23.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 269/1


BEKANNTMACHUNG DER KOMMISSION

Leitlinien zur Sicherstellung der Einhaltung der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bei der Durchführung der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds („ESI-Fonds“)

(2016/C 269/01)

Inhaltsverzeichnis

1.

Einleitung 1

2.

Inhalt und Rechtsnatur der Charta der Grundrechte 2

2.1.

Inhalt der Charta 2

2.2.

Rechtsnatur und Anwendbarkeit der Charta 3

2.2.1.

Rechtsnatur der Charta 3

2.2.2.

Anwendbarkeit der Charta 3

3.

Durchführung der ESI-Fonds und der Charta 3

3.1.

Festlegung der Interventionsstrategie für die ESI-Fonds und Erstellung der Programmplanungsdokumente (Ausarbeitung der strategischen Politikrahmen, Partnerschaftsvereinbarungen, Programme usw.) 4

3.2.

Einrichtung der Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme 5

3.3.

Umsetzung der Programme und Ausführung der in der Projektbeschreibung für Arbeiten zur Durchführung der ESI-Fonds dargestellten konkreten Maßnahmen 5

3.4.

Anwendbarkeit der Charta im Rahmen der Kohäsionspolitik: Warum ist die Charta für die mitgliedstaatlichen Behörden bei der Verwaltung der ESI-Fonds relevant? 6

4.

Bewertungskriterien für die Einhaltung der Charta — Grundrechte-Prüfliste 6

Anhänge

Anhang I — Beispiele für die Umsetzung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten im Rahmen der ESI-Fonds

Anhang II — Über die Charta hinausgehende Grundrechte in der EU

Anhang III — Leitfragen

1.   EINLEITUNG

Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) erlangte mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon im Dezember 2009 Rechtsverbindlichkeit für die EU. Die Charta und die EU-Verträge sind jetzt rechtlich gleichrangig. Die Achtung der in der Charta verankerten Grundrechte ist damit Rechtspflicht für die Organe, Einrichtungen, Agenturen und sonstigen Stellen der EU bei all ihrem Handeln und für die Mitgliedstaaten der EU bei der Durchführung des Rechts der Union.

Dieser Leitfaden soll den Mitgliedstaaten erläutern, wie wichtig die Sicherstellung der Einhaltung der Charta der Grundrechte bei der Durchführung der ESI-Fonds ist, und ihnen ein praktisches Hilfsmittel, nämlich die „Grundrechte-Prüfliste“, an die Hand geben, mit der sie Durchführungsmaßnahmen im Rahmen der ESI-Fonds einem Screening nach Maßgabe der Charta unterziehen können.

Der Leitfaden enthält Erklärungen zu Inhalt, Rechtsnatur und Anwendbarkeit der Charta im Allgemeinen wie auch im Rahmen der ESI-Fonds. Er bietet zudem Erläuterungen für die Durchsetzung der Charta im Zusammenhang mit den ESI-Fonds und zu den möglichen Folgen der Nichteinhaltung der Charta. So enthält der Leitfaden auch Empfehlungen für die maßgeblichen Akteure, wie sie die Konformitätsbewertung der Maßnahmen nach Maßgabe der Charta vornehmen können, und bezeichnet Maßnahmen im Rahmen der ESI-Fonds, die als Maßnahmen zur Umsetzung des Rechts der Union gelten.

2.   INHALT UND RECHTSNATUR DER CHARTA DER GRUNDRECHTE

2.1.   Inhalt der Charta

Die Charta enthält folgende Rechte und Grundsätze zu den sechs Themenbereichen Würde des Menschen, Freiheiten, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte und justizielle Rechte, die in nachstehender Tabelle zusammengefasst sind:

Kapitel I: „Würde des Menschen“ (Artikel 1-5)

Würde des Menschen; Recht auf Leben; Recht auf Unversehrtheit der Person; Verbot der Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung; Verbot der Sklaverei und der Zwangsarbeit.

Kapitel II: „Freiheiten“ (Artikel 6-19)

Recht auf Freiheit und Sicherheit; Achtung des Privat- und Familienlebens; Schutz personenbezogener Daten; Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen; Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit; Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit; Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit; Freiheit von Kunst und Wissenschaft; Recht auf Bildung; Berufsfreiheit und Recht zu arbeiten; unternehmerische Freiheit; Eigentumsrecht; Asylrecht; Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung.

Kapitel III: „Gleichheit“ (Artikel 20-26)

Gleichheit vor dem Gesetz; Nichtdiskriminierung; Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen; Gleichheit von Männern und Frauen; Rechte des Kindes; Rechte älterer Menschen; Integration von Menschen mit Behinderung.

Kapitel IV: „Solidarität“ (Artikel 27-38)

Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen; Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen; Recht auf Zugang zu einem Arbeitsvermittlungsdienst; Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung; gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen; Verbot der Kinderarbeit und Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz; Familien- und Berufsleben; soziale Sicherheit und soziale Unterstützung; Gesundheitsschutz; Zugang zu Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse; Umweltschutz; Verbraucherschutz.

Kapitel V: „Bürgerrechte“ (Artikel 39-46)

Aktives und passives Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament; aktives und passives Wahlrecht bei den Kommunalwahlen; Recht auf eine gute Verwaltung; Recht auf Zugang zu Dokumenten; Recht auf Befassung des Europäischen Bürgerbeauftragten; Petitionsrecht; Freizügigkeit und Aufenthaltsfreiheit; diplomatischer und konsularischer Schutz.

Kapitel VI: „Justizielle Rechte“ (Artikel 47-50)

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht; Unschuldsvermutung und Verteidigungsrechte; Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen; Recht, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden.

Der Wortlaut der Charta ist unter folgender Internetadresse abrufbar:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:12012P/TXT

Die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte bieten einen Leitfaden zum Wesensgehalt der einzelnen Bestimmungen der Charta und sind unter folgender Internetadresse abrufbar:

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=uriserv:OJ.C_.2007.303.01.0017.01.ENG

Als Beitrag zu einer größeren Sensibilisierung für die Grundrechte hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) das benutzerfreundliche Online-Instrument „Charterpedia“ entwickelt, in dem internationales, nationales und EU-Verfassungsrecht auf dem Gebiet der Grundrechte zusammengestellt ist und im Zusammenhang mit den Kernthemen, Kapiteln und Artikeln der Charta dargestellt wird (1).

2.2.   Rechtsnatur und Anwendbarkeit der Charta

2.2.1.   Rechtsnatur der Charta

Mit dem Vertrag von Lissabon wurde der Charta die gleiche Rechtswirkung verliehen wie den EU-Verträgen. Sie ist rechtsverbindlich, und die Achtung der in der Charta verankerten Grundrechte ist rechtliches Erfordernis.

Nach Artikel 51 Absatz 1 der Charta gelten ihre Bestimmungen für die Organe, Einrichtungen, Agenturen und sonstigen Stellen der EU unter Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union. Dementsprechend haben sie bei der Verabschiedung und der Durchführung von Vorschriften die in der Charta verankerten Rechte zu achten, sich an ihre Grundsätze zu halten und deren Anwendung gemäß ihren jeweiligen Zuständigkeiten zu fördern. Artikel 6 Absatz 1 des Vertrags über die Europäische Union und Artikel 51 Absatz 2 der Charta präzisieren, dass durch die Bestimmungen der Charta die in den Verträgen festgelegten Zuständigkeiten der Union in keiner Weise erweitert werden.

Das rechtliche Erfordernis, die in der Charta festgelegten Rechte zu beachten, ist für die Mitgliedstaaten nur dann rechtsverbindlich, wenn sie im Anwendungsbereich des Rechts der Union handeln. Die Mitgliedstaaten betreffend findet die Charta auf alle „Ausdrucksformen staatlichen Handelns“ Anwendung. Sie gilt somit für zentrale staatliche Behörden genauso wie für regionale, lokale und andere öffentliche Behörden, wenn diese das Recht der Union durchführen

Im Rahmen der Durchführung der ESI-Fonds fallen alle zur Durchführung der einschlägigen Rechtsvorschriften ergriffenen Maßnahmen der Mitgliedstaaten in den Anwendungsbereich des EU-Rechts. Die Charta gilt also unter Umständen auch für Begünstigte von ESI-Fonds ungeachtet ihrer Rechtsform, denen gemäß einer von einem Mitgliedstaat getroffenen Maßnahme die Zuständigkeit übertragen wurde, eine öffentliche Dienstleistung unter staatlicher Aufsicht zu erbringen, und die zu diesem Zweck besondere Befugnisse haben, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden üblichen Regelungen hinausgehen.

Auch wenn die Beachtung der in der Charta verankerten Grundrechte rechtliches Erfordernis ist, besteht nach der Charta keine Rechtspflicht dazu, aktiv zu werden und Maßnahmen zur Förderung der in der Charta verankerten Rechte zu treffen; aber den Mitgliedstaaten wird schon empfohlen, solche Maßnahmen zu ergreifen, wenn sie dies wünschen.

2.2.2.   Anwendbarkeit der Charta

Nach Artikel 51 Absatz 1 gilt die Charta für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Auslegung dieser Bestimmung bedeutet der Begriff „Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Rechts der Union“ nicht, dass die Mitgliedstaaten automatisch Unionsrecht durchführen, wenn sie im Rahmen der ESI-Fonds Unterstützung vergeben, ohne dass die „nationale Maßnahme“ oder die „nationale Rechtsvorschrift“ hinter der von einem Kläger oder Antragsteller angefochtenen Verfahrenshandlung zu berücksichtigen wären.

Zur Feststellung, ob es sich bei einer nationalen Maßnahme um eine Durchführung des Rechts der Union handelt, ist nach dem Gerichtshof unter anderem zu prüfen,

ob diese nationale Rechtsvorschrift eine Bestimmung des Rechts der Union durchführen soll;

das Wesen der betreffenden Rechtsvorschrift;

ob diese nationale Rechtsvorschrift andere als die vom EU-Recht erfassten Ziele verfolgt, auch wenn sie mittelbare Auswirkungen auf das EU-Recht haben kann;

ob besondere Regelungen des EU-Rechts zu diesem Sachbereich oder Regelungen, die Auswirkungen darauf haben können, bestehen.

Die vorstehende Beweisführung gelte in sinngemäßer Anwendung für jegliche nationale Maßnahme zur Durchführung des Rechts der Union, ob Rechtsvorschrift oder nicht.

Der Gerichtshof hat ferner bestätigt, dass der Begriff der „Durchführung des Rechts der Union“ in der Kohäsionspolitik wie auch auf anderen Gebieten das Vorliegen eines bestimmten Zusammenhangs voraussetzt, der darüber hinausgeht, dass die fraglichen Sachbereiche benachbart sind oder der eine von ihnen mittelbare Auswirkungen auf den anderen haben kann.

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass zu prüfen ist, ob eine nationale Maßnahme in einem konkreten Sachverhalt dazu dient, eine Bestimmung des Rechts der Union durchzuführen.

Die Durchführung des Rechts der Union im Rahmen der Durchführung der ESI-Fonds wird nachstehend im Abschnitt 3 und im Anhang I erklärt.

3.   Durchführung der ESI-Fonds und der Charta

Die Bestimmungen der Charta der Grundrechte finden im Rahmen der Durchführung der Kohäsionspolitik zu den nachstehenden Bedingungen Anwendung.

Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung wurde durch die Einführung der Ex-ante-Überprüfung, dass alle erforderlichen Vorkehrungen zur Sicherstellung seiner Einhaltung getroffen wurden, mit der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (2) (im Folgenden „Dachverordnung“) noch verstärkt.

Nach Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 stellen die Mitgliedstaaten und die Kommission sicher, dass die Grundsätze der Gleichstellung von Männern und Frauen und der Nichtdiskriminierung während der gesamten Vorbereitung und Umsetzung der Programme eingehalten werden.

Was den Grundsatz der Nichtdiskriminierung aufgrund einer Behinderung und den Grundsatz der Integration von Menschen mit Behinderung anbelangt, so ist die EU bekanntlich Vertragspartei der UN-Behindertenrechtskonvention (UNCRPD) (3). Die Rechtsfolgen, die sich aus der Ratifizierung der UNCRPD durch die Europäische Union für die Verwaltung der ESI-Fonds ergeben, werden nachstehend in Anhang II beschrieben.

Nach Artikel 4 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 haben die Kommission und die Mitgliedstaaten die Kohärenz der Unterstützung aus den ESI-Fonds mit den relevanten Strategien, den bereichsübergreifenden Grundsätzen gemäß u. a. Artikel 7 dieser Verordnung und den Prioritäten der Union sicherzustellen.

Der für die Kohäsionspolitik geltende Rechtsrahmen wurde weiter verstärkt, um sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten über ein System für die Bearbeitung von Beschwerden verfügen, so auch von Beschwerden, mit denen eine Verletzung der Charta der Grundrechte geltend gemacht wird.

Die mit den ESI-Fonds zusammenhängenden und mit der Anwendung der Charta verbundenen Vorschriften des EU-Rechts sind in folgenden EU-Verordnungen und Richtlinien zu finden:

1.

Dachverordnung;

2.

den fondsspezifischen Verordnungen;

3.

den delegierten Verordnungen und Durchführungsverordnungen der Kommission auf der Grundlage der Dachverordnung oder der fondsspezifischen Verordnungen;

4.

sonstigen EU-Verordnungen und Richtlinien, die auf die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung der ESI-Fonds Anwendung finden. Es würde das Vorhaben dieses Leitfadens sprengen, die nationalen Durchführungsmaßnahmen aller anderen EU-Verordnungen und Richtlinien anzuführen, die auf die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Durchführung der ESI-Fonds Anwendung finden. Jedoch sind die mitgliedstaatlichen Behörden verpflichtet, die Charta auch in diesem Rahmen zu beachten.

Auf dem Gebiet der ESI-Fonds führen die Mitgliedstaaten das Recht der Union durch, wenn sie im Rahmen der vorstehend unter Ziffern 1-3 zusammengestellten Verordnungen die Interventionsstrategie für die ESI-Fonds festlegen und die Programmplanungsdokumente erstellen (1), die Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme einrichten (2) sowie die Programme umsetzen (3). Daher sollten die Mitgliedstaaten in den folgenden Phasen die Einhaltung der Charta sicherstellen  (4):

3.1.   Festlegung der Interventionsstrategie für die ESI-Fonds und Erstellung der Programmplanungsdokumente (Ausarbeitung der strategischen Politikrahmen, Partnerschaftsvereinbarungen, Programme usw.)

Bei den Mitgliedstaaten wird davon ausgegangen, dass sie im Anwendungsbereich des Rechts der Union handeln, wenn sie aufgrund einer Verpflichtung aus der Dachverordnung oder aus einem auf ihr beruhenden delegierten Rechtsakt oder Durchführungsrechtsakt nationale Rechtsakte erlassen oder Dokumente erstellen. Dazu gehört beispielsweise auch die Ausarbeitung der Partnerschaftsvereinbarungen oder der operationellen Programme (OP).

Bei der Erstellung solcher Dokumente müssen sie anhand der „Grundrechte-Prüfliste“ sicherstellen, dass der Inhalt des betreffenden Dokuments mit den Bestimmungen der Charta im Einklang steht. Der Inhalt des Dokuments muss die von der Charta geschützten Rechte einhalten und die darin festgeschriebenen Grundsätze wahren.

Die relevantesten Rechte und Grundsätze in diesem Zusammenhang sind die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, das Eigentumsrecht und der Umweltschutz.

3.2.   Einrichtung der Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme

Bei den Mitgliedstaaten wird davon ausgegangen, dass sie im Anwendungsbereich des Rechts der Union handeln, wenn sie die nach der Dachverordnung erforderlichen Strukturen und Verfahren für die Verwaltung, Begleitung und Kontrolle der ESI-Fonds einrichten, oder, sofern dies nicht ausdrücklich verlangt ist, wenn sie solche Strukturen zur Durchführung der Dachverordnung, der fondsspezifischen Regelungen oder der auf ihnen beruhenden delegierten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte einrichten. Dazu gehören auch die Benennung der Behörden und zwischengeschalteten Stellen, die Abkommen über die Arbeitsorganisation zwischen ihnen, die Einrichtung eines Begleitausschusses und die Annahme der Verfahrenshandbücher.

Dabei müssen die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Rechte und Grundsätze der Charta eingehalten werden. Die relevantesten Bestimmungen in diesem Zusammenhang sind insbesondere die Artikel 7, 8, 41 und 47 der Charta.

Artikel 47 gewährt das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht, einschließlich des Rechts auf rechtliches Gehör. Artikel 7 gewährt das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Artikel 8 gewährt das Recht auf Schutz personenbezogener Daten und Artikel 41 verpflichtet die Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

Das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren) ist während der gesamten Verfahren sicherzustellen, die zur Durchführung der Bestimmungen der Dachverordnung, der fondsspezifischen Regelungen oder der auf ihr beruhenden delegierten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte eingeleitet werden.

Beispielsweise galt für das Seirekomitee, Gegenstand der Rechtssache C-562/12 Liivimaa Lihaveis MTÜ gegen Eesti-Läti programmi 2007-2013, im Rahmen des Programms für die grenzübergreifende Zusammenarbeit zwischen Estland und Lettland Folgendes: Das Seirekomitee, ein aus Vertretern beider Mitgliedstaaten zusammengesetztes gemeinsames Organ, erließ die endgültigen Entscheidungen über die Qualitätsbewertung der Anträge auf Finanzierung von Projekten im Rahmen dieses Programms. Dieser Begleitausschuss hatte auch einen Programmleitfaden angenommen, wonach seine Entscheidungen nicht vor einem nationalen Gericht angefochten werden konnten. Obwohl auf den Erlass eines Programmleitfadens weder in den geltenden Rechtsvorschriften für den Programmplanungszeitraum 2007-2013 noch in einer Durchführungsbestimmung der EU ausdrücklich verwiesen wurde, entschied der EuGH, dass der Programmleitfaden eindeutig zur Durchführung des Rechts der Union erlassen worden und für jedermann rechtsverbindlich war, der einen Beihilfeantrag im Rahmen des besagten Programms stellte. Folglich war festzustellen, dass die Charta einschließlich ihres Artikels 47 in diesem Fall Anwendung findet. Der EuGH stellte auch fest, dass der in einem Programmleitfaden vorgenommene Ausschluss des Rechtsbehelfs gegen eine Entscheidung über die Ablehnung eines Beihilfeantrags vor einem nationalen Gericht gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes nach Artikel 47 verstößt.

Was die Organisation der Partnerschaft anbelangt, so gehören zu den relevantesten Rechten und Grundsätzen der Charta die Nichtdiskriminierung, die Vielfalt der Sprachen, die Gleichheit von Männern und Frauen und die Integration von Menschen mit Behinderung, während es z. B. in Bezug auf die Formulierung der Mitgliedschaftsregelungen darauf ankommt ist, insbesondere auf die Rechte und Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Vielfalt der Sprachen und der Gleichheit von Männern und Frauen zu achten.

Was die Aufgaben und Pflichten des Begleitausschusses im Rahmen der Einrichtung der Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme anbelangt, so gehören zu den relevantesten Rechten und Grundsätzen der Charta sicherlich der Schutz personenbezogener Daten, die Nichtdiskriminierung, die Vielfalt der Sprachen, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, die Gleichheit vor dem Gesetz und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

3.3.   Umsetzung der Programme und Ausführung der in der Projektbeschreibung für Arbeiten zur Durchführung der ESI-Fonds dargestellten konkreten Maßnahmen

Die für die Umsetzung der Programme erforderlichen Maßnahmen sind von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder den zwischengestalteten Stellen (5) durchzuführen. Solche Tätigkeiten, wie z. B. die Ausarbeitung und Veröffentlichung von Aufrufen zur Einreichung von Vorschlägen, die Auswahl der Vorhaben, die Unterzeichnung der Finanzhilfevereinbarungen, das Follow-up der Durchführung, die Überprüfung der Auszahlungsanträge der Begünstigten, die Durchführung der Vor-Ort-Überprüfungen der Vorhaben, die Überwachung der Arbeit der zwischengestalteten Stellen, die Versendung der Auszahlungsanträge, die Erstellung und Vorlage der Berichte, sind Maßnahmen zur Durchführung des Rechts der Union.

Auch die Aufgaben der Bescheinigungsbehörden nach Artikel 126 der Dachverordnung umfassen Maßnahmen zur Durchführung des Rechts der Union. So auch die Aufgaben der Prüfbehörden, wenn sie eine Prüfstrategie erstellen, eine Prüfung durchführen, einen Bestätigungsvermerk oder einen Kontrollbericht erstellen.

Außerdem gilt die Charta, wie in Kapitel 2.2, Rechtsnatur der Charta, bereits erklärt wurde, unter Umständen auch für bestimmte Begünstigte von ESI-Fonds, wenn die in Kapitel 2.2 erwähnten Voraussetzungen erfüllt sind (ein Mitgliedstaat trifft eine Maßnahme, mit der diesen Begünstigten ungeachtet ihrer Rechtsform die Zuständigkeit übertragen wird, eine öffentliche Dienstleistung unter staatlicher Aufsicht zu erbringen; zu diesem bestimmten Zweck haben diese Begünstigten dann besondere Befugnisse, die über die für die Beziehungen zwischen Privatpersonen geltenden üblichen Regelungen hinausgehen) (6).

Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben haben die nationalen Behörden sicherzustellen, dass die Rechte und Grundsätze der Charta eingehalten werden. In diesem Zusammenhang sind die relevantesten Rechte und Grundsätze der Charta das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht, der Schutz personenbezogener Daten, die Gleichheit vor dem Gesetz und die Gleichheit von Männern und Frauen, die Nichtdiskriminierung und die Rechte des Kindes, die Integration von Menschen mit Behinderung und ein hohes Umweltschutzniveau, die Vielfalt der Sprachen, sichere Arbeitsbedingungen, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Bildung, die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, der Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung und das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

3.4.   Anwendbarkeit der Charta im Rahmen der Kohäsionspolitik: Warum ist die Charta für die mitgliedstaatlichen Behörden bei der Verwaltung der ESI-Fonds relevant?

Die Verletzung eines in der Charta verankerten Grundrechts unterliegt der richterlichen Überprüfung durch die Gerichte der Mitgliedstaaten und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).

Die Bestimmungen des EU-Rechts und des auf EU-Recht beruhenden nationalen Rechts sind im Einklang mit den Verpflichtungen der Charta auszulegen, um den in ihr garantierten Rechten damit Wirkung und Ausdruck zu verleihen. Hat ein nationales Gericht Zweifel an der Anwendbarkeit der Charta oder der korrekten Auslegung ihrer Bestimmungen, so kann es — und als nationales Gericht letzter Instanz muss es — den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) dazu um Vorabentscheidung ersuchen. Aufgrund der Antworten im Urteil des EuGH ist das nationale Gericht dann in der Lage, die Rechtssache zu Ende zu entscheiden. Die nationalen Gerichte machen von diesem Verfahren regelmäßig Gebrauch. Es trägt dazu bei, die mit der Charta zusammenhängende Rechtsprechung weiterzuentwickeln, und stärkt die Rolle der nationalen Gerichte, die Charta zu beachten und hochzuhalten.

Als Hüterin der Verträge hat die Kommission die Befugnis, einer Verletzung der Charta ein Ende zu setzen. So kann sie wegen der Nichteinhaltung der Charta ein Vertragsverletzungsverfahren gegen den betreffenden Mitgliedstaat einleiten.

Da die Charta auf die Mitgliedstaaten nur dann Anwendung findet, wenn sie das Recht der Union durchführen, kann die Kommission ein solches Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichteinhaltung der Charta durch ein nationales Gesetz somit nicht einleiten, wenn das betreffende nationale Gesetz nicht der Durchführung des Rechts der Union dient. Wenn die Charta also keine Anwendung findet, werden die Grundrechte aber weiterhin auf nationaler Ebene im Rahmen der Verfassungen oder der Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten und der von ihnen ratifizierten internationalen Übereinkommen garantiert, deren Achtung durch die nationalen Gerichte gewährleistet ist.

Außerdem müssen im Rahmen der ESI-Fonds nach Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 alle aus den ESI-Fonds geförderten Vorhaben dem geltenden Recht der Union und dem in Bezug auf dessen Umsetzung einschlägigen nationalen Recht entsprechen. Hält sich ein Mitgliedstaat bei seinen Aktionen oder Maßnahmen zur Durchführung des Unionsrechts nicht ordnungsgemäß an die Charta, so stellt dies unter Umständen eine Unregelmäßigkeit durch einen beteiligten Wirtschaftsteilnehmer dar (Artikel 2 Nr. 36 der Dachverordnung). Die Kommission wird daher gegebenenfalls von den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln Gebrauch machen, um sicherzustellen, dass die EU-Fonds im Einklang mit der Charta verwendet werden, und in zutreffenden Einzelfällen auch die Unterbrechung der Zahlungsfristen, die Aussetzung der Zahlungen und finanzielle Berichtigungen vornehmen sowie ein Vertragsverletzungsverfahren nach Artikel 258 AEUV einleiten.

Die Verpflichtung der nationalen Behörden zur Sicherstellung der Einhaltung und des Schutzes der Grundrechte ist insbesondere im Hinblick auf die Beschwerden relevant, die die Mitgliedstaaten in Bezug auf eine etwaige Verletzung der Charta erhalten können. Verbunden mit der Frage der Begleitung der Anwendung und Durchführung der Charta in den Mitgliedstaaten ist nämlich ihre Verpflichtung aus Artikel 74 Absatz 3 der Dachverordnung, wirksame Vorkehrungen für die Überprüfung der von juristischen oder natürlichen Personen eingereichten Beschwerden hinsichtlich der ESI-Fonds getroffen zu haben. Die Beschwerden hinsichtlich der ESI-Fonds können auch direkt an die Kommission gerichtet werden.

4.   BEWERTUNGSKRITERIEN FÜR DIE EINHALTUNG DER CHARTA — GRUNDRECHTE-PRÜFLISTE

Die für die Durchführung der ESI-Fonds zuständigen nationalen Behörden sind dazu aufgefordert, sorgfältig zu bewerten, ob die (von ihnen geplanten oder bereits getroffenen) Aktionen und Maßnahmen in den Anwendungsbereich des Rechts der Union fallen, und zu prüfen, ob diese Auswirkungen auf die in der Charta verankerten Grundrechte haben können.

Für die Durchführung dieser Bewertung wird als praktisches Instrument ohne jeden Verwendungszwang folgende Prüfliste vorgeschlagen:

I.   PRÜFUNG, ob die vorgesehene nationale Aktion oder Maßnahme eine Maßnahme zur Durchführung des Rechts der Union ist und daher in den Anwendungsbereich der Charta fällt

NB: Diese Prüfung ist für Maßnahmen und Dokumente, die in diesem Leitfaden als Maßnahmen oder Dokumente zur Durchführung des Rechts der Union bezeichnet sind, nicht erforderlich.

a)

Prüfung, ob neben der Charta auch nach sonstigem EU-Recht, das auf die nationale Aktion oder Maßnahme anzuwenden ist, eine Verpflichtung besteht.

b)

Besteht eine solche Verpflichtung nach sonstigem EU-Recht, Prüfung, ob die nationale Aktion oder Maßnahme zu dessen Durchführung dient.

II.   PRÜFUNG, ob eine etwaige Verletzung der Grundrechte vorliegt

1.

Welche Grundrechte sind betroffen? (Ein Screening der vorgesehenen Aktion oder Maßnahme nach Maßgabe der in der Charta verankerten Grundrechte wie auch die „Leitfragen zu deren Auswirkungen“ im Anhang III liefern erste Hinweise darauf, welche Grundrechte betroffen sein werden).

2.

Handelt es sich bei den betreffenden Rechten um absolute Rechte? (Beispiele dafür sind das Verbot der Folter und das Verbot der Sklaverei oder der Zwangsarbeit).

Kommt man zu der Schlussfolgerung, dass die geprüfte Aktion oder Maßnahme ein absolutes Recht einschränkt, so ist sie bereits in diesem Stadium zu verwerfen, da absolute Rechte nicht eingeschränkt werden dürfen; eine weitergehende Analyse nach Ziffern 3-6 erübrigt sich.

3.

Welche Auswirkungen hat die vorgesehene Aktion oder Maßnahme, die hier überprüft wird, auf die Grundrechte? Dieser Prüfschritt stellt darauf ab, etwaige positive Auswirkungen (Förderung der Grundrechte) oder etwaige negative Auswirkungen (Einschränkung der Grundrechte) für alle verschiedenen Interessengruppen, die betroffen sein können, zu ermitteln.

4.

Hat die vorgesehene Aktion oder Maßnahme je nach den Grundrechten, die davon betroffen sind, sowohl eine vorteilhafte als auch eine nachteilige Auswirkung? (z. B. eine nachteilige Auswirkung auf die Freiheit der Meinungsäußerung und eine vorteilhafte Auswirkung auf das Recht am geistigen Eigentum.)

Zeigt diese Analyse, dass die vorgesehene Aktion oder Maßnahme keine wesentlichen oder nur vorteilhafte Auswirkungen auf die Grundrechte hätte, so erübrigt sich eine weitergehende Analyse nach Ziffern 5 und 6. Lassen sich aber nachteilige Auswirkungen herausfinden, so sind folgende Fragen zu prüfen:

5.

Ist die Einschränkung der Grundrechte/nachteilige Auswirkung auf die Grundrechte gesetzlich vorgesehen? Ist sie eindeutig und vorhersehbar?

6.

Eine solche Einschränkung/nachteilige Auswirkung,

entspricht sie tatsächlich den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer? (Bei diesem Prüfschritt ist zu ermitteln, welche dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung oder welcher Schutz der Rechte und Freiheiten anderer angestrebt wird.)

ist sie zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig? (Bei diesem Prüfschritt ist zu ermitteln, ob die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet, angemessen und wirksam ist und nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels Erforderliche hinausgeht; ferner, warum keine gleichermaßen wirksame, aber weniger eingriffsintensive Maßnahme zur Verfügung steht.)

wahrt sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gegenüber dem verfolgten Ziel?

achtet sie den Wesensgehalt der betreffenden Grundrechte?

Können alle diese Fragen bejaht werden, dann kann die Einschränkung des betroffenen Grundrechts als rechtmäßig gelten.

Zur Veranschaulichung der Verwendung dieser Prüfliste dient nachstehendes konkretes Beispiel anhand des Sachverhalts in der Rechtssache C-401/11 Blanka Soukupová gegen Ministerstvo zemědělství und dessen Bewertung durch den Gerichtshof in seinem Urteil vom 11. April 2013.

Der betreffende Mitgliedstaat hatte ein vom Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL) kofinanziertes Programm zur Förderung der vorzeitigen Beendigung der Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch einen Landwirt (Vorruhestandsbeihilfe) aufgelegt. Der Begriff des „Ruhestandsalters“ für eine mögliche Aufnahme in das Programm war im nationalen Recht definiert. Das für den Anspruch auf Altersrente erforderliche Alter war nach den Bestimmungen des innerstaatlichen Rentensystems je nach Geschlecht des Antragstellers und bei Frauen zudem je nach Zahl der aufgezogenen Kinder unterschiedlich hoch festgesetzt.

Bei der Anwendung der Prüfliste auf den vorliegenden Fall sind folgende Fragen zu untersuchen:

1.

Welche Grundrechte sind betroffen?

Das Programm für Vorruhestandsbeihilfe beeinträchtigt die in den Artikeln 20, 21 Absatz 1 und 23 der Charta verankerten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung.

2.

Handelt es sich bei den betreffenden Rechten um absolute Rechte?

Nein, die in den Artikeln 20, 21 Absatz 1 und 23 der Charta verankerten Rechte sind keine absoluten Rechtes.

3.

Welche Auswirkungen hat die vorgesehene Aktion oder Maßnahme, die hier überprüft wird, auf die Grundrechte? Dieser Prüfschritt stellt darauf ab, etwaige positive Auswirkungen (Förderung der Grundrechte) oder etwaige negative Auswirkungen (Einschränkung der Grundrechte) für alle verschiedenen Interessengruppen, die betroffen sein können, zu ermitteln.

Aufgrund der Tatsache, dass das „normale Ruhestandsalter“ in Abhängigkeit vom Geschlecht der die Beihilfe für den Vorruhestand in der Landwirtschaft beantragenden Person und, was weibliche Antragsteller betrifft, nach Maßgabe der Zahl der von der Betreffenden aufgezogenen Kinder unterschiedlich festgesetzt wird, hat das Programm für Vorruhestandsbeihilfe negative Auswirkungen auf den Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen und benachteiligt weibliche Landwirte in besonderer Weise gegenüber männlichen Landwirten.

4.

Hat die vorgesehene Aktion oder Maßnahme je nach den Grundrechten, die davon betroffen sind, sowohl eine vorteilhafte als auch eine nachteilige Auswirkung?

Die vorgesehene Maßnahme hat lediglich eine nachteilige Auswirkung auf das betroffene Recht, insbesondere für Frauen, die mehrere Kinder aufgezogen haben. Den Frauen, die mehrere Kinder aufgezogen haben, steht nämlich objektiv eine kürzere Frist zur Verfügung als die Frist, die Männern oder den Frauen, die weniger Kinder aufgezogen haben, gewährt wird, um ihre Aufnahme in das Programm zur Förderung der vorzeitigen Beendigung der Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit (Vorruhestandsbeihilfe) zu beantragen.

5.

Ist die Einschränkung der Grundrechte/nachteilige Auswirkung auf die Grundrechte gesetzlich vorgesehen? Ist sie eindeutig und vorhersehbar?

Ja, der Begriff „normales Ruhestandsalter“ war im nationalen Recht definiert.

6.

Eine solche Einschränkung/nachteilige Auswirkung,

entspricht sie tatsächlich den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer?

Nein, die unterschiedliche Behandlung entspricht nicht einer dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung der Union oder dem Erfordernis, die Rechte und Freiheiten anderer zu schützen.

ist sie zur Erreichung des angestrebten Ziels notwendig? (Bei diesem Prüfschritt ist zu ermitteln, ob die Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet, angemessen und wirksam ist und nicht über das zur Verwirklichung dieses Ziels Erforderliche hinausgeht; ferner, warum keine gleichermaßen wirksame, aber weniger eingriffsintensive Maßnahme zur Verfügung steht.)

Nein, diese Maßnahme ist nicht notwendig, um das angestrebte Ziel zu erreichen, das in einem Anreiz besteht, der ältere Landwirte ungeachtet ihres Geschlechts und der Anzahl der von ihnen aufgezogenen Kinder dazu ermutigen soll, ihre landwirtschaftliche Tätigkeit früher und endgültig aufzugeben, um die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe besser zu gewährleisten. Diese Landwirte, Frauen wie Männer, haben Anspruch auf Vorruhestandsbeihilfe, wenn sie jegliche landwirtschaftliche Erwerbstätigkeit endgültig eingestellt haben, in den letzten 10 Jahren vor dieser Einstellung des Betriebs Landwirtschaft betrieben haben und zum Zeitpunkt der Einstellung das 55. Lebensjahr vollendet, aber das normale Ruhestandsalter noch nicht erreicht haben. Das angestrebte Ziel hätte auch ohne Unterscheidung nach dem Geschlecht oder der Zahl der aufgezogenen Kinder erreicht werden können.

Da diese Fragen nicht bejaht werden können, dann kann die Einschränkung des betroffenen Grundrechts (Gleichbehandlung) nicht als rechtmäßig gelten und bedeutet daher eine Verletzung der Artikel 20, 21 Absatz 1 und 23 der Charta.


(1)  https://infoportal.fra.europa.eu/InfoPortal/infobaseFrontEndCountryHome.do?btnCountryLinkHome_1

(2)  Verordnung (EU) Nr. 1303/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit gemeinsamen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds sowie mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates (ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 320).

(3)  Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (von der UNO-Generalversammlung mit ihrer Resolution 61/106 vom 13. Dezember 2006 verabschiedet, trat es am 3. Mai 2008 nach seiner Ratifizierung durch den 20. Unterzeichnerstaat in Kraft) https://www.un.org/development/desa/disabilities/conference-of-states-parties-to-the-convention-on-the-rights-of-persons-with-disabilities-2.html

(4)  Die Beispiele für mitgliedstaatliche Maßnahmen, die als Durchführung des Rechts der Union gelten, sind im Zusammenhang mit dem Rechtsrahmen für den Programmplanungszeitraum 2014-2020 angegeben. Jedoch sind die Bestimmungen der Charta seit 2009, u. a. im Rahmen des Einsatzes der ESI-Fonds, zu den in diesen Leitlinien aufgeführten Bedingungen anzuwenden.

(5)  Beispielsweise von lokalen Aktionsgruppen (LAG) nach Artikel 34 Absatz 1 und Artikel 125 der Dachverordnung, die als zwischengeschaltete Stellen tätig sind.

(6)  Die in Kapitel 4 dieses Leitfadens dargestellte Grundrechte-Prüfliste kann zur Bewertung herangezogen werden, ob ein bestimmtes Handeln dieser Begünstigten eine Maßnahme zur Durchführung des Rechts der Union darstellt.


ANHANG I

Beispiele für die Durchführung des Rechts der Union im Rahmen der ESI-Fonds durch die Mitgliedstaaten

In Kapitel 3 dieser Leitlinien sind die drei Phasen der Durchführung der ESI-Fonds dargestellt, die im Einklang mit den Bestimmungen der Charta stehen müssen.

Nachstehend sind auch die relevantesten Bestimmungen der Dachverordnung zusammengestellt, die Maßnahmen und Dokumente einer innerstaatlichen Behörde/Einrichtung (auf der zentralen, regionalen oder lokalen Ebene) vorschreiben. Angeführt sind auch Beispiele für Rechte und Grundsätze der Charta, die in besonderen Fällen relevant sein können, wie auch Beispiele für mögliche Probleme im Zusammenhang mit Grundrechten.

Wann immer die Mitgliedstaaten zur Durchführung des Rechts der Union Dokumente erstellen oder Rechtsakte verabschieden (ungeachtet ihrer jeweiligen rechtlichen Form: Gesetz, Entscheidung, Leitfaden, amtliches Schreiben usw.), so hat dies unter Beachtung ihrer Verpflichtungen zur Einhaltung aller in der Charta verankerten Rechte und Grundsätze zu erfolgen.

So sind beispielsweise das Recht auf Nichtdiskriminierung, das Eigentumsrecht, das Recht auf Datenschutz wie auch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht (ordnungsgemäßes rechtsstaatliches Verfahren) bei sämtlichen Verfahren zu gewährleisten, die zur Durchführung der Bestimmungen der Dachverordnung oder der auf ihr beruhenden delegierten Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte in die Wege geleitet werden.

1.   Festlegung der Interventionsstrategie für die ESI-Fonds und Erstellung der Programmplanungsdokumente

Hinsichtlich der Ausarbeitung der ESI-Fonds-Interventionsstrategie und der Programmplanungsdokumente sieht die Dachverordnung bestimmte Maßnahmen der Mitgliedstaaten vor, die als nationale Maßnahmen zur Durchführung des Rechts der Union zu qualifizieren sind und im Einklang mit den Bestimmungen der Charta stehen müssen. Als solche Maßnahmen der Mitgliedstaaten gelten

die Erstellung und Änderung der Partnerschaftsvereinbarungen: die Mitgliedstaaten müssen in diesem Verfahren, das zur Einreichung des jeweiligen Dokuments bei der Kommission führt, wie auch im Dokument selbst die Einhaltung der Bestimmungen der Charta sicherstellen;

die Erstellung und Änderung der Programme (Artikel 26 Absatz 2 und Artikel 30 der Dachverordnung, Artikel 4 Absatz 4, Artikel 7, 8, 19 Absatz 1 und Anhang XI der Dachverordnung; EFRE, ESF, KF: Artikel 96 Absatz 2, Absatz 4 Buchstabe a, Absatz 7 und Absatz 10 der Dachverordnung; EFRE: Artikel 8 Absätze 7 und 12 der Verordnung (EU) Nr. 1299/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (1); ELER: Artikel 10 und 11 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (2); EMFF: Artikel 17, 18 und 20 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates (3) sowie die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 771/2014 der Kommission (4) und die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1046/2014 der Kommission (5);

die Programme.

Folgende Rechte/Grundsätze der Charta sind mitunter von besonderer Bedeutung: die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, das Eigentumsrecht und der Umweltschutz.

2.   Einrichtung der Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme

Den Mitgliedstaaten oder den von ihnen benannten Behörden wird angeraten, bei der Einrichtung der Verwaltungs-, Begleit- und Kontrollsysteme besondere Aufmerksamkeit auf die Einhaltung der Bestimmungen der Charta zu verwenden. Nach Maßgabe der einschlägigen Verordnungen lässt sich folgende nicht erschöpfende Liste von erforderlichen Maßnahmen und Dokumenten aufstellen:

I.    Mitgliedstaaten: Relevante Maßnahmen sind die Einrichtung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die Programme, die Organisation der Partnerschaft und die Formulierung der Mitgliedschaftsregelungen des Begleitausschusses.

A)

Einrichtung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die Programme (Artikel 74 Absatz 2 der Dachverordnung), Artikel 7, 72, 74 Absatz 2 der Dachverordnung; EFRE, ESF, KF, EMFF: Artikel 123 der Dachverordnung; ELER: Artikel 65 und 66 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 und die relevanten Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (6); EMFF: Artikel 97 und 99 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 sowie die Delegierte Verordnung (EU) Nr. 1014/2014 der Kommission (7).

Dokumente in Verbindung mit der Einrichtung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme für die Programme:

Dokumente, die die Regeln für die Einrichtung der Verwaltungs- und Kontrollsysteme beinhalten;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Sicherstellung wirksamer und angemessener Vorbeugungsmaßnahmen gegen Betrug (Artikel 125 Absatz 4 Buchstabe c der Dachverordnung;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Unterstützung der Arbeit des Begleitausschusses;

Dokumente betreffend die Verfahren für ein computergestütztes System, in dem die für die Begleitung, Bewertung, Finanzverwaltung, Überprüfung und Prüfung aller Vorhaben benötigten Daten in elektronischer Form erhoben, erfasst, aufgezeichnet und gespeichert werden können, einschließlich gegebenenfalls der Angaben zu den einzelnen Teilnehmern und der Aufschlüsselung der Daten zu den Indikatoren nach Geschlecht, falls dies erforderlich ist;

Dokumente betreffend die Überwachungs- und Aufsichtsverfahren für Funktionen, die nach Artikel 123 Absätze 6 und 7 der Dachverordnung seitens der Verwaltungsbehörde formell übertragen wurden;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Bewertung, Auswahl und Billigung von Vorhaben und für die Gewährleistung ihrer Vereinbarkeit mit den einschlägigen Regelungen im gesamten Durchführungszeitraum (Artikel 125 Absatz 3 der Dachverordnung), einschließlich der Anweisungen und Leitlinien, die gemäß Artikel 125 Absatz 3 Buchstabe a (i) der Dachverordnung sicherstellen, dass die Vorhaben zum Erreichen der spezifischen Ziele und Ergebnisse der entsprechenden Prioritäten beitragen, und der Verfahren zur Sicherstellung, dass keine Vorhaben ausgewählt werden, die vor dem Einreichen des Antrags auf Unterstützung durch den Begünstigten physisch abgeschlossen sind oder vollständig durchgeführt wurden (einschließlich der von den zwischengeschalteten Stellen angewandten Verfahren, wenn die Bewertung, Auswahl und Billigung von Vorhaben auf diese übertragen wurden);

Dokumente betreffend die Verfahren zur Sicherstellung, dass den Begünstigten Unterlagen zur Verfügung gestellt werden, aus denen die Bedingungen für die Unterstützung im Rahmen der einzelnen Vorhaben hervorgehen, einschließlich der Verfahren zur Sicherstellung, dass die Begünstigten für alle Finanzvorgänge im Rahmen eines Vorhabens entweder ein separates Buchführungssystem oder einen geeigneten Buchführungscode verwenden;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Überprüfung der Vorhaben (nach Maßgabe des Artikels 125 Absätze 4 bis 7 der Dachverordnung), einschließlich Verfahren zur Sicherstellung, dass die Vorhaben mit den politischen Grundsätzen der Union im Einklang stehen (wie z. B. denen in Bezug auf Partnerschaft und Steuerung auf mehreren Ebenen, Förderung der Gleichheit von Männern und Frauen, Nichtdiskriminierung, Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderung, nachhaltige Entwicklung, Vergabe öffentlicher Aufträge, staatliche Beihilfen und Umweltvorschriften), und Verfahren für die Bestimmung der Behörden, die solche Überprüfungen durchführen;

Dokumente betreffend die Verfahren, nach denen gemäß den Vorgaben in Artikel 122 Absatz 3 der Dachverordnung ab Anfang 2016 die von den Begünstigten eingereichten Anträge auf Ausgabenerstattung überprüft und anerkannt werden, und in Anbetracht der für die Zahlungen an die Begünstigten nach Artikel 132 der Dachverordnung einzuhaltenden Frist von 90 Tagen betreffend die Verfahren, nach denen die Zahlungen an die Begünstigten genehmigt, ausgeführt und im Rechnungsführungssystem verbucht werden (einschließlich der von den zwischengeschalteten Stellen angewandten Verfahren, wenn die Bearbeitung der Anträge auf Ausgabenerstattung auf diese übertragen wurde);

Dokumente betreffend die Verfahren zur Erstellung der jährlichen und abschließenden Durchführungsberichte und deren Vorlage bei der Kommission (Artikel 125 Absatz 2 Buchstabe b der Dachverordnung), einschließlich der Verfahren für die Erfassung zuverlässiger Daten über Leistungs- und Erfolgsindikatoren und deren Berichterstattung (Artikel 125 Absatz 2 Buchstabe a der Dachverordnung);

Dokumente betreffend die Verfahren zur Erstellung der Verwaltungserklärung (Artikel 125 Absatz 4 Buchstabe e der Dachverordnung);

Dokumente betreffend die Verfahren zur Erstellung der jährlichen Zusammenfassung der endgültigen Prüfberichte und der durchgeführten Kontrollen, einschließlich einer Analyse der Art und des Umfangs der in den Systemen festgestellten Mängel und Schwachstellen und der bereits getroffenen oder geplanten Abhilfemaßnahmen (Artikel 125 Absatz 4 Buchstabe e der Dachverordnung);

Dokumente betreffend die Verfahren in Bezug auf die Kommunikation mit dem Personal über die vorgenannten Verfahren wie auch über Hinweise auf organisierte/vorgesehene Ausbildungsmaßnahmen und die herausgegebenen Orientierungshilfen (Datum und Fundstelle);

Dokumente betreffend die Verfahren, die von den zwischengeschalteten Stellen zur Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben angewandt werden, und betreffend die Verfahren, die von der Bescheinigungsbehörde zur Überwachung der Wirksamkeit der den zwischengeschalteten Stellen übertragenen Aufgaben eingesetzt werden;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Berichterstattung über Unregelmäßigkeiten (einschließlich Betrug) und zu deren finanzieller Berichtigung und Follow-up sowie zur Verbuchung der einbehaltenen und der wiedereingezogenen Beträge, der wiedereinzuziehenden Beträge, der nicht wiedereinziehbaren Beträge und der Beträge im Zusammenhang mit Vorhaben, die durch Gerichtsverfahren oder durch Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren aufgrund des Suspensiveffekts ausgesetzt wurden;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Erfüllung der Verpflichtung nach Artikel 122 Absatz 2 der Dachverordnung, die Kommission über Unregelmäßigkeiten zu unterrichten;

Dokumente betreffend die Verfahren zur Erstellung und Einreichung der Zahlungsanträge;

Dokumente betreffend die getroffenen Vorkehrungen, dass die Bescheinigungsbehörde Zugriff auf alle für die Erstellung und Einreichung der Zahlungsanträge erforderlichen Informationen über die jeweiligen Vorhaben hat, einschließlich der Ergebnisse der Überprüfungen der Verwaltung (gemäß Artikel 125 der Dachverordnung) und aller relevanten Prüfungen;

Dokumente betreffend die Verfahren, nach denen Zahlungsanträge erstellt und der Kommission vorgelegt werden, einschließlich des Verfahrens zur Sicherstellung, dass die Bescheinigungsbehörde den letzten Antrag auf Zwischenzahlung für das vergangene Geschäftsjahr bis zum 31. Juli vorlegt;

Dokumente betreffend das Buchführungssystem, das der der Kommission vorzulegenden Bescheinigung über die verbuchten Ausgaben zugrunde liegt (Artikel 126 Buchstabe d der Dachverordnung);

Dokumente betreffend die bestehenden Verfahren für die Rechnungslegung gemäß Artikel 59 Absatz 5 der Verordnung (EU, Euratom) Nr. 966/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates (8) — Haushaltsordnung — (Artikel 126 Buchstabe b der Dachverordnung);

Dokumente betreffend die getroffenen Vorkehrungen für die Bescheinigung, dass die Rechnungslegung unter Berücksichtigung der Ergebnisse sämtlicher Überprüfungen und Prüfungen vollständig, genau und sachlich richtig ist und die verbuchten Ausgaben dem anwendbaren Recht genügen (Artikel 126 Buchstabe c der Dachverordnung);

Dokumente betreffend das System zur Sicherstellung der unverzüglichen Wiedereinziehung der öffentlichen Unterstützung einschließlich der Unionsunterstützung;

Dokumente betreffend die Verfahren, die durch die computergestützte Führung der Buchführungsdaten in elektronischer Form einen hinreichenden Prüfpfad gewährleisten, so auch für wiedereingezogene Beträge, wiedereinzuziehende Beträge, von einem Zahlungsantrag einbehaltene Beträge, nicht wiedereinziehbare Beträge und Beträge im Zusammenhang mit Vorhaben, die durch Gerichtsverfahren oder durch Rechtsmittel im Verwaltungsverfahren aufgrund des Suspensiveffekts ausgesetzt wurden, und dies für jedes einzelne Vorhaben, einschließlich der Wiedereinziehungen aufgrund von Artikel 71 der Dachverordnung zur Dauerhaftigkeit der Vorhaben;

Dokumente betreffend die Vorkehrungen für den Abzug der wiedereingezogenen Beträge bzw. der einzubehaltenden Beträge von den geltend zu machenden Ausgaben;

Dokumente betreffend die Informationssysteme einschließlich Flussdiagramm (zentrales bzw. gemeinsames Netzwerksystem oder dezentrales System mit entsprechenden Verknüpfungen zwischen den Systemen);

Dokumente betreffend die Verfahren zur Überprüfung, dass die Sicherheit der IT-Systeme gewährleistet ist;

nationale Regeln für die Förderfähigkeit der operationelle Programme und der Programme zur Entwicklung des ländlichen Raums;

Verabschiedung von Regeln für die Förderfähigkeit der Ausgaben für Kooperationsprogramme.

Bei der Festlegung der Interventionsstrategie für die ESI-Fonds und der Erstellung der Programmplanungsdokumente müssen die Mitgliedstaaten die in der Charta geschützten Rechte beachten und deren Grundsätze wahren. Die relevantesten Bestimmungen in diesem Zusammenhang sind Artikel 47 der Charta, der das Recht auf einen wirksamen Rechtsschutz und ein unparteiisches Gericht anerkennt, einschließlich des Rechts, gehört zu werden, ferner Artikel 7 mit dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und Artikel 8 mit dem Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten.

B)

Organisation einer Partnerschaft (Artikel 5 Absätze 1 und 2 der Dachverordnung), Artikel 5, 7, 15 Absatz 1 Buchstaben c und d der Dachverordnung, Artikel 2, 3 und 4 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 240/2014 der Kommission (9).

Relevante Dokumente für die Organisation einer Partnerschaft: Dokumente betreffend die für die Partnerschaft in der Partnerschaftsvereinbarung getroffenen Vorkehrungen und sonstige Dokumente betreffend die Organisation der Partnerschaft.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a.

die Nichtdiskriminierung, die Vielfalt der Sprachen, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung.

C)

Formulierung der Mitgliedschaftsregelungen des Begleitausschusses wie auch der Verfahrensregelungen des Begleitausschusses (Artikel 10 Absatz 1 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 240/2014), Artikel 7, Artikel 47 Absätze 1 bis 3 (10), Artikel 48 Absatz 1 der Dachverordnung.

Relevante Dokumente: Dokumente betreffend die Mitgliedschaftsregelungen des Begleitausschusses und die Verfahrensregelungen des Begleitausschusses.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Vielfalt der Sprachen.

II.    Begleitausschuss:

Prüfung und Genehmigung der Umsetzung der Kommunikationsstrategie für das operationelle Programm und aller Änderungen dieser Strategie sowie der für die Auswahl der Vorhaben verwendeten Kriterien (Artikel 110 Absatz 2 Buchstaben a und d der Dachverordnung; ELER: Artikel 74 Buchstabe a der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013).

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten, die Nichtdiskriminierung, die Vielfalt der Sprachen, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung.

Festlegung zusätzlicher Regeln für die Förderfähigkeit von Ausgaben im Rahmen der Programme für die Europäische territoriale Zusammenarbeit (ETZ), Artikel 18 Absatz 2 der Verordnung (EU) Nr. 1299/2013 (ETZ-Verordnung).

Relevante Dokumente: Dokument zur Festlegung zusätzlicher Regeln für die Förderfähigkeit von Ausgaben im Rahmen der ETZ-Programme.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Vielfalt der Sprachen, die Integration von Menschen mit Behinderung, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

3.   Umsetzung der Programme

Zur Durchführung der Programme ist nachstehend eine Liste von aus der Dachverordnung stammenden Beispielen für Maßnahmen und Dokumente aufgeführt, bei denen die Mitgliedstaaten oder die von ihnen benannten Behörden besondere Aufmerksamkeit auf die Einhaltung der Bestimmungen der Charta verwenden sollten.

I.    Verwaltungsbehörde/Zwischengeschaltete Stelle

Relevante Maßnahme: Aufstellung geeigneter Auswahlverfahren und -kriterien und — nach Billigung durch den Begleitausschuss — deren Anwendung, einschließlich der Vorbereitung von Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen (Artikel 125 Absatz 3 Buchstabe a der Dachverordnung, Artikel 4 Absatz 4, Artikel 7, Artikel 8, Artikel 34, Artikel 36 Absatz 3, Artikel 47 Absatz 1 der Dachverordnung); EFRE, ESF, KF, EMFF: Artikel 125 Absatz 3 Buchstabe a der Dachverordnung und Delegierte Verordnungen (EU) 2015/288 (11) und (EU) 2015/852 der Kommission (12); ELER: Artikel 49 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, Artikel 113 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014, Artikel 12 der Verordnung (EU) Nr. 1299/2013 (ETZ-Verordnung) (13), Artikel 19 Absatz 1, Unterabsatz 2 des Vertrags über die Europäische Union.

Relevante Dokumente für diese Maßnahme:

Dokumente betreffend das Auswahlverfahren;

Dokumente betreffend die Auswahlkriterien.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten, die Vielfalt der Sprachen, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, der Umweltschutz, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht, das Recht auf sichere Arbeitsbedingungen.

Relevante Maßnahme: Durchführung von Programmen, Bereitstellung kumulativer Daten für die zur Förderung ausgewählten Vorhaben, Artikel 4 Absätze 4 und 5, Artikel 7, Artikel 8, Artikel 74 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013; EFRE, ESF, KF, EMFF: Artikel 122 und 123 der Dachverordnung, Artikel 21 der Verordnung (EU) Nr. 1299/2013 (ETZ-Verordnung); ELER: Artikel 65 und 66 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 und die relevanten Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013; EMFF: Artikel 97 der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 sowie die Durchführungsverordnungen (EU) Nr. 1242/2014 (14) und (EU) Nr. 1243/2014 der Kommission (15).

Relevante Dokumente für diese Maßnahme:

Dokumente, aus denen die Bedingungen für die Unterstützung im Rahmen der einzelnen Vorhaben, einschließlich der besonderen Anforderungen hinsichtlich der Produkte und Dienstleistungen, die im Rahmen des Vorhabens zu liefern bzw. zu erbringen sind, der Finanzierungsplan und die Fristen für die Durchführung hervorgehen (Artikel 125 Absatz 3 Buchstabe c der Dachverordnung);

Mitteilungen über die ausgewählten Großprojekte (Artikel 102 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Dachverordnung, Artikel 1 und Anhang I der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1011/2014 der Kommission (16)).

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten, die Freiheit der Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, das Recht auf Bildung, die unternehmerische Freiheit, das Eigentumsrecht, der Schutz bei Abschiebung, Ausweisung und Auslieferung, die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, der Umweltschutz, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

Relevante Maßnahme: Information von potenziellen Begünstigten über Finanzierungsmöglichkeiten (Artikel 115 Absatz 1 Buchstabe c der Dachverordnung): Artikel 7; EFRE, ESF, KF: Artikel 115 Absatz 1 Buchstabe c der Dachverordnung; ELER: Artikel 66 Absatz 1 (i) der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013 (17).

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. die Gleichheit vor dem Gesetz und die Nichtdiskriminierung.

Relevante Maßnahme: Führen und Zugänglichmachung der Liste der Vorhaben; diese Liste ist über die einzige Website oder das einzige Internetportal zugänglich (Artikel 115 Absatz 2 der Dachverordnung): EFRE, ESF, KF: Artikel 115 Absatz 2 der Dachverordnung (18); EMFF: Anhang V der Verordnung (EU) Nr. 508/2014 und der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 763/2014 der Kommission (19).

Relevante Dokumente für diese Maßnahme: Informationen auf der Website oder im Internetportal.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. die Achtung des Privat- und Familienlebens, der Schutz der personenbezogenen Daten.

II.    Begleitausschuss

Relevante Maßnahme: Auswahl der Vorhaben (Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1299/2013): Artikel 4 Absatz 4, Artikel 7, Artikel 8, Artikel 29 Absatz 4, Artikel 47 Absatz 1 der Dachverordnung; EFRE, ELER: Artikel 49 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, Artikel 19 Absatz 1, Unterabsatz 2 des Vertrags über die Europäische Union.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. die Gleichheit vor dem Gesetz, die Nichtdiskriminierung, die Gleichheit von Männern und Frauen, die Integration von Menschen mit Behinderung, der Umweltschutz, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht.

Relevante Maßnahme: Prüfung und Genehmigung des jährlichen Durchführungsberichts.

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehört u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten.

III.    Bescheinigungsbehörde

Relevante Maßnahmen: Die Zahlungsanträge erstellen, bescheinigen und vorlegen; die Rechnungslegung erstellen; bescheinigen, dass die Rechnungslegung vollständig, genau und sachlich richtig ist und die verbuchten Ausgaben dem anwendbaren Recht genügen und für Vorhaben getätigt wurden, die gemäß den für das betreffende operationelle Programm geltenden Kriterien zur Förderung ausgewählt wurden und die dem anwendbaren Recht genügen; sicherstellen, dass ein System zur elektronischen Aufzeichnung und Speicherung der Buchführungsdaten jedes Vorhabens besteht (und weitere Aufgaben nach Artikel 126 der Dachverordnung).

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehört u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten.

IV.    Prüfbehörde

Relevante Maßnahme: Durchführung der Prüfungen (Artikel 127 Absätze 1 und 2 der Dachverordnung.

Relevante Dokumente: Prüfstrategie (Artikel 127 Absatz 4 der Dachverordnung, Bestätigungsvermerk gemäß Artikel 59 Absatz 5 Unterabsatz 2 der Haushaltsordnung, Kontrollbericht (Artikel 127 Absatz 5 Buchstaben a und b der Dachverordnung).

Zu den diesbezüglich relevanten Rechten/Grundsätzen der Charta gehören u. a. der Schutz der personenbezogenen Daten, die Achtung des Privat- und Familienlebens, die Nichtdiskriminierung.


(1)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 259.

(2)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 487.

(3)  ABl. L 149 vom 20.5.2014, S. 1.

(4)  ABl. L 209 vom 16.7.2014, S. 20.

(5)  ABl. L 291 vom 7.10.2014, S. 1.

(6)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 549.

(7)  ABl. L 283 vom 27.9.2014, S. 11.

(8)  ABl. L 298 vom 26.10.2012, S. 1.

(9)  ABl. L 74 vom 14.3.2014, S. 1.

(10)  Für ETC-Programme.

(11)  ABl. L 51 vom 24.2.2015, S. 1.

(12)  ABl. L 135 vom 2.6.2015, S. 13.

(13)  Nach Artikel 12 Absatz 1 der ETZ-Verordnung werden die Vorhaben für die ETZ-Programme vom Begleitausschuss oder gegebenenfalls von dem unter seiner Verantwortung handelnden Lenkungsausschuss ausgewählt.

(14)  ABl. L 334 vom 21.11.2014, S. 11.

(15)  ABl. L 334 vom 21.11.2014, S. 39.

(16)  ABl. L 286 vom 30.9.2014, S. 1.

(17)  Nach Artikel 23 Absatz 2 der ETZ-Verordnung ist dies eine Aufgabe des gemeinsamen Sekretariats.

(18)  Siehe Fußnote 17.

(19)  ABl. L 209 vom 16.7.2014, S. 1.


ANHANG II

Über die Charta hinausgehende Grundrechte in der EU

Die Charta steht mit der im Rahmen des Europarates angenommenen Europäischen Menschenrechtskonvention im Einklang. Soweit Rechte der Charta dieser Konvention entstammen, haben sie die gleiche Bedeutung und Tragweite wie in der Konvention (Artikel 52 Absatz 3 der Charta) (1).

In Bezug auf die Integration von Menschen mit Behinderung (Artikel 26 der Charta) hat die EU im Dezember 2010 das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention, UNCRPD) ratifiziert. Die Bestimmungen dieses UN-Übereinkommens (UNCRPD) bilden folglich einen „integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung“ (2). Ferner haben die von der Europäischen Union geschlossenen völkerrechtlichen Verträge Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Sekundärrechts. Somit sind Letztere in Übereinstimmung mit der UN-Behindertenrechtskonvention (UNCRPD) auszulegen (3). Da sowohl die EU als auch ihre Mitgliedstaaten eigenständige Vertragsparteien sind und jede von ihnen auf den von der UNCRPD abgedeckten Feldern eine eigene Zuständigkeit besitzt, gilt die UN-Behindertenrechtskonvention im Rahmen der EU als sog. „gemischtes“ Abkommen. Sämtliche Bestimmungen der Behindertenrechtskonvention, die in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen, sind für die EU-Institutionen rechtsverbindlich. Außerdem verpflichtet das EU-Recht die Mitgliedstaaten, die Konvention insofern durchzuführen als ihre Bestimmungen in den Zuständigkeitsbereich der EU fallen. Die Durchführung der Konvention in Bereichen, die nicht im Zuständigkeitsbereich der EU sind, verbleibt ausschließlich bei den Mitgliedstaaten. Trotz ihrer unterschiedlichen Zuständigkeiten sind die Union und ihre Mitgliedstaaten bei der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus solchen „gemischten“ Abkommen zu einer ernsthaften Zusammenarbeit verpflichtet. Mit ihrer Ratifikationserklärung übergab die EU den Vereinten Nationen eine Liste der Rechtsakte der Union, die „den Umfang des Zuständigkeitsbereichs der Gemeinschaft gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft veranschaulicht. (…)“. Die Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom 11. Juli 2006 mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 (4) wird in dieser Ratifikationserklärung ausdrücklich erwähnt. Um die Mitgliedstaaten bei der Wahrnehmung ihrer Verpflichtungen im Rahmen der Behindertenrechtskonvention zu unterstützen, haben die Dienststellen der Europäischen Kommission zwei Leitfäden (5) und ein Instrumentarium (Toolkit) zur Deinstitutionalisierung (6) ausgearbeitet.

In Bezug auf das Verbot der Diskriminierung wegen der Rasse, der Hautfarbe und der ethnischen oder sozialen Herkunft (Artikel 21 der Charta) hat die Kommission einen Thematischen Leitfaden zur Desegregation im Wohnungs- und im Bildungswesen für marginalisierte Gemeinschaften herausgegeben (7).

In Bezug auf den Umweltschutz und die Verfahrensgrundrechte hat die Europäische Gemeinschaft das Übereinkommen der UNECE über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (Übereinkommen von Aarhus) unterzeichnet und anschließend durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates (8) genehmigt. Deshalb sind die Vorschriften dieses Übereinkommens integraler Bestandteil der Unionsrechtsordnung (9). Ferner haben sie Vorrang vor den Bestimmungen des abgeleiteten Sekundärrechts der EU, und somit ist Letzteres in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen von Aarhus auszulegen (10).

Zudem kann bei der eindeutigen Gefahr einer schwerwiegenden Verletzung der in Artikel 2 EUV genannten Werte der Union durch einen Mitgliedstaat Artikel 7 EUV zur Anwendung gebracht werden. Zu diesen Werten der Union gehören auch die Achtung der Menschenrechte und die Wahrung des Grundsatzes der Gleichheit vor dem Gesetz. Dieses Verfahren kann zur Aussetzung bestimmter Rechte führen, die sich aus der Anwendung der Verträge auf den betroffenen Mitgliedstaat herleiten.

Abschließend ist zu beachten, dass die von der Rechtsprechung des EuGH aufgestellten allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts eine weitere Grundrechtsquelle im ungeschriebenen Primärrecht der EU darstellen. Im Rahmen von Artikel 6 EUV und der Rechtsprechung des EuGH haben sie Seite an Seite mit der Charta fortlaufende Relevanz für den Schutz der Grundrechte im Rechtssystem der Union.

Die allgemeinen Rechtsgrundsätze finden neben der Charta immer dann Anwendung, wenn die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Rechts der Union handeln. So stellt z. B. Artikel 41 der Charta mit dem Recht auf eine gute Verwaltung nicht auf die Mitgliedstaaten, sondern nur auf die Union ab. Trotzdem dürfte in den Fällen, in denen die Mitgliedstaaten im Anwendungsbereich des Rechts der Union tätig werden, noch immer der allgemeine Rechtsgrundsatz der guten Verwaltung anzuwenden sein.


(1)  Die Presseabteilung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte hat zu der Rechtsprechung des Gerichtshofs und den dort anhängigen Verfahren nach Themen geordnete Informationsblätter zusammengestellt. Diese thematischen Blätter sind bei Zweifeln über die Auslegung bestimmter Grundrechte sehr nützlich. Sie sind unter folgender Adresse abrufbar:

http://www.echr.coe.int/Pages/home.aspx?p=press/factsheets&c=#n1347890855564_pointer.

Siehe insbesondere das jüngste Informationsblatt zum Thema „Umwelt und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)“ mit einer Übersicht über die damit zusammenhängenden Fragen, so u. a. zu Immissionen (Gerüchen, Lärm und umweltverschmutzenden Abgasen), die in bestimmten Fällen zu einer Verletzung von Artikel 8 EMRK über den Anspruch auf Achtung des Privat- und Familienlebens führten, der in Artikel 7 der Charta verankert ist (Artikel 8 EMRK und Artikel 7 der Charta haben einen ähnlichen Wortlaut):

http://www.echr.coe.int/Documents/FS_Environment_ENG.pdf.

(2)  Siehe z. B. Urteil des EuGH vom 11. April 2011, HK Danmark, verbundene Rechtssachen C-335/11 und C-337/11, Randnr. 30.

(3)  Siehe z. B. Urteil des EuGH vom 11. April 2011, HK Danmark, verbundene Rechtssachen C-335/11 und C-337/11, Randnr. 29.

(4)  ABl. L 210 vom 31.7.2006, S. 25.

(5)  Gemeinsame europäische Leitlinien für den Übergang von institutioneller Betreuung zu Betreuung in der lokalen Gemeinschaft, http://www.deinstitutionalisationguide.eu/wp-content/uploads/2016/04/Common-European-Guidelines_German-version.pdf, und Thematischer Leitfaden für den Übergang von institutioneller Betreuung zu Betreuung in der lokalen Gemeinschaft (Deinstitutionalisierung), http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/docgener/informat/2014/guidance_deinstitutionalistion.pdf

(6)  Toolkit zur Verwendung von EU-Fonds für den Übergang von institutioneller Betreuung zu Betreuung in der lokalen Gemeinschaft, http://www.deinstitutionalisationguide.eu/wp-content/uploads/2016/04/Toolkit_German-version.pdf.

(7)  http://ec.europa.eu/regional_policy/sources/docgener/informat/2014/thematic_guidance_fiche_segregation_en.pdf.

(8)  ABl. L 124 vom 17.5.2005, S. 1.

(9)  Rechtssache C-240/09, Lesoochranárske zoskupenie [2011], Slg. I-01255, Randnr. 30.

(10)  Siehe Fußnote 3.


ANHANG III

Leitfragen

Die nachstehenden Fragen (1) dienen als allgemeine Orientierungshilfe, welche Problemfelder konkret bei der Prüfung zu untersuchen sind, ob die in Anhang 1 aufgeführten Maßnahmen und Dokumente mit den Grundrechten in Einklang stehen.

Auswirkungen auf die Grundrechte

Leitfragen

Allgemein

Welche Grundrechte sind betroffen?

Handelt es sich bei den betreffenden Rechten um absolute Rechte (die keinerlei Einschränkungen unterliegen dürfen, wie z. B. die Würde des Menschen und das Verbot der Folter)?

Hat die Maßnahme (2) je nach Grundrechten, die davon betroffen sind, sowohl eine vorteilhafte als auch eine nachteilige Auswirkung (z. B. eine nachteilige Auswirkung auf die Freiheit der Meinungsäußerung und eine vorteilhafte Auswirkung auf das Recht am geistigen Eigentum)?

Würde des Menschen

Beeinträchtigt die Maßnahme die Würde des Menschen, das Recht auf Leben oder das Recht auf Unversehrtheit?

Wirft die Maßnahme (bio-)ethische Fragen auf (Klonen von Menschen, Nutzung des menschlichen Körpers oder Teilen davon zur Erzielung von finanziellen Gewinnen, Genforschung/Gentests, Nutzung genetischer Informationen)?

Birgt die Maßnahme Risiken in Bezug auf Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung?

Hat die Maßnahme Auswirkungen in Bezug auf Zwangsarbeit oder Menschenhandel?

Freiheit der Person, Achtung des Privat- und Familienlebens, Gewissensfreiheit und Freiheit der Meinungsäußerung

Beeinträchtigt die Maßnahme die Freiheit der Person?

Beeinträchtigt die Maßnahme das Recht auf Achtung des Privatlebens (Privatsphäre einschließlich der Wohnung und der Kommunikation)?

Beeinträchtigt die Maßnahme das Recht eines Einzelnen, sich im Hoheitsgebiet der EU frei zu bewegen und aufzuhalten?

Beeinträchtigt die Maßnahme das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen, oder den rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Schutz der Familie?

Beeinträchtigt die Maßnahme die Gedanken-, Gewissens- oder Religionsfreiheit?

Beeinträchtigt die Maßnahme die Freiheit der Meinungsäußerung oder die Informationsfreiheit?

Beeinträchtigt die Maßnahme die Versammlungs- oder die Vereinigungsfreiheit?

Beeinträchtigt die Maßnahme die Freiheit von Kunst oder Wissenschaft?

Personenbezogene Daten

Beinhaltet die Maßnahme auch die Verarbeitung personenbezogener Daten?

Wer verarbeitet die personenbezogenen Daten und zu welchen Zwecken?

Sind die Rechte der betroffenen Person auf Auskunft, Berichtigung und Widerspruch gewährleistet?

Wurde die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der zuständigen unabhängigen Stelle mitgeteilt?

Beinhalten die Datenverarbeitungs-/Datenübertragungsketten auch internationale Datenübermittlungen, und wenn ja, gelten für diese internationalen Übermittlungen spezifische Absicherungs- und Schutzmaßnahmen?

Wird für die Sicherheit der Datenverarbeitungsvorgänge unter technischen und organisatorischen Gesichtspunkten gesorgt?

Sorgen Absicherungs- und Schutzmaßnahmen dafür, dass Eingriffe in das Recht auf Datenschutz als notwendig und verhältnismäßig gelten können?

Kommen geeignete und angemessene/spezifische Überprüfungs- und Überwachungsmechanismen zur Anwendung?

Asyl und Schutz bei Abschiebung, Ausweisung oder Auslieferung

Beeinträchtigt die Maßnahme das Recht auf Asyl, und ist das Verbot von Kollektivausweisungen oder -auslieferungen in/an Staaten, in denen für die davon betroffenen Personen das Risiko der Todesstrafe, der Folter oder der erniedrigenden Behandlung besteht, gewährleistet?

Eigentumsrechte und unternehmerische Freiheit

Sind Eigentumsrechte beeinträchtigt (Grund und Boden, bewegliches Vermögen, Sachvermögen/immaterielle Vermögenswerte)? Wird der Erwerb, der Verkauf oder die Verwertung von Eigentumsrechten eingeschränkt?

Wenn ja, handelt es sich um den Verlust des gesamten Eigentums? Wenn ja, welche Rechtfertigungsgründe und welche Entschädigungsmechanismen greifen?

Beeinträchtigt die Maßnahme die unternehmerische Freiheit oder beinhaltet zusätzliche Anforderungen, die die Transaktionskosten des betroffenen Wirtschaftsteilnehmers erhöhen?

Gleichstellung von Frauen und Männern, Gleichbehandlung und Chancengleichheit, Nichtdiskriminierung, Rechte der Menschen mit Behinderung

Gewährleistet die Maßnahme den Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz; beeinträchtigt sie direkt oder indirekt die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Gleichstellung von Frauen und Männern, der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit für alle?

Hat die Maßnahme (direkt oder indirekt) unterschiedliche Auswirkungen auf Frauen und Männer?

Wie fördert die Maßnahme die Gleichheit von Frauen und Männern?

Auf welche Art und Weise ist die Maßnahme unmittelbar mit einer unterschiedlichen Behandlung (direkten Diskriminierung) von Gruppen oder Einzelpersonen wegen des Geschlechts, der Rasse oder ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung verbunden? Oder könnte die Maßnahme etwa zu einer mittelbaren (indirekten) Diskriminierung führen?

Gewährleistet die Maßnahme die Achtung der Rechte von Menschen mit Behinderung im Einklang mit dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-Behindertenrechtskonvention)? Wie? (siehe http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX:32010D0048).

Rechte des Kindes

Stärkt die Maßnahme die Rechte des Kindes (oder einer Gruppe von Kindern) oder schränkt sie diese Rechte ein? Welche Rechtfertigungsgründe greifen für eine etwaige Einschränkung?

Berücksichtigt die Maßnahme den Grundsatz des Wohls des Kindes?

Trägt die Maßnahme dazu bei, den Schutz der Rechte des Kindes zu fördern? Berücksichtigt sie dabei auch die Rechte und Grundsätze der UN-Kinderrechtskonvention? Wenn ja, welche Artikel können betroffen sein?

Wie werden die elementaren Leitprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention mit der Maßnahme gefördert?

Behindert die Maßnahme eines der elementaren Leitprinzipien der UN-Kinderrechtskonvention?

Welche Schritte wurden zur Verbesserung bzw. zur Wiedergutmachung nachteiliger Auswirkungen der Maßnahme unternommen?

Wurde das Recht des Kindes auf Anhörung und Mitsprache in allen Angelegenheiten, die es betreffen, gebührend beachtet?

Trägt die Maßnahme zur Förderung kinderfreundlicher und an den Bedarf, das Alter und den Reifegrad eines Kindes angepasster Justizsysteme bei?

Recht auf eine gute Verwaltung/Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf/justizielle Rechte

Werden die vorhandenen Verwaltungsverfahren beschwerlicher?

Gewährleisten sie noch das Recht einer jeden Person, gehört zu werden, das Recht einer jeden Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des legitimen Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses wie auch der Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen?

Ist der Zugang des Einzelnen zu Recht und Justiz beeinträchtigt?

Ist in der Maßnahme für den Fall, dass sie Rechte und Freiheiten beeinträchtigt, die durch das Unionsrecht garantiert sind, das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem unabhängigen Gericht vorgesehen?

Wenn die Maßnahme Strafrecht betrifft oder strafrechtliche Sanktionen vorsieht, wurde für Rechtsgarantien gesorgt, die die Unschuldsvermutung und die Achtung der Verteidigungsrechte, die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit und der Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit Straftaten und Strafen sowie das Recht gewährleisten, wegen derselben Straftat nicht zweimal strafrechtlich verfolgt oder bestraft zu werden?

Solidarität und Arbeitnehmerrechte

Beachtet die Maßnahme die Arbeitnehmerrechte, wie z. B. das Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen, das Recht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen, das Recht auf Zugang zu einem unentgeltlichen Arbeitsvermittlungsdienst, den Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung, das Recht auf gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen, das Verbot der Kinderarbeit und den Schutz der Jugendlichen am Arbeitsplatz sowie das Recht auf Zugang zu den Leistungen der sozialen Sicherheit und zu den sozialen Diensten?

Umweltschutz

Trägt die Maßnahme zu einem hohen Umweltschutzniveau und zur Verbesserung der Umweltqualität bei und steht sie im Einklang mit dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung?


(1)  Diese Fragen wurden von der Kommission für das Folgenabschätzungsscreening im Rahmen des „Pakets für Bessere Rechtsetzung“ erarbeitet und auch verwendet.

(2)  Maßnahmen zur Umsetzung von Programmen und Durchführung von konkreten Aktionen nach Maßgabe der Projektbeschreibung für bei der Durchführung der ESI-Fonds auszuführende Arbeiten (Maßnahme).