MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT Leitlinien zur Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung /* COM/2014/0210 final */
1. Einleitung In ihrem im Oktober 2008 angenommenen Bericht
über die Anwendung der Richtlinie[1]
gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die Richtlinie in Bezug auf einige
bereichsübergreifende Aspekte nicht ordnungsgemäß oder falsch umgesetzt wurde und
dass sie nur begrenzte Auswirkungen auf die Angleichung der Rechtsvorschriften
im Bereich der Familienzusammenführung hatte. Im Jahr 2011 veröffentlichte die Kommission
ein Grünbuch zum Recht auf Familienzusammenführung[2].
Ziel war es, Stellungnahmen zu der Frage einzuholen, wie die Vorschriften auf
EU-Ebene effektiver gestaltet werden können, und Informationen im Zusammenhang
mit der Anwendung der Richtlinie zu sammeln. Die Kommission erhielt 120
Antworten von internationalen Organisationen, Sozialpartnern, NRO und
Einzelpersonen aus 24 Mitgliedstaaten[3].
Am 31. Mai und 1. Juni 2012 veranstaltete die Kommission eine öffentliche
Anhörung im Rahmen des Europäischen Integrationsforums[4],
bei der ein Konsens dahingehend erzielt wurde, dass die Richtlinie nicht
überarbeitet werden sollte, sondern dass die Kommission
die vollständige Umsetzung der
bestehenden Rechtsvorschriften gewährleisten,
gegebenenfalls
Vertragsverletzungsverfahren einleiten und
zu den problematischen Aspekten
Leitlinien erstellen sollte.
Deshalb enthält diese Mitteilung Leitlinien
für die Mitgliedstaaten zur Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG. Diese
Leitlinien spiegeln die gegenwärtigen Positionen der Kommission wider. Sie
berühren weder die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union
(EuGH) noch deren weitere Entwicklung. Da sich Positionen ändern können, ist
diese Mitteilung als ein sich weiter entwickelndes Dokument und als offener
Prozess zu betrachten. Die Richtlinie erkennt das Recht auf
Familienzusammenführung an und legt die Bedingungen für die Ausübung dieses
Rechts fest. Der EuGH hat einerseits bestätigt, dass
Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie „ ... den Mitgliedstaaten präzise positive
Verpflichtungen auf[gibt], denen klar definierte subjektive Rechte entsprechen,
da er den Mitgliedstaaten in den in der Richtlinie festgelegten Fällen
vorschreibt, den Nachzug bestimmter Mitglieder der Familie des
Zusammenführenden zu genehmigen, ohne dass sie dabei ihren Ermessensspielraum
ausüben könnten“[5]. Andererseits wird den Mitgliedstaaten ein
gewisser Ermessensspielraum zugestanden. Sie können die Ausweitung des Rechts
auf Familienzusammenführung auf andere Familienangehörige als den Ehegatten und
die minderjährigen Kinder beschließen. Die Mitgliedstaaten können die Ausübung
des Rechts auf Familienzusammenführung von der Erfüllung bestimmter
Anforderungen abhängig machen, wenn die Richtlinie dies zulässt. Sie behalten
einen gewissen Ermessensspielraum, um zu überprüfen, ob die in der Richtlinie
festgelegten Anforderungen erfüllt werden und um die konkurrierenden Interessen
des Einzelnen und der Gemeinschaft als Ganzes[6] in jeder
Situation abzuwägen. Da die Genehmigung der Familienzusammenführung
die Regel ist, müssen Ausnahmeregelungen eng ausgelegt werden. Der den
Mitgliedstaaten zuerkannte Ermessensspielraum darf nicht in einer Weise
verwendet werden, die das Ziel der Richtlinie, d. h. die Förderung der
Familienzusammenführung und die Wirksamkeit der Richtlinie, aushöhlen würde[7].
Gleichzeitig gilt das Recht auf Familienzusammenführung nicht unbegrenzt. Die
Begünstigten sind gemäß der Richtlinie verpflichtet, die Gesetze ihres
Aufnahmelands zu befolgen. Im Fall von Missbrauch und Betrug sieht die
Richtlinie vor, dass die Mitgliedstaaten im Interesse der Gemeinschaft und der
aufrechten Antragsteller entschlossen handeln. Außerdem ist die Richtlinie im Einklang mit
den Grundrechten auszulegen und anzuwenden. Dies gilt insbesondere für das
Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens[8], das
Diskriminierungsverbot, die Rechte des Kindes und das Recht auf einen wirksamen
Rechtsbehelf, die in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und in
der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Charta) verankert sind. 2. Anwendungsbereich
der Richtlinie Die Richtlinie findet ausschließlich auf
Zusammenführende aus Drittstaaten[9]
Anwendung, d. h. auf jede Person, die nicht Bürger der Union im Sinne von
Artikel 20 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der EU ist,
sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält und einen Antrag auf Familienzusammenführung
stellt („der Zusammenführende“) (oder deren Familienangehörige einen Antrag auf
Familienzusammenführung stellen) und auf deren Familienangehörige aus
Drittstaaten, die dem Zusammenführenden nachziehen, um die Familiengemeinschaft
aufrechtzuerhalten, unabhängig davon, ob die familiären Bindungen vor oder nach
der Einreise des Zusammenführenden entstanden sind[10]. 2.1. Der
Zusammenführende Gemäß Artikel 3 Absatz 1 kann der
Zusammenführende einen Antrag auf Familienzusammenführung stellen, wenn er im
Besitz eines mindestens ein Jahr gültigen Aufenthaltstitels ist und begründete
Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen. Unter
"Aufenthaltstitel" ist jede von den Behörden eines Mitgliedstaats
ausgestellte Genehmigung zu verstehen, die einen Drittstaatsangehörigen zum
rechtmäßigen Aufenthalt im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats berechtigt, mit
Ausnahme von:
Visa;
Titeln, die für die Dauer der
Prüfung eines Antrags auf Gewährung von Asyl, auf Erteilung eines
Aufenthaltstitels oder auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels
ausgestellt worden sind;
Titeln, die in außergewöhnlichen
Fällen zum Zwecke der Verlängerung der erlaubten Aufenthaltsdauer um
höchstens einen Monat erteilt werden;
Genehmigungen für einen
Aufenthalt von nicht mehr als sechs Monaten, die von den Mitgliedstaaten
ausgestellt werden, die Artikel 21 des Übereinkommens zur Durchführung des
Übereinkommens von Schengen nicht anwenden[11].
Die Mitgliedstaaten sollten bei der Prüfung,
ob der Antragsteller die Bedingung, dass er „begründete Aussicht“ darauf haben
muss, „ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht zu erlangen“, erfüllt, die jeweiligen
Umstände (z. B. Art und Zweck des Aufenthaltstitels[12],
Verwaltungspraxis und andere relevante Faktoren im Zusammenhang mit der
Situation des Zusammenführenden) berücksichtigen. Bei der Prüfung der Frage, ob
der Antragsteller „begründete Aussicht“ darauf hat, „ein dauerhaftes
Aufenthaltsrecht zu erlangen“, räumt die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen
großen Ermessensspielraum ein. Die Prüfung, ob „begründete Aussicht“ besteht,
umfasst auch eine Prognose in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit, dass der
Zusammenführende die Kriterien für den langfristigen Aufenthalt unter
Berücksichtigung der gängigen Verwaltungspraxis sowie der Umstände des Falles
erfüllen wird. Daher müssen die Mitgliedstaaten in jedem Einzelfall prüfen, ob
der Aufenthaltstitel unter normalen Bedingungen nach innerstaatlichem Recht
über die für einen ständigen Aufenthalt erforderliche Frist hinaus verlängert
werden kann. „Begründete Aussicht“ bedeutet nicht, dass alle Bedingungen für
den Erhalt des Daueraufenthaltsrechts bereits zum Zeitpunkt der Prüfung erfüllt
sein müssen, sondern dass die Prognose gestellt wird, dass sie wahrscheinlich
erfüllt sein werden. Da Art und Zweck der Aufenthaltstitel zwischen den
Mitgliedstaaten erheblich voneinander abweichen, ist es Aufgabe der
Mitgliedstaaten, festzulegen, bei welcher Art von Aufenthaltstiteln die
Bedingung der „begründeten Aussicht“ erfüllt ist. X, eine IT-Fachfrau mit umfangreicher Berufserfahrung, hat einen
Aufenthaltstitel zum Zwecke der Erwerbstätigkeit mit einer Gültigkeitsdauer von
einem Jahr. Solange X die mit diesem Aufenthaltstitel verbundenen Bedingungen
erfüllt, kann dieser auf unbegrenzte Zeit verlängert werden. Nach fünf Jahren
erhält X das dauerhafte Aufenthaltsrecht. X möchte, dass ihr Ehegatte nachzieht. Wenn alles gut läuft, wird X
weiterhin in der Modebranche tätig sein, so dass davon ausgegangen werden kann,
dass die Voraussetzungen für diese Art des Aufenthaltstitels weiterhin erfüllt
sein werden und X ihren Aufenthaltstitel gemäß der Verwaltungspraxis und den
nationalen Rechtsvorschriften in dem betreffenden Mitgliedstaat unbegrenzt
verlängern lassen kann. X hat daher begründete Aussicht, das dauerhafte Aufenthaltsrecht
zu erhalten. Damit ist die Richtlinie in ihrem Fall anwendbar. Demgegenüber kann bei Inhabern eines an einen
bestimmten Zweck gebundenen, nicht verlängerbaren Aufenthaltstitels mit
befristeter Gültigkeit nicht grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass sie
begründete Aussicht auf die Erlangung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts
haben. Daher sind sie vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgeschlossen. Wenn
an einen bestimmten Zweck gebundene oder weniger als ein Jahr gültige
Aufenthaltstitel ausschließlich mit der Absicht, die Anwendbarkeit der
Bedingung der begründeten Aussicht gemäß Artikel 3 Absatz 1 zu umgehen,
immer wieder verlängert werden, würde dies die Zielsetzung und die Wirksamkeit
der Richtlinie aushöhlen[13].
Ein Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von weniger als einem Jahr ist
nicht ausreichend. Dies schließt Formen des vorübergehenden Aufenthalts wie den
Aufenthalt von vorübergehend oder saisonal Beschäftigten aus. Z arbeitet als Au-pair und hat einen nicht verlängerbaren Aufenthaltstitel
mit einer Gültigkeitsdauer von 24 Monaten. Da Z keine begründete Aussichten
hat, die Erlaubnis zum Daueraufenthalt zu erhalten, findet die Richtlinie keine
Anwendung. W ist Saisonarbeiter und hat einen Aufenthaltstitel mit einer
Gültigkeitsdauer von neun Monaten. Da der Aufenthaltstitel nicht mindestens ein
Jahr gültig ist, findet die Richtlinie auch in diesem Fall keine Anwendung. 2.2. Familienangehörige Artikel 4 Absatz 1 sieht vor, dass
die Mitglieder der Kernfamilie, d. h. der Ehegatte und die minderjährigen
Kinder, in jedem Fall das Recht auf Familienzusammenführung haben. In diesem
Artikel sind die genauen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten und die eindeutig
definierten Rechte von Einzelpersonen festgelegt. Die Mitgliedstaaten sind gehalten,
in den in der Richtlinie festgelegten Fällen den Nachzug bestimmter Mitglieder
der Familie des Zusammenführenden zu genehmigen, ohne dass sie dabei ihren
Ermessensspielraum ausüben können[14].
Minderjährige, einschließlich der adoptierten Kinder des Zusammenführenden oder
des Ehegatten, haben ebenfalls das Recht auf Familienzusammenführung, sofern
der Zusammenführende oder der Ehegatte das Sorgerecht hat und für den Unterhalt
der Kinder aufkommt. Nach Artikel 4 Absatz 1
Buchstabe c und Buchstabe d Satz 2 können die Mitgliedstaaten die
Zusammenführung in Bezug auf Kinder gestatten, für die ein geteiltes Sorgerecht
besteht, sofern der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt. Unter
„Sorgerecht“ sind die Rechte und Pflichten zu verstehen, die mit der Sorge für
die Person eines Kindes verbunden sind, insbesondere das Recht auf die
Bestimmung des Aufenthaltsortes des Kindes. Von einer gemeinsamen Ausübung des
Sorgerechts („geteiltes Sorgerecht“) ist auszugehen, wenn einer der Träger der
elterlichen Verantwortung aufgrund einer Entscheidung oder kraft Gesetzes nicht
ohne die Zustimmung des anderen Trägers der elterlichen Verantwortung über den
Aufenthaltsort des Kindes bestimmen kann[15]. In der Regel muss die Sorgerechtsvereinbarung
zwischen den Eltern nachgewiesen werden, und die geforderte Zustimmung sollte
in Einklang mit dem Familienrecht der Mitgliedstaaten und gegebenenfalls dem
internationalen Privatrecht erteilt werden. Wenn jedoch eine unauflösbare
Situation vorliegt[16],
ist es Sache der Mitgliedstaaten zu bestimmen, wie mit einer derartigen
Situation umzugehen ist. Allerdings sollte bei jeder Entscheidung das Wohl des
Kindes gemäß Artikel 5 Absatz 5[17] berücksichtigt
werden. Ferner sollte den Gründen, aus denen keine Einigung erreicht werden
kann und anderen besonderen Umständen des jeweiligen Falls Rechnung getragen
werden. Artikel 4 Absätze 2 und 3 enthält
fakultative Bestimmungen, die es den Mitgliedstaaten freistellen, die
Einreise und den Aufenthalt anderer Familienangehöriger zu gestatten
(z. B. der Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades des
Zusammenführenden oder seines Ehegatten, der volljährigen unverheirateten
Kinder, des nicht ehelichen Lebenspartners, der mit dem Zusammenführenden in
einer auf Dauer angelegten Beziehung lebt, und des eingetragenen
Lebenspartners). Wenn ein Mitgliedstaat beschlossen hat, die
Familienzusammenführung von in diesen Bestimmungen genannten
Familienangehörigen zu gestatten, kommt die Richtlinie in vollem Umfang zur
Anwendung. Dank der fakultativen Bestimmung in Artikel 4 Absatz 2
Buchstabe a kann der Nachzug von Verwandten in gerader aufsteigender Linie
ersten Grades des Zusammenführenden oder seines Ehegatten gestattet werden,
wenn letztere für ihren Unterhalt aufkommen und erstere in ihrem Herkunftsland
keinerlei sonstige familiäre Bindungen mehr haben. Dem Begriff Unterhaltsbedarf ist eine
eigenständige Bedeutung im Unionsrecht zuerkannt. Zu dieser Schlussfolgerung
gelangte der EuGH in seiner Rechtsprechung zu der Richtlinie 2004/38/EG[18]
(Freizügigkeitsrichtlinie)[19],
allerdings lässt seine Sprachwahl darauf schließen, dass seine
Schlussfolgerungen nicht auf diese Richtlinie begrenzt sind. Obwohl nicht
übersehen werden darf, dass der Kontext und der Zweck der beiden Richtlinien
unterschiedlich sind[20],
können die Kriterien, die der EuGH bei der Bewertung des Unterhaltsbedarfs
zugrunde legt, den Mitgliedstaaten mutatis mutandis als Orientierung
dienen, um Kriterien für die Bewertung der Art und Dauer des Unterhaltsbedarfs
der betreffenden Person im Zusammenhang mit Artikel 4 Absatz 2
Buchstabe a festzulegen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs
ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem „Unterhalt gewährt“
wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass
der Zusammenführende, sein Ehegatte oder sein Partner die rechtliche,
finanzielle, affektive oder materielle Unterstützung für diesen
Familienangehörigen gewährleistet[21].
Bei der Prüfung der persönlichen Umstände eines Antragstellers muss die
zuständige Behörde verschiedene Faktoren berücksichtigen, die in dem jeweiligen
Fall relevant sein können (z. B. Grad der wirtschaftlichen oder physischen
Abhängigkeit, Verwandtschaftsgrad zwischen dem Zusammenführenden und dem
Familienangehörigen)[22].
Folglich kann der „Unterhaltsbedarf“ je nach Situation und Familienangehörigem
variieren. Um zu ermitteln, ob einem Familienangehörigen
Unterhalt gewährt wird, muss geprüft werden, ob die Person in Anbetracht ihrer
wirtschaftlichen und sozialen Lage materielle Unterstützung benötigt, um ihre
Grundbedürfnisse im Heimatstaat oder in dem Staat, von dem aus sie den Antrag
auf Zusammenführung mit dem EU-Bürger gestellt hat, zu decken[23].
Die Richtlinie schreibt weder eine Mindesthöhe für die geleistete materielle
Unterstützung noch einen bestimmten Lebensstandard zur Bestimmung des Bedarfs
an finanzieller Unterstützung durch den Zusammenführenden vor[24].
Die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, setzt
keinen Unterhaltsanspruch voraus[25].
Die Mitgliedstaaten können besondere Anforderungen hinsichtlich der Art oder
Dauer des Unterhaltsbedarfs vorsehen, um sich zu vergewissern, dass dieser
tatsächlich besteht und von Dauer ist und nicht allein mit dem Ziel
herbeigeführt worden ist, in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen
und sich dort aufhalten zu dürfen. Allerdings müssen sich diese Anforderungen
mit der gewöhnlichen Bedeutung der Wörter im Zusammenhang mit dem Begriff
"Unterhalt", auf den in Artikel 4 Bezug genommen wird,
vereinbaren lassen und dürfen die Wirksamkeit dieser Bestimmung nicht aushöhlen[26]. Die „familiären Bindungen“ eines
Verwandten in aufsteigender Linie ersten Grades gemäß Artikel 4
Absatz 2 Buchstabe a sollten nicht ausschließlich in materieller
Hinsicht verstanden werden. Dieses Konzept lässt den Mitgliedstaaten
Ermessensspielraum bei der Feststellung „familiärer Bindungen“. Die Anforderung
ist erfüllt, wenn keine anderen Familienangehörigen im Herkunftsland gesetzlich
oder de facto die betreffende Person unterstützen, d. h., niemand
die täglichen Betreuungspflichten des Zusammenführenden oder seines Ehegatten
übernehmen könnte. Die Situation sollte unter Berücksichtigung der Umstände des
betreffenden Falls bewertet werden. Alle Vorschriften in diesem Abschnitt müssen,
wie bereits in Erwägungsgrund 5 ausgeführt, im Einklang mit dem
Diskriminierungsverbot gemäß Artikel 21 der Charta angewandt werden. 2.3. Mindestalter
des Ehegatten Artikel 4 Absatz 5 sieht vor, dass
die Mitgliedstaaten ein bestimmtes Mindestalter des/der Zusammenführenden und
seiner Ehegattin/seines Ehegatten verlangen können, bevor der Ehegatte/die
Ehegattin der/dem Zusammenführenden nachreisen darf. Dieses Mindestalter darf
nicht mehr als 21 Jahre betragen. Von dieser Möglichkeit darf nur zum Zwecke
einer besseren Integration und zur Vermeidung von Zwangsehen Gebrauch gemacht
werden. Folglich können die Mitgliedstaaten ausschließlich für diesen Zweck ein
Mindestalter verlangen und nicht in einer Art und Weise, die das Ziel und die
Wirksamkeit der Richtlinie aushöhlen würde[27]. Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 17 verpflichten
die Mitgliedstaaten, das Wohl minderjähriger Kinder gebührend zu
berücksichtigen und jeden Antrag auf Familienzusammenführung einer gründlichen
Prüfung zu unterziehen. Ein Mitgliedstaat, der ein Mindestalter vorschreibt,
ist dennoch gehalten, alle maßgeblichen Umstände des betreffenden Antrags zu
prüfen. Das Mindestalter kann als Orientierungswert dienen, darf jedoch nicht
als genereller Grenzwert verwendet werden, bei dessen Unterschreitung -
unabhängig von der tatsächlichen Prüfung der jeweiligen Lage der Antragsteller
- alle Anträge grundsätzlich abgelehnt werden[28]. Die
Anforderung in Bezug auf das Mindestalter ist nur einer der Faktoren, die die
Mitgliedstaaten im Rahmen der Prüfung eines Antrags berücksichtigen müssen[29].
Wenn die Einzelfallprüfung ergeben hat, dass
die Begründung gemäß Artikel 4 Absatz 5, d. h. die
Gewährleistung einer besseren Integration und die Vermeidung von Zwangsehen,
nicht anwendbar ist, sollten die Mitgliedstaaten eine Ausnahmeregelung erwägen und
in den Fällen, in denen die Anforderung in Bezug auf das Mindestalter nicht
erfüllt ist, die Familienzusammenführung gestatten. Wenn die Einzelfallprüfung
beispielsweise ergeben hat, dass Missbrauch, z. B. im Falle eines
gemeinsamen Kindes, auszuschließen ist. Y, ein 30-jähriger Zusammenführender aus einem Drittstaat, beantragt
die Zusammenführung mit seiner 20-jährigen Ehegattin, mit der er seit zwei
Jahren verheiratet ist und zwei gemeinsame Kinder hat. Die Ehegattin verfügt
über Grundkenntnisse in der Sprache des Mitgliedstaats. Der Mitgliedstaat hat
ein Mindestalter von 21 Jahren vorgeschrieben. In diesem Fall kann das Mindestalter nur als Orientierungswert dienen
und damit nur einer der Faktoren sein, die im Rahmen der Einzelfallprüfung zu
berücksichtigen sind. Die Tatsache, dass Y und seine Ehefrau zwei gemeinsame
Kinder haben, deutet darauf hin, dass eine Zwangsehe unwahrscheinlich ist; bei
der Familienzusammenführung ist auch das Wohl der Kinder gebührend zu
berücksichtigen. Aus dem Wortlaut der Artikel 4, 7 und 8
geht klar hervor, ab welchem Zeitpunkt der Antragsteller oder der
Zusammenführende die Vorschriften erfüllen sollte. Während Artikel 7 mit
den Worten „Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung“ beginnt,
heißt es in Artikel 4 und Artikel 8 „bevor der Ehegatte dem Zusammenführenden
nachreisen darf“ bzw. „bevor seine Familienangehörigen ihm nachreisen“. Daher
muss die Anforderung in Bezug auf das Mindestalter zum Zeitpunkt der effektiven
Familienzusammenführung erfüllt sein und nicht zum Zeitpunkt der Einreichung
des Antrags. Angesichts der Bearbeitungszeit, die bis zu neun Monate in
Anspruch nehmen kann, sollte es daher möglich sein, Anträge zu stellen und zu
prüfen, bevor die Anforderung in Bezug auf das Mindestalter erfüllt ist.
Allerdings können die Mitgliedstaaten die effektive Familienzusammenführung so
lange verschieben, bis das vorgeschriebene Mindestalter erreicht ist. 3. Antragstellung
und -prüfung 3.1. Antragstellung Gemäß Artikel 5 Absatz 1 müssen die
Mitgliedstaaten festlegen, ob ein Antrag auf Einreise und Aufenthalt entweder
vom Zusammenführenden oder von dem oder den Familienangehörigen gestellt werden
muss. In Artikel 5 Absatz 3 ist festgelegt, dass der Antrag zu
stellen und zu prüfen ist, wenn sich die Familienangehörigen noch außerhalb des
Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats aufhalten, in dem sich der Zusammenführende
aufhält. Gemäß Artikel 5 Absatz 3 Unterabsatz
2 und Erwägungsgrund 7 kann ein Mitgliedstaat gegebenenfalls von der
allgemeinen Regel in Unterabsatz 1 abweichen und die Richtlinie dahingehend
anwenden, dass die Einheit der Familie vom Anfang des Aufenthalts des
Zusammenführenden erhalten werden kann[30]. Somit können
die Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen zulassen, dass ein Antrag
gestellt wird, wenn sich die Familienangehörigen bereits in ihrem Hoheitsgebiet
befinden. Bei der Festlegung der angemessenen Umstände verfügen die
Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen[31]. Die Mitgliedstaaten dürfen angemessene und
verhältnismäßige Verwaltungsgebühren für einen Antrag auf
Familienzusammenführung erheben. Solange die Gebühren die Ziele und die
Wirksamkeit der Richtlinie nicht gefährden, haben die Mitgliedstaaten einen
gewissen Ermessensspielraum bei der Festlegung dieser Gebühren[32].
Die Höhe der Gebühren darf weder auf die Behinderung der Ausübung des Rechts
auf Familienzusammenführung zielen noch eine derartige Behinderung bewirken.
Gebühren, die für Drittstaatsangehörige, die die in der Richtlinie festgelegten
Voraussetzungen erfüllen, erhebliche finanzielle Auswirkungen haben, könnten
sie daran hindern, die ihnen durch die Richtlinie verliehenen Rechte auszuüben
und wären daher per se unangemessen und unverhältnismäßig[33].
Um zu bewerten, ob die Gebühren für Drittstaatsangehörige verhältnismäßig sind,
könnten die von Drittstaatsangehörigen und ihren Familienmitgliedern im Rahmen
der Richtlinie 2003/86 zu entrichtenden Gebühren mit den Gebühren verglichen
werden, die eigene Staatsangehörige für die Ausstellung ähnlicher Dokumente zu
zahlen haben. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass diese
Personengruppen sich nicht in derselben Situation befinden.[34]
Zur Förderung des Kindeswohls fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf,
keine Verwaltungsgebühren bei Anträgen von Minderjährigen zu erheben. Für den Fall,
dass in einem Mitgliedstaat ein Einreisevisum erforderlich ist, sollten die
Bedingungen für die Erteilung dieses Visums gelockert werden, und das Visum
sollte ohne zusätzliche Verwaltungsgebühren erteilt werden. 3.2. Beizufügende
Nachweise Gemäß Artikel 5 Absatz 2 ist dem
Antrag auf Familienzusammenführung Folgendes beizufügen: a) Belege zum Nachweis der familiären
Bindungen; b) Belege zum Nachweis der Einhaltung der
Bedingungen der Artikel 4 und 6 sowie gegebenenfalls der Artikel 7 und 8; c) beglaubigte Kopien der Reisedokumente
des/der Familienangehörigen. Bei der Entscheidung, ob es angemessen und
notwendig ist, die familiären Bindungen im Wege von Befragungen oder anderen
Untersuchungen, einschließlich DNA-Tests, zu überprüfen, haben die Mitgliedstaaten
einen gewissen Ermessensspielraum. Die Kriterien, anhand deren über die
Angemessenheit und Notwendigkeit entschieden wird, implizieren, dass die
genannten Untersuchungen nicht zulässig sind, wenn sich das Bestehen familiärer
Bindungen mit Hilfe anderer geeigneter und weniger restriktiver Mittel
feststellen lässt. Jeder Antrag, die beigefügten Unterlagen und die
Angemessenheit und Notwendigkeit der Befragungen und weiterer Untersuchungen
müssen von Fall zu Fall bewertet werden. Neben Faktoren wie ein gemeinsames Kind,
Bestand der Lebensgemeinschaft bereits vor der Antragstellung und Eintragung
der Partnerschaft können die familiären Bindungen nicht verheirateter Partner
durch zuverlässige Belege für den stabilen und langfristigen Charakter ihrer Beziehung
(z. B. Schriftverkehr, gemeinsame Rechnungen, Bankkonten oder Nachweis des
Eigentums an Immobilien) nachgewiesen werden. 3.3. Länge
der Verfahren Artikel 5 Absatz 4 verpflichtet die
Mitgliedstaaten, dem Antragsteller ihre Entscheidung unverzüglich schriftlich
mitzuteilen. In Erwägungsgrund 13 wird ausgeführt, dass die Verfahren zur
Prüfung von Anträgen effizient und angemessen
sein und der normalen Arbeitsbelastung der
Mitgliedstaaten Rechnung tragen sollten. Ein Standardantrag sollte daher bei normaler
Arbeitsbelastung in der Regel unverzüglich ohne unnötige Verzögerung
bearbeitet werden. Wenn die Arbeitsbelastung in Ausnahmefällen die
Verwaltungskapazitäten übersteigt oder wenn der Antrag einer weiteren Prüfung
bedarf, kann die maximale Frist von neun Monaten gerechtfertigt sein.
