16.12.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 451/142


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sowie der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 hinsichtlich der Beihilferegelung für die Abgabe von Obst und Gemüse, Bananen und Milch in Bildungseinrichtungen

COM(2014) 32 final — 2014/0014 (COD)

(2014/C 451/23)

Berichterstatter:

Adalbert KIENLE

Das Europäische Parlament und der Rat beschlossen am 6. Februar 2014 bzw. am 19. Februar 2014, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 43 und 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1308/2013 sowie der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 hinsichtlich der Beihilferegelung für die Abgabe von Obst und Gemüse, Bananen und Milch in Bildungseinrichtungen.

COM(2014) 32 final — 2014/0014 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umwelt-schutz nahm ihre Stellungnahme am 19. Juni 2014 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 500. Plenartagung am 9./10. Juli 2014 (Sitzung vom 9. Juli) einstimmig mit 185 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der EWSA befürwortet die Schaffung eines gemeinsamen rechtlichen und finanziellen Rahmens für die bisher getrennt geführten und geförderten EU-Schulobst- und Schulmilchprogramme.

1.2

Der EWSA begrüßt ganz besonders eine deutliche Verstärkung der pädagogischen Unterstützung des künftigen Programms, das bei voller Ausschöpfung des Potentials ein entscheidend wichtiger Beitrag im Kampf gegen die zunehmende Adipositas bei Kindern und gegen die Lebensmittelverschwendung sein kann.

1.3

Der EWSA erwartet eine deutliche Verringerung des Verwaltungs- und Organisationsaufwandes; den Mitgliedstaaten soll ausreichend Spielraum für ihre Prioritäten und Besonderheiten eingeräumt werden.

1.4

Der EWSA empfiehlt eine klare Präferenz für nachhaltige — möglichst frische saisonale und regionale/lokale — Produkte aus Europa.

2.   Einleitung

2.1

Zu unterschiedlichen Zeiten wurden jeweils eigenständige europäische Schulprogramme ins Leben gerufen. War die Zielsetzung ursprünglich vor allem die Absatzförderung, so ist zwischenzeitlich die gesunde Ernährung von Kindern in den Vordergrund gerückt. Das Schulmilchprogramm, im Rahmen der Marktorganisation für Milch, wurde bereits 1977 eingeführt; zuletzt haben pro Jahr rund 20 Mio. Kinder daran teilgenommen. Das Schulobstprogramm hingegen ging 2007 als politische Verpflichtung aus der Reform der gemeinsamen Marktorganisation für Obst und Gemüse hervor; hiervon profitierten zuletzt 8,6 Mio. Kinder. Für die Programme gab es — trotz ähnlicher Zielsetzung und ähnlicher Zielgruppen — unterschiedliche rechtliche und finanzielle Rahmenbedingungen, ebenso Unterschiede in Konzeption und Umsetzung. Beide Programme wurden — bei sehr unterschiedlicher Inanspruchnahme in den Mitgliedstaaten — nicht voll ausgeschöpft.

2.2

Als Konsequenz einer deutlichen Kritik des Europäischen Rechnungshofes und nachfolgend einer gründlichen Evaluierung beider Schulprogramme sowie einer öffentlichen Konsultation schlägt die Europäische Kommission nunmehr einen gemeinsamen rechtlichen und finanziellen Rahmen für die Verteilung von Obst und Gemüse sowie Milch an Schulkinder vor. Weitere Schwachstellen und Mängel sollen beseitigt werden. Vor allem sollen die Programme verstärkt pädagogisch gestützt werden.

2.3

Das neue Programm soll mit den im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik 2020 für die Schulprogramme vorgesehenen erhöhten Haushaltsmitteln ausgestattet sein, d. h. jährlich bis zu 230 Mio. EUR (150 Mio. EUR Schulobstprogramm und 80 Mio. EUR Schulmilchprogramm).

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der EWSA unterstützt die von der EU unterstützten Programme zur Verteilung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Bildungseinrichtungen für Kinder und Jugendlich nachdrücklich. Es sei daran erinnert, dass sich der EWSA klar gegen eine frühere Absicht — im Jahre 1999 — der Europäischen Kommission positioniert hatte, die EU-Unterstützung für das Schulmilchprogramm einzustellen.

3.2

Der EWSA betont die herausragende Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung im Kindes- und Schulalter. Andererseits erweist sich Armut, wie sie durch die Finanz- und Wirtschaftskrise verschärft wurde, gerade bei Kindern und Jugendlichen als besonders hohes Ernährungsrisiko. Erschreckend viele Kinder gehen tagtäglich ohne jegliches Frühstück in die Schule. Sowohl die Zunahme von Adipositas als auch der Umfang von Nahrungsmittelverschwendung sind gesellschaftliche Herausforderungen ersten Ranges.

