22.3.2019   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 110/75


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds“

(COM(2018) 476 final)

(2019/C 110/15)

Berichterstatter:

Aurel Laurențiu PLOSCEANU

Ko-Berichterstatter:

Eric BRUNE

Befassung

Europäisches Parlament, 2.7.2018

Rat, 4.7.2018

Beschluss des Präsidiums

10.7.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 173 Absatz 3 und Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständiges Arbeitsorgan

Beratende Kommission für den industriellen Wandel (CCMI)

Annahme in der CCMI

22.11.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

12.12.2018

Plenartagung Nr.

539

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

200/1/6

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) erachtet die konsequente Umsetzung der globalen Strategie der EU und des Umsetzungsplans für Sicherheit und Verteidigung im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung von EU und NATO vom Juli 2016 sowie im Rahmen des Prinzips der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen als unerlässlich.

1.2.

Seit 2017 spricht sich der EWSA für die Schaffung einer Europäischen Verteidigungsunion aus und unterstützt den Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan, einschließlich der Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Verteidigungsfonds. Nach Auffassung des EWSA zielt die Stärkung der europäischen Verteidigung nicht auf eine Schwächung, sondern auf die Stärkung der NATO und der transatlantischen Beziehungen ab.

1.3.

Der EWSA unterstützt nachdrücklich den am 13. Juni 2018 veröffentlichten Kommissionsvorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds im Rahmen des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021-2027.

1.4.

Der EWSA fordert signifikante qualitative Fortschritte bei der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich. Eine eingeschränkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Verteidigungsbereich führt tatsächlich zu Doppelstrukturen und zu einer Verteidigungsindustrie, die weiterhin stark fragmentiert ist. Die transnationale Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und die weitere Integration der Industrie werden durch die mangelnde Integration auf der Nachfrageseite des Marktes nicht stimuliert. Dies führt zu einem ineffizienten Mitteleinsatz, überlappenden industriellen Fähigkeiten, technologischen Lücken und zu einem Fehlen neuer, insbesondere in Kooperation durchgeführter, Programme.

1.5.

Der EWSA befürwortet das Ziel strategischer Autonomie mit der Entwicklung von Schlüsseltechnologien in kritischen Bereichen und strategischen Fähigkeiten, das eng mit der Notwendigkeit einer soliden Beurteilung und Koordination verknüpft ist. Es gilt zu gewährleisten, dass diese Technologien auf europäischer Ebene beherrscht, beibehalten und hergestellt werden können, sodass die EU erforderlichenfalls autonom Entscheidungen treffen und handeln kann.

1.6.

Der EWSA erachtet die Entwicklung gemeinsamer Verteidigungsfähigkeiten als eine Grundvoraussetzung für die Stärkung der industriellen und technischen Verteidigungsbasis Europas.

1.7.

Der EWSA betont, dass sich die Europäische Union um die Erhaltung, Verjüngung und Entwicklung eines hochqualifizierten Arbeitskräftepotenzials bemühen muss.

1.8.

Der EWSA schlägt vor, dass die Europäische Union ihre Bemühungen um eine Harmonisierung der Ausfuhrbestimmungen innerhalb der EU beschleunigt.

1.9.

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die besondere Berücksichtigung von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) sowie Start-up-Unternehmen, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung zu Verteidigungszwecken.

1.10.

Der EWSA ist der Auffassung, dass der EU-Haushalt bei der Unterstützung von Verteidigungstätigkeiten nationale Verteidigungsausgaben nicht ersetzen oder als Ersatz fungieren sollte, sondern vielmehr eine umfassendere und bessere Zusammenarbeit in der Verteidigung initiieren und beschleunigen sollte. Ebenso darf die Verwendung des EU-Haushalts für Verteidigungsforschung nicht auf Kosten der zivilen Forschung in anderen Bereichen erfolgen. Selbst wenn die Entscheidungen über Investitionen im Verteidigungsbereich und über Programme der Verteidigungsentwicklung nach wie vor ein Vorrecht der Mitgliedstaaten sind, könnte der Europäische Verteidigungsfonds einen EU-Mehrwert bringen, indem er Anreize für die gemeinsame Forschung an und die Entwicklung von Produkten und Technologien im Bereich der Verteidigung schafft.

1.11.

Der EWSA ist der festen Auffassung, dass eine stärker harmonisierte und vereinfachte Verteidigungspolitik Effizienzgewinne bringen könnte, wenn die Marktanteile der europäischen Verteidigungsindustrie und der technologischen Basis erhöht und die Produkte besser zwischen den Staaten, Regionen und Unternehmen verteilt werden.

1.12.

Der Europäische Verteidigungsfonds wird seine Wirkung nur dann entfalten können, wenn durch ihn tatsächlich sinnvolle Maßnahmen gefördert werden. Seine Arbeitsprogramme sollten daher auf der Grundlage eines soliden europäischen Verteidigungsplanungsprozesses aufgestellt werden, in denen die Kernprioritäten in Bezug auf die Fähigkeit Europas benannt werden.

1.13.

Der EWSA befürwortet den Ansatz der Zusammenarbeit, bei dem die Beteiligung von KMU sowie der Staaten, die die Absichtserklärung nicht unterzeichnet haben, angestrebt wird — angesichts ihrer Kompetenzen, mit denen sie zur Verbreiterung der industriellen und technologischen Basis der europäischen Verteidigungsindustrie beitragen können.

1.14.

Der EWSA unterstützt den Vorschlag, die Leistungen der europäischen Fonds in Fällen, in denen europäische Unternehmen zur selben Gruppe gehören, zu beschränken und bei der Beteiligung eines Drittstaats an Entwicklungen, die vom Europäischen Verteidigungsfonds gefördert werden, Garantien zu verlangen.

1.15.

Der EWSA ist zwar der Auffassung, dass europäische Fonds von der Europäischen Kommission verwaltet werden sollten. Seiner Ansicht nach kann sich die Europäische Verteidigungsagentur jedoch bei der Festlegung des Bedarfs an Verteidigungsgütern der Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation (OCCAR) sinnvoll einschalten. Dabei kann sie von ihren — nicht immer positiven — Erfahrungen profitieren und an der Verwaltung der Programme teilnehmen. Denn eine Redundanz der Kompetenzen in diesem Bereich würde die Wirksamkeit des Systems beeinträchtigen.

1.16.

Der EWSA unterstützt die Idee, dass Forschung und Entwicklung einem Ethik-Ausschuss unterliegen müssen. Ethische Bedingungen müssen klar formuliert und bereits bei der Bewertung des Vorschlags geprüft werden, um für Rechtssicherheit und -klarheit zu sorgen.

1.17.

Der EWSA ist besorgt über die Zukunft der Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit und spricht sich für eine starke Sicherheits- und Verteidigungspolitik aus, zu der auch die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Europäischen Verteidigungsfonds gehört.

1.18.

Der EWSA ist der Ansicht, dass sich unser alternder Kontinent bedroht fühlt und eine Tendenz zu Schuldzuweisungen sowie zur Verwechslung von Problemen wie Terrorismus und Migrationsbewegungen zeigt, wobei es an einem hinreichenden Maß der Solidarität sowohl innerhalb als auch zwischen den Mitgliedstaaten mangelt. Die Folge ist ein Wiederaufleben von Nationalismus und autoritären Regimen in der Nachbarschaft der Union, durch die unsere Demokratie unter Druck gerät. Ein industriepolitisches Instrument vom Kaliber des Europäischen Verteidigungsfonds enthebt die EU nicht von weiterführenden Überlegungen über die europäische Verteidigungspolitik.

2.   Inhalt des Vorschlags

2.1.

Der geopolitische Kontext ist im letzten Jahrzehnt instabil geworden: Wir sind mit einem komplexen Umfeld voller Herausforderungen konfrontiert, in dem neue Gefahren wie hybride Bedrohungen und Cyberattacken mit der Wiederkehr traditioneller Herausforderungen einhergehen.

2.2.

In der gemeinsamen Erklärung von Rom vom 25. März 2017 stellten die Spitzenvertreter von 27 Mitgliedstaaten sowie des Europäischen Rates, des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission fest, dass die Union ihre Sicherheits- und Verteidigungspolitik stärken und eine wettbewerbsfähigere und stärker integrierte Verteidigungsindustrie fördern wird.

