16.12.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 451/64


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung im Küsten- und Meerestourismus

COM(2014) 86 final

(2014/C 451/10)

Berichterstatter:

Paulo BARROS VALE

Die Europäische Kommission beschloss am 7. März 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für mehr Wachstum und Beschäftigung im Küsten- und Meerestourismus.

COM(2014) 86 final.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 23. Juni 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 500. Plenartagung am 9./10. Juli 2014 (Sitzung vom 9. Juli) mit 189 Stimmen bei 6 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt diese Mitteilung — wie schon die früheren Mitteilungen von 2010 und 2012, da er Initiativen, die zur Entwicklung des Küsten- und Meerestourismus beitragen können, große Bedeutung beimisst.

1.2

Der EWSA ist sich der durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union eingeführten Beschränkungen bewusst und unterstützt die von der Kommission in ihrer Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen. Nichtsdestotrotz möchte er diesbezüglich einige Empfehlungen und Warnungen formulieren und damit einen Beitrag zu der in der Europa-2020-Strategie geforderten intelligenten, nachhaltigen und inklusiven Entwicklung des Küsten- und Meerestourismus leisten.

1.3

Wir müssen in Europa unsere natürlichen Ressourcen nutzen und unsere Qualitätsstandorte fördern, an denen Natur und Raumplanung von Küsten- und Meeresgebieten im Einklang stehen. Da den Küstengebieten im Hinblick auf die Umwelt, Wirtschaft und soziale Aspekte eine besondere strategische Bedeutung zukommt, müssen auch die Probleme dieser Gebiete im Rahmen einer integrierten Politik der nachhaltigen Entwicklung gelöst werden, bei der der Raumplanung, der Ausgewogenheit zwischen der Nutzung erneuerbarer Energieträger und den anderen Küstenaktivitäten sowie der Einhaltung der städtebaulichen Vorschriften besonderes Augenmerk gelten sollte. Die Auswirkungen des Klimawandels sind spürbar geworden und beeinträchtigen und zerstören sogar Küstengebiete, wobei die Küstenlinie zurückweicht. Sie gehen mit umfangreichen und kostspieligen Anpassungen einher und dürfen daher nicht unterschätzt werden.

1.4

Der EWSA bekräftigt die von ihm bereits in der Vergangenheit vertretene Idee, eine europäische Tourismusagentur zu schaffen, an der alle Interessenträger — Fremdenverkehrsverbände, Tourismusregionen, in diesem Bereich tätige Behörden und die sektorspezifischen Gewerkschaften beteiligt sind. Die Schaffung eines solchen Gremiums könnte die touristische Werbung für Europa in der Welt voranbringen.

1.5

Möglicherweise ist der Zeitpunkt für die Konzipierung einer gemeinsamen Tourismuspolitik gekommen, die unter Wahrung der nationalen Spielräume die Tourismusbranche in ihrer Gesamtheit betrachtet und dabei Synergie-Effekte ermittelt und die politischen Maßnahmen der einzelnen Mitgliedstaaten koordiniert. Jedes Jahr gibt es verschiedene neue Ideen, die dann aber nicht über das Anfangsstadium hinauskommen, da nicht vernetzt gearbeitet wird und eine gemeinsame Strategie für den Tourismus fehlt, die in der Lage ist, traditionelle und weniger herkömmliche Ferienziele, das historische Erbe und die Gastronomie unter einer europäischen Marke zu fördern und auch einer eventuellen, gelegentlich aufkommenden Negativwerbung entgegenzuwirken.

1.6

Die Entwicklung des Massentourismus, die durch das Aufkommen der Billigfluglinien einen großen Aufschwung genommen hat, muss genutzt werden, wobei es gilt, Verkehrsnetze zwischen den durch Flughäfen angebundenen Gebieten und anderen, abgelegeneren Regionen zu schaffen oder zu fördern, den territorialen Zusammenhalt zu stärken, indem weit abgelegene Gebiete in Reiserouten aufgenommen und dadurch touristisch attraktiver gemacht werden, und den Besuch städtischer und an der Küste gelegener Ferienziele im Rahmen ein und derselben Reise zu ermöglichen. Im Hinblick auf die Förderung der Mobilität ist es wichtig, dass die Informationen über bestehende Verkehrsverbindungen zentral an einem Platz abrufbar sind. Der EWSA betont die Dringlichkeit einer Überprüfung der Rechtsvorschriften über die Visumerteilung, damit Touristen aus Ländern außerhalb Europas, insbesondere aus China und anderen Schwellenländern, leichter reisen können.

1.7

Den entlegenen Gebieten, insbesondere im Norden Europas, die über ausgezeichnete Umweltbedingungen verfügen, muss besondere Aufmerksamkeit zuteil werden, wobei es gilt, den Reiseverkehr zu erleichtern und Infrastruktur, Kommunikationsdienste und WLAN-Netze bereitzustellen, um Touristen anzuziehen und dazu beizutragen, dass die Bevölkerung in diesen Regionen verbleibt.

1.8

Auch ein geeignetes Management der Touristenhäfen ist ein dringliches Anliegen, da der Zugang von Jachten und Sportbooten durch fehlende Informationen über die Existenz von Jachthäfen und die Verbindung zwischen verschiedenen Häfen erschwert wird. Ein mangelhaftes Hafenmanagement beeinträchtigt die Entwicklung des Tourismus und die Beförderung von Personen und Gütern, wobei die Kommission dieses Problem unter dem Gesichtspunkt der Maßnahmen zur Schaffung eines Binnenmarktes und der Freizügigkeit beziehungsweise des freien Warenverkehrs betrachten und zur Behebung dieser Defizite tätig werden kann.

1.9

Das exponentielle Wachstum des Kreuzfahrttourismus hat neue Realitäten geschaffen, deren Auswirkungen noch nicht gebührend untersucht wurden. Die Zunahme der Touristenströme in bestimmten Häfen ist zwar ein wichtiger Faktor für die Entwicklung der Küstengebiete, gleichzeitig gilt es jedoch, die negativen Auswirkungen dieser Verkehrsspitzen an denen jeweiligen Zielorten zu minimieren. Auch müssen Vorbereitungen getroffen werden, um den Gefahren der Wasser- und Luftverschmutzung durch die von den großen Kreuzfahrtschiffen verwendeten Kraftstoffe und den Umweltrisiken durch den Besuch tausender Menschen in den Reisedestinationen zu begegnen. Notwendig sind auch Anstrengungen, um die Informationen über die Zwischenstopps dieser Schiffe mit dem lokalen Tourismus zu koordinieren und damit das Zusammentreffen von Kreuzfahrtpassagieren mit anderen Touristen zu vermeiden, die ja ihren Besuch auf eine andere Tageszeit verlegen könnten.

1.10

Die Maßnahme zur Erfassung des Ausbildungsbedarfs und die Einrichtung einer Rubrik „Blue Jobs“ (Arbeitsplätze Küste/Meer) im EURES-Portal sind wichtige Aktionen, wobei die Kommission allerdings unbedingt tätig werden muss, um die Ergebnisse dieser Untersuchung möglichst umfassend zu verbreiten und die Mitgliedstaaten dafür zu sensibilisieren, diese Ergebnisse in ihren bildungspolitischen Maßnahmen zu berücksichtigen. Nicht nur Bildungsmaßnahmen für die Beschäftigten und Angestellten der im Tourismus tätigen Unternehmen und Behörden müssen gefördert werden, sondern auch entsprechende Maßnahmen für die Unternehmer dieser Branche. Dabei ist neben den Aspekten, die zu einer besseren Qualität der touristischen Dienstleistungen beitragen, auch die Werbung für Europa als Reiseziel zu behandeln. Es muss betont werden, dass die Sensibilisierung für die Bedeutung des Tourismus, des europäischen Kulturerbes und der Umwelt bereits während der Pflichtschulbildung im jungen Alter beginnen muss.

1.11

In Bezug auf die Problematik des Kreuzfahrttourismus muss Europa zudem die Beschäftigungspolitik der Kreuzfahrtunternehmen aufmerksam verfolgen. Die Jugendbeschäftigung in Europa kann und muss in dieser Wachstumsbranche mit großem Beschäftigungspotenzial geschützt werden.

1.12

Der EWSA bekräftigt die Bedeutung bestimmter Regelungen, mit denen die Herausforderungen des Tourismussektors und insbesondere des Küsten- und Meerestourismus bewältigt werden können:

Einrichtung einer europäischen Plattform, auf der Informationen über Verkehrsverbindungen auf Straße, Schiene, See- und Luftweg gebündelt zur Verfügung gestellt werden. Die Mobilitätsprobleme im Zusammenhang mit Touristenströmen sind ein Grund dafür, dass abgelegene Regionen mit hohem touristischen Potenzial insbesondere im Norden Europas nicht für den Fremdenverkehr erschlossen werden, da Informationen über die verfügbaren Verkehrsverbindungen fehlen und die verschiedenen Verkehrsträger nicht aufeinander abgestimmt sind bzw. Verkehrsmittel sogar gänzlich fehlen;

Förderung von naturbezogenem und nachhaltigem Tourismus, Sozialtourismus, Meerestourismus, Kultur- und Sporttourismus, Geschäftsreisen, Wellness- oder Kurreisen, Tourismus mit den Schwerpunkten Geschichte, Kultur, Religion oder Gastronomie;

Anreize für den Tourismus für Senioren und Menschen mit Behinderungen, mit eingeschränkter Mobilität oder besonderen Bedürfnissen;

Anerkennung des einzigartigen Kulturerbes, das Europa von den anderen Regionen der Welt unterscheidet, Schutz dieses Erbes und seine Förderung im Sinne eines herausragenden Reiseziels;

Werben mit der Sicherheit, die Europa seinen Besuchern bei der Reise und dem Aufenthalt bietet: Wasserqualität und Lebensmittelsicherheit, ärztliche Betreuung und Versorgung mit Arzneimitteln sowie in Krankenhäusern, persönliche Sicherheit und Achtung der Bürger und ihrer Grundrechte.

1.13

Der EWSA spricht sich dafür aus, dass die Vorlieben der jetzigen und potenziellen Besucher Europas in einer Studie untersucht werden, um zu ermitteln, was ihnen gefällt und missfällt, aus welchem Grund sie wiederkommen oder nicht wiederkommen würden und warum sie gegebenenfalls Reiseziele außerhalb Europas bevorzugen. Eine solche Studie wäre aussagekräftig in Bezug auf die Verhaltensmuster und Merkmale der Touristen und könnte die Entscheidungsfindung und die Ausarbeitung gemeinsamer Strategien für die Entwicklung dieser Branche unterstützen. Sie sollte den Reiseveranstaltern, Passagier- und Jachthäfen, Fremdenverkehrsverbänden und Tourismusbehörden sowie den europäischen Regierungen und Behörden übermittelt werden.

1.14

Der EWSA fordert darüber hinaus, dass im Rahmen der Debatte über den Tourismus und die zu ergreifenden Maßnahmen eine Verbindung hergestellt wird zwischen dem Meeres- und Küstentourismus einerseits und dem Tourismus an und auf Binnengewässern andererseits, wobei die natürlichen Gegebenheiten der Flüsse, Mündungen und Deltas als Ergänzung des Angebots in Küstenregionen genutzt werden sollten. Flüsse bieten Möglichkeiten für die Förderung neuer Produkte wie Kreuzfahrten mit den Schwerpunkten Gastronomie, ländlicher Tourismus oder Ökotourismus, während Deltamündungen Gebiete von großem landschaftlichen Wert sind, der Wissensvermittlung und Erziehung dienen können und sich für die Beobachtung von Vögeln und der für diese Standorte typischen Artenvielfalt anbieten.

2.   Einleitung

2.1

Die hier behandelte Mitteilung folgt auf eine frühere Mitteilung aus dem Jahr 2010 (1), in der eine Strategie für einen nachhaltigen Küsten- und Meerestourismus angekündigt wurde, und auf die Mitteilung „Blaues Wachstum, Chancen für nachhaltiges marines und maritimes Wachstum“ von 2012 (2). In ihr ist der Küsten- und Meerestourismus als einer von fünf Schwerpunktbereichen der Blauen Wirtschaft aufgeführt.

2.2

Der Küsten- und Meerestourismus gilt bereits als wichtige Wertschöpfungsquelle mit erheblichem Wachstums- und Beschäftigungspotenzial. Er macht einen großen Teil der maritimen Wirtschaft in Europa aus und bietet beinahe 3,2 Millionen Menschen Beschäftigung, von denen fast die Hälfte junge Arbeitnehmer sind. Die Branche verzeichnet eine Bruttowertschöpfung von 183 Mrd. EUR und setzt sich zum Großteil aus Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen zusammen, wobei mehr als ein Drittel aller im Tourismus im weiteren Sinne tätigen europäischen Unternehmen auf diese Branche entfallen.

2.3

In der Mitteilung sollen die Herausforderungen für die Branche ermittelt werden: Förderung von Leistung und Wettbewerbsfähigkeit durch Verbesserung der Datenlage, Bewältigung der schwankende Nachfrage und Überwindung der Fragmentierung des Sektors; Förderung von Qualifikation und Innovation; Stärkung der Nachhaltigkeit durch Verringerung der Umweltbelastung, Förderung eines innovativen, nachhaltigen und hochwertigen Angebots und Nutzung geografischer Einschränkungen wie einer Insel- und Randlage als Chance.

2.4

In der Mitteilung werden auch Fragen der Nutzung der verfügbaren EU-Mittel und der Einbindung von EU-Politikbereichen mit Auswirkungen auf den Küsten- und Meerestourismus behandelt.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Das Blaue Wachstum, das traditionelle ebenso wie in Entwicklung befindliche und aufstrebende Branchen betrifft, ist eine komplexe und ehrgeizige Herausforderung, die ganzheitlich angegangen werden muss. Bei der Nutzung der Küstengebiete sind die Interessen der verschiedenen einschlägigen Branchen zu berücksichtigen, ohne Umweltfragen auszuklammern. Dabei ist der Raumordnung der terrestrischen und marinen Gebiete besondere Aufmerksamkeit zu schenken, die die Bedingungen für touristische Angebote prägt. Wichtig ist eine branchenübergreifende Herangehensweise an diese Problematik, denn ohne Landschaftspflege und Umweltschutz können der Küstentourismus oder jede andere Form des Tourismus nicht entwickelt werden. Die Bedeutung der Nutzung erneuerbarer Energieträger steht außer Frage und diese muss nachdrücklich gefördert werden. Es muss aber besonders darauf geachtet werden, dass die Standorte der Anlagen so gewählt werden, dass sie die Entwicklung der Tätigkeiten des Meerestourismus nicht unmöglich machen. Die Ansiedlung von Kernkraftwerken in Touristengebieten sollte vermieden werden.

bilden die Grundlage für die Wirtschaftssysteme und müssen gemeinsam mit der Innovation als tragende Säulen des intelligenten und sozial integrativen Wachstums betrachtet werden.

3.2

Die Hauptprobleme des Tourismus bestehen seit Jahren: Noch immer gilt es, die Herausforderungen in Bezug auf die Saisonabhängigkeit, die prekäre und gering qualifizierte Beschäftigung (insbesondere Jugendbeschäftigung), den Mangel an neuen innovativen Produkten sowie die Schwierigkeiten beim Zugang zur Finanzierung insbesondere für Kleinstunternehmen und KMU zu bewältigen. Außerdem muss unbedingt ein europäischer Politikrahmen für die Entwicklung des Tourismus geschaffen werden: eine echte europäische Tourismuspolitik, die Leitlinien für gemeinsame Entwicklungsstrategien vorsieht und die Freiheit der Mitgliedstaaten bei der Gestaltung ihrer Politik auf nationaler Ebene achtet.

3.3

Der Kampf gegen die Saisonabhängigkeit im Küsten- und Meerestourismus muss das Angebot neuer Produkte einschließen, welche neue Verbraucher anziehen (und dies hauptsächlich in der Nebensaison). Die Entwicklung neuer Tourismusprodukte für ältere Menschen und Personen aus benachteiligten Gruppen, die Ausschöpfung des Potenzials des Boots- und Schiffstourismus — Freizeitschifffahrt (Segel- und Motorjachten), Wassersport (leichte Segelboote, Windsurfen, Kitesurfen, Wellenreiten, Bodyboard, Ruderboot, Kanu, Wasserski, Motorboot, Angeln, Speerfischen oder Tauchen einschließlich Wracktauchen) oder Schiffs- und Kreuzfahrten —, die Entwicklung des Tourismus mit den Schwerpunkten Thalassotherapie, Golf oder Naturtourismus — all dies kann eine Lösung sein, um die Auslastungsrate in der Nebensaison zu verbessern, was zum Verbleib der Bevölkerung in den vom Tourismus abhängigen Regionen beiträgt. Des Weiteren können die Förderung der Entwicklung der neuen auf den Tourismus gerichteten Branchen, die aus Küstengebieten stammende Produkte verwenden, und der Zugang zu Breitbandnetzen insbesondere in entlegenen Gebieten dazu beitragen, die Saisonabhängigkeit zu bekämpfen und die Attraktivität dieser Gebiete für junge Menschen zu steigern.

3.4

Einige dieser weniger traditionellen Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Boots- und Schiffstourismus werden bereits von örtlichen Sportvereinen umfassend betrieben, deren Fachkenntnisse genutzt werden könnten. Die Förderung des Boots- und Schiffstourismus muss Realität werden, indem Vorschriften erlassen, neue Infrastrukturen geschaffen oder die bereits bestehenden modernisiert bzw. neue Chancen eröffnet werden, die dieses für nicht traditionelle Zielgruppen höchst attraktive Angebot ermöglichen.

Der Meers- und Küstentourismus ist vielerorts mit dem Flusstourismus verknüpft. Diese Verknüpfung darf nicht außer Acht gelassen werden, wobei es empfehlenswert erscheint, gemeinsame Entwicklungsstrategien festzulegen. Vor diesem Hintergrund muss die Freizeitschifffahrt Impulse erhalten, indem neue Produkte entwickelt werden, die die Möglichkeiten der Meeres- und Flussaktivitäten kombinieren.

3.5

Der Tourismus ist nicht gesondert zu betrachten, sondern als eine Branche, die durch verschiedene in der EU ergriffene Maßnahmen geprägt wird — vor allem in den Politikbereichen Verkehr, Beschäftigung, Bildung, Umwelt, Innovation, Sicherheit, Verbraucher usw. Zur Bewältigung der Probleme ist ein ganzheitlicher Ansatz notwendig, da die Maßnahmen der verschiedenen Politikbereiche einen unmittelbaren Einfluss auf die Arbeitslosigkeit in der Branche ausüben.

