18.5.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 140/11


Zusammenfassung des Beschlusses der Kommission

vom 23. Januar 2013

in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union

(Sache COMP/39.839 — Telefónica/Portugal Telecom)

(Bekanntgegeben unter Aktenzeichen C(2013) 306 final)

(Nur der englische und der portugiesische Text sind verbindlich)

2013/C 140/07

1.   EINLEITUNG

(1)

Am 23. Januar 2013 erließ die Kommission einen Beschluss in einem Verfahren nach Artikel 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Im Einklang mit Artikel 30 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates (1) veröffentlicht die Kommission im Folgenden die Namen der Parteien und den wesentlichen Inhalt des Beschlusses einschließlich der Geldbußen, wobei sie dem berechtigten Interesse der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse Rechnung trägt.

(2)

Das Verfahren und der Beschluss betreffen eine Wettbewerbsverbotsklausel, die in dem am 28. Juli 2010 zwischen Telefónica, SA („Telefónica“) und Portugal Telecom SGPS, SA („Portugal Telecom“) geschlossenen Aktienkaufvertrag enthalten war, mit dessen Unterzeichnung Telefónica die alleinige Kontrolle über den brasilianischen Mobilfunkbetreiber Vivo erwarb, der zuvor im gemeinsamen Eigentum der Parteien stand („Vivo-Transaktion“).

(3)

Die Wettbewerbsverbotsklausel hat folgenden Wortlaut:

„Ninth — Non-compete — To the extent permitted by law, each party shall refrain from engaging or investing, directly or indirectly through any affiliate, in any project in the telecommunication business (including fixed and mobile services, internet access and television services, but excluding any investment or activity currently held or performed as of the date hereof) that can be deemed to be in competition with the other within the Iberian market for a period starting on the date of Closing [27 September 2010] until December 31, 2011“ [9. Wettbewerbsverbot — Soweit rechtlich zulässig, verzichten die Parteien in dem Zeitraum vom Transaktionsabschluss [27. September 2010] bis zum 31. Dezember 2011 darauf, direkt oder indirekt über verbundene Unternehmen Vorhaben oder Investitionen in Vorhaben im Telekommunikationsgeschäft durchzuführen (einschließlich Festnetz- und Mobilfunkdiensten, Internetzugangs- und Fernsehdiensten, jedoch mit Ausnahme von Investitionen oder Tätigkeiten, die am Tag der Unterzeichnung dieses Vertrags bestehen bzw. ausgeübt werden), die so verstanden werden können, dass sie auf dem iberischen Markt in Wettbewerb zueinander stehen.]

(4)

Nach der Einleitung des Verfahrens durch die Kommission am 19. Januar 2011 hoben die Parteien die Wettbewerbsverbotsklausel am 4. Februar 2011 auf.

2.   ADRESSATEN

(5)

Der Beschluss ist gerichtet an Telefónica S.A. („Telefónica“) und Portugal Telecom SGPS S.A. („Portugal Telecom“), die Parteien des Aktienkaufvertrags, der die Wettbewerbsverbotsklausel enthält. Sie sind die Muttergesellschaften ihrer jeweiligen Konzerngesellschaften.

(6)

Telefónica und Portugal Telecom sind die etablierten Telekommunikationsbetreiber in Spanien bzw. in Portugal. Sie verfügen in ihrem jeweiligen Heimatmitgliedstaat auf den meisten Märkten der elektronischen Kommunikation über hohe Marktanteile, während ihre Präsenz im Heimatstaat der jeweils anderen Partei begrenzt ist.

3.   WESENTLICHER INHALT DES BESCHLUSSES

3.1   Verfahren

(7)

Am 19. Januar 2011 beschloss die Kommission, in der vorliegenden Sache das Verfahren nach Artikel 2 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 des Rates (2) und Artikel 11 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates einzuleiten. Im Rahmen der Untersuchung richtete die Kommission mehrere Auskunftsersuchen nach Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 an Telefónica, Portugal Telecom und bestimmte multinationale Kunden der Parteien.

(8)

Am 21. Oktober 2011 nahm die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an, in der sie die vorläufige Auffassung vertrat, dass Telefónica und Portugal Telecom durch die Wettbewerbsverbotsklausel, die einer Marktaufteilungsvereinbarung gleichkommt, gegen Artikel 101 AEUV verstoßen hatten.

(9)

Am 4. November 2011 wurde Telefónica und Portugal Telecom Akteneinsicht gewährt.

(10)

Am 13. Januar 2012 übermittelten Telefónica und Portugal Telecom ihre jeweiligen Erwiderungen auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte. Sie beantragten keine mündliche Anhörung.

(11)

Der Beratende Ausschuss für Kartell- und Monopolfragen gab am 19. November 2012 und 21. Januar 2013 befürwortende Stellungnahmen ab. Diese Stellungnahmen wurden nach Artikel 14 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 abgegeben.

3.2   Die relevanten Märkte

(12)

In dem Beschluss wird festgestellt, dass die Wettbewerbsverbotsklausel und die Zuwiderhandlung Folgendes betrafen: a) alle elektronischen Kommunikationsdienste mit Ausnahme der Märkte für weltweite Telekommunikationsdienste und internationale Übertragungsdienste auf Vorleistungsebene, auf denen die beiden Parteien zum Zeitpunkt des Vertragschlusses auf der iberischen Halbinsel tätig waren und die sich auf Dienstleistungen im Zusammenhang mit multinationalen Kunden beziehen, und b) Fernsehdienste, die ausdrücklich in der Wettbewerbsverbotsklausel genannt sind.

(13)

In diesem Fall kann die genaue Abgrenzung der relevanten Märkte angesichts des weit gefassten Anwendungsbereichs der Wettbewerbsverbotsklausel offengelassen werden. In dem Beschluss werden die verschiedenen relevanten Märkte im Einklang mit der Empfehlung 2007/879/EG der Kommission (3) und mit früheren Kommissionsbeschlüssen sowie Gerichtsurteilen aufgeführt.

(14)

Die räumlich relevanten Märkte haben eine nationale Ausdehnung (Staatsgebiet Spaniens bzw. Portugals).

(15)

Telefónica und Portugal Telecom haben in mehreren Stellungnahmen versucht, den Umfang des Anwendungsbereichs der Wettbewerbsverbotsklausel einzuschränken. Insbesondere auf der Grundlage des Wortlauts „excluding any investment or activity currently held or performed as of the date hereof“ [„mit Ausnahme von Investitionen oder Tätigkeiten, die am Tag der Unterzeichnung dieses Vertrags bestehen bzw. ausgeübt werden“] machten sie geltend, dass alle Märkte, auf denen ZON (ein portugiesischer Betreiber, an dem Telefónica bei Abschluss des Aktienkaufvertrags eine Beteiligung von 5,46 % hielt) vertreten war, vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen werden sollten. Außerdem trugen sie vor, dass alle Märkte, auf denen Wettbewerb durch die jeweils andere Partei ihrer Ansicht nach nicht möglich war (z. B. die Vorleistungsmärkte aufgrund der hohen Zutrittsschranken), vom Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen werden sollten.

(16)

Diese Einlassungen werden in dem Beschluss zurückgewiesen. Erstens wird in dem Beschluss festgestellt, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass Telefónica die Geschäfte von ZON wahrnahm, da Telefónica ZON nicht kontrollierte. Zweitens wird festgestellt, dass den Parteien durch die Wettbewerbsverbotsklausel Tätigkeiten und Investitionen untersagt sind, „bei denen davon ausgegangen werden kann, dass sie […] in einem Wettbewerbsverhältnis stehen“. Wird eine Partei auf einem Markt tätig, auf dem die andere bereits vertreten ist, fällt der betreffende Markt unter die Klausel, weil „davon ausgegangen“ wird, dass der neue Marktteilnehmer mit der anderen Partei „in einem Wettbewerbsverhältnis steht“. Zudem sind Telefónica und Portugal Telecom zumindest auf allen Märkten für elektronische Kommunikationsdienste und Fernsehdienste, auf denen sie vertreten sind, als potenzielle Wettbewerber anzusehen.

3.3   Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 AEUV

(17)

Telefónica und Portugal Telecom machten geltend, die Wettbewerbsverbotsklausel habe lediglich eine Verpflichtung zur Selbstbewertung der Rechtmäßigkeit und des Anwendungsbereichs eines möglichen Wettbewerbsverbots als Nebenabrede zur Vivo-Transaktion vorgesehen. Den Angaben der Parteien zufolge nahmen sie diese Selbstbewertung vor und diskutierten in zwei Telefonkonferenzen (26. und 29. Oktober 2010) über die Ergebnisse; dabei seien sie zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine Wettbewerbsverbotsklausel nicht zu rechtfertigen sei. Infolge der Selbstbewertung und ihrer Ergebnisse hätten sie die Wettbewerbsverbotsklausel als „erschöpft“ angesehen, da aus ihr keine anderen Verpflichtungen hätten abgeleitet werden können.

(18)

Entgegen den Vorbringen der Parteien wird in dem Beschluss festgestellt, dass die Wettbewerbsverbotsklausel eine bezweckte Zuwiderhandlung gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV darstellt, und zwar aufgrund ihres Wortlauts (der ausdrücklich ein Wettbewerbsverbot vorsieht), des wirtschaftlichen und rechtlichen Hintergrunds der Klausel (z. B. der liberalisierten Märkte für elektronische Kommunikation) und des tatsächlichen Verhaltens der Parteien (u. a. der Umstand, dass sie die Klausel erst am 4. Februar 2011 im Wege einer Vereinbarung aufhoben und dabei in der Begründung weder die Selbstbewertung noch eine Verpflichtung nannten). Insbesondere werden in dem Beschluss die von den Parteien vorgelegten Belege in Bezug auf den Inhalt und die Ergebnisse der Telefonkonferenzen vom 26. und 29. Oktober 2010 eingehend geprüft. Die Kommission erachtet diese Belege als unzureichend und vertritt die Ansicht, dass sie im Widerspruch zu dem übrigen Beweismaterial der Kommissionsakte stehen.