3.3

Der EWSA hofft, auch wenn die Teilnahme der Mitgliedstaaten weiterhin freiwillig ist, dass die neuen Schulprogramme überall in allen Mitgliedstaaten zur Anwendung kommen und voll ausgeschöpft werden. Der EWSA ist zuversichtlich, dass damit der Anteil von Obst und Gemüse sowie Milcherzeugnissen an der Ernährung von Kindern nachhaltig erhöht werden kann.

3.4

Der EWSA begrüßt ganz besonders die stärkere Gewichtung unterstützender pädagogischer Maßnahmen seitens der EU. Der EWSA sieht sich damit in seinen früheren Forderungen bestätigt. Die Ausprägung gesünderer Ernährungsgewohnheiten gerade im Kindes- und Schulalter zu fördern und die Wahrnehmung der Landwirtschaft und der Nahrungsmittelketten zu verbessern, sollte von den staatlichen Ebenen wie von Schulen, Eltern, Land- und Ernährungswirtschaft, Zivilgesellschaft und Medien als Verpflichtung und „Gemeinschaftsaufgabe“ angesehen werden, zu der jeder seinen Teil beitragen kann.

3.5

Der Dreh- und Angelpunkt für den Erfolg dieser Schulprogramme sind die Lehrerinnen und Lehrer, die sich erfreulicherweise zunehmend dafür interessieren und engagieren. Eine besondere Motivation für sie kann die zusätzliche Unterstützung der Programme durch nationale Top-up oder durch Sponsoren und zivilgesellschaftliche Fördervereine sein. Letzteres ist besonders in sozialen Brennpunkten wünschenswert. Der EWSA befürwortet deshalb die seitens der Europäischen Kommission initiierten Pilotprojekte für sozial schwache und schutzbedürftige Gruppen.

3.6

Deshalb unterstützt der EWSA auch nachdrücklich die vorgesehenen erweiterten Möglichkeiten, um die Wahrnehmung der lokalen Land- und Ernährungswirtschaft — ihrer Produkte, ihrer Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Leistungen — zu verbessern, etwa durch das Anlegen von Schulgärten, bei Schulausflügen oder Produktverkostungen auf Bauernhöfen und Handwerksbetrieben oder durch das Erlangen eines „Ernährungs-Führerscheins“. Der EWSA hält es für ein Vorbild, dass in einigen Mitgliedstaaten Landwirte die Schulen direkt mit der Schulmilch beliefern und somit ständigen Kontakt mit den Kindern haben.

3.7

Genauso begrüßt es der EWSA, dass auch landwirtschaftliche Erzeugnisse wie z. B. Olivenöl oder Honig bei Gelegenheit erörtert werden können, ebenso wie Fragen des ökologischen Anbaus. Gleiches gilt für Fragen der Umwelt oder der Lebensmittelverschwendung. Der EWSA empfiehlt, dass die flankierenden Maßnahmen sehr frühzeitig evaluiert werden.

3.8

Ein EU-Schulprogramm kann nur erfolgreich sein, wenn es den nationalen und regionalen Besonderheiten, den Gegebenheiten an Kindertagesstätten und Schulen und den Erwartungen der Kinder und Eltern gerecht wird. Gerade auch die Konsultationen haben deutlich bestätigt, dass der zu hohe Verwaltungs- und Organisationsaufwand als häufiges Ärgernis oder gar als Begründung für einen Ausstieg aus der Teilnahme an den bisherigen Schulprogrammen angesehen wird. Umso wichtiger ist es für den EWSA, dass sich bei der Konkretisierung des neuen Schulprogrammes deutliche Synergieeffekte realisieren lassen. Schulen, beteiligte Wirtschaft und Verwaltung müssen einen deutlich niedrigeren Verwaltungs- und Organisationsaufwand haben.

3.9

Die vorgesehene erweiterte Fördermöglichkeit für Logistik und Equipment — etwa für die Kühlung der frischen Nahrungsmittel — sieht der EWSA als richtig und wichtig an.

3.10

Der EWSA hält es für richtig, dass im Rahmen der Schulprogramme die Verteilung von Obst und Gemüse einschließlich Bananen sowie von Milch gefördert werden sollen. Eine Begrenzung auf Trinkmilch hält der EWSA für fragwürdig, sondern empfiehlt die Fortführung einer erweiterten Produktpalette im Milchbereich. unter Berücksichtigung ernährungsphysiologischer und pädagogischer Aspekte. Der EWSA wünscht nachdrücklich, dass frische Lebensmittel aus nachhaltiger europäischer Produktion bevorzugt verwendet werden. Soweit dies im Rahmen der Programme möglich ist, sollten die Produkte und Aktivitäten der Schulprogramme einen saisonalen und regionalen Bezug haben oder zu den von der EU geschützten geografischen Ursprungsbezeichnungen oder Spezialitäten (g.U. und g.g.A.) gehören.

Brüssel, den 9. Juli 2014

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE