21.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 125/46


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum „Vorschlag für eine Verordnung des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen (Neufassung)“

(COM(2016) 411 final — 2016/0190 (CNS))

(2017/C 125/06)

Berichterstatter:

Christian BÄUMLER

Befassung

Rat der Europäischen Union, 20.7.2016

Rechtsgrundlage

Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

Zuständige Fachgruppe

Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft

Annahme in der Fachgruppe

10.1.2017

Verabschiedung auf der Plenartagung

26.1.2017

Plenartagung Nr.

522

Ergebnis der Abstimmung

(Ja-Stimmen/Nein-Stimmen/Enthaltungen)

116/0/1

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Die politischen Leitlinien der Juncker-Kommission betonen nach Auffassung des EWSA zu Recht, dass die justizielle Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten schrittweise verbessert werden und mit der Realität einer unionsweit zunehmenden Anzahl von mobilen Bürgerinnen und Bürgern Schritt halten muss, die heiraten und Kinder haben.

1.2

Der EWSA begrüßt, dass das Ziel des Kommissionsvorschlags die stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls bei Entscheidungen über Rückführungen ist. Der EWSA unterstützt die Kinderrechte und betont, dass die Respektierung der Kinderrechte in allen politischen Feldern, die Kinder betreffen, von größter Bedeutung ist. Das Kindeswohl muss an erster Stelle stehen.

1.3

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mehrere wesentliche Änderungen mit dem Ziel vorschlägt, das Verfahren der Rückgabe eines entführten Kindes effizienter zu gestalten. Dazu könnte nach Auffassung des EWSA auch die Annahme gemeinsamer Mindestnormen einschließlich eines einheitlichen Vollstreckungsverfahrens gehören.

1.4

Nach Auffassung des EWSA ist die in Artikel 55 genannte Zusammenarbeit zwischen zentralen Behörden in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen, von entscheidender Bedeutung, und er befürwortet die Neufassung dieser Bestimmungen.

1.5

Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Zuständigkeit im Einklang mit der Struktur ihres jeweiligen Rechtssystems bei einer begrenzten Anzahl von Gerichten zu bündeln.

1.6

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag die Fristen für den Erlass einer vollstreckbaren Rückgabeanordnung konkretisiert und das Rückgabeverfahren auf insgesamt 18 Wochen verkürzt wird.

1.7

Der EWSA hält die Beschränkung auf einen Rechtsbehelf im Rückgabeverfahren für vertretbar.

1.8

Der EWSA begrüßt, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären kann, auch wenn diese Möglichkeit nach nationalem Recht nicht besteht.

1.9

Der EWSA ist der Auffassung, dass Mindeststandards für die Anhörung eines Kindes dazu beitragen könnten, die Akzeptanz der Entscheidung zu erhöhen.

1.10

Der EWSA befürwortet zudem die Abschaffung des Exequaturverfahrens. Nach Auffassung des EWSA sollten jedoch Schutzmechanismen aufrechterhalten werden.

1.11

Der EWSA befürwortet, dass es dem Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaates zudem möglich sein soll, dringende notwendige Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das Kind möglicherweise dem schwerwiegenden Risiko einer Schädigung ausgesetzt wird.

1.12

Der EWSA begrüßt, dass der Entwurf die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim in einem anderen Mitgliedstaat in jedem Fall von der Zustimmung des Aufnahmestaats abhängig macht.

1.13

Der EWSA sieht Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Brüssel-IIa-Verordnung. Selbst wenn von einem „nationalen“ Verständnis der Ehe ausgegangen wird, haben die Mitgliedstaaten Artikel 21 der EU-Grundrechtscharta zu beachten. Der EWSA schlägt vor, dass die Beachtung von Artikel 21 in einem der Erwägungsgründe der Verordnung zum Ausdruck kommt.

1.14

Der EWSA sieht Regelungsbedarf hinsichtlich der Fälle, bei denen ein Elternteil nicht aus der Europäischen Union stammt, und befürwortet den Abschluss von bilateralen Abkommen, vor allem mit Ländern, die dem Haager Kindesentführungsübereinkommen nicht beigetreten sind.

2.   Allgemeine Erwägungen

2.1

Am 30. Juni 2016 hat die Europäische Kommission Vorschläge für eine Reform der Brüssel-IIa-Verordnung vorgelegt, die der Eckpfeiler der justiziellen Zusammenarbeit in Familiensachen in der Europäischen Union ist. Sie enthält einheitliche Regeln für die gerichtliche Zuständigkeit im Falle der Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe sowie bei Streitigkeiten über die elterliche Verantwortung in grenzüberschreitenden Situationen. Sie erleichtert den freien Verkehr von Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen in der Union, indem sie Bestimmungen über deren Anerkennung und Vollstreckung in anderen Mitgliedstaaten festlegt. Die Verordnung gilt seit dem 1. März 2005 in allen Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks.

2.2

Der kindschaftsrechtliche Teil der Verordnung legt innerhalb der Europäischen Union die internationale Zuständigkeit in Kindschaftssachen fest und regelt die Anerkennung und Vollstreckung von Kindschaftsentscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten. Auch enthält die Verordnung Regelungen zur Rückführung von Kindern, die widerrechtlich in einen anderen Mitgliedstaat verbracht wurden oder dort zurückgehalten werden. Insoweit stärkt die Verordnung den Rückführungsmechanismus nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen.

2.3

Die Verordnung, die bereits Gegenstand von 24 Entscheidungen des EuGH war, soll nun in mehreren Punkten reformiert werden. Der aktuelle Kommissionsvorschlag möchte die Verordnung noch effektiver machen: Er beschränkt sich auf den kindschaftsrechtlichen Teil der Verordnung und lässt die scheidungsverfahrensrechtlichen Vorschriften unberührt.

2.4

Die politischen Leitlinien der Juncker-Kommission betonen nach Auffassung des EWSA zu Recht, dass die justizielle Zusammenarbeit zwischen den EU-Mitgliedstaaten schrittweise verbessert werden und mit der Realität einer unionsweit zunehmenden Anzahl von mobilen Bürgerinnen und Bürgern Schritt halten muss, die heiraten und Kinder haben.

2.5

Der EWSA hat schon in früheren Stellungnahmen (1) betont, dass in den Verträgen und in der Grundrechtecharta der EU Zugang zu den Gerichten und Achtung der Grundrechte garantiert werden, insbesondere: Eigentumsrecht, Gleichheit vor dem Gesetz, Diskriminierungsverbot, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen und das Recht auf ein unparteiisches Gericht.

2.6

Die Kommission hat die Verordnung auf ihre Praxistauglichkeit überprüft und in ihrem im April 2014 angenommenen Anwendungsbericht (COM(2014) 225) (2) Änderungen an der Verordnung für nötig befunden. Diese Überprüfung fand im Rahmen des Programms zur Eignungsprüfung bestehender EU-Vorschriften (REFIT) statt.

2.7

Mit der Neufassung sollen der europäische Raum des Rechts und der Grundrechte auf der Grundlage gegenseitigen Vertrauens weiterentwickelt, die noch verbleibenden Hindernisse für den freien Verkehr gerichtlicher Entscheidungen nach dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung beseitigt und das Kindeswohl besser geschützt werden, indem die Verfahren vereinfacht und effizienter gemacht werden.

2.8

Der EWSA begrüßt, dass das Ziel des Kommissionsvorschlags die stärkere Berücksichtigung des Kindeswohls bei Entscheidungen über Rückführungen ist. Mit der zunehmenden Migration sind vermehrt Wege und Strukturen der Zusammenarbeit nötig, um den Schutz von Kindern über Landesgrenzen hinaus zu ermöglichen.

