der von den Arbeitgebern entrichteten Krankenversicherungsbeiträge eine neue Verordnung erlassen, in der festgelegt ist, dass zusätzliche Einkünfte (aufgrund von Überstunden, Nachtarbeit oder Arbeit an Feiertagen) von der Definition des Mindestlohns ausgenommen sind. Lettland hat den Mindestlohn ab 2018 von 380 EUR auf 430 EUR pro Monat erhöht. In Ungarn wurde der Mindestlohn im Jahr 2018 um 8 % (+12 % für qualifizierte Arbeitskräfte) auf 138 000 HUF angehoben, was etwa 440 EUR entspricht. In der Slowakei wird der Mindestlohn zum 1. Januar 2019 von 480 EUR auf 520 EUR erhöht. Das Vereinigte Königreich hob das nationale Existenzminimum im April 2018 auf 7,83 GBP pro Stunde (etwa 6,90 EUR) sowie den nationalen Mindestlohn für junge Arbeitnehmer an. Auch in den Niederlanden wurde der Mindestlohn für junge Arbeitnehmer erhöht und Deutschland führte einen Mindestlohn für Leiharbeitnehmer ein. Bulgarien verabschiedete schließlich das Gesetz zur Ratifizierung des Übereinkommens 131 der IAO, um einen Konsens mit den Sozialpartnern in Bezug auf die Ausarbeitung eines transparenten Mechanismus zur Festlegung des Mindestlohns zu erzielen.



3.2.Leitlinie 6: Verbesserung des Arbeitskräfteangebots und des Zugangs zu Beschäftigung, Fähigkeiten und Kompetenzen

In diesem Abschnitt wird die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinie 6 behandelt, mit der den Mitgliedstaaten empfohlen wird, Rahmenbedingungen zu schaffen, die Arbeitskräfteangebot, Fähigkeiten und Kompetenzen fördern. Vorgestellt werden Indikatoren zum Bildungs- und Ausbildungsniveau, Ergebnissen und Auswirkungen auf die Kompetenzentwicklung und Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitskräfte, gefolgt von Darstellungen der Situation verschiedener auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentierter Gruppen (z. B. junge Menschen, ältere Arbeitnehmer, Frauen, Personen mit Migrationshintergrund und Personen mit Behinderungen). In Abschnitt 3.2.2 werden die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen und speziell auf diese Gruppen ausgerichtete Maßnahmen vorgestellt.

3.2.1    Schlüsselindikatoren

Der Anteil an frühen Schul- und Ausbildungsabgängern hat sich im Laufe der Jahre weiterhin verringert, obwohl der Abwärtstrend jüngst abgeflaut ist und anhaltend große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. Insgesamt ging die durchschnittliche Quote der frühen Schulabgänger in der EU von 14,7 % im Jahr 2008 auf 11,9 % im Jahr 2013 und weiter auf 10,6 % im Jahr 2017 zurück. Die Lage blieb im Vergleich zum Vorjahr, als der Durchschnitt bei 10,7 % lag, nahezu stabil. 18 Mitgliedstaaten haben die Zielvorgabe der EU (< 10 %) erreicht, wobei Deutschland (10,1 %), das Vereinigte Königreich (10,6 %) und Estland (10,8 %) sehr knapp davor stehen. Im Jahr 2017 ist mit Blick auf die jüngsten Entwicklungen ein gewisses Maß an Konvergenz der Mitgliedstaaten spürbar (Schaubild 16), wobei in Portugal, Malta und Bulgarien (alle als „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ eingestuft) ein erheblicher Rückgang der Quote der frühen Schulabgänger zu verzeichnen war (von mehr als einem Prozentpunkt), aber in der Slowakei (+1,9 Prozentpunkte), Luxemburg (+1,8 Prozentpunkte), Dänemark 38 (+1,6 Prozentpunkte) und Zypern (+1 Prozentpunkt) gab es auch deutliche Anstiege. Gemäß der Klassifizierung nach dem sozialpolitischen Scoreboard bleibt die Lage in Spanien (18,3 %) und Rumänien (18,1 %) sowie in Italien (14 %), wo die Quote leicht gestiegen ist, weiterhin „kritisch“.

Schaubild 16: Frühe Schul- und Ausbildungsabgänger (in Prozent der Bevölkerung im Alter von 18-24 Jahren) und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

In den meisten EU-Mitgliedstaaten konnten bemerkenswerte Verbesserungen verzeichnet werden, insbesondere in den Mitgliedstaaten, die bisher einen besonders hohen Anteil an frühen Schulabgängern aufwiesen. Von 2008 bis 2017 konnten sowohl Irland als auch Griechenland ihre Quote der frühen Schulabgänger erheblich um 6,6 bzw. 8,4 Prozentpunkte verringern. Somit liegen sie derzeit deutlich unter der Zielvorgabe der EU. Gleichzeitig ist die Quote in Spanien (18,3 %) und Portugal (12,6 %) seit 2008 um 13,4 bzw. 22,3 Prozentpunkte drastisch gesunken, selbst wenn das Ziel noch nicht erreicht ist. Unter den Ländern mit einer hohen Quote an frühen Schulabgängern weist lediglich Rumänien keine wesentlichen Entwicklungen im Verlauf der Jahre auf, während die Slowakei einen beträchtlicher Anstieg von 3,3 Prozentpunkten vorzuweisen hat, aber im Jahr 2017 dennoch unter dem EU-Kernziel bleibt (Schaubild 17).

Schaubild 17: Frühe Schul- und Ausbildungsabgänger, 2008-2017 (in %)

Quelle: Eurostat, Online-Datencode: [edat_lfse_14].

Zwischen Frauen und Männern sowie zwischen Personen, die innerhalb und außerhalb der EU geboren wurden, bestehen weiterhin entscheidende Unterschiede bei der Quote der frühen Schulabgänger. Der EU-Durchschnittswert für junge Frauen, die frühzeitig von der Schule abgegangen sind, lag im Jahr 2017 bei 8,9 %, bei den Männern sogar bei 12,1 %. Dieses Geschlechtergefälle ist in Dänemark, Luxemburg, Italien, Portugal, Malta, Estland, Lettland und Spanien (über 5 Prozentpunkte) besonders ausgeprägt, Bulgarien, Ungarn und die Slowakei hingegen sind die einzigen Mitgliedstaaten, in denen die Quote der frühen Schulabgänger für Männer niedriger ist als für Frauen. Gleichzeitig ist die Quote für die nicht in der EU geborenen Personen weitaus höher als für die innerhalb der EU geborenen Schüler. Im Jahr 2017 lag der EU-Durchschnitt für die in der EU geborenen Personen bei 9,6 %, während der Durchschnittswert für die außerhalb der EU geborenen Personen doppelt so hoch war. Die Quote der frühen Schulabgänger ist in Irland, Luxemburg und den Niederlanden besonders niedrig und liegt in allen drei Fällen deutlich unter der Zielvorgabe von 10 %, in Spanien (31,9 %) und Italien (30,1 %) ist sie dagegen extrem hoch.

Der Anteil an 15-jährigen Schülern mit Leistungsdefiziten 39 bei den Grundkompetenzen hat nach mehreren Jahren eines beständigen Fortschritts zugenommen. Die internationale Schulleistungsstudie der OECD (PISA-Studie) 2015 hat gezeigt, dass der Anteil an Schülern, deren Leistungen unterhalb des Basisniveaus liegen, in der EU im Durchschnitt etwa 20 %, beim Lesen 19,7 %, in der Mathematik 22,2 % und im Bereich Wissenschaft 20,6 % beträgt. Im Vergleich zur letzten PISA-Studie von 2012 40 hat sich die Lage in allen drei Bereichen verschlechtert: beim Lesen um 1,9 Prozentpunkte, in der Mathematik um 0,1 Prozentpunkte und im Bereich Wissenschaft um 4 Prozentpunkte. Schüler mit Leistungsdefiziten verdienen Unterstützung, weil für sie die Gefahr größer ist, in ihrem künftigen Leben von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung betroffen zu sein. Im Jahr 2015 lag der Anteil an Schülern mit Leistungsdefiziten im Bereich Mathematik bei 22,2 %, mit deutlichen Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten. Während in Estland, Finnland, Dänemark und Irland weniger als 15 % Leistungsdefizite in Mathematik aufwiesen, hatten Zypern, Bulgarien, Rumänien, Griechenland und Kroatien mit einem Anteil von mehr als 30 % der Schüler zu kämpfen, die das Niveau mit Grundkenntnissen in Mathematik nicht erreichten (Schaubild 18).

Schaubild 18: Anteil der Schüler mit Leistungsdefiziten in Mathematik, 2015

Quelle: OECD. Anmerkung: Die Länder sind entsprechend nach dem niedrigen bis hohen Anteil an Schülern mit Leistungsdefiziten in Mathematik angeordnet. Gewichteter EU-Durchschnitt gemäß Berechnungen der GD Bildung.

Die Bildungserfolge werden stark durch den sozioökonomischen Status und den Migrationshintergrund der Schüler beeinflusst. Schüler mit einem niedrigeren sozioökonomischen Status oder Migrationshintergrund sind in der Gruppe der Schüler mit Leistungsdefiziten überrepräsentiert und haben in allen drei Bereichen Schwierigkeiten, Kompetenzen auf dem Basisniveau zu erreichen. Eine genauere Betrachtung der Schüler, die in allen drei Bereichen trotz ungünstiger Situation das Basisniveau erreichten, zeigt, dass das Leistungsgefälle zwischen den in der EU geborenen Schülern und den außerhalb der EU geborenen Schülern im Schnitt bei 23 Prozentpunkten liegt, wobei die in der EU geborenen Schüler in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Malta besser abschnitten (siehe Schaubild 19). Erhebliche Unterschiede sind in Finnland, Schweden, Österreich, Deutschland und Frankreich (zwischen 35 und 40 Prozentpunkte) zu verzeichnen, während das Leistungsgefälle in Zypern, dem Vereinigten Königreich und Portugal bei weniger als 15 Prozentpunkten liegt. Geringe Bildungserfolge und Ungleichheiten in Verbindung mit dem sozioökonomischen Hintergrund stellen zentrale Hindernisse für die Verbesserung des Humankapitals dar, mit potenziellen Folgewirkungen auf das Qualifikationsniveau.

Die Inklusion der Roma in den Unterricht stellt weiterhin eine Herausforderung dar. Zu den hierfür verantwortlichen Faktoren zählen unter anderem die Aussonderung an Schulen, nicht inklusiver Unterricht sowie durch schwere Armut oder Wohnsegregation geschaffene Hürden. Unbeschadet der Bemühungen, die Teilnahmequoten zu erhöhen und die Anzahl der frühen Abgänger zu verringern, bestehen weiterhin erhebliche Probleme bei der Förderung ethnisch gemischter Schulen und den Maßnahmen zur Anti-Segregation. Anzumerken ist außerdem, dass eine erhebliche Zahl an Roma-Kindern in Ungarn, Bulgarien, Rumänien und der Slowakei in großer Armut leben und keinen Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen haben.

Schaubild 19: Anteil der Schüler, die Kompetenzen auf dem Basisniveau erreichen, nach Migrationshintergrund, 2015

Quelle: OECD (2018): The Resilience of Students with an Immigrant Background: Factors that Shape Well-Being (in englischer Sprache), Abbildung 3.7.

Anmerkungen: Statistisch signifikante Unterschiede sind neben dem Namen des Landes bzw. der Volkswirtschaft aufgeführt. Es sind nur Länder mit einem gültigen Wert für Schüler der ersten Zuwanderungsgeneration aufgeführt. Für den EU-Durchschnitt bezieht sich diese Zahl nur auf die Untergruppe der Länder bzw. Volkswirtschaften mit gültigen Angaben zu beiden Schülergruppen. Bei Schülern, die das Basisniveau akademischer Kompetenzen erreichen, handelt es sich um Schüler, die in allen drei PISA-Kernfächern (Mathematik, Lesen und Wissenschaft) mindestens mit dem PISA-Kompetenzniveau 2 abschneiden. Länder und Volkswirtschaften sind in absteigender Reihenfolge des Anteils an Schülern der ersten Zuwanderungsgeneration sortiert, die in den PISA-Kernfächern das Basisniveau erreichen.

Der Anteil der 30- bis 34-Jährigen, die erfolgreich einen tertiären Bildungsabschluss erworben haben, steigt in der EU weiter an und hat nahezu das Kernziel von 40 % erreicht. Im Jahr 2017 verfügten als Folge eines schrittweisen Anstiegs über die letzten Jahre 39,9 % der Bevölkerungsgruppe der 30- bis 34-Jährigen über einen tertiären Bildungsabschluss. Der Erwerb eines tertiären Bildungsabschlusses verzeichnete zwischen 2014 und 2017 in den meisten Mitgliedstaaten einen Zuwachs. Nur in Kroatien, Ungarn und in einem geringeren Ausmaß in Spanien und Finnland ging der Bevölkerungsanteil mit einem tertiären Bildungsabschluss im gleichen Zeitraum zurück. Im Gegensatz dazu ergab sich in der Slowakei, Griechenland und der Tschechischen Republik mit 7,4, 6,5 bzw. 6 Prozentpunkten ein bemerkenswerter Anstieg. Unter den Ländern mit einer Quote für tertiäre Bildungsabschlüsse von unter 40 % haben lediglich Rumänien, Italien und Kroatien noch nicht den Wert von 30 % erreicht (Schaubild 20). Insgesamt haben 15 der 28 Mitgliedstaaten im Jahr 2017 ihr jeweiliges nationales Ziel erreicht.

Schaubild 20: Tertiäre Bildungsabschlüsse, 2008, 2013, 2017 und Zielvorgabe von Europa 2020

Quelle: Eurostat, AKE [edat_lfse_03]. Die Indikatoren beziehen sich auf den Anteil der Gesamtbevölkerung im Alter von 30 bis 34 Jahren, der erfolgreich einen tertiären Bildungsabschluss erworben hat (ISCED 5–8). Unterbrechung der Abfolge im Jahr 2014 aufgrund der Einführung der neuen ISCED-Klassifizierung. LU: Unzuverlässige Daten zu 2017 aufgrund der kleinen Stichprobengröße.

Die Quote der Personen mit tertiärem Bildungsabschluss fällt bei Frauen höher aus als bei Männern, und zwischen innerhalb und außerhalb der EU geborenen Personen bestehen wesentliche Unterschiede. Im Jahr 2017 verfügten 44,9 % der Frauen im Alter von 30 bis 34 Jahren über einen Hochschlussabschluss, bei den Männern lag diese Quote bei 34,9 %. Diese Diskrepanz hat sich in den letzten 15 Jahren vergrößert und ist in Lettland, Litauen und Slowenien besonders deutlich, wo die Quote der Personen mit tertiärem Bildungsabschluss bei den Frauen mehr als 20 Prozentpunkte über der Quote der Männer liegt. Gleichzeitig ist der Anteil an Menschen, die im entsprechenden Land oder in der EU geboren wurden, in fast allen Mitgliedstaaten höher als der Anteil an Personen, die außerhalb der EU geboren wurden. Im Durchschnitt beläuft sich dieses Gefälle auf rund 5,5 Prozentpunkte, was auf anhaltende Herausforderungen in Bezug auf die Gleichbehandlung, die Zugänglichkeit und die soziale Dimension der Hochschulbildung hindeutet.

Etwa ein Drittel der jungen Erwachsenen in der EU verfügt über eine Qualifikation mit beruflicher Orientierung. Im Jahr 2016 haben 33 % der jungen Erwachsenen in der Altersgruppe der 30 bis 34-Jährigen einen höheren Sekundarschulabschluss mit beruflicher Orientierung erworben. Wie aus Schaubild 21 hervorgeht, lag dieser Anteil in Ländern wie der Slowakei, Ungarn, Österreich, Rumänien, Deutschland, der Tschechischen Republik und Kroatien, deren Modell für den Übergang von Schulbildung zu Berufsbildung stark im berufsbildenden Schulsystem verankert ist, bei über 40 %. Im Gegensatz dazu war dieser Anteil in den Ländern, deren Modell schwerpunktmäßig auf die tertiäre Bildung ausgerichtet ist (z. B. Litauen, Schweden, Zypern und Irland) oder die eine vergleichsweise niedrigere Streuung der direkt für den Arbeitsmarkt relevanten Qualifikationen aufweisen (z. B. Malta, Portugal, Spanien, Luxemburg und Griechenland), verhältnismäßig gering (weniger als 20 %).

Schaubild 21: Schulbildung und Berufsbildung: Übergänge und Systeme, 2016

Quelle: Eurostat., AKE. Online-Datencode: [lfso_16feduc].

Anmerkung: Zur nicht beruflichen Bildung gehören Qualifikationen auf den ISCED-Stufen 0 bis 2 oder mittlere Qualifikation (ISCED 3–4) mit allgemeiner Orientierung. ISCED 3–4 VOC sind mittlere Qualifikationen (ISCED 3–4) mit beruflicher Orientierung und zu ISCED 5–8 zählen Qualifikationen mit Hochschulausbildung.

Nicht alle haben die gleichen Chancen, die Kompetenzen und Qualifikationen zu erlangen, die für den Arbeitsmarkt von Wert sind. In einigen Ländern sind mehr als die Hälfte der jungen Menschen im Alter von 30 bis 34 Jahren der Ansicht, dass sie nicht über eine Qualifikation verfügen, die eindeutig mit dem Arbeitsmarkt verknüpft ist, sei es ein beruflicher oder ein akademischer Abschluss. Dies beeinträchtigt die Chancen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Beispielsweise erreichen zwar die Personen mit einer beruflich orientierten Qualifikation und einem Hochschulabschluss (wie aus Schaubild 22 hervorgeht) eine Beschäftigungsquote über 80 %, aber weniger als 70 % der Personen mit einem allgemein orientierten, höheren Sekundarschulabschluss haben nach dem 25. Lebensjahr einen Arbeitsplatz. Diejenigen ohne höheren Sekundarschulabschluss sind sogar noch stärker benachteiligt, denn weniger als 60 % von ihnen haben nach dem 25. Lebensjahr eine Beschäftigung.

Über eine für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikation zu verfügen, sei es ein akademischer oder beruflicher Abschluss, wird immer wichtiger, um sich an eine rasch verändernde Wirtschaftslage anpassen und die Nachfrage nach hohen Qualifikationen decken zu können. Die Beschäftigungsquote junger Hochschulabsolventen lag im Jahr 2017 bei 84,9 % und somit 0,9 Prozentpunkte über der allgemeinen Beschäftigungsquote für Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, die über den gleichen Bildungsabschluss verfügen. Nur in wenigen Mitgliedstaaten (Italien, Griechenland, Kroatien, Zypern, Slowenien und Spanien) sind junge Hochschulabsolventen noch immer benachteiligt, obgleich sich die Lage in all diesen Ländern mit Ausnahme von Kroatien verbessert hat. Nicht weit dahinter lag die Beschäftigungsquote der jüngsten Absolventen mit mittlerer berufsbildender Qualifikation. Mit 76,6 % fiel diese 5,7 Prozentpunkte höher aus als die allgemeine Beschäftigungsquote für Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, die über den gleichen Bildungsabschluss verfügen, was für die jüngsten Absolventen mit berufsbildender Qualifikation auf einen auf einen Vorsprung bei der Beschäftigung hindeutet. Die Beschäftigungsquote für die Personen, die lediglich über eine allgemeine mittlere Qualifikation verfügen, betrug hingegen 64,1 %. Junge Erwachsene mit geringer Qualifikation waren mit einer Beschäftigungsquote von 56,4 % im Jahr 2017 auf dem Arbeitsmarkt noch stärker benachteiligt.

Schaubild 22: Beschäftigungsquote junger Absolventen nach erreichtem Bildungsabschluss, 2017

Quelle: Eurostat, AKE. Anmerkung: Junge Erwachsene im Alter von 20 bis 34 Jahren. Die Daten für Personen mit geringer Qualifikation umfassen alle jungen Erwachsenen, die an keiner Bildungseinrichtung eingeschrieben sind oder eine Ausbildung absolvieren, unabhängig davon, wie lange ihr Abschluss zurückliegt. Die Daten für Personen mit mittlerer und höherer Qualifikation umfassen alle Einzelpersonen, die ein bis drei Jahre vor der Umfrage ihren Abschluss erworben haben.

Eine Möglichkeit, die Arbeitsmarktergebnisse junger Menschen zu verbessern, besteht darin, ihnen Chancen zu eröffnen, der realen Arbeitswelt ausgesetzt zu sein, entweder über unternehmensbasiertes praxisbezogenes Lernen oder im Rahmen von Lehrlingsausbildungen, die mit dem Lehrplan ihres Programms verknüpft sind. Diejenigen, die während ihrer schulischen Ausbildung entsprechende Erfahrung sammeln können, finden leichter einen Arbeitsplatz und haben eventuell sogar die Möglichkeit, sich auf eine weiterführende Position zu bewerben. Wie in Schaubild 23 veranschaulicht geben jedoch weniger als 50 % der Personen mit einer berufsbildenden Qualifikation an, während ihrer schulischen Ausbildung eine solche Erfahrung gesammelt zu haben. Ein noch geringerer Anteil verfügte über ein weitaus wichtigeres praxisbezogenes Lernerlebnis im Rahmen einer Lehrlingsausbildung. Der größte Anteil an Lernenden in Berufsbildungsgängen, die Zugang zu praxisbezogenem Lernen haben (über 90 %), ist in Ungarn, den Niederlanden, Finnland und Schweden zu finden.

Schaubild 23: Zugang zu praxisbezogenem Lernen und Lehrlingsausbildungen im Rahmen der Berufsbildung, 2016

Quelle::Eurostat, AKE. Online-Datencode: [lfso_16feduc], junge Erwachsene im Alter von 15 bis 34 Jahren mit einer berufsbildenden Qualifikation auf höherem sekundärem oder postsekundärem, nicht tertiärem Niveau. Für LU liegen keine Daten vor. Zu „Lehrlingsausbildungen“ liegen für BG, LV, LT und PT keine Daten vor. Die Daten für DE sind aufgrund einer großen Zahl an fehlenden Antworten möglicherweise nicht repräsentativ.

Gering qualifizierte Erwachsene sind im Vergleich zu den Personen, die länger in der Ausbildung verblieben sind, auf dem Arbeitsmarkt häufig deutlich benachteiligt. In der EU liegt das Verhältnis der gering qualifizierten Erwachsenen zu der Anzahl an Stellen, die ein geringes Maß an Qualifikationen erfordern, im Durchschnitt bei drei zu eins (Tabelle 2). Anders ausgedrückt gibt es im Vergleich zu den Stellen, die ein geringes Maß an Qualifikationen erfordern, dreimal mehr gering qualifizierte Erwachsene. Das Problem scheint in Ländern wie Malta, Portugal, Griechenland, Italien und Spanien mit einem Verhältnis von mehr als vier zu eins weitaus akuter zu sein. Dies könnte letztlich zu einer schwächeren Arbeitsmarktbindung, häufigeren unsicheren Arbeitsplätzen, hoher Arbeitslosigkeit und zu der Gefahr einer vollständigen Abkehr vom Arbeitsmarkt führen.

Tabelle 2: Die Anzahl an gering qualifizierten Erwachsenen und Arbeitsplätzen, die eine geringe Qualifikation erfordern, in der EU.

Gesamtzahl gering qualifizierter Erwachsener, 25–64 Jahre (in Tsd.)

Gesamtzahl Hilfstätigkeiten (in Tsd.)

Verhältnis

EU der 28

61 353,0

20 210,6

3,0

Malta

125,8

17,6

7,1

Portugal

2 897,3

490,0

5,9

Griechenland

1 583,2

268,0

5,9

Italien

12 834,9

2 517,8

5,1

Spanien

10 654,1

2 409,0

4,4

Schweden

751,0

231,1

3,2

Rumänien

2 417,4

776,4

3,1

Belgien

1 386,0

449,6

3,1

Kroatien

366,5

119,4

3,1

Frankreich

7 200,6

2 692,9

2,7

Luxemburg

64,8

24,6

2,6

Niederlande

1 902,2

742,0

2,6

Vereinigtes Königreich

6 744,3

2 641,3

2,6

Irland

443,0

176,3

2,5

Finnland

329,0

148,3

2,2

Österreich

728,4

337,3

2,2

Slowenien

140,7

67,5

2,1

Bulgarien

677,2

333,0

2,0

Deutschland

6 116,8

3 154,2

1,9

Ungarn

857,9

460,4

1,9

Dänemark

527,3

302,3

1,7

Zypern

88,1

53,5

1,6

Estland

80,4

51,5

1,6

Polen

1 617,0

1 041,6

1,6

Tschechische Republik

367,2

266,3

1,4

Slowakei

272,2

217,3

1,3

Lettland

100,7

106,7

0,9

Litauen

79,4

115,1

0,7

Quelle: Eurostat, AKE, 2017.

Gering qualifizierte und ältere Menschen nehmen mit geringer Wahrscheinlichkeit an Bildungsprogrammen für Erwachsene teil. Im Jahr 2017 war die Teilnahmequote der gering qualifizierten und älteren Menschen an der Erwachsenenbildung in der EU zweimal niedriger als die allgemeine Teilnahmequote von 10,9 % (Schaubild 24). Sogar die Arbeitslosen, die eine besonders relevante Zielgruppe für Umschulungen sein sollten, nehmen mit geringerer Wahrscheinlichkeit als ein durchschnittlicher Arbeitnehmer an Bildungsprogrammen teil. Dieser Trend ist auch in den Ländern wahrnehmbar, in denen die allgemeine Teilnahmequote an der Erwachsenenbildung nahe am EU-Durchschnitt oder darüber liegt.

Schaubild 24: Teilnahme an der Erwachsenenbildung nach Bevölkerungsgruppen

Quelle: AKE der EU, 2017.

Der Umfang der IKT-Kompetenzen nimmt nur langsam zu und die anhaltenden Unterschiede zwischen der Spitzengruppe und den leistungsschwächsten Ländern weisen auf ein zweigeteiltes digitales Europa hin. Im Jahr 2017 verfügten in der EU durchschnittlich 57 % der 16- bis 64-Jährigen mindestens über grundlegende IKT-Kompetenzen. Geringe IKT-Kompetenzen haben für einen erheblichen Teil der Bevölkerung angesichts der sich verändernden Modalitäten zur Erbringung von Dienstleistungen und der Auswirkungen der Technik auf die Arbeitswelt möglicherweise einen Einfluss auf die Produktivität und das Wachstumspotenzial, aber auch auf die soziale Ausgrenzung. Besonders niedrig ist das Niveau in Bulgarien, Rumänien und Kroatien („kritisch“). In sechs anderen Ländern (Griechenland, Polen, Portugal, Lettland, Irland und Ungarn, alle als „zu beobachten“ eingestuft) ist es noch immer vergleichsweise hoch (um die 50 %), aber im Vergleich zum Durchschnitt dennoch niedrig. Spitzenwerte finden sich in Luxemburg, den Niederlanden, Schweden und Finnland mit Quoten über 75 %.

Schaubild 25: Anteil der Bevölkerung mit zumindest grundlegenden allgemeinen IKT-Kompetenzen und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards).

Quelle: Eurostat. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Für IT waren keine Daten verfügbar.

Die Bereitstellung von Orientierungshilfen zu Lernmöglichkeiten trägt zur wirksamen Förderung der individuellen Nachfrage nach Lernprogrammen und der Teilnahme an diesen bei. Anhand des Vergleichsrahmens zu den Kompetenzen Erwachsener und zur Erwachsenenbildung 41 konnte die Bereitstellung von Orientierungshilfen zu Lernangeboten als zentraler Hebel ausgemacht werden, um die Teilnahme der Erwachsenen an Lernprogrammen zu fördern. Laut der neuesten Daten (2016) über den Zugang zu Beratungsangeboten für Lernprogramme aus der Erhebung über Erwachsenenbildung 42 besteht eine enge Beziehung zwischen dem Anteil an Erwachsenen (im Alter von 25-64 Jahren), die Orientierungshilfe erhalten, und dem Anteil an Erwachsenen, die schließlich an Lernprogrammen teilnehmen. 43 In den meisten Mitgliedstaaten stellen öffentliche Beratungsangebote zwar ein häufig eingesetztes politisches Instrument dar, aber ihre Reichweite ist in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich. Wie in Schaubild 26 ersichtlich reichte der Anteil an Erwachsenen, die in den letzten 12 Monaten von Einrichtungen oder Organisationen kostenlose Informationen oder eine kostenlose Beratung zu Lernangeboten erhielten, im Jahr 2016 von 1,5 % in Rumänien bis nahezu 56 % in Schweden (EU-Durchschnitt: 24,3 %). In Ländern wie Bulgarien, Griechenland, Litauen und Italien profitierten weniger als 10 % der Erwachsenen von dieser Art kostenloser Dienstleistungen, während die Teilnahme an Lernprogrammen im gleichen Referenzzeitraum ebenfalls relativ gering ausfiel (29 % gegenüber einem EU-Durchschnitt von 43 %). Andererseits erhielten in Schweden, Österreich, den Niederlanden, Luxemburg und Dänemark mehr als 40 % der Erwachsenen Orientierungshilfe zu Lernangeboten. Dies kann als eine der Determinanten für die relativ hohe Teilnahmequote an der Erwachsenenbildung betrachtet werden, die in diesen Ländern verzeichnet wurde (57 % gegenüber einem EU-Durchschnitt von 43 %).

Schaubild 26: Anteil an Erwachsenen, die Orientierungshilfe zu Lernangeboten für Erwachsene erhalten, 2016

Quelle: Eurostat, Erhebung über Erwachsenenbildung. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2016. Die Daten für Irland und Ungarn fehlen.

Schulungsmaßnahmen für benachteiligte Personen sind besonders relevant. Sie können verschiedene Formen annehmen, darunter beispielsweise formelle oder informelle Fortbildungsmaßnahmen oder Programme zum Aufbau grundlegender Kompetenzen. 44 Gering qualifizierte und arbeitslose Erwachsene stehen mit Blick auf den Zugang zu Lernangeboten vor besonderen Herausforderungen. Laut AKE-Daten reichte der Anteil an arbeitslosen Erwachsenen, die in den letzten vier Wochen vor der Umfrage an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnahmen, (als Teil aller arbeitslosen Erwachsenen) im Jahr 2017 von nahezu 1,5 % in der Slowakei bis zu knapp 45 % in Schweden (EU-Durchschnitt: 10,1 %) (Schaubild 27). Abgesehen von der Slowakei nahmen in Ländern wie Kroatien, Ungarn, Bulgarien, Polen, Griechenland, Italien, der Tschechischen Republik, Zypern, Lettland und Deutschland weniger als 10 % der arbeitslosen Erwachsenen an einem Lernprogramm teil. Andererseits übersteigt die Teilnahmequote in Dänemark, Luxemburg und Finnland 20 %. Beim Anteil an gering qualifizierten 45 Erwachsenen, die in den letzten vier Wochen vor der Umfrage an einer Weiterbildungsmaßnahme teilnahmen, (als Anteil aller gering qualifizierten Erwachsenen) sind ebenfalls erhebliche Unterschieden zwischen den Mitgliedstaaten erkennbar (Schaubild 28). Weniger als 1 % der gering qualifizierten Erwachsenen nahmen in Zypern, Griechenland und Kroatien an Lernprogrammen teil, während die Quote in Schweden, Dänemark und Finnland bei mehr als 10 % liegt (EU-Durchschnitt: 4,3 %).

Schaubild 27: Anteil arbeitsloser Erwachsener, die an Lernprogrammen teilnehmen (als Anteil aller arbeitslosen Erwachsenen), 2017

Quelle: EU-Arbeitskräfteerhebung. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2017. Die Daten für Litauen und Rumänien fehlen.

Schaubild 28: Anteil gering qualifizierter Erwachsener, die an Lernprogrammen teilnehmen (als Anteil aller gering qualifizierten Erwachsenen), 2017

Quelle: EU-Arbeitskräfteerhebung. Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2017. Für RO, BG, LT und SK sind keine Daten verfügbar.

Die Bereitstellung von finanziellen Anreizen für Arbeitgeber kann diese darin bestärken, in Mitarbeiterfortbildung zu investieren. In den meisten Fällen sind es die Arbeitgeber, die für ihr Personal Maßnahmen zur Erwachsenenbildung bereitstellen oder finanzieren, zumal sie mehr als zwei Drittel aller Erwachsenen unterstützen, die an einer berufsbezogenen Weiterbildung teilnehmen. Trotz der insgesamt geringen Reichweite ist die finanzielle Unterstützung der Arbeitgeber durch den Staat in den Mitgliedstaaten ein häufig genutztes politisches Instrument. Anreize können im Allgemeinen die Form von Steueranreizen (Steuergutschriften oder steuerliche Vergünstigungen), direkten Zuschüssen für Weiterbildungsmaßnahmen (darunter auch Unterstützung durch die EU) oder abgabenbasierte Finanzierungspläne (Weiterbildungsfonds) annehmen. Außerdem gibt es Anhaltspunkte dafür, dass direkte Zuschüsse für Unternehmen (d. h. in Form von nichtrückzahlbaren Beihilfen) im Vergleich zu anderen Formen finanzieller Anreize wirksamer sein können, damit Arbeitnehmer an Lernprogrammen teilnehmen. Der entsprechend zielgerichtete Einsatz finanzieller Unterstützung ist wichtig, zum Beispiel indem der Schwerpunkt auf Unternehmen gelegt wird, denen finanzielle sowie Kapazitätsgrenzen gesetzt sind, insbesondere KMU. So können Mitnahmeeffekte (finanzielle Investitionen, die sowieso getätigt worden wären) vermieden werden. Es bestehen tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass die Reichweite und nicht der Umfang der finanziellen Unterstützung in positiver Hinsicht in engem Zusammenhang mit der Teilnahme von Erwachsenen an Lernprogrammen steht. Den neuesten Daten (2015) zur finanziellen Unterstützung aus der Erhebung über die berufliche Weiterbildung 46 zufolge reicht der Anteil an Unternehmen, die angeben, in den letzten 12 Monaten eine beliebige Form staatlicher Mitfinanzierung für Weiterbildungsmaßnahmen erhalten zu haben (was der Reichweite der finanziellen Unterstützung entspricht), von 0,1 % in Rumänien bis nahezu 64 % in Spanien (Schaubild 29). Abgesehen von Rumänien lag der Anteil an Unternehmen, die eine solche Art der finanziellen Unterstützung erhalten haben, auch in Portugal, der Slowakei und Bulgarien unter 1 %. Dieser Anteil übersteigt hingegen in Zypern, Belgien, Frankreich und Spanien 20 %.  

Schaubild 29: Den Unternehmen gewährte finanzielle Unterstützung für Weiterbildungsmaßnahmen, 2015

Quelle: Eurostat, Erhebung über die berufliche Weiterbildung. Die Daten entsprechen den Werten von 2015 und weisen den Anteil der Unternehmen mit zehn oder mehr Arbeitnehmern aus, die angegeben haben, dass sie für die Bereitstellung von Weiterbildungsmaßnahmen im Laufe des Bezugsjahres (2015) finanzielle Unterstützung vom Staat erhielten. Die Daten für Irland fehlen.

Die Arbeitsmarktlage junger Menschen verbessert sich dem Wachstum des makroökonomischen Umfelds folgend weiter. In der EU ist die Jugendarbeitslosenquote vom 2013 erreichten Spitzenwert von 23,7 % auf 16,8 % im Jahr 2017 zurückgegangen. Sie ist jedoch immer noch höher als im Jahr 2008 und liegt in einigen Mitgliedstaaten (Italien, Spanien und Griechenland) weiterhin über 30 %. Die Streuung der Jugendarbeitslosenquote nimmt im Verlauf der Zeit zu (siehe Schaubild 30), wobei sie in Ländern mit höherem Wert stärker abnimmt, wenngleich mit einigen Ausnahmen (Italien, Frankreich, Belgien), bei denen der Rückgang eher schleppend verläuft. Am anderen Ende des Spektrums war in der Tschechischen Republik, Ungarn, Slowenien, Bulgarien, Irland und Polen, die im Jahr 2017 deutlich unter dem EU-Durchschnitt blieben, ein bemerkenswerter Rückgang zu verzeichnen. Das Niveau und die Entwicklung der Arbeitslosenquoten lagen im Jahr 2017 für Frauen mit 16,1 % und Männer mit 17,4 % nah beieinander. Die Erholung am Arbeitsmarkt führt nicht immer zur Schaffung hochwertiger Arbeitsplätze, denn junge Menschen erhalten häufiger unsichere Arbeitsverträge, die unter dem Standard liegen, darunter befristete Verträge, unfreiwillige Teilzeitbeschäftigungen und Niedriglohnjobs. Im Jahr 2017 hatten 43,9 % (ein Anstieg gegenüber den 42,2 % im Jahr 2013) der jungen Arbeitnehmer einen befristeten Vertrag (im Vergleich zu 12,2% der Arbeitnehmer im Alter von 25 bis 54 Jahren), in Slowenien und Spanien sogar mehr als sieben von zehn.

Schaubild 30: Jugendarbeitslosenquote (15–24 Jahre) im Vergleich über mehrere Jahre

Quelle: Eurostat, AKE.

Neben denjenigen, die einer Beschäftigung nachgehen oder eine solche suchen, zählt ein beträchtlicher Anteil der jungen Menschen im Alter von 15–24 Jahren zu den Nichterwerbspersonen. Insgesamt waren im Jahr 2017 in der EU knapp 6 Millionen Menschen zwischen 15 und 24 Jahren weder in Beschäftigung noch in einer Ausbildung (NEET – Not in Education, Employment or Training). Dies entspricht 10,9 % der Bevölkerung in dieser Altersklasse und liegt damit unter dem 2012 erreichten Spitzenwert von 13,2 % und somit auf dem Niveau von 2008 (10,9 %). Dieser Rückgang ist mehrheitlich auf den Eintritt von NEET in das Erwerbsleben zurückzuführen. Wie aus Schaubild 31 ersichtlich sind in mehreren Ländern (Italien, Zypern, Bulgarien, Kroatien, Griechenland und Rumänien) noch immer NEET-Quoten über 15 % zu verzeichnen. In Dänemark 47 , Luxemburg, Estland und, was weitaus besorgniserregender ist, den beiden Ländern mit den höchsten Quoten (Zypern und Italien, beide als „kritisch“ eingestuft) nimmt die Zahl der NEET zu. Daher erfolgt nur in begrenztem Maße eine Annäherung, wie es das leichte Gefälle der Regressionsgeraden vermuten lässt. In positiver Hinsicht bleibt anzumerken, dass in Bulgarien und Rumänien („schwach, aber mit Aufwärtstrend“) bemerkenswerte Rückgänge des ursprünglich hohen Niveaus zu beobachten sind.

Schaubild 31: NEET-Quote (15–24 Jahre) und Veränderung pro Jahr (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards).

Quelle: Eurostat. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

Nach dem Rückgang der Jugendarbeitslosigkeit zählt die Mehrheit der NEET zu den Nichterwerbspersonen, obgleich zwischen den Mitgliedstaaten wesentliche Unterschiede bestehen. In Bulgarien, Rumänien und Italien ist die Quote der Nichterwerbstätigen besonders hoch, während in Spanien, Kroatien und Griechenland die Arbeitslosigkeit vorherrscht. Ein niedriger Bildungsstand hat sich als Hauptrisikofaktor für die Zugehörigkeit zur Gruppe der NEET erwiesen 48 . Weibliche NEET sind häufiger nicht erwerbstätig als arbeitslos, während für Männer das Umgekehrte gilt.

Die Beschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer ist über das letzte Jahrzehnt deutlich angestiegen. Die älteren Arbeitnehmer haben die Krise verhältnismäßig besser überstanden als andere Altersgruppen und dienten im Zuge der Erholung als Motor für die Schaffung von Arbeitsplätzen, wobei zwischen dem zweiten Quartal 2013 und dem zweiten Quartal 2018 fast 7 Millionen zusätzliche Personen einen Arbeitsplatz hatten. Wie bereits in Abschnitt 1 erläutert bildet die Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen im Allgemeinen den Hauptmotor für den Gesamtanstieg der Beschäftigungsquote über die vergangenen zehn Jahre. Im Jahr 2017 lagen die Beschäftigungsquoten der Personen im Alter von 55-64 Jahren bei 55,3 % und damit 1,8 Prozentpunkte über dem Vorjahreswert, und vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird davon ausgegangen, dass dieser stetige Anstieg sich weiter fortsetzen wird. Die Beschäftigungsquoten der älteren Arbeitnehmer sind in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich und reichen von 76,4 % in Schweden bis zu 38,3 % in Griechenland, wobei auch die Quoten in Spanien, Belgien, Polen und Malta unter oder nah bei 50 % liegen. Die Beschäftigungsquote der Frauen zwischen 55 und 64 Jahren steigt schneller an als die der Männer und erreichte im Jahr 2016 einen Wert von 50,9 %.

Seit 2008 erhöhte sich in den meisten Mitgliedstaaten die durchschnittliche Dauer des Arbeitslebens, wobei in Estland, Litauen, der Tschechischen Republik, Malta, Ungarn, Polen und Luxemburg wesentliche Anstiege von über zwei Jahren zu verzeichnen waren. Das Geschlechtergefälle bei der Lebensarbeitszeit nimmt ebenfalls ab, ist jedoch nach wie vor erheblich, verbleiben doch Frauen im Durchschnitt 4,9 Jahre kürzer auf dem Arbeitsmarkt als Männer (33,4 Jahre gegenüber 38,3 Jahren im Jahr 2017). Dieser Mittelwert ergibt sich aus größeren Schwankungen zwischen den Mitgliedstaaten und wird von mehreren Faktoren bestimmt, wie unzureichenden Betreuungsangeboten sowie einem niedrigeren Renteneintrittsalter für Frauen in manchen Mitgliedstaaten.

Schaubild 32: Durchschnittliche Lebensarbeitszeit, Vergleich 2008–2017

Quelle: Eurostat, AKE.

