14.6.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 183/22


Schlussfolgerungen des Rates vom 20. Mai 2014 zu wirksamer Lehrerausbildung (1)

2014/C 183/05

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

UNTER HINWEIS AUF DEN POLITISCHEN HINTERGRUND, WIE ER IM ANHANG DIESER SCHLUSSFOLGERUNGEN DARGELEGT IST —

VERTRITT FOLGENDE AUFFASSUNG:

1.

Ein hochwertiger Unterricht wird weithin als einer der Schlüsselfaktoren für das Erreichen erfolgreicher Lernergebnisse angesehen, da hiermit die Kenntnisse, Fertigkeiten, Einstellungen und Werte entwickelt werden, die die Lernenden benötigen, um ihr volles Potenzial sowohl als Individuen als auch als aktive Mitglieder der Gesellschaft und der erwerbstätigen Bevölkerung zu entfalten.

2.

In einer sich schnell wandelnden Welt erfährt auch die Rolle der Lehrer eine Änderung — genauso wie die in sie gesetzten Erwartungen; sie sehen sich mit neuen Anforderungen in Bezug auf ihre Fertigkeiten, einer raschen technologischen Entwicklung und einer zunehmenden sozialen und kulturellen Vielfalt konfrontiert, und sie müssen für einen individuelleren Unterricht sorgen und besonderen Lernbedürfnissen gerecht werden.

3.

Den Lehrerausbildern kommt eine zentrale Rolle bei der Erhaltung — und Verbesserung — der Qualität der Lehrkräfte zu. Eine hochwertige Erstausbildung für Lehrer, die Unterstützung beim Einstieg in die Berufslaufbahn (Einarbeitung) und berufliche Fortbildungsangebote sind wichtige Faktoren, wenn es darum geht sicherzustellen, dass geeignete Kandidaten für den Lehrerberuf angeworben werden und dass Lehrer die einschlägigen Kompetenzen besitzen und erhalten, die sie für eine erfolgreiche Tätigkeit im heutigen Schulwesen benötigen.

4.

Die Verbesserung von Lehrerausbildungsprogrammen und Einstellungsverfahren erfordert die vorherige Ermittlung der beruflichen Kompetenzen, die Lehrer in den verschiedenen Phasen ihrer Berufslaufbahn benötigen. Zur Steigerung der Qualitätsstandards können berufliche Kompetenz-Referenzrahmen verwendet werden, indem die Kenntnisse, Fertigkeiten und Einstellungen festgelegt werden, die Lehrer — auch im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung und in der Erwachsenenbildung — besitzen oder erwerben sollten. Diese Referenzrahmen können auch den Lehrerausbildern zugutekommen, die Lehrer auf ihre Aufgaben vorbereiten;

ERKENNT FOLGENDES AN:

1.

Es kommt nicht selten vor, dass neu ausgebildete Lehrer sich vorzeitig von ihrem Beruf abwenden; dieses Phänomen kann sowohl für die betroffenen Einzelpersonen als auch für die Systeme erheblichen Schaden anrichten. Hierbei können Erstausbildungsprogramme für Lehrer Abhilfe schaffen, die die Lehrer von Anfang an angemessen auf ihren Beruf vorbereiten, zusammen mit Einführungsmaßnahmen, Mentoring-Angeboten und mehr Augenmerk auf dem persönlichen und beruflichen Wohlbefinden der Lehrer.

2.

Die Lehrerausbildung sollte als integraler Bestandteil des weiter gefassten politischen Ziels, die Attraktivität und Qualität des Lehrerberufs zu erhöhen, verstanden werden. Dies erfordert angemessene Auswahl-, Einstellungs- und Bindungsmaßnahmen, eine wirksame Erstausbildung der Lehrer, eine Unterstützung beim Einstieg in die Berufslaufbahn, eine die Laufbahn begleitende berufliche Weiterbildung und Weiterentwicklung, pädagogische Rückmeldungen sowie Anreize für Lehrer.

3.

Lehrerausbildungsprogramme sollten — unabhängig davon, ob sie sich an angehende Lehrer vor dem Beginn ihrer Laufbahn oder an im Beruf stehende Lehrer im Kontext ihrer beruflichen Fortbildung richten — flexibel genug sein, um sich an einen Wandel der Lehr- und Lernmethoden anzupassen. Sie sollten sich auf die Erfahrungen der Lehrer stützen und darauf abstellen, disziplinübergreifende und kooperative Ansätze zu fördern, sodass Bildungseinrichtungen und Lehrer es als Teil ihrer Aufgabe betrachten, mit den einschlägigen Interessenträgern wie Kollegen, Eltern und Arbeitgebern zusammenzuarbeiten.

