2.3.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 81/117


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über die Halbzeitbilanz des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion“

(COM(2017) 292 final)

(2018/C 081/16)

Berichterstatter:

Daniel MAREELS

Befassung

Europäische Kommission, 5.7.2017

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

 

 

Zuständige Fachgruppe

Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt

Annahme in der Fachgruppe

5.10.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

19.10.2017

Plenartagung Nr.

529

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

136/0/3

Präambel

Diese Stellungnahme ist Teil eines umfangreicheren Pakets von vier Stellungnahmen des EWSA über die Zukunft der europäischen Wirtschaft (Paket zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion und zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets, der Kapitalmarktunion und der Zukunft der EU-Finanzen)  (1) . Das Paket steht im Kontext der Erörterung des Weißbuchs über die Zukunft Europas, die von der Europäischen Kommission vor Kurzem auf den Weg gebracht wurde; zudem wird die Rede zur Lage der Union 2017 von Kommissionspräsident Juncker berücksichtigt. Im Einklang mit der Entschließung des EWSA zur Zukunft Europas  (2) und früheren Stellungnahmen zur Vollendung der WWU  (3) wird mit diesem Paket von Stellungnahmen die Notwendigkeit einer gemeinsamen Vorstellung von Sinn und Zweck der wirtschaftspolitischen Steuerung in der Union unterstrichen, und dies geht weit über technische Konzepte und Maßnahmen hinaus und ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens und einer gemeinsamen Sichtweise.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Da die Kapitalmarktunion insgesamt gesehen von entscheidender Bedeutung sowohl für eine weitere und vertiefte europäische Integration und entsprechende Fortschritte als auch für die einzelnen Mitgliedstaaten ist und dem sich wandelnden internationalen Kontext Rechnung getragen werden muss, ist der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ein großer Verfechter dieser Union und hinsichtlich ihrer Verwirklichung ehrgeizig. Für den EWSA ist es wichtig, dass alles unternommen wird, um die Kapitalmarktunion zum Erfolg zu führen. Es müssen rasch Fortschritte und Ergebnisse erzielt werden, um der Wirtschaft in der EU kurzfristig neuen Schwung zu verleihen und ihre Dynamik zu verstärken.

1.2.

Der EWSA ist stets ein großer Befürworter der weiteren Vertiefung und Vollendung der WWU gewesen und hat diese ausdrücklich gefordert. Der EWSA tut dies auch jetzt wieder und plädiert nachdrücklich für die Kapitalmarktunion. Zusammen mit der Bankenunion muss die Kapitalmarktunion zu einer Finanzunion führen; da sie eine der Grundlagen der WWU bildet, wird die Vollendung der Finanzunion durch die Verwirklichung der Kapitalmarktunion gewährleistet. Die ersten Fortschritte beim Aufbau der Kapitalmarktunion wurden bereits gemacht und auch für die Bankenunion wurden mit dem Ausbau der ersten und der zweiten Säule und den Vorschlägen für die dritte Säule bereits verschiedene Schritte unternommen. Nun kommt es darauf an, in diesen beiden Bereichen weiter zu arbeiten und so schnell wie möglich die endgültigen Ziele auch tatsächlich zu erreichen.

1.3.

Außerdem kann die Kapitalmarktunion einen substanziellen Beitrag zur Festigung der wirtschaftlichen Erholung leisten und mit für Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätze sorgen, und zum Vorteil sowohl der einzelnen Mitgliedstaaten als auch der EU als Ganzes. Die hiermit einhergehende Erweiterung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen muss strukturell für eine stärkere Integration sorgen. Dies sollte wiederum zu der gewünschten größeren Stabilität, Sicherheit und Widerstandsfähigkeit sowohl des Wirtschafts- als auch der Finanzsystems beitragen. Ein weiteres fragmentiertes Vorgehen ist keine Option, weil uns dadurch viele Chancen entgehen.

1.4.

So ist es auch unter Berücksichtigung der Kräfte- und Machtverschiebungen, zu denen es derzeit auf internationaler und globaler Ebene, aber auch — näher bei uns — des Brexit von entscheidender Bedeutung, dass sich die EU nun energisch zeigt und ihre wirtschaftliche Stellung stärkt. Europa kann sich hierfür die Resilienz und die Dynamik zum Vorbild nehmen, die die Wirtschaft der USA nach der Krise bewiesen hat.

1.5.

Für den EWSA ist offensichtlich, dass die Kapitalmarktunion keine freiwillige Einrichtung im Sinne einzelner Akteure ist, sondern in allen Mitgliedstaaten der EU Wirklichkeit werden muss. Das ist absolut notwendig. Auf europäischer Ebene und in den Mitgliedstaaten muss der politische Wille vorhanden sein, alle erforderlichen Anstrengungen zu unternehmen und alle entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen. Das Ergebnis muss eine Kapitalmarktunion sein, die für Integration in der gesamten Union steht, gleichzeitig aber auch den jeweiligen Erfordernissen, Bedürfnissen und Zielen, u. a. bestimmter Regionen und Gebiete, Rechnung trägt. In allen Bereichen ist eine kohärente und konsistente Politik nötig und Initiativen, die nicht den vorgegebenen Zielen entsprechen, sind abzulehnen.

1.6.

Für den EWSA ist es äußerst wichtig, die Chancen für eine erfolgreiche Verwirklichung der Kapitalmarktunion zu maximieren. Daher wird ausdrücklich vorgeschlagen, die nötigen Instrumente vorzusehen, mit denen das konkrete Hinarbeiten auf die Kapitalmarktunion und die erzielten Fortschritte in allen Mitgliedstaaten ermittelt und gemessen werden können. Konkret befürwortet der EWSA nachdrücklich die Einrichtung eines Systems regelmäßiger Evaluierungen der Fortschritte bei der Umsetzung der Kapitalmarktunion in den Mitgliedstaaten sowohl mit qualitativen als auch mit quantitativen Maßnahmen, deren Ergebnisse öffentlich bekannt gegeben werden. Bei Mängeln sollten entsprechende Maßnahmen und Aktionen durchgeführt werden.

1.7.

Der Erfolg der Kapitalmarktunion wird letztlich davon abhängen, inwieweit die dargelegten Bausteine tatsächlich in die Realität umgesetzt werden und der Binnenmarkt tatsächlich geschaffen und von allen Interessenträgern, in erster Linie Finanzdienstleistern, Unternehmen, Anlegern und Sparern, effektiv genutzt wird. Deshalb begrüßt der EWSA die jetzige, rasch durchgeführte Halbzeitbilanz und empfiehlt, derartige Bilanzen künftig regelmäßig zu ziehen und auch die oben genannten Interessenträger aktiv und eng einzubinden.

1.8.

Für die nächsten Schritte zur Umsetzung der Bausteine für die Kapitalmarktunion müssen einige Entscheidungen getroffen werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass Maßnahmen und Aktionen bevorzugt werden sollten, die die größte Konvergenz schaffen und den Mitgliedstaaten den geringsten Spielraum lassen, um über das unbedingt Notwendige hinauszugehen. Dabei sollte der REFIT-Ansatz berücksichtigt werden, um die Dinge ohne unnötigen Verwaltungsaufwand und zu geringeren Kosten zu vereinfachen.

1.9.

Im Dokument der Kommission sind 38 Bausteine genannt, die bis 2019 (noch) für die Kapitalmarktunion zu verwirklichen sind. Auch wenn diese große Anzahl kurzfristig zu verwirklichender Bausteine Zweifel an der Herangehensweise aufkommen lässt, ist es für den EWSA wichtig, dass die Grundlagen für die Kapitalmarktunion unwiderruflich und unumkehrbar gelegt werden.

1.10.

In diesem Zusammenhang fordert der EWSA insbesondere, der Finanzierung von KMU alle erforderliche Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Bankenfinanzierungen sind für sie nach wie vor von allergrößter Bedeutung. Zusätzlich zu den im ursprünglichen Aktionsplan zugunsten der KMU vorgesehenen und bereits ergriffenen Maßnahmen (z. B. STS-Verbriefungen und Prospektrichtlinie) müssen alle Initiativen in der vorliegenden Mitteilung in Angriff genommen werden, mit denen die Lage dieser Unternehmen noch weiter verbessert werden kann. Außerdem könnten andere Ansätze für KMU wie beispielsweise alternative Finanzierungsmöglichkeiten und die Förderung weiterer politischer Instrumente entwickelt und gefördert werden.

1.11.

Der EWSA begrüßt zudem den Schwerpunkt auf der Stärkung nachhaltiger Investitionen und der Vorreiterrolle, die die EU in diesem Bereich spielen sollte. Der EWSA unterstützt den Vorschlag, Nachhaltigkeitserwägungen bei künftigen Überprüfungen von Rechtsvorschriften im Finanzbereich (Vorrangige Maßnahme 6).

1.12.

Schließlich ist der EWSA darüber erfreut, dass die Überwachung im Mittelpunkt der Bemühungen um den Ausbau der Kapitalmarktunion steht. Der Aufsicht auf europäischer Ebene kommt eine Schlüsselrolle zu, sowohl wenn es um die Sicherheit und Stabilität geht, als auch im Hinblick auf die Verwirklichung der gewünschten Marktintegration und die Beseitigung von Barrieren, Hindernissen und Ungleichheiten in der Kapitalmarktunion.

2.   Hintergrund

2.1.

Bei ihrem Antritt erklärte die Kommission Juncker die Förderung von Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätzen zu einer ihrer wichtigsten Prioritäten. Im Hinblick auf die Verwirklichung dieser Priorität wurde von Anfang an an einem aus mehreren Teilen bestehenden „Investitionsplan für Europa“ gearbeitet.

2.2.

Auch das Streben nach einer vereinheitlichten Kapitalmarktunion ist Teil dieses Plans. Diese wurde Ende September 2015 mit der Veröffentlichung des Dokuments „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ durch die Kommission auf den Weg gebracht (4). In diesem Aktionsplan werden die Bausteine für den Aufbau einer gut funktionierenden integrierten Kapitalmarktunion aller Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2019 dargelegt.

2.3.

Nicht einmal ein Jahr später forderte der Europäische Rat „zügige und entschlossene Fortschritte“ des Plans, „damit Unternehmen leichter Zugang zu Finanzierungen erhalten und Investitionen in die Realwirtschaft gefördert werden, indem die Agenda der Kapitalmarktunion weiter vorangebracht wird“ (5). Kurz danach nahm die Kommission eine Mitteilung an, in welcher — ebenfalls — eine Beschleunigung der Reformen gefordert wird (6).

2.4.

Daneben haben sich in letzter Zeit einige neue Herausforderungen für die finanzielle Integration ergeben, wie das bevorstehende Ausscheiden des größten Finanzzentrums aus der EU (Brexit).

2.5.

Dies hat kürzlich (7) zur Veröffentlichung der „Mitteilung über die Halbzeitbilanz des Aktionsplans zur Kapitalmarktunion“ durch die Kommission geführt (8). In der Halbzeitbilanz werden neben (a) dem Stand der Durchführung des ursprünglichen Aktionsplans und (b) der Ankündigung einiger neuer Gesetzgebungsinitiativen, die sich aus ausstehenden Maßnahmen ergeben, vor allem (c) eine Reihe neuer vorrangiger Maßnahmen angekündigt.

2.5.1.

Zweck der Halbzeitbilanz ist es, insbesondere auf die wechselnden Herausforderungen, die sich ergeben haben, zu reagieren und zugleich die Ergebnisse der öffentlichen Konsultation aus dem Frühjahr 2017 zu berücksichtigen.

2.5.2.

Von den im ursprünglichen Plan vorgesehenen Maßnahmen (33) (9) wurden auf Ebene der Kommission mehr als die Hälfte (20) gemäß dem ursprünglichen Zeitplan durchgeführt. Die vorgelegten Vorschläge beziehen sich u. a. auf die Entwicklung von Risikokapitalmärkten, die Vereinfachung und Verbilligung des Zugangs zu öffentlichen Märkten für Unternehmen durch eine Überarbeitung der Vorschriften über Wertpapierprospekte, die Abschaffung der steuerlichen Vorzugsbehandlung von Fremd- gegenüber Eigenmitteln, die Förderung eines sicheren und liquiden Verbriefungsmarktes und die Schaffung von Möglichkeiten zur Umstrukturierung oder die Einräumung einer zweiten Chance, wenn ein ehrlicher Unternehmer in Konkurs gerät.

2.5.3.

Bezüglich des unerledigten Programms (10) beabsichtigt die Kommission unter anderem, drei Legislativvorschläge voranzubringen, die für die Schaffung der Kapitalmarktunion als von zentraler Bedeutung angesehen werden. Dabei handelt es sich insbesondere um einen Vorschlag für ein EU-weites Produkt der privaten Altersvorsorge (Pan-European Personal Pension Product — PEPP) (veröffentlicht am 29. Juni 2017), einen Vorschlag mit Kollisionsvorschriften für die Drittparteieffekte von Wertpapier- und Forderungsgeschäften (4. Quartal 2017) und einen Vorschlag für einen EU-Rahmen für gedeckte Schuldverschreibungen (1. Quartal 2018).

2.5.4.

Um auf die wechselnden Herausforderungen zu reagieren, werden neun neue vorrangige Maßnahmen (11) zur Verstärkung der Kapitalmarktunion ergriffen:

mehr Befugnisse für die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), um in der gesamten EU und über ihre Grenzen hinaus die Wirksamkeit einer kohärenten Aufsicht zu fördern;

ein verhältnismäßigerer Regulierungsrahmen für KMU-Notierungen auf öffentlichen Märkten;

Überprüfung der aufsichtlichen Behandlung von Wertpapierfirmen;

Prüfung eines möglichen europäischen Rahmens für Zulassungen und Pässe für FinTech-Tätigkeiten;

Maßnahmen zur Unterstützung der Sekundärmärkte für notleidende Kredite und Prüfung möglicher Rechtsetzungsinitiativen, um es bevorrechtigten Gläubigern einfacher zu machen, Werte aus besicherten Darlehen an Unternehmen und Unternehmer zurückzuerhalten;

Folgemaßnahmen im Anschluss an die Empfehlungen der hochrangigen Expertengruppe für ein nachhaltiges Finanzwesen;

Erleichterung des grenzüberschreitenden Vertriebs und der grenzüberschreitenden Beaufsichtigung von OGAW und alternativen Investmentfonds (AIF);

Leitlinien für die bestehenden Rechtsvorschriften der EU für den Umgang mit grenzüberschreitenden Investitionen in der EU und einen angemessenen Rahmen für die gütliche Beilegung von Investitionsstreitigkeiten;

eine umfassende EU-Strategie zur Sondierung von Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung lokaler und regionaler Kapitalmärkte in der EU.

2.6.

Das Ziel ist weiterhin, einen entscheidenden und permanenten Beitrag zu leisten, damit das Fundament für eine echte Kapitalmarktunion bis 2019 gelegt ist. Dies wird im Arbeitsprogramm der Kommission für 2018 seinen Niederschlag finden.

3.   Bemerkungen und Kommentare

3.1.

Zunächst bekräftigt der EWSA (12) seine grundsätzliche Unterstützung und seine frühere Stellungnahme zugunsten der Kapitalmarktunion, deren Verwirklichung im Hinblick auf die weitere finanzielle und wirtschaftliche Integration innerhalb der EU dringend nötig ist. Der gegenwärtige Schwung darf nicht ungenutzt bleiben, zumal sich weltweit eine Reihe von globalen Kraftverschiebungen zwischen Ost und West vollziehen. Die EU muss sich entschlossen vorbereiten.

3.2.

Die Kapitalmarktunion bildet einen wichtigen Bestandteil eines umfassenderen Programms, das zu mehr Wachstum, Investitionen und Arbeitsplätzen beitragen soll. Ein dauerhafter und gesunder Wirtschaftsaufschwung muss weiterhin ganz oben auf der Agenda stehen und unverzüglich weiter angestrebt werden. Tatsächlich kommt es darauf an, den Aufschwung zu festigen und mehr Menschen in Arbeit zu bringen und zu halten.

3.3.

Außerdem soll die Kapitalmarktunion in großem Umfang Kapital in Europa mobilisieren und die Kanalisierung dieses Kapitals in alle Unternehmen, Infrastrukturprojekte sowie nachhaltige langfristige Projekte in einem stärker vereinheitlichten Umfeld ermöglichen. Durch die mit der Kapitalmarktunion angestrebte Erweiterung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen, wobei sowohl Banken- als auch Marktfinanzierungen umfassend zum Einsatz kommen können, soll die Wirtschaft dynamischer und schlagkräftiger werden. Das amerikanische Modell, das sich nach der Krise als widerstandsfähiger erwiesen hat, kann neben anderen Neuerungen, bei denen u. a. Darlehensgeber, die keine Banken sind, eine wichtige Rolle spielen, diesbezüglich als Beispiel dienen.

3.4.

Gleichzeitig geht es darum, wirtschaftliche und soziale Konvergenz anzustreben und so die finanzielle und wirtschaftliche Stabilität innerhalb der EU zu stärken. Ein qualitativer Ansatz, der sich durch gesundes und nachhaltiges Wachstum und Wohlstand auszeichnet, sollte Vorrang haben. Unternehmen, Anleger und Sparer müssen ebenfalls in den Genuss der Vorteile der Kapitalmarktunion kommen können, gleichzeitig muss jedoch verhindert werden, dass sie dadurch ein zu großes Risiko tragen müssen.

3.5.

Auch für die weitere Vertiefung und Vollendung der WWU ist die Kapitalmarktunion und ihre Verwirklichung von entscheidender Bedeutung (13). Der EWSA bekräftigt in diesem Zusammenhang seinen traditionellen Standpunkt (14). Zusammen mit einer vollwertigen Bankenunion muss die Kapitalmarktunion zu einer echten Finanzunion, einem der vier Grundpfeiler (15) der WWU (16), führen. Es wurden bereits mehrere Schritte in diesen Bereichen unternommen und jetzt kommt es darauf an, nicht in den Bemühungen nachzulassen.

3.6.

Zudem haben alle Mitgliedstaaten ein Interesse an der Kapitalmarktunion. Wie erst kürzlich dargelegt, bietet diese „noch einen anderen wichtigen Vorteil, insbesondere ihren Beitrag zu einem konvergenten Wachstum zwischen Mitgliedstaaten, das sich aus der verbesserten Zirkulation und Verteilung von Ersparnissen in der Union ergibt“. Weniger leistungsstarke Volkswirtschaften sollten hierdurch in der Lage sein, ihren Rückstand auf die leistungsstärkeren Volkswirtschaften rascher aufzuholen (17). Des Weiteren heißt es, dass es „von dieser Warte aus betrachtet (…) durch den Brexit sogar noch wichtiger (wird), dass die Kapitalmarktunion tatsächlich umgesetzt wird und dass sich das europäische Wachstum auf die Dienstleistungen eines integrierten Finanzsystems stützen kann“ (18).

3.7.

Daher hält es der EWSA für überaus notwendig, dass rasche Fortschritte erzielt werden. Der EWSA begrüßt die Erklärungen des Europäischen Rates vom Juni 2016 (19) und weitere entsprechende Erklärungen (20).

3.8.

Mit dieser schnellen (21) Halbzeitbilanz wird der Aktionsplan genau überwacht und schnell reagiert. Der EWSA begrüßt dies, da diese Bilanz eine verstärkte und gezieltere Reaktion auf die verschiedenen und zukunftsorientierten Herausforderungen ermöglicht, die sich unter stets wechselnden politischen und ökonomischen Bedingungen ergeben. Im Übrigen wäre es wünschenswert, in Zukunft regelmäßig solche Halbzeitbilanzen einzuplanen. Nach Ansicht des EWSA sollten die verschiedenen Interessenträger aktiv und eng darin eingebunden werden. Dies ist umso wichtiger, als der letztendliche Erfolg der Kapitalmarktunion davon abhängen wird, inwieweit die dargelegten Bausteine in „echte“ Realität umgesetzt werden und der Binnenmarkt tatsächlich geschaffen und von möglichst vielen Finanzdienstleistern, Unternehmen, Anlegern und Sparern effektiv genutzt wird.

3.9.

Für die Verwirklichung der Kapitalmarktunion müssen Maßnahmen, die einen größtmöglichen Beitrag zur Konvergenz (22) leisten und den Mitgliedstaaten den geringsten Spielraum lassen, um über das unbedingt Notwendige hinauszugehen, Vorrang erhalten. Unterschiede bei der Umsetzung der europäischen Rechtsvorschriften in einzelstaatliches Recht sowie Unterschiede in der konkreten Anwendung sollten vermieden werden. Im Übrigen sollte soweit wie möglich der REFIT-Ansatz berücksichtigt werden.

3.10.

Nach Ansicht des EWSA darf die Kapitalmarktunion keine freiwillige Einrichtung sein, die nur bestimmten Ländern zugutekommt, sondern sie muss vielmehr in allen Mitgliedstaaten der EU Wirklichkeit werden. Das ist absolut notwendig. Darum ist es von größter Wichtigkeit, dass auf europäischer Ebene und in jedem einzelnen Mitgliedstaat der (politische) Wille vorhanden ist, die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen und die nötigen Anreize zu setzen, die diesen Erfolg ermöglichen und Wirklichkeit werden lassen.

3.11.

Von der absoluten Notwendigkeit, die Kapitalmarktunion in allen Mitgliedstaaten zu verwirklichen, kann nicht abgerückt werden (siehe 3.10 oben). Daher ist es erforderlich, Instrumente vorzusehen, mit denen die konkrete Erreichung der vorgegebenen Ziele und die tatsächlichen Fortschritte in allen Mitgliedstaaten ermittelt werden können. In diesem Sinne befürwortet der EWSA nachdrücklich die Einrichtung eines Systems regelmäßiger Evaluierungen der Fortschritte der Umsetzung der Kapitalmarktunion in den Mitgliedstaaten anhand sowohl quantitativer als auch qualitativer Kriterien. Die Ergebnisse dieser Evaluierungen sollten veröffentlicht werden. Bei Mängeln sind entsprechende Aktionen und Maßnahmen vorzusehen.

3.12.

Das Ergebnis muss eine Kapitalmarktunion sein, die für die Integration in der gesamten Union steht, gleichzeitig aber auch den jeweiligen Erfordernissen, Bedürfnissen und Zielen in den einzelnen Mitgliedstaaten Rechnung trägt, ohne dass sich daraus eine weitere Zersplitterung oder Fragmentierung ergeben darf. In diesem Zusammenhang ist es klar, dass die Förderung von regionalen Kapitalmärkten für bestimmte Gebiete und von Unternehmen, die dort ihren Sitz haben, sehr wichtig ist (vorrangige Maßnahme 9). Dies kann auch dazu beitragen, grenzüberschreitende Geschäfte und Dienstleistungen zu fördern, die heute häufig noch teurer und schwieriger sind als inländische.

3.13.

Im Übrigen erfordert die weitere erfolgreiche Umsetzung der Kapitalmarktunion eine kohärente und konsistente Politik auf allen Ebenen. Es gilt, Initiativen abzulehnen, die nicht der Kapitalmarktunion entsprechen und/oder ihrem Wesen nach geeignet sind, Fragmentierung, Barrieren oder sonstige Hindernisse zu schaffen.

3.14.

Derzeit enthält der vollständige Überblick im Dokument der Kommission (23) über die Bausteine für die Kapitalmarktunion, die bis 2019 (noch) zu verwirklichen sind, nicht weniger als 38 Maßnahmen und Aktionen. Um die oben genannten Erfolgsaussichten zu maximieren, stellt sich die Frage, ob nicht in sehr kurzer Zeit zu viel geschehen muss und ob es nicht besser wäre, sich auf eine beschränkte Anzahl von Prioritäten zu konzentrieren (24). Wie die Antwort auf diese Frage auch ausfallen mag, es kommt in jedem Fall darauf an, innerhalb der vorgegebenen Frist möglichst ergebnisorientiert zu arbeiten und die Grundlagen für die Kapitalunion unwiderruflich zu schaffen.

3.15.

Wie der EWSA bereits in seiner ursprünglichen Stellungnahme zum Aktionsplan ausgeführt hat, ist die Finanzierung der KMU, die das Herz der europäischen Wirtschaft bilden und für die Beschäftigung von großer Bedeutung sind, dem EWSA ein wichtiges Anliegen. Nach dieser Halbzeitbilanz hat der EWSA jedoch noch immer Bedenken (25) im Hinblick auf die Relevanz und Wirksamkeit der Kapitalmarktunion für KMU.

3.16.

Vor allem im Hinblick auf die — insbesondere kleinen — KMU müssen alle Anstrengungen unternommen werden, damit Bankfinanzierungen sowohl lokal als auch grenzüberschreitend einfach zugänglich und attraktiv werden bzw. dies weiterhin sind (26). Außerdem müssen die alternativen Finanzierungsmöglichkeiten für KMU gefördert und verbessert werden. Die Vorschläge zur Verbriefung (STS-Verbriefung), zu denen sich der EWSA bereits positiv geäußert hat (27), sind zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung, doch dabei darf es nicht bleiben. Auch die Entwicklung eines Sekundärmarktes für notleidende Kredite (vorrangige Maßnahme 4) und Vorschriften für gedeckte Schuldverschreibungen können dabei eine bedeutende Rolle spielen, ebenso wie die Förderung von vorhandenen Politikinstrumenten für KMU.

4.   Besondere Bemerkungen und Kommentare

4.1.

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben, sind im Folgenden Bemerkungen und Kommentare zu einigen im Dokument der Kommission angekündigten vorrangigen Maßnahmen (28) aufgeführt, die das Interesse des EWSA geweckt haben.

4.2.

Der EWSA begrüßt insbesondere, dass die Aufsicht im Mittelpunkt der Anstrengungen zum Ausbau der Kapitalmarktunion (vorrangige Maßnahme 1) steht, und hofft, dass ihr vorrangig Aufmerksamkeit zuteilwird. Der Aufsicht auf europäischer Ebene kommt eine Schlüsselrolle zu, sowohl wenn es um die Sicherheit und Stabilität des Finanz- und Wirtschaftssystems geht, als auch im Hinblick auf die Verwirklichung der gewünschten Marktintegration und die Beseitigung von Ungleichheiten und anderen Barrieren jedweder Art im Binnenmarkt.

4.3.

Die Suche nach verhältnismäßigeren Vorschriften, um Börsengänge und Wertpapierfirmen zu unterstützen (vorrangige Maßnahme 2), ist äußerst positiv und verdient zweifellos Beachtung, gleichzeitig aber bedürfen die Interessen und der Schutz von Kleinsparern und -anlegern fortgesetzter Aufmerksamkeit.

4.4.

Völlig zu Recht wird der Stärkung der Führungsrolle der EU bei nachhaltigen Investitionen (vorrangige Maßnahme 6) Bedeutung beigemessen. Denn es ist wichtig, dass Europa eine Vorreiterrolle spielt, wenn es um „gutes“ und nachhaltiges Wachstum geht. Dabei muss ein qualitativer Ansatz im Vordergrund stehen. Es ist auch wichtig, dass Sparer und Anleger sachdienliche Informationen erhalten, z. B. über einen ausreichend langen Zeitraum. So werden, was die Auswirkungen einer Investition anbelangt, Daten nicht länger als drei Jahre gespeichert. Es sollte geprüft werden, ob dieser Zeitraum nicht verlängert werden könnte.

4.5.

Ferner unterstützt der EWSA die Auffassung der Europäischen Kommission (29), dass privates Kapital und Mittel des EFSI sowie anderer EU-Fonds wirkungsvoll miteinander verbunden werden sollten, um Investitionen für diejenigen KMU zu mobilisieren, die positive soziale und ökologische externe Effekte aufweisen — und damit auch dazu beitragen, dass die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung und insbesondere die Ziele der neuen europäischen Säule der sozialen Rechte erreicht werden.

Brüssel, den 19. Oktober 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Dieses Paket beinhaltet folgende Stellungnahmen des EWSA: „Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets 2017 (ergänzende Stellungnahme)“ (siehe Seite 216 dieses Amtsblatts), „Kapitalmarktunion: Halbzeitprüfung“, „Vertiefung der WWU bis 2025“ (siehe Seite 124 dieses Amtsblatts) und „EU-Finanzen bis 2025“ (siehe Seite 131 dieses Amtsblatts).

(2)  Entschließung des EWSA vom 6. Juli 2017 zum Thema „Weißbuch der Kommission zur Zukunft Europas und darüber hinaus“, ABl. C 345 vom 13.10.2017, S. 11. Noch nicht veröffentlicht.

(3)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 10 und ABl. C 332 vom 8.10.2015, S. 8.

(4)  COM(2015) 468 final.

(5)  http://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2016/06/28-euco-conclusions/.

(6)  COM(2016) 601 final.

(7)  Am 8. Juni 2017.

(8)  COM(2017) 292 final.

(9)  COM(2017) 292 final, Ziffer 2.

(10)  Siehe ebd. Fußnote Nr. 9.

(11)  COM(2017) 292 final, Ziffer 4.

(12)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 17.

(13)  ABl. C 451 vom 16.12.2014, S. 10, Ziffer 1.

(14)  Siehe auch Stellungnahme des EWSA zum Thema „Vertiefung der WWU bis 2025“ (siehe Seite 124 dieses Amtsblatts).

(15)  Neben Maßnahmen zur Verwirklichung einer Finanzunion betreffen diese eine echte Wirtschaftsunion, die Schaffung einer Fiskalunion und einer politischen Union. Bericht der fünf Präsidenten „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“, Juni 2015.

(16)  Siehe auch „Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vollenden“, Bericht der fünf Präsidenten, Juni 2015.

(17)  Damit werden gleichzeitig asymmetrische Auswirkungen wirtschaftlicher Erschütterungen besser abgefedert.

(18)  Siehe u. a. Vítor Constâncio, Vizepräsident der Europäischen Zentralbank, „Effectiveness of Monetary Union and the Capital Markets Union“, Malta, 6. April 2017. http://malta2017.eurofi.net/highlights-eurofi-high-level-seminar-2017/vitor-constancio-vice-president-european-central-bank/

(19)  Siehe Ziffer 2.3 dieser Stellungnahme.

(20)  Siehe Fußnote 13.

(21)  Weniger als zwei Jahre nach der Veröffentlichung des Aktionsplans.

(22)  So sollten, wenn möglich, Verordnungen Vorrang vor Richtlinien erhalten.

(23)  Siehe die Anlage zur Kommissionsmitteilung COM(2017) 292 final.

(24)  Während des EUROFI High Level Seminars 2017 in Malta (am 5., 6. und 7. April 2017) wurden verschiedene Umfragen unter den Teilnehmern durchgeführt. Eine der Fragen lautete: „Wie lässt sich die Kapitalmarktunion erheblich beschleunigen?“ Für 37 % der Befragten lautete die Antwort „Durch die Konzentration auf wenige Schlüsselprioritäten“, 29 % entschieden sich für „Durch politische Impulse für den Abbau nationaler Hemmnisse“. 12 % der Befragten antworteten mit „Durch die Errichtung eines einzigen Finanzplatzes in der EU27“ und derselbe Prozentsatz entfiel auf die Antwort „Es ist unmöglich, die Kapitalmarktunion erheblich zu beschleunigen“. Die viert- bzw. fünfthäufigste Antwort lautete „Durch die Erhöhung der aufsichtlichen Konvergenz“ (8 %) und „Durch die Anpassung der Bankenregulierung an die Besonderheiten der Finanzmärkte der EU“ (3 %).

Eine weitere Frage lautete: „Welches sind die beiden Schlüsselprioritäten in der EU27, um die Ziele der Kapitalmarktunion zu erreichen?“ Die drei wichtigsten Antworten hierauf lauteten: „Die Stärkung der Kohärenz des Insolvenz- und des Wertpapierrechts“ (21 %), „Die Entwicklung der Eigenkapitalfinanzierung“ (16 %) und „Die erfolgreiche Umsetzung der kurzfristigen Prioritäten (Verbriefung, Prospekte usw.)“ (15 %).

Zu diesem EUROFI High Level Seminar (und u. a. den Ergebnissen der Umfragen) siehe https://www.ecb.europa.eu/press/key/date/2017/html/sp170406_2.en.html.

(25)  ABl. C 133 vom 14.4.2016, S. 17, Ziffer 1.6.

(26)  Die Lage in den Mitgliedstaaten ist unterschiedlich.

(27)  ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 1.

(28)  Soweit nicht an anderer Stelle dieser Stellungnahme darauf verwiesen wird.

(29)  COM(2017) 292 final, Ziffer 4.5.