Die Beschäftigungsquote der Frauen setzte ihren stetigen Anstieg im Jahr 2017 fort. Sie erreichte 66,5 % und lag im Vorjahr noch bei 65,3 %. Mit Ausnahme von Dänemark (wo diese Quote allerdings sehr hoch ist) nahm die Beschäftigungsquote der Frauen in allen Mitgliedstaaten zu. Sie reicht von 79,9 % in Schweden bis zu 48,0 % in Griechenland, wobei auch in Spanien, Malta, Kroatien und Italien niedrigere Quoten unter 60 % zu verzeichnen sind. Trotz der Fortschritte sind Frauen im Vergleich zu Männern am Arbeitsmarkt in allen Mitgliedstaaten weiterhin unterrepräsentiert. Das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung – ein Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards – ist mit 11,5 % weiterhin hoch. In einem Kontext geringer Unterschiede im Vergleich zum Vorjahr ist die Konvergenz der Mitgliedstaaten begrenzt. Italien, Griechenland und Rumänien wurden als „kritisch“ eingestuft, während in Malta, wo das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung noch immer am höchsten ist, im Jahr 2017 eine deutliche Verbesserung zu spüren war. Ein erheblicher Zuwachs um mindestens 1 Prozentpunkt konnte in Lettland, Ungarn und Kroaten verzeichnet werden, wenngleich die Beschäftigungsquote in diesen Mitgliedstaaten für beide Geschlechter anstieg, jedoch schneller bei den Männern als bei den Frauen. Am besten schneiden in Bezug auf das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung Lettland sowie Litauen, Finnland und Schweden ab.

Schaubild 33: Geschlechtsspezifisches Beschäftigungsgefälle und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, AKE. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

Hinsichtlich der Vollzeitäquivalente ist das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung noch größer, denn Frauen sind häufiger in einem Teilzeitarbeitsverhältnis beschäftigt. Das durchschnittliche Geschlechtergefälle bei der Teilzeitbeschäftigung ist gegenüber 2016 nur leicht zurückgegangen und belief sich 2017 auf 23 Prozentpunkte. Im Vergleich zu 8,2 % der Männer waren in der EU im Jahr 2017 insgesamt 31,1 % der Frauen in Teilzeit beschäftigt. Es bestehen jedoch große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Während der Anteil an Frauen mit einer Teilzeitbeschäftigung in den meisten osteuropäischen Mitgliedstaaten weiterhin traditionell gering ausfällt (unter 10 % in Bulgarien, Kroatien, Litauen, Ungarn, Polen, Rumänien und Lettland) hat er in den Niederlanden 74,1 % (22,6 % für Männer), in Österreich 49,9 % (10,5 % für Männer) und in Deutschland 46,8 % (9,3 % für Männer) erreicht. Die Möglichkeit zur Teilzeitarbeit ist ein wichtiger Faktor, um Frauen auf dem Arbeitsmarkt zu halten, insbesondere wenn sie Kinder haben. Lange Zeiträume mit einer geringeren Zahl an Arbeitsstunden tragen jedoch möglicherweise zur Vergrößerung des Geschlechtergefälles bei Löhnen und Renten bei, weil eine Teilzeitbeschäftigung in der Regel mit einem niedrigeren Stundenlohn und geringeren Sozialversicherungsbeiträgen verbunden ist. Obwohl die Quote gesunken ist, befanden sich im Jahr 2017 22,5 % der in Teilzeit tätigen Frauen unfreiwillig in einem Beschäftigungsverhältnis dieser Art.

Frauen leiden nicht nur unter niedrigeren Beschäftigungsquoten, sondern vielfach auch unter einem erheblichen Lohngefälle. Obwohl Frauen im Allgemeinen besser qualifiziert sind als Männer 49 , verbleibt das Geschlechtergefälle im Jahr 2016 stabil bei 16,2 % 50 , was im Vergleich zu 2013 (16,8 %) nur einem geringen Rückgang entspricht. In schlechter bezahlten Branchen und Berufen sind Frauen tendenziell überrepräsentiert und haben im Vergleich zu ihren Kompetenzen häufig einen Arbeitsplatz, der eine geringere Qualifikation erfordert. Dennoch bleibt ein Teil des Lohngefälles auch nach erfolgter Saldierung von Faktoren wie unterschiedlicher Erfahrung, Bildungsniveau, Art des Vertrags usw. erhalten. Die Unterschiede zwischen den Ländern sind beträchtlich. Das Geschlechtergefälle liegt in Estland, der Tschechischen Republik, Deutschland, dem Vereinigten Königreich und Österreich weiterhin bei über 20 %, während in Rumänien, Italien und Luxemburg die kleinsten Werte (knapp über 5 %) zu verzeichnen sind. In Estland, Ungarn und Spanien hat sich die Lage seit 2013 deutlich verbessert, aber in Portugal und Litauen ist das geschlechterbezogene Lohngefälle um mehr als 2 Prozentpunkte angestiegen. Dieser Unterschied überträgt sich häufig in ein Geschlechtergefälle bei den Renten, welches im Jahr 2016 bei etwa 37,2 % lag, was im Vergleich zu 2015 einem Rückgang um 1,1 Prozentpunkte entspricht. In Zypern, den Niederlanden und Malta war das geschlechterbezogene Lohngefälle mit über 44 % am höchsten, in Estland, Dänemark und der Slowakei war es mit weniger als 10 % am niedrigsten.

Schaubild 34: Unbereinigtes Lohngefälle zwischen Männern und Frauen 2013 und 2016

Quelle: Eurostat. Anmerkung: Das unbereinigte Lohngefälle bezeichnet die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Bruttostundenverdienst männlicher gegenüber dem Verdienst weiblicher Arbeitnehmer, ausgedrückt in Prozent des durchschnittlichen Bruttostundenverdiensts der erstgenannten Gruppe. Für Kroatien, Griechenland und Irland sind keine aktuellen Daten verfügbar.

Das Gefälle bei der Beschäftigung ist für Frauen mit Betreuungsverpflichtungen tendenziell größer. Beispielsweise ist die Elternschaft einer der wesentlichen Faktoren, der Frauen an einer vollständigen Teilhabe am Arbeitsmarkt hindert. Unter Berücksichtigung der Elternschaft vergrößert sich das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung in allen Mitgliedstaaten in erheblichem Maße. Durchschnittlich lag die Beschäftigungsquote der Frauen im Alter von 20 bis 49 Jahren mit einem Kind unter 6 Jahren 9,2 Prozentpunkte unter der Quote der kinderlosen Frauen. In der Tschechischen Republik, Ungarn und der Slowakei sind die Auswirkungen der Elternschaft besonders hoch (über 40 Prozentpunkte), in Portugal, Luxemburg, Schweden und Kroatien hingegen sind diese Auswirkungen positiver Natur, wenn auch in geringerem Maße als für Männer. Dagegen hat die Elternschaft in allen EU-Mitgliedstaaten einen positiven Einfluss auf die Teilhabe von Männern am Arbeitsmarkt (durchschnittlich +12,4 Prozentpunkte).

Schaubild 35: Auswirkung der Elternschaft auf die Beschäftigungslage von Männern und Frauen (im Alter von 20-49 Jahren) im Jahr 2017

Quelle: Eurostat. Anmerkung: Der Einfluss der Elternschaft auf die Beschäftigung bemisst sich als Differenz zwischen der Beschäftigungsquote (in Prozentpunkten) von Frauen (Männern) mit mindestens einem unter 6 Jahre alten Kind und der Beschäftigungsquote von kinderlosen Frauen (Männern).

Der ungleiche Zugang zu hochwertiger und bezahlbarer Kinderbetreuung sowie zur Langzeitpflege trägt zu den negativen Auswirkungen der Elternschaft auf die Beschäftigungslage von Frauen bei. Wie der Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards in Bezug auf die Teilhabe an der formalen Kinderbetreuung zeigt, waren im Jahr 2016 etwa 33 % der Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren für eine formale Kinderbetreuung angemeldet. Dies bedeutet, dass das Barcelona-Ziel zur Verfügbarkeit von hochwertigen und bezahlbaren Betreuungseinrichtungen für Kinder dieser Altersgruppe nominell erreicht wurde. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen jedoch weiterhin erhebliche Unterschiede. Die Quote bei den Anmeldungen lag in Dänemark zwar bei 70 % und in Portugal, Luxemburg, Schweden und den Niederlanden bei rund 50 %, in der Slowakei, der Tschechischen Republik, Polen und Griechenland jedoch deutlich unter 10 % (die letztgenannten Ländern wurden zusammen mit Bulgarien als „kritisch“ eingestuft). In diesen Mitgliedstaaten überträgt sich der Mangel an formalen Kinderbetreuungsangeboten für Frauen auch auf unzulängliche Ergebnisse am Arbeitsmarkt. In allen diesen Ländern liegt das Geschlechtergefälle bei der Beschäftigung über dem EU-Durchschnitt und die Elternschaft hat einen negativen Einfluss auf die Beschäftigungsquote. Im Jahr 2017 zählten 21,6 % der Frauen mit Betreuungsverpflichtungen in der EU aufgrund des Mangels an Kinderbetreuungs- und Langzeitpflegeangeboten zu den Nichterwerbspersonen oder arbeiteten in Teilzeit. In Griechenland, Spanien, Kroatien und Zypern war dieser Anteil bei deutlich über 50 % und erreichte in Rumänien sowie Lettland einen Rekordwert von über 89 %.

Schaubild 36: Kinder (0–3 Jahre) in formellen Betreuungseinrichtungen und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, SILC. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

Die Bereitstellung formaler, gut zugänglicher, hochwertiger und tragfähiger Langzeitpflegeangebote stellt mehrere Mitgliedstaaten weiterhin vor Herausforderungen. Die Unterentwicklung der Langzeitpflegeangebote kann für Frauen ein erhebliches Hindernis hinsichtlich der Fortführung ihrer Berufstätigkeit darstellen, da für viele Familien eine informelle Betreuung oftmals die einzige sich darbietende Option darstellt. Der demografische Wandel wird diese Situation verschärfen, zumal die Zahl der pflegebedürftigen älteren Menschen zwischen 2016 und 2070 voraussichtlich um 13 Millionen ansteigen wird 51 . Darüber hinaus besteht bei informellen Pflegepersonen, von denen die Mehrheit Frauen sind, ein größeres Armutsrisiko und eine höhere Gefahr der finanziellen Abhängigkeit, insbesondere wenn sie gezwungen sind, ihre Arbeitsstunden zu reduzieren oder aus dem Beschäftigungsverhältnis auszuscheiden, um ihre Familienangehörigen zu pflegen, wodurch ihr Einkommen und ihre Rentenansprüche sinken.

Frauen stehen tendenziell auch vor starken finanziellen Fehlanreizen, die ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren oder sie davon abhalten, mehr zu arbeiten. Insbesondere wenn die Einkommensteuer auf das Haushaltseinkommen anstatt auf das individuelle Einkommen erhoben wird, stehen Partner ohne Beschäftigung und Zweitverdiener (häufig Frauen) vor starken finanziellen Fehlanreizen, um am Arbeitsmarkt teilzuhaben oder mehr Stunden zu arbeiten. Weitere Merkmale des Steuer- und Leistungssystems können dem Arbeitskräfteangebot ebenfalls entgegenwirken, darunter familienbasierte und übertragbare Abzüge sowie Abzüge für Unterhaltsberechtigte. Im Jahr 2016 war die Untätigkeitsfalle für Zweitverdiener in Dänemark, Deutschland, Belgien und Frankreich besonders hoch, hingen fiel die Niedriglohnfalle in Belgien, Deutschland und Luxemburg hoch aus 52 . Die hohen Kosten der Betreuungseinrichtungen haben einen Anstieg der Untätigkeitsfallen zur Folge und dienen als Fehlanreize, eine Beschäftigung aufzunehmen oder mehr Stunden zu arbeiten.

Personen mit Migrationshintergrund profitieren nur teilweise von den allgemeinen Verbesserungen der Arbeitsmarktbedingungen. Während außerhalb der EU geborene Personen einen wachsenden Anteil an der Bevölkerung in der EU ausmachen (7,2 % im Jahr 2017 gegenüber 6,6 % im Jahr 2014), ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie eine Beschäftigung haben, geringer als bei den Personen, die in der EU geboren wurden. Im Jahr 2017 hatten 63 % der Personen im erwerbsfähigen Alter (20–64 Jahre), die außerhalb der EU geboren wurden, eine Beschäftigung, was ein viel niedrigerer Wert ist als vor der Krise (66,2 % im Jahr 2008). Das Beschäftigungsgefälle zwischen diesen beiden Gruppen lag im Jahr 2017 bei 10 Prozentpunkten und somit leicht unter dem Wert von 2016 (10,5 Prozentpunkte), war aber weitaus größer als im Jahr 2008 (4,5 Prozentpunkte). In einigen Mitgliedstaaten (Finnland, Schweden, die Niederlande und Belgien) betrug dieser Unterschied im Jahr 2017 etwa 20 Prozentpunkte. Für nicht in der EU geborene Frauen ist die Lage sogar noch schwieriger. Ihre Beschäftigungsquote lag im Jahr 2017 bei 54,1 % und das Gefälle zu den Frauen, die in der EU geboren wurden, entsprach 13,6 %. Darüber hinaus besteht bei Arbeitnehmern, die außerhalb der EU geboren wurden, eine höhere Wahrscheinlichkeit, von Armut trotz Erwerbstätigkeit betroffen zu sein, als bei in der EU geborenen Personen.

Schaubild 37: Beschäftigungsquote der außerhalb der EU geborenen Personen, Vergleich über mehrere Jahre

Quelle: Eurostat. Anmerkung: Für Deutschland waren zu 2008 und 2013 keine Daten verfügbar.

Schaubild 38: Beschäftigungsquote nach Geburtsland, Altersgruppe 20–64 Jahre, 2017

Quelle: Eurostat.

Herausforderungen, denen sich Menschen mit Migrationshintergrund stellen müssen, werden tendenziell an die nächste Generation weitergegeben. Der Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund nimmt zu, insbesondere unter den jungen Menschen 53 , und Anhaltspunkte zeigen, dass die Beschäftigungsquote für die in der EU geborenen Personen, deren Eltern im Ausland geboren wurden, geringer ausfällt als für die Personen ohne Migrationshintergrund 54 . Dies trägt wiederum zu einer höheren Arbeitslosenquote unter einigen Gruppen benachteiligter junger Menschen bei. Außerdem unterscheidet sich die Beschäftigungslage je nach Migrationsgrund erheblich 55 . Während die niedrigen Beschäftigungsquoten von Migranten zum Teil auf den höheren Anteil an gering qualifizierten Personen zurückzuführen ist, äußert sich jedoch ein wachsendes Bildungsniveau 56 nicht in einer besseren Beschäftigungslage, d. h. die Fähigkeiten und Qualifikationen von Migranten sind bislang nur wenig erschlossen 57 .

Das Gefälle bei der Beschäftigungsquote in Bezug auf Personen mit Behinderungen deutet auf ein unerschlossenes Potenzial für die Nutzung ihrer Fähigkeiten hin. In der EU war das Beschäftigungsgefälle 58 2016 zwischen den Personen mit Behinderungen und den Personen ohne Behinderung groß, denn der Beschäftigungsquote bei den Personen mit Behinderungen von 48,1 % stand ein Wert von 73,9 % bei den Personen ohne Behinderung gegenüber. Unter den Mitgliedstaaten 59 bestehen jedoch erhebliche Unterschiede in Bezug auf dieses Gefälle, das von 14,7 Prozentpunkten in Italien bis zu über 45 Prozentpunkten in Irland reicht. Außerdem sind im Vergleich zu 82,2 % der Personen ohne Behinderung nur 59,7 % der Personen mit Behinderungen in der EU wirtschaftlich aktiv, was darauf hindeutet, dass für Personen mit Behinderungen erhebliche Hindernisse beim Zugang zum Arbeitsmarkt bestehen 60 . In Ländern, bei denen sich die Aktivitätsquoten für Personen ohne Behinderung gleichen, können große Unterschiede bei den Aktivitätsquoten für Personen mit Behinderungen bestehen. Die Qualität der Arbeit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor, denn im Jahr 2016 war die Wahrscheinlichkeit, von Armut trotz Erwerbstätigkeit betroffen zu sein, unter den Personen mit Behinderungen größer als bei der allgemeinen Bevölkerung 61 . In Bezug auf das Geschlecht war die Beschäftigungsquote der Frauen mit Behinderungen (45,9 %) nur geringfügig niedriger als die Quote der Männer mit Behinderungen (50,6 %) und in einigen Mitgliedstaaten bestand ein Unterschied in umgekehrter Richtung. Bei der Betrachtung der allgemeinen Lebensqualität, wie sie von Menschen mit Behinderung wahrgenommen wird, hat Eurofound 62 festgestellt, dass das Gefühl, von der Gesellschaft ausgeschlossen zu sein, stark davon abhängt, ob eine Person erwerbstätig ist oder nicht. Wer einen Arbeitsplatz hat, fühlt sich deutlich seltener gesellschaftlich ausgeschlossen als befragte Langzeitarbeitslose oder Personen, die aufgrund ihrer Behinderung nicht erwerbstätig sein können.

3.2.2    Die Antwort der Politik

Es sind umfassende Strategien erforderlich, die auf die Ursachen des frühen Schulabgangs ausgerichtet sind, um die hohen Abbrecherquoten zu verringern, der sozialen Ausgrenzung entgegenwirken und dazu beizutragen, dass jungen Menschen der Übergang auf den Arbeitsmarkt gelingt. Viele Mitgliedstaaten haben jüngst Maßnahmen ergriffen, um die Zahl der frühen Schulabgänger zu verringern. Diese reichen von politischen Maßnahmen zur Unterstützung von Schülern mit einer anderen Muttersprache in Form von Sprachunterricht bis zur Bildungs- und Karriereberatung an Schulen oder Maßnahmen zur Unterstützung früher Schulabgänger, um sie ins Bildungs- und Ausbildungssystem zurückzuführen. In Bulgarien finanziert beispielsweise das Projekt „Deine Klasse“ die zusätzliche pädagogische Unterstützung für Schüler, bei denen die Gefahr besteht, dass sie die Schule abbrechen. Sie erhalten Sprachunterricht, zusätzlichen Unterricht, um Wissenslücken zu schließen, oder können an außerschulischen Aktivitäten teilnehmen, die den Schülern als Motivationssteigerung dienen. Schweden unterstützt Schulen finanziell gemäß dem sozioökonomischen Hintergrund der Schüler, um eine ausgewogene soziale Zusammensetzung zu fördern und frühen Schulabgängen entgegenzuwirken. In Spanien dient der Plan „Proeducar“ zur Förderung politischer Maßnahmen, mit denen die Qualität und Gerechtigkeit des Bildungssystems verbessert und Programme für Schulabbrecher unterstützt werden.

Damit die Schüler besser abschneiden, ist es von entscheidender Bedeutung, für den Zugang zu bezahlbarer und hochwertiger Bildung zu sorgen und die Lehrkräfte bei ihrer kontinuierlichen beruflichen Weiterentwicklung zu unterstützen. Bei Irlands Aktionsplan für Bildung steht die Förderung und Unterstützung von Qualität, Exzellenz und Innovation im Mittelpunkt, um kritische Qualifikationsdefizite zu bekämpfen, führend bei Schlüsseltechnologien zu sein und die Inklusion zu meistern. Eine jüngst in Luxemburg durchgeführte Reform des sekundären Bildungssektors soll dazu dienen, die Schulbildung an die Bedürfnisse der Schüler anzupassen, Schulen mehr Autonomie bei der Festlegung des Lehrplans gemäß dem Profil zu gewähren, für das sie sich entscheiden, das Sprachangebot vielfältiger zu gestalten und Dreijahrespläne für die Schulentwicklung einzuführen, die Aspekte wie Orientierungshilfen, Lernerfolge, außerschulische Aktivitäten, psychosoziale Betreuung und die Verbesserung der IKT-Kompetenzen abdecken. In Kroatien werden mit der Initiative „Schule fürs Leben“ neue Lehrpläne eingeführt, die auf dem Konzept des Lernergebnisses beruhen. Dieser Ansatz verlagert den Schwerpunkt im Klassenzimmer auf die Erfahrung der Schüler, erkennt die Bedeutung der Vorbereitungszeit der Lehrer an und führt den fächerübergreifenden Unterricht ein, bei dem es um Schlüsselkompetenzen wie Unternehmertum, Lernen lernen oder politische Bildung geht. „Gemeinsam für eine bestmögliche Schule“ („Samverkan för bästa skola“) ist Schwedens Initiative zur Bekämpfung von Ungleichheiten. Sie bietet individuell zugeschnittene, praxisorientierte Unterstützung begleitet durch die berufliche Weiterentwicklung der Lehrkräfte an den Schulen, die mit den größten Herausforderungen bei der Bereitstellung hochwertigen Unterrichts zu kämpfen haben und an denen ein hoher Anteil der Schüler ohne Abschluss abgeht. Zypern wendet ein neues Rahmenwerk zur beruflichen Weiterbildung der Lehrer an, um deren kontinuierliche Fortbildung zu verbessern, und hat damit begonnen, den Vorschullehrplan auf Grundlage von Erfolgs- und Angemessenheitsindikatoren zu aktualisieren. In Litauen sind in der neuen Lehrerausbildungsverordnung die Qualitätsanforderungen für Studienprogramme und Referendariate definiert. Außerdem sind Möglichkeiten zur Fortbildung und beruflichen Weiterentwicklung der Lehrkräfte angegeben und Kriterien für nationale Zentren für die Fortbildung von Lehrkräften festgelegt.

Die wirksame Durchsetzung von Gesetzesänderungen zur Inklusion der Roma im Bereich Bildung ist weiterhin von Bedeutung. Zu den derzeit für Schüler aus der Volksgruppe der Roma vorhandenen Maßnahmen gehören in Bulgarien Stipendien und Veranstaltungen außerhalb des Lehrplans, zusätzliche Bulgarischkurse sowie gemeinsame Unternehmungen mit deren Eltern. Im Juli 2017 hat Ungarn sein Gesetz über die Gleichstellung und das öffentliche Bildungswesen im Sinne eines Verbots jeglicher Form von Segregation überarbeitet. Daneben sollen einige im Jahr 2017 ausgewählte Schulen mit einer hohen Quote beim Leistungsdefizit, einer hohen Abbrecherquote und einem hohen Risiko der Segregation Unterstützung in Form von Aus- und komplexer Weiterbildung erhalten, um differenzierte Lernmethoden einzuführen. In den Schulbezirken werden Antisegregationsbeauftragte eingesetzt und Arbeitsgruppen gebildet. In Rumänien wurde der Verantwortungsbereich der staatlichen Schulaufsicht und der Qualitätssicherungsagentur (ARACIP) auf die Überwachung der Segregation ausgedehnt. Der überarbeitete Aktionsplan zur Integration der Roma, der von der slowakischen Regierung im Februar 2017 genehmigt wurde, wird bereits umgesetzt, aber die Ergebnisse bleiben abzuwarten. Die Slowakische Republik verabschiedete einen Zehnjahresplan für die nationale Entwicklung der Weiterbildung, mit dem auch die Aspekte der Nichtausgrenzung und der Bildungsqualität, unter anderem für Kinder aus der Volksgruppe der Roma, angegangen werden sollen.

Die qualitative Verbesserung der Hochschulbildung ist von entscheidender Bedeutung, vor allem im Zusammenhang mit den ständig steigenden Quoten tertiärer Bildungsabschlüsse. In der Mitteilung der Kommission von 2017 über eine europäische Erneuerungsagenda für die Hochschulbildung 63 wird der Stellenwert der Maßnahmen hervorgehoben, die die Teilnahme an der Hochschulbildung erweitern, die Abschlussquoten erhöhen, die Studierenden mit den für die Arbeitswelt relevanten Fähigkeiten und Kompetenzen ausstatten und die Effizienz der Finanzierungssysteme für die Hochschulbildung verbessern sollen. Mehrere Mitgliedstaaten haben Reformen gemäß dieser Grundsätze angekündigt. Frankreich hat jüngst ein Gesetz verabschiedet, mit dem der Erfolg von Studierenden an Hochschulen gefördert werden soll, insbesondere durch Orientierungshilfen für die Aufnahme eines Studiums, studienbegleitende Unterstützung und die Veröffentlichung der erwarteten Kompetenzen vor Aufnahme des Studiums für verschiedene Studienbereiche. Österreich und die Tschechische Republik haben vor Kurzem ein neues Finanzierungssystem für die Hochschulbildung eingeführt, um Diversifizierung und Qualität zu fördern. In Polen stellt das kürzlich erlassene Gesetz über Forschung, Wissenschaft und Hochschulbildung („Ustawa 2.0“) eine wesentliche Modernisierungsbemühung dar, mit der die Qualität im Bereich der Hochschulbildung gesteigert werden soll. Portugal hat Maßnahmen eingeführt, um die Zahl der Einschreibungen für Hochschulstudiengänge zu erhöhen. Dazu zählen der Ausbau der sozialen Unterstützungsmechanismen für Studierende mit benachteiligtem Hintergrund durch eine erhebliche Aufstockung der Stipendien, eine soziale Regelung für die Zahlung von Studiengebühren in mehreren Raten und die Umsetzung des vordefinierten Programms „+Superior“, um Einschreibungen in weniger dicht besiedelten und weniger gefragten Regionen zu fördern und zu unterstützen.

Die Mitgliedstaaten arbeiten weiter daran, Kompetenzen und Qualifikationen in ganz Europa leichter verständlich zu machen. Alle Mitgliedstaaten haben nationale Qualifikationsrahmen, die rund um den Grundsatz des Lernergebnisses aufgebaut sind. Fast alle (27) haben ihre Qualifikationsstufen auf den Europäischen Qualifikationsrahmen abgestimmt und 19 der Mitgliedstaaten geben zu den Qualifikationen die EQR-Stufe an, sodass sie leichter verständlich sind und besser verglichen werden können (Belgien, die Tschechische Republik, Dänemark, Deutschland, Estland, Griechenland, Frankreich, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Ungarn, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, Slowenien und das Vereinigte Königreich).

In immer mehr Mitgliedstaaten finden Lernangebote abseits des institutionellen Bildungswesens Berücksichtigung. In 15 Ländern wurde ein Koordinierungsmechanismus eingerichtet, um den Austausch und die Einheitlichkeit der Validierungsbemühungen im Bildungswesen, auf dem Arbeitsmarkt und im Dritten Sektor zu fördern (Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei und Spanien). Die Verbindungen zwischen dem nationalen Qualifikationsrahmens (NQR) und der Validierung werden in den meisten Ländern intensiver. Eine Validierung kann in 11 Ländern (Belgien, Frankreich, Irland, Lettland, Malta, die Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, das Vereinigte Königreich) zu einer Qualifikation aus dem Qualifikationsrahmen führen und in weiteren vier Ländern (Dänemark, Estland, Spanien, Slowenien) auf das Erreichen einer Qualifikation angerechnet werden.

Die Mitgliedstaaten bewegen sich in Richtung eines umfassenden strategischen Konzepts zur Steuerung der Kompetenzen. Im Jahr 2016 verabschiedete der Rat als Teil des Pakets der Kompetenzagenda eine Empfehlung zu Weiterbildungspfaden, die dazu beitragen sollen, auf Qualifikationsdefizite, Ungleichheit und den aufkommenden Arbeitsmarktbedarf nach immer höheren Kompetenzniveaus zu reagieren. Über Weiterbildungspfade würden politische Entscheidungsträger Strategien entwickeln und umsetzen, die speziell auf die Bedürfnisse gering qualifizierter Erwachsener zugeschnitten sind. Mehrere Mitgliedstaaten arbeiten auf eine nationale Strategie für die Steuerung der Kompetenzen hin und werden dabei von der Kommission in Zusammenarbeit mit der OECD unterstützt (Spanien, Italien, Portugal, Slowenien und jüngst auch Belgien/Flandern). Nach Abschluss der diagnostischen Phase und Ermittlung der wichtigsten Herausforderungen im Bereich Kompetenzen ist der Prozess in Italien und Slowenien in die Aktionsphase übergegangen. Portugal hat sowohl die diagnostische als auch die Aktionsphase abgeschlossen und im Mai dieses Jahres seinen Aktionsplan auf den Weg gebracht. Lettland und Polen nehmen ihre Projekte zur Steuerung der Kompetenzen Ende 2018 in Angriff. Es werden weitere Schritte zur Förderung und Erleichterung des Zugangs zur beruflichen Aus- und Weiterbildung und zur Teilnahme an dieser unternommen. Luxemburg hat seine Rechtsvorschriften in Bezug auf die Unterstützung und Entwicklung des lebenslangen Lernens mit dem Ziel angepasst, die Wirksamkeit der Ausgaben über die Mitfinanzierung des berufsorientierten lebenslangen Lernens zu verbessern. Frankreich hat über den sogenannten „Plan d'Investissement Competence (PIC)“ zusätzliche Mittel für die berufliche Ausbildung und Praktika bereitgestellt, sodass die öffentlichen Ausgaben dafür im Schnitt um fast 10 % pro Jahr ansteigen. Das Konzept „Get Qualified“ von Malta soll dazu dienen, die finanzielle Unterstützung für Studierende zu erweitern, die einer Berufsausbildung nachgehen möchten.

Die Mitgliedstaaten passen ihre Systeme für die berufliche Aus- und Weiterbildung mit dem Ziel an, deren Relevanz für den Arbeitsmarkt zu erhöhen. In Slowenien wurde ein Anhang für eine Urkunde eingeführt, der Arbeitgebern ausführliche, einheitliche und international vergleichbare Angaben zu den beruflichen Qualifikationen bietet. Im Rahmen der technischen Ausbildungsreform hat das Vereinigte Königreich die Einführung des „T-Level“ angekündigt, einer technischen Qualifikation für 16- bis 19-Jährige, die als Alternative zum „A-Level“, dem wichtigsten Schulabschluss ähnlich dem Abitur, dienen soll. Griechenland hat seine Unterstützung für Absolventen einer höheren Sekundarschule mit beruflicher Orientierung erweitert. Diesen bietet sich nun ein Zugang zu Qualifikationen der EQR-Stufe 5.und ein vereinfachter Übergang auf den Arbeitsmarkt. Kroatien hat das Ausbildungsgesetz geändert, das die Entwicklung und Gestaltung neuer berufsbezogener Lehrpläne vorsieht, die wie für den Arbeitsmarkt erforderlich zum Erwerb berufsbildender Qualifikationen führen. Zudem werden damit ein besseres Qualitätssicherungssystem festgelegt und regionale Kompetenzzentren eingerichtet. In Zypern hat die Regierung Maßnahmen ergriffen, mit denen die Qualität der Berufsbildung und der Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen, die der Arbeitsmarkt erfordert, verbessert werden sollen. Dies soll insbesondere durch die Förderung der Zusammenarbeit zwischen den Anbietern von Berufsbildungsgängen und der Industrie anhand von praktischen Schulungen (über Betriebspraktika) geschehen. In Finnland haben die Maßnahmen der Reform im Bereich der beruflichen Bildung darüber hinaus das Ziel, berufsbildende Lehrgänge auszuarbeiten und flexible Möglichkeiten des Lernens sowie einen praktischen Ansatz zum Erwerb einer Qualifikation zu fördern.

Mehrere Mitgliedstaaten haben verschiedene Maßnahmen beschlossen, um den Erwerb von IKT-Kompetenzen zu fördern. In Bulgarien wird das von der EU finanzierte Projekt „Bildung für Morgen“ gestartet, damit digitale Technologien im Bildungswesen Einzug halten können und um innovative Unterrichtsmethoden einzuführen sowie die Motivation am Lernen und zur Überwindung von Schwierigkeiten bei den Lerninhalten zu steigern. Im Vereinigten Königreich wird ein nationales Programm für Umschulungen („National Retraining Scheme“) auf den Weg gebracht, über das weitere 30 Mio. GBP (34 Mio. EUR) dazu eingesetzt werden, den besonderen Bedarf an IKT-Kompetenzen zu decken. Spanien hat ein Schulungsprogramm für junge Fachkräfte verabschiedet, das arbeitslosen jungen Menschen die Möglichkeit bietet, im Rahmen des landesweiten Systems der Jugendgarantie, das auf die digitale Branche und neue Geschäftsmodelle ausgerichtet ist, ihre IKT-Kompetenzen zu erweitern. Malta hat in seinem National Skills Council einen Unterausschuss gebildet, um Forschungsarbeiten durchzuführen und Empfehlungen zur Bekämpfung des Missverhältnisses zwischen dem Qualifikationsangebot für IKT-Kompetenzen und der Nachfrage auszusprechen.

Die Förderung der Jugendbeschäftigung und die Unterstützung junger Menschen beim Übergang von der Ausbildung auf den Arbeitsmarkt bleibt eine wichtige Priorität. Im Jahr 2017 haben sich über 5 Millionen junge Menschen für die Jugendgarantie angemeldet und 3,5 Millionen haben das Angebot einer Beschäftigung, einer weiterführenden Ausbildung, eines Praktikums oder einer Lehre angenommen. Knapp die Hälfte der jungen Menschen waren sechs Monate nach Beendigung ihrer Teilnahme an der Jugendgarantie noch in einem Beschäftigungs- oder Ausbildungsverhältnis. In vielen Mitgliedstaaten liegt der geschätzte Anteil an NEET, die im Laufe des Jahres für das Programm angemeldet waren, jedoch weiterhin bei unter 50 %. In einem Kontext, in dem die Arbeitsmarktleistung junger Menschen sich erheblich verbessert hat, werden die politischen Maßnahmen, die als Eckpfeiler zur Bereitstellung der Jugendgarantie dienen, immer zielgerichteter.

Die Mitgliedstaaten verstärken ihre weitreichenden Anstrengungen, um den Zugang zu Angeboten für junge Menschen zu erleichtern und für eine bessere Identifizierung derjenigen zu sorgen, die einen entsprechenden Bedarf haben. In Finnland wurden die zentralen Beratungsstellen für Jugendliche (Ohjaamo, ursprünglich mit Mitteln aus dem ESF betrieben) zu dauerhaften Einrichtungen und erhalten umfangreiche finanzielle Unterstützung, sodass sie insgesamt 10 000 junge Menschen erreichen sollen. In ganz Deutschland werden Jugendberufsagenturen eingerichtet. Zypern hat ein Aufklärungsprojekt gestartet, das vom Bildungsministerium in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsministerium und dem zypriotischen Jugendverband gefördert wird und auf 4 000 NEET-Nichterwerbspersonen ausgerichtet ist, um sie mit Beratungen und individuell zugeschnittenen Schulungen zu unterstützen. In Kroatien besteht seit November 2017 ein NEET-Zuordnungssystem, mit dem nicht gemeldete NEET und ihre Merkmale identifiziert werden sollen, um Maßnahmen gezielter auf diese Gruppe auszurichten.

Es wurden auch neue Maßnahmen eingeführt, um mehrfach benachteiligte junge Menschen besser zu unterstützen, unter anderem über eine bessere Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsverwaltung und den Sozial- und Bildungsdiensten. In Österreich trägt das Coaching der Jugendlichen dazu bei, junge Menschen so lange wie möglich im Bildungs- und Ausbildungssystem zu halten oder sie alternativ wieder in das System einzugliedern. In Irland wurde im Jahr 2018 ein Förderprogramm für die Jugendbeschäftigung („Youth Employment Support Scheme“) angekündigt. Jungen Arbeitssuchenden, die langzeitarbeitslos sind oder vor erheblichen Beschäftigungshemmnissen stehen, werden dabei Berufspraktika angeboten. Die Teilnehmer erwerben grundlegende Arbeitskompetenzen und soziale Fähigkeiten in einem förderlichen Umfeld und erhalten eine wöchentliche Vergütung, die dem Nettomindestlohn entspricht.

Die Mitgliedstaaten fördern weiterhin die Nachfrage des Arbeitsmarktes über Anreize für Beschäftigungen und Unternehmertum, hauptsächlich in Form von zielgerichteten Lohnzuschüssen und Einstellungsprämien. Im März 2018 erließ Belgien ein neues Gesetz zur Förderung neuer „Erstbeschäftigungen“, das noch nicht in Kraft getreten ist und mit dem die Beschäftigung unerfahrener junger Menschen im Alter von 18 bis 21 Jahren kostengünstiger ausfallen soll, ohne dass der Nettoverdienst darunter leidet. Spanien brachte ein neues Lohnzuschussprogramm für 10 000 Menschen im Alter von 18 bis 29 Jahren auf den Weg, bei dem der Schwerpunkt auf Absolventen von Hochschulstudiengängen liegt (6 000 Plätze). Für das Einstellen von Langzeitarbeitslosen und Begünstigten der Mindesteinkommensregelung werden Zuschüsse über einen längeren Zeitraum gewährt. Spanien verabschiedete außerdem eine dreijährige Kürzung der Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen, die Ausbildungsverträge in unbefristete Verträge überführen, sowie neue Lohnzuschüsse für die Ersteinstellung durch junge Unternehmer (bis 35 Jahre). Für junge Arbeitslose (bis zu 29 Jahre) ist ein längerer Zeitraum mit Zuschüssen vorgesehen. Italien bietet eine ganze Reihe an Anreizen in Verbindung mit den Sozialversicherungsbeiträgen, so etwa drei Jahre lang geringere Beiträge für Privatunternehmen, die Jugendliche unbefristet einstellen, oder eine drei Jahre lange vollständige Befreiung für Arbeitgeber, die junge Menschen nach der Lehre oder einem dualen Berufsbildungsgang unbefristet einstellen, oder für Arbeitgeber, die junge Menschen einstellen, die im Programm Jugendgarantie eingeschrieben sind. Rumänien plant eine Erhöhung der Beschäftigungszuschüsse für die Einstellung junger NEET und junger Absolventen von monatlich 1 125 Lei (etwa 245 EUR) bis 2 250 Lei (etwa 490 EUR).

In mehreren Mitgliedstaaten liegt ein wichtiger Schwerpunkt auf der Weiterbildung und Umschulung junger Menschen durch aktive Arbeitsmarktpolitik. In Kroatien verabschiedeten das Arbeits- und Rentenministerium sowie der Vorstand der kroatischen Arbeitsverwaltung ein neues Paket aktiver arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen mit zusätzlichem Schwerpunkt auf der Ausbildung und der beruflichen Weiterbildung, auch für Jugendliche. Seit 2017 setzt Spanien ein Schulungsprogramm für junge Fachkräfte um, das arbeitslosen jungen Menschen die Möglichkeit bietet, im Rahmen des landesweiten Systems der Jugendgarantie, das auf die digitale Branche und neue Geschäftsmodelle ausgerichtet ist, ihre IKT-Kompetenzen zu erweitern.

Die Mitgliedstaaten haben außerdem ihre Rechtsvorschriften zu Praktika an den Qualitätsrahmen für Praktika 64 angepasst und die finanziellen Anreize für Praktika weiterentwickelt. In Litauen wird mit einem neuen Arbeitsgesetz, das am 1. Juli 2017 in Kraft trat, zwischen zwei Arten von Praktika unterschieden, nämlich dem „freiwilligen Praktikum“ (Artikel 10) und der „weiterführenden Ausbildung“ (Artikel 39), und ein eindeutiger Rahmen für unbezahlte und bezahlte Praktika festgelegt. In Spanien umfasst das Haushaltsgesetz 2018 eine Mittelzuweisung für die Einführung einer Ausbildungsprämie der Jugendgarantie (bono de formacion garantia juvenil). Dabei handelt es sich um eine finanzielle Zuwendung von 430 EUR für junge Menschen, die einen Ausbildungsvertrag oder einen Lehrvertrag haben, über einen Zeitraum von maximal 18 Monaten. Im Juli 2018 erließ Rumänien ein Praktikumsgesetz, mit dem Menschen über 16 Jahren unterstützt werden. Dieses Gesetz verpflichtet Arbeitgeber dazu, eine monatliche Mindestvergütung von 50 % des Bruttomindestlohns für maximal 720 Stunden (in sechs Monaten) anzubieten. Für die Einstellung von Praktikanten nach Beendigung ihres Praktikums wird eine Prämie angeboten.

Kasten 2. Vollumfängliche Nutzung des Europäischen Sozialfonds (ESF)

Mit einem Budget von 86,4 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014–2020 stellt der Europäische Sozialfonds (ESF) eines der wichtigsten Instrumente der EU dar, mit dem die Bewältigung der in den länderspezifischen Empfehlungen (LSE) festgestellten Herausforderungen gefördert wird. Die operativen Programme tragen direkt zur Förderung nachhaltiger und hochwertiger Beschäftigung, zur Förderung der sozialen Inklusion, zu Investitionen in Bildung und Ausbildung sowie zur Verbesserung des institutionellen Kapazitätsaufbaus bei.

Eine der zentralen politischen Prioritäten ist die Jugendbeschäftigung, die sowohl mit den eigenen Ressourcen des ESF als auch über die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen gefördert wird. Das Budget der Beschäftigungsinitiative für junge Menschen wurde im Jahr 2017 auf 8,9 Mrd. EUR erhöht, um den gesamten Programmplanungszeitraum 2014–2020 abzudecken. Die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen richtet sich insbesondere an junge Menschen ohne Arbeits- oder Ausbildungsplatz (NEET) und konzentriert sich auf Regionen der EU, in denen 2012 die höchsten Jugendarbeitslosenquoten verzeichnet wurden.

Über 15 Millionen Teilnehmer haben zwischen 2014 und 2017 von der Unterstützung durch den ESF und die Beschäftigungsinitiative profitiert, darunter fast 3 Millionen Langzeitarbeitslose (17 %). Wesentliche Zielgruppen dieser Maßnahmen sind junge Menschen unter 25 Jahren (42 % der Teilnehmer insgesamt) und gering qualifizierte Personen mit einem Primar- oder einem unteren Sekundarschulabschluss (44 % der Teilnehmer insgesamt). Die Umsetzung, die im Jahr 2017 eine deutlich schnellere Entwicklung zeigte, sollte sich in den kommenden Jahren stetig fortsetzen.

