16.12.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 451/69


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Freisetzung des Potenzials von Crowdfunding in der Europäischen Union

COM(2014) 172 final

(2014/C 451/11)

Berichterstatter:

Juan MENDOZA CASTRO

Die Europäische Kommission beschloss am 14. März 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen — Freisetzung des Potenzials von Crowdfunding in der Europäischen Union.

COM(2014) 172 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 23. Juni 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 500. Plenartagung am 9./10. Juli 2014 (Sitzung vom 9. Juli) mit 195 gegen 1 Stimme bei 5 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission und hebt das Wachstumspotenzial des Crowdfundings in der EU als alternative Finanzierungsquelle hervor.

1.2

Der EWSA betont, dass Crowdfunding der Wirtschaft in Bezug auf Investitionen, Innovation und Beschäftigung Vorteile bringt und gleichzeitig die Wahlmöglichkeiten der Kreditnehmer vergrößert.

1.3

Der allgemeine Zugang zu Crowdfunding wird sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen von dieser Finanzierungsquelle nicht ausgeschlossen sind.

1.4

Da die Unternehmen in der EU im Vergleich zu denen in den USA stärker auf Bankdarlehen angewiesen sind, werden sie im Falle einer Finanzkrise auch härter von den Folgen der Rezession getroffen. Außerdem sind viele Länder der EU bei der Kreditvergabe an KMU oft zurückhaltender.

1.5

Der EWSA unterstreicht die Abhängigkeit der KMU von Bankdarlehen; dies wird sich auch trotz der zwar vorhandenen, jedoch nicht immer leicht zugänglichen alternativen Quellen nicht ändern.

1.6

Crowdfunding leistet einen Beitrag zur Finanzwelt, mit dem allein sich die Finanzierungsprobleme der Unternehmen nicht beheben lassen.

1.7

In der Agenda 2020 und der Digitalen Agenda wird Start-up-Unternehmen, jungen Innovatoren und den Unternehmen der Sozialwirtschaft eine wichtige Rolle zugeschrieben.

1.8

Crowdfunding ohne Erwerbszweck ist in der EU weit verbreitet. Die Wirkung der steuerlichen Anreize, die je nach Mitgliedstaat unterschiedlich ausfallen, sollte untersucht werden.

1.9

Europäische Rechtsvorschriften sollten nur bestimmte Arten des gewinnorientierten Crowdfundings abdecken, nicht jedoch Spenden und sonstige Formen der Förderung ohne Erwerbszweck.

1.10

Diese Vorschriften sollten auf einem Gleichgewicht beruhen, das im Schutz der Investoren bei gleichzeitiger Vermeidung übermäßiger Regulierung besteht. Die Regulierung ist jedoch ein wesentliches Mittel, um das Vertrauen der Investoren zu stärken.

1.11

Mit diesen Rechtsvorschriften sollen einfache Verwaltungsverfahren, ein zügiges Entscheidungsverfahren und möglichst geringe Kosten erreicht werden, ebenso wie Neutralität, Transparenz und die Vermeidung unlauterer Praktiken mit zugänglichen Beschwerdeverfahren. Dies alles kommt sowohl den Kreditgebern als auch den Verbrauchern zugute.

1.12

Potenzielle Investoren müssen zugängliche Informationen erhalten, die klar, zweckdienlich, wahrheitsgemäß und nicht irreführend sind.

1.13

Der EWSA schlägt vor, dass die EU das Handeln der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Unterstützung gemeinnütziger Initiativen ergänzt, die Werte wie Beschäftigung, Solidarität, Vielfalt, Demokratie und Freiheit fördern.

1.14

Crowdfunding sollte in den Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich als neue Form des Mäzenatentums anerkannt werden.

2.   Einleitung

2.1

In den letzten Jahren wurde es zunehmend üblich, dass sich bestimmte Produktionsmittel von den Unternehmen hin zu Einzelpersonen verlagern, für die der Begriff „Prosument“ geprägt wurde (1).

2.2

Diese Tendenz wurde durch das Internet noch verstärkt und es entwickelte sich die sogenannte „partizipative Wirtschaft“, bei der eine Person beschließt, ein in ihrem Besitz befindliches Gut mit anderen ggf. gegen eine Geldzahlung zu teilen. Siehe hierzu die Stellungnahme des EWSA „Gemeinschaftlicher oder partizipativer Konsum: ein Nachhaltigkeitsmodell für das 21. Jahrhundert“ (2) und die Entschließung des Europäischen Parlaments (3).

2.3

In diesem Zusammenhang florieren eine Handvoll „Startup“-Unternehmen im Internet, da das Netz in vielen Fällen als Plattform dient, über die elektronische, aber auch physische Güter getauscht werden können. Damit das Vertrauen nicht verloren geht, muss leider auch darauf geachtet werden, dass „Abenteurer“ diese Funktion des Internets nicht missbrauchen können.

2.4

Ebenso sind im Finanzbereich anderer Finanzierungsformen aufgetaucht, etwa die Ausgabe hochverzinslicher Schuldverschreibungen auf dem europäischen Primärmarkt oder über lokale Wertpapiermärkte wie den kürzlich gegründeten MARF (Mercado Alternativo de Renta Fija) in Spanien.

2.5

Die Direktdarlehen, durch die sich die Unternehmen über bilaterale Verhandlungen mit den auf diesen Markt spezialisierten Vertretern finanzieren können; oder aber das „Crowdfunding“, bei dem sich Kleinanleger meistens über das Internet zusammenschließen, um den Kreditnehmern Geld zur Verfügung zu stellen.

3.   Zusammenfassung der Mitteilung

3.1

Mit dem Grünbuch zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft (4) wurde eine breite Debatte über die verschiedenen Faktoren angestoßen, durch die der europäischen Wirtschaft Mittel für Investitionen zufließen können, die für die Sicherstellung des Wirtschaftswachstums unerlässlich sind (5).

3.2

Die Kommission bezeichnet mit Crowdfunding einen öffentlichen Aufruf — üblicherweise über ein Internetportal — zur Beschaffung von Mitteln für bestimmte Projekte oder Unternehmensinvestitionen. Auf diese Weise kommen über die Finanzierungsplattformen und -kampagnen eine Vielzahl von Kleinanlegern mit den Trägern der Projekte in Kontakt. Jedoch muss ein Missbrauch solcher Aufrufe vermieden werden.

3.3

Zu den üblichen Formen des Crowdfunding gehören:

Spenden,

Sponsoring (Werbung im Tausch gegen Finanzierung),

Belohnungen (Erhalt von Gütern oder Dienstleistungen eines geringeren Wertes als der Beitrag),

Vorverkauf (Bereitstellung von Mitteln für die Markteinführung eines Produkts),

verzinste oder unverzinste Darlehen sowie,

die Beteiligung an Unternehmen (Anleihe- oder Aktienkauf).

3.4

Vorteile: Es handelt sich um ein alternatives Finanzierungsmodell, das sich durch Flexibilität, die Beteiligung der Gesellschaft und eine große Vielfalt an Formen auszeichnet. Crowdfunding kommt des Weiteren direkt beim Verbraucher an, erleichtert Marktstudien und verschafft denjenigen einen leichteren Zugang zu Krediten, die bisher in dieser Hinsicht vor größeren Schwierigkeiten standen.

3.5

Allerdings birgt Crowdfunding auch Gefahren und Probleme: Möglichkeit des Betrugs oder der Geldwäsche, Abwesenheit eines Sekundärmarkts usw.

3.6

Zu den einschlägigen europäischen Rechtsnormen zählen die Richtlinie betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren zu veröffentlichen ist (6), die MiFID-Richtlinie (7) sowie die Richtlinien über Zahlungsdienste im Binnenmarkt (8), Verbraucherkreditverträge (9) und Wohnimmobilienkreditverträge (10).

3.7

Im Grünbuch festgelegte Prioritäten: Einrichtung einer Expertengruppe, die sie bezüglich verschiedener Aspekte berät; Mehrung des Fachwissens und Bereitstellung entsprechender Information; Bestandsaufnahme der in den Mitgliedstaaten geltenden nationalen Rechtsvorschriften, um zu prüfen, ob Regulierungsmaßnahmen auf der EU-Ebene erforderlich sind.

3.8

Die Kommission räumt ein, dass die Finanzierungen über Crowdfunding verglichen mit den Bankkrediten noch eine Randerscheinung, im Vergleich zu anderen Quellen wie „Business Angels“ oder Risikokapital jedoch „viel versprechend“ sind.

3.9

Bei der Entwicklung des Crowdfundings sind verschiedene Aufgaben zu bewältigen, etwa hinsichtlich des Mangels an Transparenz bezüglich der geltenden Vorschriften, der Rolle im Binnenmarkt und der Integration in die Finanzwelt.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Der EWSA nimmt die Mitteilung zur Kenntnis und ist ebenfalls der Ansicht, dass das Fachwissen über diesen Finanzierungskanal, der in Europa über Wachstumspotenzial verfügt, erweitert werden muss. Auch stimmt er der Meinung zu, dass alternative Finanzierungsmodelle den Aufstieg der Jungunternehmen auf der „Finanzierungsleiter“ begünstigen können.

4.2

Aus den Daten geht die im Grünbuch anklingende geringe Bedeutung des Umfangs an Crowdfunding hervor, wobei der für 2012 geschätzte Wert von 735 Mio. EUR (11) Bankkrediten an Nichtfinanzinstitute in Höhe von 6  000 Mrd. EUR (12) gegenübersteht.

4.3

Allerdings nimmt Crowdfunding zu: Weltweit wuchs die Finanzierung über Crowdfunding stetig, von 530 Mio. USD 2009 auf einen geschätzten Gesamtbetrag von 5,1 Mrd. USD im Jahr 2013, was einer Zunahme im Jahresvergleich um 76 % entspricht. Geografisch gesehen bildet Nordamerika (davon entfällt die Mehrheit auf die USA) mit 60 % den größten Markt, gefolgt von Europa mit einem Anteil von 36 % (13).

4.4

Crowdfunding hat positive Auswirkungen auf die Wirtschaft, da es eine Alternative zu traditionellen Finanzierungsquellen bildet, durch die Investitionen begünstigt und Arbeitsplätze geschaffen werden. Desgleichen kann eine solche Finanzierung die Entwicklung von Aktivitäten in der Sozialwirtschaft, dem Handwerk und in Kleinstunternehmen anstoßen (14).

4.5

Der allgemeine Finanzierungszugang muss gefördert und unterstützt werden, um die Beteiligung von Menschen mit Behinderungen an den Crowdfunding-Plattformen zu gewährleisten, wodurch verhindert wird, dass sie von dieser neuen Finanzierungsart ausgeschlossen werden, die eine zusätzliche Möglichkeit für den dritten Sektor bietet.

4.6

Der EWSA begrüßt die Entscheidung, Vertreter der KMU an der Sachverständigengruppe zu beteiligen. In dieser Gruppe sollte sowohl die Angebots- als auch die Nachfrageseite vertreten sein.

5.   Finanzstruktur und Wirtschaftswachstum

5.1

Die Finanzstruktur steht in unmittelbarer Beziehung zum Wirtschaftswachstum und den Folgen der Krise. In den USA finanzieren sich die Unternehmen — im Vergleich zur EU — weiterhin zu einem größeren Anteil auf den Kapitalmärkten; in der EU sind die Unternehmen größtenteils auf Bankkredite angewiesen. Die entsprechende Bedeutung der Banken liegt in den USA unter 20 %, während sie in einigen Mitgliedstaaten der EU 60 % übersteigt.

5.2

Die Banken tendieren während einer „normalen“ Rezession eher zur Kreditvergabe und mildern so deren Auswirkungen auf die Wirtschaft. Dies ändert sich jedoch, wenn die Wirtschaftskrise mit einer Finanzkrise zusammenfällt. In diesem Fall sind die Rezessionen in den Ländern, in denen die Kreditvergabe überwiegend durch Banken erfolgt, dreimal tiefer als in den Ländern, deren Finanzstruktur marktorientiert ist (15).

5.3

Der Mangel an ausreichender Finanzierung ist in der EU das zweitgrößte Problem der Unternehmen (neben dem größten Problem, der Kundenakquise) (16).

5.4

Eine Liquiditätsspritze der EZB für das Finanzsystem zur Förderung der Kreditvergabe an Unternehmen wird zweifelsohne eine sehr gute Maßnahme für die europäische Wirtschaft sein.

6.   Crowdfunding mit Erwerbszweck

6.1   Finanzierung der KMU

6.1.1

Der EWSA hat die Finanzierungsprobleme in mehreren Stellungnahmen behandelt und die Bedeutung der KMU für die europäische Wirtschaft unterstrichen (17).

6.1.2

Die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe (die „Kreditklemme“) schadet der Wirtschaft und bedroht insbesondere die Existenz der KMU, für die Bankkredite (die oft schwer erhältlich sind) eine grundlegende Finanzierungsquelle darstellen. Sie ist einer der Gründe für den Anstieg der Arbeitslosigkeit, von dem einige Mitgliedstaaten der EU besonders hart getroffen sind.

6.1.3

Da es sich im Allgemeinen um geringe Beträge handelt, ist Crowdfunding im Grunde auf KMU (und unter diesen auf die Kleinstunternehmen) ausgerichtet, die im europäischen Unternehmensgefüge die überwältigende Mehrzahl bilden (99,8 % aller Unternehmen ausgenommen Finanzinstitute in der EU-28) und die mit 67,2 % der Arbeitskräfte entscheidend zur Beschäftigung beitragen (18).

6.1.4

Der EWSA stellt fest, dass bezüglich der Wirksamkeit der alternativen Finanzierungsquellen hier und da Skepsis geäußert wird. Die Mitteilung der Kommission zur langfristigen Finanzierung der europäischen Wirtschaft (19) wurde von der Europäischen Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe als Fortschritt gesehen, der jedoch nicht ausreicht; Crowdfunding beträfe nur eine „kleine“ Zahl von Unternehmen, während Startups nur 1 % der KMU ausmachen (20).

6.2   Finanzierung von Startups

6.2.1

Der EWSA verweist auf die Notwendigkeit, dass die Union und die Mitgliedstaaten Crowdfunding fördern und unterstützen, insbesondere im Falle der innovativen Unternehmensgründungen. Die der Forschung und Entwicklung von Hochtechnologie gewidmeten Start-up-Unternehmen — die zu den Zielen der Digitalen Agenda gehören — sind aufgrund ihres Potenzials im Hinblick auf die Förderung von Wachstum und Beschäftigung von besonderem Interesse. Dennoch dürfen traditionelle Branchen und das Handwerk nicht ausgeschlossen werden, die ebenfalls sehr innovativ sein können.

6.2.2

Der EWSA ruft die EU und die Mitgliedstaaten außerdem auf, Crowdfunding für die Entwicklung und Förderung sozialer Innovation, junger Innovatoren und der Sozialwirtschaft zu fördern und zu unterstützen. Unternehmen der Sozialwirtschaft kommt im Rahmen der Europa-2020-Strategie eine Schlüsselrolle zu, wenn es um soziale Inklusion und die Integration schutzbedürftiger Gruppen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen geht und so soziale und wirtschaftliche Werte in Einklang gebracht werden.

6.2.3

Für solche Arten von Initiativen erweist sich das für die Finanzierung des normalen Betriebs eines Unternehmens nicht angemessene Crowdfunding als hervorragend geeignet — in vielen Fällen handelt es sich um junge Unternehmer, die ein konkretes Projekt entwickeln wollen.

7.   Crowdfunding in der Finanzwelt der EU

7.1

Der EWSA weist darauf hin, dass Crowdfunding eine relativ bedeutende Rolle als Finanzierungsquelle neben weiteren neuartigen Formen wie „Business Angels“ oder Risikokapital, „Win-win-Darlehen“ (21) usw. einnehmen kann. Aber das Hauptproblem, vor dem die wirtschafts- und geldpolitischen Entscheidungsträger derzeit stehen, sind abgesehen von der Kreditklemme die verlangten hohen Sicherheiten.

7.2

Die Förderung der Finanzierungskanäle abseits der Banken kann in der EU zur Akzentuierung der sich bereits seit zwei Jahrzehnten abzeichnenden Tendenz beitragen, dass die Unternehmen eher geneigt sind, sich den Kapitalmärkten zuzuwenden. Dabei müssen die Anforderungen an die Solvabilität bedacht werden, um die Rückgabe der investierten Beträge sicherzustellen und mehr Rechtssicherheit für diese Finanzierungsquelle zu schaffen.

8.   Crowdfunding ohne Erwerbszweck

8.1

Die Spenden, zinslosen Darlehen oder kostenfreien Übertragungen von Rechten können auch für Projekte kommerzieller Art gegeben werden, bestehen jedoch normalerweise aus solidarischen Beiträgen für soziale Initiativen, die von Organisationen ohne Erwerbszweck ergriffen werden. Mittels Mäzenatentum kann die Veranstaltung bzw. die Beibehaltung kultureller oder sportlicher Aktivitäten gefördert werden.

8.2

Crowdfunding ist ein übliches Finanzierungsmodell der Sozialunternehmen. Das Potenzial dieses Konzepts insbesondere hinsichtlich inklusiven Unternehmertums muss vor dem Hintergrund der Initiative für soziales Unternehmertum bewertet werden.

8.3

Da es zwischen den Mitgliedstaaten Unterschiede bei der steuerlichen Behandlung von Spenden und bestimmten Formen von Investitionen gibt, unterstützt der EWSA den Vorschlag der Kommission, die Folgen der steuerlichen Anreize zu untersuchen.

9.   Besondere Bemerkungen

9.1   Die Notwendigkeit europäischer Rechtsvorschriften

9.1.1

Damit Crowdfunding zu einer funktionierenden Finanzierungsalternative werden kann, muss das Vertrauen der Investoren gestärkt werden. Vor diesem Hintergrund kommt der Regulierungsstelle eine wesentliche Rolle zu.

9.1.2

Die Kommission erwähnt mögliche „künftige Maßnahmen“, die sie nach Kenntnisnahme des Standpunkts der Expertengruppe ergreifen könnte. Der EWSA vertritt die Ansicht, dass es für die Förderung des grenzübergreifenden Crowdfunding sicherlich Rechtsvorschriften bedarf, mit denen die bisher von den Mitgliedstaaten eingeführten (bzw. zur Einführung vorgesehenen) Kriterien harmonisiert werden. Auf diesen „neuen Märkten“ muss die Aufmerksamkeit insbesondere den Interessen und dem Schutz der Verbraucher gelten.

9.1.3

Die Harmonisierung könnte in der Annahme einer Verordnung zu Crowdfunding-Plattformen mit Erwerbszweck bestehen, die mindestens folgende Aspekte umfasst:

Modalitäten,

die zu leistenden Dienste,

Begrenzung der Beträge,

Informationspflichten (einschließlich möglicher Interessenkonflikte),

Ausnahmen vom Geltungsbereich,

Verbotsregelungen (insbesondere in Bezug auf das Verbot des Erwerbs und der Veröffentlichung verbundener Projekte),

Erfordernis gleicher Wettbewerbsbedingungen,

Finanzvorschriften, und eine

Pflicht zur Führung eines öffentlichen Registers (Öffentlichkeit und Transparenz).

9.1.4

Sponsoring und sonstige Aktivitäten ohne Erwerbszweck sollten nicht unter eine eventuelle europäische Regelung fallen, da bei ihnen nicht die Risiken bestehen, die mit kommerziellen Aktivitäten verbunden sind. Wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommt, so fallen diese bereits unter die verwaltungs- und strafrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten.

9.1.5

Der EWSA schlägt vor, in einer Regelung des Crowdfundings grundsätzlich folgende Aspekte zu behandeln:

Ausgabe oder Zeichnung von Wertpapieren von Gesellschaften in Form von Aktien (Anleihe- oder Aktienkauf);

Ausgabe oder Zeichnung von Wertpapieren von Gesellschaften mit beschränkter Haftung;

verzinste Darlehen (für Privatpersonen oder Unternehmen).

9.1.6

Eventuelle europäische Rechtsnormen sollten flexibel und ausgewogen sein; zu vermeiden sind sowohl eine ausufernde Regulierung (die die Verbreitung des Crowdfundings behindern könnte) als auch ein Mangel an Investorenschutz. Sie sollten somit objektiv, transparent und den angestrebten Zielen angemessen sein sowie den Investoren ein hohes Schutzniveau bieten.

9.1.7

In jedem Fall müssen sich die Investoren dessen bewusst sein, dass ein gewisses Risiko nie ausgeschlossen werden kann.

9.1.8

Die wesentlichen Grundsätze sind einfache Verwaltungsverfahren und so wenig Bürokratie wie möglich. Außerdem bedarf es:

gleicher Wettbewerbsbedingungen,

einer Verringerung der Verwaltungskosten, und

kurzer Bearbeitungsfristen.

9.1.9

Die Vorschriften sollten sicherstellen, dass die Crowdfundingplattformen folgenden Grundsätzen entsprechen:

Neutralität,

Sorgfalt,

Bestreben, ihren Kunden — die gut informiert werden müssen — größtmögliche Vorteile zu bieten,

keine unfaire Verkaufspraktiken im Rahmen ihrer Vermarktung sowie

zugängliche Beschwerdeverfahren.

9.1.10

Die Informationen für potenzielle Investoren sollten:

klar und relevant,

zweckmäßig und erschöpfend,

objektiv und wahrheitsgemäß sowie,

weder durch Handlungen noch durch Unterlassungen irreführend sein.