3.6

Die Kommission kann zwar im Bereich Tourismus nicht unmittelbar tätig werden, doch sie kann einige der ermittelten Probleme durch Maßnahmen lösen, die sie im Rahmen ihrer Befugnisse zur Förderung des Binnenmarkts durchführt, insbesondere hinsichtlich der Freizügigkeit und des freien Warenverkehrs sowie im Rahmen der Errichtung des Binnenmarkts. Dabei kann sie Probleme angehen, die über den Tourismus hinausgehen und andere Bereiche berühren, in denen ein Eingreifen nicht nur möglich, sondern wünschenswert ist.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Es gibt nur vereinzelte Informationen über die Tourismusbranche, was Untersuchungen und Bewertungen erschwert, entweder wegen fehlender Daten oder wegen fehlender spezifischer Indikatoren, die Vergleiche ermöglichen. Der EWSA begrüßt die Absicht, diesen Mangel zu beheben, weist aber auf die Tatsache hin, dass seit der Mitteilung von 2010, in der das Problem aufgezeigt wurde, nur geringe Fortschritte in dieser Hinsicht erzielt wurden.

4.2

Die Anstrengungen der Kommission zur Förderung des Qualitätstourismus, den Europa bietet, können zur Verringerung des Problems der Saisonabhängigkeit sowie der damit verbundenen sozialen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten beitragen. Europa ist mit der Konkurrenz durch neue Reiseziele in Schwellenländern konfrontiert, die mit niedrigen Preisen locken, jedoch nicht die gleichen Bedingungen in puncto Sicherheit und kultureller Reichtum bieten. Die Förderung Europas als Tourismusdestination muss auf dem Unterscheidungsmerkmal „Qualität“ basieren — und dem Besten, was Europa zu bieten hat: einen einzigartigen kulturellen Reichtum, Sicherheit, Vielfalt der Dienstleistungen, Achtung der Bürgerrechte, für Menschen mit Behinderungen oder besonderen Bedürfnissen zugängliche Gebäude, Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten und WLAN-Netzen. Die Anerkennung des Stellenwerts des europäischen Kulturerbes und seines Schutzes ist für die Entwicklung eines nachhaltigen und inklusiven Tourismus von strategischer Bedeutung.

4.3

Besondere Aufmerksamkeit verdient auch der Seniorentourismus. Angesichts des weltweiten Phänomens der demografischen Alterung ist bei der Definition der branchenspezifischen Strategien das Augenmerk insbesondere auf den Gesundheits-, Kultur- und Naturtourismus zu legen. Schließlich sind es die Touristen jenseits der 50, die am meisten ausgeben; und Seniorentouristen haben auch mehr Zeit zu reisen und bevorzugen die Nebensaison.

4.4

Der Kreuzfahrtmarkt hat ein erhebliches Wachstum erfahren. Allerdings sind die realen Auswirkungen von Zwischenstopps auf den Küstentourismus sind gering, da die Liegezeiten kurz und die Information über lokale Angebote nicht effizient ist. Die Förderung des in der Mitteilung vorgeschlagenen Dialogs zwischen Kreuzfahrtveranstaltern, Häfen und Interessenträgern des Küstentourismus ist wichtig und muss im Rahmen der Entwicklung von internationalen und interregionalen Partnerschaften, Netzen, Clustern und Strategien der intelligenten Spezialisierung zur Bekämpfung der Fragmentierung der Branche erfolgen. Die Wirksamkeit des vernetzten Arbeitens ist ein Faktum, dem sich der Tourismus nicht verschließen darf. Diese Förderung könnte im Tätigkeitsbereich der hier bereits vorgeschlagenen europäischen Tourismusagentur erfolgen, die als Plattform für eine umfassende Debatte über die Probleme der Branche und als Basis für vernetztes Arbeiten und Zusammenarbeit dienen würde.

4.5

Die Ausbildung von Fachpersonal ist für ein nachhaltiges und integratives Wachstum wesentlich. Die Tourismusbranche steht vor besonderen Schwierigkeiten hinsichtlich der Qualifizierung ihrer Arbeitnehmer, da sie einer Vielzahl junger Menschen saisonabhängige und prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit geringeren Karrieremöglichkeiten bietet. Der EWSA begrüßt die Schaffung der Rubrik „blaue Arbeitsplätze“ auf dem EURES-Portal und die Erfassung des Bildungsbedarfs in der Tourismusbranche. Er fordert, die Mitgliedstaaten darum zu ersuchen, diese Ergebnisse bei der Förderung der Bildungsangebote zu berücksichtigen, die aus dem Europäischen Sozialfonds finanziert werden oder auf privaten Initiativen beruhen, sowie das vernetzte Arbeiten zwischen bereits existierenden Schulen sowie die Präsentation von Projekten der Tourismusbranche im Rahmen des Erasmus+-Programms anzuregen. Dies sollte die Ausbildung für die Unternehmer der Branche einschließen, damit sie bewährte Managementmethoden kennenlernen und übernehmen, hinsichtlich geltender Rechtsvorschriften und der Nutzung von Informationstechnologien auf den neuesten Stand gebracht und für Umweltfragen und spezifische Probleme der Tourismusbranche sensibilisiert werden.

4.6

Bezüglich des Problems, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Anforderungen für Bootsführer vorsehen, ist der EWSA der Ansicht, dass die Vorschläge der Kommission nicht weit genug gehen. Zwar hat die Kommission in der Tourismusbranche nur eingeschränkte Befugnisse, doch gilt das nicht für Fragen der Freizügigkeit und der Errichtung des Binnenmarkts, zu denen dieses Thema gehört.

4.7

Die Förderung der Nutzung innovativer Bewirtschaftungskonzepte über die IKT und das Tourismusportal muss Realität werden. Es ist darauf hinzuweisen, dass dieses von der Kommission geförderte Portal und andere Tourismus-Websites (z. B. die virtuelle Beobachtungsstelle für den Tourismus, Tourism Link Platform und eCalypso Platform) nicht in alle Sprachen übersetzt wurden, was ihre Nutzung für Interessenten in einigen Ländern möglicherweise mühsamer oder weniger reizvoll macht.

4.8

Die Nachhaltigkeit des Küsten- und Meerestourismus muss auf der umfassenden Achtung der Umwelt beruhen, wobei Land- und Meeresgebiete als miteinander verknüpft zu betrachten sind. Die Stärkung der Nachhaltigkeit durch die vorgeschlagenen Maßnahmen erweist sich als sehr wichtig für die Entwicklung neuer Produkte, die dem Reichtum des europäischen Kulturerbes und dem Umweltschutz Rechnung tragen. Einmal mehr zeigt sich, dass die in anderen Bereichen wie Umwelt, maritime Angelegenheiten und Verkehr zu ergreifenden Maßnahmen mit dem Tourismus in Verbindung stehen, weshalb die Kommission bei diesen Initiativen auf die Folgen für die Tourismusbranche besonders achten sollte.

4.9

Der EWSA begrüßt die Aufnahme des Tourismus in die spezifischen Ziele des Programms COSME 2014-2020, das er als eine wichtige Chance für die Entwicklung der Branche betrachtet. Hierbei geht es um die Förderung internationaler Kooperationsprojekte und die Einführung nachhaltiger Modelle für die Entwicklung des Tourismus im Rahmen der „herausragenden europäischen Reiseziele“. Der EWSA begrüßt auch die Erarbeitung eines Online-Leitfadens für die wichtigsten Finanzierungsmöglichkeiten angesichts des möglichen Querschnittscharakters der Initiativen in der Tourismusbranche. Allerdings ist erneut darauf hinzuweisen, dass Konsultation und Interpretation dieses Online-Leitfadens durch Sprachbarrieren erschwert werden könnten.

Brüssel, den 9. Juli 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  COM(2010) 352 final — Stellungnahme des EWSA: ABl. C 376 vom 22.12.2011, S. 44.

(2)  COM(2012) 494 final — Stellungnahme des EWSA: ABl. C 161 vom 6.6.2013, S. 87.