Über 2,4 Millionen junge NEET haben zwischen 2014 und 2017 über die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen Unterstützung erhalten. Davon:

-    haben 1,5 Millionen junge Menschen eine von der Initiative geförderte Maßnahme abgeschlossen,

-    haben 780 000 junge Menschen nach ihrer Teilnahme eine schulische oder berufliche Ausbildung absolviert, eine Qualifikation erworben oder einen Arbeitsplatz gefunden, einschließlich selbstständiger Tätigkeiten,

-    haben 550 000 junge Menschen nach ihrer Teilnahme ein Angebot für eine Beschäftigung, eine weiterführende Ausbildung, einen Ausbildungs- oder Praktikumsplatz erhalten.

Am 30. Mai 2018 verabschiedete die Europäische Kommission einen Vorschlag für den Europäischen Sozialfonds Plus 2021–2027 (ESF+). Der ESF+ ermöglicht es im erweiterten Rahmen des Struktur- und Investitionsfonds, den Schwerpunkt der Unterstützung gezielter auf die im Rahmen des Europäischen Semesters ermittelten Herausforderungen zu legen. In diesem Zusammenhang werden unter dem ESF+ folgende Fonds und Programme zusammengeführt:

   der Europäische Sozialfonds (ESF) und die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen,

   der europäische Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (EHAP),

   das EU-Programm für Beschäftigung und soziale Innovation und

   das EU-Gesundheitsprogramm.

Mit der Verordnung zum ESF+ soll sichergestellt werden, dass die Mittel aus dem gemeinsamen Verwaltungsbereich hauptsächlich für die ermittelten wesentlichen Herausforderungen eingesetzt werden. Dazu zählen:

   Die Unterstützung der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte und die Umsetzung von Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters,

   die anhaltende Unterstützung junger Menschen durch eine Mindestzuweisung für Mitgliedstaaten mit einer hohen Jugendarbeitslosenquote,

   die Förderung der sozialen Inklusion mit einem Mindestanteil von 25 %,

   die Unterstützung von Maßnahmen der Union für sozialer Innovation, Mobilität und Gesundheit,

   die Förderung der langfristigen Integration von Drittstaatsangehörigen ergänzend zum Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds (AMIF),

   die einfachere Verminderung der Verwaltungslasten von einzelstaatlichen Behörden oder Organisationen, die Begünstigte der Maßnahmen des ESF+ sind.

Mehrere Mitgliedstaaten bemühen sich weiterhin, die Eingliederung älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt zu fördern. In Dänemark bietet die Pensionsvereinbarung verstärkte Anreize für ältere Arbeitnehmer, länger am Arbeitsmarkt zu bleiben. Mit einer Reihe an Initiativen wird das Maß an Flexibilität bei den Altersversorgungssystemen erhöht, unter anderem mit höheren finanziellen Anreizen zum Aufschieben des Ruhestands und zur Einrichtung privater Altersvorsorgesysteme. Griechenland verabschiedete ein Programm zur Bezuschussung von Unternehmen aus dem öffentlichen Sektor, lokalen Betrieben, Einrichtungen und Organisationen, damit 10 000 Langzeitarbeitslose im Alter von 55 bis 67 Jahren eingestellt werden. In Malta können Rentner, die jünger als 65 Jahre und selbstständig sind oder in Teilzeit arbeiten, den Sozialversicherungsbeitrag anteilig zu 15 Prozent anstatt zum vollen Satz entrichten. Slowenien hat einen Zuschuss für die Beschäftigung von Personen eingeführt, die älter als 58 Jahre sind, wobei Begünstigte der Arbeitslosenhilfe und sonstiger sozialer Geldleistungen den Vorzug erhalten. Der Zuschuss beläuft sich auf 11 000 EUR und wird in zwei Teilen (zur Hälfte bei der Einstellung und zur Hälfte nach dem 18. Monatsgehalt) an den Arbeitgeber ausgezahlt. Darüber hinaus wurde ein Projekt eingerichtet, um Unternehmen umfassende Unterstützung für das aktive Altern der Belegschaft zu bieten. Beide Maßnahmen werden vom ESF kofinanziert. Schließlich wurde im März 2018 im Einklang mit der Strategie für ein aktives Altern der staatliche Beirat für aktives Altern und generationsübergreifende Zusammenarbeit eingesetzt, der aus Ministern sowie Vertretern fachlicher Einrichtungen, nichtstaatlicher Organisationen und der Wirtschaft besteht.

Viele Mitgliedstaaten setzen ihre Bemühungen im Bereich der Kinderbetreuung und Langzeitpflegeangebote fort, um Hindernisse für die Beschäftigung von Frauen auszuräumen. Im Juni 2018 verabschiedete Deutschland das Programm „Kinderbetreuungsfinanzierung“, mit dem der Ausbau der Kindertagesstätten für sehr junge Kinder gefördert wird, um die Anzahl der in Vollzeit beschäftigten Frauen zu erhöhen. Über das Programm mit einem Budget von 3,28 Mrd. EUR sollen 100 000 zusätzliche Kinderbetreuungsplätze geschaffen werden. Irland hat für Kinder im Vorschulalter ein frühkindliches Bildungskonzept vorgeschlagen. Ab September 2018 können Kinder ab einem Alter von 2 Jahren und 8 Monaten in ein Kinderbetreuungssystem aufgenommen werden, in dem sie bis zum Erreichen des schulpflichtigen Alters verbleiben. Griechenland hat außerdem die verbindliche vorschulische Bildung und Erziehung von einem auf zwei Jahre verlängert und 15 Mio. EUR für weitere 10 000 Kinderbetreuungsplätze bereitgestellt. Einige Mitgliedstaaten haben Schritte unternommen, um die Bezahlbarkeit der Kinderbetreuung zu verbessern. In Spanien wurde das Gesetz über die persönliche Einkommensteuer geändert, um eine steuerliche Absetzung der Ausgaben für die Betreuung von Kindern bis 3 Jahren zu ermöglichen. Finnland senkte für Familien mit geringem bis mittlerem Einkommen die Gebühren für die frühkindliche Bildung. Schätzungen zufolge erhalten dadurch etwa 6 700 Familien ein Anrecht auf kostenlose frühkindliche Bildung und Betreuung. Irland kündigte ein einziges bezahlbares Kinderbetreuungskonzept an, das finanzielle Unterstützung für die Betreuung von Kindern in Vorschulen und Schulen bieten soll. Bulgarien beschloss Maßnahmen, mit denen mehr Langzeitpflegeeinrichtungen für ältere Menschen und Personen mit Behinderungen zur Verfügung gestellt werden sollen. Einige Mitgliedstaaten verabschiedeten auch Maßnahmen zugunsten einer bezahlten informellen Pflege. Die Tschechische Republik erließ ein Gesetz, durch das Pflegepersonen Anspruch auf Sonderurlaub haben (bezahlter Urlaub von bis zu drei Monaten für die informelle Pflege von unterhaltsberechtigten Familienangehörigen). Irland wird voraussichtlich den Anspruch auf Elternzeit für jedes Kind auf 26 Wochen (6 Monate) erhöhen. Falls der Gesetzentwurf angenommen wird, erhalten die Eltern, die bereits die bisher vorgesehenen 18 Wochen Urlaub in Anspruch genommen haben, gemäß diesen Rechtsvorschriften weitere 8 Wochen. Estland hat für Pflegepersonen schließlich fünf zusätzliche Urlaubstage eingeführt, die zum Mindestlohn vergütet werden.

Eine ausgewogene Aufteilung des bezahlten Elternurlaubs zwischen Frauen und Männern kann besonders für Frauen mit Kindern förderlich sein, um auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Zu diesem Zweck erließ Spanien ein neues Gesetz, mit dem das Recht der Väter auf eine bezahlte Elternzeit von vier auf fünf Wochen erweitert wurde. Die Tschechische Republik führte eine bezahlte Elternzeit von einer Woche ein. Slowenien hat die Länge der Elternzeit von 90 auf 30 Tage verkürzt, aber den Betrag der Vaterschaftsbeihilfe deutlich auf 100 % des Lohns angehoben. In den Niederlanden wurde der Gesetzentwurf zur Verlängerung des Vaterschaftsurlaubs von zwei auf fünf Tage und zur Gewährung von zusätzlichen fünf Wochen Elternzeit an das Parlament übermittelt. In Estland soll das Konzept der Elternzeit flexibler werden, damit beide Elternteile die Möglichkeit haben, gleichzeitig Urlaub zu nehmen.

Einige Mitgliedstaaten passen ihre Steuer- und Sozialversicherungssysteme an, um Fehlanreize zur Arbeitsaufnahme für Zweitverdiener zu beseitigen. Dänemark verabschiedete das Steuerabkommen von 2018, das verstärkt als Anreiz dient, einer Vollzeitbeschäftigung nachzugehen, insbesondere für Arbeitslose und Teilzeitbeschäftigte. Spanien änderte 2018 das Haushaltsgesetz, um für unterhaltsberechtigte Ehepartner mit geringem Einkommen einen Abzug bei der persönlichen Einkommensteuer einzuführen. Lettland erweiterte den Geltungsbereich des steuerfreien Einkommens auf nicht erwerbstätige Ehepartner, die keiner Beschäftigung nachgehen und ein Kind im Alter von bis zu drei Jahren oder mindestens drei Kinder bis 18 Jahre betreuen. 

Nur eine begrenzte Zahl an Mitgliedstaaten hat Schritte unternommen, um das geschlechterbezogene Lohngefälle zu bekämpfen. Schweden richtete eine neue Agentur für die Arbeitsumwelt ein, die Informationen zu politischen Maßnahmen im Bereich Arbeitsumwelt sammeln und verbreiten wird, darunter zur Geschlechtertrennung in den Berufsgruppen. Estland hat vor, die Lohntransparenz im öffentlichen Sektor zu erhöhen, und arbeitet an der Entwicklung eines IKT-Tools zur Analyse der Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern. Frankreich kündigte ein Paket von zehn Maßnahmen an, um die Bekämpfung des geschlechterbezogenen Lohngefälles zu fördern. Im August 2018 führte Portugal Maßnahmen zur Förderung der Gleichheit des Entgelts für Frauen und Männer ein, die die gleiche oder eine gleichwertige Tätigkeit ausüben. Diese gehen mit einem jährlichen Bericht, der sich mit allgemeinen und sektorspezifischen Informationen zu geschlechterbezogenen Unterschieden bei der Vergütung befasst, und einer Bewertung je Unternehmen, Berufsgruppe und Qualifikationsstufe einher. Vorgesehen sind spezifische Maßnahmen des Gewerbeaufsichtsamts und Sanktionen gegen Arbeitgeber aufgrund einer diskriminierenden Behandlung.

Viele Mitgliedstaaten ergreifen Maßnahmen, um die Integration der Menschen mit Migrationshintergrund mithilfe strategischer Pläne, Finanzmittel, Rechtsvorschriften und innovativer Methoden zu fördern. In Finnland wurden neue Modelle zur Finanzierung der Integration eingeführt, sodass der Integrationsprozess beschleunigt wird und Migranten die Möglichkeit erhalten, Bildung und Arbeit auf flexible Weise zu kombinieren. In Malta wurde im Dezember 2017 der Strategie- und Aktionsplan zur Integration von Migranten (Vision 2020) auf den Weg gebracht, der als Rahmen dienen soll, um die erfolgreiche Integration nachzuvollziehen. In Belgien wurde das Integrationsprogramm der deutschsprachigen Gemeinde für Ausländer im Alter von über 18 Jahren, die ab Januar 2018 in einer Kommune gemeldet sind und über eine mindestens drei Monate gültige Aufenthaltserlaubnis verfügen, zwingend vorgeschrieben. In Österreich traten als Bestandteil umfassenderer Bemühungen, die Integration zu fördern, im Sommer 2017 zwei neue Gesetze in Kraft. Laut Integrationsgesetz müssen Flüchtlinge und Personen mit subsidiärem Schutzstatus eine „Integrationserklärung“ unterzeichnen und an Integrationskursen teilnehmen. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 wurde das österreichische Asylrecht geändert, nach dem Begünstigte des subsidiären Schutzes und Asylbewerber Anspruch auf Unterstützung bei der Integration haben, vorausgesetzt es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Gewährung des internationalen Schutzes.

In vielen Mitgliedstaaten liegt die Priorität darauf, die Integration der Migranten am Arbeitsmarkt zu fördern. In Belgien setzte die flämische öffentliche Arbeitsverwaltung (VDAB) ihren Aktionsplan für 2017 mit dem Titel „Integration durch Arbeit“ um. Schweden genehmigte neue Maßnahmen, um die Integration neu angekommener Migranten zu erleichtern, insbesondere am Arbeitsmarkt, unter anderem über die Bereitstellung einer gezielten Aus- und Weiterbildung. Die Schwedische Agentur für Wirtschafts- und Regionalentwicklung erleichtert die Kontaktaufnahme und -pflege zwischen im Ausland geborenen Frauen, insbesondere neu angekommenen Frauen, und Arbeitgebern. In Estland wurde eine Informationskampagne eingeleitet, um den Zugang der zweiten und dritten Generation zu einer Beschäftigung im öffentlichen Sektor zu fördern. Darüber hinaus wurde ein Pilotprogramm zum Mentoring auf den Weg gebracht, das Drittstaatsangehörigen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll.

Die Förderung des Zugangs zu Bildung und Ausbildung kann ein wichtiger Motor für die Eingliederung in den Arbeitsmarkt und in die Gesellschaft allgemein sein. In Schweden können sich alle neu angekommenen Zuwanderer aus Drittländern, die Begünstigte des Einführungsprogramms der öffentlichen Arbeitsverwaltung sind und voraussichtlich einen Schul- oder Ausbildungsabschluss benötigen, um eine Beschäftigung zu erhalten, gemäß der Schul- und Ausbildungspflicht für einen Bildungsweg entscheiden oder auf einen Berufsbildungspfad bewerben. In Estland wurde im Jahr 2017 eine Online-Plattform weiterentwickelt, über die Zuwanderer Estnisch lernen können. In Finnland wurden in der allgemeinen Grundbildung und in der Berufsbildung Reformen durchgeführt, um die sprachlichen Kompetenzen der Migranten zu verbessern. Darüber hinaus wurden Änderungen an Rechtsvorschriften beschlossen, damit Migranten im Rahmen der Erwachsenenbildung Lesen und Schreiben lernen können. Kroatien verbesserte sein System zur Anerkennung von Qualifikationen für Begünstigte des internationalen Schutzes und ermöglichte es ihnen so, kostenlos den Bildungsweg fortzusetzen, den sie in ihrem Ursprungsland eingeschlagen hatten. In Deutschland wurden Maßnahmen umgesetzt, um Drittstaatsangehörige dabei zu unterstützen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, indem ihre beruflichen und schulischen Qualifikationen sowie ihre informellen Fähigkeiten anerkannt werden.

Die Mitgliedstaaten ergreifen auch spezifische Maßnahmen für Flüchtlinge und Asylbewerber. In Belgien haben sich die Föderale Agentur für die Aufnahme von Asylbewerbern (Fedasil) und die öffentliche wallonische Arbeitsagentur (Forem) auf eine strukturelle Zusammenarbeit verständigt, hauptsächlich um den Asylbewerbern den Zugang zu einer Beschäftigung zu erleichtern. In Estland erweiterte der Arbeitslosenversicherungsträger das Projekt „Meine erste Beschäftigung in Estland“, das vom Europäischen Sozialfonds im Rahmen der Jugendgarantie mitfinanziert wird, auf Begünstigte internationalen Schutzes. In Luxemburg richtete die Arbeitsagentur ein Programm ein, das Begünstigten des internationalen Schutzes helfen soll, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. In den Niederlanden wurde ein Programm für Begünstigte des internationalen Schutzes und Staatsangehörige mit Migrationshintergrund auf den Weg gebracht, um den Zugang zu einem Arbeitsplatz zu verbessern. Frankreich gründete die Initiative „Chancen für 1 000 Flüchtlinge“, die 1 000 Begünstigten des internationalen Schutzes einen achtmonatigen Integrationspfad eröffnet, einschließlich Unterbringung, Sprachunterricht und zertifizierter Berufsausbildung.

Mehrere Mitgliedstaaten fördern die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Seit September 2017 bezuschusst die griechische Regierung die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen und die Anpassung der Arbeitsplätze in den lokalen Gebietskörperschaften und privatwirtschaftlichen Unternehmen. Ähnlich verhält es sich in Schweden, wo die Obergrenze für die Bezuschussung der Beschäftigung einer Person mit Behinderungen angehoben wurde. Polen setzt ein vom Europäischen Sozialfonds finanziertes Projekt um, mit dem die Hindernisse für die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen abgebaut werden sollen. Bulgarien investiert in die Ausbildung, um die Beschäftigungsfähigkeit von Personen mit Behinderungen („Ausbildung und Beschäftigung“) zu verbessern, wobei Personen mit Schwerbehinderung Priorität haben. Frankreich erließ das Gesetz „Liberté de Choisir son Avenir Professionnel“ („Freie Entscheidung über die berufliche Zukunft“), mit dem die Beschäftigung von Personen mit Behinderungen gefördert werden soll. Dieses Gesetz umfasst eine Ausweitung der sozialmedizinischen Ansätze zur Unterstützung bei der Arbeitssuche, eine Verlagerung der Anforderung, dass 6 % der Neueinstellungen Personen mit Behinderungen sein müssen, von der Ebene der Betriebseinheit auf die Unternehmensebene und die Einführung einer verbindlichen Unternehmenserklärung (ab Januar 2020) zu den getroffenen Maßnahmen zur Eingliederung von Arbeitnehmern mit Behinderung. In Portugal soll eine neue Sozialleistung für Personen mit einem Behinderungsgrad von über 60 % diese Gruppe darin bestärken, ihrer Arbeit weiter nachzugehen oder nach einer Beschäftigung zu suchen. Derzeit schließt der Bezug jeglicher Form von Vergütung den Bezug von Behindertenbeihilfen aus. Malta führt eine neue haushaltspolitische Maßnahme ein, die es Personen mit Behinderung ermöglicht, weiterhin ihre vollständige Invaliditätsrente zu beziehen, wenn sie einer Beschäftigung nachgehen oder einen Arbeitsplatz erhalten.



3.3.Leitlinie 7: Verbesserung der Funktionsweise der Arbeitsmärkte und der Wirksamkeit des sozialen Dialogs 

In diesem Abschnitt wird die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinie 7 behandelt, mit der den Mitgliedstaaten empfohlen wird, die Funktionsweise des Arbeitsmarkts und die Wirksamkeit des sozialen Dialogs zu verbessern. Dazu zählen eine ausgewogene Flexibilität und Sicherheit bei der Arbeitsmarktpolitik, die Vermeidung der Arbeitsmarktsegmentierung und die Förderung eines Übergangs auf unbefristete Beschäftigungsformen, um für wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen und öffentliche Arbeitsverwaltungen zu sorgen, damit angemessene Arbeitslosenleistungen zur Verfügung stehen, die nicht als Fehlanreiz für die Wiederaufnahme einer Beschäftigung dienen, sowie die Förderung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden. Zusätzlich wird den Mitgliedstaaten gemäß der Leitlinie empfohlen, die zeitnahe und sinnvolle Beteiligung der Sozialpartner an der Gestaltung und Umsetzung der politischen Maßnahmen sicherzustellen, unter anderem über die Förderung erhöhter Kapazitäten der Sozialpartner. Das Kapitel beginnt mit einer kurzen Vorstellung der Schlüsselindikatoren, die auf Herausforderungen in diesem Bereich hinweisen, insbesondere auf die Segmentierung zwischen unbefristeten und befristeten Beschäftigungsverhältnissen und damit verbundenen Problemen bei der Arbeitsplatzqualität, der Beteiligung an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und der öffentlichen Arbeitsverwaltung sowie der Arbeitslosenleistungen (über eine Aktualisierung der im Jahr 2018 vorgestellten vergleichenden Analyse) und der Ausweitung der Mobilität von Arbeitskräften und Lernenden. In Abschnitt 3.3.2 werden abschließend die politischen Maßnahmen vorgestellt, die von den Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet ergriffen wurden.

3.3.1    Schlüsselindikatoren

Die Arbeitsmarktsegmentierung stellt für einige Mitgliedstaaten ein Problem dar, obwohl sie auf EU-Ebene einigermaßen stabil ist. Eine Segmentierung ist eine Situation, bei der auf dem Arbeitsmarkt nebeneinander (mindestens) zwei „Segmente“ an Arbeitskräften bestehen, die durch verschiedene Rechte, Ansprüche und/oder Arbeitsbedingungen gekennzeichnet sind. Insbesondere wenn dies mit begrenzten Möglichkeiten zum Wechsel von einer untypischen in eine unbefristete Beschäftigung verbunden ist, kann die Funktionsweise und Gerechtigkeit der Arbeitsmärkte beeinträchtigt werden. Ein hoher Anteil an befristet beschäftigten Arbeitnehmern kann ein ungefährer Indikator für eine Arbeitsmarktsegmentierung in einem Mitgliedstaat sein. Auf EU-Ebene (Schaubild 39) hat sich der Anteil an befristeten Arbeitsverträgen an der Gesamtzahl der Beschäftigten im Laufe der vergangenen Jahre nicht wesentlich verändert und liegt in den letzten zehn Jahren durchschnittlich bei etwa 14 %. In einigen Mitgliedstaaten ist der Wert jedoch weitaus höher: Dies ist vor allem in Spanien, Polen, Portugal, den Niederlanden und Kroatien der Fall, bei denen allen im Jahr 2017 eine Quote von über 20 % zu verzeichnen war, gefolgt von weiteren sechs Mitgliedstaaten (Slowenien, Frankreich, Schweden, Finnland, Italien und Zypern) im Bereich zwischen 15 % und 20 %. Einige dieser Länder erfuhren zwischen 2008 und 2017 einen erheblichen Anstieg, insbesondere Kroatien (um 8 Prozentpunkte), die Slowakei (um 5 Prozentpunkte), die Niederlande (um etwa 4 Prozentpunkte) und Italien (um 2 Prozentpunkte). Auch in Dänemark ergab sich ein erheblicher Anstieg von 8,5 % im Jahr 2008 auf 12,9 % im Jahr 2017. Spanien ist ein Sonderfall, denn der Anteil an befristeten Arbeitsverträgen ging während der Krise von 29,2 % im Jahr 2008 auf 23,2 % im Jahr 2013 zurück und stieg im Zuge der Erholung wieder auf 26,8 % im Jahr 2017 an.

Schaubild 39: Anteil der befristet Beschäftigten an der Gesamtzahl an Beschäftigten (15–64 Jahre).

Quelle: Eurostat, AKE.

Befristete Arbeitsverträge können als Sprungbrett für ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis dienen, stellen aber häufig eine „Sackgasse“ dar. In Schaubild 40 sind die Quoten für die Übernahme von einem befristeten in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis (gemittelt über drei Jahre, um die Auswirkungen kurzfristiger Schwankungen zu vermindern) aufgezeigt und als Anteil der befristeten Arbeitsverträge an der Gesamtzahl der Beschäftigten dargestellt. Durchschnittlich werden 24 % der Arbeitnehmer mit einem befristeten Vertrag im Folgejahr unbefristet übernommen. In einigen Mitgliedstaaten liegt die jährliche Übernahmequote jedoch erheblich unter dem EU-Durchschnitt. Dies ist insbesondere in Spanien, Frankreich, Polen und Italien der Fall, bei denen eine geringe Übernahmequote (etwa 11 % für die beiden erstgenannten Länder, 20 % für Italien und 22 % für Polen) mit einem hohen Anteil an befristeten Verträgen einhergeht, was auf eine Segmentierung hindeutet. In Mitgliedstaaten mit einem geringen Anteil an befristeten Verträgen sind die Übernahmequoten relativ hoch. Dagegen besteht für die Arbeitnehmer in den Ländern mit einem hohen Anteil an befristeten Verträgen tendenziell kaum eine Aussicht auf ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis. Nennenswerte Ausnahmen stellen Schweden und Slowenien dar, bei denen die Übernahmequote trotz des hohen Anteils an befristet Beschäftigten bei nahezu 40 % oder darüber liegt.

Schaubild 40: Anteil der befristet Beschäftigten an der Gesamtzahl der Beschäftigten in der Altersgruppe der 15- bis 64-Jährigen (2017) und Dreijahresdurchschnitt der Übernahmequote aus befristeten in unbefristete Beschäftigungsverhältnisse (2016). 

Quelle: Eurostat, AKE und SILC.

Anmerkung: Die Übernahmequote für IE und MT bezieht sich auf das Jahr 2015.

In der EU verfügt die Mehrheit der befristet Beschäftigten über einen befristeten Arbeitsvertrag, weil sie keine unbefristete Beschäftigung finden können. Der Anteil an „unfreiwillig“ befristetet Beschäftigten ist ein zusätzlicher Hinweis auf eine Segmentierung des Arbeitsmarktes. Etwa 54 % aller befristet Beschäftigten im Alter von 15 bis 64 Jahren befinden sich in der EU in dieser Lage (2 Prozentpunkte mehr als im Jahr 2008), aber der Anteil liegt in 12 Mitgliedstaaten bei über 70 %. In diesem Sinne ist die Lage in Mitgliedstaaten wie Portugal, Kroatien und Spanien, bei denen ein hoher Anteil an befristetet Beschäftigten mit einem prozentualen Anteil der „unfreiwillig“ befristetet Beschäftigten von mehr als 80 % einhergeht, eine besonders große Herausforderung (Schaubild 41). Die Situation in Zypern muss ebenfalls im Blick behalten werden, selbst wenn der Anteil an befristet beschäftigten Arbeitnehmern nur leicht über dem EU-Durchschnitt liegt, denn 91,9 % dieser Beschäftigten befinden sich in dieser Lage, weil sie keine unbefristete Beschäftigung finden konnten. Jüngere Arbeitnehmer sind normalerweise häufiger bereit, eine befristete Beschäftigung anzunehmen. Wie in Schaubild 41 ersichtlich wird bei Betrachtung der Altersgruppe der 25- bis 64-Jährigen deutlich, dass der Anteil an unfreiwillig befristet Beschäftigten in allen Mitgliedstaaten höher ist. Interessanterweise ist der Unterschied zwischen den Altersgruppen der 15- bis 64-Jährigen und der 25- bis 64-Jährigen am geringsten, wenn der Anteil an unfreiwillig Beschäftigten am höchsten ist, was darauf hindeutet, dass auch junge Arbeitnehmer auf segmentierteren Arbeitsmärkten unbefristeten Verträgen konsequent den Vorzug geben. Der Anteil an älteren Arbeitnehmern (55–64 Jahre) an den unfreiwillig befristeten Beschäftigungsverhältnissen hat sich im Zuge der Krise deutlich von 51,9 % im Jahr 2008 auf 60,6 % im Jahr 2017 erhöht.

Schaubild 41: Unfreiwillig befristet Beschäftigte als Anteil an der Gesamtzahl der befristet Beschäftigten, 2017.

Quelle: Eurostat, AKE.

Ein hoher Anteil an Selbstständigen kann auch ein Anzeichen für eine Arbeitsmarktsegmentierung sein. Obwohl die Entscheidung für eine selbstständige Tätigkeit normalerweise freiwillig erfolgt, kann sich dahinter auch eine von wirtschaftlicher Abhängigkeit geprägte Beschäftigungsbeziehung (sogenannte „Scheinselbstständigkeit“) verbergen. Zusätzlich sind die Sozialversicherungssysteme häufig nicht darauf ausgelegt, Selbstständige einzubeziehen (diese Problematik wird in Kapitel 3.4 erörtert). Das Maß an Autonomie der Selbstständigen kann für die Mitgliedstaaten anhand der vergleichbaren Statistiken von Eurostat nicht gemessen werden 65 . Einige naheliegende Angaben ergeben sich jedoch bei Betrachtung des Anteils an Selbstständigen ohne Arbeitnehmer („abhängig Beschäftigte“) an der Gesamtbeschäftigung. Ist dieser hoch, könnte dies ein Anzeichen dafür sein, dass eine genauere länderspezifische Auswertung erforderlich ist. In der Rangfolge stehen Griechenland (22,3 %), Rumänien (15,3 %) und Italien (15,1 %) im Jahr 2017 an oberster Stelle, gefolgt von Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, dem Vereinigten Königreich und den Niederlanden, deren Quoten bei über 11 % liegen (Schaubild 42). Am unteren Ende finden sich Dänemark, Deutschland, Schweden und Ungarn mit einer Quote von unter oder knapp 5 %. Seit 2008 ist der Anteil an abhängig Beschäftigten in der EU im Schnitt stabil geblieben, aber in einigen Ländern war ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen, insbesondere in den Niederlanden (von 8,4 % im Jahr 2008 auf 11,5 % im Jahr 2017) und im Vereinigten Königreich (von 9,8 % auf 11,8 %). Im Gegensatz dazu ist die Quote in Kroatien (von 11,7 % auf 5,7 %) und Portugal (von 13,5 % auf 8,9 %) deutlich zurückgegangen. Laut Eurofound 66 konnte im Jahr 2015 etwa ein Viertel aller Selbstständigen als „Gefährdete“ oder „Scheinselbstständige“ 67 eingestuft werden, wobei zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede bestanden. Diese Arbeitskräfte sind durch wirtschaftliche Abhängigkeit, ein geringes Maß an Autonomie und finanzielle Anfälligkeit gekennzeichnet, daher sind „Scheinselbstständige“ mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Teil dieser Gruppen. Schaubild 43 veranschaulicht die Verteilung der Selbstständigen als Anteil an der Gesamtbeschäftigung auf diese beiden Kategorien, sortiert nach Mitgliedstaaten.

Schaubild 42: Prozentualer Anteil der Selbstständigen ohne abhängig Beschäftigte an der Gesamterwerbsbevölkerung. 

Quelle: Eurostat, AKE – eigene Berechnungen.

Schaubild 43: „Gefährdete“ Selbstständige und „Scheinselbstständige“ als Anteil an der Gesamtbeschäftigung.

Quelle: Eurofound (2017) – auf Grundlage der sechsten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen (2015).

 

Die „Arbeit auf Plattformen“, obwohl diese derzeit auf einen geringen Anteil der Arbeitskräfte beschränkt ist, kann erheblichen Einfluss auf die Arbeitsbedingungen und Beschäftigungsmodelle haben. Im Rahmen der jüngsten Online-Umfrage COLLEEM der Europäischen Kommission 68 wurde die Verwendung von Online-Plattformen durch regelmäßige Internetnutzer im Alter von 16 bis 74 Jahren in 14 Ländern der EU untersucht. Daraus ergaben sich einige erste vorläufige Anhaltspunkte zur Situation der Plattformarbeiter. Laut Europäischer Kommission (2018) 69 lag der Anteil an Personen, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens über Arbeit auf Plattformen beziehen, beruhend auf den Umfrageergebnissen im Jahr 2017 bei leicht über 2 %, wobei im Vereinigten Königreich (4,3 %) und in den Niederlanden (2,9 %) die höchsten Werte zu verzeichnen waren. Etwa die Hälfte der Personen, für die die Arbeit auf Plattformen die Hauptbeschäftigung darstellt, betrachten sich selbst als vollständig oder teilweise selbstständig, obwohl sich ein erheblicher Anteil (38 %) als Arbeitnehmer sieht. Dies deutet darauf hin, dass viele Plattformarbeiter nicht sozialversichert sind – ein Problem, dass durch die Tatsache erschwert wird, dass ihr Beschäftigungsstatus zu aufsichtsrechtlichen Zwecken häufig nicht eindeutig ist.

Befristet Beschäftigte empfinden die Arbeitsplatzqualität über mehrere verschiedene Dimensionen als geringer. Die sechste Europäische Erhebung über die Arbeitsbedingungen (2015) liefert Informationen zu einigen wesentlichen Dimensionen der Arbeitsplatzqualität. Auf Grundlage dieser Erhebung hat Eurofound 70 sieben Indizes für die Arbeitsplatzqualität berechnet (hinsichtlich physischem Umfeld, sozialem Umfeld, Erwerbsintensität, Fähigkeiten und Ermessensbefugnis, Arbeitszeitqualität, Aussichten sowie Einkommen). Bei Betrachtung der Unterscheide zwischen den Werten für sechs der sieben dieser Indizes 71 (Tabelle 3) kommen Arbeitnehmer mit kurzfristigen befristeten Verträgen bei vier dieser Indizes auf unterdurchschnittliche Werte. Die Dimensionen Aussichten (umfasst die Arbeitsplatzsicherung und den beruflichen Aufstieg) sowie Fähigkeiten und Ermessensbefugnis (dazu zählen unter anderem der Zugang zu Fortbildungen und die Entscheidungsfreiheit) stellen dabei die größte Herausforderung dar. Andererseits liegen sie beim sozialen Umfeld leicht über dem Durchschnitt. Bei den längerfristigen befristeten Arbeitsverträgen zeigt sich ein ähnliches Muster, aber die Werte für die Arbeitsplatzqualität liegen näher am Durchschnitt. Außerdem finden sich diese Arbeitnehmer im Vergleich zum Durchschnitt in einem ungünstigeren sozialen Umfeld wieder. Nach der statistischen Überprüfung von Faktoren wie individuellen oder arbeitsplatzbezogenen Merkmalen verbleiben durchaus Unterschiede (Schaubild 44). Bei Arbeitnehmern mit befristeten Verträgen ist die Wahrscheinlichkeit des Armutsrisikos dreimal so hoch wie bei den Arbeitnehmern mit einer unbefristeten Beschäftigung (16,3 % der befristet Beschäftigten gegenüber 5,8 % der unbefristet Beschäftigten im Jahr 2017). Dieser Unterschied wird seit der Krise immer größer.

Tabelle 3: Werte für die Arbeitsplatzqualität nach Beschäftigungsstatus (2015)

Quelle: Berechnung von Eurofound zur Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015. Grüne Kennzeichnung „überdurchschnittlich“, rote Kennzeichnung „unterdurchschnittlich“. Die Farbschattierung gibt die Abweichung vom Durchschnitt an (dunklere Schattierungen bedeuten eine größere Abweichung vom Durchschnittswert). 

Schaubild 44: Auswirkungen des Beschäftigungsstatus auf bestimmte Aspekte der Arbeitsplatzqualität, Überprüfung individueller und arbeitsplatzbezogener Merkmale (2015)

Quelle: Berechnung von Eurofound zur Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015.

Anmerkung: Die Farben repräsentieren die relative Verbindung zwischen dem jeweiligen Indikator für die Arbeitsplatzqualität und dem Beschäftigungsstatus im Vergleich zu der Referenzgruppe der Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen. Die Ergebnisse stammen aus einer mehrstufigen Regressionsüberprüfung individueller Merkmale, Berufsgruppen, Sektoren und sonstiger Faktoren.

Wirksame aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sind eine Schlüsselkomponente der gut funktionierenden Arbeitsmärkte. Sie erhöhen die Chancen der Arbeitssuchenden, eine neue Beschäftigung zu finden sowie Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt besser miteinander in Einklang zu bringen. Die größte Herausforderung, die mit aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bewältigt werden soll, ist die Arbeitslosigkeit, insbesondere die Langzeitarbeitslosigkeit (d. h. länger als ein Jahr). Umso länger ein Arbeitssuchender arbeitslos ist, desto höher ist nachweislich das Risiko, dass fachliche Kompetenzen verloren gehen, der Arbeitssuchende den Mut verliert und eine allgemeine Abkehr vom Arbeitsmarkt erfolgt. Daher ist die Langzeitarbeitslosigkeit sowohl ein Indikator für die Wirksamkeit der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen und ein Maßstab für die Herausforderung, vor der ein Land im Hinblick auf die Aktivierung seiner arbeitslosen Bevölkerung steht 72 . Schaubild 45 zeigt die Langzeitarbeitslosenquote (d. h. das Verhältnis zwischen der Anzahl an Personen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, und der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung) im Jahr 2017 und die Veränderungen im Vergleich zu 2016. Wie bereits in Kapitel 1 erwähnt ist die Langzeitarbeitslosenquote in allen Mitgliedstaaten im Jahr 2017 aufgrund der entspannteren Arbeitsmarktlage zurückgegangen. Trotz eines allgemeinen Trends der Konvergenz (wie durch das Gefälle der Regressionsgeraden hervorgehoben) bestanden zwischen den Mitgliedstaaten mit Quoten zwischen 1 % in der Tschechischen Republik und 15,6 % in Griechenland im Jahr 2017 weiterhin erhebliche Unterschiede. Neben Spanien, das eine Quote von 7,7 % aufweist, wurde auch Griechenland als „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ eingestuft, weil in Verbindung mit einem Wert, der weit über dem Durchschnitt liegt, über die vergangenen Jahre ein rascher Rückgang aufgetreten ist. Italien, das eine vergleichsweise geringe Langzeitarbeitslosenquote von 6,5 % zu verzeichnen hat, erhielt angesichts der begrenzten Erholung im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr die Einstufung „kritische Lage“. Die Lage in der Slowakei wird mit einer Quote von 5,1 % als „zu beobachten“ bewertet. Unter den Ländern, die als „überdurchschnittlich“ eingestuft wurden, sind Zypern, Portugal und Kroatien hervorzuheben, die aufgrund ihres Abschneidens bei der jährlichen Veränderung, die auf eine erhebliche Verbesserung im Jahr 2017 hindeutet (der Wert liegt nahe am EU-Durchschnitt, aber immer noch darüber), in diese Gruppe aufgenommen wurden.

Schaubild 45: Langzeitarbeitslosenquote (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, AKE. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang.

In den meisten Mitgliedstaaten hat sich die Langzeitarbeitslosenquote noch nicht wieder bis auf den Stand vor der Krise erholt. Die Erholung in Bezug auf das Jahr 2013 (Referenz als Spitzenjahr der Krise) ist in Kroatien, Spanien, der Slowakei, Portugal, Irland und Bulgarien (mit über 4 Prozentpunkten) besonders relevant. Dennoch ist die Langzeitarbeitslosenquote in wenigen Mitgliedstaaten im Jahr 2017 mindestens so hoch wie im Jahr 2013, insbesondere in Frankreich (gleicher Wert), Österreich (+0,5 Prozentpunkte), Finnland (+0,4 Prozentpunkte) und Luxemburg (+0,3 Prozentpunkte). Darüber hinaus bleibt die Langzeitarbeitslosenquote in 21 Mitgliedstaaten auf einem höheren Wert als 2008, wobei in Griechenland (+11,9 Prozentpunkte), Spanien (+5,7 Prozentpunkte), Zypern (+4 Prozentpunkte) und Italien (+3,5 Prozentpunkte) die größten Unterschiede zu verzeichnen sind. Dies deutet auf die Intensität der Rezession, unter der diese Ländern in den vergangenen Jahren gelitten haben, und ihren anhaltenden Einfluss auf die Arbeitsmarktergebnisse, gleichzeitig aber auch auf die Herausforderungen hin, vor denen die öffentlichen Arbeitsverwaltungen und die aktiven beschäftigungspolitischen Systeme stehen, die durch die plötzliche Zunahme an Arbeitssuchenden in vielen Fällen stark unter Druck gesetzt wurden.

Schaubild 46: Prozentualer Anteil der Langzeitarbeitslosen an der Erwerbsbevölkerung

Quelle: Eurostat, AKE.

Die Teilnahme an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen weist in der gesamten EU erhebliche Unterschiede auf. Die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen stellen einen der Eckpfeiler für einen wirksamen Arbeitsmarktübergang und leistungsstarke Arbeitsmärkte dar. Zusammen mit einer wirksamen Infrastruktur für lebenslanges Lernen machen die aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen die Dimension der tatsächlichen Unterstützung und Sicherheit einer ausgewogenen Flexicurity-Struktur aus, die als Faktor zur Verbesserung der Arbeitsmarktleistung herangezogen wird. Vor diesem Hintergrund sind die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Teilnahme an Aktivierungsmaßnahmen sehr auffällig. Einerseits gibt es eine große Gruppe an Mitgliedstaaten (Griechenland, Rumänien, Bulgarien, Lettland, Slowenien, Kroatien, Zypern und Malta), in denen weniger als 10 % der an einer Arbeitsaufnahme interessierten Personen im Jahr 2016 an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen teilnahmen. Darüber hinaus ist dieser Anteil in den meisten Fällen in den letzten Jahren zurückgegangen. Andererseits gibt es eine weitere Reihe an Ländern, die eine Teilnahmequote von über 40 % verzeichnen können (Schweden, Frankreich, Dänemark, Ungarn, Luxemburg und Belgien); für diese Länder ergibt sich seit 2013 im Allgemeinen ein stabiler oder positiver Trend. Dies scheint darauf hinzudeuten, dass bei diesem Indikator keine Konvergenz der politischen Maßnahmen stattfindet 73 . In den meisten Ländern sind die Teilnahmequoten nach der Krise gesunken, wobei Belgien, Ungarn, Schweden, die Tschechische Republik und Estland Ausnahmen bilden. Dies lässt erkennen, dass auf den Anstieg der Zahl an Personen, die nach einer Beschäftigung suchen, kein proportionaler Anstieg bei der Teilnahme an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen folgte.

Schaubild 47: Teilnehmer an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen pro 100 an einer Arbeitsaufnahme interessierte Personen

Quelle: Eurostat, Datenbank zur Arbeitsmarktpolitik und AKE. Für UK liegen keine aktuellen Daten vor. Zu IT liegen für das Jahr 2016 keine Zahlen vor.

Die Gesamtinvestitionen in aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen variieren unter den Mitgliedstaaten erheblich. Wenn der Anteil an Langzeitarbeitslosen eine ungefähre Einschätzung für die Wirksamkeit der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen darstellt, geben diese Unterschiede ebenfalls Anlass zur Sorge. Obwohl die Ausgaben für Arbeitsmarktdienstleistungen und –maßnahmen in gewissem Maße mit der Arbeitslosigkeit und der Wettbewerbslage in einem bestimmten Mitgliedstaat in Verbindung stehen, weisen die Zahlen auf große Unterschiede bei der Bekenntnis zum Aufbau wirksamer Systeme für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen hin. Die Ausgaben für Arbeitsmarktdienstleistungen und -maßnahmen variieren von 1,5 % des BIP bis zu weniger als 0,1 % in einigen der weniger engagierten Mitgliedstaaten (Schaubild 48). Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten mit den geringsten Investitionen in aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen tendenziell auch die Länder, in denen ein erheblicher Teil des Systems für diese Maßnahmen über den ESF mitfinanziert wird und bei denen die langfristige Nachhaltigkeit des Systems infrage steht.

