14.4.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 133/17


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion

[COM(2015) 468 final]

(2016/C 133/04)

Berichterstatter:

Daniel MAREELS

Die Europäische Kommission beschloss am 30. September 2015, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion

[COM(2015) 468 final].

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Wirtschafts- und Währungsunion, wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt nahm ihre Stellungnahme am 26. Januar 2016 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 514. Plenartagung am 17./18. Februar 2016 (Sitzung vom 17. Februar) mit 179 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.

Da die Erholung der Volkswirtschaften in Europa nur langsam voranschreitet und auf wackligen Beinen steht und das Investitionsniveau noch immer niedrig ist, kommt es darauf an, vorrangig alle verfügbaren Mittel für eine gesunde und stabile Wiederbelebung der Wirtschaft in einem einheitlicheren Umfeld zu nutzen. Nach Ansicht des EWSA kann eine Kapitalmarktunion dazu beitragen, weshalb er auch den „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ begrüßt.

1.2.

Der EWSA unterstützt die Ziele des Aktionsplans. Es geht darum, Kapital in Europa zu mobilisieren und mit positiven Folgen für die Beschäftigung allen Unternehmen, Infrastrukturvorhaben und langfristigen nachhaltigen Projekten zuzuführen. Anleger und Investoren sollten bei gleichzeitig besserem Schutz mehr Möglichkeiten haben.

1.3.

Eine Erweiterung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen sind wesentliche Elemente für mehr Investitionen und Wachstum sowie für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Diese müssen in einem Kapitalbinnenmarkt erfolgen. Für den EWSA sollte ein Höchstmaß an Harmonisierung und Einheitlichkeit der Vorschriften an erster Stelle stehen. Deshalb ist es erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten die verschiedenen Maßnahmen des Aktionsplans auf die gleiche Art und Weise einführen, anwenden und überwachen.

1.4.

Nach Ansicht des EWSA wird der Erfolg der Kapitalmarktunion davon abhängen, ob es gelingt, die Trümpfe der derzeitigen Konstellation mit möglichst vielen neuen Chancen zu kombinieren. Ein einfacher, angemessener und diversifizierter Finanzierungszugang, eine ausgewogenere Kapitalzuweisung und niedrigere Kapitalkosten müssen dabei Vorrang haben. Es sind Garantien für internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität erforderlich.

1.5.

Bankenfinanzierungen werden weiterhin eine wesentliche Rolle bei der Finanzierung der Wirtschaft spielen. Den Banken kommt nicht nur als Kreditgeber eine bedeutende Rolle zu, sondern auch als Vermittler auf den Kapitalmärkten. Für den EWSA sollten bestimmte neue Märkte, u. a. für notleidende Kredite, näher untersucht werden, da sie zur Zunahme von Krediten, insbesondere an KMU, beitragen können.

1.6.

Die Finanzierung der KMU, vor allem der Kleinst- und Kleinunternehmen, die das Herz der europäischen Wirtschaft bilden und für die Beschäftigung von großer Bedeutung sind, ist dem EWSA ein wichtiges Anliegen. Allerdings hat der EWSA ernsthafte Bedenken im Hinblick auf die Relevanz und Wirksamkeit der Kapitalmarktunion für KMU.

1.6.1.

Für Kleinst- und Kleinunternehmen ist der Zugang zu den Kapitalmärkten in der Regel unrealistisch. Sie sollten die Möglichkeit haben, jene Finanzierungskanäle in Anspruch nehmen zu können, die für sie am besten geeignet sind. Dazu muss für ein möglichst breites Spektrum an Finanzierungsstrukturen und -möglichkeiten und eine möglichst breite Diversifizierung des Finanzierungsumfelds, des „Finanzökosystems“ gesorgt werden.

1.6.2.

Bezüglich der klassischen Finanzierung durch Banken, die weiter zu unterstützen ist, insbesondere mit Blick auf Garantien, sollten deren prägenden einzelstaatlichen Charakteristika zur Kenntnis genommen werden. Bewährte Strukturen sollten durch die Kapitalmarktunion nicht infrage gestellt werden. Bei der Regulierung des Finanzsektors müssen bewährte nationale Besonderheiten künftig besser berücksichtigt werden, um die regionale Kreditvergabe an KMU nicht zu beinträchtigen.

1.6.3.

Zudem müssen alle sinnvollen Alternativen untersucht und nach Möglichkeit weitere Konzepte in der Art des Juncker-Plans entwickelt werden. Auch die Rolle der EIB kann weiter gestärkt werden, wenn es um Instrumente (wie Garantiesysteme usw.) zur Finanzierung der Wirtschaft (1) geht. Die Vorschläge für STS-Verbriefungen (2) sind ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

1.6.4.

Den übrigen KMU muss wie allen Unternehmen ein effizienter Zugang zum Kapitalmarkt ermöglicht werden. Finanzierungen sollten günstiger werden und geringere Kosten verursachen. Das derzeit stark ins Gewicht fallende Informationsdefizit muss beseitigt und der Rahmen sollte KMU-freundlicher gestaltet werden. Dabei kann es sinnvoll sein, die bestehenden „bewährten Praktiken“ als Vorbild zu nehmen.

1.7.

Für den EWSA muss wirtschaftliche und finanzielle Stabilität in der EU zu den Prioritäten der Kapitalmarktunion gehören. Die Erweiterung und Diversifizierung der Finanzierungsquellen innerhalb eines Binnenmarkts wird zu einer gesunden Risikodiversifizierung beitragen, und die europäischen Volkswirtschaften müssen robuster und widerstandsfähiger werden.

1.8.

Ein geeigneter Regulierungs- und Aufsichtsrahmen muss nach Ansicht des EWSA den Stärken der Kapitalmärkte jede Chance auf Entfaltung bieten und die Schwächen, wie etwa das Eingehen übermäßiger und überzogener Risiken, begrenzen. Das neue System muss gegen negative Auswirkungen eventueller weiterer Krisen gewappnet sein. Das setzt ebenfalls mehr Konvergenz und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der mikro- und makroprudenziellen Aufsicht voraus — sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene.

1.9.

Es gilt auch das Schattenbankwesen mit diesem Rahmen zu erfassen und das Risiko von Aufsichtsarbitrage einzuschränken. Zudem ist es wichtig, dass gleiche Bedingungen für alle Anbieter mit vergleichbaren Finanztätigkeiten auf den Märkten herrschen und der Grundsatz „gleiche Risiken, gleiche Regeln“ allgemein Anwendung findet.

1.10.

Die Kapitalmärkte eröffnen auch Kapitalmarktinvestoren neue Möglichkeiten. Der EWSA sieht dies positiv, sofern ein geeigneter, besserer Schutzrahmen vorgesehen wird. Deshalb sind stärkere Vereinfachung, größere Transparenz und bessere Vergleichbarkeit der Finanzinstrumente und -informationen wünschenswert, was im Übrigen auch für die kapitalsuchenden Unternehmen von Vorteil sein kann. Größere Anstrengungen auf dem Gebiet der Vermittlung von Finanzwissen sind ebenfalls angebracht.

1.11.

Mit Blick auf die Umsetzung des Aktionsplans unterstützt der EWSA den gewählten Ansatz eines schrittweisen und von unten nach oben gerichteten Vorgehens, er vertritt aber zugleich die Auffassung, dass unverzüglich weitere Anstrengungen notwendig sind, die die Dynamik und die Unterstützung, die nach dem Grünbuch entstanden ist, nutzen. Der EWSA betont, dass die Schaffung einer Kapitalmarktunion ein umfassendes Projekt ist, bei dem alles von den Einzelheiten und den Garantien abhängen wird. Darüber hinaus ist die Erleichterung des Zugangs zu Krediten sicherlich nicht in allen Mitgliedstaaten ein Problem, und mit einer Erleichterung auf der Angebotsseite lässt sich auf keinen Fall ein Problem auf der Nachfrageseite lösen. Wir müssen uns deshalb davor hüten, die Kapitalmarktunion als Lösung aller Probleme in der EU anzusehen.

1.12.

Es kommt jetzt wirklich darauf an, die Ziele klar vor Augen zu haben und regelmäßig Fortschritte zu erzielen. Der EWSA stellt mit Besorgnis fest, dass es viel Zeit brauchen wird, um das angestrebte Endergebnis zu erzielen, nicht nur wegen der Vielzahl der „Bausteinen“ des Plans, sondern auch, weil die großen nationalen Unterschiede nicht sofort verschwinden werden. Der EWSA unterstützt regelmäßige Zwischenbewertungen, für die er gerne seine Mitwirkung anbietet.

2.   Hintergrund

2.1.

Zur Umsetzung ihrer Hauptprioritäten, nämlich Wachstum, Arbeitsplätze und Investitionen, arbeitete die Kommission Juncker seit ihrem Amtsantritt eine „Investitionsoffensive für Europa“ aus. Letztere umfasst drei Bereiche, darunter die „Schaffung eines investitionsfreundlichen Umfelds“ (3). Die schrittweise Einführung einer Kapitalmarktunion ist, neben einem digitalen Binnenmarkt und einer Energieunion, eines der wichtigsten Ziele dieses dritten Bereichs.

2.1.1.

Nach einer Erörterung des Themas im Rahmen eines „Grünbuchs“, an der sich unter anderem der EWSA umfassend beteiligte (4), legte die Kommission Ende September 2015 ihren „Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion“ (5) vor. In dem Aktionsplan werden die Bausteine für den Aufbau einer gut funktionierenden integrierten Kapitalmarktunion aller Mitgliedstaaten bis zum Jahr 2019 dargelegt.

2.1.2.

Diese 33 Bausteine, die zeitlich gestaffelt bekannt gemacht werden sollen, beziehen sich im Wesentlichen auf die nachfolgenden Bereiche und Themen (6):

Finanzierung für Innovation, Start-ups und nicht börsennotierte Unternehmen;

Erleichterung des Zugangs der Unternehmen zu den öffentlichen Märkten und ihrer Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten;

langfristige Investitionen: Infrastrukturinvestitionen und nachhaltige Investitionen;

Förderung der Anlagetätigkeit von Kleinanlegern und institutionellen Anlegern;

Hebelung der Bankenkapazität zur Unterstützung der Gesamtwirtschaft;

Erleichterung grenzübergreifender Investitionen.

2.1.3.

Laut dem Aktionsplan leisten diese Bausteine jeder für sich genommen einen Beitrag zur Erreichung der festgelegten Ziele, darüber hinaus jedoch werden die kumulativen Auswirkungen bedeutsam sein.

2.2.

Mit der beschriebenen Kapitalmarktunion werden mehrere Ziele verfolgt, wobei es darum geht, Sparleistung und Wachstumsförderung stärker miteinander zu verknüpfen.

2.2.1.

Die Kapitalmarktunion soll die Finanzierungsquellen in Europa auf andere Quellen als Bankenfinanzierung erweitern, indem den Finanzmärkten eine größere Rolle zugeteilt wird. Es geht also um eine Diversifizierung der Finanzierungsquellen der Wirtschaft, indem auch bankfremde Finanzierungen in Anspruch genommen werden. Eine Kapitalmarktunion soll dazu beitragen, Kapital in Europa zu mobilisieren und allen Unternehmen, Infrastrukturvorhaben und langfristigen nachhaltigen Projekten zuzuführen.

2.2.2.

Ziel der Kapitalmarktunion ist es daher, den Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen weiter zu vertiefen. Ihr Ausbau wird zu einer größeren und stärkeren Finanzmarktintegration und einem verstärkten Wettbewerb führen. Die Kapitalmärkte werden von den Größeneffekten des Binnenmarktes profitieren und zugleich liquider und wettbewerbsfähiger werden.

2.2.2.1.

Die Kapitalmarktunion soll zu Wachstum und Finanzstabilität beitragen. Durch die Erleichterung des Zugangs zu Finanzmitteln für Unternehmen werden mit ihrer Hilfe Wachstum sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen unterstützt. Eine Risikodiversifizierung wird eine größere Stabilität des gesamten Systems sicherstellen.

2.2.3.

Bürger und Verbraucher werden daraus ebenfalls einen deutlichen Nutzen ziehen können, unter anderem über zusätzliche Anlage- und Investitionsmöglichkeiten.

3.   Bemerkungen und Kommentare

3.1.

Die Lancierung des Aktionsplans ist zu begrüßen. Es ist nicht nur gut, dass es diesen Aktionsplan schon ein halbes Jahr nach dem Grünbuch gibt, sondern darüber hinaus, dass vorrangig alles darangesetzt wird, um die Wirtschaft durch die Erweiterung und Verbesserung der Möglichkeiten für ihre Finanzierung anzukurbeln und somit neue Impulse zugunsten von Wachstum und menschenwürdigen Arbeitsplätzen zu geben.

3.2.

Der EWSA unterstützt die Ziele des Aktionsplans und die Bereiche, die vorrangig Berücksichtigung finden:

den europäischen Unternehmen und insbesondere KMU mehr Finanzierungsoptionen bieten. Eine Kapitalmarktunion soll das Spektrum von Finanzierungsoptionen für Unternehmen erweitern. Diese Möglichkeiten sollen allen Unternehmern auf allen Stufen der „Finanzierungsleiter“ jederzeit offen stehen;

ein angemessenes ordnungspolitisches Umfeld für langfristige und nachhaltige Investitionen und die Finanzierung der europäischen Infrastruktur sicherstellen;

Investitionen und Wahlmöglichkeiten für private und institutionelle Anleger innerhalb eines geeigneten Rahmens des Anlegerschutzes vermehren;

die Kreditvergabekapazitäten der Banken erhöhen, unter anderem durch eine angemessene Wiederbelebung der Verbriefungsoperationen und -märkte. Dies soll es ihnen ermöglichen, KMU mehr Finanzmittel zur Verfügung zu stellen;

im Lichte der Finanzierung der Realwirtschaft eine umfassende Bewertung der kumulativen Wirkung und Kohärenz der Finanzmarktvorschriften vornehmen, die als Reaktion auf die Finanzkrise verabschiedet wurden;

für alle 28 Mitgliedstaaten grenzübergreifende Hindernisse beseitigen und die Entwicklung von Kapitalmärkten fördern, u. a. durch die Beseitigung einer Reihe bestehender steuerlicher und anderer Hemmnisse.

Es ist nicht nur wichtig, dass die zahlreichen Anstrengungen, die für die Schaffung einer Kapitalmarktunion erforderlich sind, in einem einheitlichen Plan zusammengefasst werden, sondern auch, dass ein klarer Wille zur Diskussion wie auch die Bereitschaft zur Beseitigung der Hindernisse besteht, die der Weiterentwicklung des europäischen Finanzsystems entgegenstehen.

3.3.

Die angestrebte Diversifizierung der Finanzierungsquellen darf nicht auf Kosten des Bankensystems gehen. Banken- und Marktfinanzierung gehen Hand in Hand und sind als komplementär zueinander aufzufassen. Banken nehmen im Übrigen auch eine Rolle als Vermittler auf den Kapitalmärkten ein.

3.3.1.

Eine Priorität des Aktionsplans besteht darin, die Fähigkeit der Banken zur Kreditvergabe an die Wirtschaft zu erhöhen. „Notleidende Kredite“ (7) geben weiterhin Anlass zur Sorge in der EU und blockieren Kapital, das sonst dazu verwendet werden könnte, mehr Kredite zu gewähren. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Kommission Maßnahmen ergreifen sollte, um für freie Kapazitäten in den Bankbilanzen zu sorgen, indem sie die Verbriefung notleidender Kredite fördert und Märkte für „wertgeminderte Vermögenswerte“ schafft. Durch die Entwicklung bzw. Wiederbelebung bereits bestehender tiefer und liquider Märkte für „Bankschulden von Unternehmen in Schwierigkeiten“ könnten die Banken neue Kredite vergeben.

3.4.

Tiefe, liquide und effiziente Kapitalmärkte können allen Wirtschaftsbeteiligten und Akteuren auf solchen Märkten Nutzen bringen.

3.4.1.

Kapitalmärkte können also für die kapitalsuchender Unternehmen einen besseren Zugang zu Finanzmitteln ermöglichen und durch einen verstärkten Wettbewerb zwischen Investoren zu besseren Bedingungen und somit zu geringeren Kapitalkosten führen. Die Finanzierung bleibt auch in schwierigen Zeiten gewährleistet, da sich der Umgang mit unsicheren Verhältnissen und risikoreicheren Vorhaben auf den Kapitalmärkten im Allgemeinen verbessert hat.

3.4.2.

Die Märkte für Staatsanleihen sind im Hinblick auf die Bewertung von verschiedenen Risiken sehr wichtig. Aus diesem Grund erfordert ein Kapitalmarkt die Integration solcher Märkte. Dies dient auch der Konvergenz der Kapitalkosten privater Emittenten. Geeignete Maßnahmen in diesem Bereich sind daher zu begrüßen.

3.4.3.

Die Verwirklichung der Kapitalmarktunion wird nur gelingen, wenn die Bausteine hinreichend solide und glaubwürdig sind. Es kommt darauf an, die Besonderheiten der bestehenden Finanzierungslandschaft zu berücksichtigen und zugleich eine ausreichende Zahl neuer Chancen und Möglichkeiten für die Finanzierung zu schaffen. Das Ergebnis sollte zudem die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität sicherstellen.

3.4.4.

Insbesondere im Hinblick auf KMU ist noch Einiges zu tun. So stellt sich die Frage, wie ihnen die Finanzmittel zugeführt werden. Es wird für KMU nicht leicht sein, Zugang zu den Kapitalmärkten und zu den Finanzierungsmöglichkeiten und -instrumenten zu erhalten und diese zu nutzen. Oft sehen sie sich mit einem „Informationsdefizit“ konfrontiert, was die Dinge für sie nicht gerade einfacher macht (8). Demnach wird es darauf ankommen, den neuen Rahmen auf seine KMU-Freundlichkeit zu prüfen.

3.4.5.

Unternehmen und KMU, insbesondere Kleinstunternehmen, die keinen Zugang zum Kapitalmarkt haben, müssen zu jedem Zeitpunkt ihres Bestehens jene Finanzierungskanäle in Anspruch nehmen können, die für sie am besten geeignet sind. Für Kleinst- und Kleinunternehmen kommt es deshalb darauf an, eine möglichst breite Diversifizierung des Finanzökosystems zu erreichen, sodass ihnen ein möglichst breites Spektrum an Finanzierungsstrukturen und -möglichkeiten zur Verfügung steht, darunter auch Leasing. Sämtliche Alternativen müssen geprüft werden. Lösungen müssen nicht nur in der Banken- oder Marktfinanzierung gesucht werden, sondern auch in anderen Bereichen. Der Juncker-Plan hat bereits den richtigen Anstoß dazu gegeben. Darüber hinaus könnte auch eine aktivere Rolle der EIB auf diesem Gebiet (direkt oder indirekt, z. B. Garantieregelungen) angestrebt werden.

3.4.6.

Für die Anleger und Investoren werden zusätzliche Investitionsmöglichkeiten eröffnet. Die Ausweitung des Angebots an Finanzprodukten wird es ihnen ermöglichen, ihre Aufmerksamkeit stärker auf ihre Investitionsziele zu richten, auf eine Diversifizierung des Risikos und dessen Steuerung zu achten sowie ihr Risiko- und Renditeprofil zu verbessern.

3.4.7.

Anleger und Investoren haben Recht auf einen angemessenen Schutz. Dazu sind ein geeigneter Schutzrahmen sowie eine Reihe weiterer Anstrengungen wie die Vermittlung von Finanzwissen und mehr und bessere Informationen erforderlich. Grundsätzlich kann an stärkerer Vereinfachung, größerer Transparenz und besserer Vergleichbarkeit der Finanzinstrumente auf den Märkten gearbeitet werden, was im Übrigen auch für all diejenigen von Vorteil sein kann, die auf der Suche nach Finanzmitteln sind.

3.5.

Um tatsächlich zu einem einheitlichen Markt zu gelangen, sind nicht nur die bestehenden grenzübergreifenden Hindernisse und die derzeitige Zersplitterung zu beseitigen, sondern auch neue Hindernisse zu vermeiden. Der Ausschuss vertritt die Auffassung, dass ein Höchstmaß an Harmonisierung und Einheitlichkeit der Vorschriften an erster Stelle stehen sollte, wobei der Wahl der verwendeten Instrumente besondere Aufmerksamkeit gelten muss. Deshalb ist es erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten die verschiedenen Maßnahmen des Aktionsplans auf die gleiche Art und Weise einführen, anwenden und überwachen.

3.6.

Eine Kapitalmarktunion soll die europäischen Volkswirtschaften robuster und widerstandsfähiger machen. Dabei geht es um die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität der EU. Aus diesem Grund ist ein angemessener Rechtsrahmen erforderlich. Darin müssen sich die Stärken der Kapitalmarktunion, wie eine gesunde Risikoteilung und -streuung, angemessen entfalten können und sind die Schwächen unter strikter Kontrolle zu halten. Die Widerstandsfähigkeit des gesamten Finanzsystems gegenüber eventuellen neuen Krisen muss verbessert werden. Gegebenenfalls müssen die Folgen solcher Krisen schneller und gezielter bewältigt werden.

3.7.

Sowohl aufgrund möglicher Risiken als auch im Hinblick auf die wirtschaftliche und finanzielle Stabilität sollte zudem eine nationale und eine EU-weite angemessene mikro- und makroprudenzielle Aufsicht über die relevanten Segmente der Kapitalmärkte vorgesehen werden. Die neuen Finanzierungskanäle müssen dem Grundsatz „gleiche Risiken, gleiche Regeln“ entsprechen.

3.8.

Das sogenannte Schattenbankwesen muss angegangen werden. Der EWSA hat bereits früher die Aufnahme dieses Systems in die Rechtsvorschriften (9) empfohlen und erklärt, dass das Risiko von Aufsichtsarbitrage (10) vermieden werden muss. Nach Ansicht des EWSA sollte es keine Geschäftstätigkeiten „im Schatten“ geben: Für das Schattenbanksystem müssen die gleichen Regulierungs- und Aufsichtsanforderungen gelten wie für das gesamte Finanzsystem (11). Gleichzeitig muss dem EWSA zufolge anerkannt werden, dass das Schattenbankwesen auch ein zusätzlicher alternativer Finanzierungskanal ist, der für die Realwirtschaft zweckmäßig sein kann (12).

3.9.

Für die Umsetzung des Aktionsplans ist der gewählte Ansatz eines schrittweisen und von unten nach oben gerichteten Vorgehens zu begrüßen, da er es zulässt, sich auf sinnvolle Weise auf die Beiträge der Marktteilnehmer zu stützen, Prioritäten zu setzen und kurz- und langfristige Initiativen und Maßnahmen miteinander zu kombinieren.

3.10.

Es ist nun sehr wichtig, weiter auf der Dynamik und der breiten Unterstützung aufzubauen, die einer Kapitalmarktunion bei der öffentlichen Konsultation mithilfe des Grünbuchs entgegengebracht wurde, und schnell zu konkreten Ergebnissen zu gelangen.

3.11.

In der nächsten Zeit wird es jedoch wirklich darauf ankommen, die Ziele klar vor Augen zu haben und regelmäßig Fortschritte zu erzielen. Es ist wichtig, dass in allen Bereichen, auf die sich der Aktionsplan bezieht, konkrete und positive Ergebnisse erzielt werden. In diesem Zusammenhang wird die Absicht der Kommission begrüßt, regelmäßig über die Fortschritte beim Aktionsplan Bericht zu erstatten und 2017 eine umfassende Bewertung vorzunehmen, da zusätzliche Maßnahmen und Anpassungen des Zeitplans möglicherweise notwendig sein werden.

3.12.

Fraglich ist, ob der angestrebte Zeitpunkt der Verwirklichung der Kapitalmarktunion bis zum Jahr 2019 realistisch und machbar ist. Es bleibt noch sehr viel zu tun, und es bestehen Befürchtungen, dass die derzeit großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sich auch nicht so einfach beseitigen lassen bzw. verschwinden werden. Die verschiedenen Elemente des Aktionsplans können lediglich eine gute Grundlage schaffen, aber es ist der Markt selbst, der für den Erfolg oder Misserfolg der Kapitalmarktunion entscheidend sein wird.

Brüssel, den 17. Februar 2016

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Georges DASSIS


(1)  Vgl. in diesem Zusammenhang auch die Arbeiten des EWSA zum Thema „EU industry and monetary policy — The role of the EIB“; siehe http://www.eesc.europa.eu/?i=portal.en.events-and-activities-industry-monetary-policy-eib.

(2)  Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung gemeinsamer Vorschriften über die Verbriefung, zur Schaffung eines Rahmens für eine einfache, transparente und standardisierte Verbriefung und zur Änderung der Richtlinien 2009/65/EG, 2009/138/EG und 2011/61/EU und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 648/2012 und der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (ABl. C 82 vom 3.3.2016, S. 1).

(3)  Siehe die Internetseite der Europäischen Kommission http://ec.europa.eu/priorities/jobs-growth-investment/plan/index_de.htm.

(4)  Siehe die EWSA-Stellungnahme zum Thema „Grünbuch — Schaffung einer Kapitalmarktunion“ (ABl. C 383 vom 17.11.2015, S. 64).

(5)  Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Aktionsplan zur Schaffung einer Kapitalmarktunion (COM(2015) 468 final). Siehe http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1447000363413&uri=CELEX:52015DC0468.

(6)  Für ausführlichere Informationen siehe Anhang 1 des Aktionsplans zur Schaffung einer Kapitalmarktunion.

(7)  „Non performing loans“ oder NPL auf Englisch.

(8)  Siehe den Informationsbericht des EWSA zum Thema „Zugang zu Finanzierung für KMU und Unternehmen mit mittlerer Kapitalausstattung im Zeitraum 2014-2020: Chancen und Herausforderungen“, EESC-2014-06006-00-01-RI-TRA vom 1. Juli 2015.

(9)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Nach der Krise: ein neues Finanzsystem innerhalb des Binnenmarktes“ (ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 38). Ziffer 2.7.2.1.

(10)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Grünbuch Schattenbankwesen“ (ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 39). Ziffer 1.4.

(11)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Grünbuch Schattenbankwesen“ (ABl. C 11 vom 15.1.2013, S. 39). Ziffer 1.5.

(12)  Siehe die Stellungnahme des EWSA zum Thema „Schattenbankwesen — Eindämmung neuer Risikoquellen im Finanzsektor“, (ABl. C 170 vom 5.6.2014, S. 55). Ziffer 1.10.