19.12.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 458/19


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter

COM(2014) 212 final — 2014/0120 (COD)

(2014/C 458/04)

Berichterstatter:

Oliver RÖPKE

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 16. April bzw. 6. Mai 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 50 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter

COM(2014) 212 final — 2014/0120 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 15. Juli 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 501. Plenartagung am 10./11. September 2014 (Sitzung vom 10. September) mit 127 gegen 50 Stimmen bei 15 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (Societas Unius Personae — SUP)  (1) soll die grenzüberschreitende Tätigkeit von KMU erleichtern. In seiner derzeitigen Form erscheint der Vorschlag dem EWSA nicht ausgereift, da eine Vielzahl von Bestimmungen ernsthafte potenzielle Risiken für den seriösen Geschäftsverkehr im Binnenmarkt und für die Interessen von Gläubigern, Verbrauchern und Arbeitnehmern birgt. Der EWSA empfiehlt der Kommission daher nachdrücklich, die in dieser Stellungnahme enthaltenen Vorschläge zu berücksichtigen und umzusetzen.

1.2

Die gewählte Rechtsgrundlage (Art. 50 AEUV) ist nicht überzeugend und scheint vor allem den Zweck zu verfolgen, das Einstimmigkeitserfordernis im Rat zu umgehen und ein Scheitern wie bei der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) zu vermeiden. Auch wenn die SUP formell als alternative Gesellschaftsform in den nationalen Rechtsordnungen verankert sein soll, werden die wesentlichen Wesensmerkmale der SUP eindeutig durch supranationales Recht vorgegeben. Die zutreffende Rechtsgrundlage wäre deshalb Art. 352 AEUV.

1.3

Der EWSA unterstützt das Anliegen, vor allem den KMU eine möglichst einfache Gründung einer Gesellschaft zu ermöglichen. Das vorgeschriebene Mindeststammkapital für eine SUP in Höhe von 1 Euro und das Verbot einer Verpflichtung zur Rücklagenbildung stellen aber de facto eine Haftungsbeschränkung zum „Nulltarif“ dar. Sie könnten die Marktteilnehmer dazu veranlassen, vom Inhaber des Unternehmens persönliche Garantien zu fordern, um so Sicherheiten für Dritte (Verbraucher, Lieferanten, Gläubiger) zu erhalten, welche die Vorteile der Haftungsbeschränkung aufheben.

1.4

Der EWSA unterstreicht das Erfordernis, die Schaffung gesunder Unternehmen zu fördern, und schlägt deshalb vor, ein substantielles und dem Geschäftszweck angemessenes Stammkapital in Form einer „Seriositätsschwelle“ für die SUP vorzuschreiben, um auch den Interessen von Gläubigern, Verbrauchern, Arbeitnehmern und der Allgemeinheit Rechnung zu tragen und eine Gefährdung des Geschäftsverkehrs zu vermeiden. Hierbei könnte auch auf Erfahrungen in einigen Mitgliedstaaten zurückgegriffen werden, in denen eine Herabsetzung des sofort einzuzahlenden Stammkapitals durch ein „Ansparmodell“ kompensiert wird, bei dem in den folgenden Jahren Rücklagen zu bilden sind, um eine dauerhafte Unterkapitalisierung zu verhindern. Im Sinne der „Firmenklarheit“ sollte dem Namen einer SUP auch der Hinweis auf die Haftungsbeschränkung sowie auf das Land der Eintragung hinzugefügt werden.

1.5

Der EWSA ist der Ansicht, dass eine SUP nicht an einem Ort registriert werden soll, an dem sie keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit ausübt (Briefkastenfirmen). Die erstmals für eine europäische Gesellschaftsform vorgesehene Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz stellt deshalb einen Präzedenzfall dar, der beim EWSA auf Bedenken stößt. Gemeinsam mit der Vorschrift, dass für die SUP das Recht jenes Staates gelten soll, in dem sie eingetragen ist, kann sie zu einer Gefährdung der Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmer führen, aber auch zur Umgehung nationaler steuerrechtlicher Regelungen.

1.6

Durch eine formale Verlegung des satzungsmäßigen Sitzes und dem daraus folgenden Wechsel des Gesellschaftsstatuts ist eine Aushebelung der Mitbestimmungsrechte in den Unternehmensorganen (Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat) nicht auszuschließen. Der EWSA spricht sich deshalb ausdrücklich für die Einheit von Satzungs- und Verwaltungssitz der SUP aus, wie sie auch für andere supranationale Rechtsformen vorgesehen ist (SE, Europäische Genossenschaft). Außerdem ruft der EWSA dazu auf, die Mitbestimmungsrechte eines Mitgliedstaates zu gewährleisten, in dem eine SUP ihre wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, und unfairem Wettbewerb nachdrücklich entgegenzuwirken. Der EWSA erachtet es daher für erforderlich, die SUP auch in Bezug auf die Arbeitnehmermitbestimmung einheitlich zu regeln.

1.7

Im Sinne der Unternehmensgründer erscheint dem EWSA die Sicherstellung einer raschen Gesellschaftsgründung innerhalb eines angemessenen Zeitraumes wichtig. Die Registrierung einer SUP im reinen Online-Verfahren kann jedoch Probleme und Gefahren aufwerfen, wenn keine Identitätskontrolle des Gesellschaftsgründers erfolgt. Der Wegfall von Identitätsprüfungen würde die Intransparenz hinsichtlich der Geschäftspartner fördern, die Seriosität des Rechtsgeschäftsverkehrs untergraben und die Interessen der Verbraucher schwächen. Das Entstehen von „Briefkastenfirmen“ sowie von Scheinselbständigkeit würde gefördert und erleichtert. Um dem Wunsch nach einer Online-Registrierung dennoch Rechnung zu tragen, sollte den Mitgliedstaaten freigestellt werden, sie fakultativ vorzusehen. In diesem Fall muss sie aber mit einer Vorprüfung der Identität sowie einer Aufklärung und Beratung des Gründers durch die zuständige Behörde und/oder Notare verbunden werden.

1.8

Der EWSA begrüßt die Absicht, vor allem den KMU (einschließlich Start-up- und Mikrounternehmen) das Agieren im Binnenmarkt durch eine neue Gesellschaftsrechtsform zu erleichtern. Um eine Förderung der KMU im Rahmen des Richtlinienvorschlags sicherzustellen, bedarf es einer Beschränkung des Geltungsbereichs der Richtlinie auf diese Unternehmen. Dieses Instrument ist nicht dafür gedacht, international agierenden Konzernen die Möglichkeit zu eröffnen, Tochtergesellschaften mit hunderten oder tausenden Arbeitnehmern als SUP zu führen. Der EWSA schlägt deshalb vor, dass die SUP nur Unternehmen offenstehen soll, die die Kriterien von Art. 3 Abs. 2 (2) der Richtlinie 2013/34/EU (Rechnungslegungsrichtlinie) (3) erfüllen. Dies würde bedeuten, dass eine SUP ab einer bestimmten Größe eine andere Unternehmensform annehmen muss.

1.9

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass bei einer Verabschiedung des Richtlinienvorschlags nationale Grundsätze des Gesellschaftsrechts für Kapitalgesellschaften in zahlreichen Mitgliedstaaten in Frage gestellt würden. Im Zusammenhang mit der gewählten Rechtsgrundlage zweifelt der EWSA an der Vereinbarkeit des Vorschlags mit dem Subsidiaritätsprinzip. Aus diesem Grund fordert der EWSA, dass die SUP nur von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen in Anspruch genommen werden darf, die zum Zeitpunkt der Eintragung in mindestens zwei Mitgliedstaaten tätig sind oder glaubhaft nachweisen, dass sie spätestens binnen eines bestimmten Zeitraums (etwa zwei Jahren) nach ihrer Registrierung in mindestens zwei Mitgliedstaaten tätig sein werden. Der Verordnungsvorschlag über das Statut der Europäischen Stiftung (FE) (4) sowie der Zwischenbericht des Europäischen Parlaments dazu können hierfür als Vorbild dienen.

1.10

Aus den dargelegten Gründen würdigt der EWSA zwar die gesellschaftsrechtlichen Bemühungen der Kommission für die KMU, sieht aber noch erheblichen Diskussionsbedarf hinsichtlich des konkreten Inhalts der Richtlinie. Um zu einer positiven Beurteilung des Vorschlags zu kommen, sieht es der EWSA als unerlässlich an, dass die in dieser Stellungnahme gemachten Vorschläge umgesetzt werden. Insbesondere sollte nun in enger Abstimmung mit den betroffenen Interessenträgern, die im Vorfeld leider nicht gleichermaßen von der Kommission konsultiert wurden, eine ausgewogene Lösung gefunden werden.

2.   Allgemeine Bemerkungen zu dem Richtlinienvorschlag

2.1

Bereits 2008 wollte die EU-Kommission mit dem Vorschlag für ein Statut der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) (5) den KMU ein einfaches, flexibles und in allen Mitgliedstaaten einheitliches Instrument zur Erleichterung grenzüberschreitender Tätigkeiten zur Verfügung stellen. Diese Initiative scheiterte letztlich im Rat, worauf die Kommission im Rahmen des REFIT-Programms die Zurückziehung des EPG-Vorschlags ankündigte (6).

2.2

In einer allgemeinen öffentlichen Konsultation zur Zukunft des Gesellschaftsrechts (Februar 2012) und einer ausführlicheren Online-Konsultation zu Einpersonengesellschaften (Juni 2013) gab die Kommission interessierten Kreisen die Möglichkeit zur Stellungnahme. Anschließend fand am 13. September 2013 ein Treffen der GD Binnenmarkt und Dienstleistungen mit Wirtschaftsvertretern zur geplanten Initiative der Kommission statt. Daran nahmen nach Kommissionsangaben unter anderem Businesseurope, die European Small Business Alliance, Industrie- und Handelskammern sowie Eurochambers teil. Offenbar waren weder Arbeitnehmervertreter eingeladen noch fanden gleichwertige Beratungen mit den Gewerkschaften und Verbraucherverbänden statt.

2.3

Die Kommission stellte daraufhin am 9. April 2014 ihren Vorschlag für eine Richtlinie über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter vor (SUP), der ausdrücklich als Alternative zur EPG bezeichnet wird. Ziel ist es, den KMU die Gründung von Gesellschaften im Ausland zu erleichtern.

2.4

Die Mitgliedstaaten sollen in ihren Rechtsordnungen nationale Gesellschaftsformen vorsehen, für die in der gesamten EU dieselben Vorschriften und die unionsweite Abkürzung SUP (Societas Unius Personae) gelten würden. Explizites Ziel des Vorschlags ist die Senkung von Einrichtungs- und Betriebskosten. Vorgesehen sind ein erleichtertes Online-Eintragungsverfahren und der fast gänzliche Verzicht auf ein Mindestgründungskapital. Die Gläubiger sollen durch die Pflicht des/der Geschäftsführer zur Kontrolle der Gewinnausschüttungen geschützt werden.

2.5

Die Mitgliedstaaten sollen nicht mehr vorschreiben dürfen, dass sich der satzungsmäßige Sitz und die Hauptverwaltung der Gesellschaft in demselben Mitgliedstaat befinden müssen. Damit wird erstmals für eine europäische Gesellschaftsform die Sitztrennung für zulässig erklärt. Dabei soll auf die SUP das Recht jenes Mitgliedstaates angewendet werden, in dem sie eingetragen ist. Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmer werden im Kommissionsvorschlag mit keinem Wort angesprochen.

2.6

Die Kommission hält fest, dass mit dem vorliegenden Entwurf keine „neue supranationale Rechtsform für Einpersonengesellschaften“ vorgeschlagen werde, sondern „Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit“ schrittweise aufgehoben werden sollen. Deswegen stützt sie den Vorschlag auf Art. 50 Absatz 2 Buchstabe f AEUV.

3.   Einleitende Feststellungen

3.1

Die Erfahrungen in einzelnen Mitgliedstaaten zeigen, dass es in einigen Branchen für einzelne Unternehmen attraktiver ist, eine selbständige „Ich-AG“ zu beauftragen, als eine Person als Arbeitnehmer zu beschäftigen. Nicht selten werden dadurch nationale Tarifverträge umgangen. Die vorgeschlagene Richtlinie würde durch die leichte Gründungsmöglichkeit der SUP bei gleichzeitiger Haftungsbeschränkung ohne Kapitaleinsatz sowie möglicher Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz der Scheinselbstständigkeit noch weiter Vorschub leisten. Dies trifft typischerweise auch diejenigen, die eine schwache Position am Arbeitsmarkt haben und für die der Schutz des Arbeitsrechts und der Kollektivverträge am wichtigsten ist.

3.2

Der EWSA erkennt an, dass sich die überwältigende Mehrheit der Unternehmen und Arbeitnehmer in der EU an die für sie geltende Rechtsordnung hält. Aufgrund der Ausgestaltung der SUP sieht der EWSA im vorgeschlagenen Konstrukt aber die potenzielle Gefahr, dass Unternehmensbetrug, andere kriminelle Machenschaften (z. B. Geldwäsche) oder Scheinselbstständigkeit zunehmen werden. So können etwa Personen ihren „virtuellen“ Registersitz nach Belieben wählen, verschieben oder durch europaweit verzweigte Schachtelkonstruktionen ihre Identität verschleiern. Der Richtlinienentwurf steht somit auch im Widerspruch zu den europäischen Bemühungen zur Bekämpfung der Geldwäsche.

3.3

Es ist zu bezweifeln, dass die positiven Bemühungen der Kommission, die grenzüberschreitende Tätigkeit von KMUs zu fördern, mit diesem Richtlinienentwurf erreicht werden. Der EWSA ist der Auffassung, dass einige Mitgliedstaaten bereits früher, im Rahmen der Verhandlungen zur Europäischen Privatgesellschaft, für ein substanzielles Mindestkapital, die Einheit von Satzungs- und Verwaltungssitz sowie einheitliche Mitbestimmungsstandards eingetreten sind. Der EWSA erachtet es als nicht zielführend, dass die berechtigten Forderungen jener Mitgliedstaaten im nun vorliegenden Entwurf nicht beachtet wurden.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1   Rechtsgrundlage und Anwendungsbereich

4.1.1

Die Kommission will mit dem neuen Richtlinienvorschlag über Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter faktisch die Europäische Privatgesellschaft auf diesem Weg erreichen. Die Regelungsdichte der neuen Rechtsform, SUP, ist im Wesentlichen identisch mit jener, wie sie für die Europäische Privatgesellschaft vorgesehen war. Die SUP soll nicht nur einen einheitlichen europäischen Namen haben, sondern darüber hinaus sind auch alle wesentlichen Merkmale der SUP (Gründung, Mindeststammkapital, Registersitz, Satzung) durch supranationales Recht zwingend vorgegeben. In materieller Hinsicht muss die SUP wohl als supranationale Rechtsform bezeichnet werden, für die Art. 352 AEUV die zutreffende Rechtsgrundlage wäre.

4.1.2

Wenngleich es auch im Rahmen des SUP-Vorschlags letztlich 28 verschiedene SUP geben soll, so ist das kein Indiz für eine nationale Rechtsform. Auch die SE hat 28 unterschiedliche Ausprägungen, und ihr supranationaler Charakter wird nicht in Frage gestellt. Die Richtigkeit der von der Kommission für das Vorhaben verwendeten Rechtsgrundlage des Artikels 50 AEUV muss daher stark in Frage gestellt werden.

4.1.3

Der Vorschlag der Kommission entspricht auch nicht dem im Unionsvertrag verankerten Subsidiaritätsprinzip, weil er im Gegensatz zur SE oder SCE keine grenzüberschreitenden Voraussetzungen fordert und somit nicht nur für grenzüberschreitende sondern auch für rein nationale Sachverhalte konzipiert ist. Das heißt, auch wer beabsichtigt, sein Unternehmen ausschließlich im Inland zu betreiben, soll eine SUP ex nihilo gründen können. Auch eine Umwandlung der nationalen Rechtsform in eine SUP ohne grenzüberschreitenden Bezug soll durch die Richtlinie ermöglicht werden. Das Gemeinschaftsrecht schafft somit eine neue nationale Gesellschaftsform, die in direkter Konkurrenz zu den nationalen Rechtsformen steht. Unabhängig vom Widerspruch zum Subsidiaritätsprinzip, sieht schon Art. 50 Abs. 2 Buchst. f AEUV die Notwendigkeit von Standorten in unterschiedlichen Mitgliedstaaten vor. Aus diesem Grund fordert der EWSA, dass die SUP nur von grenzüberschreitend tätigen Unternehmen in Anspruch genommen werden darf, die zum Zeitpunkt der Eintragung in mindestens zwei Mitgliedstaaten tätig sind oder glaubhaft nachweisen, dass sie spätestens binnen eines bestimmten Zeitraums (etwa zwei Jahren) nach ihrer Registrierung in mindestens zwei Mitgliedstaaten tätig sein werden. Der Verordnungsvorschlag über das Statut der Europäischen Stiftung (FE) (7) sowie der Zwischenbericht des Europäischen Parlaments dazu können hierfür als Vorbild dienen.

4.1.4

Die Kommission betont, durch den Richtlinienvorschlag den KMU grenzüberschreitende Tätigkeiten und die Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern. Die Kommission verabsäumt allerdings, durch eine Eingrenzung des Geltungsbereichs die beabsichtigte KMU-Förderung entsprechend abzusichern. Um eine Förderung der KMU im Rahmen des Richtlinienvorschlags sicherzustellen, sollte daher der Geltungsbereich der Richtlinie auf KMU beschränkt werden. Als Abgrenzungskriterium eignet sich hierbei die Richtlinie 2013/34/EU (Rechnungslegungsrichtlinie) (8). Diese gilt für alle Kapitalgesellschaften und findet in der gesamten Union Anwendung. Nur Unternehmen, welche die Größenkriterien von Art. 3 Abs. 2 (9) der Richtlinie 2013/34/EU (10) erfüllen, sollten im Rahmen der SUP firmieren können. Dies würde bedeuten, dass eine SUP ab einer bestimmten Größe eine andere Unternehmensform annehmen muss. Aufgrund der Offenlegungsverpflichtungen kann die Einhaltung der Kriterien einfach überprüft und kontrolliert werden.

4.2   Online-Gründung und Mindeststammkapital

4.2.1

Das von der Kommission vorgesehene obligatorische elektronische Eintragungsverfahren kann die Intransparenz der SUP fördern, wenn keine Identitätskontrolle des Gründers vorgeschrieben wird. Aber auch für die Gründer ist eine Beratung über die mit einer Gesellschaftsgründung verbundenen Rechte und Pflichten von eminenter Bedeutung. Auf elektronischem Wege ist es schwer möglich, die Identität der Personen zu überprüfen. Die Bemühungen der Kommission zur Bekämpfung der Geldwäsche würden bei Online-Gründungen ohne Identitätsprüfung ebenfalls konterkariert.

4.2.2

Im Interesse der KMU erscheint dem EWSA die Festlegung einer „angemessenen Dauer“ für die Gründung einer SUP wichtig. Den Mitgliedstaaten sollte es freigestellt werden, ob sie eine Registrierung der SUP im Online-Verfahren vorsehen wollen. In diesem Fall sollte das elektronische Eintragungsverfahren aber mit einer Vorprüfung verbunden werden. Dadurch könnten die zuständigen Behörden und/oder Notare vor allem die Identität des Gründers überprüfen und ihn über wichtige Rechtsfolgen aufklären.

4.2.3

Durch die Abschaffung des Mindestkapitals bei gleichzeitiger beschränkter Haftung des Gesellschafters wird dem Gründer signalisiert, dass das unternehmerische Risiko von der Allgemeinheit übernommen wird. Dieses Signal ist falsch und widerspricht im höchsten Maße dem marktwirtschaftlichen Prinzip. Das Mindestkapital hat aber auch als Seriositätsschwelle große Bedeutung, weil es den Unternehmensgründern signalisiert, dass für die Inanspruchnahme einer Haftungsbeschränkung ein substanzieller Risikobeitrag zu leisten ist und somit Chancen und Risiken von Projekten sorgfältig abgewogen werden müssen. Ein substantielles und dem Geschäftszweck der Gesellschaft angemessenes Mindestkapital ist daher ein wesentliches Element eines jeden Unternehmens. Eine verpflichtende Rücklagenbildung wäre zudem eine geeignete Maßnahme, um die Eigenkapitalausstattung im Sinne einer Insolvenzprophylaxe zu stärken.

4.2.4

Nach Auffassung des EWSA kann eine Solvenzbescheinigung des Geschäftsführers kein substanzielles Mindestkapital mit entsprechenden Kapitalerhaltungsvorschriften ersetzen, zumal die Solvenzbescheinigung jedenfalls mit Unsicherheiten behaftet ist und das Risiko einer Fehlprognose zu Lasten der Gläubiger geht. Die Solvenzbescheinigung sollte von einem unabhängigen, externen Wirtschaftsprüfer unterzeichnet werden.

4.3   Registersitz

4.3.1

Durch die Trennung von Satzungs- und Verwaltungssitz kann sich die SUP sehr leicht jener Rechtsordnung entziehen, in deren Geltungsbereich sie tatsächlich tätig ist. Verschiedene Beispiele zeigen, dass dies zu Lasten des Gläubiger- und Konsumentenschutzes, aber auch der Arbeitnehmermitbestimmung geht, die dadurch leicht umgangen werden kann. Eine völlig freie, ohne örtlichen Tätigkeitsbezug losgelöste Wahl des Registersitzes fördert zudem die Missbrauchsgefahr, u. a. auch weil es jedenfalls viel leichter möglich sein wird, sich dem behördlichen Zugriff zu entziehen. Die Mitbestimmungsrechte eines Mitgliedstaates, in dem die SUP ihre wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, dürfen nicht durch die Wahl des Registersitzes in einem anderen Mitgliedstaat umgangen werden. Es fehlt auch bislang ein einheitliches europäisches Unternehmensregister. Es wäre daher dringend notwendig, dies zu verbessern, bevor über weitere Liberalisierungen nachgedacht wird.

4.3.2

Bei einem Auseinanderfallen des satzungsmäßigen Sitzes und der Hauptverwaltung erschwert sich auch die Durchsetzung von Ansprüchen, weil allenfalls die Zustellung der Klage am satzungsmäßigen Sitz notwendig sein könnte bzw. ein rechtskräftig zugesprochener Anspruch im Land des Registersitzes vollstreckt werden müsste. Nach den bisherigen Erfahrungen ist die internationale Zustellung trotz der europarechtlichen Regelungen (EuZVO, VollstrTitelVO) schwierig, so dass sowohl die gerichtliche Geltendmachung als auch die Vollstreckung eines Anspruches beträchtlich mehr Zeit in Anspruch nehmen und sich schwieriger gestalten würde. Die Richtlinie sollte daher unbedingt die Identität von Satzungs- und Verwaltungssitz vorschreiben, wie dies vom Unionsgesetzgeber auch in den Fällen der Europäischen Gesellschaft (SE) und der Europäischen Genossenschaft (SCE) vorgesehen wurde.

4.4   Mitbestimmung und Corporate Governance

4.4.1

Eine Rechtsform, die unionsweit den gleichen Namen trägt und unionsweit die gleichen zentralen Eckpunkte aufweist, muss auch unionsweit je nach Unternehmensgröße einheitliche Mindeststandards in Bezug auf Einrichtung eines Aufsichtsorgans und die Arbeitnehmermitbestimmung aufweisen. Es sollten daher einheitliche Regelungen in Bezug auf die Notwendigkeit der Einrichtung eines Aufsichtsorgans (Aufsichtsrat bzw. nicht geschäftsführende Verwaltungsratsmitglieder) sowie der Arbeitnehmermitbestimmung (im Falle der Umwandlung analog zur SE-Regelung) in der SUP eingeführt werden. Ansonsten forciert der Richtlinienvorschlag ein „Forum-shopping“ und damit einen Wettbewerb in Richtung Aufweichung und Zerschlagung nationaler gesellschaftsrechtlicher Standards sowie Umgehung der Arbeitnehmermitbestimmung. Die Arbeitnehmermitbestimmung im Aufsichtsrat ist wesentlicher Baustein des europäischen Sozialmodells, Teil der europäischen Corporate Governance und muss vor Umgehungskonstruktionen geschützt werden. Im Sinne der „Firmenklarheit“ sollte jede SUP in ihrem Namen einen Hinweis auf die Haftungsbeschränkung und das Land ihrer Eintragung enthalten.

Brüssel, den 10. September 2014.

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2014) 212 final.

(2)  Zwei der drei folgenden Größenmerkmale werden am Bilanzstichtag nicht überschritten: Bilanzsumme: 4 0 00  000 Euro; Nettoumsatzerlöse: 8 0 00  000 Euro; durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 50.

(3)  ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19.

(4)  COM(2012) 35 final.

(5)  COM(2008) 396 final.

(6)  Siehe Anhang zu COM(2013) 685 final.

(7)  Siehe Fußnote 4.

(8)  Siehe Fußnote 3.

(9)  Zwei der drei folgenden Größenmerkmale werden am Bilanzstichtag nicht überschritten: Bilanzsumme: 4 0 00  000 Euro; Nettoumsatzerlöse: 8 0 00  000 Euro; durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: 50.

(10)  Siehe Fußnote 3.