Schaubild 48: Ausgaben für Arbeitsmarktdienstleistungen und -maßnahmen (2016) sowie Anteil an Langzeitarbeitslosen (2017)

Die öffentlichen Arbeitsverwaltung (ÖAV) sind die wichtigsten Einrichtungen des Arbeitsmarktes, die für die Unterstützung bei der Suche nach einem Arbeitsplatz und der Vermittlung von Arbeitssuchenden an Aktivierungsmaßnahmen verantwortlich sind. Obwohl die ÖAV in jedem Land unterschiedlich aufgebaut sind, verfolgen sie alle das Ziel, Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt aufeinander abzustimmen, indem sie sowohl für gemeldete Arbeitslose als auch Arbeitgeber Dienstleistungen erbringen. Insbesondere sind sie dafür verantwortlich, für Kunden Profile zu erstellen, sie zu beraten und individuell zu unterstützen und an Fortbildungs- sowie Aktivierungsmaßnahmen zu vermitteln. In vielen Ländern zahlen sie auch die Arbeitslosengelder und/oder Sozialleistungen aus.

Dennoch ist die Wirksamkeit der öffentlichen Arbeitsverwaltungen bei der Unterstützung der Arbeitssuchenden in den Mitgliedstaaten nicht ausgewogen und unter anderem von deren Kapazitäten, der Qualität der angebotenen Dienstleistungen und der Koordinierung mit anderen Akteuren abhängig. Derartige Unterschiede schlagen sich in vielen Fällen in der Inanspruchnahme der ÖAV durch Arbeitslose bei der Suche nach einem Arbeitsplatz nieder (über die formellen Meldeanforderungen hinaus, die im Allgemeinen erforderlich sind, um Zugang zu Arbeitslosengeld und sonstigen Sozialleistungen zu erhalten). In Schaubild 49 ist der Anteil an Arbeitslosen ersichtlich, die bei der Suche nach einer Beschäftigung die Leistungsangebote öffentlicher Arbeitsverwaltungen wahrnehmen. Die Werte unterscheiden sich nicht besonders von den im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 veröffentlichten Werten. Am unteren Ende der Verteilung wiesen Spanien, Italien und Rumänien im Jahr 2017 den niedrigsten Anteil (weniger als 30 %) auf, gefolgt von den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich und Portugal (mit einem Anteil zwischen 30 % und 40 %). Im Gegensatz dazu liegt der Anteil an Arbeitslosen, die erklären, dass sie bei der Suche nach einem Arbeitsplatz auf die Leistungen von öffentlichen Arbeitsverwaltungen zurückgreifen, in Mitgliedstaaten wie Litauen, der Slowakei, der Tschechischen Republik, Österreich, Slowenien und Deutschland bei über 70 %. Im Durchschnitt ist die Inanspruchnahme der ÖAV seit Beginn der Krise stetig zurückgegangen und von 58,1 % im Jahr 2008 auf 45,2 % im Jahr 2017 (1 Prozentpunkt weniger als im Jahr 2016) gefallen. Dennoch ist in einigen wenigen Mitgliedstaaten ein gegenläufiger Trend zu beobachten: Nennenswerte Anstiege waren in Lettland und Zypern (um mehr als 30 Prozentpunkte), Estland und Griechenland (um etwa 15 Prozentpunkte) sowie Rumänien und Slowenien (um etwa 9 Prozentpunkte) zu verzeichnen. In einigen dieser Länder könnte der Anstieg indes auf strengere Vorschriften zurückzuführen sein, die den Leistungsbezug an eine entsprechende Meldung knüpfen. Schaubild 50 bietet einen Hinweis auf die Inanspruchnahme ausgewählter alternativer Methoden zur Suche nach einer Beschäftigung durch Arbeitslose, einschließlich der Inanspruchnahme privater Arbeitsvermittler, Direktbewerbungen und informeller Methoden wie Nachfrage bei Freunden, Verwandten und Gewerkschaften. Es ist zwar schwierig, ein allgemeines Muster zu erkennen, aber in den Mitgliedstaaten, in denen die Inanspruchnahme der öffentlichen Arbeitsverwaltungen gering ist, kommen anscheinend informelle Methoden am häufigsten zum Einsatz.

Schaubild 49: Anteil der Arbeitslosen, die bei der Suche nach einer Beschäftigung die Leistungsangebote öffentlicher Arbeitsverwaltungen wahrnehmen

Quelle: Eurostat, AKE.

Schaubild 50: Anteil an Arbeitslosen, die ausgewählte Methoden zur Suche nach einem Arbeitsplatz nutzen (2017)

Quelle: Eurostat, AKE.

Die Bereitstellung von ausreichenden Arbeitslosengeldern für einen angemessenen Zeitraum, zu denen alle Arbeitnehmer Zugang haben und die von wirksamen aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen begleitet werden, sind von entscheidender Bedeutung, um Arbeitssuchende beim Übergang auf den Arbeitsmarkt zu unterstützen. Im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 wurde eine umfassende vergleichende Analyse der wichtigsten Gestaltungsmerkmale der Systeme zur Arbeitslosenunterstützung in der EU vorgestellt, die auf den Ergebnissen der vergleichenden Analyse der Arbeitslosengelder und der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen beruhen, die vom Beschäftigungsausschuss durchgeführt wurde. Die Analyse, bei der einige Leistungsindikatoren und Indikatoren für die Hebelwirkung der Politik (für 2016 oder 2017, abhängig von den verfügbaren Daten) betrachtet wurden, bleibt für diesen Bericht angesichts der begrenzten Veränderungen bei den politischen Maßnahmen im Referenzzeitraum weiterhin gültig (vgl. Abschnitt 3.3.2 für Einzelheiten zu den von den Mitgliedstaaten in diesem Bereich eingeführten Reformen; eine Übersicht über Reformen der Mitgliedstaaten, die einen längeren Zeitraum abdeckt, findet sich im Jahresbericht 2018 der Kommission 74 über Arbeitsmarkt- und Lohnentwicklungen in Europa). Dieser Abschnitt bietet eine Aktualisierung zur durchgeführten Analyse, insbesondere in Bezug auf die Indikatoren für die Hebelwirkung der Politik. Außerdem werden die zusätzlichen Indikatoren hinsichtlich der Strenge der Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche für Arbeitssuchende ohne Beschäftigung betrachtet, auf die sich der Beschäftigungsausschuss im Jahr 2018 geeinigt hat.

Der Anteil an Kurzzeitarbeitslosen 75 , die Arbeitslosengeld beziehen, beläuft sich im Durchschnitt auf etwa ein Drittel. Dieser Anteil ist in der Folgezeit der Krise geringfügig zurückgegangen (von 34,4 % im Jahr 2008 auf 32,7 % im Jahr 2017) und in den letzten Jahren stabil geblieben. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen jedoch weiterhin erhebliche Unterschiede (Schaubild 51). Diese Unterschiede sind abhängig von der politischen Gestaltung der Systeme zur Arbeitslosenunterstützung (insbesondere den Bedingungen für die Inanspruchnahme, der maximalen Bezugsdauer, der Strenge der Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche, Überschneidungen mit anderen Sozialschutzprogrammen) sowie von der konjunkturellen Lage der verschiedenen Länder abhängig. Langfristig betrachtet war der größte Anstieg bei den Leistungsempfängern zwischen 2008 und 2017 in Lettland (um fast 16 Prozentpunkte), Italien (10 Prozentpunkte) und Frankreich (9 Prozentpunkte) zu verzeichnen. Andererseits wiesen Ungarn (-15 Prozentpunkte), Luxemburg (-12 Prozentpunkte), Kroatien und Deutschland (jeweils -10 Prozentpunkte) den größten Rückgang auf. Deutschland hat mit 62,8 % noch immer die höchste Quote, gefolgt von Finnland, Österreich, Belgien und Frankreich mit Quoten über 50 %. Im Gegensatz dazu liegen die Quoten in Malta, Kroatien, Polen, Rumänien und Bulgarien deutlich unter 15 % und es bestehen keine Anzeichen für Besserung.

Schaubild 51: Quote der Anspruchsberechtigten auf Leistungen bei Arbeitslosigkeit unter den Kurzzeitarbeitslosen

Quelle: Berechnung in Eurostat, AKE-Daten. Anmerkung: Für IE und NL liegen keine Daten vor.

Zwischen 2016 und 2018 gab es bei der Gestaltung der Arbeitslosengelder in den Mitgliedstaaten keine wesentlichen Veränderungen. Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, müssen Arbeitslose in der Regel für eine Mindestdauer eine Beschäftigung nachweisen und/oder über einen gewissen Zeitraum Versicherungsbeiträge entrichtet haben. Wie aus Schaubild 52 hervorgeht reicht diese Mindestdauer von weniger als 20 Wochen in Frankreich und Italien bis zu einem Jahr (52 Wochen) oder mehr in Polen, Rumänien und der Slowakei. Mit drei Ausnahmen waren zwischen 2016 und 2018 fast keine Änderungen zu verzeichnen. Im Fall von Österreich ist für Erstantragsteller ein Versicherungsnachweis für 52 Wochen in den vergangenen 24 Monaten erforderlich. Für Folgeanträge wurde dieser Zeitraum jedoch auf 28 Wochen verkürzt. In Bulgarien hat sich die Länge des zum Erwerb einer Anspruchsberechtigung erforderlichen Versicherungszeitraums von 9 Monaten in den letzten 15 Monaten vor der Arbeitslosigkeit auf mindestens 12 Monate in den letzten 18 Monaten vor der Arbeitslosigkeit erhöht. Eine ähnliche Entwicklung fand in Lettland statt, wo sich die Anforderungen verschärft haben: Bisher mussten in den letzten 12 Monaten vor der Arbeitslosigkeit mindestens 9 Monate lang Beiträge entrichtet worden sein, jetzt beläuft sich der Zeitraum auf mindestens 12 Monate in den letzten 16 Monaten vor der Arbeitslosigkeit. Hinsichtlich der maximalen Bezugsdauer von Leistungen (Schaubild 53) kam es zwischen 2017 und 2018 zu keinen Veränderungen. Belgien steht mit einer unbegrenzten Bezugsdauer weiterhin am oberen Ende, aber dies sollte im Kontext einer fehlenden Arbeitslosenhilfe betrachtet werden. Am anderen Ende finden sich Ungarn und Malta. Die maximale Bezugsdauer fällt in den meisten Mitgliedstaaten immer kürzer aus als der Zeitraum der Beitragszahlungen. Nur in vier Ländern sind diese gleich (Frankreich, die Niederlande, Griechenland, Luxemburg) und in drei Ländern ist die Bezugsdauer länger (Finnland, Dänemark, Belgien). Hinsichtlich der Höhe und der Angemessenheit der Arbeitslosenbezüge zeigen sich bei den Mitgliedstaaten außerdem erhebliche Unterschiede. Die Netto-Ersatzquoten für einen geringverdienenden Beschäftigten mit einer erst kurzen Erwerbsphase (von 1 Jahr) reichen von weniger als 20 % des letzten (Netto-)Einkommens in Ungarn bis zu rund 90 % in Luxemburg (Schaubild 54). Bei einem Vergleich der Netto-Ersatzquoten zum zweiten und zwölften Monat der Phase der Arbeitslosigkeit zeigt sich der Effekt entweder eines Auslaufens der gewährten Bezüge (wobei die Betroffenen dann unter andere Programme wie Arbeitslosen- oder Sozialhilfe fallen) oder einer Kürzung der Leistungen im Verlauf der Zeit. 76

Schaubild 52: Länge des zum Erwerb einer Anspruchsberechtigung geforderten Zeitraums, 2016 und 2018 (in Wochen)

Quelle: MISSOC-Datenbank (System zur gegenseitigen Information über soziale Sicherheit) sowie einzelstaatliche Rechtsvorschriften. Anmerkung: In Malta beträgt die Mindestdauer zum Erwerb einer Anspruchsberechtigung (Stand 2018) 50 Wochen an entrichteten Beiträgen, wobei davon in den letzten 2 Kalenderjahren mindestens 20 Wochen lang Beiträge entrichtet oder gutgeschrieben worden sein müssen. In Irland (2016 und 2018) müssen seit Aufnahme der ersten Beschäftigung mindestens 104 Wochenbeiträge entrichtet worden sein.

Schaubild 53: Maximale Bezugsdauer von Leistungen nach einer einjährigen Beschäftigung, 2017 und 2018

Quelle: MISSOC-Datenbank (System zur gegenseitigen Information über soziale Sicherheit) sowie einzelstaatliche Rechtsvorschriften (Januar 2017 und Januar 2018). Anmerkung: In Belgien erfolgt die Gewährung von Leistungen zeitlich unbegrenzt. In Zypern erfolgt die Berechnung der Wochen auf Grundlage von sechs Arbeitstagen pro Woche. In Irland erhalten nur Personen mit mindestens 260 geleisteten wöchentlichen Zahlungen lohnbezogener Sozialversicherungsbeiträge (PRSI) für 39 Wochen (234 Tage) entsprechende Leistungen. In der Slowakei hat eine Person nach einer einjährigen Beschäftigung keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. In den letzten drei Jahren müssen mindestens zwei Jahre lang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet worden sein. In Polen schwankt der Bezugszeitraum je nach Höhe der regionalen Arbeitslosenquote relativ zum landesweiten Durchschnitt.

Schaubild 54: Netto-Ersatzquote von Leistungen bei Arbeitslosigkeit bei 67 % des Durchschnittslohns zum 2. und zum 12. Monat der Arbeitslosigkeit (2018)

 

Quelle: Europäische Kommission auf Grundlage des Steuer-Sozialleistungs-Modells der OECD. Hinweis: Für die Berechnung des Indikators wird eine 20-jährige alleinstehende Person ohne Kinder zugrundegelegt, die erst seit Kurzem erwerbstätig ist (1 Jahr). Weitere Angaben zur Methode finden sich in Fußnote 76.

Die Mitgliedstaaten haben verschiedene Strategien zur Aktivierung der Empfänger von Arbeitslosengeld entwickelt. Die verabschiedeten politischen Instrumente entsprechen dem Grundsatz der gegenseitigen Verpflichtungen. Insbesondere müssen Empfänger von Arbeitslosengeld nach einem Arbeitsplatz suchen. Gleichzeitig müssen die staatlichen Behörden sie bei der Suche nach einer Beschäftigung und der Überwindung von Hindernissen unterstützen, die sie davon abhalten könnten, wieder einen Arbeitsplatz zu finden, sowie überwachen, ob sie den Verfügbarkeitsbedingungen für Beschäftigungen nachkommen (und ggf. Sanktionen verhängen). Der Grundsatz des frühzeitigen Eingreifens und der individuell auf die arbeitslosen Arbeitssuchenden zugeschnittenen Angebote wurde von den Mitgliedstaaten weitgehend mit dem Ziel angenommen, die Dauer der Arbeitslosigkeit zu verringern, vermehrt passende Angebote zu vermitteln und Langzeitarbeitslosigkeit sowie Mutlosigkeit zu verhindern. In den meisten Mitgliedstaaten bestehen tatsächlich verbindliche Anforderungen an die öffentlichen Arbeitsverwaltungen, bestimmte Arten von frühzeitiger Unterstützung für Arbeitssuchende (Profilerstellung, Gestaltung individueller Aktionspläne, personalisierte Beratung) zur Verfügung zu stellen. 

Mit dem Bezug von Arbeitslosengeld sind große Unterschiede bei der Strenge der Verfügbarkeitsbedingungen für Beschäftigungen und den Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche 77 verbunden. In Schaubild 55 sind die Tragweite der Verfügbarkeitsbedingungen und die Kriterien für eine geeignete Beschäftigung für Empfänger von Arbeitslosengeld ersichtlich. In Polen, Dänemark, Malta und Kroatien scheinen diese am strengsten geregelt zu sein, während die Regelungen in Belgien, Litauen, Bulgarien, Zypern, Finnland und Spanien am wenigsten streng sind. Aus Schaubild 56 gehen große Unterschiede bei der Strenge der Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche und deren Überwachung hervor. Strengere Anforderungen bestehen vor allem in Malta, dem Vereinigten Königreich und Luxemburg, am wenigsten streng sind die Regelungen in Zypern, Griechenland und Polen. Schließlich ist in Schaubild 57 eine große Streuung bei der Tragweite der Sanktionen ersichtlich, die zur Anwendung kommen, wenn die Empfänger von Arbeitslosengeld nicht den Verfügbarkeitsbedingungen und den Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche nachkommen. In Slowenien, Rumänien, Luxemburg, Griechenland, Kroatien und Portugal scheinen die Sanktionen am schärfsten zu sein, in Österreich, Ungarn, Zypern, Irland, Dänemark und Deutschland sind sie hingegen am wenigsten scharf, gehen aber in einigen Fällen mit einer kurzen Leistungsdauer einher. Malta, Kroatien und Estland verfügen anscheinend in allen Dimensionen über strengere Bestimmungen. In mehreren Mitgliedstaaten zeigt sich jedoch eine Kombination aus strengen Bestimmungen für gewisse Bestandteile und weniger strenge Bestimmungen für andere Bestandteile. Beispielsweise verfügt Dänemark über die strengsten Bestimmungen bei den Verfügbarkeitsbedingungen und den Kriterien für eine geeignete Beschäftigung, aber eine der am wenigsten strengen Bestimmungen für die Kürzung der Leistungen. Diese unterschiedlichen Ansätze liefern einen Einblick, wie nationale Systeme mit dem Problem des moralischen Risikos umgehen, das mit den Leistungen bei Arbeitslosigkeit einhergeht. Strengere Anforderungen an die Arbeitsplatzsuche sowie Verfügbarkeitsbedingungen sollen beispielsweise zu stärkeren Bemühungen bei der Suche nach einer Beschäftigung und der rascheren Annahme von Stellenangeboten beitragen, wodurch mögliche finanzielle Fehlanreize ausgeglichen werden, die durch die Systeme zur Arbeitslosenunterstützung entstehen, und die Dauer der Arbeitslosigkeit verringert wird. Gleichzeitig können übermäßig strenge Anforderungen kontraproduktive Auswirkungen haben, beispielsweise verringerte Reichweite der Leistungen oder Nachteile für die Qualität passender Angebote, die möglicherweise nicht von Dauer sind, weil mehr Menschen häufiger in die Arbeitslosigkeit zurückkehren. 

Schaubild 55: Verfügbarkeitsbedingungen und Kriterien für eine geeignete Beschäftigung, 2017

Quelle: OECD. Anmerkung: Werte von 1 (sehr nachsichtig) bis 5 (am strengsten).

Schaubild 56: Anforderungen an Arbeitssuche und Überwachung, 2017 

Quelle: OECD. Anmerkung: Werte von 1 (sehr nachsichtig) bis 5 (am strengsten).

Schaubild 57: Strenge der Sanktionen beim Bezug von Leistungen, 2017 

Quelle: OECD. Anmerkung: Werte von 1 (sehr nachsichtig) bis 5 (am strengsten).

Die Beseitigung von Hindernissen für die Mobilität der Arbeitnehmer und Lernenden kann die Beschäftigungsfähigkeit und die Entwicklung der Kompetenzen verbessern, was dazu beiträgt, das vollständige Potenzial des europäischen Arbeitsmarktes auszunutzen. Im Jahr 2017 gab es ungefähr 12,4 Mio. EU-Bürger im erwerbsfähigen Alter (20–64 Jahre), die in einem anderen Land als ihrem Herkunftsland leben 78 . Diese Zahl ist im Vergleich zu 2016 in einem ähnlichen Tempo um 5 % angestiegen wie im vorangegangenen Jahr. Deutschland und das Vereinigte Königreich waren im Jahr 2017 die wichtigsten Wohnsitzstaaten, in denen 3 Millionen bzw. 2,6 Millionen Menschen mit einem anderen Herkunftsland leben, gefolgt von Spanien (1,4 Millionen), Italien (1,2 Millionen) und Frankreich (etwa 1 Million). Während in Deutschland und im Vereinigten Königreich seit 2015 ein Aufwärtstrend zu beobachten ist, verzeichnen Italien und Frankreich einen gemäßigteren Anstieg, der unter dem Durchschnitt liegt. Spanien hingegen verbuchte in absoluten Zahlen einen Rückgang bei den mobilen Bürgern aus der EU-28 (-1 % gegenüber 2016). Damit setzt sich (in verlangsamter Form) ein Abwärtstrend fort, der 2014 begann. Die wichtigsten Herkunftsländer sind seit 2016 unverändert: Bürger aus Rumänien, Polen, Portugal, Italien und Bulgarien stellen hier auf EU-Ebene die größten Gruppen. Zusammen kommen sie auf etwa 6,6 Millionen, was über der Hälfte der mobilen Bürger in der EU-28 entspricht. Gemessen am Anteil der Bevölkerung ist die größte Abwanderung in Litauen, Rumänien und Lettland zu verzeichnen; ein steigender Trend ist in Litauen, Rumänien, Lettland, Estland und Kroatien zu beobachten. Betrachtet man die Erwerbspersonen, d. h. Erwerbstätige und Arbeitssuchende, so waren die wichtigsten Herkunfts- und Bestimmungsländer die gleichen.

Ein Auslandsstudium ist für die Entwicklung von Kompetenzen und bessere Aussichten am Arbeitsmarkt vorteilhaft. Mobile Studierende tragen zur Wissensentwicklung, einem stärkeren Kulturbewusstsein, zur Anpassung des Stands der Technik und zum Kapazitätsaufbau in ihrem Land bei, wenn sie nach dem Auslandsstudium dorthin zurückkehren. Darüber hinaus vergrößert der Studentenaustausch zwischen den Ländern die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit der Hochschulen, was zum europäischen Ziel der Öffnung und Modernisierung der Bildungssysteme beiträgt. Dennoch ist nur ein geringer Anteil der europäischen Absolventen mobil. Im Jahr 2016 waren nur 10,7 % der Hochschulabsolventen, die aus einem EU-Mitgliedstaat stammten, mobil, 3,1 % waren teilweise mobil und machten ihren Abschluss in einem anderen Land als dem Land, in dem sie ihr Diplom erhielten. 7,6 % hingegen absolvierten einen anrechenbaren Auslandsaufenthalt und verbrachten einen Teil ihrer Studienzeit im Ausland und/oder machten ein Berufspraktikum im Ausland. Die Mitgliedstaaten mit dem höchsten Anteil an abwandernden mobilen Absolventen sind Luxemburg (84,4 %), die Niederlande (23,2 %) und Finnland (19,5 %). Weitere vier EU-Mitgliedstaaten weisen eine Mobilitätsquote der Studierenden von über 15 % auf (Deutschland, Frankreich, Zypern und Litauen). Die Mobilitätsmuster zwischen den Ländern lassen sich durch verschiedene Faktoren erklären, wie geografische und sprachliche Nähe oder die Verfügbarkeit von Programmen in englischer Sprache in Ländern, in denen nicht Englisch gesprochen wird. Die Unterrichtsqualität der Universitäten und ihr Ruf sind ebenfalls Faktoren mit starker Anziehungskraft.

Der zwei- oder dreigliedrige soziale Dialog ist ein zentrales Element der sozialen Marktwirtschaft in Europa. Er ermöglicht die Förderung von Vereinbarungen und politischen Maßnahmen, die zum Ausgleich der Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern dienen. Der wirksame soziale Dialog führt zu Lösungen, die für alle betroffenen Partner akzeptabel sind, verhindert dadurch Konflikte in der Gesellschaft und stärkt den sozialen Zusammenhalt. Ein wichtiger Bestandteil eines solchen Dialogs ist die gegenseitige Achtung und das Vertrauen zwischen den Partnern, das mit der Erfahrung aus der bisherigen guten Zusammenarbeit und dem Mehrwert dieser ausgehandelten Ergebnisse einhergeht. Um derartige Verhandlungen zu ermöglichen müssen die Sozialpartner unabhängig voneinander und vom Staat sein (Autonomie der Sozialpartner). Folglich erfolgt der soziale Dialog zum Vorteil der Arbeitnehmer, Arbeitgeber und des Staates. Die im März 2015 gestartete Initiative „Neubeginn für den sozialen Dialog“, die Schlussfolgerungen des Rates und die Vierparteien-Erklärung „Ein Neubeginn für einen starken sozialen Dialog“ der europäischen Sozialpartner, der Kommission und des niederländischen Vorsitzes im Namen des Rates, die beide im Juni 2016 angenommen wurden, fordern die Mitgliedstaaten auf, die Sozialpartner im Einklang mit den nationalen Gepflogenheiten eng in die Gestaltung und Umsetzung einschlägiger Reformen und Maßnahmen einzubeziehen. Die europäische Säule sozialer Rechte und die neue beschäftigungspolitische Leitlinie 7 bekräftigen erneut, dass der soziale Dialog ein Grundwert der Europäischen Union ist.

Die Europäische Union steht vor einer Vielfalt an nationalen Systemen des sozialen Dialogs. Diese Unterschiede beziehen sich hauptsächlich auf die voneinander abweichenden institutionellen Rahmen und operativen Kapazitäten der Sozialpartner, die zu bedeutenden Unterschieden bei der Qualität des sozialen Dialogs beitragen. Auch wenn es kein Einheitsmodell gibt, so sollten eine zeitnahe und sinnvolle Beteiligung der Sozialpartner an der Gestaltung und Umsetzung politischer Maßnahmen, unter anderem durch die Bereitstellung von Beihilfen für eine Kapazitätserhöhung der Sozialpartner, als gemeinsamer Nenner für gut funktionierende und wirksame Systeme des dreigliedrigen sozialen Dialogs betrachtet werden. Letzteres gilt gleichermaßen für den zweigliedrigen sozialen Dialog.

Die Kapazitäten der Sozialpartner spielen bei der Gestaltung des sozialen Dialogs eine wichtige Rolle. Die Mitgliederzahlen der Sozialpartner liefern einen Hinweis auf ihre Kapazitäten, um die entsprechenden gemeinsamen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmer zu vertreten (Schaubild 58). Je größer ihre Mitgliederzahlen und je repräsentativer sie sind, umso stärker ist wohl ihr Mitspracherecht und ihr Mandat. Dennoch bieten diese Zahlen kein vollständiges Bild. In bestimmten Mitgliedstaaten mit einem nachweislich geringen gewerkschaftlichen Organisationsgrad (z. B. Frankreich) genießen Gewerkschaften beispielsweise auch eine breite Unterstützung von Nichtmitgliedern (vgl. Daten des Eurobarometers zum Vertrauen in Gewerkschaften) und verfügen über umfassende Kapazitäten, um sich an der Entwicklung politischer Maßnahmen zu beteiligen. In den meisten Mitgliedstaaten ist der gewerkschaftliche Organisationsgrad seit den 1980er-Jahren rückläufig, während der Organisationsgrad der Arbeitgeber etwas stabiler ist. Abseits der aggregierten Mitgliederzahlen kann auch die mehr oder weniger fragmentierte Vertretungsstruktur einen Einfluss auf die Kapazitäten der Sozialpartner haben, insbesondere wenn diese kaum koordiniert ist.

Schaubild 58: Gewerkschaftlicher Organisationsgrad

Quelle: OECD- und ICTWSS-Datenbank (es wurde jeweils die Quelle mit aktuelleren Daten zum jeweiligen Mitgliedstaat verwendet). Anmerkung: Berechnet als Anteil der Arbeitnehmer, die Mitglied in einer Gewerkschaft sind. Jahre der Daten: 2017 für SE, 2016 für AT, CZ, DK,FI, DE, HU, IE, IT, LT, NL, UK; 2015 für BE, EE, FR, LV, LU, PT, SK, SI, ES; 2014 für PL; 2013 für CY, EL; 2012 für HR, MT, BG und RO. Die Daten zum Organisationsgrad der Arbeitgeber wurden für einige Mitgliedstaaten in den letzten Jahren nicht so häufig aktualisiert, daher sind diese nicht im Diagramm enthalten.

Die Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau werden in einigen Mitgliedstaaten durch die europäischen Struktur- und Investitionsfonds gefördert. Finanzielle Mittel wurden unter anderem in Bulgarien, Zypern, der Tschechischen Republik, Griechenland, Frankreich, Litauen, Lettland, Polen, der Slowakei und Portugal zugewiesen. In Portugal fördert der Europäische Sozialfonds (ESF) angesichts ihrer wichtigen Rolle bei der Modernisierung der Einrichtungen des Arbeitsmarktes den Aufbau institutioneller Kapazitäten der Sozialpartner, darunter die Verwaltung und Umsetzung der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung. In Lettland fördert der ESF die Stärkung des zweigliedrigen sozialen Dialogs. Das Ziel der Projekte ist die Entwicklung eines Rechtsrahmens, mit dem der soziale Dialog in verschiedenen Branchen erleichtert werden soll. Im Hinblick auf die Nutzung der verfügbaren EU-Finanzmittel zum Kapazitätsausbau bei den Sozialpartnern besteht jedoch in mehreren Mitgliedstaaten noch Verbesserungspotenzial.

Die sich verändernde Arbeitswelt eröffnet den Sozialpartnern neue Chancen, aber es ergeben sich auch neue Bedrohungen. Bereits heute zeigen sich bei den Arbeitnehmern mit verschiedenen vertraglichen Vereinbarungen unterschiedliche Vertretungsmuster. Insbesondere Arbeitnehmer mit unbefristeten Verträgen gehören zu einem weitaus höheren Anteil einer Gewerkschaft an als Beschäftigte mit befristeten Verträgen. Darüber hinaus besteht bei den meisten neueren Formen der Beschäftigung ein Mangel an Vertretungen. Forschungsergebnisse aus den Niederlanden deuten darauf hin, dass diese Entwicklungen Auswirkungen auf das Ergebnis von Tarifverhandlungen haben können, wobei in Branchen mit vielen freiberuflichen Mitarbeitern (und geringeren Mitgliederzahlen) im Vergleich zu anderen Branchen Lohnerhöhungen niedriger ausfallen. 79 Gleichzeitig sind Unternehmen aus der immer größer werdenden Dienstleistungsbranche mit geringerer Wahrscheinlichkeit Mitglied in einer Arbeitgeberorganisation als Unternehmen aus der Industrie. In den letzten Jahren haben die Sozialpartner Initiativen gegründet, um neue Mitglieder zu gewinnen oder das Mitspracherecht bestimmter unterrepräsentierter Gruppen (Jugendliche und Plattformarbeiter) über gezielte Strategien und Einstellungsbemühungen zu stärken sowie spezifische Strukturen innerhalb der Organisation zu schaffen 80 .

In der EU wird der repräsentative Charakter der Sozialpartner normalerweise anhand von zwei verschiedenen Grundsätzen beurteilt. Einerseits vertrauen einige Länder grundsätzlich auf die „Rechtskonformität“, d. h. eine bestimmte Anzahl an rechtlichen Bestimmungen dient zur Regulierung des repräsentativen Charakters der Sozialpartner und zur Festlegung der Vorbedingungen für die Teilnahme an Tarifverhandlungen und die Beteiligung an verbindlichen Tarifverträgen (z. B. Wahlen und Organisationsgrad oder Mitgliedschaft auf Seite der Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretung oder Organisationsgrad der Arbeitgebermitgliedschaft auf Arbeitgeberseite). Andererseits vertrauen andere Mitgliedstaaten auf den Grundsatz der „gegenseitigen Anerkennung“, was eine Selbstregulierung der Sozialpartner umfasst. Einige Länder wenden schließlich eine Mischung dieser beiden Grundsätze an. In der Praxis kann ein Mangel an Transparenz zu Schwierigkeiten führen, den repräsentativen Charakter verschiedener Organisationen eindeutig zu beurteilen 81 .

Das Europäische Semester lässt dem sozialen Dialog zunehmende Beachtung zukommen. Im Jahr 2017 leitete der Beschäftigungsausschuss erstmals ein vollwertiges multilaterales Überprüfungsverfahren hinsichtlich der Beteiligung der Sozialpartner an Reformen und politischen Maßnahmen ein, das institutionell von den beschäftigungspolitischen Leitlinien getragen wurde, wobei 14 Mitgliedstaaten überprüft und länderspezifische Schlussfolgerungen gezogen wurden. Es waren nationale Vertreter der Sozialpartner anwesend, die ihre Ansichten zum aktuellen Stand einbrachten. Während die Funktionsweise des sozialen Dialogs für jedes Land unterschiedlich ist, offenbarte die Überprüfung einige Herausforderungen, vor denen mehrere der überprüften Mitgliedstaaten gleichermaßen stehen. Dazu gehören die Kapazitätsprobleme unter den Sozialpartnern und der Bedarf an berechenbareren, sinnvollen und zeitnahen Konsultationen der Sozialpartner, die verschiedene Phasen der Reformen abdecken. Die Schlussfolgerungen aus dem multilateralen Überprüfungsverfahren hatten zusammen mit den weiteren Analysen aus den Länderberichten schließlich zur Folge, dass in den länderspezifischen Empfehlungen, die im Mai 2018 von der Kommission und im Juli 2018 vom Rat angenommenen wurden, großer Wert auf die Rolle des sozialen Dialogs gelegt wurde. Für zwei Mitgliedstaaten (Ungarn und Rumänien) wird im Rahmen der Empfehlungen ausdrücklich eine Verbesserung des sozialen Dialogs gefordert, während bei mehreren anderen Mitgliedstaaten in den Erwägungen erneut auf die Rolle der Sozialpartner sowie in einigen Fällen auf die vorhandenen Herausforderungen hingewiesen wird. Bisweilen besteht Verbesserungspotenzial hinsichtlich der Kapazitäten der Sozialpartner und des Rahmens für eine verlässliche und zeitnahe Konsultation zur Politikgestaltung und insbesondere zu Reformen, u. a. in allen wesentlichen Phasen des Europäischen Semesters.

Die Konsultationen von zivilgesellschaftlichen Organisationen spielt ebenfalls eine wichtige Rolle, damit Reformen ausgearbeitet und wirksam umgesetzt werden. Wie in den überarbeiteten beschäftigungspolitischen Leitlinien hervorgehoben, die im Juli 2018 beschlossen wurden, sollten die Mitgliedstaaten soweit relevant die Erfahrung der zivilgesellschaftlichen Organisationen in beschäftigungs- und sozialpolitischen Fragen berücksichtigten sowie auf bestehenden nationalen Praktiken aufbauen. Damit ihre Beteiligung bei der Ermittlung von politischen Herausforderungen und Rechtsmitteln erfolgreich verläuft, ist es wichtig, dass der Dialog durch die Grundsätze der Offenheit, des Pluralismus und der Transparenz geprägt ist. Vorläufige Anhaltspunkte 82 deuten darauf hin, dass sich das Ausmaß der Einbindung der zivilgesellschaftlichen Interessenträger zwischen den Mitgliedstaaten erheblich voneinander unterscheidet, sowohl in Bezug auf das Europäische Semester als auch im Allgemeinen hinsichtlich der Konsultation zu geplanten Reformen. Die Konsultation der Interessenträger kann in Ländern, in denen die Zivilgesellschaft weniger gut organisiert ist, eine Herausforderung darstellen: Insbesondere können unzureichende Kapazitäten für die aktive Beteiligung an der politischen Debatte in einigen Mitgliedstaaten ein Problem sein.

3.3.2    Die Antwort der Politik 

In einigen Mitgliedstaaten finden Reformen im Bereich der Rechtsvorschriften zur Sicherung des Arbeitsplatzes statt, die darauf abzielen, eine bessere Ausgewogenheit zwischen Flexibilität und Sicherheit zu erreichen und eine Segmentierung zu vermeiden. Frankreich führte im Januar 2018 im Rahmen einer allgemeineren Reform des Arbeitsrechts einen verbindlichen, auf der Dauer der Betriebszugehörigkeit und dem Alter basierten Bezug zur Entschädigung von Arbeitnehmern im Falle einer unrechtmäßigen Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen ein, mit dem die Kohärenz der Beträge in ähnlichen Fällen erhöht und die Lösung von Streitfällen in der Schlichtungsphase erleichtert werden sollen. Als Kompensation wird das Entlassungsgeld im Falle einer wirtschaftlich gerechtfertigten Kündigung um 25 % angehoben. Zusätzlich können Unternehmen über einen Mehrheitsbeschluss das sogenannte „Rupture Conventionnelle Collective“ umsetzen, d. h. ein gemeinsam vereinbartes Kündigungsverfahren, für das der Arbeitnehmer nach Verhandlungen mit der Gewerkschaft im Gegenzug eine Entschädigung erhält, die nicht geringer ausfallen darf als das individuelle Entlassungsgeld. Die Anwendung dieses Mechanismus muss von den staatlichen Behörden geprüft werden, vor allem um einen Missbrauch zu verhindern. Die Zeitspanne für eine Klageerhebung, um die Entlassung anzufechten (außer in Fällen der Belästigung und Diskriminierung), wurde von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzt. Darüber hinaus wurden im Dezember 2017 die Regelungen für Tarifverhandlungen überprüft, um den Bewertungsrahmen für finanzielle Schwierigkeiten einzuschränken, die eine Massenentlassung rechtfertigen. Diese Beurteilung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten eines Unternehmens ist jetzt auf das nationale Hoheitsgebiet beschränkt und nicht mehr global ausgerichtet, sodass den Unternehmen ein größerer Spielraum zur Rechtfertigung von Massenentlassungen bleibt. In Belgien wurden im Jahr 2018 die Kündigungsfristen für den anfänglichen Zeitraum einer neuen Beschäftigung verkürzt (von zwei Wochen auf eine Woche in den ersten drei Monaten und von vier auf drei Wochen im vierten Monat). In Kroatien wurde mit der Änderung des Arbeitsgesetzes im Jahr 2017 für den Arbeitgeber wieder die im Jahr 2014 abgeschaffte Möglichkeit eingeführt, Klage vor Gericht zu erheben, um sich über die Weigerung des Betriebsrates hinwegzusetzen, der Entlassung geschützter Arbeitnehmer (z. B. Arbeitnehmer, die Mitglied im Betriebsrat sind, Arbeitnehmer mit Behinderung, ältere Arbeitnehmer usw.) zuzustimmen. In Italien wurde die Entschädigung für Arbeitnehmer im Falle einer unlauteren Entlassung jüngst erhöht.

Einige Mitgliedstaaten planen weitere Maßnahmen in diesem Bereich, die in naher Zukunft genehmigt werden könnten. In den Niederlanden wurde der Entwurf eines umfassenden Maßnahmenpakets, in der Absicht, ein besseres Gleichgewicht bei den Arbeitsschutzgesetzen zu erzielen, im April 2018 zur öffentlichen Konsultation vorgelegt. Das Paket umfasst die Einführung eines zusätzlichen Kündigungsgrundes (der sogenannte „Akkumulationsgrund“) für Arbeitnehmer mit unbefristetem Vertrag, die Möglichkeit, die Probezeit bei unbefristeten Arbeitsverträgen von zwei auf fünf Monate zu verlängern, die Verlängerung der Laufzeit von aufeinanderfolgenden befristeten Verträgen auf drei Jahre (anstatt wie bisher zwei Jahre) sowie die Möglichkeit, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung im Hinblick auf die Art des Vertrags zu differenzieren. In Finnland bereitet die Regierung eine Änderung des Arbeitsvertragsgesetzes vor, mit dem die Kriterien für individuelle Kündigungen in Unternehmen mit höchstens zehn Arbeitnehmern vereinfacht werden sollen. Ziel ist es, die Schwelle für die Einstellung neuer Arbeitnehmer herabzusetzen. Dies würde mit der vereinfachten befristeten Einstellung von jungen Arbeitslosen unter 30 Jahren einhergehen. Der Vorschlag für einen Entwurf wurde im Sommer 2018 zwecks Stellungnahme übermittelt. Auf Grundlage der eingegangenen Anmerkungen änderte die Regierung den Geltungsbereich von Unternehmen mit 20 Arbeitnehmern auf Unternehmen mit 10 Arbeitnehmern. Die Gesetzesänderung hat bisher angesichts des breiten Spektrums der beiden Maßnahmen, das einige nicht als ausreichend zielgerichtet empfinden, gemischte Beurteilungen hervorgerufen.