9.1.11

Die Rechte am geistigen Eigentum derjenigen, die Projekte im Internet veröffentlichen, werden mit Inkrafttreten der Verordnung zur Einführung des Einheitlichen Europäischen Patents geschützt.

9.2   Förderung der alternativen Finanzierungsquellen

9.2.1

Der EWSA hält es für angezeigt, dass die Behörden Kampagnen zur Bekanntmachung des Crowdfundings starten, damit sich die Unternehmen zunehmend auf die Kapitalmärkte ausrichten. Insbesondere sollten sie den KMU in Zusammenarbeit mit ihren Verbänden relevante Informationen verschaffen.

9.2.2

Zur Einbindung des Crowdfundings in die europäische Wirtschaft bedarf es außerdem einer Weiterbildung für Unternehmer und Investoren (und insbesondere für benachteiligte Unternehmer). Hierfür müssen die notwendigen Finanzmittel für die Vermittlung entsprechender Kenntnisse sowohl hinsichtlich der Verwaltung der Plattformen als auch der angemessenen Bewertung der mit den Transaktionen verbundenen Risiken bereitgestellt werden.

9.2.3

Crowdfunding ohne Erwerbszweck

Der EWSA hebt Folgendes hervor:

Crowdfunding ohne Erwerbszweck kann zur Vertiefung der gemeinsamen europäischen Werte wie Solidarität, Vielfalt, Demokratie und Freiheit beitragen. Auch in diesem Bereich sollte die Union Maßnahmen ergreifen, die die von den Mitgliedstaaten ergriffenen Maßnahmen ergänzen, indem sie die Schaffung von Plattformen von europäischem Interesse für Projekte unterstützt, die auf die Stärkung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts ausgerichtet sind und an denen sich die Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und sonstige Organisationen der Zivilgesellschaft aktiv beteiligen können.

Crowdfunding sollte in den Gesetzgebungen der Mitgliedstaaten ausdrücklich als neue Form des Mäzenatentums anerkannt werden, und zwar nicht nur formal, sondern auch inhaltlich, da es hierbei um Produkt- und Prozessinnovation geht. Crowdfunding muss von den Mitgliedstaaten anerkannt und gefördert werden.

Brüssel, den 9. Juli 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Alvin Toffler, „Die dritte Welle“, S. 86 ff.

(2)  ABl. C 177 vom 11.6.2014, S. 1.

(3)  Entschließung des EP zur europäischen Agenda der Verbraucherschutzpolitik — 2012/2133(INI).

(4)  COM(2013) 150 final.

(5)  Siehe Stellungnahme des EWSA im ABl. C 327 vom 12.11.2013, S. 11.

(6)  Richtlinie 2003/71/EG (ABl. L 345, S. 64), geändert durch Richtlinie 2010/73/EG (ABl. L 327, S. 1).

(7)  Richtlinie 2004/39/EG (ABl. L 145, S. 1).

(8)  Richtlinie 2007/64/EG (ABl. L 319, S. 1).

(9)  Richtlinie 2008/48/EG (ABl. L 133, S. 66).

(10)  Vorschlag für eine Richtlinie COM(2011) 142 final.

(11)  Massolution (2013), Crowdfunding Industry Report 2012, http://www.crowdsourcing.org/research

(12)  European Banking Federation Facts and Figures (2012): http://www.ebf-fbe.eu/uploads/FF2012.pdf

(13)  http://www.bruegel.org/nc/blog/detail/article/1330-the-crowdfunding-phenomenon

(14)  Siehe EWSA-Stellungnahmen zu den Themen „Unternehmensfinanzierung — Untersuchung alternativer Mechanismen“ und „Langfristige Finanzierung der europäischen Wirtschaft“ (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(15)  Financial structure and growth. BIS Quarterly Review, März 2014.

(16)  EZB: Survey on the access to finance of SMEs in the euro area, 2013.

(17)  (ABl. C 77 vom 31.3.2009, S. 23); (ABl. C 27 vom 3.2.2009, S. 7); ABl. C 351 vom 15.11.2012, S. 45); (ABl. C 48 vom 15.2.2011, S. 33).

(18)  Eurostat: Überblick über die strukturelle Unternehmensstatistik, Dezember 2013.

(19)  COM(2014) 168 final.

(20)  UEAPME, Mitteilung vom 27.3.2014.

(21)  http://www.bofidi.be/en/nieuws-3/recent-posts/148-winwinloananinterestingalternativemethodoffinancing