2.9

Der EWSA begrüßt, dass die Kommission mehrere wesentliche Änderungen mit dem Ziel vorschlägt, das Verfahren der Rückgabe eines entführten Kindes effizienter zu gestalten. In Fällen elterlicher Kindesentführung ist rechtzeitiges Handeln von entscheidender Bedeutung für den Erfolg des in der Verordnung geregelten Verfahrens der Rückgabe des Kindes.

2.10

Nach Auffassung des EWSA ist die in Artikel 55 genannte Zusammenarbeit zwischen zentralen Behörden in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen, von entscheidender Bedeutung, um Eltern und Kinder, die an Kinder betreffenden grenzüberschreitenden Verfahren beteiligt sind, wirksam zu unterstützen.

2.11

Nach Auffassung des EWSA ist ein entscheidendes Problem die ungenaue Formulierung des Artikels über die von zentralen Behörden zu leistende Unterstützung in Fällen, die speziell die elterliche Verantwortung betreffen. Der Artikel ist für die nationalen Behörden einiger Mitgliedstaaten keine hinreichende Rechtsgrundlage zum Handeln.

2.12

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag präzisiert, wer von wem unter welchen Bedingungen welche Unterstützung oder Information anfordern kann. Zudem wird klargestellt, dass auch Gerichte und Kinderschutzbehörden die zentralen Behörden um Unterstützung ersuchen können. Die Neufassung schafft eine Rechtsgrundlage für Kinderschutzbehörden, um über die zentralen Behörden die erforderlichen Informationen aus anderen Mitgliedstaaten zu erhalten.

2.13

Der EWSA begrüßt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, die Zuständigkeit im Einklang mit der Struktur ihres jeweiligen Rechtssystems bei einer begrenzten Anzahl von Gerichten zu bündeln. Verzögerungen bei der Bearbeitung von Fällen treten auf, weil in verschiedenen Mitgliedstaaten die Gerichte, die mit Rückgabeanträgen befasst waren, hierauf nicht spezialisiert sind. Infolgedessen sind die Richter weniger mit den einschlägigen Verfahren und Bestimmungen vertraut und haben seltener Gelegenheit, regelmäßig mit anderen Gerichten in der EU auf eine Weise zusammenzuarbeiten, die dem Aufbau gegenseitigen Vertrauens zuträglich wäre.

2.14

Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag die Fristen für den Erlass einer vollstreckbaren Rückgabeanordnung konkretisiert und das Rückgabeverfahren auf insgesamt 18 Wochen verkürzt wird.

2.15

Die zentralen Behörden sind im Rahmen des Vorschlags verpflichtet, innerhalb einer sechswöchigen Frist den Antrag entgegenzunehmen und zu bearbeiten, den Antragsgegner und das Kind ausfindig zu machen, eine Mediation zu fördern und dabei sicherzustellen, dass das Verfahren hierdurch nicht verzögert wird. Derzeit bestehen keine Fristen für die zentralen Behörden.

2.16

Eine gesonderte sechswöchige Frist ist für Verfahren vor dem Gericht erster Instanz sowie dem Berufungsgericht vorgesehen. Dies führt nach Auffassung des EWSA zu einer realistischeren Frist für die Gerichte im Hinblick auf den Schutz des Rechts des Antragsgegners auf ein faires Verfahren. Der EWSA weist darauf hin, dass die Beachtung dieser Fristen im jeweiligen Justizsystem gewährleistet werden muss.

2.17

Der EWSA hält die Beschränkung auf einen Rechtsbehelf im Rückgabeverfahren für vertretbar. Die meisten Verfassungen der Mitgliedsländer garantieren nur einen Rechtsbehelf gegen hoheitliche Entscheidungen.

2.18

Der EWSA begrüßt, dass das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats eine Entscheidung für vorläufig vollstreckbar erklären kann, auch wenn diese Möglichkeit nach nationalem Recht nicht besteht. Dies ist zweckdienlich in Systemen, in denen die Entscheidung nicht vollstreckbar ist, solange sie noch Gegenstand eines Rechtsbehelfs ist. Somit könnte ein Elternteil auf der Grundlage einer für vorläufig vollstreckbar erklärten Entscheidung sein Umgangsrecht wahrnehmen, während auf Antrag des anderen Elternteils das Rechtsbehelfsverfahren in Bezug auf diese Entscheidung läuft.

2.19

Der EWSA befürwortet, dass Richter ausdrücklich aufgefordert werden, zu prüfen, ob eine Rückgabeanordnung vorläufig vollstreckbar sein sollte. Verzögerungen nach einer Rückgabeentscheidung wirken sich negativ auf Eltern-Kind-Beziehungen und das Wohl des Kindes aus. Der EWSA begrüßt, dass der Vorschlag eine Reihe von Präzisierungen für eine bessere Anwendung der geltenden Vorschriften enthält. So ist der Mitgliedstaat, in dem das Kind unmittelbar vor dem widerrechtlichen Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, verpflichtet, das Kindeswohl sorgfältig zu prüfen, bevor eine endgültige Sorgerechtsentscheidung ergeht, die möglicherweise die Rückgabe des Kindes impliziert. In diesem Zusammenhang hat jedes Kind, das fähig ist, sich seine eigene Meinung zu bilden, im Zuge dieser Prüfung das Recht, gehört zu werden, selbst wenn es physisch nicht anwesend ist, wobei angemessene alternative Mittel wie Videokonferenzen einzusetzen sind.

2.20

Mindeststandards für die Anhörung eines Kindes könnten nach Auffassung des EWSA zudem dazu beitragen, die Verweigerung der Anerkennung und der Vollstreckung oder der Vollstreckbarerklärung einer Entscheidung aus einem anderen EU-Staat zu vermeiden und somit die Akzeptanz (der Entscheidung) durch die EU-Bürger erhöhen. Beispielhaft zu nennen sind das Mindestalter des Kindes für eine Anhörung, nicht aber darüber hinausgehende Verfahrensfragen — etwa wer das Kind befragt. Dies sollte (und müsste) weiterhin den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Der EWSA empfiehlt für Richter, die Kinder anhören, eine sozialpädagogische Zusatzausbildung.

2.21

Der EWSA befürwortet zudem die Abschaffung des Exequaturverfahrens für alle in einem Mitgliedstaat ergangenen Entscheidungen (ebenso für die öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen) über die elterliche Verantwortung. Im Hinblick auf die Vollstreckung, die an sich Sache der Mitgliedstaaten ist, gilt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, dass die Anwendung von nationalen Vollstreckungsvorschriften die praktische Wirksamkeit der Verordnung nicht beeinträchtigen darf.

2.22

Darüber hinaus führte das Erfordernis des Exequaturverfahrens zu durchschnittlichen Verzögerungen von mehreren Monaten je Fall und Kosten von bis zu 4 000 EUR für die Bürgerinnen und Bürger (3).

2.23

Nach Auffassung des EWSA sollten jedoch bestimmte Schutzmechanismen aufrechterhalten werden. Dazu zählen jedenfalls die ordnungsgemäße Zustellung von Schriftstücken, das Recht der Parteien und des Kindes auf Anhörung, insbesondere mit Blick auf sich widersprechende Entscheidungen, sowie die Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Bestimmungen zur Unterbringung des Kindes in einem anderen EU-Staat, angelehnt an den geltenden Artikel 56 der Brüssel-IIa-Verordnung.

2.24

Der EWSA befürwortet, dass es dem Gericht des Vollstreckungsmitgliedstaats zudem möglich sein soll, dringende notwendige Schutzmaßnahmen anzuordnen, wenn das Kind möglicherweise dem schwerwiegenden Risiko einer Schädigung ausgesetzt oder anderweitig in eine unzumutbare Situation versetzt wird. So kann beispielsweise das Gericht, vor dem ein Rückgabeverfahren anhängig ist, einem Elternteil das Umgangsrecht zusprechen, und diese Entscheidung ist dann auch in dem Mitgliedstaat des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes vollstreckbar, bis das Gericht dieses Landes eine abschließende Entscheidung über den Umgang trifft.

2.25

Der EWSA begrüßt, dass der Kommissionsvorschlag die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie oder in einem Heim in einem anderen Mitgliedstaat in jedem Fall von der Zustimmung des Aufnahmelandes abhängig macht. Das Zustimmungserfordernis gewährleistet, dass das Kind im Aufnahmeland zielgerichtet betreut wird. Der EWSA empfiehlt darüber hinaus, dass die Unterbringung innerhalb der Familie des Kindes Vorrang haben soll. Ist dies nicht möglich oder nicht zum Wohle des Kindes, sollte das Kind in einer Pflegefamilie oder einer bürgernahen Einrichtung untergebracht werden.

2.26

Der EWSA nimmt zur Kenntnis, dass es nach dem Anwendungsbericht bisweilen mehrere Monate dauert, bis feststeht, ob in einem bestimmten Fall eine Zustimmung erforderlich ist. Ist eine Zustimmung erforderlich, muss das Konsultationsverfahren folgen, das ebenso langwierig ist, da es für ersuchte Behörden keine Antwortfrist gibt. In der Folge ordnen viele ersuchende Behörden die Unterbringung an und schicken das Kind in das Aufnahmeland, während das Konsultationsverfahren noch andauert oder noch bevor es eingeleitet wird, weil sie die Unterbringung als dringend erachten und sich der Länge der Verfahren bewusst sind. Dies führt für das Kind zu einer unsicheren Rechtslage.

2.27

Der EWSA befürwortet, dass der Entwurf die Einführung einer Frist von acht Wochen vorsieht, innerhalb derer der ersuchte Mitgliedstaat über den Antrag zu entscheiden hat. Die Beschleunigung des Verfahrens dient dem Wohl des Kindes.

2.28

Der EWSA akzeptiert, dass nach der Haager Konvention das Gericht des Landes entscheidet, in dem sich das Kind befindet. Der EWSA gibt zu bedenken, dass der Gerichtsort bei einer Kindesentführung in den meisten Fällen der des Entführers sein wird. Der EWSA weist darauf hin, dass die Brüssel-IIa-Verordnung schon jetzt gebührenfreie Beratungseinrichtungen für Eltern vorsieht, die aus einem anderen Land kommen als das des gegenwärtigen Aufenthaltsorts des Kindes.

2.29

Der EWSA befürwortet insgesamt zur Beschleunigung des Rückgabeverfahrens die Annahme gemeinsamer Mindestnormen einschließlich eines einheitlichen Vollstreckungsverfahrens.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Der EWSA sieht Regelungsbedarf hinsichtlich der Fälle, bei denen ein Elternteil nicht aus der Europäischen Union stammt; Migration und globaler Austausch von Waren und Dienstleistungen führen zu einem Ansteigen dieser Fälle. Der EWSA hält den Abschluss von bilateralen Abkommen insbesondere mit den Ländern für notwendig, die dem Haager Kindesentführungsabkommen nicht beigetreten sind.

3.2

Der EWSA sieht Klarstellungsbedarf hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Brüssel-IIa-Verordnung. Dem Entwurf der Kommission ist nichts zu der Frage zu entnehmen, ob neue Formen der Ehe oder der Scheidung von der Verordnung erfasst sind. Was unter Ehe zu verstehen ist, wird nicht definiert, sondern vorausgesetzt. Selbst wenn von einem „nationalen“ Verständnis der Ehe ausgegangen wird, haben die Mitgliedstaaten Artikel 21 der EU-Grundrechtecharta zu beachten, der Diskriminierungen wegen der sexuellen Ausrichtung verbietet. Der EWSA schlägt vor, dass die Beachtung von Artikel 21 in einem der Erwägungsgründe der Verordnung zum Ausdruck kommt.

Brüssel, den 26. Januar 2017

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 87.

(2)  COM(2014) 225 final.

(3)  COM(2016) 411/2, S. 8.