In Bezug auf befristete Arbeitsverträge sind einige Mitgliedstaaten im Begriff, strengere Anforderungen für deren Anwendung festzulegen, um einen Missbrauch zu verhindern, oder mehr Freiraum für den Verhandlungsrahmen von Tarifvereinbarungen zu gewähren. In der Tschechischen Republik traten im Juli 2017 mehrere Maßnahmen in Kraft, die darauf ausgerichtet sind, den Missbrauch durch Zeitarbeitsunternehmen zu verhindern. Dazu zählen strengere Sanktionen für die verantwortlichen Vertreter von Zeitarbeitsunternehmen, die ihre Lizenz aufgrund der Verletzung ihrer Verpflichtungen verloren haben. In Slowenien sollen Änderungen am Gewerbeaufsichtsgesetz die illegale Anwendung untypischer Beschäftigungsformen verhindern, darunter die Beschäftigung auf Grundlage zivilrechtlicher Verträge, und Arbeitgeber, die Löhne nicht rechtzeitig auszahlen, mit Sanktionen belegen. Insbesondere wenn ein Inspektor festgestellt hat, dass eine Beschäftigung unrechtmäßig auf Grundlage eines zivilrechtlichen Vertrags erfolgt, wird der Arbeitgeber dazu verpflichtet, dem Arbeitnehmer innerhalb von drei Tagen einen angemessenen Arbeitsvertrag anzubieten. Frankreich hat Vereinbarungen auf Branchenebene ermöglicht, die Vorrang vor dem nationalen Arbeitsrecht haben, wenn es um die Festlegung eines Rahmens zur Anwendung eines befristeten Arbeitsvertrags geht (vgl. Kapitel 3.1). Vereinbarungen auf Unternehmensebene können ungünstiger ausfallen als Vereinbarungen auf Branchenebene, indem die Möglichkeit beseitigt wird, für Letztere „Sperrklauseln“ festzulegen. In Portugal wurde im Juni 2018 zusammen mit den Sozialpartnern ein umfassendes Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Segmentierung des Arbeitsmarktes beschlossen, das bis Ende 2018 verabschiedet werden soll. Zu den Änderungen zählen u. a.: die Herabsetzung der Höchstdauer von befristeten Arbeitsverträgen von drei auf zwei Jahre (auch bei Vertragsverlängerungen), wobei die Gesamtdauer bei Vertragsverlängerungen die ursprüngliche Vertragsdauer nicht überschreiten darf, die Herabsetzung der Höchstdauer von unbestimmten Verträgen („contratos de trabalho a termo incerto“) von sechs auf vier Jahre, die Einschränkung des Umfangs von Begründungen für die Anwendung befristeter Arbeitsverträge bei jungen Arbeitnehmern und Langzeitarbeitslosen. Gleichzeitig wird die Probezeit bei Erstverträgen sowie für neu eingestellte Langzeitarbeitslose auf 180 Tage verlängert. In der dreigliedrigen Vereinbarung wird auch die Besteuerung einer übermäßigen Fluktuation der Belegschaft gefordert, wobei der Begriff „übermäßig“ (je nach Branche) gemäß der Durchführungsverordnung und unter Beteiligung der Sozialpartner definiert werden muss. Griechenland plant schließlich, den Schutz für Arbeitskräfte, die Auftragsarbeiten durchführen, zu erhöhen. Erstmals wird ein integriertes Regelwerk eingeführt, mit dem die gegenseitige und gemeinsame Haftung des Auftraggebers, des Auftragnehmers und des Unterauftragnehmers für im Rahmen der Auftragsarbeit durchgeführte Arbeiten festgelegt wird. Dadurch werden die Rechte zum Arbeitnehmerschutz hinsichtlich der Löhne, Versicherungsbeiträge, Entlassungsentschädigungen und Entschädigungen im Falle eines Unfalls am Arbeitsplatz erweitert. In Italien wurde die Höchstdauer von befristeten Verträgen von 36 auf 24 Monate gesenkt. Die maximale Zahl der Vertragsverlängerungen wurde von fünf auf vier herabgesetzt und nach dem 12. Monat sind Vertragsverlängerungen nur noch zulässig, wenn formell neue Gründe als Rechtfertigung vorgelegt werden. Mit dem Gesetz werden auch die zusätzlichen Sozialversicherungsbeiträge um 0,5 Prozentpunkte erhöht, die die Arbeitgeber bei der Verlängerung befristeter Verträge zahlen müssen. Schließlich ist die Quote der Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen als Anteil der gesamten Arbeitnehmer von 20 % auf 30 % gestiegen, wobei diese nun auch Leiharbeitnehmer einbezieht.

Hinsichtlich neuer Beschäftigungsformen, darunter die Arbeit auf Plattformen und die Selbstständigkeit ohne abhängig Beschäftigte, werden einige Innovationen eingeführt. In Frankreich wurde die freiwillige Annahme einer Sozialcharta durch Online-Plattformen für freiberufliche Mitarbeiter eingeführt. Diese Charta sollte aus einer Reihe an Grundsätzen bestehen, die für freiberufliche Mitarbeiter gelten, welche auf Online-Plattformen angemeldet sind, darunter die Beteiligung der Plattformen an der Arbeitsunfallversicherung und die verbindliche Finanzierung von Ausbildungsmaßnahmen für freiberufliche Mitarbeiter durch die Plattformen. In Belgien wurde der Einsatz von „Flexi-Jobs“, die bereits im Horeca-Sektor bestehen, auf andere Branchen ausgeweitet, insbesondere auf den Einzelhandel. Rentner und sämtliche Arbeitnehmer, die über einen Vertrag zu mindestens vier Fünfteln einer Vollzeitbeschäftigung verfügen, können sich für einen Flexi-Job bewerben. Die Einkünfte aus einem Flexi-Job unterliegen auf Arbeitnehmerseite nicht der Besteuerung und der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen, der Arbeitgeber hingegen zahlt einen geringeren Beitrag zur Sozialversicherung. In Spanien soll mit der 2017 durchgeführten Reform des Gesetzes über Selbstständige die Arbeitsplatzqualität der selbstständig Beschäftigten verbessert werden, unter anderem auch der Sozialschutz und die Sicherheit am Arbeitsplatz. Mit den neuen Maßnahmen gilt der Pauschalbeitrag zur Sozialversicherung von 50 EUR zwölf statt bisher sechs Monate. Außerdem wird bei der Festlegung der Beträge ein höheres Maß an Flexibilität eingeführt. Durch die Reform wird eine Kompatibilität des Rentensystems mit einer freiberuflichen Tätigkeit geschaffen, die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben gefördert und der Zugang zu Fortbildungen erleichtert. In Irland werden mit dem Employment Bill 2017 einige Aspekte des aktuellen Arbeitsrechts in Bezug auf schutzbedürftige Arbeitnehmer mit niedrigen Löhnen angepasst. Zweck des Gesetzentwurfes ist es, dafür Sorge zu tragen, dass Arbeitnehmer in einer frühen Phase besser über den Charakter ihres Beschäftigungsverhältnisses und dessen wesentliche Bedingungen unterrichtet werden. Wird der Arbeitnehmer innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht durch den Arbeitgeber über diese wesentlichen Bedingungen informiert, gilt dies als ein neu aufgenommenes Vergehen. Zusätzlich sind Null-Stunden-Verträge unter den meisten Umständen verboten. Es wird eine Bestimmung zur „Stundenbündelung“ eingeführt, sodass Arbeitnehmer mit Verträgen über wenige Arbeitsstunden, die durchweg in ihren Verträgen nicht vorgesehene Überstunden leisten, Anspruch auf die Einstufung in ein Beschäftigungsverhältnis mit den entsprechenden Stunden haben, das besser der Realität entspricht. Für Arbeitnehmer, die für einen bestimmten Zeitraum an den Arbeitsplatz bestellt werden, aber tatsächlich keine Arbeit geleistet haben, wird eine höhere Mindestvergütung eingeführt. In Portugal umfasst die geplante Einführung des „Contrato Geracao“ zwei Schwerpunkte: die Einführung finanzieller Unterstützung für Unternehmen, die gleichzeitig einen jungen Arbeitslosen (oder einen jungen Menschen, der erstmals nach einer Beschäftigung sucht) und einen älteren Langzeitarbeitslosen einstellen, sowie die Förderung der Beschäftigung junger Menschen in Verbindung mit der Altersteilzeitarbeit eines älteren Arbeitnehmers.

Einige Mitgliedstaaten haben Maßnahmen im Bereich der Arbeitszeitgestaltung ergriffen, nicht immer mit Blick auf eine größere Flexibilität. In Belgien wurden im Jahr 2017 einige Verpflichtungen in Bezug auf die Teilzeitbeschäftigung modernisiert und vereinfacht, insbesondere um die Formalitäten bei der Festlegung von festen oder variablen Arbeitszeitplänen sowie bei der Meldung und Überwachung von Abweichungen zu reduzieren. Zusätzlich gilt seit Februar 2018 der Rechtsrahmen für das „Ansparen von Urlaubsansprüchen“. Vorausgesetzt es besteht auf Branchen- oder Unternehmensebene eine entsprechende Vereinbarung, können Arbeitnehmer Teile ihres Urlaubsanspruchs aufsparen und zu einem späteren Zeitpunkt nutzen. Schließlich wurde das Verfahren zur Einführung von Nacht- und Sonntagsarbeit im Zusammenhang mit dem elektronischen Handel vereinfacht. In Frankreich wurde der Geltungsbereich der accords de competitivité (Vereinbarungen im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit) erweitert (vgl. Kapitel 3.1). Als Bestandteil der dreigliedrigen Vereinbarung mit den Sozialpartnern zur Reform des Arbeitsrechts plant Portugal die Abschaffung der individuellen sowie der kollektiven „Stundenkontingente“, die auf individuellen Vereinbarungen beruhen. Die Vereinbarungen, die bereits in Kraft getreten sind, laufen spätestens ein Jahr nach Umsetzung der neuen Regelungen aus. Die neuen Vereinbarungen werden im Rahmen der Tarifverhandlungen oder als Konzernvereinbarungen getroffen, die nach Konsultation des Arbeitnehmers erzielt werden. Die Maßnahme sieht Grenzwerte für die täglichen Arbeitsstunden, Quoten für die Bewilligung durch die Arbeitnehmer und die Anwendung der vorteilhaftesten Grundsätze der Behandlung vor.

Mehrere Mitgliedstaaten haben Maßnahmen beschlossen, um nicht angemeldete Erwerbstätigkeiten zu unterbinden, die Sicherheit am Arbeitsplatz zu verbessern und/oder die Gewerbeaufsichtsämter zu stärken. In Bulgarien regelt das geänderte Gesetz über das öffentliche Beschaffungswesen seit Ende 2017 den Ausschluss eines Teilnehmers von einem öffentlichen Vergabeverfahren, wenn im Zeitraum der letzten drei Jahre eine Strafe für nicht angemeldete Erwerbstätigkeiten verhängt wurde. Diese Anforderung gilt auch für Unterauftragnehmer, also hauptsächlich Klein- und Kleinstunternehmen (häufig im Baugewerbe). Es werden auch Informationskampagnen durchgeführt, um Risikogruppen auf die Nachteile im Zusammenhang mit Lohntüten aufmerksam zu machen, insbesondere in Bezug auf geringere Sozialversicherungsbeiträge. Griechenland schloss im Jahr 2018 den automatischen Informationsaustausch zwischen den Datenbanken verschiedener Ministerien und Einrichtungen des Arbeitsmarktes sowie der Polizei ab. Außerdem wurden die Regelungen für Sanktionen überarbeitet, die gegen Arbeitgeber verhängt werden, die einen freiberuflichen Mitarbeiter nicht anmelden. Stellt der Arbeitgeber den nicht angemeldeten Arbeitnehmer innerhalb von zehn Tagen nach der Inspektion mit einem Vollzeitvertrag an, fallen die Sanktionen wesentlich milder aus. In Spanien soll der strategische Plan 2018–2020, der mit den autonomen Kommunen sowie in Abstimmung mit den Sozialpartnern vereinbart wurde, die Kapazitäten der Gewerbeaufsichtsämter stärken und ihren Maßnahmen auf konkrete und messbare Weise Struktur verleihen. Beachtung finden auch die Herausforderungen, die sich aus den neuen Beschäftigungsformen, Arbeitsbedingungen und der Nichtdiskriminierung am Arbeitsplatz ergeben. Durch eine Änderung des Gesetzes über Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, das im Mai 2018 verabschiedet wurde, wird in Estland der Schutz vor Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz verbessert und sichergestellt, dass die Sicherheitsanweisungen und die Bereitstellung von Erste-Hilfe-Schulungen an die Eigenheiten des Unternehmens angepasst sind. Wie oben erwähnt ergreift Slowenien Maßnahmen, um die illegale Anwendung untypischer Beschäftigungsformen zu unterbinden. Zusätzlich erhält das Gewerbeaufsichtsamt weitere Befugnisse, um Fälle zu untersuchen, in denen Löhne nicht ausbezahlt werden (einer der häufigsten Verstöße seit 2009). In Zypern wird eine Überprüfung des Systems zur Arbeitsaufsicht gefördert, um dessen Wirksamkeit und Effizienz bei der Bekämpfung nicht angemeldeter Erwerbstätigkeiten zu verbessern. Dies würde auch höhere Strafen und die Einführung einer elektronischen Anmeldung bei Aufnahme einer Beschäftigung umfassen. Zusätzlich wurde ein neuer Gesetzentwurf zur Genehmigung in den nächsten Monaten vorgelegt, der die Einrichtung eines zentralen Gewerbeaufsichtsamtes vorsieht. In Portugal dauert das Einstellungsverfahren für Arbeitsaufsichtsbeamte und die Eröffnung neuer Bewerbungsrunden an. Darüber hinaus plant Portugal, die Höchstdauer von sehr kurz befristeten Arbeitsverträgen von 15 auf 35 Tage anzuheben (mit einer maximalen jährlichen Beschäftigungszeit von 70 Tagen beim gleichen Arbeitgeber), um nicht oder unzulänglich angemeldeten Erwerbstätigkeiten entgegenzuwirken. Die Transparenz bei der Inanspruchnahme von Leiharbeit wird verstärkt und der Arbeitnehmer muss über die Gründe für die Beendigung eines Vertrags zwischen dem entleihenden Unternehmen und dem Leiharbeitsunternehmen unterrichtet werden.

Trotz der anhaltenden Probleme haben die Mitgliedstaaten relativ wenige politische Maßnahmen ergriffen, um ihre Systeme der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu stärken. Griechenland setzt ein neues System der aktiven Arbeitsmarktpolitik um, mit dem die Wirksamkeit der Aktivierungsmaßnahmen über eine verbesserte Profilerstellung und Tätigkeiten, die Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt in Einklang bringen, erhöht werden soll. Eine gezieltere Ausrichtung der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen bleibt für das Erreichen besserer Ergebnisse dieser Reformen unabdingbar. Bisher wurde bei einem Amt für Beschäftigungsfragen ein Pilotprojekt für über 2000 Arbeitslose auf den Weg gebracht. Zypern hat die Pilotphase eines neu entwickelten Überwachungs- und Bewertungssystems für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen eingeleitet, mit dem die Wirksamkeit der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen verbessert werden kann. So können politische Entscheidungsträger laufende Arbeitsmarktprogramme besser gestalten und überarbeiten. In Spanien wurde ein allgemeiner strategischer Rahmen zur Koordinierung des nationalen Beschäftigungssystems entwickelt. Damit wird der organisatorische Rahmen für alle Maßnahmen festgelegt, die von 2017 bis 2020 als Teil des nationalen spanischen Beschäftigungssystems umgesetzt werden. Außerdem dient dieser als Grundlage für die Gestaltung und Verwaltung der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen und vieler weiterer Strategien der regionalen öffentlichen Arbeitsverwaltungen sowie als Rahmenwerk für die Definition von Grundsätzen, Zielen, Instrumenten und finanziellen Mitteln.

Die Mitgliedstaaten geben der Bereitstellung von individuelleren Leistungen weiterhin den Vorzug. Estland erweitert den Geltungsbereich der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf bestimmte Beschäftigte, um der Arbeitslosigkeit vorzubeugen. Zur Zielgruppe gehören Personen mit Dienstleistungsverträgen oder Ermächtigungsvereinbarungen und Personen, die den nationalen Durchschnittslohn beziehen. Ein stabiles Niveau der Ausgaben der öffentlichen Arbeitsverwaltungen für aktive arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie personelle Ressourcen soll zur Bewältigung anhaltender Herausforderungen dienen. Ungarn hat weitere Schritte unternommen, um Problempunkte des Programms für gemeinnützige Arbeiten zu meistern, indem Maßnahmen umgesetzt werden, die den Übergang aus diesen Programmen auf den primären Arbeitsmarkt erleichtern. Ein Arbeitsbeschaffungsprogramm klassifiziert die Beschäftigung einer Person für gemeinnützige Arbeiten als eine Kategorie der primären Unterstützung. Zwei andere Programme bieten hingegen entweder Einstellungsanreize oder -prämien oder Mentoring für Personen, die aus einem Programm für gemeinnützige Arbeiten kommen, damit sie auf dem primären Arbeitsmarkt leichter Fuß fassen können.

Vorhaben zur Verbesserung der Weiterbildungskomponenten der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen werden ebenfalls weiter gefördert. In Kroatien wurde ein Paket mit neun aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen verabschiedet. Bei dem neuen Paket liegt der Schwerpunkt vermehrt auf der Ausbildung und der beruflichen Weiterbildung, insbesondere für Jugendliche, ältere Arbeitnehmer und Langzeitarbeitslose. Zuschüsse für Selbstständige werden ebenfalls weiter angekurbelt. Zusätzlich erhalten Arbeitgeber Zuschüsse, um die Einstellung von Arbeitskräften aus der Altersgruppe der über 50-Jährigen zu fördern. Frankreich investiert im Rahmen des Plan d’Investissement dans les compétences weiterhin in die berufliche Ausbildung und in Praktika (Plan „In Kompetenzen investieren“, vgl. Kapitel 3.2). Ziel ist die Bereitstellung einer qualifizierenden Ausbildung für 1 Million Arbeitslose mit geringer Qualifikation und 800 000 junge NEET, zum Teil über die Vorbereitung durch ein Praktikum.

Die öffentlichen Arbeitsverwaltungen (ÖAV) halten sich an ihre Reformpläne, mit denen die institutionellen Kapazitäten zu einer Zeit der abnehmenden Arbeitslosigkeit erhöht werden sollen. Sie profitieren daher zunehmend von ihrer Beteiligung am Projekt „Benchlearning“, das im Rahmen des Europäischen Netzwerks der öffentlichen Arbeitsverwaltungen durchgeführt wird. Seit 2015 unterstützt das Projekt die ÖAV bei der Entwicklung eines Bewusstseins für Stärken sowie für Bereiche, in denen weitere Verbesserungen erforderlich sind, um ihren Kunden bessere Leistungen bieten zu können. Da die Zahl der gemeldeten Arbeitssuchenden in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, sind die öffentlichen Arbeitsverwaltungen dazu aufgerufen, ihre Ressourcen gemäß den Bedürfnissen der Kunden strategisch umzuverteilen. Bestimmte Zielgruppen wie die Langzeitarbeitslosen und eine zunehmende Anzahl an älteren Arbeitnehmern benötigen weiterhin intensive Unterstützung, zumal die meisten ÖAV mit einem alternden Kundenstamm konfrontiert sind. Litauen passt die Arbeit der ÖAV an und optimiert die Ressourcen, um die Zusammenarbeit mit den Kunden zu verbessern und die Arbeitsbelastung von über 400 Fällen pro Sachbearbeiter auf weniger als 300 Fälle zu reduzieren. In Zypern steht die Stärkung und Modernisierung der ÖAV von 2014 bis 2020 auf dem Plan. Umgesetzt werden sollen Reformmaßnahmen zur Stärkung der Vermittlungsstellen. Jüngst wurden zusätzlich 20 Berater eingestellt, damit das gegenwärtige Mandat, nämlich die Umsetzung der Jugendgarantie und der Empfehlungen des Rates zur Integration der Langzeitarbeitslosen am Arbeitsmarkt, wirksamer und effizienter erfüllt werden kann. Zu weiteren Maßnahmen gehören die Ausbildung von Berufsberatern und Sachbearbeitern, der Ausbau des Systems zur Vermittlung von Bewerbern und die Erstellung einer IKT-Plattform sowie die Verbesserung der Leistungen für Arbeitssuchende und Arbeitgeber. Spanien hat Schritte unternommen, um im Jahr 2018 die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst zu verbessern. Das Ministerium und die Sozialpartner unterzeichneten ein Dokument, das sie verpflichtet, Maßnahmen für Beamte zu fördern, damit diese ihre Kaufkraft zurückerlangen und ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Diese Maßnahme geht einer Vereinbarung im April 2017 zur Reduzierung des Gesamtanteils an befristeten Arbeitsverträgen im öffentlichen Sektor auf 8 % im Jahr 2020 voraus, indem unbefristete Stellen (etwa 250 000) ausgeschrieben werden. In Griechenland hat sich der Prozess der Umgestaltung der ÖAV in den Jahren 2017 und 2018 fortgesetzt, dessen Ziel die Verbesserung der Funktionsweise dieser Stellen ist. Im Herbst 2017 wurde als Pilotprojekt eine neue Methodik zur Profilerstellung eingeführt, die ab 2018 flächendeckend zur Anwendung kommen soll. Ein neues Werkzeug zur Kompetenzbewertung befindet sich in der Entwicklung. Die Einstellung zusätzlicher Berufsberater, die im ersten Halbjahr 2018 begann, sollte bis Ende 2018 nahezu zu einer Verdoppelung der Arbeitskräfte in diesem Bereich führen. Schließlich hat Österreich Schritte unternommen, um die Verwaltung der ÖAV zu überprüfen und wirksamer zu gestalten, insbesondere indem sämtliche Instrumente der ÖAV, die zur effizienten und wirksamen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt dienen, einer Überprüfung unterzogen und überarbeitet werden. Die aufgabenspezifische Ausbildung und Qualifizierung in Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern erhält in Verbindung mit erhöhten Beschäftigungsanreizen den Vorzug.

Die ÖAV sind aufgefordert, ihre Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern und lokalen Behörden zu intensivieren, um die Anforderungen der angespannteren Arbeitsmärkte besser zu erfüllen. Aus diesem Grund entwickeln die ÖAV umfassende Strategien zur Einbindung der Arbeitgeber, mit denen unterschiedliche Konzepte im Hinblick auf die Segmentierung der Arbeitgeber und die Organisation von arbeitgeberseitigen Leistungen festgelegt werden. Die meisten öffentlichen Arbeitsverwaltungen haben eine zentrale Ebene zur Koordinierung der arbeitgeberseitigen Leistungen eingerichtet, bieten aber auch an Arbeitgeber gerichtete Dienstleistungen auf regionaler und lokaler Ebene an. Darüber hinaus sollten die ÖAV gemeinsame Mindeststandards für die Erbringung von Dienstleistungen für Arbeitgeber definieren, unter anderem die Messung der Zufriedenheit. In Italien und Spanien fördern die zentralen ÖAV, also ANPAL bzw. SEPE, die gegenseitigen Lernangebote unter den Regionen, damit ein Austausch bewährter Verfahren stattfindet, der eine Verbesserung der Dienstleistungen für die Arbeitgeber ermöglicht. In Litauen plant die ÖAV, ein Modell zur Zusammenarbeit der kommunalen ÖAV für die gemeinsame Bereitstellung von Maßnahmen zur Aktivierung der Sozialhilfeempfänger zu erstellen. Dieses Modell muss durch einen Umsetzungsplan ergänzt werden.

Die Mitgliedstaaten setzen weiterhin die Empfehlungen des Rates zur Langzeitarbeitslosigkeit um. 83 Im Rahmen einer Selbstbeurteilung der Mitgliedstaaten im Jahr 2018 zeigte sich im Vergleich zu 2016 allgemein ein Anstieg der Ergebnisse um 15 %, wobei in den Mitgliedstaaten mit den am wenigsten fortschrittlichen Systemen wichtige Fortschritte erzielt wurden. Konkret bedeutet dies, dass die Länder verschiedene Ansätze und Anreize beschlossen haben, damit Betroffene sich eher als arbeitslos melden. Am wirksamsten sind die Konzepte, bei denen die Meldung mit dem Anspruch auf eine gewisse Art von Arbeitslosengeld oder Leistung einhergeht. Bei der Aufklärung der Nichterwerbstätigen besteht jedoch in mehreren Mitgliedstaaten (z. B. Bulgarien, Estland und Rumänien) noch immer Spielraum für Verbesserungen. Außerdem gibt es verschiedene Ansätze zur Bereitstellung einer zentralen Anlaufstelle für Leistungen: Einige Länder haben versucht, sämtliche Dienstleistungen zusammenzuführen (z. B. Finnland, Deutschland und Irland), andere haben eine einzige Anlaufstelle, bei der verschiedene Einrichtungen oder Behörden zusammenlaufen (z. B. Zypern und die Niederlande). Die wirksame Koordinierung der Sozial- und Beschäftigungsbehörden sowie der Arbeitsverwaltungen stellt in vielen Mitgliedstaaten (z. B. Kroatien, Griechenland, Ungarn, Lettland, Rumänien und Spanien) noch immer eine Herausforderung dar und wird durch datenschutz- und ressourcenbezogene Herausforderungen häufig noch komplizierter. Obwohl Maßnahmen vorgesehen sind, um diese Situation zu verbessern, muss die Umsetzung vor Ort erst noch angestoßen werden. In fast allen Mitgliedstaaten sind zwar in der ein oder anderen Form Wiedereingliederungsvereinbarungen vorhanden, aber gewisse Bestandteile fehlen, insbesondere die ggf. erforderliche eingehende (Neu-)Beurteilung. Einige Mitgliedstaaten (z. B. die Tschechische Republik, Griechenland und die Slowakei) haben noch immer keine Umstellung auf ein zielgerichteteres und individualisiertes Konzept der Fallbearbeitung vorgenommen, das auf die Langzeitarbeitslosen ausgerichtet ist. Unter dem Stichwort Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern werden viele verschiedene Maßnahmen durchgeführt. Im Allgemeinen sind Vereinbarungen mit den Sozialpartnern vorhanden, aber diese haben auf lokaler Ebene nicht immer die gewünschte Wirkung. Einige Mitgliedstaaten (z. B. Griechenland, Portugal, Slowenien und Schweden) setzen das ÖAV-Personal gezielt für die Zusammenarbeit mit den Arbeitgebern ein, was ein guter Ansatz zu sein scheint. Dennoch sind in manchen Mitgliedstaaten (z. B. Kroatien, Frankreich und Italien) Verbesserungen in Form von strategischeren Partnerschaften und Konzepten erforderlich.

Die Mitgliedstaaten bieten Langzeitarbeitslosen individuellere Unterstützung und besser integrierte Dienstleistungen. In Bulgarien werden zwischen den Langzeitarbeitslosen und dem Arbeitsamt nun Wiedereingliederungsvereinbarungen geschlossen, die Vorschläge für bestimmte Leistungsangebote und Verweise auf Leistungen anderer Einrichtungen enthalten. Seit Januar 2018 bieten mobile gemeinsame Teams von Familien- und Berufsberatern der Arbeitsagentur und der Agentur für Sozialhilfe umfassende und integrierte Dienstleistungen für Arbeitslose in entlegenen Gebieten an. In Rumänien ist ein Pilotprojekt im Gange, das zur Zusammenstellung integrierter Teams dient, um mehrere Herausforderungen gleichzeitig anzugehen: auf sozialer, bildungsbezogener und medizinischer Ebene, auch in Zusammenarbeit mit den ÖAV. Es dient in 139 der am meisten benachteiligten Kommunen, die auf Grundlage der Armutskarte und den von der Regierung beschlossenen Kriterien ausgewählt wurden, als Pilotprojekt für dieses Konzept. Zu einem späteren Zeitpunkt ist eine Erweiterung des Projekts vorgesehen. Slowenien verabschiedete für 2017–2020 ein Programm zur sozialen Aktivierung, das die soziale Inklusion und die Eingliederung in den Arbeitsmarkt der 12 500 am schwersten zu vermittelnden und gefährdeten Personen fördern soll. Ziel ist es, diesen Personen Kompetenzen zu vermitteln, die ihnen eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt erleichtern. In Irland unterstützt das freiwillige Programm YESS („Youth Employment Support Scheme“) junge Arbeitssuchende, die langzeitarbeitslos sind oder große Probleme bei der Suche nach einem Arbeitsplatz haben. YESS soll die Möglichkeit bieten, grundlegende Arbeitskompetenzen und soziale Fähigkeiten in einem förderlichen Umfeld zu erwerben und gleichzeitig einem Berufspraktikum nachzugehen. Die Dauer des Praktikums beträgt in der Regel drei Monate, obwohl auch die Option besteht, dieses nach Prüfung der Fortschritte durch einen zuständigen Sachbearbeiter auf sechs oder neun Monate zu verlängern.

Zuschüsse und Anreize sind zu einer üblichen politischen Maßnahme zur Eingliederung der Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt geworden. Zypern hat ein Programm auf den Weg gebracht, das Anreize für die Einstellung von Arbeitslosen im privaten Sektor bietet. Der Zuschuss wird nur für die ersten sechs Monate der Beschäftigung gewährt. Von diesem Programm profitierten 946 Unternehmen und etwa 2 472 Teilnehmer fanden einen Arbeitsplatz. In Luxemburg sollen neue Maßnahmen dazu dienen, bezuschusste neue Arbeitsplätze für Langzeitarbeitslose zu schaffen, die den neuen Bedarf der Arbeitgeber decken und auf 30 oder mehr Langzeitarbeitslose ausgerichtet sind. Das Konzept umfasst außerdem eine besondere Regelung für Personen über 50 Jahren, die eine vollständige Rückvergütung der Lohnkosten bis zum Renteneintritt ermöglicht. Andererseits hat Frankreich angesichts der sich verbessernden Lage am Arbeitsmarkt den Umfang seines Programms zur Bezuschussung von Beschäftigungsverhältnissen zurückgefahren (vgl. auch Abschnitt 3.1.2). In Österreich wurden Maßnahmen ergriffen, mit denen die Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft werden soll, indem die Sanktionen verschärft, die Anforderungen an Arbeitslose, ein Stellenangebot selbst bei weiteren Pendelentfernungen von bis zu 2,5 Stunden pro Tag anzunehmen, erweitert sowie Arbeitslosengeld und Sozialhilfeleistungen zusammengelegt werden. Im Allgemeinen besteht das Ziel darin, stärkere Anreize für Arbeitslose zu schaffen, ein Stellenangebot anzunehmen, die Arbeitslosigkeit zu verringern und die Wirksamkeit der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu steigern. Schweden führte „Einstiegsbeschäftigungen“ ein, die auf Langzeitarbeitslose oder neu angekommene Zuwanderer ausgerichtet sind und flexibel mit Aus- und Weiterbildung kombiniert werden können. Die Lohnzuschüsse für Einstiegsbeschäftigungen sind auf ein Bruttogehalt von 20 000 SEK pro Monat (etwa 1 950 EUR) und maximal 80 % begrenzt. Die Zuschüsse in Slowenien sind auf die unbefristete Beschäftigung von Personen über 58 Jahren ausgerichtet, bis diese die Voraussetzungen für den Renteneintritt erfüllen. Eine vorrangige Eingliederung ist für die Empfänger der Arbeitslosenhilfe und sonstiger sozialer Geldleistungen vorgesehen. Der Zuschuss beläuft sich auf 11 000 EUR und wird in zwei Teilen (zur Hälfte bei der Einstellung und zur Hälfte nach dem 18. Monatsgehalt) an den Arbeitgeber ausgezahlt.

Die Zusammenarbeit mit dem privaten Sektor zur Erleichterung des Übergangs auf den primären Arbeitsmarkt wird fortgesetzt. In Schweden werden Eintrittsvereinbarungen getestet, die es Langzeitarbeitslosen, insbesondere im Ausland geborenen Frauen, ermöglichen, eine Beschäftigung bei einem Arbeitgeber aufzunehmen, für den ein Tarifvertrag zu Eintrittsvereinbarungen besteht. Diese Vereinbarungen beruhen auf einem Antragsformular der Sozialpartner und sollen zum Aufbau eines neuen Modells dienen, mit dem mehr Menschen an den Arbeitsmarkt herangeführt werden und das künftige Qualifikationsangebot für Arbeitgeber erweitert wird, auch über Schwedischunterricht und sonstige kurzfristige Schulungsprogramme. In Malta wird das gemeinschaftliche Beschäftigungsprogramm, über das Langzeitarbeitslose zu einer Beschäftigung finden, überarbeitet, damit die Personen, bei denen die Gefahr der Abkehr vom Arbeitsmarkt besteht, formell beschäftigt und erwerbstätig sind.

Die jüngsten Reformen auf dem Gebiet des Arbeitslosengeldes lagen schwerpunktmäßig auf der Stärkung der Aktivierungsanforderungen. In Finnland haben Arbeitssuchende ohne Beschäftigung seit Januar 2018 nur Anspruch auf den vollständigen Betrag des Arbeitslosengeldes, wenn sie über ein Einkommen für bezahlte Arbeit verfügen oder an Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsaussichten teilnehmen, wobei gewisse Grenzwerte bestehen. Falls ein Arbeitssuchender im 65 Tage dauernden Kontrollzeitraum nicht die erforderliche Aktivität nachweisen kann, wird das Arbeitslosengeld für die nächsten 65 Tage um 4,65 % gekürzt. Außerdem arbeitet die Regierung an Rechtsvorschriften, die vorsehen, dass sich Arbeitssuchende ohne Beschäftigung auf eine Stelle pro Woche bewerben oder eine Kürzung ihres Arbeitslosengeldes in Kauf nehmen müssen. Der Vorschlag liegt derzeit den Sozialpartnern zur Konsultation vor, aber sowohl die Arbeitnehmer- als auch die Arbeitgeberseite haben Bedenken geäußert, weil dies dazu führen könnte, dass der Arbeitnehmer Bewerbungen ohne die Absicht erstellt, eingestellt zu werden. In Slowenien sind entlassene Arbeitnehmer seit Oktober 2017 dazu verpflichtet, sich bereits im Falle einer Kündigung des Arbeitsvertrags aus wirtschaftlichen Gründen oder Gründen unzulänglicher fachlicher Leistungen im Zeitraum der Kündigungsfrist bei der Arbeitsverwaltung zu melden. Eine Unterlassung hat ein geringeres Arbeitslosengeld (60 % anstatt von 80 %) im Vergleich zum Referenzgehalt in den ersten drei Monaten der Arbeitslosigkeit zur Folge. Zusätzlich dürfen gering qualifizierte Personen, für deren Berufsgruppen kein hoher Bedarf besteht, 20 % ihres Arbeitslosengeldes für maximal 12 Monate weiter beziehen, wenn sie eine Beschäftigung finden. Frankreich wird gemäß dem Gesetz „Liberté de Choisir son Avenir Professionnel“ („Freie Entscheidung über die berufliche Zukunft“) eine strengere Kontrolle der Arbeitsplatzsuche durchführen, die durch eine vermehrte, individuell zugeschnittene Begleitung der Arbeitssuchenden ausgeglichen wird. Die Berufsverbände sind aufgerufen, Vereinbarungen auszuhandeln, um nachhaltigere Beschäftigungsformen zu fördern, aber falls die Tarifverhandlungen scheitern, kann der Staat eingreifen. Personen, die Arbeitslosengeld beziehen, dürfen unter restriktiveren Bedingungen auch einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. Das Arbeitslosengeld, das bisher ausschließlich über die Sozialversicherungsbeiträge finanziert wurde, wird darüber hinaus durch eine Erhöhung der allgemeineren Sozialabgabe – der „CSG – Contribution sociale généralisée“ - ergänzt. Ab 1. Januar 2019 werden von der Regierung Verhandlungen zur Arbeitslosenversicherung geführt, bei denen der allgemein einzuhaltende Finanzrahmen und die zu erreichenden Ziele festgelegt werden. Der Zugang zu Leistungen wird unter bestimmten Voraussetzungen auch freiberuflichen Mitarbeitern und solchen Arbeitnehmern gewährt, die selbst eine Kündigung einreichen. Spanien plant die Einführung eines „universellen Sozialversicherungsausweises“, der zur Erfassung von Informationen über von allen Einzelpersonen bezogene Sozialleistungen sowie möglicher Situationen dienen soll, die den Anspruch auf Sozialleistungen rechtfertigen (z. B. Abhängigkeit, Behinderung, Arbeitslosigkeit oder kinderreiche Familien). Damit sollen die Koordinierung zwischen den Verwaltungsbehörden verbessert, die Wirksamkeit der Sozialleistungen erhöht und letztlich schwierige Lagen leichter erkannt werden. Die Gestaltung und Entwicklung des Systems rund um den universellen Sozialversicherungsausweis wurde Ende 2017 abgeschlossen, und das System soll voraussichtlich im vierten Quartal 2018 genehmigt werden.

Als Bestandteil der laufenden Reformen wurden die Bedingungen für die Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld in einigen Fällen geändert und fallen nun häufig strenger aus. Bulgarien hat im Jahr 2018 den Mindestbetrag für das Arbeitslosengeld von 7,20 BGN (etwa 3,70 EUR) auf 9 BGN (4,60 EUR) pro Tag erhöht, wobei der Höchstbetrag bei 74,30 BGN (38 EUR) liegt. Gleichzeitig wurden die Berechtigungsanforderungen verschärft: Die versicherte Person muss in den letzten 18 Monaten mindestens 15 Monate beschäftigt gewesen sein und nicht wie bisher 9 Monate in den letzten 15 Monaten. Diese Verschärfung betrifft voraussichtlich jüngere Arbeitnehmer und Personen, die mit höherer Wahrscheinlichkeit Beschäftigungsverhältnisse mit Unterbrechungen hatten, insbesondere Saisonarbeitnehmer und Arbeitnehmer mit unsicheren Arbeitsplätzen. Portugal hat einen anderen Weg eingeschlagen und den garantierten Zeitraum für den Zugang zum erstmaligen Bezug von Arbeitslosengeld bei Auslaufen eines befristeten Vertrags von 180 auf 120 Tage herabgesetzt. In Österreich ist ein Maßnahmenpaket zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit geplant. Dabei werden die Regelungen in Bezug auf die Mobilität der Empfänger von Arbeitslosengeld (Annahme von Stellenangeboten auch bei einer längeren Pendelentfernung von bis zu 2,5 Stunden pro Tag) verschärft, die Verlängerung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld aus Krankheitsgründen (außer bei einem stationären Aufenthalt) abgeschafft und die Dauer einer geringfügigen Beschäftigung während des Bezugs von Arbeitslosengeld eingeschränkt. Im Allgemeinen besteht das Ziel darin, stärkere Anreize für Arbeitslose zu schaffen, ein Stellenangebot anzunehmen, die Arbeitslosigkeit zu verringern und die Wirksamkeit der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu steigern.

Einige Mitgliedstaaten haben Maßnahmen ergriffen, um die (interne und externe) Mobilität der Arbeitnehmer und Lernenden zu fördern, wobei die Beschäftigungsfähigkeit erhöht und der Aufbau von Kompetenzen verbessert werden soll, und/oder in Branchen mit Arbeitskräftemangel ausländische Arbeitnehmer zu gewinnen. Im Jahr 2018 hat Finnland Maßnahmen eingeführt, um die regionale Mobilität und das Pendeln von Arbeitssuchenden ohne Beschäftigung zu fördern, unter anderem über die Bereitstellung von Mobilitätszulagen, die jetzt auch für Teilzeitbeschäftigte mit weniger als 18 Arbeitsstunden pro Woche und beschäftigungsbezogene Fortbildungsmaßnahmen verfügbar sind, und von gezielten Informationen zur wirtschaftlichen Unterstützung der Mobilität. Eine höhere Mobilitätszulage kann im Fall übermäßig langer Pendelentfernungen gewährt werden. Die Sozialpartner wurden zu der Reform konsultiert. In Lettland wurden die Mobilitätsfördermaßnahmen für Arbeitslose im Jahr 2018 auf die Hauptstadt Riga ausgeweitet, die bisher davon ausgenommen war. Über die Maßnahme wird die regionale Mobilität der Personen finanziert, die ein Stellenangebot in anderen Regionen annehmen, aber auch von Personen, die für einige der aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen angemeldet sind, darunter die Jugendgarantie, bezuschusste Beschäftigungen und berufsbildende Fortbildungsmaßnahmen. Im Dezember 2017 wurden Fördermaßnahmen auf den Weg gebracht, um Ärzte sowie Gesundheits- und Krankenpfleger für Beschäftigungen in Regionen außerhalb von Riga zu gewinnen. Außerdem wurde in Lettland eine Liste mit 237 hochqualifizierten Berufsgruppen genehmigt, bei denen derzeit ein erheblicher Arbeitskräftemangel besteht und für die Drittstaatsangehörige gewonnen werden könnten. Für Arbeitnehmer, die in solchen Fällen eine Blaue Karte EU erhalten möchten, kommen einige Präferenzbedingungen zur Anwendung. In Polen wird die Einrichtung der nationalen Agentur für den akademischen Austausch im Jahr 2017 voraussichtlich die Internationalisierung der polnischen Universitäten durch die qualitätsorientierte Förderung der akademischen Mobilität erleichtern. In Bulgarien wurde ein vereinfachtes Verfahren zur Genehmigung der Blauen Karte für Drittstaatsangehörige beschlossen, um den ermittelten Mangel an qualifizierten Fachkräften im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, an Ingenieuren in der industriellen Fertigung und in sonstigen relevanten Bereichen zu überwinden. Die Änderungen ermöglichen außerdem die Ausstellung der Blauen Karte für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren. Bisher belief sich dieser Zeitraum auf ein Jahr. In Estland sind hochqualifizierte Fachkräfte dank einer Änderung des Ausländergesetzes von der Einwanderungsquote ausgenommen, und die maximale Dauer für kurzfristige Beschäftigungsverhältnisse wurde auf 12 Monate erweitert, die Einwanderungsquote jedoch blieb unverändert.

Die Einbeziehung der nationalen Sozialpartner in die Gestaltung und Umsetzung von Reformen und politischen Maßnahmen in den Bereichen Beschäftigung und Soziales ist von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich. Die Qualität und die Form dieser Beteiligung schlägt sich in der Vielfalt der nationalen institutionellen Rahmenwerke und Praktiken für den sozialen Dialog nieder, wobei in einigen Mitgliedstaaten ein deutlicher Mangel an zeitnahen und/oder sinnvollen Dialogen besteht. Gleichzeitig waren die Sozialpartner in den letzten 18 Monaten in mehreren Mitgliedstaaten an der Gestaltung relevanter politischer Reformen beteiligt. 84 Neue Rechtsvorschriften und Maßnahmen mit Blick auf die Funktionsweise des Arbeitsmarktes wurden beispielsweise in Bulgarien, Dänemark, Finnland, Kroatien, den Niederlanden, Portugal und Schweden erörtert oder beschlossen. Wie in Abschnitt 3.1 erläutert, haben die Sozialpartner in einigen Ländern über die Reformierung der Rahmenwerke zur Lohnfestlegung verhandelt. In Estland hat die Regierung beschlossen, die regelmäßigen dreigliedrigen Treffen mit den Sozialpartnern wieder aufzunehmen, die seit 2002 ausgesetzt worden waren. In Bulgarien, Estland, Polen, Portugal und Spanien haben beispielsweise Verhandlungen in Bezug auf die Anhebung der Mindestlöhne stattgefunden. In Deutschland, Frankreich, Finnland, Kroatien, Portugal und Slowenien haben sich die Sozialpartner an Diskussionen zu Reformen der Sozialschutz- und/oder Arbeitslosenleistungen beteiligt. Unter Mitwirkung der Sozialpartner wurden in Dänemark, Frankreich, Lettland, den Niederlanden, Polen und der Tschechischen Republik politische Maßnahmen im Bereich Bildung und Berufsbildung, Reformen in den Bereichen Ausbildung, Praktika und lebenslanges Lernen sowie neue Strategien erörtert.

3.4.Leitlinie 8: Förderung von Chancengleichheit für alle, Förderung der sozialen Inklusion und Bekämpfung der Armut

In diesem Abschnitt wird die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinie 8 behandelt, mit der den Mitgliedstaaten empfohlen wird, ihre Systeme der sozialen Sicherheit zu modernisieren, um die Chancengleichheit zu fördern sowie gegen Armut und soziale Ausgrenzung vorzugehen. Zunächst wird ein Überblick über die soziale Situation in den Mitgliedstaaten anhand von Schlüsselindikatoren wie verfügbares Einkommen, Ungleichheit, Armut und soziale Inklusion, Angemessenheit der Altersversorgung, Zugang zu Wohnraum sowie Zugang zur Gesundheitsversorgung und zur Langzeitpflege vermittelt. In Abschnitt 3.4.2 wird über Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich der sozialen Sicherheit berichtet, einschließlich Mindesteinkommensregelungen, Familienbeihilfen, Wohnungspolitik, Altersversorgung, Langzeitpflege, Gesundheitsversorgung und Inklusion von Menschen mit Behinderungen.

3.4.1    Schlüsselindikatoren

Die Haushaltseinkommen sind im Jahr 2016 in fast allen Ländern der EU weiter gestiegen. 85 Das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte 86 stieg für alle Mitgliedstaaten mit der Ausnahme von Griechenland an, wo ein geringfügiger Rückgang zu verzeichnen war. Im Allgemeinen stellte sich in den Ländern am schnellsten eine Besserung ein, deren Beitritt zur EU weniger lange zurückliegt, wie etwa Bulgarien, Polen, Rumänien und Litauen. Bei den langjährigeren Mitgliedstaaten wie Österreich, Italien, Frankreich, Belgien und Luxemburg verlief diese Entwicklung langsamer oder war wie in Griechenland und dem Vereinigten Königreich negativ. Dies trägt der sich fortsetzenden Konvergenz Rechnung, wobei Bulgarien und Polen diesbezüglich derzeit am besten abschneiden. In einigen Ländern liegt das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf weiterhin erheblich unter dem Niveau vor der Krise. Dies ist vor allem in Griechenland und Zypern der Fall, wo das Niveau im Jahr 2016 bei etwa 69 % bzw. 82 % des im Jahr 2008 verzeichneten Wertes war (in beiden Ländern wurde die Lage als „kritisch“ eingestuft). In Italien, Irland, Spanien, Österreich, Belgien, Portugal (Länder mit der Einstufung „zu beobachten“) und Slowenien („durchschnittlich“) befand sich das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf im Bereich von 90 % bis 100 % im Vergleich zum Stand von 2008. In all diesen Ländern mit Ausnahme von Slowenien blieb die Wachstumsrate im Jahr 2016 hinter dem (ungewichteten) EU-Durchschnitt zurück oder nahm im Fall von Griechenland sogar einen negativen Wert an.

Schaubild 59: Reales verfügbares Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf, Index 2008 = 100 (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen [nasq_10_nf_tr und namq_10_gdp], eigene Berechnungen. Zeitraum: Werte von 2016 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2015. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Zu HR und MT lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

Die Mehrheit der Länder konnte beim Anteil der Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, im Jahr 2017 weitere erhebliche Verbesserungen vorweisen 87 . Die Auswirkungen der wirtschaftlichen Erholung sind durchaus spürbar, denn außer in einer Handvoll Mitgliedstaaten gehen das Armutsrisiko und die Gefahr der sozialen Ausgrenzung nun erkennbar zurück (vgl. auch Abschnitt 1.2). Besonders deutlich ist die Verbesserung der Lage in Rumänien, Zypern und Polen, wo der Anteil an Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, um mehr als 2 % gesunken ist. Im Gegensatz dazu war in Dänemark, den Niederlanden und Österreich im Vergleich zum Vorjahr ein mäßiger Anstieg dieser Quote zu verzeichnen, jedoch ausgehend von einem niedrigen Stand. In Bulgarien und Griechenland bleibt die Lage angesichts der noch immer sehr hohen Werte, aber einem mäßigen Rückgang im Verlauf der letzten Jahre „kritisch“. Die negativen Wechselwirkungen zwischen den Entwicklungen und den entsprechenden Werten (vgl. Schaubild 60) deuten auf eine anhaltende Konvergenz der Mitgliedstaaten hin. Unter den verschiedenen Altersgruppen sind die jungen Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren mit einer Quote von 29,1 % am stärksten vom Armutsrisiko und der Gefahr einer sozialen Ausgrenzung betroffen. Dieser Indikator zeigt Fortschritte bei der Mehrheit der Mitgliedstaaten, was sich in einer sinkenden Jugendarbeitslosigkeit niederschlägt.

Schaubild 60: Prozentualer Anteil an der Bevölkerung, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, für das Jahr 2017 und Veränderung zum Vorjahr (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, SILC. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Zu IE und UK lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

Obwohl diese zurückgeht, bleibt die Quote für Kinder im Alter von 0 bis 17 Jahren, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, in den meisten Mitgliedstaaten deutlich über dem Wert für die allgemeine Bevölkerung. Im Jahr 2017 sank sie in allen Mitgliedstaaten, bei denen sie über dem EU-Durchschnitt von 24,5 % liegt. In Rumänien (41,7 %), Bulgarien (41,6 %) und Griechenland (36,2 %) ist sie jedoch weiterhin besonders hoch. Im Gegensatz dazu war der Trend in einigen Mitgliedstaaten mit einer Kinderarmutsquote unter dem Durchschnitt wesentlich stabiler und spiegelt weitgehend die Lage der Migrantenkinder wider. Dies ist in Belgien, Frankreich, Österreich und Schweden der Fall. In der Altersgruppe der 25- bis 54-Jährigen ging die Quote um 1 Prozentpunkt auf 21,9 % zurück. Menschen ab 55 Jahren sind weiterhin die Bevölkerungsgruppe, für die die Wahrscheinlichkeit, von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht zu sein, mit 20,5 % am niedrigsten ausfällt.

Für Menschen mit Migrationshintergrund ist die Gefahr der Armut oder sozialen Ausgrenzung erheblich höher. Im Jahr 2017 war die Quote der Menschen, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, für nicht in der EU Geborene höher als für gebürtige EU-Bürger (41 % im Vergleich zu 20,7 %). Dieses Gefälle war in Belgien (37,1 Prozentpunkte), Schweden (29,6 Prozentpunkte) und Dänemark (25,8 Prozentpunkte) besonders groß und in Polen (4,6 Prozentpunkte), Portugal (6,8 Prozentpunkte) sowie der Tschechischen Republik (7,8 Prozentpunkte) am geringsten.

Schaubild 61: Subindikatoren bzgl. „Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Personen“

Quelle: Eurostat, SILC. Anmerkung: Die Indikatoren sind nach der Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen 2017 geordnet. Zu IE und UK lagen für 2017 am 26. Oktober 2018 keine Daten vor. Für die EU der 27 wurden die Werte von 2008 verwendet (zu HR liegen keine Daten vor).

Nachdem er drei Jahre stabil geblieben war, sank der Anteil der EU-Bevölkerung, der von Armut bedroht ist, im Jahr 2017 in der Mehrheit der Mitgliedstaaten. Die größten Rückgänge wurden in Polen (-2,3 Prozentpunkte), Rumänien (-1,7 Prozentpunkte) und Ungarn (-1,1 Prozentpunkte) verzeichnet. Im Gegensatz dazu stieg der Wert bei diesem Indikator in Luxemburg (+2,2 Prozentpunkte), Litauen (+1,0 Prozentpunkte), Bulgarien (+0,5 Prozentpunkte) und den Niederlanden (+0,5 Prozentpunkte) an. Abgesehen von sechs Mitgliedstaaten bleibt der Anteil an Menschen, die von Armut bedroht sind, im Jahr 2017 in allen Mitgliedstaaten auf einem höheren Wert als im Zeitraum vor der Krise (2008) (Schaubild 61). Die Schnellschätzungen von Eurostat weisen auf einen weiteren Rückgang dieser Quote in Griechenland, Rumänien und Portugal sowie einen Anstieg im Vereinigten Königreich hin.

Die Quote der Menschen, die unter erheblichen materiellen Entbehrungen leiden, erreichte ihren bisher niedrigsten Stand. In fast allen Mitgliedstaaten sank die Quote im Jahr 2017. Rumänien war mit 4,1 Prozentpunkten das Land mit dem größten jährlichen Rückgang. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede: In Finnland und den Niederlanden liegt der Anteil der Menschen, die unter erheblichen materiellen Entbehrungen leiden, bei weniger als 3 %, während am anderen Ende des Spektrums Bulgarien mit einer Quote von 30 % zu finden ist, gefolgt von Griechenland (21,1 %) und Rumänien (19,4 %). Im Vergleich zu den Männern (6,4 %) liegt der Anteil bei den Frauen (6,9 %), die unter erheblichen materiellen Entbehrungen leiden, etwas höher. Bei allen Altersgruppen war ein Rückgang zu verzeichnen, wobei die Quote für junge Menschen im Alter von 18 bis 24 Jahren mit 7,9 % weiterhin am höchsten ausfällt, gefolgt von Kindern (0–17 Jahre, 7,2 %), der Bevölkerung im Haupterwerbsalter (25–54 Jahre, 6,7 %) und den älteren Menschen über 65 Jahren (6,3 %).

Der Anteil der Menschen, die in Quasi-Erwerbslosenhaushalten leben, ist weiter gesunken. In 20 Mitgliedstaaten ist der Anteil der Bevölkerung im Alter von 0 bis 59 Jahren, die in Haushalten mit Erwachsenen leben, die weniger als 20 % der möglichen Zeit einer Beschäftigung nachgehen, im Jahr 2017 zurückgegangen. Trotz der Fortschritte liegen die Quoten in nur neun Mitgliedstaaten unter dem Niveau vor der Krise. Die größten Rückgänge im Vergleich zum Vorjahr waren in Spanien (-2,1 Prozentpunkte), Griechenland (-1,6 Prozentpunkte) und Rumänien (-1,3 Prozentpunkte) zu verzeichnen. Gleichzeitig nimmt das Armutsrisiko für die Personen, die in einem Quasi-Erwerbslosenhaushalt leben, in der Mehrheit der Mitgliedstaaten weiterhin zu und erreichte 79,9 % in der Slowakei, 78,2 % in Litauen und 77,8 % in Lettland.

Die Verringerung der Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit bleibt eine Herausforderung. Wie auch in Abschnitt 3.1 erläutert, blieb der Anteil der Menschen, die trotz Erwerbstätigkeit von Armut bedroht sind, ungeachtet des allgemeinen Rückgangs der Armutsgefährdungsquote im Jahr 2017 stabil. In sieben Mitgliedstaaten waren mehr als eine von zehn Personen mit einer Beschäftigung von Armut bedroht. Obwohl diese abnimmt, war die Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit in Rumänien (Rückgang auf 17,4 % im Jahr 2017 von 19,7 % im Jahr 2014) am höchsten, wofür maßgeblich die unsichere Selbstständigkeit verantwortlich ist. Hohe Quoten waren auch in Luxemburg (13,7 %) und Spanien (13,1 %)zu verzeichnen, wo vor allem Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen ein wesentlicher Faktor für die Armutsgefährdung waren. Andererseits hatten drei Länder eine Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit, die unter 5 % lag (Finnland, die Tschechische Republik und Irland).

Seit 2008 ist die Armutstiefe erstmals gesunken, bleibt jedoch im Vergleich zur Zeit vor der Krise auf einem hohen Niveau. Die relative Armutsgefährdungslücke, mit der der durchschnittliche Abstand der von Armut bedrohten Personen von der Armutsschwelle gemessen wird 88 , nahm in der Zeit nach der Krise in den meisten Mitgliedstaaten tendenziell zu. Im Jahr 2017 sank der Wert jedoch für 11 Mitgliedstaaten und blieb für fünf Mitgliedstaaten weitgehend stabil; durchschnittlich ging er von 26,2 % auf 25,4 % zurück. Diese Veränderung ergab sich durch Fortschritte bei der Reduzierung der Armutstiefe unter den Personen im erwerbsfähigen Alter und besonders unter Kindern. Die Quote ist insbesondere in Rumänien, Spanien, Bulgarien und Griechenland weiterhin hoch (über 30 %). Im Gegensatz dazu blieb die Armutstiefe bei Personen ab 65 Jahren stabil. Die größten Fortschritte waren in Italien, Ungarn und Rumänien zu verzeichnen.

Für Menschen mit Behinderungen ist die Wahrscheinlichkeit, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht zu sein, wesentlich höher als für Menschen ohne Behinderung. 2016 waren in der EU 30,1 % der Personen mit Behinderungen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht, während diese Quote für Menschen ohne Behinderung bei 20,9 % lag 89 , was einem Unterschied von 9,2 Prozentpunkten entspricht. Bei den Menschen im erwerbsfähigen Alter (16–64 Jahre) ist dieses Gefälle noch deutlicher, denn im Vergleich zu 21 % der Personen mit Behinderungen im Alter über 65 Jahre, die von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht sind, liegt die Quote für diese Altersgruppe im Jahr 2016 bei 37,6 % 90 . Die Schwere der Behinderung ist ein äußerst wichtiger Erklärungsfaktor: Im Vergleich zu 27,4 % der Personen mit einer mäßigen Behinderung und 20,8 % der Personen ohne Behinderung lag die Quote, von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht zu sein, bei den Personen ab 16 Jahren mit einer schweren Behinderung in der EU im Jahr 2015 bei 36,1 %.

Zum ersten Mal seit der Krise nahm die Einkommensungleichheit im Jahr 2017 leicht ab. Der Einkommensanteil der reichsten 20 % im Vergleich zu den ärmsten 20 % der Bevölkerung nahm in den meisten Mitgliedstaaten (Schaubild 62) ab, obwohl das Einkommensquintil im Jahr 2017 bei den meisten von ihnen über dem Niveau von 2008 lag. Im Jahr 2017 war die Einkommensungleichheit mit einem S80/S20-Verhältnis von über 6 in Lettland, Estland, Litauen und Bulgarien (alle in die Kategorie „kritische Lage“ eingestuft, mit einem erheblichen Anstieg im letztgenannten Land) am größten. Obwohl die Werte in Rumänien, Griechenland und Italien („schwach, aber mit Aufwärtstrend") weiterhin hoch waren, sind sie in diesen Ländern erheblich zurückgegangen. Motor für diese Fortschritte war der schnelle Anstieg der Einkommen ärmerer Haushalte in zehn Mitgliedstaaten im Vergleich zum Medianwert, was darauf hindeutet, dass sich die Erholung allmählich auf die am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen auswirkt.

Schaubild 62: Einkommensquintil und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, SILC. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Zu IE und UK lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

Die Ausgaben für den Sozialschutz stiegen in allen Mitgliedstaaten weiter an, aber untereinander bestehen weiterhin große Unterschiede 91 . Als realer Wert nahmen die Ausgaben für den Sozialschutz in allen Mitgliedstaaten von 2014 auf 2015 zu 92 . Als Anteil am BIP war jedoch nur in sieben Ländern ein Anstieg dieser Ausgaben zu verzeichnen, während sie in 16 Mitgliedstaaten sanken. Grund dafür war im Einklang mit den sich verbessernden Arbeitsmarktbedingungen vor allem ein geringerer Anteil der Ausgaben für Arbeitslosengelder. Im Gegensatz dazu nahmen die Ausgaben als Anteil am BIP für Krankheit und Gesundheit in zehn Ländern zu und gingen in zwölf Ländern zurück. Am höchsten waren die Ausgaben als Anteil am BIP in Frankreich (31,9 %), Dänemark (31,1 %) und Finnland (31,1 %). Andererseits beliefen sich diese in Litauen (14,8 %), Lettland (14,7 %) und Rumänien (14,3 %) auf weniger als 15 % des BIP.

Die Wirksamkeit sozialer Transferleistungen bei der Armutsbekämpfung ist im Einklang mit einer geringeren Wirkung der automatischen Stabilisatoren in einer Phase des Wirtschaftswachstums etwas zurückgegangen. Zwischen den Mitgliedstaaten bestehen jedoch weiterhin erhebliche Unterschiede (Schaubild 63). Soziale Transferleistungen mit Ausnahme von Rentenzahlungen verringerten das Armutsrisiko im Vergleich zu 33,2 % im Jahr 2016 im Jahr 2017 um 32,4 %, was die Fortsetzung einer Entwicklung bedeutet, die durch bessere Arbeitsmarktbedingungen und dementsprechend dynamischere Erhöhungen der Erwerbseinkommen anstatt der sozialen Transferleistungen gekennzeichnet ist. Das Ausmaß der armutslindernden Wirksamkeit dieser Transferleistungen fällt bei den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aus, und bei vielen Ländern mit dem höchsten Armutsrisiko ist die Wirksamkeit der sozialen Transferleistungen auch am geringsten (Griechenland, Rumänien, Italien, Bulgarien und Lettland).

Schaubild 63: Die Wirksamkeit sozialer Transferleistungen (abgesehen von Renten) bei der Armutslinderung und jährliche Veränderung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, SILC. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Zu IE und UK lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

Selbstständige und Arbeitnehmer in untypischen Beschäftigungsverhältnissen sehen sich einer größeren konjunkturellen Unsicherheit bei nur begrenztem Zugang zu Sozialversicherungssystemen ausgesetzt. 93  Selbstständige verfügten im Jahr 2017 in elf Ländern nicht über einen Zugang zu einer Absicherung gegen Arbeitslosigkeit, unterliegen in drei Ländern nicht der Krankenversicherungspflicht und genießen in zehn Ländern keinen Versicherungsschutz in Bezug auf Arbeitsunfälle und berufsbedingte Verletzungen. 94 Arbeitnehmer in untypischen Beschäftigungsverhältnissen verfügen gemäß der meisten Sozialleistungsregelungen überwiegend über den gleichen formalen Anspruch wie solche mit Standard-Beschäftigungsverträgen, auch wenn dies für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern häufig nicht zutrifft. Zum Beispiel sind Gelegenheits- und Saisonarbeiter, Arbeitskräfte mit Bereitschaftsdienst sowie Personen, die im Rahmen von Leiharbeitsverträgen, privatrechtlichen Verträgen oder Verträgen mit einer Mindestbeschäftigungszeit von null Stunden tätig sind, oftmals von den einschlägigen Regelungen ausgenommen. Insgesamt wurden für mindestens 24 Mitgliedstaaten 95 Hindernisse ermittelt, vor denen Arbeitnehmer mit untypischen Beschäftigungsverhältnissen und Selbstständige in Bezug auf einen wirksamen Anspruch stehen, d. h. die Möglichkeit, im Bedarfsfall angemessene Ansprüche aufzubauen und abzurufen (Mindestzeitraum für eine Anspruchsberechtigung, Wartezeiten, Mangel an Übertragbarkeit der Sozialschutzrechte).

Die Erhaltung und Übertragung von erworbenen Ansprüchen auf ein anderes System infolge einer beruflichen Veränderung bleiben schwierig. Im Zuge der Veränderungen der Arbeitswelt erlangt diese Flexibilität zunehmende Bedeutung, und ein Mangel an Übertragbarkeit kann die Dynamik des Arbeitsmarktes sowie die Abstimmung von Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt beeinträchtigen. Arbeitnehmern, die zwischen verschiedenen Sektoren oder Beschäftigungsformen wechseln, erschweren fehlende Regelungen in mindestens vier Mitgliedstaaten den Transfer von Leistungen, aber auch extrem hohe Kosten und unterschiedliche Regeln für verschiedene Systeme wurden in mehreren Mitgliedstaaten als Hindernisse für derartige Übertragungen ermittelt. Der Mangel an transparenten Informationen zu Sozialversicherungsansprüchen verhindert, dass die Menschen in vielen Ländern fundierte Entscheidungen treffen können. Außer in fünf sind in allen Mitgliedstaaten allgemeine Informationen zu den Sozialversicherungssystemen verfügbar, für personalisierte Informationen gilt dies nur in etwa für die Hälfte von ihnen (z. B. kann in Deutschland, Frankreich, Spanien, dem Vereinigten Königreich und Polen der voraussichtliche Rentenanspruch berechnet werden).

Bei Regelungen über Mindesteinkommen sollte ein angemessenes Maß an Unterstützung mit dem Zugang zu Aktivierungsgütern und -leistungen sowie Anreizen für die (Wieder)Eingliederung erwerbsfähiger Personen in den Arbeitsmarkt einhergehen, wie in der Europäischen Säule sozialer Rechte hervorgehoben. Aus einer vergleichenden Analyse der spezifischen Gestaltungsmerkmale von Mindesteinkommenssystemen und deren Wechselwirkungen mit der Bereitstellung von anderen Leistungen und Aktivierungsmaßnahmen lassen sich hilfreiche Einblicke in deren Leistungsvermögen gewinnen. Die Analyse in den folgenden Absätzen geht auf die vom Ausschuss für Sozialschutz 2017 bis 2018 durchgeführte vergleichende Analyse der Mindesteinkommensleistungen zurück 96 . Dieser Vergleichsrahmen konzentriert sich auf Mindesteinkommensleistungen für die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die erwerbsfähig sowie arbeitslos sind und weder eine Anspruchsberechtigung haben, noch Leistungen aus der Sozialversicherung geltend machen können oder deren Ansprüche auf solche Leistungen ausgelaufen sind. 

Der Unterschied zwischen den Mitgliedstaaten bei der Angemessenheit der Mindesteinkommensleistungen ist erheblich. Die Angemessenheit der Mindesteinkommensleistungen kann anhand eines Vergleichs des Einkommens von Leistungsempfängern mit der nationalen Armutsschwelle (als Indikator für die Armutslinderungswirksamkeit der Systeme) und des Einkommens der Leistungsempfänger mit dem Einkommen eines Geringverdieners 97 (als Indikator für die Aktivierungsdimension und mögliche Auswirkungen des Systems in Form von Fehlanreizen) gemessen werden. Beide Indikatoren liefern für 2016 ähnliche Ergebnisse in Bezug auf die Angemessenheit des Mindesteinkommens in den Mitgliedstaaten 98 (Schaubild 64). Bei Betrachtung der Haushalte von Alleinstehenden war die Angemessenheit im Jahr 2016 in den Niederlanden, Irland, Dänemark und Luxemburg am höchsten. In diesen Mitgliedstaaten überstieg das Niveau der Leistungen 80 % der nationalen Armutsschwelle, die bei 60 % des landesweit ermittelten verfügbaren Median-Äquivalenzeinkommens nach Erhalt sozialer Transferleistungen liegt. Insbesondere im Fall der Niederlande lag das Niveau der Leistungen bei 106 % der Armutsschwelle, sodass den Leistungsempfängern tatsächlich aus der Armut herausgeholfen wurde. Am unteren Ende lag die Angemessenheit des Mindesteinkommens im Jahr 2016 in Bulgarien, Rumänien, Ungarn, der Slowakei und Litauen unter 40 % der Armutsschwelle oder einem Drittel des Einkommens eines Geringverdieners.

Schaubild 64: Nettoeinkommen von Beziehern des Mindesteinkommens in % der (über drei Jahre geglätteten) Armutsschwelle sowie des Einkommens eines Geringverdieners (2016)

Quelle: Eurostat, OECD. Anmerkung: Für CY stehen keine Informationen zur Verfügung. Die Informationen zu IT und EL umfassen nicht die 2017 neu eingeführten Mindestlohnsysteme. Die jüngsten verfügbaren Informationen zur Armutsschwelle in IE, HR und UK beziehen sich auf das Finanzjahr 2015.

Die Angemessenheit der Mindesteinkommensleistungen wirkt sich insbesondere auf die Armutstiefe der Leistungsempfänger aus. Die relative Armutsgefährdungslücke 99 für die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (16–64 Jahre) ging im Jahr 2017 – analog zum Gesamtindikator - erstmals geringfügig zurück, bleibt jedoch deutlich über dem Niveau vor der Krise. Diese Spanne ist im Falle der Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren, die in Quasi-Erwerbslosenhaushalten leben, erheblich größer (Schaubild 65). Aus den Daten der EU-SILC 2016 geht hervor, dass die Armutstiefe unter den Menschen, die in Quasi-Erwerbslosenhaushalten leben, in Litauen, Bulgarien, Lettland, Italien und Rumänien am höchsten war (über 50 %). Im Gegensatz dazu war in Finnland, den Niederlanden und Irland mit 20 % die kleinste Spanne zu beobachten. Die Armutsspanne für Personen, die in Quasi-Erwerbslosenhaushalten leben, deutet tendenziell auf Schwachstellen bei der Angemessenheit und der Tragweite der Leistungssysteme hin (wie auch im Jahresbericht 2018 des Ausschusses für Sozialschutz angemerkt).

Schaubild 65: Relative Armutsrisikospanne für Personen im Alter von 18 bis 59 Jahren aus Quasi-Erwerbslosenhaushalten (2016)

Quelle: Eurostat, SILC.

Sämtliche Mitgliedstaaten machen neben einer Bedürftigkeitsprüfung auch von der Prüfung anderer Berechtigungsanforderungen für das Mindesteinkommen Gebrauch. Strengere Berechtigungsanforderungen bedeuten einen geringeren Leistungsanspruch 100 und umgekehrt. Die Bedürftigkeitsprüfung ist die am häufigsten genutzte Möglichkeit einer Ausrichtung auf die in Armut lebenden Menschen 101 . Die Anforderungen der Bedürftigkeitsprüfung dienen im Allgemeinen nicht nur dazu, die Mittel des direkten Anspruchsberechtigten (z. B. Einkommen, Vermögen, Immobilien oder bewegliche Vermögenswerte) zu bewerten, sondern die aller Haushaltsmitglieder. In den meisten Mitgliedstaaten entspricht der Grenzwert, der bei der Bedürftigkeitsprüfung zur Anwendung kommt, dem Maximalbetrag der bereitgestellten Leistungen (und die tatsächliche Unterstützung beläuft sich auf die Differenz zwischen dem Maximalbetrag der Leistung und dem Einkommen einer Person oder eines Haushalts), während in mehreren Mitgliedstaaten Teile des Einkommens auch vernachlässigt werden, was positive Auswirkungen auf die Tragweite der Systeme hat und zur Bekämpfung der Armut trotz Erwerbstätigkeit beiträgt. Weitere Berechtigungsanforderungen, wie solche in Bezug auf den Wohnsitz, wirken sich ebenfalls auf die Tragweite der Systeme aus, weil sich dadurch die Leistungen für Menschen verringern können, die von innerstaatlicher Mobilität oder Obdachlosigkeit betroffen sind.

Bezieher eines Mindesteinkommens haben größere Schwierigkeiten beim Zugang zu verschiedenen Sachleistungen. Der Zugang zu Dienstleistungen (gemessen am nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung, an der Wohnkostenüberlastung und der Nichtteilnahme an berufsbezogenen Fortbildungen 102 ) ist ein wesentlicher Bestandteil von integrierten Strategien zur aktiven Eingliederung. Im Jahr 2016 bestand für Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren, die in Quasi-Erwerbslosenhaushalten leben und von Armut bedroht sind, im Allgemeinen weniger häufig ein Zugang zu diesen Leistungen als für die gleiche Altersgruppe der Menschen, die weder von Armut bedroht sind noch in einem Quasi-Erwerbslosenhaushalt leben. Bei Betrachtung des dienstleistungsübergreifenden Ergebnisses sind Finnland, Ungarn und das Vereinigte Königreich die einzigen Mitgliedstaaten, in denen das Gefälle beim Zugang zu Dienstleistungen im Jahr 2016 in allen drei Bereichen unter dem EU-Durchschnitt lag. Im Gegensatz dazu liegen die Unterschiede beim Zugang zu Dienstleistungen in Griechenland und Lettland in allen drei Bereichen über dem EU-Durchschnitt. Im Einzelnen sind die größten Unterschiede beim nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung in Lettland (14,8 Prozentpunkte) und Griechenland (34,1 Prozentpunkte) zu finden, die geringsten hingegen in Dänemark, Spanien, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich (unter 1 Prozentpunkt). Im Bereich Wohnraum war das größte Gefälle bei der Wohnkostenüberlastungsquote in Dänemark, Griechenland, Österreich und Italien (über 50 Prozentpunkte) zu beobachten, die geringsten Unterschiede fanden sich in Malta, Zypern, Irland und Finnland (unter 20 Prozentpunkte). 103 Im Bereich der Erwachsenenbildung wiesen Schweden und Dänemark im Jahr 2016 ein Negativgefälle auf, d. h. Personen aus Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität, die von Armut bedroht sind, hatten besseren Zugang zu Leistungen, und in Malta sowie dem Vereinigten Königreich bestanden keine Unterschiede. Die größten Unterschiede zeigten sich in Lettland, Spanien und Litauen (über 16 Prozentpunkte).

Der Zugang zu hochwertigem Wohnraum hat sich seit 2008 verbessert, aber in einigen Ländern ist ein erheblicher Anteil der Bevölkerung der Auffassung, qualitative Probleme mit ihrer Unterkunft zu haben. In der EU geben 13,1 % der Bevölkerung an, im Jahr 2017 in einer Unterkunft mit undichtem Dach, feuchten Wänden, Fußböden bzw. Fundamenten oder verrotteten Fensterrahmen oder Fußböden zu leben. Das sind 2,3 Prozentpunkte weniger als im Jahr 2016. 104 Dieser Teil der Wohnraumunterversorgung 105 ist in den fünf Mitgliedstaaten Zypern, Portugal, Ungarn, Lettland und Slowenien ein besonderes Problem, in denen über 20 % der Bevölkerung angeben, dieses Qualitätsproblem mit ihrer Unterkunft zu haben. Im Jahr 2017 zeigte sich in Rumänien eine erhebliche Besserung, denn der Anteil an der Bevölkerung, der angab, in ihrem Haushalt weder über ein Bad, eine Dusche noch eine Innentoilette mit Spülung zu verfügen, ging zurück, lag aber dennoch bei beträchtlichen 27,2 %. In Lettland, Bulgarien und Litauen besteht bei etwa 10 % der Bevölkerung das Problem, weder über ein Bad, eine Dusche noch eine Innentoilette mit Spüle zur alleinigen Nutzung durch den Haushalt zu verfügen.

Der Anteil an verfügbarem Haushaltseinkommen, der für Miete und Nebenkosten ausgegeben wird, ist in einigen Mitgliedstaaten weiterhin beträchtlich. Unter Berücksichtigung der Wohnkosten sind 156 Millionen Menschen von Armut bedroht, hingegen sind es ohne Berücksichtigung der Wohnkosten 85 Millionen. Diese Bedingung ist für Haushalte mit geringerem Einkommen besonders belastend. Im Jahr 2017 gaben 10,2 % der Haushalte in der EU über 40 % ihres verfügbaren Einkommens für Wohnkosten aus, aber dieser Anteil erhöht sich bei Betrachtung der Haushalte, die von Armut bedroht sind, auf 37,8 %. Trotz einer leichten Verbesserung im Vergleich zu den vorangegangenen Jahren bleibt die Wohnkostenüberlastungsquote in Griechenland mit 39,6 % im Jahr 2017 am höchsten. Bulgarien, Dänemark und Deutschland sind nach Griechenland die Mitgliedstaaten mit dem höchsten Bevölkerungsanteil, der unter einer Wohnkostenüberlastung leidet (jeweils über 15 % der Bevölkerung). Die Auswirkungen sind in Dänemark und Deutschland besonders spürbar, wo der Anteil an Menschen, die von Armut bedroht sind, vor Berücksichtigung der Wohnkosten unter dem EU-Durchschnitt liegt, sich aber über dem EU-Durchschnitt befindet, wenn die Wohnkosten berücksichtigt werden. Im Gegensatz dazu leben in Estland, Irland, Finnland, Zypern und Malta weniger als 5 % der Bevölkerung in Haushalten, die durch Miete und Nebenkosten überbelastet sind. In den meisten Ländern sind Mieter, die eine Wohnung zum Marktpreis mieten, durch Miete und Nebenkosten deutlich mehr überbelastet als Eigentümer mit einer Hypothek oder einem Darlehen (EU-Durchschnitt von 25,1 % für Mieter, die den Marktpreis zahlen, im Vergleich zu etwa 5 % bei den Eigentümern).

Steigende Mieten stellen in einigen Mitgliedstaaten eine zunehmende Belastung für die Armen dar. Im Jahr 2016 sind die realen Mieten in sieben Ländern (Irland, Estland, Litauen, Slowenien, Ungarn, Österreich und Polen) seit 2015 um mehr als 5 % gestiegen. Hohe Mieten können die Gefahr der Armut oder sozialen Ausgrenzung verschärfen, insbesondere in Ländern wie Slowenien, Irland, Österreich und Litauen, wo das Armutsrisiko für Mieter deutlich höher ist als für Hauseigentümer. Hinter den landesweiten Zahlen können auch Probleme auf Ebene bestimmter Städte verborgen sein.

Die jüngste Entwicklung der Obdachlosigkeit deutet darauf hin, dass sich die Lage nicht verbessert. Die geschätzten Obdachlosenzahlen sind aufgrund des Mangels an offiziellen Quellen und verschiedener Methoden zur Zählung der Obdachlosen nicht von Land zu Land vergleichbar. Die verfügbaren Daten ermöglichen lediglich eine Überwachung der Entwicklung des Problems im Verlauf der Zeit (in den meisten Fällen auf der Grundlage des Jahres 2017 bzw. 2016). Die Daten weisen aber darauf hin, dass die Obdachlosigkeit in allen der 25 abgedeckten Mitgliedstaaten mit Ausnahme von Finnland, wo sich die Situation verbessert hat, seit Kurzem zunimmt 106 .

Die Rentenbezüge bieten älteren Menschen einen relativen Schutz vor der Armutsgefährdung. Auf EU-Ebene ist die Armutsgefährdungsquote für ältere Menschen niedriger als für Menschen im erwerbsfähigen Alter (14,6 % im Vergleich zu 16,7 % im Jahr 2017). Im letzten Jahrzehnt hat sich dieses Verhältnis im Vergleich zum Zeitraum vor der Krise umgedreht, was sich teilweise durch die Tatsache erklären lässt, dass sich das durchschnittliche Niveau des realen verfügbaren Bruttoeinkommens der Haushalte aufgrund der Krise verringert hat, insbesondere unter der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in fast allen europäischen Ländern, während die Renten einigermaßen stabil geblieben sind. Die Zahl der unter erheblichen materiellen Entbehrungen leidenden älteren Menschen ist jedoch zurückgegangen (von 7,4 % im Jahr 2008 auf 6,3 % im Jahr 2017), was darauf hindeutet, dass der Rückgang bei Armut und sozialer Ausgrenzung nicht nur ein relativer Effekt war.

Schaubild 66: Prozentualer Anteil der Bevölkerung im Alter von mindestens 65 Jahren, der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist, im Vergleich zum EU-Durchschnitt, 2017

Quelle: Eurostat, SILC.

Anmerkungen: standardisierte Daten (EU28 = 0). Die Daten für IE und UK beziehen sich auf das Jahr 2016.

Die Armutsgefährdung und die Gefahr der sozialen Ausgrenzung haben unter den älteren Menschen in den meisten Mitgliedstaaten stetig abgenommen. Insgesamt hat die Zahl der Menschen, die im Alter von mindestens 65 Jahren im Jahr 2017 von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht waren, im Vergleich zu vor der Krise (im Jahr 2008) um 148 000 abgenommen. Hinter der allgemeinen Verbesserung verbergen sich Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, wobei die Gefahr der Armut oder sozialen Ausgrenzung im Alter in Zypern (-24,7 Prozentpunkte seit 2008), Bulgarien (-16,6 Prozentpunkte), Rumänien (-16,2 Prozentpunkte) und Lettland (-14,9 Prozentpunkte) zurückgegangen ist, in Luxemburg (+6,4 Prozentpunkte) und Deutschland (+2,2 Prozentpunkte) aber zugenommen hat.

Besonders bedenklich ist jedoch die Situation der älteren Frauen, zumal in der EU eine von fünf Frauen im Alter ab 65 Jahren von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht ist. Im Jahr 2017 reichte der Anteil an Frauen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind, von etwa 10 % in Dänemark, Frankreich und den Niederlanden bis zu über 50 % in Bulgarien und über 40 % in den baltischen Staaten. Die größten Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind für diese Quote in Litauen (19,9 Prozentpunkte), Estland (19,7 Prozentpunkte), gefolgt von Lettland (16,6 Prozentpunkte) und Bulgarien (16,2 Prozentpunkte) zu beobachten. Ältere Frauen haben ein geringeres Einkommen als ältere Männer: Im Jahr 2016 lag das Medianeinkommen für ältere Frauen in der EU - im Vergleich zu jüngeren Menschen des jeweils gleichen Geschlechts (90 % für Frauen und 96 % für Männer) - 6 Prozentpunkte unter dem Median für Männer. Daher haben Frauen nicht nur in Bezug auf ihre Lebensarbeitszeit ein geringeres Einkommen, sondern auch im Ruhestand, was zu einem Geschlechtergefälle beim Einkommen im hohen Alter beiträgt.

Im Durchschnitt haben die Menschen ab 65 Jahren in der EU ein leicht geringeres Einkommen als die jüngeren Altersgruppen. Das verfügbare Medianeinkommen der Menschen ab 65 Jahren lag im Jahr 2017 bei 92 % des Einkommens der jüngeren Bevölkerung. Die relative Gesamt-Medianeinkommensquote war in fünf Ländern (Dänemark, Malta, Litauen, Lettland und Estland) bei weniger als 75 % und in weiteren vier Ländern (Belgien, Schweden, Zypern und die Tschechische Republik) bei weniger als 80 %. Im Gegensatz dazu genossen ältere Männer in neun Mitgliedstaaten (Luxemburg, Griechenland, Frankreich, Spanien, Ungarn, Italien, Österreich, Polen und Rumänien) und ältere Frauen in zwei Mitgliedstaaten (Luxemburg und Griechenland) im Jahr 2017 ein höheres Medianeinkommen als die Menschen unter 65 Jahren.

Obwohl die Renten im Durchschnitt über die Hälfte des Erwerbseinkommens zu einem späteren Stadium der Karriere betragen, unterscheidet sich die Einkommensersatzleistung unter den Mitgliedstaaten erheblich. Die Gesamt-Einkommensersatzrate 107 betrug bei erheblichen Unterschieden zwischen den Ländern in der EU im Jahr 2017 durchschnittlich 59 %. Sie reichte von über 80 % in Luxemburg bis zu weniger als 40 % in Irland, Bulgarien und Kroatien 108 .

In Anbetracht der steigenden Lebenserwartung müssen die Renten angepasst werden: Das Arbeitsleben beginnt später und dauert länger und die Menschen leben im Allgemeinen länger. Zusätzlich zur Armutsbekämpfung und Einkommensersatzleistungen besteht die dritte relevante Dimension der Angemessenheit der Renten in der Dauer des Ruhestands. Das Verhältnis zwischen der im Ruhestand und der mit einer Beschäftigung verbrachten Zeit liegt derzeit in der EU bei durchschnittlich 51 %. Schaubild 67 vermittelt einen Überblick über die durchschnittliche Lebenszeit vor und während der Erwerbstätigkeit sowie nach dem Eintritt in den Ruhestand in den Mitgliedstaaten (auf der Grundlage einer Schätzung des Eintritts in den Arbeitsmarkt bzw. des Beginns der Beschäftigung, einer Schätzung des durchschnittlichen Austrittsalters aus dem Arbeitsmarkt und der Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren erstellt).

Schaubild 67: Lebenszeit je Erwerbsstatus, 2017

Quelle: Bericht über die Bevölkerungsalterung 2018 (Ageing Report 2018) für das Alter beim Arbeitsmarkteintritt und -austritt; Eurostat für Prognosen der Lebenserwartung. Anmerkung: „auf dem Arbeitsmarkt“ bezeichnet die Zeit zwischen dem Eintritt in das und dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben.

Für untypisch Beschäftigte und Selbstständige sind die Bedingungen für den Zugang zu und den Erwerb von Rentenansprüchen häufig weniger günstig als für Arbeitnehmer in unbefristeten Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen. Die Daten aus der SHARE-Erhebung 109 ermöglichen es, in den meisten Mitgliedstaaten die Auswirkungen der Selbstständigkeit auf das Ruhestandseinkommen und den Lebensstandard zu messen, indem die Situation von Selbstständigen 110 und Arbeitnehmern im Ruhestand verglichen wird. 111  Die Selbstständigen im Ruhestand haben nach eigenen Angaben in nahezu allen erfassten Ländern ein niedrigeres Einkommen als die Arbeitnehmer im Ruhestand. Das größte Einkommensgefälle ist in Luxemburg, Dänemark und Frankreich zu beobachten, und in neun Ländern übersteigt es 20 %. Lediglich in Ungarn und Estland genießen die Selbstständigen im Ruhestand ein geringfügig höheres Einkommen als die Arbeitnehmer im Ruhestand (vgl. Schaubild 68). Das Einkommensgefälle führt für die Selbstständigen im Ruhestand zusammen mit der höheren Einkommensungleichheit 112 zu einer erheblich höheren Armutsgefährdung, die fast doppelt so hoch ist wie für Arbeitnehmer im Ruhestand. Die Selbstständigen erhalten in jedem erfassten Land geringere Renten als die Arbeitnehmer, und trotz eines höheren Vermögens-/Einkommensverhältnisses sind sie im Alter häufiger einer finanziellen Notlage ausgesetzt. Der Index für eine finanzielle Notlage, mit dem auf einer Skala von 1 bis 4 die Schwierigkeit erfasst wird, finanzielle Engpässe zu bewältigen, liegt in den befragten Mitgliedstaaten für Selbstständige im Ruhestand durchschnittlich bei 2,3 und für Arbeitnehmer im Ruhestand bei 2,1. 113

Schaubild 68: Relativer Unterschied beim verfügbaren Median-Äquivalenzeinkommen zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen im Ruhestand in Prozent, 2017

Quelle: SHARE. Anmerkungen: EU* umfasst nicht IE, NL und UK. In BG, LV, LT, PT, RO, SI und SK ist aufgrund des Stichprobenumfangs keine Unterscheidung zwischen den Rentenempfängern möglich.

Schaubild 69: Nach eigener Aussage nicht gedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung (Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards)

Quelle: Eurostat, SILC. Zeitraum: Werte von 2017 und jährliche Veränderung im Vergleich zu 2016. Anmerkung: Schnittpunkt der Achsen ist der nicht gewichtete EU-Durchschnittswert. Die Legende befindet sich im Anhang. Zu IE und UK lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

Beim Anteil der Bevölkerung, bei der der Bedarf an ärztlicher Versorgung nach eigener Aussage nicht gedeckt ist, bestehen Anzeichen für eine Konvergenz. 114 Die bisherigen Entwicklungen haben sich umgekehrt und es haben sich schwache negative Wechselwirkungen zwischen dem Niveau und den Veränderungen beim nicht gedeckten Bedarf an ärztlicher Versorgung ergeben, wobei die Länder, in denen dieser nicht gedeckte Bedarf am höchsten ist, die positivsten Entwicklungen aufweisen (vgl. Schaubild 69). In manchen Mitgliedstaaten stellen die Kosten und die Wartezeiten weiterhin erhebliche Hindernisse für den Zugang zu Einrichtungen der Gesundheitsversorgung dar. Dessen ungeachtet ist der Anteil der EU-Bevölkerung, die nach eigenen Angaben ihren Bedarf an ärztlicher Versorgung wegen zu hoher Kosten, zu langer Wartezeiten oder zu weiter Anfahrt nicht zu decken vermag, im Jahr 2017 im Schnitt um 1,6 % zurückgegangen. Der Anteil an betroffenen Personen übersteigt in Estland und Griechenland (über 10 %) sowie in Lettland noch immer 5 %. Ein Anstieg im Vergleich zu 2017 war nur in Slowenien, Zypern und der Slowakei zu verzeichnen.

Der Aktivitätsstatus kann ebenfalls eine wichtige Rolle dabei spielen, den problematischen Zugang zur medizinischen Versorgung in einigen Ländern zu erklären. Obwohl bezogen auf den Aktivitätsstatus bei der Mehrheit der Länder keine Anzeichen für erhebliche Unterschiede zu finden sind, haben Arbeitslose und in geringerem Umfang auch Rentner in einigen dieser Länder möglicherweise größere Schwierigkeiten bei der ärztlichen Versorgung (vgl. Schaubild 70). Selbst in Ländern, in denen der Anteil an nicht gedecktem Bedarf für die Gesamtbevölkerung unter dem EU-Durchschnitt liegt, deuten die Zahlen darauf hin, dass Arbeitslose Schwierigkeiten beim Zugang zur ärztlichen Versorgung haben können (z. B. in Belgien, Frankreich, Italien und Ungarn).

Schaubild 70: Nach eigener Aussage nicht gedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung bezogen auf den Aktivitätsstatus (2016)

Quelle: Eurostat [hlth_silc_13].

Die gesunden Lebensjahre (im Alter von 65 Jahren) erhöhten sich in der EU weiter und betrugen für Männer 9,8 Jahre und für Frauen 10,1 Jahre. Die höchste Zahl an gesunden Lebensjahren bei einem Alter von 65 Jahren sind in Schweden, Malta und Irland (etwa 12 Jahre für beide Geschlechter) zu erwarten, hingegen ist die gesunde Lebenserwartung in Lettland, der Slowakei und Kroatien (etwa 5 Jahre) besonders niedrig.

Die Finanzierung des Gesundheitswesens speist sich aus verschiedenen Quellen, wobei sich die relative Bedeutung der einzelnen Quellen von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterscheidet. Im Jahr 2016 beliefen sich die Selbstzahlungen 115 – d. h. Aufwendungen der Haushalte für Gesundheit (einschließlich Medizinprodukten), die aus keinem Programm oder nach Abzug eines Selbstbehalts aus einem organisierten System heraus erstattet werden –, gemessen als Anteil der laufenden Gesundheitsaufwendungen in Bulgarien, Griechenland, Zypern, Lettland und Litauen auf über 30 % (Schaubild 71).

Schaubild 71: Kosten der Gesundheitsversorgung nach Finanzierungsquelle, 2016

Quelle: Eurostat [hlth_sha11_hf]. Anmerkungen: Die Datenerfassung in Bezug auf Statistiken über die Kosten der Gesundheitsversorgung und ihre Finanzierung erfolgt nach den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 2015/359 der Kommission (Handbuch „System of Health Accounts“ 2011 (in englischer Sprache)).

Der Bedarf an Langzeitpflege nimmt mit der Alterung der Bevölkerung in der EU zu. Im Laufe der nächsten 60 Jahre (bis 2070) wird sich die Zahl der Europäer, die 80 Jahre oder älter sind, wohl verdoppeln und der Altersabhängigkeitsquotient (Personen ab 65 Jahren im Verhältnis zu den Personen von 15 bis 64 Jahren) wird von 29,6 % im Jahr 2016 voraussichtlich einen Sprung auf 51,2 % im Jahr 2070 machen. 116 Auf jede Person ab 65 Jahren würden in der EU dann statt bisher 3,3 nur noch zwei Personen im erwerbsfähigen Alter kommen. Die Gefahr der Abhängigkeit ist im höheren Alter größer, denn die Menschen sind mit höherer Wahrscheinlichkeit gebrechlich (60 % der 75- bis 84-Jährigen und 70 % der Personen ab 85 Jahren haben nach eigener Aussage eine Behinderung).

Es wird ein erheblicher Anstieg des Bedarfs an Langzeitpflege erwartet. Im Vergleich zur Gesundheitsversorgung und den Rentenbezügen sind die Aufwendungen für die Langzeitpflege die am schnellsten steigenden Sozialausgaben. Die öffentlichen Ausgaben der EU für die Langzeitpflege werden zwischen 2016 und 2070 voraussichtlich von 1,6 % auf 2,7 % des BIP ansteigen, wobei innerhalb der EU deutliche Unterschiede bestehen (vgl. Schaubild 72).

Schaubild 72: Prognose der öffentlichen Ausgaben für die Langzeitpflege als prozentualer Anteil am BIP, 2016 und 2070

Quelle: Auf Grundlage von Daten aus dem Ageing Report 2018. Anmerkung: Referenzszenario der Arbeitsgruppe „Alterung“.

Für die Mitgliedstaaten, die jetzt in großem Maße auf die informelle Pflege setzen, wird die Nachhaltigkeit der Langzeitpflege ebenfalls zur Herausforderung. Die Zahl der informellen Pflegepersonen nimmt aufgrund der sich verändernden Familienstrukturen (weniger Kinder, weiter voneinander entfernt lebende Familienangehörige) ab, während immer mehr Frauen einer Beschäftigung nachgehen und das Rentenalter steigt. Die informelle Pflege bringt auch bedeutende Kosten für die Wirtschaft mit sich, weil informelle Pflegepersonen die formelle Beschäftigung aufgeben oder weniger arbeiten und daher geringe oder gar keine Steuern und Beiträge zahlen. Auch beim Einstellen und Halten von Pflegepersonen bestehen Herausforderungen. In der Branche herrschen Teilzeitarbeit und befristete Verträge vor, was zu einer geringeren Attraktivität führt.

3.4.2    Die Antwort der Politik

Reformen in mehreren Mitgliedstaaten sollen das Konzept der aktiven Eingliederung stärken. Einige Mitgliedstaaten erweitern die integrierte Bereitstellung von Dienstleistungen (wie Sozialhilfe-, Arbeitsvermittlungs- und sonstige Sozialleistungen), insbesondere durch ein Konzept, bei dem die Person im Mittelpunkt steht und mit dem die komplexen Bedürfnisse der schutzbedürftigsten Personen erfüllt werden sollen. In Bulgarien dauert die Einrichtung von Zentren für Beschäftigung und Sozialhilfe an, die integrierte und mobile Dienstleistungen 117 anbieten. Bis Februar 2018 waren 73 dieser Zentren in Betrieb 118 , die mit Unterstützung des ESF eingerichtet wurden, und stellten Arbeitsvermittlungs- und Sozialhilfeleistungen bereit. Ab 2018 bieten die Zentren Langzeitarbeitslosen Wiedereingliederungsvereinbarungen an, mit denen eine Verknüpfung zu den spezifischen Arbeitsvermittlungsleistungen und den Leistungen anderer Einrichtungen geschaffen wird. In Irland kommen Aktivierungsleistungen dank des Action Plan for Jobless Households (Aktionsplan für Erwerbslosenhaushalte) auch Personen zugute, die keine Beschäftigung haben, aber im Rahmen der herkömmlichen Maßstäbe nicht als arbeitslos definiert sind. Schwerpunkt dieses Aktionsplans ist vor allem die Verbesserung der Arbeitslosenquote für Haushalte mit Kindern, sowohl im Hinblick auf die herkömmliche Kernfamilie als auch in Bezug auf Alleinerziehende und Menschen mit Behinderungen. In Finnland wurden die zentralen Beratungsstellen für Jugendliche („Ohjaamo“), die ursprünglich mit Mitteln aus dem ESF betrieben wurden, zu dauerhaften Einrichtungen und werden um das psychosoziale unterstützende Netzwerk erweitert. In Griechenland werden seit 2017 lokale Bürgerhäuer eröffnet, die auf kommunaler Ebene als zentrale Anlaufstellen für soziale Dienste dienen. Sie fördern die Umsetzung des Konzepts des Solidaritätseinkommens und vermitteln Leistungsempfänger an ergänzende Sozialdienste. Im Februar 2018 hatten 203 von 240 geplanten Bürgerhäusern den Betrieb aufgenommen. Zusätzlich bieten mehr und mehr Kommunen in der gesamten EU integrierte Sozialdienste an, bei denen die komplexen Bedürfnisse der schutzbedürftigen Gruppen im Mittelpunkt stehen (z. B. zentrale Anlaufstellen in Athen oder gesundheitsfördernde Angebote in Essen). Diese Maßnahmen wurden über den ESF unterstützt.

Die Modernisierung und Verbesserung der Angemessenheit einiger Leistungen setzt sich in mehreren Mitgliedstaaten fort, obwohl es in einigen Fällen zu Verzögerungen kam. In Litauen wurden das staatlich geförderte Einkommen sowie die Leistungen für Familien im Jahr 2018 erhöht. In Bulgarien folgte auf neun Jahre des Stillstands im Jahr 2018 eine 15%-ige Erhöhung des Mindesteinkommens. In Übereinstimmung mit dem mehrjährigen Plan zur Armutsbekämpfung, der im Jahr 2013 festgelegt wurde, wurde das Mindesteinkommen in Frankreich (Revenu de solidarité active – RSA socle) im September 2017 um 1,6 % und im April 2018 erneut um 1 % angehoben. Diese Erhöhungen sind die letzten in einer Reihe von Anhebungen, die eine Erhöhung des Mindesteinkommens in Relation zur Inflation ermöglicht haben, und werden durch eine erneuerte Ausrichtung auf die Aktivierung von Leistungsempfängern („Garantie d’activité“) als Bestandteil des jüngst angekündigten Plans zur Armutsbekämpfung ergänzt. In Rumänien wurde jedoch die geplante Konsolidierung der bestehenden Sozialleistungen auf April 2019 verschoben, während die Umsetzung des neuen Gesetzes über die soziale Sicherheit und die Sozialhilfe in Kroatien nicht vor Dezember 2019 in Kraft treten wird. Der in Lettland vorgesehene Plan zur Erhöhung des Mindesteinkommens, der im Mai 2018 vorgelegt wurde und im Jahr 2020 in Kraft treten soll, wurde von der Regierung noch nicht angenommen. Ein Gesetzentwurf in Luxemburg sieht die Neustrukturierung des Mechanismus für das garantierte Mindesteinkommen mit dem Ziel vor, die hohen Untätigkeitsfallen, die durch das gegenwärtige Konzept entstehen, zu verringern sowie die Probleme der Wohnkostenüberlastung zu lösen und das unzureichende Einkommen von Haushalten mit Alleinerziehenden anzugehen.

Die soziale Absicherung hat sich in mehreren Mitgliedstaaten erhöht. Belgien verabschiedete ein Gesetz, mit dem Einschränkungen hinsichtlich des Zugangs zu Systemen der betrieblichen Altersvorsorge für junge Menschen und kurzfristig Beschäftigte beseitigt wurden. Andere Länder planen die Einführung von Maßnahmen zugunsten von Selbstständigen oder Inhabern kleiner Unternehmen oder haben diese bereits genehmigt. Zu diesen Maßnahmen gehören geringere Beiträge unter einem bestimmten Grenzwert (Lettland, Polen), die Aufnahme freiberuflicher Mitarbeiter in die Arbeitslosenversicherung (Frankreich) oder die Möglichkeit, freiberufliche Mitarbeiter von Online-Plattformen über eine Sozialcharta in eine Arbeitsunfallversicherung aufzunehmen (Frankreich, vgl. auch Abschnitt 3.3.2).

Maßnahmen zur Bekämpfung der Einkommensungleichheit und der Armut trotz Erwerbstätigkeit sind sowohl auf die Steuergestaltung als auch die Angemessenheit der Leistungen ausgerichtet. Zusätzlich zur Festlegung eines Mindestlohns können eine Reihe an politischen Maßnahmen zur Verringerung der Ungleichheit in Bezug auf das System der Steuervergünstigungen dazu beitragen, die Armut trotz Erwerbstätigkeit zu lindern. In Litauen wurde im Juni 2018 eine Reform der pauschalen Einkommensbesteuerung verabschiedet und eine schrittweise, zweigleisige Struktur eingeführt, die dazu beitragen sollte, die Einkommensungleichheit zu verringern. In Lettland geht die Einführung einer progressiven persönlichen Einkommensteuer mit Steuerfreibeträgen für die persönliche Einkommensteuer und unterhaltsberechtigte Personen einher. Eine vorgeschlagene Reform zur Überarbeitung des Systems der persönlichen Einkommensteuer in der Tschechischen Republik soll die Progressivität dieses Systems erweitern, insbesondere durch Hinzufügen eines neuen Steuersatzes von 23 % für höhere Einkommen.

Einige Mitgliedstaaten haben Maßnahmen ergriffen, die speziell zur Bekämpfung der Kinderarmut dienen. In Spanien wurden für 2018 100 Mio. EUR aus dem nationalen Haushalt der Bekämpfung schwerer Armut zugewiesen, wobei Familien mit Kindern besondere Aufmerksamkeit zukommt. Mit Litauens Gesetz über Leistungen für Kinder wird ein allgemeines Kindergeldsystem eingeführt. Darüber hinaus erhalten Familien, die drei oder mehr Kinder erziehen und/oder betreuen, unabhängig vom Familieneinkommen einen bestimmten Betrag an Kindergeld. In Lettland wurde für Familien mit zwei oder mehr Kindern eine Ergänzung zu den staatlichen Leistungen eingeführt. Griechenland hat eine Reform des Kindergeldsystems verabschiedet. Die beiden bisherigen Leistungen (das „einheitliche Kindergeld“ und die „Beihilfe für Großfamilien“) werden damit durch ein einziges Kindergeldsystem mit Bedürftigkeitsprüfung ersetzt. Mit dieser Reform soll der zielgerichtete Einsatz der Beihilfen verbessert und die Gleichbehandlung der geförderten Kinder erhöht werden.

Als Ergänzung zu den beschäftigungspolitischen Maßnahmen und um dem Leid aufgrund von Armut entgegenzuwirken, wurden Maßnahmen zur sozialen Inklusion von Personen mit Behinderungen ergriffen. Spanien hat eine Testphase des universellen Sozialversicherungsausweises eingeläutet, um die Effizienz zu verbessern und sicherzustellen, dass die Menschen die Leistungen erhalten, auf die sie einen Anspruch haben. Dieser Ausweis ermöglicht die Erfassung von Informationen zu allen Leistungen, die eine Person von einer Stelle bezieht, und zeigt an, auf welche sonstigen Leistungen ein Anspruch bestehen könnte. Die Erwerbsfähigkeitszulage für Personen, die nicht arbeiten können oder deren Fähigkeiten begrenzt sind, wurde in Estland für das Jahr 2018 angehoben. Im Jahr 2017 setzte Malta eine weitere Reform der Invaliditätsrenten um, wobei ein dreistufiges Entgeltsystem eingeführt wurde. Dieses sieht vor, dass Personen, die aufgrund einer Behinderung nicht erwerbsfähig sind, pro Monat einen stetig steigenden Betrag erhalten, bis ihre Rente dem Mindestlohn entspricht. Gemäß einer Anordnung der polnischen Regierung von 2016 erhalten Eltern eines Kindes mit Schwerbehinderung für das erste Lebensjahr eine Zuwendung von 4 000 Złoty (etwa 940 EUR). In Portugal wurde im Jahr 2017 ein neues unabhängiges Wohnfördermodell (MAVI) verabschiedet, das über den ESF finanziert wird. Jede Person mit einem Behinderungsgrad von mindestens 60 % hat demnach Anspruch auf wöchentlich 40 Stunden Unterstützung durch eine entsprechende Pflegekraft, die ihr bei der persönlichen Pflege, Gesundheit, Ernährung, Reisen, Hochschulbildung, beruflichen Ausbildung, kulturellen Aktivitäten, Sport, Arbeitsplatzsuche, Teilnahme an der Gesellschaft und bürgerschaftlichen Tätigkeiten hilft. Zusätzlich legte die portugiesische Regierung im Jahr 2017 drei Leistungen der Behindertenhilfe zusammen: die Behindertenbeihilfe, die Sozialinvaliditätsrente und die Invaliditätsrente. Daraus wurde eine einzige Leistung, nämlich die Sozialleistung zur Eingliederung. Rumänien verwendet jetzt anstelle des Verbraucherpreisindexes den sozialen Bezugsindikator, um die Behindertenbeihilfe zu berechnen, was zu einem Anstieg der Beihilfen für Erwachsene mit Behinderung führte.

Eine Reihe von Mitgliedstaaten hat Reformen auf dem Gebiet des Zugangs zu Wohnraum vorgenommen. Dänemark hat einen Aktionsplan zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit verabschiedet, der auf dem Ausbau von Präventivmaßnahmen und der Verbesserung von Orientierungshilfen beruht, die dabei helfen sollen, aus der Obdachlosigkeit zu entkommen. Griechenland hat ein neues Wohngeld mit Bedürftigkeitsprüfung eingeführt, das für Familien mit geringem Einkommen vorgesehen ist, die in einer Mietwohnung leben oder eine Hypothek abzahlen müssen. Spanien hat einen nationalen Plan genehmigt, der die Unterstützung von Familien mit geringem Einkommen umfasst, damit diese ihre Miete bezahlen können und eine Räumung verhindert wird. Außerdem sieht dieser finanzielle Beihilfen für junge Menschen vor, die ein Haus in einem dünn besiedelten Gebiet kaufen, sowie Zuschüsse für die Renovierung von Wohnungen für besonders schutzbedürftige Menschen. Die schwedische Regierung hat zusätzliche Mittel bereitgestellt, um gemeinnützige Organisationen bei der Bekämpfung der Obdachlosigkeit unter jungen Erwachsenen zu unterstützen.

Die Dynamik der Rentenreformen richtet sich zunehmend auf die Bewältigung der Angemessenheitsproblematik. Obwohl Maßnahmen zur Verbesserung der finanziellen Tragfähigkeit in vielen Mitgliedstaaten noch immer weit oben auf der Tagesordnung stehen, ist dieser Prozess mit Maßnahmen verknüpft, mit denen der Umfang des Altersvorsorgesystems angepasst wird, um auf einige zentrale Herausforderungen des Arbeitsmarktes und des Rentensystems zu reagieren: Sicherung der Angemessenheit der Renten, Verbindung von Beschäftigung und Rente sowie die individuelle Anpassung von Rentenansprüchen an bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern.

Einige Mitgliedstaaten konzentrieren sich weiterhin auf die Neuordnung der Rentendauer im Einklang mit der Lebenserwartung. Im Zuge der Reform von 2017 wurde in der Tschechischen Republik beispielsweise die laufende Erhöhung des Renteneintrittsalters bis 2030 auf 65 Jahre begrenzt. Danach soll es an die Lebenserwartung geknüpft sein, obwohl weitere Rechtsvorschriften erforderlich sind, um diese Verknüpfung umzusetzen. Weitere Länder erhöhen die Anforderungen an die Dauer der Erwerbstätigkeit. In Litauen erhöht sich die Dauer der Beitragszeiten zum Beispiel schrittweise von 30 Jahren im Jahr 2017 auf 35 Jahre im Jahr 2027. Im Gegensatz dazu führte Polen per Oktober 2017 wieder ein niedrigeres, differenziertes Renteneintrittsalter für Männer und Frauen ein (65 bzw. 60 Jahre). Dies führte zu einem steilen Anstieg bei der Inanspruchnahme von Rentenbezügen, wobei die neu bewilligten Renten für Frauen im Schnitt viel niedriger ausfallen als für Männer. 119

Im Rahmen der Rentenreform dienen mehr Maßnahmen zur Armutsminderung (z. B. Mindestgarantien) und zur Verbesserung der Einkommenssicherung (z. B. günstigere Indexierung, Erweiterung der Rolle von Zusatzrenten). Lettland, Malta und Rumänien haben die steuerfreien Mindestbeträge angehoben, was den Empfängern niedrigerer Renten zugutekommen sollte. In Bulgarien, Polen und Rumänien, wo im Jahr 2017 eine deutliche Rentenerhöhung von 30 % gewährt wurde, haben sich die Mindestrenten erhöht. Es wurden weitere Maßnahmen wie zusätzliche Sicherungsmaßnahmen für Rentner mit langem Erwerbsleben ergriffen. Beispielsweise hob Österreich im Jahr 2017 die Mindestrente für Personen, die mindestens 30 Jahre lang Beiträge entrichtet haben, von 883 EUR auf 1 000 EUR pro Monat an. 120  

In einigen Mitgliedstaaten besteht ein Leitprinzip inzwischen darin, durch eine bessere Koordinierung und eine verstärkte Rolle der medizinischen Grundversorgung die Wirksamkeit der Gesundheitsversorgung zu verbessern. In Estland sollen mithilfe von aktuellen Plänen für Gesundheitszentren und Krankenhausnetzwerken multidisziplinäre Teams geschaffen werden, um die Rolle des Hausarztes gegenüber dem Facharzt neu zu definieren und die Ausbildung zu verbessern. Irland erhöht seine Kapitalausgaben unter anderem durch die Einrichtung von Zentren für die medizinische Grundversorgung im ganzen Land. Bulgarien und Frankreich stellten im Herbst 2018 grundlegende Reformvorschläge für das Gesundheitssystem vor, darunter eine wirksamere stationäre Heilbehandlung und eine bessere Integration der Pflege. In der Slowakei setzen sich die Bemühungen fort, die schwache vorgelagerte Rolle der Ärzte für Allgemeinmedizin zu stärken und unnötige Überweisungen an Fachärzte zu vermeiden. In Lettland werden Praxen für die medizinische Grundversorgung in größere Gesundheitszentren mit drei bis sechs Hausärzten, mindestens zwei Krankenpflegern und möglicherweise weiteren Fachärzten als Teil des Teams umgewandelt. Diese Umstellung dauert ebenso an wie die Reformen zur Neuausrichtung der stationären Leistungen in Krankenhäusern. In Kroatien sollte sich die Qualität der Dienstleistungen durch die funktionale Eingliederung der Krankenhäuser (noch in der Pilotphase) verbessern, zu Einsparungen und finanzieller Stabilität führen sowie das Sicherheitsniveau und die Zufriedenheit der Patienten erhöhen. In Österreich werden bis 2021 75 Zentren mit interdisziplinären Teams eröffnet.

Es werden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im Gesundheitswesen zu verbessern. In Italien wurden die Kompetenzen von Allgemeinmedizinern, Fachärzten und Krankenpflegern zusammengelegt, um die Gesellschaft entsprechend zu versorgen. Auch in Ungarn und Schweden liegt ein zentraler Schwerpunkt auf dem Aufbau des Qualifikationsangebots im Gesundheitswesen und auf der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Gehälter. In Rumänien wurden die Bruttogehälter von Ärzten und Krankenpflegern zum 1. März 2018 deutlich erhöht (um 70 % bis 172 %). In Lettland plant die Regierung bis 2023 eine erhebliche Erhöhung der Gehälter von Angehörigen der Gesundheitsberufe um nahezu das Dreifache. In Lettland, Polen, Portugal und Rumänien werden mit Unterstützungsmaßnahmen Anreize für Mediziner und Krankenpfleger geschaffen, eine Beschäftigung in Stadtrand- oder ländlichen Gebieten aufzunehmen.

Zu den spezifischen Maßnahmen zur Verbesserung des Zugangs zur Gesundheitsversorgung zählt die Reduzierung der Selbstzahlungen in einigen Mitgliedstaaten, insbesondere der Selbstbeteiligung. Ein Beispiel hierfür ist Zypern, das im Jahr 2017 eine wichtige Reform verabschiedet hat, um unter anderem bis 2020 einen universellen Zugang zur Gesundheitsversorgung bereitzustellen. In Estland wurde die zusätzliche Rückerstattung von Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel ab 2018 erweitert. In Litauen wurden im Jahr 2017 einige Maßnahmen ergriffen, um die Selbstzahlungen für Medikamente zu begrenzen und die Transparenz der Arzneimittelpolitik zu erhöhen. Zu diesen Maßnahmen zählten eine Senkung der Mehrwertsteuer auf teure Arzneimittel und Obergrenzen für die Differenz zwischen dem Preis, zu dem Medikamente Apotheken angeboten werden, und ihren Referenzpreisen, die Förderung von Generika und der rationelle Einsatz von Arzneimitteln.

Einige Mitgliedstaaten verfolgen für die Langzeitpflege einen ganzheitlichen Ansatz. Bulgarien hat einen Aktionsplan zur Umsetzung der nationalen Strategie für die Langzeitpflege genehmigt, zu dem unter anderem die Stärkung des institutionellen Rahmens zur Bereitstellung und zum Aufbau von integrierten Sozialdiensten zählt. Polen hat eine sozialpolitische Maßnahme für ältere unterhaltsberechtigte Menschen entworfen, die auf einem System der Unterstützung für informelle Pflegepersonen durch öffentliche Einrichtungen und einem Netzwerk an Gemeinschaftseinrichtungen und institutionellen Diensten beruht.

Die Mitgliedstaaten schlagen unterschiedliche politische Optionen zur Erhöhung der Zahl an Pflegepersonen vor. Die Tschechische Republik genehmigte für informelle Pflegepersonen, die unterhaltsberechtigte Personen pflegen, einen Anspruch auf Sonderurlaub (bezahlter Urlaub von bis zu drei Monaten). Estland bietet angestellten Pflegepersonen (Verwandter, Ehepartner, eingetragener Lebenspartner oder Pflegeperson) die Möglichkeit, jährlich zusätzlich fünf Tage an bezahltem Pflegeurlaub zu nehmen. In Deutschland wird die schulische und berufliche Ausbildung der Pflegekräfte reformiert, um einen gemeinsamen Lehrplan sowie eine einheitliche Ausbildung für Pflegekräfte im Gesundheitswesen, bei der Kinderkrankenpflege und Langzeitpflege festzulegen und dem Arbeitskräftemangel entgegenzuwirken.



ANHÄNGE

Anhang 1. Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Niveaus

Quelle: Eurostat.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet.

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen).



Anhang 1 (Fortsetzung). Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Niveaus

Quelle: Eurostat, OECD.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet. Das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf bemisst sich nach den „unbereinigten Einkünften“ (d. h. ohne soziale Sachtransfers) ohne Berichtigung nach Kaufkraftstandards. Das Nettoeinkommen eines alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten mit Durchschnittslohn sollte in Verbindung mit anderen Indikatoren wie der Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit, dem Verhältnis zwischen dem fünften und dem ersten Zehntel der Lohnverteilung (D5/D1) und anderen einschlägigen Indikatoren des gemeinsamen Bewertungsrahmens und der Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und im Bereich des Sozialschutzes gelesen und ausgelegt werden. Für diesen Indikator werden Durchschnittswerte für einen Dreijahreszeitraum verwendet, um kurzfristige Schwankungen auszugleichen.

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen).



Anhang 1 (Fortsetzung). Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Niveaus

Quelle: Eurostat.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet.

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen).



Anhang 2. Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Veränderung und Abstand zum EU-Durchschnitt

Quelle: Eurostat.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet. Am 26. Oktober 2018 liegen keine Schätzungen der statistischen Signifikanz von Änderungen der AKE-Indikatoren und der SILC-basierten Indikatoren vor.    

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen).



Anhang 2 (Fortsetzung). Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Veränderung und Abstand zum EU-Durchschnitt

Quelle: Eurostat, OECD.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet. Das verfügbare Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf bemisst sich nach den „unbereinigten Einkünften“ (d. h. ohne soziale Sachtransfers) ohne Berichtigung nach Kaufkraftstandards. Das Nettoeinkommen eines alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten mit Durchschnittslohn sollte in Verbindung mit anderen Indikatoren wie der Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit, dem Verhältnis zwischen dem fünften und dem ersten Zehntel der Lohnverteilung (D5/D1) und anderen einschlägigen Indikatoren des gemeinsamen Bewertungsrahmens und der Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und im Bereich des Sozialschutzes gelesen und ausgelegt werden. Für diesen Indikator wird der Abstand zum EU-Durchschnitt in Kaufkraftstandards (KKS) ausgedrückt, während die Veränderungen als reale Werte in der nationalen Währung angegeben werden. Zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen wird sowohl für die Stufen als auch für die Veränderungen jeweils ein Dreijahresdurchschnitt verwendet. Am 26. Oktober 2018 liegen keine Schätzungen der statistischen Signifikanz von Änderungen der AKE-Indikatoren und der SILC-basierten Indikatoren vor.    

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen).



Anhang 2 (Fortsetzung). Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards, Veränderung und Abstand zum EU-Durchschnitt

Quelle: Eurostat.

Anmerkung: EU (nicht gewichtet) und ER (nicht gewichtet) beziehen sich auf die ungewichteten Durchschnittswerte für die EU bzw. das Euro-Währungsgebiet.

Kennzeichnungen – b: Zeitreihenbrüche; e: geschätzt; p: vorläufig; u: von geringer Zuverlässigkeit (geringe Anzahl von Beobachtungen). Am 26. Oktober 2018 liegen keine Schätzungen der statistischen Signifikanz von Änderungen der AKE-Indikatoren und der SILC-basierten Indikatoren vor.    



Anhang 3 Hinweise zur Methodik der Ermittlung von Trends und Werten im Scoreboard

Mitte 2015 vereinbarten die Europäische Kommission, der Ausschuss für Beschäftigung und der Ausschuss für Sozialschutz eine Methodik zur Bewertung der Leistung der Mitgliedstaaten anhand des Scoreboards beschäftigungs- und sozialpolitischer Schlüsselindikatoren. Der Vereinbarung zufolge soll die Methodik für jeden Indikator eine Messgröße für das relative Abschneiden jedes Mitgliedstaats innerhalb der Verteilung der Indikatorwerte (Ergebnisse) der EU liefern. Die Methode wird sowohl auf die Jahreswerte (Werte) als auch auf die Veränderungen im Jahresvergleich (Veränderungen) angewandt, sodass die Leistung der Mitgliedstaaten ganzheitlich bewertet werden kann. 121

2017 hatte die Kommission in Abstimmung mit dem Ausschuss für Beschäftigung und dem Ausschuss für Sozialschutz beschlossen, die Methodik auf das die europäische Säule sozialer Rechte begleitende sozialpolitische Scoreboard anzuwenden.

Zu jedem Indikator werden Werte und Veränderungen in standardisierte Ergebnisse (auch „Z-Scores“ genannt) umgewandelt, um auf alle Indikatoren die gleiche Metrik anzuwenden. Hierzu werden die Rohdaten der Werte wie auch der Veränderungen nach der folgenden Formel standardisiert:

Anschließend werden die Verteilungen der Ergebnisse (getrennt für Werte und Veränderungen) analysiert. Dadurch kann zu jedem Mitgliedstaat der zugehörige Rohindikatorwert als Vielfaches der Standardabweichung vom (ungewichteten) Mittelwert angegeben werden. Die Leistung jedes Mitgliedstaates wird anhand der sich ergebenden Z-Scores im Vergleich zu festgelegten Schwellenwerten, die als Vielfaches der Standardabweichung festgelegt werden, bewertet und eingestuft.

Das Hauptproblem bei diesem Ansatz ist die Festlegung von Abschneidepunkten. Da zur Verteilung der beobachteten Rohwerte 122 keine parametrische Annahme formuliert werden kann, wird bei der Wahl der Schwellenwerte üblicherweise auf Näherungswerte gesetzt. Gemäß der Analyse der im Scoreboard verwendeten Schlüsselindikatoren wurde das folgende Vorgehen vereinbart:

1.Werte unter -1 gelten als sehr gute Leistung.

2.Werte zwischen -1 und -0,5 gelten als gute Leistung.

3.Werte zwischen -0,5 und 0,5 gelten als neutrale Leistung.

4.Werte zwischen 0,5 und 1 gelten als schlechte Leistung.

5.Werte über 1 gelten als sehr schlechte Leistung. 123

Tabelle 4: Z-Score-Schwellenwerte

 

Z-Score-Schwellenwerte

-1,0

- 0,5

0

0,5

1,0

(niedriger als)

(niedriger als)

(zwischen)

(höher als)

(höher als)

Bewertung

Werte

sehr niedrig

niedrig

durchschnitt-lich

hoch

sehr hoch

 

 

Veränderungen

weit unterdurch-schnittlich

unterdurch-schnittlich

durchschnitt-lich

überdurch-schnittlich

weit überdurch-schnittlich



Durch Verknüpfen der Bewertung der Werte und der Veränderungen kann sodann anhand der folgenden sieben Kategorien die Gesamtleistung eines Landes in Bezug auf den jeweiligen Indikator eingestuft werden. Die Farbcodierung spiegelt sich in den betreffenden Zahlen im Hauptteil des Berichts wider.

Die nachfolgenden Tabellen liefern die Einstufung auf Grundlage von Z-Scores zu jenen Indikatoren, bei denen ein niedriger Wert als gute Leistung eingestuft wird (z. B. Arbeitslosenquote, Quote der von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohten Personen usw.).

Beste Leistung

Werte unter -1,0 und Veränderungen von weniger als 1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte weit über dem EU-Durchschnitt liegen und in denen sich die Lage viel schneller verbessert bzw. nicht viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Überdurchschnittlich

Werte zwischen -1,0 und -0,5 und Veränderungen von weniger als 1 oder Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen von weniger als -1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte über dem EU-Durchschnitt liegen und in denen sich die Lage viel schneller verbessert bzw. nicht viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Gut, aber zu beobachten

Werte unter -0,5 und Veränderungen von mehr als 1,0 und Veränderung von mehr als 0 124

Mitgliedstaaten, in denen die Werte über bzw. weit über dem EU-Durchschnitt liegen, in denen sich die Lage aber sehr viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Durchschnittlich/neutral

Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen zwischen -1,0 und 1,0

Mitgliedstaaten mit durchschnittlichen Werten, in denen sich die Lage weder viel schneller als im EU-Durchschnitt verbessert noch viel schneller verschlechtert

Schwach, aber mit Aufwärtstrend

Werte über 0,5 und Veränderungen von weniger als -1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte unter bzw. weit unter dem EU-Durchschnitt liegen, aber sich die Lage viel schneller verbessert als im EU-Durchschnitt

Zu beobachten

Werte zwischen 0,5 und 1,0 und Veränderungen von mehr als -1,0 oder Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen von mehr als 1,0 (und Veränderung von mehr als 0 125 )

In dieser Kategorie sind zwei Fälle zu unterscheiden: i) Mitgliedstaaten, in denen die Werte unter dem EU-Durchschnitt liegen und sich die Lage verschlechtert oder nicht schnell genug verbessert; ii) Mitgliedstaaten, in denen die Werte dem EU-Durchschnitt entsprechen, aber sich die Lage sehr viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt.

Kritische Lage

Werte über 1,0 und Veränderungen von mehr als -1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte weit unter dem EU-Durchschnitt liegen und sich die Lage verschlechtert bzw. nicht schnell genug verbessert

Die nachfolgenden Tabellen liefern die Einstufung auf Grundlage von Z-Scores zu jenen Indikatoren, bei denen ein hoher Wert als gute Leistung eingestuft wird (z. B. Beschäftigungsquote, Inanspruchnahme von Angeboten der Kinderbetreuung usw.).

Beste Leistung

Werte über 1,0 und Veränderungen von mehr als -1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte weit über dem EU-Durchschnitt liegen und in denen sich die Lage viel schneller verbessert bzw. nicht viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Überdurchschnittlich

Werte zwischen 1,0 und 0,5 und Veränderungen von mehr als -1,0 oder Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen von mehr als 1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte über dem EU-Durchschnitt liegen und in denen sich die Lage viel schneller verbessert bzw. nicht viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Gut, aber zu beobachten

Werte von mehr als 0,5 und Veränderungen von weniger als -1,0 und Veränderung von weniger als 0 126

Mitgliedstaaten, in denen die Werte über bzw. weit über dem EU-Durchschnitt liegen, in denen sich die Lage aber sehr viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt

Durchschnittlich/neutral

Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen zwischen -1,0 und 1,0

Mitgliedstaaten mit durchschnittlichen Werten, in denen sich die Lage weder viel schneller als im EU-Durchschnitt verbessert noch viel schneller verschlechtert

Schwach, aber mit Aufwärtstrend

Werte von unter -0,5 und Veränderungen von mehr als 1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte unter bzw. weit unter dem EU-Durchschnitt liegen, aber sich die Lage viel schneller verbessert als im EU-Durchschnitt

Zu beobachten

Werte zwischen -0,5 und -1,0 und Veränderungen von weniger als 1,0 oder Werte zwischen -0,5 und 0,5 und Veränderungen von weniger als -1,0 (und Veränderung von weniger als 0 127 )

In dieser Kategorie sind zwei Fälle zu unterscheiden: i) Mitgliedstaaten, in denen die Werte unter dem EU-Durchschnitt liegen und sich die Lage verschlechtert oder nicht schnell genug verbessert; ii) Mitgliedstaaten, in denen die Werte dem EU-Durchschnitt entsprechen, aber sich die Lage sehr viel schneller verschlechtert als im EU-Durchschnitt.

Kritische Lage

Werte von unter 1,0 und Veränderungen von weniger als 1,0

Mitgliedstaaten, in denen die Werte weit unter dem EU-Durchschnitt liegen und sich die Lage verschlechtert bzw. nicht schnell genug verbessert

Übersicht über die Abschneidepunkte

sehr niedrig

niedrig

durchschnittlich

hoch

sehr hoch

Frühe Schulabgänger und Ausbildungsabgänger:

(% der Bevölkerung im Alter von 18-24 Jahren)

Werte

unter 5,4 %

unter 7,4 %

zwischen 7,4 % und 11,4 %

über 11,4 %

über 13,4 %

Veränderungen

weniger als -1,0 Prozentpunkte

weniger als -0,5 Prozentpunkte

zwischen -0,5 Prozentpunkten und 0,4 Prozentpunkten

mehr als 0,4 Prozentpunkte

mehr als 0,8 Prozentpunkte

Geschlechtsspezifisches Beschäftigungsgefälle (Prozentpunkte)

Werte

weniger als 5,2 Prozentpunkte

weniger als 7,8 Prozentpunkte

zwischen 7,8 Prozentpunkten und 13,2 Prozentpunkten

mehr als 13,2 Prozentpunkte

mehr als 15,9 Prozentpunkte

Veränderungen

weniger als -1,0 Prozentpunkte

weniger als -0,5 Prozentpunkte

zwischen -0,5 Prozentpunkten und 0,4 Prozentpunkten

mehr als 0,4 Prozentpunkte

mehr als 0,9 Prozentpunkte

Einkommensquintil (S80/S20)

Werte

unter 3,7

unter 4,3

zwischen 4,3 und 5,6

über 5,6

über 6,2

Veränderungen

unter -0,3

unter -0,2

zwischen -0,2 und 0,0

über 0,0

über 0,2

Von Armut und sozialer Ausgrenzung bedrohte Personen (%)

Werte

unter 16,1 %

unter 19.5 %

zwischen 19,5 % und 26,3 %

über 26,3 %

über 29,7 %

Veränderungen

weniger als -1,9 Prozentpunkte

weniger als -1,4 Prozentpunkte

zwischen -1,4 Prozentpunkten und -0,5 Prozentpunkten

mehr als -0,5 Prozentpunkte

mehr als 0,0 Prozentpunkte

NEET-Quote bei jungen Menschen (% an der Gesamtbevölkerung im Alter zwischen 15 und 24 Jahren)

Werte

unter 6,5 %

unter 8,4 %

zwischen 8,4 % und 12,3 %

über 12,3 %

über 14,2 %

Veränderungen

weniger als -1,5 Prozentpunkte

weniger als -1,1 Prozentpunkte

zwischen -1,1 Prozentpunkten und -0,2 Prozentpunkten

mehr als -0,2 Prozentpunkte

mehr als 0,2 Prozentpunkte

Beschäftigungsquote (% Bevölkerung im Alter 20-64 Jahre)

Werte

unter 67,0 %

unter 69,8 %

zwischen 69,8 % und 75,3 %

über 75,3 %

über 78,0 %

Veränderungen

weniger als 0,5 Prozentpunkte

weniger als 1,0 Prozentpunkte

zwischen 1,0 Prozentpunkten und 1,9 Prozentpunkten

mehr als 1,9 Prozentpunkte

mehr als 2,4 Prozentpunkte

Arbeitslosenquote (% der Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 74)

Werte

unter 3,6 %

unter 5,6 %

zwischen 5,6 % und 9,6 %

über 9,6 %

über 11,7 %

Veränderungen

weniger als -1,7 Prozentpunkte

weniger als -1,4 Prozentpunkte

zwischen -1,4 Prozentpunkten und -0,8 Prozentpunkten

mehr als -0,8 Prozentpunkte

mehr als -0,4 Prozentpunkte

Langzeitarbeitslosenquote (% der Erwerbsbevölkerung zwischen 15 und 74)

Werte

unter 0,5 %

unter 1,9 %

zwischen 1,9 % und 4,8 %

über 4,8 %

über 6,3 %

Veränderungen

weniger als -1,3 Prozentpunkte

weniger als -1,0 Prozentpunkte

zwischen -1,0 Prozentpunkten und -0,4 Prozentpunkten

mehr als -0,4 Prozentpunkte

mehr als -0,1 Prozentpunkte

Reales verfügbares Bruttoeinkommen der Haushalte pro Kopf (Index 2008 = 100)

Werte

unter 90,7

unter 97,1

zwischen 97,1 und 110,0

über 110,0

über 116,4

Veränderungen

weniger als 0,0 Prozentpunkte

weniger als 1,6 Prozentpunkte

zwischen 1,6 Prozentpunkten und 4,8 Prozentpunkten

mehr als 4,8 Prozentpunkte

mehr als 6,3 Prozentpunkte

Nettoeinkommen eines alleinstehenden Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen (Werte in KKS, Veränderungen in Landeswährung in realen Werten)

Werte

unter 12,559

unter 16,115

zwischen 16,115 und 23,228

über 23,228

über 26,784

Veränderungen

weniger als -0,1 %

weniger als 1,2 %

zwischen 1,2 % und 3,9 %

mehr als 3,9 %

mehr als 5,2 %

Auswirkungen sozialer Transferleistungen (ausgenommen Rentenzahlungen) bei der Armutsbekämpfung (%)

Werte

unter 22,0 %

unter 27,7 %

zwischen 27,7 % und 39,2 %

über 39,2 %

über 44,2 %

Veränderungen

weniger als -3,1 Prozentpunkte

weniger als -1,5 Prozentpunkte

zwischen -1,5 Prozentpunkten und 1,9 Prozentpunkten

mehr als 1,9 Prozentpunkte

mehr als 3,5 Prozentpunkte

Kinder unter 3 Jahren in formeller Kinderbetreuung (%)

Werte

unter 12,8 %

unter 21,4 %

zwischen 21,4 % und 38,4 %

über 38,4 %

über 46,9 %

Veränderungen

weniger als -3,6 Prozentpunkte

weniger als -0,9 Prozentpunkte

zwischen -0,9 Prozentpunkten und 4,6 Prozentpunkten

mehr als 4,6 Prozentpunkte

mehr als 7,4 Prozentpunkte

Nach eigenen Angaben nicht gedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung (%)

Werte

unter 0,4 %

unter 1,0 %

zwischen 1,0 % und 3,9 %

über 3,9 %

über 5,4 %

Veränderungen

weniger als -2,2 Prozentpunkte

weniger als -1,5 Prozentpunkte

zwischen -1,5 Prozentpunkten und 0,0 Prozentpunkten

mehr als 0,0 Prozentpunkte

mehr als 0,7 Prozentpunkte

Personen mit grundlegender oder mehr als grundlegender digitaler Kompetenz (% der Bevölkerung im Alter von 16-74 Jahren)

Werte

unter 43,4 %

unter 50,4 %

zwischen 50,4 % und 64,3 %

über 64,3 %

über 71,3 %

Veränderungen

weniger als -3,0 Prozentpunkte

weniger als -0,9 Prozentpunkte

zwischen -0,9 Prozentpunkten und 3,5 Prozentpunkten

mehr als 3,5 Prozentpunkte

mehr als 5,6 Prozentpunkte

Anhang 4: Gesamtüberblick über die „zu beobachtenden Beschäftigungstrends“ und die Zahl der Mitgliedstaaten, in denen Verschlechterungen oder Verbesserungen zu verzeichnen sind, gemäß dem Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich 2018.

Anmerkung: Veränderungen von 2016 auf 2017, außer bei Armutsgefährdungsquote von Arbeitslosen sowie Arbeitslosigkeitsfalle und Geschlechtergefälle bei der Entlohnung, dort Veränderungen von 2015 auf 2016.



Anhang 5: Gesamtüberblick über die „zu beobachtenden sozialen Trends“ und die Zahl der Mitgliedstaaten, in denen Verschlechterungen oder Verbesserungen zu verzeichnen sind (2015-2016), gemäß dem Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes (aktualisierte Fassung von August 2018).

Anmerkung: Bei auf EU-SILC gestützten Indikatoren beziehen sich die für den Zeitraum 2015-2016 angegebenen Veränderungen in der Regel auf den Zeitraum 2014-2015 bzgl. der Indikatoren zum Einkommen und zur Erwerbsintensität des Haushalts; Gleiches gilt für den Indikator zum ungedeckten Bedarf an medizinischer Versorgung. Bei AKE-gestützten Indikatoren (Langzeitarbeitslosenquote; frühe Schulabgänger; Jugendarbeitslosenquote; NEET (15-24 Jahre), Frühverrentung (55-64 Jahre)) und dem Indikator zur erheblichen materiellen Deprivation (endgültige Werte bzgl. 2017 liegen zu mehreren Mitgliedstaaten im August 2018 noch nicht vor) beziehen sich die Veränderungen auf den Zeitraum 2016-2017.

(1)

Der Rat der Europäischen Union hat im Juli 2018 überarbeitete beschäftigungspolitische Leitlinien angenommen; damit wurden die Leitlinien mit der europäischen Säule sozialer Rechte in Einklang gebracht (Beschluss (EU) 2018/1215 des Rates vom 16. Juli 2018 zu Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten).

(2)

Angaben zur Gesamtbeschäftigung aus den volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (Inlandskonzept), andere Daten aus der Arbeitskräfteerhebung. Im vorliegenden Abschnitt werden durchweg saisonbereinigte Quartalszahlen betrachtet.

(3)

In ihrer Mitteilung „Stärkung der europäischen Identität durch Bildung und Kultur“ vom 14. November 2017 (COM(2017) 673 final) nennt die Kommission das Ziel, den Anteil der frühen Schulabgänger bis 2025 auf 5 % zu senken.

(4)

Weitere Einzelheiten finden sich in Europäische Kommission (2018): „Employment and Social Developments in Europe: Annual Review 2018“ (in englischer Sprache).

(5)

In der Dienstleistungsbranche verzeichneten Informations- und Kommunikationsdienstleistungen den größten prozentualen Anstieg, gefolgt von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen sowie sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen (um jeweils 3,4 % und 2,9 % im Jahr 2017). Im Gegensatz dazu ergab sich bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen ein Rückgang um 0,7 %.

(6)

Bei Menschen, die von Armut und sozialer Ausgrenzung (AROPE) bedroht sind, handelt es sich um Personen, bei denen eine Armutsgefährdung (AROP) besteht und/oder die eine erhebliche materielle Entbehrung (SMD) erfahren und/oder in Haushalten mit sehr geringer Erwerbsintensität (VLWI) leben. Menschen, die von Armut bedroht sind, leben in einem Haushalt, dessen verfügbares Äquivalenzeinkommen weniger als 60 % des landesweit ermittelten Median-Äquivalenzeinkommens beträgt. Menschen gelten als unter erheblicher materieller Entbehrung leidend, wenn sie in einem Haushalt leben, der sich nicht wenigstens vier der folgenden Punkte leisten kann: 1) pünktliche Begleichung der Miete oder Hypothek und der Rechnungen für Versorgungsleistungen; 2) angemessene Beheizung der Wohnung; 3) Bewältigen von unerwarteten Ausgaben; 4) Verzehr von Fleisch, Fisch oder einer vegetarischen Entsprechung mindestens alle zwei Tage; 5) jedes Jahr eine Woche Urlaub außerhalb der eigenen Wohnung; 6) Zugang zu einem Auto zum privaten Gebrauch; 7) Besitz einer Waschmaschine; 8) Besitz eines Farbfernsehers und 9) Besitz eines Telefons. Menschen, die in einem Haushalt mit sehr geringer Erwerbsintensität leben, d. h. (Quasi-)Erwerbslosenhaushalte, sind Personen im Alter von 0 bis 59 Jahren, die in einem Haushalt leben, in dem die Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter (18 bis 59 Jahre) im vergangenen Jahr weniger als 20 % ihres Gesamtarbeitspotenzials ausgeschöpft haben.

(7)

Die Einkommensstatistiken der EU-SILC beziehen sich auf das vorangegangene Finanzjahr, außer beim Vereinigten Königreich (Erhebungsjahr) und Irland (Einkommen der 12 Monate vor der Erhebung).

(8)

Die Daten aus der EU-SILC betreffen in den meisten Mitgliedstaaten die im Vorjahr verzeichneten Einkommen (also 2016 für SILC 2017, siehe auch Fußnote 7), während die von Eurostat veröffentlichten Schnellschätzungen bei den meisten Mitgliedstaaten für die im Jahr 2017 erfasste Einkommenslage auf Verbesserungen beim Armutsgefährdungsindikator sowie beim Einkommensquintil S80/S20 der Einkommensungleichheit hinweisen (also für 2018 veröffentlichte Indikatoren).

(9)

Geschäftsbericht des Ausschusses für Sozialschutz 2018.

(10)

 Geschäftsbericht des Ausschusses für Sozialschutz 2018.

(11)

SWD(2017) 200 final, Begleitunterlage zur Mitteilung der Kommission COM(2017) 250 final vom 26. April 2017.

(12)

 Der Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und der Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes sind jährliche Berichte, die jeweils vom Beschäftigungsausschuss und vom Ausschuss für Sozialschutz erstellt werden. Sie dienen der Ermittlung zu beobachtender Entwicklungen, zentraler beschäftigungsbezogener und sozialer Herausforderungen in den Mitgliedstaaten und der Überwachung des Fortschritts in Richtung der Ziele von Europa 2020 für die Beschäftigung und Armutsbekämpfung.

(13)

Im gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2018 waren auf Antrag des Beschäftigungsausschusses und des Ausschusses für Sozialschutz (sowie deren Untergruppen „Indikatoren“) aufgrund technischer Bedenken zwei Leitindikatoren aus dem Bereich „dynamische Arbeitsmärkte und faire Arbeitsbedingungen“ („Teilnehmer an aktiven arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen pro 100 an einer Arbeitsaufnahme interessierte Personen“ und „Arbeitnehmerentgelte pro geleistete Arbeitsstunde, in Euro“) nicht in der zusammenfassenden Tabelle enthalten und wurden in der nachfolgenden Analyse nicht als Leitindikatoren des Scoreboards vorgestellt. Nach den Gesprächen im September 2018 haben sich die Ausschüsse darauf verständigt, diese Indikatoren durch alternative Indikatoren („Langzeitarbeitslosenquote“ und „Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen“) zu ersetzen. Diese Indikatoren, die insbesondere mit den Grundsätzen der Säulen zu „Aktive Unterstützung für Beschäftigung“ und „Löhne und Gehälter“ in Verbindung stehen, kommen in der Analyse des aktuellen gemeinsamen Beschäftigungsberichts zum Einsatz.

(14)

Wie von den Ausschüssen verlangt werden zur Messung dieses Indikators die „unbereinigten Einkünfte“ (d. h. ohne Berücksichtigung sozialer Sachtransfers) unter Verzicht auf die Bezugnahme auf Kaufkraftstandards herangezogen.

(15)

Die Stufen dieses Indikators sind als Kaufkraftstandards ausgedrückt, die Veränderungen sind als reale Werte in der nationalen Währung angegeben. Zum Ausgleich kurzfristiger Schwankungen wird sowohl für die Stufen als auch für die Veränderungen jeweils ein Dreijahresdurchschnitt verwendet. Dieser Indikator sollte in Verbindung mit anderen Indikatoren wie der Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit, dem Verhältnis des fünften Zehntels zum ersten Zehntel der Gehaltsskala (D5/D1) und sonstigen relevanten Indikatoren wie dem Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und des Sozialschutzes sowie des gemeinsamen Bewertungsrahmens betrachtet und ausgewertet werden.

(16)

Diese wird als Differenz innerhalb der Gesamtbevölkerung zwischen dem Anteil der armutsgefährdeten Personen vor und nach dem Erhalt sozialer Transferleistungen gemessen.

(17)

Eine Ausnahme bilden das verfügbare Bruttoeinkommen der privaten Haushalte, das als Indexwert (Basis: 2008 = 100, um der Veränderung im Vergleich zu der Zeit vor der Krise Rechnung zu tragen) gemessen wird und sich im aktuellen Jahr ändert, und das Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen, für das in Abstimmung mit dem Beschäftigungsausschuss und dem Ausschusses für Sozialschutz drei Jahresdurchschnitte herangezogen werden.

(18)

Der Stichtag für die Extraktion der Leitindikatoren des sozialpolitischen Scoreboards ist der 26. Oktober 2018. Eine Aktualisierung wird in der endgültigen Fassung des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts enthalten sein, zu billigen vom Rat (Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz).

(19)

Diese Anhaltspunkte beziehen sich außer für den Indikator „Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen“, für den ein ungewichteter Durchschnittswert zur Anwendung kommt, auf die gewichteten EU-Durchschnittswerte.

(20)

Der Aufwärtstrend bestätigt sich, wenn die beiden neuen Indikatoren („Langzeitarbeitslosenquote“ und „Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen“) von der Zählung ausgenommen werden, um einen Vergleich der gleichen Reihe an Indikatoren zu ermöglichen. In diesem Fall liegt der Gesamtanteil der mit „kritische Lage“, „zu beobachten“ oder „schwach, aber mit Aufwärtstrend“ eingestuften Fälle an der Gesamtzahl an Bewertungen weiterhin bei 31 % und der Anteil der mit „kritischer Lage“ eingestuften Fälle erhöht sich leicht auf 11 %.

(21)

 Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden. Vorgelegt von Jean-Claude Juncker, in enger Zusammenarbeit mit Donald Tusk, Jeroen Dijsselbloem, Mario Draghi und Martin Schulz, 22. Juni 2015.

(22)

COM(2017) 291 final.

(23)

COM(2017) 250 final.

(24)

 Beschluss 2018/1215/EU des Rates vom 16. Juli 2018 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten.

(25)

Einschließlich Datenbank LABREF, aufrufbar unter http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1143&intPageId=3193&langId=de.

(26)

Europäische Kommission (2018): Labour Market and Wage Developments in Europe. Annual Review 2018 (in englischer Sprache). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=738&langId=de&pubId=8139&furtherPubs=yes

(27)

Europäische Kommission (2018): Employment and Social Developments in Europe. Annual Review 2018 (in englischer Sprache). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. Abrufbar unter: http://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=738&langId=de&pubId=8110&furtherPubs=yes

(28)

Bei Betrachtung der Zahlen des sozialpolitischen Scoreboards nach der gemeinsamen Methodik folgt der Bericht dem Konzept einer sich stufenweise vollziehenden Konvergenz (auch als „Beta-Konvergenz“ bezeichnet). Dies geschieht mit Verweis auf Situationen, in denen sich Indikatoren in Ländern mit schlechteren Leistungsdaten rascher als in solchen der Kategorie „beste Leistung“ verbessern. Eine Einschätzung lässt sich anhand eines Blicks auf die Neigung der Regressionsgeraden im Streudiagramm bei Auftragung der Niveaus gegen die Änderungen vornehmen.

(29)

Einzelheiten hierzu finden sich in Kapitel 2 und in Anhang 2.

(30)

Dieser Rückgang ist mit Vorsicht zu interpretieren, da die Beschäftigungsstatistiken für Dänemark einen Zeitreihenbruch in den Jahren 2017 und 2016 aufweisen (siehe auch Anhänge 1 und 2). Auch für Belgien ist für 2017 ein solcher Reihenbruch ausgewiesen.

(31)

Eurostat, AKE.

(32)

IWF (2017), World Economic Outlook, Oktober 2017.

(33)

 Europäische Kommission (2018). Labour Market and Wage Developments in Europe. Annual review 2018. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

(34)

Das Niveau der Nettoeinkommen wird in Kaufkraftstandards gemessen, um einen aussagekräftigen Vergleich der Mitgliedstaaten zu ermöglichen. Die Veränderungen werden in der nationalen Währung und als realer Wert gemessen. Dieser Indikator sollte in Verbindung mit anderen Indikatoren wie der Quote für Armut trotz Erwerbstätigkeit, dem Verhältnis des fünften Zehntels zum ersten Zehntel der Gehaltsskala (D5/D1) und sonstigen relevanten Indikatoren wie dem Anzeiger für die Leistungen im Beschäftigungsbereich und des Sozialschutzes sowie des gemeinsamen Bewertungsrahmens betrachtet und ausgewertet werden.

(35)

Europäische Kommission (2018): Labour Market and Wage Developments in Europe. Annual Review 2018 (in englischer Sprache). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

(36)

Weitere Informationen zu aktuellen Trends, unter anderem auch zu verschiedenen Einkommensschichten, sind dem Dokument „Tax Policies in the European Union – 2018 Survey“ (in englischer Sprache), Europäische Kommission, GD Steuern und Zollunion, zu entnehmen.

(37)

Eurofound (2018): Statutory minimum wages 2018 (in englischer Sprache).

(38)

Dieser Anstieg ist mit Vorsicht zu interpretieren, da die Beschäftigungsstatistiken für Dänemark einen Zeitreihenbruch in den Jahren 2017 und 2016 aufweisen (siehe auch Anhänge 1 und 2). Auch für Belgien und Malta ist für 2017 ein solcher Reihenbruch ausgewiesen.

(39)

Gemäß PISA sind „Schüler mit Leistungsdefiziten“ als 15-jährige Schüler definiert, die bei den Grundkompetenzen unterhalb des Basisniveaus liegen, das erforderlich ist, um in vollem Umfang an der modernen Gesellschaft teilzunehmen (d. h. Niveau 2).

(40)

Die internationale Schulleistungsstudie der OECD (PISA-Studie) für die Grundkompetenzen der 15-jährigen Schüler wird alle drei Jahre durchgeführt.

(41)

Die GD Beschäftigung, Soziales und Integration entwickelte in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und in Abstimmung mit der GD Bildung ein umfassendes Rahmenwerk zum Vergleich der Kompetenzen Erwachsener und der Weiterbildungssysteme für Erwachsene in der EU aus länderübergreifender Sicht. Das Rahmenwerk beruht auf einem dreiteiligen Ansatz, der vom Beschäftigungsausschuss und vom Ausschuss für Sozialschutz im Juni 2017 angenommen wurde. In einem ersten Schritt werden allgemeine zentrale Herausforderungen im Bereich Kompetenzen Erwachsener und Erwachsenenbildung erörtert und eine Reihe von übergeordneten Ergebnisindikatoren ermittelt (Beschäftigungsquoten, Produktivität und Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage). In einem zweiten Schritt wird eine Reihe von Leistungsindikatoren ermittelt, darunter der Anteil an Erwachsenen mit mittleren und hohen Qualifikationen, die Teilnahme der Erwachsenen am Bildungsangebot, IKT-Kompetenzen und der Anteil an Arbeitsplätzen, die mittlere und hohe Qualifikationen erfordern. Als dritter Schritt folgt ein thematischer Ansatz, um die wesentlichen politischen Hebel zu ermitteln, die sich beim Ausbau der Kompetenzen Erwachsener und der Verbesserung der Bildungssysteme als wirksam erweisen: die Bereitstellung von Orientierungshilfen zu Lernangeboten, Initiativen zur Zuführung benachteiligter Gruppen zu Lernangeboten, darunter Arbeitslose und Personen mit geringen Qualifikationen, sowie Maßnahmen, die Unternehmen als Unterstützung und Anreiz dienen, ihr Personal zu schulen. Die letztgenannten Indikatoren werden in diesem Abschnitt vorgestellt.

(42)

Die Daten decken eine Reihe von Dienstleistungen (wie die Bereitstellung von Informationen, Auswertungen, für die Laufbahngestaltung erforderliche Kompetenzen, Orientierungshilfen und Beratungen) ab, die Lernende und/oder potenzielle Lernende dabei unterstützen, eine Wahl in Bezug auf die Bildungs- und Schulungsangebote zu treffen.

(43)

Europäische Kommission (2015): An in-depth analysis of adult learning policies and their effectiveness in Europe (in englischer Sprache).

(44)

Vgl. z. B. ESRI (2012): Literacy, Numeracy and Activation among the Unemployed (in englischer Sprache); Shaw, N., Armistead, C. (2002): Evaluation of the Union Learning Fund Year 4 (in englischer Sprache), London: Department of Education and Skills; Casey, H. et al (2006): You wouldn’t expect a maths teacher to teach plastering: Embedding literacy, language and numeracy in post-16 vocational programmes – the impact on learning and achievement (in englischer Sprache). NRDC.

(45)

Gering qualifizierte Personen sind hier als Personen definiert, die bestenfalls über einen unteren Sekundarschulabschluss verfügen (ISCED-Stufen 0–2).

(46)

Die Daten sind Bestandteil der europäischen Statistiken zum lebenslangen Lernen und umfassen alle drei Arten finanzieller Anreize, nämlich direkte Zuschüsse für Weiterbildungsmaßnahmen, steuerliche Anreize und Einnahmen aus abgabenbasierten Weiterbildungsfonds. Unter anderem liefert die Erhebung Daten zu den Einnahmen der Unternehmen aus Kollektiv- und Anlagefonds oder sonstigen Weiterbildungsfonds sowie sonstiger finanzieller Unterstützung, die sie für die Bereitstellung von Fortbildungsmaßnahmen vom öffentlichen Sektor erhalten.

(47)

Dieser Anstieg ist mit Vorsicht zu interpretieren, da die Beschäftigungstatistiken für Dänemark einen Zeitreihenbruch in den Jahren 2017 und 2016 aufweisen (siehe auch Anhänge 1 und 2). Auch für Belgien, Irland und Malta ist für 2017 ein solcher Reihenbruch ausgewiesen.

(48)

Eurofound (2016): Exploring the Diversity of NEETs (in englischer Sprache), Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg.

(49)

Im Vergleich zu 34,9 % der Männer hatten im Jahr 2017 44,9 % der Frauen im Alter von 30 bis 34 Jahren in der EU einen tertiären Bildungsabschluss (siehe auch weiter vorne in diesem Abschnitt). In allen Mitgliedstaaten fällt die Quote der Personen mit einem solchen Abschluss bei Frauen höher aus als bei Männern.

(50)

Der Bezugsindikator des sozialpolitischen Scoreboards ist das unbereinigte (d. h. nicht nach individuellen Merkmalen, mit denen sich ein Teil der Lohnunterschiede erklären ließe, angepasste) Lohngefälle zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern, welches ein umfassendes Bild von den Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern bei der Bezahlung vermitteln sollte. Forschungsergebnissen zufolge besteht dieses Gefälle selbst unter Berücksichtigung von Unterschieden bei Bildungsabschluss, Berufswahl, Arbeitszeit und sonstigen beobachtbaren Merkmalen (vgl. z. B. http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/gender_pay_gap/2016_factors_gpg_en.pdf).

(51)

Europäische Kommission (2018), „Ageing Report 2018“ (in englischer Sprache), European Economy Institutional Paper 079.

(52)

Die Nichterwerbsfalle für Zweitverdiener bemisst den marginalen effektiven Steuersatz auf das Erwerbseinkommen dieses zweiten Mitglieds eines Paares, das von der Sozialhilfe in die Arbeitswelt wechselt. Die Niedriglohnfalle wird für kinderlose Paare berechnet, bei denen sich das Einkommen des Zweitverdieners von 33 % auf 67 % des Durchschnittslohns erhöht und der Hauptverdiener 100 % des Durchschnittslohns erhält.

(53)

In der EU hatten im Jahr 2014 etwa 20 % der Menschen im Alter von 15 bis 29 Jahren einen Migrationshintergrund und wurden entweder selbst außerhalb der EU geboren oder hatten mindestens einen Elternteil, der im Ausland geboren wurde. Quelle: Eurostat.

(54)

OECD (2017): Catching Up? Intergenerational Mobility and Children of Immigrants (in englischer Sprache).

(55)

Die Beschäftigungsquote der außerhalb der EU Geborenen ist unter denjenigen, die zur Aufnahme eines Studiums oder einer Beschäftigung in die EU gekommen sind, höher (und übertrifft mit 71 % im Jahr 2014 sogar noch diejenige der innerhalb der EU Geborenen) und unter denjenigen, die im Rahmen des Familiennachzugs oder als Flüchtlinge in die EU gelangt sind, niedriger. Im Rahmen des Familiennachzugs eingewanderte Migranten stellten unter den außerhalb der EU Geborenen im Jahr 2014 den größten Anteil (52 %). Ihre Beschäftigungsquote betrug im Jahr 2014 53 % und lag damit unter der Quote der Flüchtlinge (56 %).

(56)

In Bezug auf die Bildungsabschlüsse war die Wahrscheinlichkeit für eine geringe Qualifikation im Jahr 2017 bei den Drittstaatsangehörigen im Alter von 25-54 Jahren (43,6 %) im Vergleich zu den Staatsangehörigen des Gastlandes (21,2 %) höher und die Wahrscheinlichkeit für einen tertiären Bildungsabschluss geringer (26,3 % gegenüber 31,6 %).

(57)

Die Differenz bei der Beschäftigungsquote zwischen nicht in der EU Geborenen und gebürtigen EU-Bürgern ist in der Gruppe mit tertiärem Bildungsabschluss am stärksten ausgeprägt, was ein Schlaglicht darauf wirft, dass sich die Ausbildung für Zuwanderer in geringerem Umfang auszahlt als für gebürtige EU-Bürger (vgl. u. a. „Employment and Social Developments in Europe 2015“ (in englischer Sprache)). Im Jahr 2017 waren etwa 42 % der Drittstaatsangehörigen mit hohem Bildungsniveau überqualifiziert, d. h. sie hatten Beschäftigungsverhältnisse mit geringen oder mäßigen Qualifikationsanforderungen. Unter den Staatsangehörigen des Gastlandes lag diese Quote bei etwa 20 %. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen hat sich jedoch in den letzten Jahren von 25 Prozentpunkten im Jahr 2012 auf 20 Prozentpunkte im Jahr 2017 verringert.

(58)

Die Daten stammen aus der EU-SILC 2015 und wurden vom Akademischen Netz für europäische Behindertenpolitik (ANED) analysiert.

(59)

Es bestehen erhebliche Unterschiede bei der Prävalenz von Behinderungen in den verschiedenen Mitgliedstaaten.

(60)

Ebd.

(61)

EU-SILC (2017): Arbeitsarmut nach Grad der Aktivitätseinschränkung, Geschlecht und Alter (hlth_dpe050).

(62)

Eurofound (2018), The social and employment situation of people with disabilities, Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg, erscheint in Kürze.

(63)

COM(2017) 247 final.

(64)

Empfehlung des Rates vom 10. März 2014 zu einem Qualitätsrahmen für Praktika (2014/C 88/01).

(65)

Ein AKE-Modul von Eurostat zur Selbstständigkeit, dessen Ergebnisse für 2019 erwartet werden, wird dazu beitragen, diese Problematik näher zu beleuchten.

(66)

Eurofound (2017): Exploring self-employment in the European Union (in englischer Sprache), Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union, Luxemburg.

(67)

Auf Grundlage der Daten aus der sechsten Europäischen Erhebung über die Arbeitsbedingungen 2015 konnten fünf unterschiedliche Gruppen der Selbstständigen ermittelt werden („Arbeitgeber“, „stabile Selbstständige ohne abhängig Beschäftigte“, „Kleingewerbetreibende und Landwirte“, „Gefährdete“ und „Scheinselbstständige“). Die Gruppen sind das Ergebnis eines statistischen Modells (Analyse latenter Klassen) mit dem die Variablen für wirtschaftliche Abhängigkeit (z. B. Anzahl der Kunden, Leichtigkeit der Neukundengewinnung), operative Abhängigkeit (z. B. Möglichkeit, kurzfristig frei zu nehmen) und Unternehmertum (z. B. mehrere Niederlassungen, Grund für die Selbstständigkeit) gesteuert werden. Weitere Einzelheiten sind unter Eurofound (2017) zu finden, ebd.

(68)

Bei der COLLEEM-Umfrage („Collaborative Economy and Employment“) handelt es sich um eine Online-Befragung zu digitalen Plattformen, die von der GD Beschäftigung, Soziales und Integration in Auftrag gegebenen und von der Gemeinsamen Forschungsstelle koordiniert wurde. Sie wurde in 14 EU-Mitgliedstaaten durchgeführt: DE, ES, FI, FR, HR, HU, IT, LT, NL, PT, RO, SE, SK und UK. Die Umfrage wurde im Juni 2017 durchgeführt. Vgl. Pesole et al., 2018.

(69)

Europäische Kommission (2018): Employment and Social Developments in Europe. Annual Review 2018 (in englischer Sprache). Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

(70)

Eurofound (2018): Does employment status matter for job quality? (in englischer Sprache, erscheint in Kürze).

(71)

Die siebte Dimension, d. h. das Einkommen, bleibt aufgrund der geringen Zuverlässigkeit ausgenommen.

(72)

Aus diesen Gründen hat sich der Beschäftigungsausschuss dafür entschieden, die Langzeitarbeitslosenquote als Leitindikator des sozialpolitischen Scoreboards heranzuziehen, um die aktive Förderung der Beschäftigung zu überwachen.

(73)

Dennoch sollte dieser Indikator mit Vorsicht betrachtet werden, da er lediglich die Teilnahme an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (und nicht etwa deren Wirksamkeit) erfasst und bei einer Reihe von Ländern aufgrund der praktizierten Form der Datenerfassung die statistische Zuverlässigkeit infrage steht.

(74)

Europäische Kommission (2018). Labour Market and Wage Developments in Europe. Jahresbericht 2018. Luxemburg: Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union.

(75)

Personen, die seit weniger als einem Jahr ohne Beschäftigung sind.

(76)

Nach Annahme des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts 2018 durch den Rat wurden die für diesen Indikator verwendeten OECD-Modelle verfeinert, insbesondere für AT, DK, EE, FI, DE, ES, IE, IT, UK.

(77)

Diese Indikatoren für politische Maßnahmen wurden von der OECD mithilfe von Daten entwickelt, die anhand von Expertenbefragungen erhoben wurden. Sie liefern Informationen zu rechtlichen (d. h. de jure) Bedingungen, aber nicht zu ihrer wirksamen Umsetzung, die zwischen Ländern mit den gleichen Regelungen variieren kann. Diese Indikatoren können nicht auf einfache Weise interpretiert werden, weil es nicht möglich ist, ein „optimales“ Maß an Strenge für die Arbeitsplatzsuche und die Verfügbarkeitsbedingungen zu ermitteln.

(78)

Diese Zahl bezieht sich auf die langfristigen Migranten im erwerbsfähigen Alter innerhalb der EU der 28, die in der EU der 28 leben, und beruht auf demografischen Statistiken von Eurostat. Für weitere Einzelheiten vgl. Europäische Kommission (2018): Annual Report on Intra-EU Labour Mobility (in englischer Sprache, erscheint in Kürze), Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration.

(79)

DNB (2018), "DNBulletin: Flexibilisering arbeidsmarkt gaat gepaard met daling arbeidsinkomensquote", veröffentlicht am 1. Februar 2018.

(80)

Vgl. Kapitel 5 des Berichts zur Beschäftigung und zur sozialen Lage 2017 und 2018.

(81)

Eurofound (2016): The concept of representativeness at national, international and European level (in englischer Sprache).

(82)

Wie zum Beispiel im Rahmen des Seminars mit dem Titel „The Social Pillar and European Semester as tools for delivering social Europe – a reflection with civil society“ zusammengetragen, das am 2. Oktober 2018 in Brüssel stattfand.

(83)

Dieser Absatz beruht auf den Schlussfolgerungen der thematischen Überprüfung der Umsetzung der Empfehlungen des Rates zur Eingliederung der Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt durch den Beschäftigungsausschuss am 3. Oktober 2018. Eine eingehende Bewertung läuft und wird Anfang 2019 zusammen mit einem Bericht an den Rat veröffentlicht.

(84)

Eine ausführliche Analyse zur Beteiligung der Sozialpartner an den jüngsten Reformen findet sich in Eurofound (2019): „Social dialogue practices within the context of the EU Semester“ (in englischer Sprache, erscheint in Kürze).

(85)

 Am 26. Oktober 2018 lagen nur für 18 Mitgliedstaaten Daten über das Jahr 2017 vor. In der endgültigen Fassung des Gemeinsamen Beschäftigungsberichts werden aktualisierte Daten verwendet.

(86)

Zur Messung des verfügbaren Bruttoeinkommens der Haushalte wurden die Realwerte der „unbereinigten Einkünfte“ (d. h. ohne soziale Sachtransfers) herangezogen. Zu HR und MT lagen am 26. Oktober 2018 keine Daten vor.

(87)

Die Begriffe Armutsrisiko und soziale Ausgrenzung sowie ihre Bestandteile sind in Kapitel 1.2 definiert. Anmerkung: Die Einkommensstatistiken der EU-SILC beziehen sich auf das vorangegangene Finanzjahr. Die Zahlen für 2017 zu den Personen, die von Armut bedroht sind, S80/S20 usw. beziehen sich daher auf das Finanzjahr 2016.

(88)

Der relative Medianwert der Armutsgefährdungslücke ist die Differenz zwischen dem von Personen unterhalb der Armutsgefährdungsschwelle bezogenen medianen Nettoäquivalenzgesamteinkommen und der Armutsgefährdungsschwelle. Sie wird als Prozentsatz der Armutsgefährdungsschwelle angegeben (60 % des nationalen medianen Äquivalenzeinkommens).

(89)

EU-SILC (2017): Von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohte Bevölkerung nach Grad der Aktivitätseinschränkung, Geschlecht und Alter [hlth_dpe010].

(90)

Ebd.

(91)

Gestützt auf ESSPROS-Daten. Zu PL liegen keine Daten für 2015 vor.

(92)

Vgl. auch Europäische Kommission (2018), Employment and Social Developments in Europe. Annual Review 2018 (in englischer Sprache). Luxemburg: Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Union.

(93)

Dieses Thema wird in Abschnitt 3.3 angeschnitten.

(94)

Die Nachweise in diesem und im folgenden Absatz beruhen auf Europäische Kommission, SWD(2018) 70 final – „Impact Assessment Accompanying the Proposal for a Council recommendation on access to social protection for workers and the self-employed“ (in englischer Sprache).

(95)

AT, BE, BG, CZ, DE, DK, EE, EL, ES, FI, FR, HU, HR, IT, LU, MT, NL, PL, PT, SE, SI, RO, SK and UK.

(96)

Vom Ausschuss für Sozialschutz im Juni 2018 genehmigt.

(97)

Ein „Geringverdiener“ ist im Vergleichsrahmen als eine Person definiert, die 50 % des nationalen durchschnittlichen Bruttolohns verdient.

(98)

Die Indikatoren beruhen auf den aktuellsten verfügbaren Informationen aus dem Steuervergünstigungsmodell der OECD. Für CY stehen keine Informationen zur Verfügung. Die Informationen zu IT und EL umfassen nicht die neu eingeführten Mindestlohnsysteme und sie wurden in dieser Analyse nicht berücksichtigt.

(99)

Vgl. Definition der relativen Armutsgefährdungslücke in Fußnote 88.

(100)

 Die Anzahl der Personen, die die Berechtigungsanforderungen erfüllen und potenziell von einem System Leistungen beziehen könnten.

(101)

Dies unterscheidet sich vom theoretischen Konzept des „universellen Grundeinkommens“, bei dem jedem Bürger unabhängig von dessen Situation ein bestimmter Einkommensbetrag zur Verfügung gestellt wird. Für weitere Informationen vgl. Europäische Kommission (2018): Employment and Social Developments in Europe, Annual Review 2018 (in englischer Sprache), S. 142.

(102)

Aus dem Ad-hoc-Modul der EU-SILC 2016 über den Zugang zu Dienstleistungen. Zum Zwecke der vergleichenden Analyse berücksichtigte Gründe: „Keine geeigneten Kurse oder Programme im Angebot“ und „Kann es sich nicht leisten“.

(103)

Eine umfassendere Erörterung des Problems des nicht gedeckten Bedarfs an ärztlicher Versorgung und des Zugangs zu Wohnraum ist weiter unten in diesem Abschnitt zu finden.

(104)

Die Daten in diesem Absatz stammen aus der EU-SILC.

(105)

Die Quote der Wohnraumunterversorgung ist ein Messwert für eine unzulängliche Ausstattung der Unterkunft und berechnet sich unter Bezugnahme auf die Haushalte, bei denen wenigstens einer der folgenden Mängel vorliegt: (i) ein undichtes Dach, (ii) weder ein Bad noch eine Dusche in der Unterkunft, (iii) keine Innentoilette, (iv) eine als zu dunkel empfundene Wohnung.

(106)

 Daten zusammengestellt vom Europäischen Verband der nationalen Vereinigungen im Bereich der Obdachlosenhilfe (FEANTSA). Vgl. FEANTSA (2018): Dritter Überblick zur Wohnexklusion in der EU.

(107)

Verhältnis der mittleren Bruttorenten pro Kopf der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen verglichen mit den mittleren Bruttoeinkommen pro Kopf der 50- bis 59-Jährigen.

(108)

Die Daten für Kroatien und Irland beziehen sich auf das Jahr 2016.

(109)

Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe. Datenquelle: SHARE, 7. Teilerhebung, 2017.

(110)

Zum Zweck dieses Vergleichs sind „Selbstständige im Ruhestand“ als Rentner definiert, die mindestens 50 % ihres Arbeitslebens als Selbstständige verbracht haben.

(111)

Die Erhebung zu Gesundheit, Altern und Ruhestand (Survey of Health, Ageing and Retirement in Europe, SHARE) ist eine multidisziplinäre und länderübergreifende Datenbank mit Mikrodaten zu Gesundheit, sozioökonomischem Status sowie sozialen und Familienverbünden von über 120 000 Einzelpersonen ab 50 Jahren (über 297 000 Befragungen). SHARE erfasst 27 europäische Länder. Bei der 7. Teilerhebung von SHARE waren IE, NL und UK ausgenommen. In einigen Mitgliedstaaten ist aufgrund des Stichprobenumfangs kein Vergleich möglich.

(112)

Das S80/S20-Verhältnis ist unter den Selbstständigen im Ruhestand ein Drittel höher als unter den Arbeitnehmern im Ruhestand.

(113)

EU-28 ohne IE, NL und UK.

(114)

Ein nach eigener Aussage nicht gedeckter Bedarf an ärztlicher Versorgung besteht dann, wenn die befragte Person subjektiv betrachtet eine bestimmte medizinische Untersuchung oder Behandlung benötigte, diese aber aus einem der folgenden drei Gründe nicht in Anspruch genommen hat: „Finanzielle Gründe“, „Warteliste“ und „Zu weite Anfahrt“. Die Probleme, die nach Aussage von Personen auftreten, wenn diese im Krankheitsfall eine ärztliche Versorgung erhalten wollen, sind oftmals Ausdruck erheblicher Hindernisse beim Zugang zur Gesundheitsversorgung.

(115)

Selbstzahlungen bezeichnen unmittelbare, aus dem Primäreinkommen oder Ersparnissen der Haushalte geleistete Zahlungen für Waren und Dienstleistungen, bei denen die Zahlung zum Zeitpunkt des Gütererwerbs bzw. der Inanspruchnahme der Dienstleistung entweder ohne jegliche Erstattung oder nach Abzug eines Selbstbehalts von einem organisierten System heraus erfolgt.

(116)

Ageing Report 2018 (in englischer Sprache), Europäische Kommission.

(117)

Gemeinsame Teams der Agentur für Sozialhilfe und der Arbeitsagentur bieten umfassende integrierte Dienstleistungen für Arbeitslose in entlegenen Gebieten Bulgariens an.

(118)

Gefördert durch den ESF.

(119)

Europäische Kommission und Ausschuss für Sozialschutz (2018). Bericht zur Angemessenheit der Renten- und Pensionshöhe (2018): gegenwärtige und künftige Angemessenheit der Altersversorgung in der EU.

(120)

Ebd.

(121)

Mit Ausnahme des neuen Indikators „Nettoeinkommen eines alleinstehenden kinderlosen Vollzeitbeschäftigten mit durchschnittlichem Einkommen“, für den die Dreijahresdurchschnitte sowohl für Werte als auch für Veränderungen verwendet werden, um Schwankungen auszugleichen.

(122)

Es wurden sowohl ein Normalverteilungs- als auch ein T-Test durchgeführt, die zum Ergebnis hatten, dass eine Verteilungshypothese ausgeschlossen wird.

(123)

Bei Normalverteilung entsprechen die gewählten Abschneidepunkte grob 15 %, 30 %, 50 %, 70 % und 85 % der kumulativen Verteilung.

(124)

Die letztere der genannten Bedingungen verhindert, dass ein Mitgliedstaat mit niedrigen oder sehr niedrigen Werten als „mit Abwärtstrend“ eingestuft wird, wenn er eine „weit überdurchschnittliche“, aber dennoch zunehmende Veränderung aufweist.

(125)

Die letztere der genannten Bedingungen verhindert, dass ein Mitgliedstaat mit durchschnittlichen Werten als „zu beobachten“ eingestuft wird, wenn er eine „weit überdurchschnittliche“, aber dennoch zunehmende Veränderung aufweist.

(126)

Die letztere der genannten Bedingungen verhindert, dass ein Mitgliedstaat mit als „hoch“ oder „sehr hoch“ eingestuften Werten als „mit Abwärtstrend“ eingestuft wird, wenn er eine „weit unterdurchschnittliche“, aber dennoch zunehmende Veränderung aufweist.

(127)

Die letztere der genannten Bedingungen verhindert, dass ein Mitgliedstaat mit durchschnittlichen Werten als „zu beobachten“ eingestuft wird, wenn er eine „weit unterdurchschnittliche“, aber dennoch zunehmende Veränderung aufweist.