4.

Die rasche Ausbreitung digitaler Lernmittel und freier Lehr- und Lernmaterialien führt ferner dazu, dass Lehrer sich ausreichende entsprechende Kenntnisse aneignen müssen, um in der Lage zu sein, die einschlägigen digitalen Kompetenzen zu entwickeln und sie in ihrer Lerntätigkeit wirksam und angemessen einzusetzen. Diese neuen Mittel können auch dazu beitragen, einen gleichberechtigten Zugang zu hochwertiger Bildung für alle zu gewährleisten;

IST SICH IN FOLGENDEM EINIG:

1.

Die Lehrererstausbildung sollte angehende Lehrer mit den Kernkompetenzen ausstatten, die sie für einen hochwertigen Unterricht benötigen, und sie dazu motivieren, während ihres gesamten Berufslebens Kompetenzen zu erwerben und sie auf dem neuesten Stand zu halten. Dies sollte nicht nur Fachwissen und pädagogische Kompetenzen — verstärkt durch in die Ausbildung integrierte praktische Lehrerfahrung — umfassen, sondern es sollte auch zu Selbstreflexion und kooperativem Arbeiten, Anpassung an multikulturelle Klassen und Anerkennung von Führungsrollen angeregt werden; dabei sind jeweils die nationalen Gegebenheiten umfassend zu berücksichtigen.

2.

Besondere Themen, denen in den Lehrerausbildungsprogrammen größere Aufmerksamkeit geschenkt werden sollte, sind u. a. wirksame Methoden zur Unterstützung der Lernenden beim Erwerb bereichsübergreifender Kompetenzen wie digitale Kompetenzen, Lernkompetenz, Unternehmergeist und kreatives und kritisches Denken sowie beim Ausbau der Sprachenkompetenz. Zusätzlich sollte das Augenmerk auf wirksame Wege zur Unterstützung unterschiedlicher Gruppen von Lernenden gelegt werden, einschließlich der Lernenden mit besonderen Bedürfnissen und/oder Lernenden aus benachteiligten Verhältnissen.

3.

Die Erstausbildung der Lehrer könnte von Qualitätssicherungsmechanismen und regelmäßigen Überprüfungen profitieren, wobei der Schwerpunkt auf der Erzielung der erforderlichen Lernergebnisse, der Qualität und angemessenen Dauer der praktischen Erfahrung und auf der Sicherstellung der Relevanz der Lerninhalte gelegt werden sollte.

4.

Hochschulbildungseinrichtungen, die Erstausbildungen für Lehrer anbieten, könnten zu Ausbildungsschaltstellen sowohl für Lehrer als auch für Lehrerausbilder ausgebaut werden und verstärkt Forschung im Hinblick auf Kompetenzentwicklung von Lehrern und wirksame Lehr- und Lernmethoden betreiben.

5.

Dialog und Partnerschaften zwischen Anbietern von Lehrerausbildung und Bildungseinrichtungen sowie mit Vertretern des Arbeitsmarkts und der Gemeinschaft können nützliche Einsichten und Ideen für die Gestaltung und Umsetzung von Lehrerausbildungsprogrammen vermitteln. Solche Partnerschaften können auch dazu beitragen, einen stärker koordinierten Ansatz für Qualifikationen, Kompetenzstandards und das entsprechende Ausbildungsangebot zu fördern, insbesondere in den Bereichen der beruflichen Bildung und der Erwachsenenbildung.

6.

Sowohl die Erstausbildung der Lehrer als auch die berufliche Fortbildung der Lehrer sollte sich auf solide pädagogische Forschung stützen und Lernmethoden für Erwachsene in Form von praxisbezogenen Arbeitsgemeinschaften sowie Online-Lernen und Lernen unter Kollegen anwenden. Dabei sollte sichergestellt werden, dass Lehrer regelmäßig die Möglichkeit haben, ihr Fachwissen zu aktualisieren sowie Unterstützung und Schulung in wirksamen und innovativen Lehrmethoden, einschließlich jenen, die sich auf neue Technologien stützen, zu erhalten;

ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN, UNTER GEBÜHRENDER BEACHTUNG DER SUBSIDIARITÄT UND DER INSTITUTIONELLEN AUTONOMIE UND ENTSPRECHEND DEN NATIONALEN GEGEBENHEITEN:

1.

dafür Sorge zu tragen, dass Erstausbildungsprogramme für Lehrer angehenden Lehrern die Möglichkeit bieten, alle einschlägigen Kompetenzen zu erwerben, die sie für einen erfolgreichen Start in ihre berufliche Laufbahn benötigen;

2.

die Entwicklung umfassender beruflicher Kompetenz-Referenzrahmen für Lehrer (2) zu fördern, mit denen die in den verschiedenen Phasen ihrer Laufbahn oder in unterschiedlichen Unterrichtssituationen geforderten Kompetenzen und Fähigkeiten festgelegt werden. Diese Referenzrahmen sollten ausreichend flexibel sein, um den sich wandelnden Anforderungen gerecht zu werden, und sie sollten in Zusammenarbeit mit den einschlägigen Interessenträgern erörtert werden;

3.

gleichermaßen die Errichtung beruflicher Kompetenz-Referenzrahmen für Lehrerausbilder anzuregen, in denen die erforderlichen Kompetenzen dargelegt sind, und gleichzeitig die Zusammenarbeit und den Austausch unter Fachkollegen auszubauen und Bereiche wie schulgestütztes Mentoring neuer Lehrer zu entwickeln;

4.

das Potenzial von verstärkter Zusammenarbeit, Partnerschaften und Vernetzung mit einer breiten Palette von Interessenträgern bei der Gestaltung der Lehrerausbildungsprogramme weiter zu erforschen;

5.

wirksames digitales Lehren und Lernen zu fördern, indem anhand aktualisierter Lehrerausbildungsprogramme und eines verbesserten Zugangs zu bzw. der Nutzung von hochwertigen freien Lern- und Lehrmaterialien sichergestellt wird, dass Lehrerausbilder und Lehrer selbst digitale Kompetenzen in ausreichendem Maße erwerben und dass sie lernen, wie sie Lernenden dabei helfen können, digitale Ressourcen umsichtig und sicher zu nutzen und besser mit individuellen Lernprozessen umzugehen;

6.

die Finanzierungsmöglichkeiten der EU-Instrumente wie des Programms „Erasmus+“ und gegebenenfalls des Europäischen Sozialfonds zu nutzen, um

i)

die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Qualität der Erstausbildung von Lehrern und der beruflichen Fortbildung von Lehrern zu unterstützen; und

ii)

die Mobilität von angehenden Lehrern, Lehrkräften und Lehrerausbildern zu fördern und strategische Partnerschaften, die Erprobung von Maßnahmen und vorausschauende Projekte zur Lehrerausbildung, insbesondere mit Blick auf die Prüfung neuer Methoden und die Umsetzung von Kompetenz-Referenzrahmen, anzuregen;

ERSUCHT DIE MITGLIEDSTAATEN UND DIE KOMMISSION:

1.

die ET-2020-Strukturen im Rahmen der offenen Koordinierungsmethode bestmöglich zu nutzen, um eine faktengestützte Politikgestaltung zu festigen und erfolgreiche politische Praktiken zu folgenden Themen zu entwickeln und zu verbreiten:

wirksame Lehrerausbildungsprogramme mit einem Schwerpunkt auf der Erstausbildung von Lehrern und den Möglichkeiten, wie kooperative Lehransätze vermittelt werden sollten;

berufliche Entwicklung von firmeninternen Ausbildern der Berufsbildung, da diese eine Schlüsselrolle bei der Vermittlung von hochwertigen Ausbildungen und anderen Formen des Lernens am Arbeitsplatz spielen;

stärkere Relevanz der Lehrpläne für die Lehrerausbildung und der beruflichen Fähigkeiten von Lehrern und Ausbildern, gegebenenfalls durch eine engere Zusammenarbeit mit Arbeitgebern, einschließlich Unternehmen;

2.

die Ergebnisse einschlägiger Studien und Erhebungen — wie TALIS (3) — zu prüfen, um die politischen Auswirkungen der Ansichten und Meinungen der Lehrer und Schulleiter zum Thema Lehrerausbildung zu berücksichtigen;

3.

durch Forschung Beispiele der effizientesten Methoden und Verfahren für Lehrer zu ermitteln, damit sie Lernende bei ihrer wirksamen Lerngestaltung im heutigen mehrdimensionalen Lernumfeld unterstützen können;

ERSUCHT DIE KOMMISSION:

1.

Gemeinschaften von — insbesondere angehenden und kürzlich eingestellten — Lehrern zu bilden, indem im Hinblick auf den weiteren Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Kollegen im Bereich der Lehrmethoden in der gesamten EU die bestehenden europäischen Plattformen für Lehrer, wie eTwinning, genutzt werden;

2.

die Zusammenarbeit mit Partnern, Netzen und Organisationen zu unterstützen, die über Erfahrungen und Know-how im Bereich der Gestaltung effektiver Lehrerausbildungsprogramme, insbesondere in Bezug auf Erstausbildungsprogramme, verfügen.


(1)  Für die Zwecke dieses Textes bezieht sich der Begriff „Lehrer“ auf Lehrer in Schulen, Berufsschullehrer sowie Lehrer in der Erwachsenenbildung.

Der Begriff „Lehrerausbilder“ wird verwendet für alle, die aktiv zum formalen Lernen von Studierenden in der Lehrerausbildung und Lehrern beitragen, sei es auf Ebene der Erstausbildung von Lehrern oder im Bereich der beruflichen Fortbildung.

(2)  Aufbauend auf dem Bericht der früheren themenbezogenen Arbeitsgruppe zur beruflichen Fortbildung von Lehrern vom Juli 2013 („Supporting teacher competence development for better learning outcomes“).

(3)  Internationale Studie der OECD über Lehren und Lernen („Teaching and Learning International Survey“).


ANLAGE

Politischer Hintergrund

1.

Artikel 165 und 166 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union.

2.

Empfehlung des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 über Schlüsselkompetenzen für lebensbegleitendes Lernen (1).

3.

Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten vom 15. November 2007 zur Verbesserung der Qualität der Lehrerausbildung (2).

4.

Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung für den Zeitraum bis 2020 („ET 2020“).

5.

Schlussfolgerungen des Rates vom 26. November 2009 zur beruflichen Entwicklung von Lehrkräften und Schulleitern/-leiterinnen (3).

6.

Kommuniqué von Brügge vom 7. Dezember 2010 und Schlussfolgerungen des Rates und der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten zu den Prioritäten einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit bei der beruflichen Bildung im Zeitraum 2011-2020 (4).

7.

Entschließung des Rates vom 28. November 2011 über eine erneuerte europäische Agenda für die Erwachsenenbildung (5).

8.

Schlussfolgerungen des Rates vom 26. November 2012 zur allgemeinen und beruflichen Bildung in Europa 2020 — der Beitrag der allgemeinen und beruflichen Bildung zu wirtschaftlichem Aufschwung, Wachstum und Beschäftigung (6).

9.

Schlussfolgerungen des Rates vom 15. Februar 2013 zu Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung — eine Antwort auf die Mitteilung „Neue Denkansätze für die Bildung: bessere sozioökonomische Ergebnisse durch Investitionen in Qualifikationen“ und den Jahreswachstumsbericht 2013 (7).

10.

Schlussfolgerungen des Rates vom 25. November 2013 zu wirklicher Führungsqualität im Bildungswesen (8).

11.

Verordnung (EU) Nr. 1288/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Einrichtung von „Erasmus+“, dem Programm der Union für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport (9).

12.

Schlussfolgerungen des Rates vom 24. Februar 2014„Mit einer effizienten und innovativen allgemeinen und beruflichen Bildung in Qualifikationen investieren — ein Beitrag zum Europäischen Semester 2014“ (10).

Sonstiger Hintergrund

1.

Mitteilung der Kommission vom 20. November 2012„Neue Denkansätze für die Bildung: bessere sozioökonomische Ergebnisse durch Investitionen in Qualifikationen“.

2.

Eurydice-Bericht 2013 „Key Data on Teachers and School Leaders in Europe“ (Wichtige Daten zu Lehrern und Schulleitern in Europa).


(1)  ABl. L 394 vom 30.12.2006, S. 10.

(2)  ABl. C 300 vom 12.12.2007, S. 6.

(3)  ABl. C 302 vom 12.12.2009, S. 6.

(4)  ABl. C 324 vom 1.12.2010, S. 5.

(5)  ABl. C 372 vom 20.12.2011, S. 1.

(6)  ABl. C 393 vom 19.12.2012, S. 5.

(7)  ABl. C 64 vom 5.3.2013, S. 5.

(8)  ABl. C 30 vom 1.2.2014, S. 2.

(9)  ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 50.

(10)  ABl. C 62 vom 4.3.2014, S. 4.