Die neunmonatige Frist läuft ab dem Zeitpunkt, zu dem der Antrag eingereicht
wird, nicht ab dem Zeitpunkt, zu dem der Mitgliedstaat den Eingang des Antrags
mitteilt. Die Ausnahmeregelung gemäß Artikel 5
Absatz 4 Unterabsatz 2, die Neunmonatsfrist zu verlängern, ist nur in
Ausnahmefällen aufgrund der Schwierigkeit der Antragsprüfung
gerechtfertigt. Diese Ausnahmeregelung sollte eng ausgelegt[35]
und auf Einzelfallbasis angewandt werden. Wenn die Verwaltung eines
Mitgliedstaats von der Ausnahmeregelung Gebrauch machen will, muss sie eine
derartige Fristverlängerung rechtfertigen, indem sie nachweist, dass die
Prüfung eines bestimmten Falls außergewöhnlich komplex ist, so dass von
„Ausnahmefällen“ die Rede sein kann. Unzureichende Verwaltungskapazitäten
können eine außerordentliche Fristverlängerung nicht rechtfertigen, und jede
Verlängerung sollte auf das unbedingt erforderliche Mindestmaß beschränkt
werden. Folgende Situationen könnten beispielsweise als Ausnahmefälle aufgrund der
Schwierigkeit der Antragsprüfung in Betracht gezogen werden: die umfassende
Prüfung der familiären Bindungen im Rahmen von multiplen Familieneinheiten,
eine schwere Krise im Herkunftsland, die den Zugang zu Verwaltungsdaten
verhindert, Schwierigkeiten bei der Organisation von Anhörungen von
Familienangehörigen im Herkunftsland aufgrund der Sicherheitslage, schwer
zugängliche diplomatische Vertretungen oder die Feststellung des Anspruchs auf
Ausübung des Sorgerechts, wenn die Eltern getrennt sind. Gemäß Artikel 5 Absatz 4 ist die
Entscheidung schriftlich mitzuteilen. Wird dem Antrag nicht stattgegeben, sind
die rechtlichen und tatsächlichen Gründe für die Ablehnung aufzuführen, damit
der Antragsteller sein Recht auf Einlegen eines Rechtsbehelfs wahrnehmen kann[36]. 4. Voraussetzungen
für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung 4.1. Öffentliche
Ordnung, öffentliche Sicherheit und öffentliche Gesundheit Gemäß Artikel 6 Absätze 1 und 2
können die Mitgliedstaaten aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der
öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Gesundheit einen Antrag auf
Einreise und Aufenthalt eines Familienangehörigen ablehnen oder den
Aufenthaltstitel eines Familienangehörigen entziehen oder dessen Verlängerung
ablehnen. Erwägungsgrund 14 enthält einige Hinweise darauf, was diese Begriffe
zur Folge haben. Eine Person, die die Familienzusammenführung erreichen möchte,
sollte keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und die Ordnung
darstellen. Der Begriff der öffentlichen Ordnung kann die Verurteilung wegen
der Begehung einer schwerwiegenden Straftat umfassen. Das Konzept der
öffentlichen Ordnung und der öffentlichen Sicherheit deckt auch Fälle ab, in
denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den
internationalen Terrorismus unterstützt, eine solche Vereinigung unterstützt
oder extremistische Bestrebungen hat. Abgesehen davon liegt die Festlegung dieser
Begriffe weitgehend im Ermessen der Mitgliedstaaten, die allerdings gehalten
sind, die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für
Menschenrechte und des EuGH einzuhalten. Obwohl die einschlägige Rechtsprechung
des EuGH nicht unmittelbar Drittstaatsangehörige betrifft, kann sie mutatis
mutandis bei der Festlegung der in Frage stehenden Begriffe zugrunde gelegt
werden[37]. Bei der Bewertung eines besonderen Antrags
sollten die Mitgliedstaaten den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anwenden.
Nach Artikel 6 Absatz 2 Unterabsatz 2 müssen die Mitgliedstaaten,
wenn sie eine derartige Entscheidung treffen, die besonderen Umstände des Falls
(Artikel 17) und die Schwere oder die Art des vom Antragsteller begangenen
Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit oder
die von dieser Person ausgehende Gefahr berücksichtigen. In Erwägungsgrund 14
heißt es außerdem, dass die Familienzusammenführung nur aus besonderen Gründen
abgelehnt werden kann. Das Gebot der öffentlichen Gesundheit
kann nur dann geltend gemacht werden, wenn eine Gefahr für die breite
Öffentlichkeit besteht, die nicht durch Gesundheitsschutzmaßnahmen leicht
vermieden werden kann. Ähnliche Bestimmungen in der Richtlinie über die
Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen
können bei der Festlegung des Begriffs der öffentlichen Gesundheit im Rahmen
der Familienzusammenführung hilfreich sein, da diese Regelungen in ähnlichen
Situationen angewandt werden, auch Drittstaatsangehörige betreffen und dem
gleichen Zweck dienen[38].
Die einzigen Krankheiten, die als Gefahr für
die öffentliche Gesundheit angesehen werden können, sind die Krankheiten, die
in den einschlägigen anwendbaren Regeln und Vorschriften der
Weltgesundheitsorganisation definiert sind, oder sonstige übertragbare, durch
Infektionserreger oder Parasiten verursachte Krankheiten, sofern im Aufnahmestaat
Maßnahmen zum Schutz der eigenen Staatsangehörigen gegen diese Krankheiten
getroffen werden. Die Mitgliedstaaten können eine ärztliche Untersuchung
vorschreiben, um feststellen zu lassen, dass die Familienangehörigen nicht an
einer dieser Krankheiten leiden. Diese ärztlichen Untersuchungen dürfen nicht
systematisch durchgeführt werden. 4.2. Voraussetzungen
in Bezug auf den Wohnraum Gemäß Artikel 7 Absatz 1
Buchstabe a können die Mitgliedstaaten den Nachweis verlangen, dass der
Zusammenführende über Wohnraum verfügt, der für eine vergleichbar große Familie
in derselben Region als üblich angesehen wird und der die in dem betreffenden
Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsnormen erfüllt.
Die Bewertung des Wohnraums bleibt den Mitgliedstaaten überlassen; die
beschlossenen Kriterien dürfen jedoch nicht diskriminierend sein; diese
Bestimmung gibt die oberste Grenze dessen vor, was verlangt werden kann. Die
Kriterien hinsichtlich der Größe, der sanitären Einrichtungen und der Sicherheit
dürfen nicht strenger sein als im Fall eines Wohnraums, der in derselben Region
von einer (hinsichtlich der Zahl der Personen und des sozialen Status)
vergleichbaren Familie bewohnt wird. Unter „derselben Region“ sind geografische
Einheiten zu verstehen, die sich aufgrund der beispielsweise auf kommunaler
oder regionaler Ebene geltenden Vorschriften unterscheiden können. Die in den
Mitgliedstaaten geltenden Kriterien sollten transparent und in den nationalen
Rechtsvorschriften genau spezifiziert sein. Zweck dieser Bestimmung ist es, einen
angemessenen Wohnraum für den Zusammenführenden und seine/ihre
Familienangehörigen zu gewährleisten. Die Einhaltung dieser Anforderung kann
daher entweder auf der Grundlage der Situation des Zusammenführenden zum
Zeitpunkt der Antragstellung bewertet werden oder auf der Grundlage einer
begründeten Prognose in Bezug auf den Wohnraum, der zum Zeitpunkt des Nachzugs
der Familienangehörigen des Zusammenführenden verfügbar sein dürfte. Ein Miet- oder Kaufvertrag kann beispielsweise
als Nachweis dienen. Ein befristeter Mietvertrag kann als unzureichend
angesehen werden. Im Falle langer Warte- und Bearbeitungszeiten kann es
unverhältnismäßig sein und damit das Ziel und die Wirksamkeit der Richtlinie
gefährden zu verlangen, dass diese Anforderung zum Zeitpunkt der Antragstellung
erfüllt ist, da dies für den Zusammenführenden erhebliche zusätzliche
finanzielle oder administrative Belastungen zur Folge haben könnte. Unter
solchen besonderen Umständen fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf,
ein gewisses Maß an Flexibilität an den Tag zu legen. Sie könnten
beispielsweise einen an Bedingungen geknüpften Mietvertrag als Nachweis
akzeptieren, der in Kraft treten würde, sobald die Familienzusammenführung
gewährt wurde und die Familienangehörigen in den Mitgliedstaat eingereist sind. 4.3. Voraussetzungen
in Bezug auf die Krankenversicherung Die Mitgliedstaaten können gemäß
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe b den Nachweis verlangen, dass der
Zusammenführende über eine Krankenversicherung für ihn selbst und seine
Familienangehörigen verfügt, die im betreffenden Mitgliedstaat sämtliche
Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen
abgedeckt sind. Wenn der betreffende Mitgliedstaat eine
universelle Krankenversicherung vorschreibt, die auch für in dem Mitgliedstaat
ansässige Drittstaatsangehörige obligatorisch ist, ist davon auszugehen, dass
diese Voraussetzung erfüllt ist. Eine zusätzliche private Krankenversicherung
zu verlangen, würde nach Ansicht der Kommission eine unnötige Belastung für den
Zusammenführenden bedeuten und das Ziel und die Wirksamkeit der Richtlinie
gefährden. Wenn der Mitgliedstaat ein freiwilliges beitragsgestütztes System
hat, kann diese Anforderung folgendermaßen erfüllt werden: a) durch ein System einer an Bedingungen
geknüpften Krankenversicherung, die der Betreffende bei Genehmigung eines
Antrags auf Familienzusammenführung abschließen kann oder b) durch eine private Krankenversicherung, die
Risiken abdeckt, die in der Regel durch eine Krankenversicherung für die
Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats abgedeckt sind. 4.4. Voraussetzung
in Bezug auf ausreichende Einkünfte Die Mitgliedstaaten können gemäß
Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe c den Nachweis verlangen, dass der
Zusammenführende über feste und regelmäßige Einkünfte verfügt, die ausreichen,
um seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ohne
Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats zu
decken. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Chakroun ist diese
Möglichkeit eng auszulegen, da die Familienzusammenführung in der Regel
genehmigt wird. Der den Mitgliedstaaten diesbezüglich zugestandene Spielraum
darf daher nicht in einer Weise verwendet werden, die den Zweck und die
Wirksamkeit der Richtlinie gefährden würde[39]. Der EuGH
führte ferner aus, dass diese Möglichkeit nach Maßgabe von Artikel 7 und
Artikel 24 Absätze 2 und 3 der Charta wahrzunehmen ist, wonach die
Mitgliedstaaten Anträge auf Familienzusammenführung im Interesse der
betroffenen Kinder und im Hinblick auf die Förderung des Familienlebens prüfen
müssen[40]. Ob es sich bei den Einkünften um feste
und regelmäßige Einkünfte handelt, muss auf der Grundlage einer Prognose
bewertet werden, derzufolge davon auszugehen ist, dass die Einkünfte in
absehbarer Zukunft verfügbar sein werden, so dass der Antragsteller nicht die
Sozialhilfe des Mitgliedstaats in Anspruch nehmen wird. Zu diesem Zweck kann
der Antragsteller Nachweise liefern, die belegen, dass Einkünfte in einer bestimmten
Höhe verfügbar sind und voraussichtlich auch künftig regelmäßig verfügbar sein
werden. Im Allgemeinen sollte ein unbefristeter Arbeitsvertrag ein
ausreichender Nachweis sein. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, der
Realität auf dem Arbeitsmarkt Rechnung zu tragen, da unbefristete
Arbeitsverhältnisse, insbesondere zu Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses,
möglicherweise zunehmend unüblich werden. Legt ein Antragsteller den Nachweis
einer anderen Art von Arbeitsvertrag vor, beispielsweise einen befristeten
Vertrag, der verlängert werden kann, sollten die Mitgliedstaaten den Antrag
nicht allein wegen der Art des Vertrags automatisch ablehnen. In solchen Fällen
ist eine Prüfung aller maßgeblichen Umstände im Einzelfall erforderlich. In bestimmten Branchen können befristete
vertragliche Arbeiten gängige Praxis sein; in einigen IT- oder Mediensektoren
oder in der Kreativbranche hingegen können dennoch feste und regelmäßige
Einkünfte zur Verfügung stehen. Andere für die Bewertung der Verfügbarkeit von
Einkünften relevante Faktoren können beispielsweise die Qualifikationen und
Kompetenzen des Zusammenführenden sein, strukturbedingte offene Stellen im
Kompetenzbereich des Zusammenführenden oder die Arbeitsmarktlage in dem
betreffenden Mitgliedstaat. Dass der Zusammenführende während eines bestimmten
Zeitraums in der Vergangenheit über einen gewissen Betrag verfügt hat, kann
sicherlich als Nachweis dienen, darf aber nicht vorgeschrieben werden, da dies
eine in der Richtlinie nicht vorgesehene zusätzliche Anforderung und eine
längere Wartezeit, insbesondere wenn der Zusammenführende am Anfang seiner
beruflichen Laufbahn steht, nach sich ziehen könnte. Was die Art der Einkünfte anbelangt,
kann es sich um Einkommen aus Beschäftigung handeln, aber auch um Einkünfte aus
selbständiger Tätigkeit, private Mittel, über die der Zusammenführende verfügt,
Zahlungen auf der Grundlage von Zahlungsansprüchen, die auf frühere
Beitragszahlungen des Zusammenführenden oder seiner Familienangehörigen
zurückgehen (z. B. Altersruhegehalt oder Invalidenrente). Außerdem zeigt die Tatsache, dass geprüft
wird, ob die Einkünfte ausreichend sind – „feste und regelmäßige
Einkünfte“ „ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen“ –
dass letzteres ein sehr wichtiges Kriterium für die Bewertung ist, ob die
Anforderung in Bezug auf die Einkünfte erfüllt ist. „Sozialhilfe“ bezieht sich
auf Zuschüsse, die die Behörden auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene
gewähren, und die von Einzelpersonen, in diesem Fall dem Zusammenführenden, in Anspruch
genommen werden können, die nicht über feste und regelmäßige Einkünfte in
ausreichender Höhe verfügen, um den Unterhalt für sich und seine
Familienangehörigen zu bestreiten und die deshalb während ihres Aufenthalts
aller Wahrscheinlichkeit nach die Sozialhilfeleistungen des
Aufnahmemitgliedstaates in Anspruch nehmen werden[41].
Dieses Konzept hat eine eigenständige unionsrechtliche Bedeutung und kann nicht
durch Verweis auf Konzepte des nationalen Rechts definiert werden[42].
Der EuGH hat festgestellt, dass dieses Konzept dahingehend auszulegen ist, dass
es sich auf eine allgemeine Hilfe bezieht, die einen Mangel an ausreichenden
festen und regelmäßigen Einkünften ausgleicht, nicht aber auf eine Hilfe, die
es erlauben würde, außergewöhnliche oder unvorhergesehene Bedürfnisse zu
befriedigen[43].
Der Begriff „Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen“ gestattet einem
Mitgliedstaat daher nicht, einem Zusammenführenden die Familienzusammenführung
zu verweigern, wenn dieser nachweislich über feste und regelmäßige Einkünfte in
ausreichender Höhe verfügt, um den Lebensunterhalt für sich und seine
Familienangehörigen zu bestreiten, angesichts der Höhe seiner Einkünfte aber
Sozialhilfeleistungen zur Bestreitung besonderer, individuell bestimmter
notwendiger Kosten des Lebensunterhalts, Steuerbefreiungen, die lokale Stellen
auf der Grundlage des Einkommens des Zusammenführenden gewähren oder
einkommensstützende Maßnahmen in Anspruch nehmen kann[44]. Bei der Bewertung der Einkünfte des
Zusammenführenden und der Berechnung der erforderlichen Sozialhilfe können die
Mitgliedstaaten die Höhe der nationalen Mindestlöhne und -renten sowie
die Anzahl der Familienangehörigen des Zusammenführenden
berücksichtigen. In der Rechtssache Chakroun betonte der EuGH, dass diese
Möglichkeit eng auszulegen und in einer Weise anzuwenden ist, die das Ziel und
die Wirksamkeit der Richtlinie nicht gefährdet[45]. Folglich
sollten die nationalen Mindestlöhne als oberste Grenze dessen betrachtet
werden, was die Mitgliedstaaten verlangen können, es sei denn, ein
Mitgliedstaat beschließt, die Anzahl der Familienangehörigen zu
berücksichtigen. Darüber hinaus dürfen die Mitgliedstaaten eine
bestimmte Summe als Referenzbetrag angeben, da die Bedürfnisse der
einzelnen Personen aber stark variieren können, dürfen sie kein
Mindesteinkommen vorschreiben, unterhalb dessen alle Anträge auf
Familienzusammenführung, unabhängig von der Prüfung der Situation eines jeden
Antragstellers gemäß Artikel 17, abgelehnt werden[46].
Daher darf ein Antrag nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil die Einkünfte
des Antragstellers nicht den Referenzbetrag erreichen. Bevor eine Entscheidung
über einen Antrag gefällt wird, muss eine Einzelfallprüfung aller Elemente
eines bestimmten Falls durchgeführt werden. Der EuGH hat ausgeführt, dass Gegenstand der
nach der Richtlinie geforderten Einzelfallprüfung der Anträge auf
Familienzusammenführung grundsätzlich die Einkünfte des
Zusammenführenden sind und nicht die Einkünfte des Drittstaatsangehörigen, für
den auf der Grundlage der Familienzusammenführung ein Aufenthaltsrecht
beantragt wird[47].
Gleichzeitig lässt die Verwendung des Ausdrucks „grundsätzlich“ durch den EuGH
darauf schließen, dass die Mitgliedstaaten beschließen können, die Einkünfte
von Familienangehörigen zugrunde zu legen oder in Einzelfällen durch besondere
Umstände gerechtfertigte Ausnahmeregeln zu gestatten[48]. Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt,
dass in nationalen Rechtsvorschriften, die das Einkommenserfordernis anwenden,
nicht danach unterschieden werden darf, ob die familiären Bindungen vor oder
nach der Einreise des Zusammenführenden in den Aufnahmemitgliedstaat entstanden
sind. Die Fähigkeit eines Zusammenführenden, für feste und regelmäßige
Einkünfte zur Bestreitung seines Lebensunterhalts und desjenigen seiner Familie
zu sorgen, kann in keiner Weise von dem Zeitpunkt abhängen, zu dem er seine
Familie gegründet hat[49]. 4.5. Integrationsmaßnahmen Die Kommission ist sich bewusst, dass die
Mitgliedstaaten über einen Ermessensspielraum verfügen, um zu entscheiden, ob
sie von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen
nachkommen müssen und um die für ihren nationalen Kontext am besten geeigneten
Maßnahmen zu entwickeln[50].
Die Kommission betont allerdings, dass solche Maßnahmen die Integration von
Familienangehörigen erleichtern sollen. Die Zulässigkeit dieser Maßnahmen hängt
davon ab, ob sie diesem Zweck dienen und im Einklang mit dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit stehen. Daher hängt die Zulässigkeit der
Integrationsmaßnahmen von ihrer Zugänglichkeit, Konzeption und Organisation ab.
Ferner ist ausschlaggebend, ob diese Maßnahmen oder ihre Auswirkungen anderen
Zwecken als der Integration dienen. Werden Integrationsmaßnahmen genutzt, um
die Familienzusammenführung zu begrenzen, würde dies auf eine zusätzliche
Voraussetzung für die Familienzusammenführung hinauslaufen. Dies würde das Ziel
der Richtlinie, d. h. die Förderung der Familienzusammenführung und die
Wirksamkeit der Richtlinie, aushöhlen[51]. Die Mitgliedstaaten können daher verlangen,
dass Familienangehörige Integrationsmaßnahmen nach Artikel 7 Absatz 2
nachkommen; dies darf aber nicht zu einer absoluten Bedingung erhoben werden,
von der das Recht auf Familienzusammenführung abhängig ist. Die Art der Integrationsmaßnahmen
gemäß Artikel 7 Absatz 2 unterscheidet sich von den Bedingungen, die
gemäß Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 7 Absatz 1 erfüllt sein müssen. Artikel 4
Absatz 1 — als Stillhalteklausel[52]
— sieht vor, dass ein Mitgliedstaat bei einem Kind über
12 Jahre, das unabhängig vom Rest seiner Familie ankommt,
prüfen kann, ob es ein in den nationalen Rechtsvorschriften dieses
Mitgliedstaats vorgesehenes Integrationskriterium erfüllt, bevor er
ihm die Einreise und den Aufenthalt gestattet[53].
Gemäß Artikel 7 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten den Nachweis
verlangen, dass diese Anforderungen erfüllt sind oder ausgehend von einer
realistischen Prognose erfüllbar sind. Diese können daher als Vorbedingungen
angesehen werden, deren Erfüllung die Mitgliedstaaten vom Zusammenführenden
verlangen können, bevor sie die Einreise und den Aufenthalt von
Familienangehörigen gestatten. Im Gegensatz dazu sieht Artikel 7
Absatz 2 vor, dass die Mitgliedstaaten von Drittstaatsangehörigen
verlangen können, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen. Die
Mitgliedstaaten können vorschreiben, dass die Familienangehörigen gewisse
Anstrengungen unternehmen müssen, um ihre Bereitschaft zur Integration zu
demonstrieren, z. B. durch die obligatorische Teilnahme an Sprach- oder
Integrationskursen vor oder nach ihrer Ankunft. Diese Maßnahmen sollen dazu
beitragen, den Integrationsprozess zu erleichtern, was auch bedeutet, dass die
Art und Weise, wie die Mitgliedstaaten diese Möglichkeit nutzen, nicht
unbegrenzt sein kann. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 kann von
Einwanderern verlangt werden, die notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um
in der Lage zu sein, ihren Alltag in der Gesellschaft zu bewältigen, in die sie
sich integrieren müssen; gleichzeitig bietet sich für die Mitgliedstaaten die
Möglichkeit zu überprüfen, ob der Betreffende die geforderte Bereitschaft zur
Integration in seine neue Umgebung zeigt. Die Prüfung der Bereitschaft zur
Integration kann in Form einer Prüfung der für diesen Zweck als erforderlich
erachteten Grundfertigkeiten erfolgen. Diese Prüfung sollte geschlechtsspezifischen
Anforderungen Rechnung tragen und die spezifische Situation von Frauen, die
beispielsweise nur eine geringe Schulbildung haben, berücksichtigen. Der
Schwierigkeitsgrad der Prüfung, die Teilnahmekosten, die Zugänglichkeit des
Unterrichtsmaterials, das für die Vorbereitung auf eine solche Prüfung
erforderlich ist, oder der Zugang zu der Prüfung dürfen keine Hindernisse
darstellen, die das Erreichen dieses Ziels erschweren[54].
Mit anderen Worten dürfen die Integrationsmaßnahmen, die ein Mitgliedstaat
verlangen kann, keine Leistungsverpflichtung darstellen, die in Wahrheit die
Möglichkeit der Familienzusammenführung begrenzt. Die Maßnahmen müssen im
Gegenteil zum Erfolg der Familienzusammenführung beitragen. Des Weiteren müssen Integrationsmaßnahmen
verhältnismäßig sein und mit der erforderlichen Flexibilität angewandt werden,
um sicherzustellen, dass von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung besonderer
Umstände die Familienzusammenführung auch dann gewährt werden kann, wenn die
Integrationserfordernisse nicht erfüllt sind[55]. Die
Mitgliedstaaten sollten daher die Möglichkeit einer Ausnahmeregelung, einer
Zurückstellung oder andere Formen von Integrationsmaßnahmen bei bestimmten
Problemen oder persönlichen Umständen des betreffenden Einwanderers vorsehen. Individuelle und spezifische Umstände, die
berücksichtigt werden können, sind beispielsweise kognitive Fähigkeiten, die
schwierige Lage der betreffenden Person, kein Zugang zu Lehr- oder
Prüfeinrichtungen in besonderen Fällen oder andere Situationen außergewöhnlicher
Härte. Besondere Aufmerksamkeit sollte auch der Tatsache gelten, dass in
mehreren Teilen der Welt Frauen und Mädchen weniger Zugang zu Bildung haben und
deshalb möglicherweise weniger Frauen als Männer lesen und schreiben können.
Die Mitgliedstaaten dürfen daher einem in Artikel 4 Absatz 1
genannten Familienangehörigen die Einreise in das Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten und den Aufenthalt in diesem Gebiet nicht nur deshalb
verweigern, weil dieser Familienangehörige, während er noch im Ausland war, die
in den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats vorgesehene
Integrationsprüfung nicht bestanden hat[56]. Nach Ansicht der Kommission sollten die
Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Integration der
Familienangehörigen bereitstellen, damit diese ihr neues Wohnsitzland
kennenlernen und Sprachkenntnisse erwerben können, die den Integrationsprozess
erleichtern können. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass die Sprach-
und Integrationskurse in einer für die Migranten leicht zugänglichen Weise
angeboten werden sollten (an mehreren Standorten verfügbar), kostenlos oder
zumindest erschwinglich und auf den individuellen Bedarf, einschließlich
geschlechtsspezifischer Bedürfnisse (z. B. Kinderbetreuungseinrichtungen),
zugeschnitten sein sollten. Integrationsmaßnahmen vor der Abreise können einen
Beitrag zur Vorbereitung der Migranten auf ihren neuen Alltag im Gastland durch
Bereitstellung von Informationen und Schulung vor der Migration leisten.
Integrationsmaßnahmen sind häufig im Aufnahmeland wirksamer. 4.6. Wartefrist Gemäß Artikel 8 dürfen die Mitgliedstaaten
verlangen, dass sich der Zusammenführende während eines Zeitraums von höchstens
zwei Jahren rechtmäßig in ihrem Hoheitsgebiet aufgehalten haben muss, bevor
seine Familienangehörigen ihm nachreisen dürfen. Damit verfügen die
Mitgliedstaaten in diesem Punkt über einen gewissen Ermessungsspielraum. Wenn
ein Mitgliedstaat beschließt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, darf
er nicht eine generelle Wartefrist für alle Antragsteller vorschreiben, ohne
dabei die besonderen Umstände bestimmter Fälle und das Wohl minderjähriger
Kinder zu berücksichtigen[57].
Der EuGH hat betont, dass die Dauer des Aufenthalts im Mitgliedstaat nur einer
der Faktoren ist, die die Mitgliedstaaten bei der Prüfung eines Antrags
berücksichtigen müssen und dass eine Wartefrist nicht vorgeschrieben werden
darf, ohne in bestimmten Fällen alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen und
dem Wohl minderjähriger Kinder gebührend Rechnung zu tragen[58]. Mit Hilfe dieser Bestimmung sollen die
Mitgliedstaaten gewährleisten können, dass die Familienzusammenführung unter
günstigen Bedingungen stattfindet, nachdem der Zusammenführende seinen Wohnsitz
während eines hinreichend langen Zeitraums im Gastland hatte, so dass davon
ausgegangen werden kann, dass die Familienangehörigen sich einleben und ein
bestimmtes Maß an Integration aufweisen werden[59].
Die Zulässigkeit einer Wartefrist gemäß der Richtlinie und ihre Dauer hängen
davon ab, ob diese Vorschrift diesem Zweck dient und im Einklang mit dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit steht. Um zu vermeiden, dass das
Familienleben in unverhältnismäßiger Weise beeinträchtigt wird, fordert die
Kommission die Mitgliedstaaten auf, insbesondere bei Familien mit
minderjährigen Kindern die Wartefristen so kurz wie für das Erreichen des Ziels
der Bestimmung unbedingt erforderlich zu halten. Nach Auffassung der Kommission sollte bei der
Berechnung der Dauer des „rechtmäßigen Aufenthalts“ eines Zusammenführenden
jeder Zeitraum, in dem er/sie im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Einklang
mit dessen nationalem Recht gewohnt hat, ab dem ersten Tag seines Aufenthalts
berücksichtigt werden. Dabei kann es sich um den Aufenthalt auf der Grundlage
einer Aufenthaltstitels oder eines anderen Titels, der einen rechtmäßigen
Aufenthalt ermöglicht, handeln. Illegale Aufenthalte, einschließlich Zeiträume
der Duldung und aufgeschobenen Rückführung, sollten bei der Berechnung nicht
berücksichtigt werden. Angesichts der Zielsetzung der Vorschrift, ein
gewisses Maß an Stabilität und Integration zu erreichen, können die
Mitgliedstaaten verlangen, dass der rechtmäßige Aufenthalt ununterbrochen sein
muss. Unterbrechungen, die das Ziel der Vorschrift nicht gefährden, können
jedoch erlaubt werden. Dies können beispielsweise vorübergehende Abwesenheiten
sein (z. B. Geschäftsreisen, Urlaube oder Besuche bei Familienangehörigen
im Herkunftsland) oder kurze Zeiträume unrechtmäßigen Aufenthalts (z. B.
Ablauf einer Aufenthaltskarte aufgrund der zu spät beantragten Verlängerung
oder aufgrund einer Verzögerung bei der Bearbeitung). Zeiten des rechtmäßigen
Aufenthalts, bevor ein Zusammenführender im Einklang mit Artikel 3 Absatz 1
einen Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von mindestens einem Jahr
erwirbt, sollten bei der Berechnung der Dauer des rechtmäßigen Aufenthalts
ebenfalls berücksichtigt werden. X ist ein Drittstaatsangehöriger, der sich seit neun Monaten
ununterbrochen rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält. Heute hat X einen auf
unbestimmte Zeit verlängerbaren Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von
einem Jahr erhalten. X möchte, dass seine drittstaatsangehörige Ehegattin
nachzieht und reicht einen Antrag auf Familienzusammenführung ein. Der Mitgliedstaat schreibt eine Wartefrist vor und hält im Fall X die
Höchstdauer von zwei Jahren rechtmäßigen Aufenthalts für angemessenen, damit
die Familienzusammenführung unter günstigen Bedingungen stattfinden kann. In
diesem Fall wird der Nachzug der Ehegattin von X nach Ablauf der verbleibenden
Wartefrist, d. h. nach weiteren 15 Monaten, erfolgen können. Nach Auffassung der Kommission umfasst die
Wartefrist nicht die Zeit, die die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags
im Einklang mit Artikel 5 Absatz 4 aufwenden müssen[60]. Die
beiden Zeiträume können zu unterschiedlichen Zeitpunkten beginnen und enden und
können sich je nach Einzelfall überschneiden. Nach Ansicht der Kommission kann
ein Antrag von dem Zeitpunkt an eingereicht werden, zu dem der Zusammenführende
im Besitz eines Aufenthaltstitels mit mindestens einjähriger Gültigkeit ist und
begründete Aussicht darauf hat, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht
zu erlangen[61],
die Mitgliedstaaten können die Familienzusammenführung aber durchaus erst dann
gewähren („bevor seine Familienangehörigen ihm nachreisen“), wenn die in
ihren Rechtsvorschriften festgelegte Wartefrist erfüllt ist. Y ist eine Drittstaatsangehörige, die erst vor kurzem in einem
Mitgliedstaat angekommen ist und umgehend einen verlängerbaren Aufenthaltstitel
mit zweijähriger Gültigkeit erhält. Y möchte, dass ihr Ehegatte und ihre zwei
minderjährigen Kinder nachziehen und stellt deshalb einen Antrag auf
Familienzusammenführung. Im Fall von Y ist der Mitgliedstaat der Auffassung, dass Y und ihr
Ehegatte bereits ein hohes Maß an Integration unter Beweis gestellt haben. Im
Interesse der Kinder beschließt der Mitgliedstaat, auf eine Wartefrist zu
verzichten. Aufgrund administrativer Zwänge gibt es einen Rückstand bei der
Bearbeitung der Anträge, so dass neun Monate vergehen, bevor der Mitgliedstaat diese
Entscheidung trifft. Im Fall Y können ihr Ehepartner und ihre Kinder ab dem
Zeitpunkt nachziehen, zu dem sie die Mitteilung der Entscheidung erhalten hat. Der EuGH hat festgestellt, dass die
Richtlinienbestimmungen, mit Ausnahme von Artikel 9 Absatz 2, auf
Ehen anzuwenden sind, die geschlossen wurden, bevor oder nachdem der
Zusammenführende seinen Wohnsitz in dem betreffenden Mitgliedstaat genommen hat[62] und dass
folglich in Bezug auf die Wartefrist kein Unterschied zwischen den beiden
Situationen gemacht werden darf. Obwohl die Kommission die Bedenken der
Mitgliedstaaten in Bezug auf einen möglichen Missbrauch des Rechts auf
Familienzusammenführung teilt, dürfen die Mitgliedstaaten die Option, eine
Wartefrist vorzuschreiben, nicht verwenden, wenn sie ausschließlich der
Verhütung von Missbrauch dienen soll. Das alleinige Ziel von Artikel 8 ist
es, ein gewisses Maß an stabilem Aufenthalt und Integration sicherzustellen,
damit die Familienzusammenführung unter günstigen Bedingungen erfolgen kann. Es
stehen geeignetere Mittel zur Verfügung, um beispielsweise durch
Einzelbewertung von Fällen Scheinehen zu verhindern. Z ist ein Drittstaatsangehöriger, der sich seit vier Jahren als Student
rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält. Nach seinem Studium nimmt Z eine
Erwerbstätigkeit auf und erhält einen neuen Aufenthaltstitel mit einer
Gültigkeitsdauer von einem Jahr, der auf unbestimmte Zeit verlängert werden
kann. In der Zwischenzeit lernt Z die Drittstaatsangehörige D kennen und geht
mit ihr eine Beziehung ein. Nach dreizehn Monaten heiraten sie und stellen
einen Antrag auf Familienzusammenführung, damit D Z nachziehen kann. Im Fall von Z wurde die möglicherweise vorgeschriebene Wartefrist von
höchstens zwei Jahren rechtmäßigen Aufenthalts bereits erfüllt. D kann Z
nachreisen, sobald sie die Mitteilung der Entscheidung erhalten hat. 5. Einreise
und Aufenthalt der Familienangehörigen 5.1. Einreise,
Visa für einen langfristigen Aufenthalt und Aufenthaltstitel Artikel 13 Absatz 1 sieht vor, dass,
sobald einem Antrag auf Familienzusammenführung stattgegeben wurde, der
Mitgliedstaat verpflichtet ist, Familienangehörigen jede Erleichterung zur
Erlangung der vorgeschriebenen Visa zu gewähren. Dies bedeutet, dass die
Mitgliedstaaten, wenn einem Antrag stattgegeben wurde, ein zügiges
Visumverfahren gewährleisten, zusätzlichen Verwaltungsaufwand auf ein Minimum
beschränken und doppelte Prüfungen in Bezug auf die Erfüllung der Anforderungen
für die Familienzusammenführung vermeiden sollten. Da der Zweck der
Familienzusammenführung der langfristige Aufenthalt ist, sollten die
Mitgliedstaaten nicht ein Visum für einen kurzfristigen Aufenthalt erteilen. Wenn der Zugang zu den Reisedokumenten und
Visa besonders schwierig oder gefährlich ist und somit unter Umständen ein
unverhältnismäßig hohes Risiko oder ein praktisches Hindernis für die wirksame
Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung darstellt, sollten die
Mitgliedstaaten den Besonderheiten des Falles und den Umständen im
Herkunftsland Rechnung zu tragen. In Ausnahmefällen, z. B. im Zusammenhang
mit einem gescheiterten Staat oder in einem Land mit großen Risiken für die
innere Sicherheit, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, durch das
Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) ausgestellte Rückkehrausweise zu
akzeptieren, nationale Laissez-passer für eine einfache Strecke (one way)
auszustellen oder Familienangehörigen die Möglichkeit in Aussicht stellen, dass
ihnen bei ihrer Ankunft in dem betreffenden Mitgliedstaat ein Visum erteilt
wird. Verwaltungsgebühren für Visa sind zulässig,
dürfen aber nicht überzogen oder unverhältnismäßig sein. Die Gebühren dürfen
weder bezwecken noch bewirken, dass ein Hindernis für die Ausübung der durch
diese Richtlinie verliehenen Rechte geschaffen und somit die Wirksamkeit der
Richtlinie beeinträchtigt wird[63]. Gemäß Artikel 13 Absatz 2 müssen die
Mitgliedstaaten Familienangehörigen einen verlängerbaren ersten
Aufenthaltstitel mit mindestens einjähriger
Gültigkeitsdauer erteilen. Gemäß Artikel 13 Absatz 3 darf die
Gültigkeitsdauer der dem (den) Familienangehörigen erteilten Aufenthaltstitel grundsätzlich
nicht über die des Aufenthaltstitels des Zusammenführenden hinausgehen. Um zu
gewährleisten, dass der Aufenthaltstitel des Zusammenführenden und der der
Familienangehörigen zum gleichen Zeitpunkt ablaufen, können die Mitgliedstaaten
Aufenthaltstitel mit einer Gültigkeitsdauer von weniger als einem Jahr
ausstellen. Allerdings sind Ausnahmen von dieser Regel zulässig, z. B.,
wenn der Aufenthaltstitel des Zusammenführenden eine Gültigkeitsdauer von
weniger als einem Jahr hat, die Verlängerung aber außer Frage steht. 5.2. Zugang
zu einer Erwerbstätigkeit Vorbehaltlich der fakultativen Beschränkungen
gemäß Artikel 14 Absätze 2 und 3 haben die Familienangehörigen des
Zusammenführenden in gleicher Weise wie dieser selbst Anspruch auf Zugang zu
einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit. Für einen Zeitraum
von höchstens 12 Monaten können die Mitgliedstaaten festlegen, unter welchen
Voraussetzungen Familienangehörige eine Erwerbstätigkeit ausüben können. In
diesem Zeitraum können die Mitgliedstaaten auch den Zugang zu ihrem
Arbeitsmarkt beschränken und sogar eine Arbeitsmarktprüfung durchführen. Nach
dem Zeitraum von 12 Monaten sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, den
Familienangehörigen die Ausübung einer unselbstständigen oder selbstständigen
Erwerbstätigkeit zu gestatten, sofern der Zusammenführende über eine
entsprechende Genehmigung verfügt. Die Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit, für
Verwandte in aufsteigender Linie ersten Grades und volljährige unverheiratete
Kinder den Zugang zu einer unselbständigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit
zu beschränken, nicht aber für andere im Rahmen dieser Richtlinie zugelassene
Familienangehörige. Die Regelung des Zugangs zur Beschäftigung für außerhalb
des Anwendungsbereichs der Richtlinie zugelassene Familienangehörige fällt
uneingeschränkt in die einzelstaatliche Zuständigkeit. Um die Integration von
Familienangehörigen zu fördern[64],
Armutsfallen zu beseitigen und den Verlust von Kompetenzen zu vermeiden,
empfiehlt die Kommission, die Beschränkungen des Zugangs zum Arbeitsmarkt für
Familienangehörige, insbesondere Migrantinnen, auf einem möglichst niedrigen
Niveau zu halten. 5.3. Zugang
zu einem eigenen Aufenthaltstitel Gemäß Artikel 15 Absatz 1 haben der
Ehegatte oder der nicht eheliche Lebenspartner und das volljährig gewordene
Kind spätestens nach fünfjährigem Aufenthalt und unter der Voraussetzung, dass
dem Familienangehörigen kein Aufenthaltstitel aus anderen Gründen als denen der
Familienzusammenführung erteilt wurde, — falls erforderlich auf Antrag — das
Recht auf einen eigenen Aufenthaltstitel. Unter „Aufenthalt“ ist der
rechtmäßige Aufenthalt zu verstehen; die Kommission betont, dass die
Mitgliedstaaten den Aufenthaltstitel zu einem früheren Zeitpunkt erteilen
dürfen. Kommt es zum Abbruch der Beziehung, hat der Ehegatte oder nicht
verheiratete Partner nach wie vor das Recht auf einen eigenen Aufenthaltstitel;
allerdings dürfen die Mitgliedstaaten volljährige Kinder ausschließen. Während
in Artikel 15 Absatz 4 festgelegt ist, dass die Bedingungen im
nationalen Recht festgelegt werden müssen, ist in Artikel 15 Absatz 3
vorgesehen, dass ein Beziehungsabbruch Witwenstand, Trennung, Scheidung, Tod
usw. umfassen kann. Gemäß Artikel 15 Absatz 2 und Artikel 15
Absatz 3 (Satz 1) können die Mitgliedstaaten volljährigen Kindern und
Verwandten in gerader aufsteigender Linie, auf die Artikel 4 Absatz 2 Anwendung
findet, einen eigenen Aufenthaltstitel gewähren sowie, auf Antrag, allen
Personen, die im Falle des Todes des Ehepartners, der Scheidung, der Trennung
und des Todes von Verwandten ersten Grades in gerader aufsteigender oder
absteigender Linie zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist sind. Nach Artikel 15 Absatz 3 Satz 2 müssen die Mitgliedstaaten
einen eigenen Aufenthaltstitel ausstellen, wenn bei Familienangehörigen, die
zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist sind, besonders schwierige
Umstände vorliegen. Die Mitgliedstaaten müssen die entsprechenden Bedingungen
im nationalen Recht festlegen. Die besonders schwierigen Umstände müssen durch
die familiäre Situation oder den Abbruch der familiären Bindungen verursacht
worden und nicht auf Schwierigkeiten mit anderen Ursachen zurückzuführen sein.
Für besonders schwierige Umstände können folgende Situationen beispielhaft
genannt werden: häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder, Zwangsehen, Gefahr
einer Genitalverstümmelung oder Fälle, in denen die betreffende Person in einer
besonders schwierigen familiären Situation wäre, wenn sie zur Rückkehr in ihr
Herkunftsland gezwungen würde. 6. Familienzusammenführung
von Personen, die internationalen Schutz geniessen 6.1. Flüchtlinge In Kapitel V der Richtlinie sind Ausnahmen von
den Artikeln 4, 5, 7 und 8 festgelegt, die günstigere Bedingungen für die
Familienzusammenführung von Flüchtlingen schaffen. Diese Ausnahmen erlegen den
Mitgliedstaaten präzise Verpflichtungen auf; gleichzeitig sind die eindeutig
definierten Rechte von Einzelpersonen festgelegt, denen zufolge die
Mitgliedstaaten die Familienzusammenführung bestimmter Familienangehöriger
einer Flüchtlingsfamilie gemäß diesen günstigeren Bedingungen gestatten müssen,
ohne über einen Ermessensspielraum zu verfügen[65]. Gleichzeitig gestattet die Richtlinie den
Mitgliedstaaten, die Anwendung dieser günstigeren Bedingungen auf Folgendes zu
beschränken: 1. familiäre Bindungen, die bereits vor der
Einreise bestanden haben (Artikel 9 Absatz 2), 2. Anträge, die innerhalb einer Frist von drei
Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt wurden
(Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 3), und 3. Familien, für die eine
Familienzusammenführung in einem Drittstaat unmöglich ist, zu dem eine
besondere Bindung des Zusammenführenden und/oder der Familienangehörigen
besteht (Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2). Allerdings dürfen die Mitgliedstaaten diesen
Spielraum nicht in einer Weise nutzen, die dem Ziel und der Wirksamkeit der
Richtlinie schadet[66].
Die Mitgliedstaaten sollten bei der Umsetzung und Anwendung dieser Bestimmungen
ihr Augenmerk auf die besondere Situation der Flüchtlinge richten, die zur
Flucht aus ihrem Land gezwungen und daran gehindert wurden, dort ein normales
Familienleben zu führen[67]. Die Kommission fördert die beispielhafte
Vorgehensweise einer Reihe von Mitgliedstaaten, die die fakultativen
Beschränkungen nicht anwenden oder in Anbetracht der besonderen Lage der
Flüchtlinge und der Schwierigkeiten, mit denen sie bei der Beantragung der
Familienzusammenführung häufig konfrontiert sind[68], mehr
Nachsicht üben. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 dürfen die
Mitgliedstaaten von einem Flüchtling und/oder einem (den) Familienangehörigen
nicht den Nachweis verlangen[69],
dass der Flüchtling die in Artikel 7 genannten Bedingungen in Bezug auf
Wohnraum, Krankenversicherung, ausreichende Einkünfte und Integrationsmaßnahmen
erfüllt. Allerdings können die Integrationsmaßnahmen angewandt werden, sobald
den betroffenen Personen die Familienzusammenführung gewährt wurde
(Artikel 7 Absatz 2 Unterabsatz 2). Da diese Regel Teil der
allgemeinen Bestimmungen und nicht von Kapitel V ist, hat sie Vorrang vor
Artikel 9 Absatz 2, wonach die Mitgliedstaaten die günstigeren
Bestimmungen auf Flüchtlinge beschränken können, deren familiäre Bindungen
bereits vor ihrer Einreise bestanden haben. Im Falle einer nach der Einreise
des zusammenführenden Flüchtlings gegründeten Kernfamilie, auf die Kapitel V
nicht anwendbar ist, können die Integrationsmaßnahmen auch erst nach der
Gewährung der Familienzusammenführung zur Anwendung kommen. Die Kommission weist mit Nachdruck darauf hin,
dass die Bestimmungen des Kapitels V im Lichte der Grundsätze von
Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 17 zu verstehen sind. Daher
müssen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung von Anträgen auf
Familienzusammenführung durch Flüchtlinge bei jedem Einzelfall alle Interessen
einer ausgewogenen und angemessenen Bewertung unterziehen und dabei das Wohl
minderjähriger Kinder gebührend berücksichtigen[70]. Kein
Faktor kann für sich allein genommen automatisch zu einer Entscheidung führen;
jeder Faktor muss als einer der relevanten Faktoren Teil der Gleichung sein[71]. 6.1.1. Familienangehörige Gemäß Artikel 10 Absatz 1 ist
hinsichtlich der Definition von Familienangehörigen von Flüchtlingen die
Definition von Familienangehörigen gemäß Artikel 4 anzuwenden, so dass
strengere Definitionen oder zusätzliche Anforderungen ausgeschlossen sind. Die
in Artikel 4 festgelegten obligatorischen und fakultativen Beschränkungen wie
der Ausschluss der Mehrere kommen ebenfalls zur Anwendung. Eine Ausnahme bildet
Artikel 4 Absatz 1 Unterabsatz 3, der nicht für die Kinder von
Flüchtlingen gilt. Artikel 10 Absatz 2 erlaubt den
Mitgliedstaaten ausdrücklich, diesen Geltungsbereich zu erweitern. So können
sie den Nachzug weiterer, in Artikel 4 nicht genannter Familienangehöriger
gestatten, sofern der zusammenführende Flüchtling für ihren Unterhalt aufkommt.
Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, bei der Nutzung ihres
Ermessensspielraums humanitären Gesichtspunkten Vorrang zu geben, zumal
Artikel 10 Absatz 2 keinerlei Beschränkungen hinsichtlich des
Verwandtschaftsgrads von „weiteren Familienangehörigen“ enthält. Die Kommission
fordert die Mitgliedstaaten auf, auch den Nachzug von Personen zu erwägen, die
mit dem zusammenführenden Flüchtling nicht biologisch verwandt sind, für die
aber innerhalb des Familienverbunds gesorgt wird, z. B. Pflegekinder.
Allerdings können die Mitgliedstaaten in dieser Hinsicht auch weiterhin nach
eigenem Ermessen entscheiden. Maßgeblicher Faktor ist das Konzept des
Unterhaltsbedarfs. 6.1.2. Fehlender
Nachweis durch amtliche Unterlagen Vorbehaltlich der Ausnahmeregelung in Bezug
auf den Nachweis durch amtliche Unterlagen gemäß Artikel 11 Absatz 2
kommt nach Artikel 11 hinsichtlich der Stellung und Prüfung des Antrags
Artikel 5 zur Anwendung. Somit können die Mitgliedstaaten im Einklang mit
Artikel 5 Absatz 2 erwägen, zur Feststellung familiärer Bindungen den
Nachweis durch amtliche Unterlagen zu nutzen; Befragungen und weitere
Untersuchungen dürfen durchgeführt werden, wenn dies zweckmäßig und
erforderlich ist. Allerdings ist es aufgrund der besonderen
Situation der Flüchtlinge, die zur Flucht aus ihrem Land gezwungen wurden, häufig
nicht möglich oder gefährlich für die Flüchtlinge oder ihre
Familienangehörigen, amtliche Unterlagen vorzulegen oder Kontakt zu
diplomatischen oder konsularischen Behörden ihres Herkunftslands aufzunehmen. Artikel 11 Absatz 2 besagt ganz
eindeutig, ohne dass den Mitgliedstaaten ein Ermessensspielraum eingeräumt
wird, dass die Ablehnung eines Antrags nicht ausschließlich mit dem Fehlen von
Belegen begründet werden darf. Die Mitgliedstaaten sind in solchen Fällen
verpflichtet, „andere Nachweise“ für das Bestehen familiärer Bindungen zu
prüfen. Da diese „anderen Nachweise“ nach dem nationalen Recht zu bewerten
sind, haben die Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum, sie sollten
aber eindeutige Vorschriften für den Nachweis familiärer Bindungen festlegen.
Beispiele für „andere Nachweise“, um familiäre Bindungen festzustellen, können
schriftliche und/oder mündliche Erklärungen der Antragsteller sein, Befragungen
von Familienangehörigen oder Untersuchungen über die Situation im
Herkunftsland. Diese Erklärungen können dann beispielsweise durch Belege
untermauert werden wie Dokumente, audiovisuelles Material, alle Arten von
Unterlagen oder Beweisstücken (z. B. Diplome, Nachweise von
Geldüberweisungen) oder die Kenntnis sehr persönlicher Fakten. Im Rahmen der gemäß Artikel 17
durchzuführenden Einzelfallbewertung und Prüfung der vom Antragsteller
vorgelegten Nachweise müssen die Mitgliedstaaten alle relevanten Faktoren,
einschließlich Alter, Geschlecht, Bildungsgrad, Hintergrund und sozialer Status
sowie spezifische kulturelle Aspekte, berücksichtigen. Nach Ansicht der
Kommission können in den Fällen, in denen nach der Prüfung anderer Arten von
Nachweisen weiterhin ernsthafte Zweifel bestehen oder in denen deutliche
Hinweise auf eine betrügerische Absicht vorliegen, DNA-Tests als letztes Mittel
eingesetzt werden[72].
In diesen Fällen sollten die Mitgliedstaaten nach Ansicht der Kommission die
Grundsätze des UNHCR im Zusammenhang mit DNA-Tests einhalten[73]. Die Richtlinie hält die Mitgliedstaaten nicht
davon ab, von Flüchtlingen oder Antragstellern Gebühren für DNA-Tests oder
andere Untersuchungen zu verlangen. Allerdings dürfen die Gebühren weder
überzogen noch unverhältnismäßig sein, so dass sie ein Hindernis für die
Ausübung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte schaffen und die
Wirksamkeit der Richtlinie beeinträchtigen[74].
Bei der Festlegung der möglichen Gebühren sollten die Mitgliedstaaten nach Ansicht
der Kommission die besondere Situation der Flüchtlinge berücksichtigen; sie
fordert die Mitgliedstaaten zur Übernahme der Kosten eines DNA-Tests auf,
insbesondere wenn der Test dem Flüchtling oder seinen Familienangehörigen
vorgeschrieben wird. 6.1.3. Ausnahmen
von den günstigeren Bestimmungen gemäß Kapitel V Gemäß Artikel 12 Absatz 1
Unterabsatz 2 können die Mitgliedstaaten die günstigeren Bedingungen nicht
anwenden, wenn die Familienzusammenführung in einem Drittstaat möglich ist, zu
dem eine besondere Bindung des Zusammenführenden und/oder der
Familienangehörigen besteht. Diese Option setzt voraus, dass der Drittstaat
eine realistische Alternative und somit ein sicherer Staat für den
Zusammenführenden und seine Familienangehörigen ist. Die Beweislast, dass die
Familienzusammenführung in einem Drittstaat erfolgen kann, liegt bei dem
Mitgliedstaat, nicht beim Antragsteller. Die Umsiedlung in ein solches
Drittland darf in keinem Fall bedeuten, dass der Flüchtling und/oder seine
Familienangehörigen Gefahr laufen, verfolgt oder zurückgewiesen zu werden[75] , und
der Flüchtling sollte die Möglichkeit haben, dort im Einklang mit dem Abkommen
von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge Schutz zu erhalten. Die
„besondere Bindung“ setzt voraus, dass der Zusammenführende und/oder die
Familienangehörigen familiäre, kulturelle und soziale Bindungen zu dem
Drittstaat haben[76]. Gemäß Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 3 können
die Mitgliedstaaten von Flüchtlingen die Erfüllung der in Artikel 7 Absatz 1
genannten Voraussetzungen verlangen, wenn der Antrag auf
Familienzusammenführung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der
Zuerkennung des Flüchtlingsstatus gestellt wurde. Flüchtlinge haben in diesem
Zeitraum häufig mit praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen, die die
Familienzusammenführung konkret behindern können. Daher machen die meisten
Mitgliedstaaten von dieser Einschränkung keinen Gebrauch, was nach Auffassung
der Kommission die am besten geeignete Lösung darstellt. Falls Mitgliedstaaten die Anwendung dieser
Bestimmung dennoch beschließen sollten, sollten sie nach Ansicht der Kommission
bei der Prüfung eines Einzelantrags die objektiven praktischen Hindernisse
berücksichtigen, mit denen der Antragsteller konfrontiert ist. Hinzu kommt,
dass die Entscheidung, ob der Antrag im Einklang mit Artikel 11 und
Artikel 5 Absatz 1 vom Zusammenführenden oder von dem Familienangehörigen einzureichen
ist, im Ermessen der Mitgliedstaaten liegt und dass die Erfüllung dieser
Voraussetzung aufgrund der besonderen Situation der Flüchtlinge und ihrer
Familienangehörigen besonders schwierig oder unmöglich sein kann. Nach Auffassung der Kommission sollten die
Mitgliedstaaten, insbesondere bei der Anwendung einer Frist, die Möglichkeit
vorsehen, dass der Zusammenführende den Antrag im Hoheitsgebiet des
Mitgliedstaats einreicht, um die Wirksamkeit des Rechts auf
Familienzusammenführung zu gewährleisten. Wenn ein Antragsteller objektive
praktische Schwierigkeiten hat, die Dreimonatsfrist einzuhalten, sollten die
Mitgliedstaaten nach Auffassung der Kommission diesem Antragsteller
ermöglichen, einen Teilantrag zu stellen, den er vollendet, sobald die
erforderlichen Dokumente vorliegen oder das Suchverfahren erfolgreich
abgeschlossen ist. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten zudem mit
Nachdruck auf, rechtzeitig verständliche und klare Informationen zur
Familienzusammenführung für Flüchtlinge bereitzustellen (beispielsweise wann
ihnen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird). 6.1.4. Reisedokumente
und Visa für den längerfristigen Aufenthalt Die Erlangung der erforderlichen
Reisedokumente und Visa für den längerfristigen Aufenthalt kann für Flüchtlinge
und ihre Familienangehörigen besonders schwierig sein und die
Familienzusammenführung ganz konkret behindern. Die Kommission ist daher der
Auffassung, dass die Mitgliedstaaten dieser besonderen Situation besondere
Beachtung schenken sollten und die Erlangung von Reisedokumenten und Visa für
den längerfristigen Aufenthalt erleichtern sollten, damit Flüchtlinge ihr Recht
auf Familienzusammenführung effektiv wahrnehmen können. In den Fällen, in denen
es den Flüchtlingen und ihren Familienangehörigen nicht möglich ist, nationale
Reisedokumente und Visa für den längerfristigen Aufenthalt zu erlangen, werden
die Mitgliedstaaten aufgefordert, die Rückkehrausweise des IKRK und die gemäß
der Flüchtlingskonvention ausgestellten Reiseausweise[77]
anzuerkennen und zu akzeptieren, Laissez-passer für eine einfache Strecke (one
way) auszustellen und Familienangehörigen die Möglichkeit in Aussicht zu
stellen, dass ihnen bei ihrer Ankunft in dem betreffenden Mitgliedstaat ein
Visum erteilt wird. 6.2. Personen,
die subsidiären Schutz genießen Artikel 3 Absatz 2 schließt die
Anwendung der Richtlinie und somit die günstigeren Bedingungen für Flüchtlinge
aus, wenn a) der Zusammenführende um die Anerkennung als
Flüchtling nachsucht und über seinen Antrag noch nicht abschließend entschieden
wurde; oder dem Zusammenführenden b) der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat im
Rahmen des vorübergehenden Schutzes genehmigt wurde oder c) der Aufenthalt in einem Mitgliedstaat im
Rahmen des subsidiären Schutzes genehmigt wurde oder er um die Genehmigung des
Aufenthalts aus einem dieser Gründe nachsucht. Die Kommission weist darauf hin, dass die
Richtlinie nicht so ausgelegt werden darf, als seien die Mitgliedstaaten
verpflichtet, Personen, die vorübergehenden oder subsidiären Schutz genießen,
das Recht auf Familienzusammenführung zu verwehren[78]. Nach
Auffassung der Kommission unterscheiden sich die humanitären Schutzbedürfnisse
von Personen, die subsidiären Schutz genießen, nicht von denen der Flüchtlinge;
die Kommission fordert die Mitgliedstaaten auf, Vorschriften zu erlassen, die
Flüchtlingen und Personen, die vorübergehenden oder subsidiären Schutz
genießen, ähnliche Rechte gewähren. Die Konvergenz der beiden Schutzformen wird
auch in der Neufassung der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU[79], die zum
„EU-Asylpaket“[80]
gehört, bestätigt. Die Mitgliedstaaten sind in jedem Fall, auch wenn eine
Situation nicht unter das Recht der Europäischen Union fällt, zur Achtung der
Artikel 8 und 14 EMRK verpflichtet[81]. 7. Allgemeine
Grundsätze 7.1. Verfügbarkeit
von Informationen Die Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten
auf, wirksame und leicht zu handhabende sowie transparente und faire Regeln für
die Verfahren zur Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung zu
entwickeln, die den Betroffenen eine angemessene Rechtssicherheit bieten[82]. Um
diese Kriterien zu erfüllen, sollten die Mitgliedstaaten praktische Leitfäden
erstellen, die detaillierte, präzise und verständliche Informationen für
Antragsteller enthalten und in denen alle neuen Entwicklungen zeitnah und
verständlich mitgeteilt werden. Diese praktischen Leitfäden sollten allgemein
zugänglich gemacht werden, auch im Internet[83],
und an Orten, an denen Anträge gestellt werden, unabhängig davon, ob es sich
dabei um Konsulate oder andere Stellen handelt. Die Kommission empfiehlt, diese
Leitfäden in der Landessprache des Mitgliedstaats, in der Sprache des Landes,
in dem der Antrag gestellt wird, und in Englisch zu erstellen. 7.2. Kindeswohl Diese horizontale Klausel von Artikel 5
Absatz 5 erfordert, dass das Wohl des Kindes bei allen Maßnahmen, die
Kinder betreffen, gebührend zu berücksichtigen ist[84]. Die
Mitgliedstaaten müssen deshalb das Wohlbefinden des Kindes und die familiäre
Situation im Einklang mit dem im Übereinkommen über die Rechte des Kindes und
in der Grundrechtecharta der Europäischen Union anerkannten Grundsatz der
Achtung des Familienlebens berücksichtigen. Nach der Rechtsprechung des EuGH müssen die
Mitgliedstaaten gemäß Artikel 5 Absatz 5 sowie Erwägungsgrund 2 bei
der Prüfung eines Antrags durch die Verwaltung eines Mitgliedstaats und
insbesondere bei der Feststellung, ob die Voraussetzungen gemäß Artikel 7
Absatz 1 erfüllt sind, diese Richtlinie im Lichte der Achtung des Privat-
und Familienlebens[85]
und der Rechte des Kindes[86],
die in der Charta[87]
verankert sind, auslegen und anwenden. Der EuGH hat außerdem anerkannt[88], dass
Kinder zur vollen und harmonischen Entfaltung ihrer Persönlichkeit in einer
Familie aufwachsen sollten[89],
dass die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen haben, dass ein Kind nicht gegen den
Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird[90]
und dass die Mitgliedstaaten von einem Kind oder seinen Eltern zwecks
Familienzusammenführung gestellte Anträge auf Einreise in einen Mitgliedstaat
oder Ausreise aus einem Mitgliedstaat wohlwollend, human und beschleunigt
bearbeiten sollten[91].
Darüber hinaus hat der EuGH anerkannt[92], dass
das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens in Verbindung mit der
Verpflichtung zur Berücksichtigung des Kindeswohls[93] und
unter Beachtung des Erfordernisses zu lesen ist, dass ein Kind regelmäßig
persönliche Beziehungen zu beiden Elternteilen unterhält[94].
Folglich muss ein Mitgliedstaat bei der Prüfung eines Antrags dafür sorgen,
dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, es
sei denn, der Mitgliedstaat beschließt, dass das Wohl des Kindes eine solche
Trennung nach den geltenden Rechtsvorschriften und Verfahren erfordert. Die
Gründe für eine derartige Entscheidung müssen genannt werden, um eine wirksame
gerichtliche Überprüfung zu gewährleisten. 7.3. Rechtsmissbrauch
und Betrug Die Kommission hält es für unerlässlich,
Maßnahmen zu ergreifen, um gegen Missbrauch und Betrug im Zusammenhang mit den
durch diese Richtlinie verliehenen Rechten vorzugehen. Im Interesse der
Gesellschaft und der aufrechten Antragsteller fordert die Kommission die
Mitgliedstaaten auf, im Einklang mit den Bestimmungen von Artikel 16 Absätze 2
und 4 energisch gegen Missbrauch und Betrug vorzugehen. Gemäß Artikel 16 Absatz 2 können die
Mitgliedstaaten einen Antrag ablehnen, den Aufenthaltstitel eines
Familienangehörigen entziehen oder seine Verlängerung verweigern, wenn
feststeht, a) dass falsche oder irreführende Angaben
gemacht wurden, ge- oder verfälschte Dokumente verwendet wurden, auf andere
Weise eine Täuschung verübt wurde oder andere ungesetzliche Mittel angewandt
wurden oder b) dass die Ehe oder Lebenspartnerschaft nur
geschlossen bzw. die Adoption nur vorgenommen wurde, um der betreffenden Person
die Einreise oder den Aufenthalt in einem Mitgliedstaat zu ermöglichen (Scheinehe,
Scheinpartnerschaft, falsche Angaben zur Elternschaft). Bei der Bewertung derartiger Fälle dürfen die
Mitgliedstaaten insbesondere der Tatsache Rechnung tragen, dass eine Ehe oder
Lebenspartnerschaft geschlossen oder eine Adoption vorgenommen wurde, nachdem
der Zusammenführende seinen Aufenthaltstitel erhalten hat. Gemäß Artikel 16 Absatz 4 können die
Mitgliedstaaten bei Vorliegen eines begründeten Verdachts auf Täuschung oder
Scheinehe, Scheinpartnerschaft oder Scheinadoption punktuelle Kontrollen
durchführen. Allgemeine Kontrollen und Überprüfungen der spezifischen
Kategorien der Ehe, Partnerschaft oder Adoption hingegen sind nicht zulässig. Scheinehen können Ehen von
Drittstaatsangehörigen mit a) anderen in der EU wohnhaften
Drittstaatsangehörigen, b) EU-Staatsangehörigen, die das Recht auf
Freizügigkeit wahrgenommen haben, oder c) eigenen Staatsangehörigen betreffen. Zwar werden auf die Familienzusammenführung in
diesen Konstellationen andere Rechte und rechtliche Bestimmungen angewandt,
aber die wichtigsten Begriffsbestimmungen, Untersuchungs- und
Aufdeckungsverfahren sind die gleichen. Aus diesem Grund kann Abschnitt 4.2 der
Mitteilung von 2009 zur Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der
Freizügigkeitsrichtlinie mutatis mutandis als Grundlage für die
Definitionen dienen[95]. In ihrer Mitteilung vom 25. November 2013 über
die Freizügigkeit von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen[96] hatte
die Kommission angekündigt, dass sie den Behörden bei der Umsetzung der
EU-Vorschriften zur Bekämpfung etwaigen Missbrauchs des Rechts auf
Freizügigkeit Hilfestellung leisten und ein Handbuch zum Thema Scheinehen
erstellen wird (Aktion 1). Gegenstand dieses Handbuchs werden Scheinehen
zwischen EU-Bürgern und Drittstaatsangehörigen im Rahmen der Freizügigkeit der
EU-Bürger (Richtlinie 2004/38/EG) sein, nicht aber Scheinehen zwischen zwei
Drittstaatsangehörigen im Zusammenhang mit der Richtlinie 2003/86/EG.
Angesichts der Parallelen zu den operativen Aspekten der Bekämpfung von
potenziellem Missbrauch und Betrug im Zusammenhang mit dem Recht auf
Familienzusammenführung kann das Handbuch mutatis mutandi und wo dies
angebracht ist, als Anhaltspunkt dienen, insbesondere im Zusammenhang mit
Untersuchungsinstrumenten und -verfahren und der grenzübergreifenden
Zusammenarbeit. Angesichts der Tatsache, dass die organisierte
Kriminalität an Scheinehen beteiligt ist, erfordert deren Bekämpfung eine
operative Reaktion, die die polizeiliche Zusammenarbeit und den Austausch
bewährter Verfahren zwischen den zuständigen nationalen Behörden in den
geeigneten Strafverfolgungsforen zur Folge hat. Zu diesem Zweck wurde ein
besonderes strategisches Ziel (Ziel 4) im Zusammenhang mit Scheinehen in den
EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der organisierten und schweren internationalen
Kriminalität im Rahmen der Priorität hinsichtlich der „Beihilfe zur illegalen
Einwanderung“ aufgenommen[97].
Die Prioritäten des Politikzyklus werden multidisziplinär durch gemeinsame
Maßnahmen der nationalen Behörden und der Kommissionsagenturen wie Europol
umgesetzt, damit der operative Austausch zwischen den Mitgliedstaaten über die
verschiedenen Aspekte der umfassenderen Problematik der Scheinehen in
Verbindung mit dem organisierten Verbrechen verstärkt werden kann. 7.4. Einzelfallbewertung Gemäß der Rechtsprechung des EuGH sind die
Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass eine ausgewogene und
angemessene Bewertung aller Interessen sowohl bei der Umsetzung der Richtlinie
2003/86 als auch bei der Prüfung von Anträgen auf Familienzusammenführung,
durchgeführt wird[98].
Der EuGH ist ferner der Auffassung, dass es gemäß Artikel 17 Aufgabe der
Mitgliedstaaten ist, eine umfassende Bewertung aller relevanten Faktoren in
jedem Einzelfall durchzuführen. Diese Verpflichtung gilt auch, wenn die
Mitgliedstaaten von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, den Nachweis zu
verlangen, dass bestimmte Bedingungen erfüllt sind (z. B. in Bezug auf
Wohnraum, Krankenversicherung und Einkünfte gemäß Artikel 7), im Rahmen
der Überprüfung, ob ein Kind über 12 Jahre, das unabhängig vom Rest seiner
Familie ankommt, ein Integrationskriterium erfüllt (gemäß Artikel 4
Absatz 1 in fine), wenn ein Kind, das das 15. Lebensjahr vollendet
hat, einen Antrag einreicht (Artikel 4 Absatz 6) oder wenn ein
Mindestalter für die Ehegatten vorgesehen ist (Artikel 4 Absatz 5).
Keiner dieser Faktoren darf für sich allein genommen zu einer Entscheidung
führen, sondern muss als einer der relevanten Faktoren Teil der Gleichung sein[99]. Beispiele für sonstige einschlägige Faktoren
sind die Art und die Stärke der familiären Bindungen der betreffenden Person;
die Dauer ihres Aufenthalts in dem Mitgliedstaat; das Bestehen familiärer,
kultureller und sozialer Bindungen zu ihrem Herkunftsland; die
Lebensbedingungen im Herkunftsland; das Alter der betreffenden Kinder; die
Tatsache, dass ein Familienangehöriger in dem Mitgliedstaat geboren wurde
und/oder dort aufgewachsen ist; wirtschaftliche, kulturelle und soziale
Bindungen in dem Mitgliedstaat; der Unterhaltsbedarf von Familienangehörigen;
der Schutz von Ehen und/oder familiären Banden. Obwohl die Mitgliedstaaten bei der gebührenden
Berücksichtigung der relevanten Faktoren im Einzelfall über einen großen
Ermessensspielraum verfügen, sind ihnen durch die Grundsätze gemäß
Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention, durch Artikel 7
der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zum Schutz der Familie und
zur Achtung des Familienlebens sowie durch die einschlägige Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des EuGH Grenzen vorgegeben.
Folgende Grundsätze sollten eingehalten werden: alle individuellen Umstände
eines Falls sind zu identifizieren, und Einzel- und öffentlichen Interessen
sollte ein Gewicht beigemessen werden, das dem in vergleichbaren Fällen ähnelt.
Darüber hinaus muss die Abwägung der relevanten Einzel- und öffentlichen
Interessen angemessen und verhältnismäßig sein. Die Mitgliedstaaten sollten in
ihren Entscheidungen über die Ablehnung eines Antrags die Gründe hierfür
ausdrücklich angeben[100]. X ist eine Drittstaatsangehörige, die mit ihrer minderjährigen Tochter
in einem Mitgliedstaat wohnt. X möchte, dass ihr drittstaatsangehöriger Ehegatte
nachzieht, aber ihr Einkommen erreicht nicht den in dem betreffenden
Mitgliedstaat geltenden Schwellenwert. Ist der Mitgliedstaat dennoch zur
Prüfung der Begründetheit des Falls verpflichtet? Ja, der Mitgliedstaat muss alle relevanten Faktoren, einschließlich des
Einkommenserfordernisses, dieses Einzelfalls prüfen. Der Mitgliedstaat kann
einen Nachweis dafür verlangen, dass X über feste und regelmäßige Einkünfte
verfügt, die ausreichen, um den Lebensunterhalt für sich und die Mitglieder
ihrer Familie zu bestreiten; allerdings muss der Mitgliedstaat den Antrag im
Interesse des Kindes und auch in dem Bestreben, das Familienleben zu fördern,
prüfen und vermeiden, dass das Ziel und die Wirksamkeit der Richtlinie
beeinträchtigt werden[101]. 7.5. Recht
auf Rechtsbehelf Gemäß Artikel 18 sind die Mitgliedstaaten
verpflichtet, dafür zu sorgen, dass ein wirksamer Rechtsbehelf gegen
Entscheidungen der nationalen Behörden eingelegt werden kann. Die Kommission
betont, dass die Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Unionsrechts die
einschlägigen Bestimmungen der Grundrechtecharta achten müssen und die
Rechtsbehelfsbestimmungen der Richtlinie daher im Einklang mit dem Recht, bei
einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen (Artikel 47 der
Charta), und der Rechtsprechung des EuGH in dieser Angelegenheit anwenden
müssen[102]. Dies bedeutet, dass in Bezug auf die
Begründetheit und Rechtmäßigkeit eine uneingeschränkte gerichtliche Überprüfung
möglich sein muss. Daher können Entscheidungen nicht nur in Bezug auf die Rechtsvorschriften,
sondern auch in Bezug auf den Sachverhalt angefochten werden. Der Kläger hat
ein Recht darauf, dass seine Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und
zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich
und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Gemäß Artikel 47 der
Charta hat jede Person das Recht, einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen;
außerdem hat jede Person ein Recht auf ein faires Verfahren vor einem Gericht.
Aus diesem Grund kann eine gerichtsähnliche oder administrative Überprüfung
nicht angemessen sein. In der Richtlinie ist ausdrücklich festgelegt,
dass das Recht auf Einlegen eines Rechtsbehelfs vier mögliche Entscheidungen
betrifft[103].
Nach der Rechtsprechung des EuGH hingegen müssen auch gegen andere
Entscheidungen über die Einschränkung der durch die Richtlinie garantierten
subjektiven Rechte effektive Rechtsmittel eingelegt werden können.
Artikel 47 der Charta gilt für alle in der Richtlinie vorgesehenen Rechte
einschließlich beispielsweise Entscheidungen über die Einschränkung des Rechts
auf Beschäftigung[104]
oder die Verweigerung eines eigenen Aufenthaltstitels[105].
Etwaige Folgen - sei es die automatische Genehmigung oder die Einlegung eines
Rechtsbehelfs gegen eine automatische Ablehnung -, die sich daraus ergeben,
dass der Mitgliedstaat nicht innerhalb der festgelegten Frist über einen Antrag
auf Familienzusammenführung entschieden hat, richten sich nach dem nationalen
Recht des betreffenden Mitgliedstaats[106].
n den nationalen Rechtsvorschriften sollte ein effektives
Entschädigungsverfahren vorgesehen werden, damit im Falle eines administrativen
Versäumnisses im Wege eines Verwaltungsbeschwerdeverfahrens oder, mangels eines
solchen Verfahrens, im Wege eines Gerichtsverfahrens entschieden wird. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten
auf, sowohl dem Zusammenführenden als auch seinen Familienangehörigen das Recht
auf Einlegen eines Rechtsbehelfs zu gewähren, um die effektive Ausübung dieses
Rechts zu ermöglichen. [1] Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und an den
Rat über die Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das Recht
auf Familienzusammenführung, KOM(2008) 610 endgültig. [2] Grünbuch zum Recht auf Familienzusammenführung von in der
Europäischen Union lebenden Drittstaatsangehörigen (Richtlinie 2003/86/EG),
KOM(2011) 735 endgültig. [3] http://ec.europa.eu/dgs/home-affairs/what-is-new/public-consultation/2012/consulting_0023_en.htm. [4] Siebte Tagung des Europäischen Integrationsforums: Öffentliche
Anhörung zum Recht auf Familienzusammenführung von in der EU lebenden
Drittstaatsangehörigen,
Brüssel, 31. Mai - 1. Juni 2012,siehe http://ec.europa.eu/ewsi/en/policy/legal.cfm;
Zusammenfassender Bericht, siehe: http://ec.europa.eu/ewsi/UDRW/images/items/static_38_597214446.pdf. [5] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 60. [6] Analog zu der Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament
gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 54, 59, 61-62. [7] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 43. [8] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 44. [9] Unter „Drittstaatsangehöriger“ ist jede Person zu verstehen, die
kein Bürger der EU ist und die keinen Anspruch auf Freizügigkeit nach dem
Unionsrecht hat. [10] Artikel 2 Buchstaben a bis d. [11] Artikel 2 Buchstabe e der Richtlinie und Artikel 1
Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1030/2002 des Rates
vom 13. Juni 2002 zur einheitlichen Gestaltung des Aufenthaltstitels für
Drittstaatenangehörige, geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 380/2008
des Rates vom 18. April 2008. [12] Handelt es sich beispielsweise um einen Aufenthaltstitel zum
Zwecke der Erwerbstätigkeit, sind alle Umstände im Zusammenhang mit der
Situation des Zusammenführenden (z. B. Art der Beschäftigung,
wirtschaftliche Lage des betreffenden Wirtschaftszweigs, Absichten des
Arbeitgebers und des Arbeitnehmers) zu bewerten. Es sollte nicht nur geprüft
werden, ob der Arbeitsvertrag möglicherweise verlängerbar ist. [13] Analog zu der Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 43. [14] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 60. [15] Siehe Artikel 2 Nummer 9 und Nummer 11 Buchstabe b der Verordnung
(EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27. November 2003 über die Zuständigkeit und
die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in
Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der
Verordnung (EG) Nr. 1347/2000. [16] Z. B. dann, wenn ein Zusammenführender oder sein Ehegatte
nicht das alleinige Sorgerecht hat und die Person, mit der er das Sorgerecht
gemeinsam ausübt, sich weigert, ihre Zustimmung zu erteilen oder unauffindbar
ist. [17] Siehe Dok. Nr. 6504/00 des Rates, S. 5, Fußnote 7. [18] Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 über das Recht der
Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der
Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. L 158,
S. 77. [19] Siehe im Zusammenhang mit der Freizügigkeitsrichtlinie: Rechtssache
C-327/82, Ekro,
18. Januar 1984, Randnr. 11; Rechtssache C-316/85, Lebon, 18. Juni 1987,
Randnr. 21; Rechtssache C-98/07, Nordania Finans und BG Factoring,
6. März 2008, Randnr. 17 und Rechtssache C-523/07, A, April 2009,
Randnr. 34; Rechtssache C-83/11, Rahman und andere, 5. September 2012,
Randnr. 24. [20] Während die Mitgliedstaaten im Rahmen der Freizügigkeitsrichtlinie
verpflichtet sind, die Familienzusammenführung mit Verwandten in aufsteigender
Linie zu fördern, ist dies im Rahmen der Familienzusammenführungsrichtlinie
eine Ausnahme, die nur dann zulässig ist, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt
sind. [21] Analog zu der Rechtssache C-316/85, Lebon, 18. Juni 1987,
Randnrn. 21-22. Rechtssache C-200/02, Zhu und Chen, 9. Oktober
2004, Randnr. 43; Rechtssache C-1/05, Jia, 9. Januar 2007, Randnrn.
36-37; und Rechtssache C-83/11, Rahman und andere, 5. September
2012, Randnrn. 18-45;
Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6. Dezember 2012,
Randnr. 56. [22] Analog zu der Rechtssache C-83/11, Rahman und andere,
5. September 2012, Randnr. 23. [23] Analog zu der Rechtssache C-1/05, Jia, 9. Januar 2007,
Randnr. 37. [24] Als Kriterium für den Unterhaltsbedarf sollte in erster Linie
gelten, ob der betreffende Familienangehörige angesichts seiner persönlichen
Umstände über die finanziellen Mittel verfügt, um in dem Land seines ständigen
Wohnsitzes das Existenzminimum zu erreichen (Vgl. Schlussanträge von
Generalanwalt Geelhoed in der Rechtssache C-1/05, Jia, Randnr. 96). [25] Analog zu der Rechtssache C-316/85, Lebon, 18. Juni 1987,
Randnr. 21-22. [26] Analog zu der Rechtssache C-83/11, Rahman und andere,
5. September 2012, Randnrn. 36-40. [27] Analog zu der Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 43. [28] Analog zu der Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 48. [29] Analog zu der Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament
gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 99-101. [30] In Artikel 3 Absatz 5 ist ausdrücklich vorgesehen, dass
die Mitgliedstaaten günstigere Regelungen festlegen oder beibehalten können. [31] Die Mitgliedstaaten können beispielsweise in folgenden Fällen
Ausnahmeregelungen in Betracht ziehen: im Fall von Neugeborenen oder
Drittstaatsangehörigen, die von der Visumpflicht befreit sind, in einer
Situation, in der eine solche Regelung dem Wohl der minderjährigen Kinder
entspricht, in einer Beziehung, die vor der Einreise bereits bestand und in der
die Partner bereits eine beträchtliche Zeit zusammengelebt haben, aus
humanitären Erwägungen. Diese Beispiele sind nicht erschöpfend und hängen immer
vom Einzelfall ab. [32] Analog zu der Rechtssache C-508/10, Europäische Kommission
gegen Königreich der Niederlande, 26. April 2012, Randnrn. 62, 64-65. [33] Analog zu der Rechtssache C-508/10, Europäische Kommission
gegen Königreich der Niederlande, 26. April 2012, Randnrn. 69-70, 74 und
79. [34] Analog zu der Rechtssache C-508/10, Europäische Kommission
gegen Königreich der Niederlande, 26. April 2012, Randnr. 77. [35] Analog zu der Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 43. [36] Siehe Artikel 18. [37] Obwohl der Kontext, der Zweck und die Rechtsgrundlage der
Richtlinie 2004/38/EG unterschiedlich sind, kann die Rechtsprechung, auf die in
Abschnitt 3 der Mitteilung von 2009 zur Hilfestellung bei der Umsetzung und
Anwendung der Freizügigkeitsrichtlinie (KOM(2009) 313 endgültig, S. 10-14)
Bezug genommen wird, den Mitgliedstaaten und den nationalen Gerichten mutatis
mutandis als Grundlage dienen. [38] Artikel 18 der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November
2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten
Drittstaatsangehörigen. [39] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 43.
Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6. Dezember 2012,
Randnr. 74. [40] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6. Dezember
2012, Randnr. 82. [41] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 46.
Analog zu der Rechtssache C-140/12, Brey, 19. September 2013,
Randnr. 61. [42] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 45. [43] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 49. [44] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6.
Dezember 2012, Randnr. 73. Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 52. [45] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnrn. 43
und 47. [46] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 48. [47] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S.,
6. Dezember 2012, Randnr. 72. [48] Im Gegensatz dazu sieht Artikel 16 Absatz 1 Buchstabe a vor, dass
wenn der Zusammenführende bei der Verlängerung des Aufenthaltstitels nicht über
Einkünfte verfügt, die ausreichen, ohne dass auf Sozialhilfeleistungen des
betreffenden Mitgliedstaats zurückgegriffen werden muss, der Mitgliedstaat die
Beiträge der Familienangehörigen zum Haushaltseinkommen berücksichtigt. Da es
keine ausdrückliche Regelung gibt, die dies verbietet, können die
Mitgliedstaaten auch zum Zeitpunkt der Beantragung des ersten Aufenthaltstitels
die Beiträge der Familienangehörigen zugrunde legen. [49] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnrn.
64-66. [50] Zum Thema Integration siehe: Die Gemeinsamen Grundprinzipien für
die Politik der Integration von Einwanderern in der Europäischen Union, Rat der
Europäischen Union, 2618. Tagung des Rates „Justiz und Inneres“ vom 19.
November 2004, 14615/04 (Presse 321) und die Mitteilung der Kommission an das
Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und
Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 20. Juli 2011 mit
dem Titel „Europäische Agenda für die Integration von Drittstaatsangehörigen“
(KOM(2011) 455 endgültig. [51] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnr. 43. [52] Zweck dieser Stillhalteklausel ist es, der Integrationsfähigkeit
der Kinder in den ersten Lebensjahren Rechnung zu tragen (Erwägungsgrund 12). [53] In der Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat
der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 75 wurde
bestätigt, dass es gerechtfertigt ist, zwischen verschiedenen Kategorien von
Menschen zu unterscheiden. [54] Statistiken und qualitative Bewertungen der Wirkungen der
Maßnahmen können Hinweise darauf geben, dass bestimmte Maßnahmen die
Familienzusammenführung in der Tat behindern. [55] Die automatische Verweigerung der Familienzusammenführung infolge
einer nicht bestandenen Integrationsprüfung könnte einem Verstoß gegen
Artikel 17, Artikel 5 Absatz 5 und Artikel 8 EMRK
gleichkommen. [56] Die einzige Situation, in der Integrationsprobleme zu einer
Ablehnung des Antrags führen können, ist in Artikel 4 Absatz 1
letzter Unterabsatz aufgeführt: Voraussetzung ist dabei, dass der Mitgliedstaat
nach einer Prüfung festgestellt hat, dass ein Integrationskriterium nicht
erfüllt ist. [57] Artikel 17 und Artikel 5 Absatz 5. [58] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 99-101. [59] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 97-98. [60] Die „Wartefrist“ ist eine fakultative Voraussetzung für die
Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung, die „Prüfungsfrist“ hingegen
ist ein vorgegebener Zeitrahmen, innerhalb dessen die Mitgliedstaaten die
Anträge bearbeiten und prüfen sollen. [61] Artikel 3 Absatz 1. [62] Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010, Randnrn.
59-64. [63] Analog zu der Rechtssache C-508/10, Europäische Kommission
gegen Königreich der Niederlande, 26. April 2012, Randnrn. 69 und 79. [64] Siehe Erwägungsgrund 15. [65] Analog zu der Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament
gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 60. [66] Analog zu der Rechtssache C-578/08, Chakroun, 4. März 2010,
Randnr. 43. [67] Erwägungsgrund 8. [68] Schwierigkeiten wie die oft langwierige Suche nach
Familienangehörigen, die Bereitstellung von Unterlagen und Erlangung amtlicher
Dokumente, der Umgang mit den (möglicherweise feindselig gesinnten) Behörden in
ihrem Herkunftsland usw. innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens. [69] In Bezug auf Anträge betreffend die in Artikel 4
Absatz 1 genannten Angehörigen der Kernfamilie. [70] Analog zu den Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S.,
6. Dezember 2012, Randnr. 81. Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament
gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 62-64. [71] Analog zu der Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament
gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 66, 88, 99 und
100. [72] Es sollte berücksichtigt werden, dass sich Ehen oder entfernte
oder unterhaltsberechtigte Familienangehörige, insbesondere im Falle von
Adoptionen, nicht mit einem DNA-Test nachweisen lassen, dass dieser Test nicht
immer erschwinglich und nicht immer an Orten verfügbar ist, zu denen
Flüchtlinge oder ihre Familienangehörigen Zugang haben und dass er in einigen
Fällen erhebliche Verzögerungen verursachen kann. [73] Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR), UNHCR
Note on DNA Testing to Establish Family Relationships in the Refugee Context
(UNHCR-Note zu DNA-Tests zur Feststellung familiärer Beziehungen im
Flüchtlingskontext), Juni 2008, abrufbar unter: http://www.refworld.org/docid/48620c2d2.html. [74] Analog zu der Rechtssache C-508/10, Europäische Kommission
gegen Königreich der Niederlande, 26. April 2012, Randnrn. 69 und 79. [75] Die durch einen Staat in welcher Weise auch immer organisierte
Rückführung einer Person in das Hoheitsgebiet eines anderen Staates, in dem sie
Gefahr läuft, aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der
Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen
Überzeugung verfolgt zu werden, oder in dem die ernste Gefahr besteht, dass die
betreffende Person der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen
unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe unterzogen wird. [76] Siehe Artikel 17. [77] Im Einklang mit Artikel 28 des Abkommens von 1951 über die
Rechtsstellung der Flüchtlinge. [78] Die Richtlinie 2001/55/EG des Rates sieht ausdrücklich vor, dass
Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, Anspruch auf eine
Zusammenführung mit ihren Familienangehörigen haben. [79] Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates
vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von
Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf
internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für
Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden
Schutzes, ABl. L 337 vom 20.12.2011, S.9. [80] Gemeinsames Europäisches Asylsystem. [81] Rechtssache C-256/11, Dereci, 15. November 2011, Randnr.
72; Rechtssache C-127/08, Metock, 25. Juli 2008, Randnr. 79. [82] Erwägungsgrund 13. [83] Auf dem EU-Zuwanderungsportal der Kommission und den einschlägigen
Websites der Mitgliedstaaten. [84] Artikel 24 Absatz 2 der Grundrechtecharta der
Europäischen Union. [85] Artikel 7 der Grundrechtecharta der Europäischen Union. [86] Artikel 24 Absätze 2 und 3 der Grundrechtecharta der Europäischen
Union. [87] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S, 6. Dezember
2012, Randnr. 80. [88] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 57. [89] Sechster Erwägungsgrund der Präambel des Übereinkommens über die
Rechte des Kindes. [90] Artikel 9 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechte
des Kindes. [91] Artikel 10 Absatz 1 des Übereinkommens über die Rechte
des Kindes. [92] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 58. [93] Artikel 24 Absatz 2 der Grundrechtecharta der
Europäischen Union. [94] Artikel 24 Absatz 3 der Grundrechtecharta der
Europäischen Union. [95] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat
vom 2. Juli 2009 – Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie
2004/38/EG über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich
im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten
(KOM(2009) 313 endg.), S. 15-17. [96] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat,
den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der
Regionen vom 25. November 2013 – Freizügigkeit der EU-Bürger und ihrer
Familien: fünf grundlegende Maßnahmen (COM(2013) 837 final). [97] Umsetzung des EU-Politikzyklus zur Bekämpfung der organisierten
und schweren internationalen Kriminalität: Mehrjähriger Strategieplan für die
EU-Priorität „Illegale Einwanderung“. [98] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6.
Dezember 2012, Randnr. 81. [99] Rechtssache C-540/03, Europäisches Parlament gegen Rat der
Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnrn. 66, 87, 88, 99 und 100. [100] Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3. [101] Rechtssachen C-356/11 und C-357/11, O. & S., 6. Dezember
2012, Randnr. 82. [102] Artikel 51 Absatz 1 der Grundrechtecharta; Rechtssache C-540/03, Europäisches
Parlament gegen Rat der Europäischen Union, 27. Juni 2006, Randnr. 105.
Siehe auch die Rechtssachen C-402/05 P und C-415/05 P, Kadi und Al Barakaat,
3. September 2008. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und an
den Rat über die Anwendung der Richtlinie 2003/86/EG des Rates betreffend das
Recht auf Familienzusammenführung, KOM(2008) 610 endgültig. [103] Die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung, die
Ablehnung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels, die Entziehung eines
Aufenthaltstitels und die Anordnung, eine Person aus dem Hoheitsgebiet eines
Mitgliedstaats auszuweisen. [104] Artikel 14 Absatz 2. [105] Artikel 15. [106] Artikel 5 Absatz 4 Unterabsatz 3 Satz 2.