2.3.

Die europäische Verteidigung sieht sich mit beträchtlichen Marktineffizienzen konfrontiert, die auf ungenutzte Skaleneffekte (Fragmentierung der nationalen Märkte mit einem einzigen Abnehmer) und Doppelung von Ressourcen auf europäischer Ebene zurückzuführen sind.

2.4.

Die Nachfrage kommt beinahe ausschließlich aus den Mitgliedstaaten. Die nationalen Verteidigungshaushalte, insbesondere im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE), wurden jedoch in den vergangenen zehn Jahren beträchtlich gekürzt.

2.5.

Im Jahr 2015 wurden nur 16 % der Verteidigungsgüter über gemeinsame europäische Beschaffungsvorhaben gekauft, was weit von dem im Rahmen der Europäischen Verteidigungsagentur (EDA) vereinbarten gemeinsamem Richtwert von 35 % entfernt ist.

2.6.

Der Verteidigungssektor ist in den einzelnen Ländern stark fragmentiert, wobei es zu erheblichen Überschneidungen sowie infolgedessen zu Ineffizienzen aufgrund ungenutzter Skalen- und Lerneffekte kommt.

2.7.

Die bestehende Situation ist unhaltbar und die Entwicklung umfassender Verteidigungssysteme der nächsten Generation ist für einzelne EU-Mitgliedstaaten immer schwieriger zu bewältigen.

2.8.

Durch die unzureichende Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten ist die EU-Verteidigungsindustrie noch weniger in der Lage, die industriellen und technologischen Fähigkeiten aufrechtzuerhalten, die für die Wahrung der strategischen Autonomie der EU und die Deckung ihres aktuellen und künftigen Sicherheitsbedarfs erforderlich sind.

2.9.

Am 7. Juni 2017 nahm die Kommission eine Mitteilung über die Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds an, der zwei „Fenster“ umfasst, nämlich ein Forschungs- und ein Fähigkeitenfenster. Der Mitteilung war ein Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Programms zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (EDIDP) im Rahmen des Fähigkeitenfensters beigefügt.

2.10.

Der Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des Europäischen Verteidigungsfonds im Rahmen des MFR 2021-2027 wurde am 13. Juni 2018 von der Kommission veröffentlicht.

2.11.

Der Europäische Verteidigungsfonds ist als ein Instrument zur Förderung der Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der technologischen und industriellen Basis der Verteidigung der EU konzipiert und trägt damit zur strategischen Autonomie der EU bei. Der Fonds soll Kooperationsprogramme in Gang bringen, die ohne einen EU-Beitrag nicht zustande kämen, und zielt darauf ab, die notwendigen Anreize für die Förderung der Zusammenarbeit in jeder Phase des industriellen Zyklus zu setzen.

2.12.

Kooperationsprojekte mit erheblicher grenzüberschreitender Beteiligung von KMU werden besonders gefördert. Dadurch wird sichergestellt, dass der Fonds für Begünstigte aus allen Mitgliedstaaten offen bleibt, unbeschadet ihrer Größe und ihres Standorts.

2.13.

Vorgesehener Geltungsbeginn des vorgeschlagenen Rechtsakts für eine Union mit 27 Mitgliedstaaten ist der 1. Januar 2021.

2.14.

Während die Verteidigungsforschung in den Geltungsbereich des Rahmenprogramms für Forschung und Innovation („Horizont Europa“) fällt, werden die entsprechenden spezifischen Bestimmungen im Zusammenhang mit der Verteidigungsforschung, wie Ziele, Beteiligungsregeln und Durchführungsmechanismen, im vorliegenden Vorschlag festgelegt.

2.15.

Der Vorschlag strebt Synergien mit anderen zivilen FuE-Initiativen der EU, etwa in den Bereichen Sicherheit und Cybersicherheit, Grenzschutz, Küstenwache, Seeverkehr und Weltraum, an.

2.16.

Es ist eine enge Verknüpfung zwischen dem Fonds und den im Rahmen der geplanten Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit im Bereich der Verteidigung (PESCO) durchgeführten Projekten vorgesehen.

2.17.

Berücksichtigt werden im Rahmen des Fonds der EU-Plan zur Fähigkeitenentwicklung (CDP), in dem die Prioritäten für die Verteidigungsfähigkeiten ermittelt werden, und die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigung (CARD) der EU.

2.18.

In diesem Zusammenhang können auch die einschlägigen Maßnahmen der Nordatlantikpakt-Organisation (NATO) und anderer Partner berücksichtigt werden, wenn sie den Interessen der Union im Bereich der Sicherheit und Verteidigung dienen.

2.19.

Darüber hinaus berücksichtigt der Fonds Verteidigungstätigkeiten, die im Rahmen der Europäischen Friedensfazilität, eines außerhalb des MFR vorgeschlagenen außerbudgetären Instruments, durchgeführt werden.

2.20.

Der betreffende Vorschlag sieht die Möglichkeit vor, die Unterstützung im Rahmen des Fonds durch die Bereitstellung von Finanzmitteln zu ergänzen, die aus dem Fonds „InvestEU“ besichert werden.

2.21.

Mit dem Fonds sollte auf Marktversagen oder suboptimale Investitionsbedingungen angemessen reagiert werden, ohne dass private Finanzierungen dupliziert oder verdrängt werden; zudem sollten die Maßnahmen einen klaren europäischen Mehrwert aufweisen.

2.22.

Die Union muss mehr Verantwortung für den Schutz ihrer Interessen, ihrer Werte und der europäischen Lebensart übernehmen und dabei die NATO ergänzen und mit ihr zusammenarbeiten.

2.23.

Die Europäische Union muss ihre strategische Autonomie verbessern, wenn sie für die Bedrohungen von morgen gewappnet sein und ihre Bürgerinnen und Bürger schützen will. Dafür bedarf es der Entwicklung von Schlüsseltechnologien in kritischen Bereichen und des Ausbaus der strategischen Fähigkeiten, um die Technologieführerschaft sicherzustellen.

2.24.

Die Entscheidung über Investitionen im Verteidigungsbereich und in Programme der Verteidigungsentwicklung ist nach wie vor ein Vorrecht der Mitgliedstaaten und bleibt in ihrer Zuständigkeit.

2.25.

Der vorgeschlagene politische Ansatz steht in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang und zur Schwere der festgestellten Probleme. Die Initiative ist auf die Ziele beschränkt, die von den Mitgliedstaaten selbst nicht in zufriedenstellender Weise verwirklicht und daher voraussichtlich besser durch Maßnahmen der EU erreicht werden können.

2.26.

Die Vorbereitende Maßnahme im Bereich Verteidigungsforschung (PADR) wurde im April 2017 auf den Weg gebracht und für einen Zeitraum von drei Jahren mit Mitteln in Höhe von insgesamt 90 Mio. EUR ausgestattet. Mit den ersten, 2018 unterzeichneten Finanzhilfevereinbarungen hat die Maßnahme bereits erste konkrete Ergebnisse gezeigt, derzeit sind allerdings noch alle Projekte im Gang.

2.27.

Die vorgeschlagene Verordnung über das Europäische Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich für 2019-2020 wird mit Haushaltsmitteln in Höhe von 500 Mio. EUR ausgestattet und am 1. Januar 2019 in Kraft treten.

2.28.

Vom 13. Januar 2018 bis zum 9. März 2018 fand eine öffentliche Konsultation aller Interessenträger zum Europäischen Verteidigungsfonds statt. Obwohl aus ethischer Perspektive Kritik zum Ausdruck gebracht wurde, wird die Initiative von den direkt betroffenen Interessenträgern unterstützt. Die Vorschriften über Rechte des geistigen Eigentums (IPR) für Verteidigungszwecke müssen angepasst werden.

2.29.

Die für den Zeitraum 2021-2027 vorgeschlagene Mittelausstattung beläuft sich auf 13 Mrd. EUR (zu jeweiligen Preisen), davon 4,1 Mrd. EUR für Forschungsmaßnahmen und 8,9 Mrd. EUR für Entwicklungsmaßnahmen.

2.30.

Vorbehaltlich der Bestätigung der Kosteneffizienz mithilfe einer Kosten-Nutzen-Analyse kann der Fonds von einer Exekutivagentur der Kommission verwaltet werden.

2.31.

Es wird ein Überwachungssystem zur Unterstützung der Leistungsberichterstattung und -bewertung vorgeschlagen. Die Ergebnisse werden nach und nach verfügbar sein.

2.32.

In ihrem Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) 2021-2027 legt die Kommission ein noch ehrgeizigeres Ziel fest, um zu gewährleisten, dass die Klimaziele in allen EU-Programmen durchgängig berücksichtigt werden. Danach sollen 25 % der EU-Ausgaben zu Klimazielen beitragen. Der Beitrag des Europäischen Verteidigungsfonds zum Erreichen dieses allgemeinen Ziels wird auf geeigneter Gliederungsebene mithilfe des Klima-Marker-Systems der EU und — sofern verfügbar — mit präziseren Methoden verfolgt.

2.33.

Der Vorschlag sieht als Geltungsbeginn den 1. Januar 2021 vor.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1.

Der EWSA verweist auf seine bereits in den Stellungnahmen CCMI/149 (2017) und CCMI/116 (2013) und CCMI/100 (2012) genannten Forderungen. Die Globale Strategie der EU und der Umsetzungsplan für Sicherheit und Verteidigung bieten hierzu auch wichtige Ansätze. Der EWSA hält die konsequente Umsetzung dieser Initiativen im Einklang mit der gemeinsamen Erklärung von EU und NATO vom Juli 2016 sowie im Rahmen des Prinzips der kollektiven Sicherheit der Vereinten Nationen für unerlässlich.

3.2.

Angesichts der aktuellen geostrategischen Gegebenheiten und sicherheitspolitischen Entwicklungen muss Europa seine Sicherheits- und Verteidigungskapazitäten stärken. Eine klare Vorstellung von den gemeinsamen strategischen Zielen der Union ist unabdingbar, fehlt jedoch bislang noch und muss dringend entwickelt werden. Dies ist eine Voraussetzung für die Ermittlung der erforderlichen Verteidigungsfähigkeiten, die auf einer tragfähigen technischen und industriellen Basis für die europäische Verteidigung aufbauen müssen.

3.3.

Der Rückzug der USA aus dem mit dem Iran im Jahr 2015 unterzeichneten Atomabkommen, die Krise in der Ukraine, Russlands besorgniserregende Machtdemonstrationen an den Grenzen der baltischen Staaten und der östlichen EU-Grenze, der Flächenbrand in Libyen und im Irak und Syrien, die anhaltende Instabilität in der Sahelzone, die mögliche politische und militärische Konfrontation zwischen einer amerikanisch-israelisch-saudischen Achse und einer iranisch-syrisch-russischen Achse, und all das vor dem Hintergrund von Cyberbedrohungen, einem Anstieg des Autoritarismus in Europa und der erhöhten Unberechenbarkeit der US-Diplomatie belegen: der strategische Balanceakt der EU war noch nie so komplex und besorgniserregend.

3.4.

Sicherheitsfragen innerhalb der EU und in den angrenzen Regionen gehören zu den vorherrschenden Anliegen der Bürger und Staatsoberhäupter gleichermaßen.

3.5.

Mindestens vier Aspekte muss die EU auf möglichst einvernehmliche Art und Weiseberücksichtigen: Entscheidungsautonomie, Antizipation von Krisen, politischer Einfluss und Kohärenz zwischen unseren Interessen und unseren demokratischen Grundsätzen.

3.6.

Im Jahr 2017 sprach sich der EWSA für den Aufbau einer Europäischen Verteidigungsunion aus und unterstützte den Europäischen Verteidigungs-Aktionsplan, einschließlich der Einrichtung eines gemeinsamen Europäischen Verteidigungsfonds.

3.7.

Der EWSA hat zu signifikanten qualitativen Fortschritten bei der europäischen Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich aufgerufen. Eine eingeschränkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Verteidigungsbereich führt tatsächlich zu Doppelstrukturen und einer weiterhin stark fragmentierten Verteidigungsindustrie. Die transnationale Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und die weitere Integration der Industrie werden durch die unzureichende Integration auf der Nachfrageseite des Marktes nicht stimuliert. Dies hat einen ineffizienten Mitteleinsatz, Doppelstrukturen im Zusammenhang mit industriellen Fähigkeiten, Technologierückstand und das Fehlen neuer Programme, insbesondere von in Zusammenarbeit durchgeführter Programme zur Folge.

3.8.

Der EWSA befürwortet das Ziel strategischer Autonomie bei ermittelten kritischen industriellen Kapazitäten und Technologien. Dieses Ziel ist eng mit der Notwendigkeit einer soliden Beurteilung und Koordination verknüpft, um zu gewährleisten, dass diese Technologien auf europäischer Ebene beherrscht, beibehalten und hergestellt werden können, damit die EU Entscheidungen treffen und erforderlichenfalls autonom handeln kann.

3.9.

Der EWSA unterstützt die Entscheidung, den Verteidigungssektor mithilfe nachfrageorientierter Industriepolitik zu unterstützen.

3.10.

Der EWSA teilt die Ansicht, dass es möglich sein sollte, den gesamten europäischen Bedarf an Verteidigungsgütern durch eine größere Effizienz der nationalen Haushalte zu decken.

3.11.

Der EWSA stimmt zu, dass eine Kohärenz der Programme auf europäischer Ebene zu einer Vergrößerung des durch die europäische Verteidigungsindustrie bedienten europäischen Marktes führen könnte.

3.12.

Der EWSA weist darauf hin, dass eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung gemeinsamer Verteidigungsfähigkeiten in der Stärkung der industriellen und technischen Basis für die Verteidigung Europas besteht.

3.13.

Der EWSA betont, dass die Europäische Union an der Entwicklung hochqualifizierter Arbeitskräfte und der Gewinnung der Arbeitskräfte mit derartigen Fähigkeiten arbeiten muss.

3.14.

Der EWSA schlägt vor, dass die Europäische Union ihre Bemühungen um eine Harmonisierung der Exportregelungen innerhalb der EU beschleunigt.

3.15.

Der EWSA unterstützt ausdrücklich die besondere Berücksichtigung von KMU, auch im Bereich von Forschung und Entwicklung zu Verteidigungszwecken.

3.16.

Der EWSA hat es abgelehnt, bestehende Fonds, die wirtschaftlichen oder sozialen Zielen dienen, für Verteidigungszwecke einzusetzen.

3.17.

Der EWSA hat eine besondere Berücksichtigung der für die Verteidigung bereitgestellten nationalen Haushaltsmittel im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts abgelehnt. Verteidigungsausgaben dürfen die öffentlichen Haushalte nicht destabilisieren.

3.18.

Der EWSA hat die Einrichtung eines Verteidigungsfonds mit einem separaten Forschungs- und einem Fähigkeitenfenster unterstützt. Dies könnte der Konzipierung eines integrierten Planungsprozesses für Investitionen in den gesamten Technologiezyklus zugutekommen. Die Entscheidungen zur Auftragsvergabe verbleiben in den Händen der Mitgliedstaaten. Eine gemeinsame Beschaffung kann jedoch die Effizienz der Nachfrageseite erhöhen und zur Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der europäischen Verteidigungsindustrie beitragen. EU-Haushaltsmittel für Verteidigungstätigkeiten sollten nationale Verteidigungsausgaben nicht ersetzen oder als Ersatz fungieren, sondern vielmehr eine umfassendere und bessere Zusammenarbeit in der Verteidigung initiieren und beschleunigen. Ebenso darf die Verwendung des EU-Haushalts für die Verteidigungsforschung nicht auf Kosten der zivilen Forschung in anderen Bereichen erfolgen. Der Europäische Verteidigungsfonds soll Kooperationsprogramme in Gang bringen und durch die Unterstützung von Tätigkeiten im Bereich Forschung und Entwicklung die notwendigen Anreize für die Förderung der Zusammenarbeit in jeder Phase des industriellen Zyklus setzen. Selbst wenn die Entscheidungen über Investitionen im Verteidigungsbereich und in Programme der Verteidigungsentwicklung nach wie vor ein Vorrecht der Mitgliedstaaten sind, könnte der Europäische Verteidigungsfonds einen EU-Mehrwert bringen, indem er Anreize für die gemeinsame Forschung an und Entwicklung von Produkten und Technologien im Bereich der Verteidigung schafft.

3.19.

Der Verteidigungssektor ist nicht nur von strategischer Bedeutung für die Sicherheit und Verteidigung der Unionsbürger, sondern er leistet mit einem Gesamtumsatz von 100 Mrd. EUR pro Jahr und rund 500 000 hochqualifizierten direkt oder indirekt angestellten Arbeitskräften auch einen wesentlichen Beitrag für Wirtschaft und Wohlstand in Europa. Dieser Sektor ist die Quelle von hochmodernen Produkten, Dienstleistungen und Technologien, bei denen Innovation sowie Forschung und Entwicklung (FuE) für die Wettbewerbsfähigkeit eine zentrale Rolle spielen.

3.20.

Die europäische Verteidigungsindustrie und FuE-Ausgaben konzentrieren sich hauptsächlich auf die sechs Länder, die die Absichtserklärung unterzeichnet haben (Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich), mit einem Anteil von 95 % bei Investitionen, mehrheitlich KMU, Unternehmen mit mittlerer Kapitalisierung und Spitzenunternehmen. Eine stärker vereinfachte und harmonisierte Verteidigungspolitik könnte über die weitere Spezialisierung von Ländern, Regionen und Unternehmen zu Effizienzsteigerungen bei bestimmten Technologien führen.

3.21.

Die Unterzeichnerstaaten der Absichtserklärung dominieren den europäischen Verteidigungsmarkt in Bezug auf die Anzahl der aktiven Unternehmen und deren Waffenverkäufe. Im Vereinigten Königreich ist bspw. BAE Systems das größte Rüstungsunternehmen. SAAB ist das größte schwedische Unternehmen für Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, während in Frankreich die Unternehmen Dassault Aviation, Naval Group, Safran und Thales zu den größten gehören. In Deutschland sind Rheinmetall, ThyssenKrupp Marine Systems und Diehl wichtige Unternehmen. In Italien stellen Leonardo und Fincantieri die zwei wichtigsten Unternehmen dar. Airbus, ein transeuropäisches Unternehmen, ist nach BAE Systems das zweitgrößte in Europa. Eine weitere wichtige transnationale Gesellschaft ist MBDA, ein Joint Venture der drei europäischen Marktführer in der Luft- und Raumfahrt und Verteidigung (Airbus, BAE Systems und Leonardo), das in der Raketen- und Raketensystemherstellung tätig ist. KNDS, zu der Nexter und KMW gehören, schickt sich ebenfalls an, ein transeuropäisches Unternehmen zu werden. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass nicht alle Unternehmen ausschließlich im Bereich des Verteidigungsmarktes tätig sind, was auch die unterschiedlichen Verhältnisse zwischen Umsatz und Beschäftigtenzahl erklärt.

Betrachtet man kleinere Unternehmen, sind laut aktueller IHS-Studie beinahe 1 600 KMU in der Verteidigungsindustrie in Europa tätig, während die Gesamtzahl der KMU in den Lieferketten der Verteidigungsgüter auf 2 000-2 500 geschätzt wird. Einige dieser Unternehmen haben ein „doppeltes Standbein“ und sind sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich tätig. KMU spielen in jedem Fall eine wichtige Rolle in der Verteidigungsindustrie und sind ein Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit.

3.22.

Die europäische Verteidigungsindustrie ist in Europa nicht gleichmäßig verteilt. Dies legt nahe, dass erhöhte Militärausgaben der EU-Mitgliedstaaten nicht allen Mitgliedstaaten gleichmäßig zufließen können. Wenn höhere Ausgaben in einem Land zu Firmen in anderen Ländern fließen, könnte dies zu neuen Handelsströmen führen.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1.

Der Europäische Verteidigungsfonds wird seine Wirkung nur dann entfalten können, wenn durch ihn tatsächlich sinnvolle Maßnahmen unterstützt werden. Seine Arbeitsprogramme sollten daher auf der Grundlage eines soliden europäischen Verteidigungsplanungsprozesses aufgestellt werden, in dem die wichtigsten Prioritäten in Bezug auf die Fähigkeit Europas benannt werden.

4.2.

Der EWSA unterstützt die kontinuierliche Zusammenarbeit im Dienste der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, und ebenso die Zusammenarbeit mit KMU auch aus Staaten, die die Absichtserklärung nicht unterzeichnet haben. Ein Rückkehrrecht, das mitunter die Redundanz von Kompetenzen verstärkt hat, sollte jedoch nicht wieder eingeräumt werden.

4.3.

Der EWSA unterstützt den Vorschlag, die Leistungen europäischer Fonds auf europäische Unternehmen in europäischer Hand zu beschränken und bei der Beteiligung eines Drittstaats an Entwicklungen, die vom Europäischen Verteidigungsfonds gefördert werden, Garantien zu verlangen.

4.4.

Der EWSA unterstützt den Vorschlag, dass die Gewährung europäischer Darlehen von der Europäischen Kommission verwaltet werden sollte. Seiner Ansicht nach kann sich die Europäische Verteidigungsagentur jedoch bei der Festlegung des Bedarfs an Verteidigungsgütern und der Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation (OCCAR) sinnvoll einschalten. Dabei kann sie von ihren — nicht immer positiven — Erfahrungen profitieren und an der Verwaltung der Programme teilnehmen. Denn eine Überschneidung von Fähigkeiten in diesem Bereich würde die Wirksamkeit des Systems beeinträchtigen.

4.5.

Der EWSA ist der Auffassung, dass Forschung und Entwicklung einem Ethik-Ausschuss unterliegen müssen. Ethische Bedingungen müssen klar formuliert und bereits bei der Bewertung des Vorschlags geprüft werden, um für Rechtssicherheit und -klarheit zu sorgen.

4.6.

Der EWSA befürwortet zwar die Idee der industriellen Souveränität Europas, fragt sich jedoch, wie sie politisch umgesetzt werden kann, da sich die meisten europäischen Mitgliedstaaten als Teil des Atlantischen Bündnisses verstehen, während viele Staaten an einem nationalen Souveränitätskonzept festhalten.

4.7.

Der EWSA ist besorgt über die Zukunft der Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich nach dem Brexit und spricht sich für eine starke Sicherheits- und Partnerschaftspolitik aus, zu der auch die Beteiligung des Vereinigten Königreichs am Europäischen Verteidigungsfonds gehört.

4.8.

Von der in vielerlei Hinsicht disruptiven Entwicklung der Globalisierung betroffen, sind sich die Europäer bereits einiger ihrer Fehler und Illusionen bewusst. Ihr größter Fehler ist es, nicht zu handeln. Die Politik der strategischen Enthaltsamkeit, die es uns ermöglicht hat, uns auf die Wirtschaft zu konzentrieren und uns während des Kalten Kriegs bis zur Jahrhundertwende so viel Wohlstand gebracht hat, ist nun zu einem der größten Stolpersteine für Europa geworden.

4.9.

Europa war lange Zeit in der Welt tonangebend, zuerst alleine, dann gemeinsam mit den USA. In einer Welt, in der die globale Erwärmung zunimmt und autoritäre Regime erstarken, werden die Entwicklungsungleichheiten unter den Staaten, aber auch innerhalb der Staaten untragbar. Unser alternder Kontinent fühlt sich bedroht und zeigt eine Tendenz zu Schuldzuweisungen sowie zur Verwechslung von Problemen wie Terrorismus und Migrationsbewegungen, wobei es an einem hinreichenden Maß der Solidarität in und zwischen den Mitgliedstaaten mangelt. Die Folge ist ein Wiederaufleben von Nationalismus und Autoritarismus, welche die europäischen Demokratien unter Druck setzen. Ein industriepolitisches Instrument vom Kaliber des Europäischen Verteidigungsfonds enthebt die EU nicht von weiterführenden politischen Überlegungen darüber, was wir verteidigen wollen und wie wir diese Verteidigung organisieren wollen.

4.10.

Bei der europäischen Verteidigung geht es nicht nur um strategische Bedrohungen, externe Interventionen, militärische Kapazitäten, technologische Innovation und industrielle Exzellenz. Die größte Bedrohung, der Europa heute gegenübersteht, ist die Herausforderung für die europäische Demokratie selbst. Diese politische Dimension darf im Rahmen der gemeinsamen Verteidigungspolitik nicht länger ignoriert werden.

Brüssel, den 12. Dezember 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER