10.10.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 367/15


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „EU-Konzepte zur Gestaltung von Übergängen in eine digitalisierte Arbeitswelt — ein wesentlicher Input für ein EU-Weißbuch zur Zukunft der Arbeit“

(Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des österreichischen Ratsvorsitzes)

(2018/C 367/03)

Berichterstatterin:

Franca SALIS-MADINIER (FR-II)

Mitberichterstatter:

Ulrich SAMM (DE-I)

Ersuchen des österreichischen Ratsvorsitzes

Schreiben vom 12.2.2018

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Artikel 29 Absatz 1 der Geschäftsordnung

Sondierungsstellungnahme

Beschluss des Präsidiums

13.3.2018

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

6.6.2018

Verabschiedung auf der Plenartagung

11.7.2018

Plenartagung Nr.

536

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

152/1/4

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) unterstützt einen fairen digitalen Wandel unter Wahrung der europäischen Werte, die auf Vollbeschäftigung, sozialen Fortschritt, ein hohes Schutzniveau sowie die Verringerung von Armut und Ungleichheiten abzielen.

1.2.

Der EWSA plädiert dafür, dass die enormen Möglichkeiten, die die neuen Technologien bieten, allen zugutekommen: Arbeitnehmern, Bürgern und Unternehmen. Bei dieser Entwicklung darf es keine Verlierer geben. Die Politik sollte vorrangig auf die Stärkung der individuellen Lebenswege und die Vermittlung der notwendigen Kompetenzen an alle Bürger ausgerichtet werden wie auch auf die Stärkung der kollektiv organisierten Systeme der sozialen Sicherheit, um den Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit zu fördern, wie es in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, in den von den europäischen Instanzen im Rahmen der europäischen Säule sozialer Rechte in Göteborg proklamierten Prioritäten und in den Übereinkommen der ILO vorgesehen ist.

1.3.

Die Arbeitsplätze werden sich wahrscheinlich infolge der Automatisierung, Digitalisierung und künstlichen Intelligenz (KI) verändern. Nach Ansicht des EWSA ist es von vorrangiger Bedeutung, die Kompetenzen der europäischen Arbeitnehmer zu verbessern, insbesondere derjenigen, denen es aufgrund ihres Qualifikationsniveaus und ihrer überholten Kompetenzen nicht möglich ist, einen der neu entstehenden oder technologiebedingt veränderten Arbeitsplätze zu besetzen. Er hält eine Politik der EU und der Mitgliedstaaten für eine Neugestaltung der Erstausbildung und die lebensbegleitende Weiterbildung für dringend geboten, um die einschlägigen pädagogischen Konzepte zu fördern, durch die die kreativen und digitalen Kompetenzen, die für die neuen Arbeitsplätze zunehmend erforderlich sind, entwickelt werden können.

1.4.

Die Durchmischung der Geschlechter muss hier zu den obersten Prioritäten gehören: In Bildungsgängen mit Schwerpunkt Digitalisierung sind alarmierend wenig Frauen vertreten (1). Es ist wichtig, diese Tendenzen zu überwachen und zu messen und in diesen Bereichen den Zugang der Frauen zu fördern.

1.5.

Der EWSA weist darauf hin, dass derzeit nur 0,3 % der gesamten öffentlichen Ausgaben in der EU (2) für Investitionen in die Sozialpolitik aufgewendet werden. Insbesondere im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens der EU nach 2020 (3) müssen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diese Politik zu stärken und den digitalen Wandel in der Arbeitswelt zum Wohle der Arbeitnehmer, der Unternehmen und der Gesellschaft als Ganzes zu flankieren.

1.6.

Zusätzliche Mittel lassen sich über Produktivitätszuwächse infolge der Digitalisierung freisetzen. Der EWSA empfiehlt, auf Branchen- und Unternehmensebene einen sozialen Dialog über die Verteilung des Mehrwerts zur Festlegung von Verwendungsmodalitäten zu organisieren.

1.7.

Der Erhalt der Qualität und der finanziellen Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme ist eine der Prioritäten des EWSA, denn nur so kann sichergestellt werden, dass alle infolge der Digitalisierung entstandenen flexiblen Beschäftigungsformen abgedeckt sind und kein Arbeitnehmer außen vor bleibt (4). Er fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die Konzertierung mit den Sozialpartnern Sorge zu tragen, damit die Sozialschutzsysteme insbesondere zugunsten derjenigen Arbeitnehmer angepasst werden, die aufgrund ihres Beschäftigungsstatus nicht ausreichend durch diese Systeme abgedeckt sind.

1.8.

Im Zusammenhang mit der Einführung neuer Technologien wie Roboter oder intelligenter Maschinen weist der EWSA in seiner Studie darauf hin, dass es wichtig ist, die Arbeitnehmervertreter vorab zu informieren und konsultieren, und dass Kollektivverhandlungen zur Flankierung der technologieinduzierten Veränderungen erforderlich sind (5). Er macht ferner darauf aufmerksam, dass diese Konsultation in der Richtlinie über Europäische Betriebsräte vorgeschrieben ist (6).

1.9.

Der EWSA betont in Verbindung mit KI, dass die Undurchsichtigkeit der Funktionsweise von Algorithmen und der Art und Weise, in der sie außerhalb der menschlichen Kontrolle liegende Entscheidungen treffen, die EU vor enorme Herausforderungen sowie grundlegende Fragen zu der Gesellschaft stellt, in der wir leben wollen. Er hat bereits darauf hingewiesen, dass die Definition der Beziehung zwischen Mensch und Maschine in der neuen Arbeitswelt von entscheidender Bedeutung ist. Dabei ist ein Ansatz, dessen Schwerpunkt auf der Kontrolle des Menschen über die Maschine liegt, von grundlegender Bedeutung (7).

1.10.

Der EWSA unterstützt globale Leitlinien für KI, die der EU einen Wettbewerbsvorteil verschaffen (8), und propagiert die Entwicklung einer sozial verantwortlichen und im Dienste des Gemeinwohls stehenden KI. Seiner Ansicht nach sollte die EU den neuen Forschungsbereich „kognitive Ergonomie“ unterstützen, dessen Ziel die Annahme von Maßnahmen zur Förderung einer auf den Menschen ausgerichteten Nutzung intelligenter Technologien ist.

2.   Einleitung

2.1.

Der EWSA hat sich bereits im Rahmen von drei Sondierungsstellungnahmen auf Ersuchen des estnischen und des bulgarischen Ratsvorsitzes zu den neuen Beschäftigungsformen und der Zukunft der Arbeit geäußert (9). Diese Stellungnahmen wurden durch umfassendere Überlegungen zum Thema „Ein sozial nachhaltiges Konzept für das digitale Zeitalter“ in einer weiteren Sondierungsstellungnahme auf Ersuchen des bulgarischen Ratsvorsitzes ergänzt (10).

2.2.

Der EWSA weist die Annahme zurück, dass es bei der Digitalisierung Gewinner und Verlierer geben wird. In dieser Stellungnahme unterbreitet er Vorschläge, um sicherzustellen, dass die Digitalisierung allen Bürgern zugutekommt und niemand ausgegrenzt wird.

2.3.

Die für Investitionen in die Sozialpolitik aufgewendeten Mittel, die derzeit nur 0,3 % der gesamten öffentlichen Ausgaben in der EU (11) ausmachen, sollten aufgestockt werden, um zu verhindern, dass ein Teil der Arbeitnehmer und Bürger außen vor bleibt. Insbesondere im Rahmen des nächsten mehrjährigen Finanzrahmens der EU nach 2020 (12) müssen ausreichende Mittel zur Verfügung gestellt werden, um den digitalen Wandel in der Arbeitswelt zu flankieren.

2.4.

Der EWSA betont, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten über ein leistungsfähiges und hochwertiges System des lebenslangen Lernens, einen ständigen sozialen Dialog zwischen den Interessenträgern, angemessene Kollektivverhandlungen und ein geeignetes Steuersystem verfügen müssen, damit die Automatisierung der Gesellschaft als Ganzes zugutekommt.

2.5.

Es muss jetzt dringend gehandelt werden, um zu gewährleisten, dass in Zukunft die geeigneten Kompetenzen zur Verfügung stehen, damit die EU und alle ihre Mitgliedstaaten wettbewerbsfähig bleiben, neue Unternehmen und Arbeitsplätze entstehen können, die Menschen während ihrer gesamten beruflichen Laufbahn am Arbeitsmarkt anschlussfähig bleiben und das Wohlergehen aller gesichert ist.

3.   Künstliche Intelligenz im Dienste des Menschen für einen gerechten und hochwertigen Wandel

3.1.

Der EWSA weist auf die Herausforderungen hin, vor denen die EU durch KI — verstanden als die Gesamtheit der Technologien zur Ausführung traditionell vom Menschen erledigter kognitiver Aufgaben mithilfe der Informatik — steht.

3.2.

Wenn die Digitalisierung und eine immer stärkere und leistungsfähigere KI Arbeitnehmern, Bürgern, Unternehmen sowie den Mitgliedstaaten und Europa zugutekommen sollen, muss KI beherrschbar sein, d. h. ihre potenziell negativen Auswirkungen müssen im Vorfeld erkannt und gesteuert werden.

3.3.

Der EWSA hält die neue Generation so genannter „kollaborativer Roboter“ für eine Chance, die der Gesellschaft als Ganzes zugutekommen kann. Diese Roboter können zu echten Partnern der Arbeiternehmer werden und sie in ihrer täglichen Arbeit entlasten. Sie können auch Menschen mit körperlicher oder geistiger Behinderung und vor allem auch eingeschränkter Mobilität helfen.

3.4.

Der EWSA spricht sich einmal mehr (13) für einen menschenkontrollierten Ansatz für alle Teile des Digitalisierungsprozesses aus. Unsere Gesellschaft muss mit der Angst zurechtkommen, dass insbesondere KI-Systeme eines Tages ohne jegliches menschliche Zutun über wichtige Aspekte unseres Lebens entscheiden. Der menschenkontrollierte Ansatz folgt dem Grundsatz, dass Maschinen eindeutig dem Menschen dienen und dass komplexere, mit dem Menschen zusammenhängende Aspekte, wie die Übernahme von Verantwortung oder die Beurteilung kontroverser/ethischer Fragen oder irrationalen Verhaltens, weiterhin der Kontrolle des Menschen unterliegen. Dieser allgemeine Grundsatz kann als Leitprinzip für künftige Regelungen fungieren.

3.5.

Wie der EWSA in seiner Initiativstellungnahme zum Thema „Künstliche Intelligenz“ (14) festgestellt hat, sind die Kontrolle und Transparenz der Algorithmen eine enorme Herausforderung für unsere Demokratien und unsere Grundfreiheiten, auch in der Arbeitswelt. Ein sozial und ethisch verantwortlicher digitaler Wandel muss eines der Ziele der EU sein. Der EWSA unterstützt globale Leitlinien, die der EU einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Seiner Ansicht nach sollte die EU den neuen Forschungsbereich „kognitive Ergonomie“ unterstützen, dessen Ziel die Annahme von Maßnahmen zur Förderung einer auf den Menschen ausgerichteten Nutzung intelligenter Technologien ist.

3.6.

Durch voreingenommene Algorithmen können die getroffenen Entscheidungen Diskriminierungen in Unternehmen verstärken, z. B. bei Einstellungsverfahren und der Personalpolitik im Allgemeinen (15). Allerdings können Einstellungsverfahren und Personalpolitik dank einer guten Programmierung der Daten und Algorithmen auch „intelligenter“ und fairer werden.

3.7.

Europäische Forscher, Ingenieure und Unternehmer, die an Konzipierung, Entwicklung und Vermarktung von KI-Systemen mitwirken, müssen nach den Kriterien der ethischen und sozialen Verantwortung handeln. Durch die Einbeziehung von Ethik und Geisteswissenschaften in den Ausbildungsgang für Ingenieure lässt sich diesem Gebot Rechnung tragen (16). Ein Verhaltenskodex für KI könnte angebracht sein.

3.8.

Der EWSA möchte auf eine von KI ausgehende Bedrohung für die Cybersicherheit und die Privatsphäre aufmerksam machen: Mit der neuen Technologie ist es wesentlich einfacher, qualitativ hochwertige gefälschte Bilder, Videos, Reden und Texte zu produzieren. Die Bewältigung dieser ernsthaften Bedrohung muss in der EU-Politik höchste Priorität haben.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1.   Auswirkungen auf die Arbeitsplätze

4.1.1.

Die Frage, wie sich Automatisierung, Digitalisierung und KI auf das Beschäftigungsvolumen in den verschiedenen Produktionsverfahren auswirken werden, ist höchst umstritten. Je nach angewandter Methode — Analyse der Aufgaben oder der Arbeitsplätze — schwanken die Prognosen für die induzierten Arbeitsplatzverluste enorm (17).

4.1.2.

Unabhängig von diesen Schwankungen ist eines sicher: Die Digitalisierung wird sich auf die große Mehrheit der Arbeitsplätze auswirken, wobei einige Berufe mehr als andere betroffen sein werden und kurzfristig verschwinden könnten (18). Andere Tätigkeiten wiederum werden sich stark verändern und Anpassungsqualifikationen notwendig machen.

4.1.3.

Die Auswirkungen der Automatisierung auf die Arbeitsplätze weichen in den einzelnen Ländern der Europäischen Union stark voneinander ab (19). Laut einer Studie der OECD sind die Arbeitsplätze im Vereinigten Königreich, den nordischen Ländern und den Niederlanden generell weniger von der Automatisierung betroffen als die Arbeitsplätze in den östlichen und südlichen EU-Mitgliedstaaten (20). Dafür gibt es verschiedene Gründe: Unterschiede bei der Aufgabenstruktur innerhalb der Wirtschaftssektoren, in der Branchenstruktur und in der Investitionsstrategie (die Arbeitsstruktur derjenigen Länder, die noch nicht in arbeitssparende Technologien investiert haben, weist ein höheres Automatisierungspotenzial auf). Auch bei der allgemeinen Arbeitsplatzorganisation sowie beim Bildungsniveau der Arbeitnehmer bestehen Unterschiede.

4.2.   Gewährleistung der Schlüsselkompetenzen aller Bürger

4.2.1.

Mit Hilfe der richtigen Kompetenzen ist es für die Mitgliedstaaten der EU leichter, sich mit innovativeren, weiterhin wettbewerbsfähigen Unternehmen in die globalisierten Märkte zu integrieren und sich in den Spitzentechnologien zu spezialisieren. Hierfür werden in allen Sektoren Arbeitnehmer benötigt, die nicht nur über große kreative und kognitive Kompetenzen (Lesen, Schreiben, Rechnen und Lösung komplexer Probleme), sondern auch über Management- und Kommunikationsfähigkeiten sowie Lernfähigkeit verfügen.

4.2.2.

Vorrangige Maßnahmen und eine intensivere Unterstützung werden für diejenigen Arbeitnehmer benötigt, die Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen ausüben, die mit hoher Wahrscheinlichkeit automatisiert, tiefgreifend verändert oder ersetzt werden oder gar verschwinden.

4.2.3.

In der EU wächst die Kluft zwischen den Kompetenzen und den künftigen Arbeitsplätzen. 22 % der Arbeitnehmer in den Mitgliedstaaten der EU laufen Gefahr, angesichts der Entwicklung ihres Arbeitsplatzes nicht über die richtigen digitalen Kompetenzen zu verfügen (21). Seit 2008 ist die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit und der Langzeitarbeitslosigkeit insbesondere für gering qualifizierte Arbeitnehmer gestiegen.

4.2.4.

Wie der EWSA in einer unlängst verabschiedeten Stellungnahme angesichts der Schwierigkeiten dieser Arbeitslosen beim Zugang zur Beschäftigung festgestellt hat, muss auf Ebene der Branchen sowie auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene im Rahmen des sozialen Dialogs dringend die Frage von Ausbildung und Kompetenzen erörtert werden (22), um allen Arbeitnehmern den Zugang zu guter Arbeit und beruflicher Weiterentwicklung zu ermöglichen.

4.3.   Neugestaltung der Erstausbildung und Förderung der lebensbegleitenden Weiterbildung

4.3.1.

Angesichts dieser Herausforderungen hält der EWSA eine gezielte Politik der EU und der Mitgliedstaaten für die Umgestaltung der Erstausbildung und der lebensbegleitenden Weiterbildung für dringend geboten, um die einschlägigen pädagogischen Konzepte zu fördern, über die zunehmend wichtigere kreative Fähigkeiten entwickelt werden können.

4.3.2.

Eine einheitliche Politik auf europäischer Ebene ist möglicherweise unwirksam, da die Probleme in den Mitgliedstaaten unterschiedlich sind, aber eine Politik zur Verringerung der Kluft zwischen den vorhandenen Kompetenzen und den künftigen Arbeitsplätzen ist generell notwendig (23).

4.4.   Schwachstellen hinsichtlich des Diskriminierungsrisikos am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft

4.4.1.

Gleichstellung von Frauen und Männern: Die Arbeitsplätze der Zukunft, die auch am besten anerkannt und bezahlt sein werden, gehören dem Bereich der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) an und insbesondere dem Sektor der Informationstechnologie (IT). Die Durchmischung der Geschlechter muss hier zu den obersten Prioritäten gehören: In Bildungsgängen mit Schwerpunkt Digitalisierung sind alarmierend wenig Frauen vertreten (24). Es ist wichtig, diese Tendenzen zu überwachen und zu messen und in diesen Bereichen den Zugang der Frauen zu fördern, wenn noch mehr Ungleichheiten in der künftigen Arbeitswelt verhindert werden sollen (25).

4.4.2.

Altersbedingte Ungleichheiten: Die Veränderungen in der Arbeitswelt haben altersunabhängig Folgen für die Beschäftigungsbedingungen aller Arbeitnehmer. Von diesen Veränderungen kann abhängen, ob Menschen während des gesamten Arbeitslebens einen dauerhaften Arbeitsplatz haben. So können beispielsweise befristete Verträge, die derzeit eher ungerechterweise vor allem junge Arbeitnehmer betreffen (26), mit eventuellen Folgen auch auf ältere Arbeitnehmer ausgedehnt werden. Gleichzeitig kann die technologische Entwicklung in Verbindung mit der Digitalisierung älteren Arbeitnehmern Chancen bieten. Diese Entwicklungen müssen in Untersuchungen zum Thema Arbeit verfolgt werden.

5.   Ein innovativer und vorausdenkender sozialer und ziviler Dialog

5.1.

Im sozialen Dialog auf allen Ebenen — in der EU, den Mitgliedstaaten, in den Branchen, Regionen und Unternehmen — müssen unter umfassender Berücksichtigung der digitalen Herausforderungen und auf der Grundlage einschlägiger Daten über die von Veränderungen betroffenen Berufe, die neu geschaffenen Arbeitsplätze sowie die dafür erforderlichen Kompetenzen vorausschauende Maßnahmen entwickelt werden.

5.2.

Es gilt, die Arbeitsbedingungen im Zeitalter der Automatisierung über den sozialen Dialog umfassender zu beleuchten, um den neuen Risiken und Chancen Rechnung zu tragen. Die Vereinbarungen, die aus dem sozialen Dialog in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten und Sektoren hervorgegangen sind, sollten von der Europäischen Kommission mit Blick auf die Umsetzung der entsprechenden Ergebnisse (Recht auf Unerreichbarkeit (27), Vereinbarungen zu Telearbeit, übertragbare Persönlichkeitsrechte, mit einer Plattform geschlossener Tarifvertrag (28) usw.) analysiert werden (29).

5.3.

Der Erhalt der Qualität und der finanziellen Tragfähigkeit der Sozialschutzsysteme steht im Einklang mit der europäischen Säule sozialer Rechte und ist somit eine der Prioritäten des EWSA, denn nur so kann sichergestellt werden, dass alle infolge der Digitalisierung entstandenen flexiblen Beschäftigungsformen abgedeckt sind und kein Arbeitnehmer außen vor bleibt (30). Der EWSA fordert die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten auf, für die Konzertierung mit den Sozialpartnern Sorge zu tragen, damit die Sozialschutzsysteme an die neuen Beschäftigungsformen angepasst werden.

5.4.

Zusätzliche Mittel lassen sich über Produktivitätszuwächse infolge der Digitalisierung freisetzen. Auf Branchen- und Unternehmensebene sollte ein sozialer Dialog über die Verteilung und Umverteilung des Mehrwerts stattfinden.

5.5.

Steuerrechtlich gesehen sollten Reformen der Steuersysteme sorgfältig geprüft werden, damit sowohl die in den konventionell organisierten Branchen als auch in der „Sharing Economy“ erwirtschafteten Einkommen in vergleichbarer Höhe besteuert werden.

5.6.

Die Interessenträger der Zivilgesellschaft sollten aktiv in diese Entwicklungen eingebunden werden. Angesichts der notwendigen Bildungsmaßnahmen zur Anpassung benachteiligter Gruppen an den rasanten technologischen Wandel und der gesamtgesellschaftlich relevanten KI- und Digitalisierungsstrategien haben die zivilgesellschaftlichen Organisationen einen wichtigen Beitrag zu leisten.

Brüssel, den 11. Juli 2018

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Luca JAHIER


(1)  Europäische Kommission (2018), Women in the Digital Age.

(2)  COM(2017) 206 final, S. 28.

(3)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 1.

(4)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 54 und ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 7.

(5)  EWSA (2017), Impact of digitalization and the on-demand economy on labour markets and the consequences for employment and industrial relations.

(6)  ABl. L 122 vom 16.5.2009, S. 28.

(7)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 1.

(8)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 1.

(9)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 30 und S. 36 und ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8.

(10)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 1.

(11)  Europäische Union (2017). Reflexionspapier zur sozialen Dimension Europas, S. 24.

(12)  ABl. C 262 vom 25.7.2018, S. 1.

(13)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 1.

(14)  ABl. C 288 vom 31.8.2017, S. 1.

(15)  IAO (2018), Impact des technologies sur la qualité et la quantité des emplois; cf. Villani, C. (2018). Donner un sens à l'intelligence artificielle: Pour une stratégie nationale et européenne.

(16)  Siehe den o. g. Bericht von Cédric Villani über KI (März 2018).

(17)  Nedelkoska, L. and G. Quintini (2018), „Automation, skills use and training“, OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 202, OECD Publishing, Paris.

(18)  France Stratégie (2018), Intelligence artificielle et travail: rapport à la ministre du travail et au secrétaire d'État auprès du premier ministre, chargé du numérique.

(19)  Cedefop (2018), Insights into skill shortages and skill mismatch: learning from Cedefop’s European skills and job survey.

(20)  Nedelkoska, L. and G. Quintini (2018), „Automation, skills use and training“, OECD Social, Employment and Migration Working Papers, No. 202, OECD Publishing, Paris.

(21)  Cedefop (2018), Insights into skill shortages and skill mismatch: learning from Cedefop’s European skills and job survey.

(22)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8.

(23)  Cedefop (2018), Insights into skill shortages and skill mismatch: learning from Cedefop’s European skills and job survey.

(24)  Europäische Kommission (2018), Women in the Digital Age.

(25)  Europäische Kommission (2015), Monitoring the digital economy & society 2016-2021.

(26)  Eurofound (2017), Non-standard forms of employment: Recent trends and future prospects, S. 7, und Eurofound (2017), Working conditions of workers at different ages.

(27)  ABl. C 237 vom 6.7.2018, S. 8.

(28)  Siehe die in Dänemark unterzeichnete Vereinbarung.

(29)  ABl. C 434 vom 15.12.2017, S. 30.

(30)  ABl. C 303 vom 19.8.2016, S. 54 und ABl. C 129 vom 11.4.2018, S. 7.