(19)

Außerdem wird in dem Beschluss festgestellt, dass die Wettbewerbsverbotsklausel nicht als Nebenabrede zur Vivo-Transaktion angesehen werden kann, da ein die gesamte iberische Halbinsel umfassendes Wettbewerbsverbot unter keinen Umständen als unmittelbar mit dem Vivo-Aktienkaufvertrag in Brasilien verbunden oder für dessen Durchführung erforderlich angesehen werden kann. In dem Beschluss wird ferner festgestellt, dass bei Abschluss des Aktienkaufvertrags keine berechtigten Zweifel hinsichtlich des Status (d. h. Nebenabrede oder nicht) eines Wettbewerbsverbots zwischen den Parteien bestanden haben können, die die Notwendigkeit einer späteren Selbstbewertung in diesem Zusammenhang gerechtfertigt hätten.

(20)

Telefónica und Portugal Telecom machten geltend, dass die Wettbewerbsverbotsklausel keine Auswirkungen auf den Markt gehabt habe. In dem Beschluss wird hingegen festgestellt, dass nach ständiger Rechtsprechung für die Zwecke der Anwendung des Artikels 101 Absatz 1 AEUV bei bezweckten Zuwiderhandlungen die Auswirkungen der Vereinbarung nicht berücksichtigt zu werden brauchen.

(21)

Daher wird in dem Beschluss angesichts des Anwendungsbereichs und der Art der Wettbewerbsverbotsklausel festgestellt, dass Telefónica und Portugal Telecom vorsätzlich vereinbarten, den Wettbewerb auf ihren jeweiligen Heimatmärkten einzuschränken oder sogar auszuschalten. Folglich kommt die Wettbewerbsverbotsklausel einer Marktaufteilungsvereinbarung gleich und verstößt gegen Artikel 101 Absatz 1 AEUV.

(22)

Schließlich wird in dem Beschluss festgestellt, dass die Wettbewerbsverbotsklausel nicht die Voraussetzungen für eine Freistellung nach Artikel 101 Absatz 3 AEUV erfüllt, da die Parteien nicht nachgewiesen haben, dass die Klausel Effizienzvorteile erbracht hätte.

3.4   Dauer der Zuwiderhandlung

(23)

Die Zuwiderhandlung bestand vom 27. September 2010, als die Parteien die Vivo-Transaktion vollzogen, bis zum 4. Februar 2011, als die Parteien vereinbarten, die Wettbewerbsverbotsklausel aufzuheben.

3.5   Geldbußen

(24)

In dieser Sache werden Geldbußen verhängt. Die Berechnung der Geldbuße für jedes Unternehmen erfolgt auf der Grundlage der Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen von 2006. (4) Was die Schwere der Zuwiderhandlung betrifft, so wird in dem Beschluss der Umstand berücksichtigt, dass das Wettbewerbsverbot von den Parteien nicht geheim gehalten wurde. So hatten die Parteien die Klausel auf verschiedene Weise veröffentlicht und sie zudem bei den brasilianischen Regulierungsbehörden angemeldet. In Anbetracht der besonderen Umstände des Falls wurde festgestellt, dass die Zugrundelegung eines geringen Umsatzanteils angemessen ist und ausreicht, um eine Abschreckungswirkung zu erzielen.

(25)

Darüber hinaus wird in dem Beschluss als mildernder Umstand die Tatsache berücksichtigt, dass die Parteien die Zuwiderhandlung rasch beendeten. Die Wettbewerbsverbotsklausel wurde bereits am 4. Februar 2011 von den Parteien aufgehoben, also lediglich 16 Tage nach der Einleitung des Verfahrens durch die Kommission.

4.   VERFÜGENDER TEIL DES BESCHLUSSES

(26)

In dem Beschluss wird festgestellt, dass Telefónica und Portugal Telecom gegen Artikel 101 AEUV verstoßen haben, indem sie als Punkt 9 ihres am 28. Juli 2010 geschlossenen Aktienkaufvertrags ein Wettbewerbsverbot vereinbarten. Die Zuwiderhandlung bestand vom 27. September 2010 bis zum 4. Februar 2011.

(27)

Mit dem Beschluss werden den Parteien für die Zuwiderhandlung folgende Geldbußen auferlegt: a) Telefónica: 66 894 000 EUR, und b) Portugal Telecom: 12 290 000 EUR.


(1)  Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1).

(2)  Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (ABl. L 123 vom 27.4.2004, S. 18).

(3)  Empfehlung 2007/879/EG der Kommission vom 17. Dezember 2007 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die aufgrund der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste für eine Vorabregulierung in Betracht kommen (ABl. L 344 vom 28.12.2007, S. 65).

(4)  Leitlinien für das Verfahren zur Festsetzung von Geldbußen gemäß Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (ABl. C 210 vom 1.9.2006, S. 2).