12.11.2013   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 327/42


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung)

COM(2013) 162 final — 2013/0089 (COD)

2013/C 327/09

Hauptberichterstatter: Bernardo HERNÁNDEZ BATALLER

Der Rat beschloss am 15. April und das Europäische Parlament am 16. April 2013, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 114 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung)

COM(2013) 162 final — 2013/0089 (COD).

Das Präsidium des Ausschusses beauftragte die Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch am 16. April 2013 mit der Ausarbeitung dieser Stellungnahme.

Angesichts der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 491. Plenartagung am 10./11. Juli 2013 (Sitzung vom 11. Juli) Bernardo HERNÁNDEZ BATALLER zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit 116 Stimmen bei 2 Enthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Angesichts des unbestreitbaren wirtschaftlichen Werts der Marken und ihrer Nützlichkeit für den Binnenmarkt ist der geltende Rechtsrahmen für ihren supranationalen Schutz eindeutig unzureichend. Der Vorschlag für eine Richtlinie ist dennoch ein Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation, in der unterschiedliche Regelungen für die Gemeinschaftsmarke und die innerstaatlichen Marken nebeneinander bestehen.

1.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss spricht sich folglich für einen stärkeren Schutz der Rechte des geistigen Eigentums aus, die mit der legitimen Nutzung eines Warenzeichens verbunden sind. Das Register für Gemeinschaftsmarken muss nach Kräften gefördert werden. Der Ausschuss fordert die Europäische Kommission auf, das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) in seinen Aufgaben zur Überwachung der Wahrung dieser Rechte zu unterstützen.

1.3

In diesem Sinne sieht das Unionsrecht für den Markeninhaber zum einen die ausschließliche Nutzung der Marke zum Zweck der Gewinnerzielung ("ius utendi") und zum anderen die Möglichkeit vor, dagegen vorzugehen, dass ihre Nutzung durch Handlungen Dritter im Wege der Nachahmung oder der unrechtmäßigen Verwendung ihrer Unterscheidungsmerkmale beeinträchtigt wird ("ius prohibendi"). Der Ausschuss dringt darauf, Präventivmaßnahmen gegen die Produktpiraterie, die die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen unterminiert, und Maßnahmen zur Wiedergutmachung des entstandenen Schadens zu ergreifen.

1.4

Im geltenden Unionsrecht ist allerdings nicht eindeutig geregelt, unter welchen Bedingungen der Inhaber einer Marke seine Ansprüche zur Unterbindung derartiger Praktiken vor Gericht durchsetzen kann.

1.5

Allgemein muss dieser Prozess der Angleichung in den nächsten Jahren in eine Vereinheitlichung des Markenrechts münden, wozu ein Markenkodex der EU zu verabschieden wäre, der u.a. die Schaffung eines flexiblen, einheitlichen und kostengünstigen Verfahrens regeln müsste, das es den Beteiligten erleichtert, sich von sich aus für das freiwillige Warenzeichenregister zu entscheiden, und das der heutigen Verschiedenheit der Rechtslagen ein Ende setzt.

1.6

Der EWSA sollte eine aktive Rolle im Gesetzgebungsverfahren für den Erlass sämtlicher, das geistige Eigentum betreffender Rechtsakte spielen; daher bedauert er, dass er nicht mit dem Vorschlag zur Änderung der Verordnung über die Gemeinschaftsmarke befasst wurde.

1.7

Der EWSA hofft, dass es künftig ein System geben wird, das den Unternehmen und Verbrauchern einen einheitlichen Schutz der Marken garantiert.

2.   Einleitung

2.1

International ist das Markenrecht durch die Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums geregelt, die am 20. März 1883 in Paris unterzeichnet wurde, zuletzt geändert am 14. Juli 1967 in Stockholm und berichtigt am 28. September 1979 (1) (im folgenden "Pariser Verbandsübereinkunft").

2.2

Nach Artikel 19 der Pariser Verbandsübereinkunft können Verbandsländer einzeln untereinander Sonderabkommen zum Schutz des gewerblichen Eigentums treffen.

2.3

Diese Bestimmung diente als Grundlage für den Abschluss des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken, das am 15. Juni 1957 auf der Diplomatenkonferenz in Nizza angenommen, zuletzt am 13. Mai 1997 in Genf geändert und am 28. September 1979 (2) modifiziert wurde. Die Nizza-Klassifikation wird alle fünf Jahre von einem Expertenausschuss überarbeitet.

2.4

Gemäß der Datenbank der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) sind von den EU-Mitgliedstaaten nur Zypern und Malta nicht Vertragspartei des Abkommens von Nizza, machen jedoch beide von der Nizza-Klassifikation Gebrauch.

2.5

Der Markenschutz ist im Wesentlichen gebietsbezogen. Das liegt daran, dass die Marke ein Eigentumsrecht ist, das ein Zeichen in einem bestimmten Gebiet schützt.

2.5.1

Im Primärrecht der EU ist in Artikel 17 Absatz 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union festgelegt: "Geistiges Eigentum wird geschützt."

2.5.2

Des Weiteren enthält Artikel 118 AEUV die Bestimmung, dass im Rahmen der Verwirklichung oder des Funktionierens des Binnenmarkts das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen zur Schaffung europäischer Rechtstitel über einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums in der Union sowie zur Einführung von zentralisierten Zulassungs-, Koordinierungs- und Kontrollregelungen auf Unionsebene erlassen.

2.6

In der Europäischen Union besteht der Schutz nationaler Marken und der Gemeinschaftsmarke nebeneinander. Der Inhaber einer nationalen Marke kann die Rechte aus dieser Marke in dem Gebiet des Mitgliedstaates geltend machen, nach dessen innerstaatlichem Recht die Marke geschützt ist. Der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke kann das Gleiche in dem Gebiet der 28 Mitgliedstaaten tun, denn die Marke ist in dem gesamten Gebiet gültig.

2.7

Das Markenrecht der Mitgliedstaaten wurde durch die Richtlinie 89/104/EWG vom 21. Dezember 1988 (kodifiziert als Richtlinie 2008/95/EG) in Teilen angeglichen.

2.8

Parallel zu dieser Richtlinie und zu den nationalen Markenrechtssystemen wurde mit der Verordnung (EG) Nr. 40/94 vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (kodifiziert als Verordnung (EG) Nr. 207/2009) eine eigenständige Regelung für die Eintragung von Markenrechten eingeführt, die eine einheitliche Wirkung in der gesamten EU entfalten. In diesem Kontext wurde dem Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (HABM) die Zuständigkeit für die Eintragung und Verwaltung von Gemeinschaftsmarken übertragen.

2.9

In den letzten Jahren hat die Europäische Kommission öffentliche Debatten über das geistige Eigentum geführt, an denen sich der EWSA beteiligte. 2011 kündigte sie eine Modernisierung des Markensystems sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene an, um es effektiver, effizienter und insgesamt kohärenter zu machen.

2.10

In seiner Entschließung vom 25. September 2008 über einen europäischen Gesamtplan zur Bekämpfung von Nachahmungen und Piraterie forderte der Rat die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (3). Der EWSA hofft, dass Verbesserungen am Rechtsrahmen vorgenommen werden, um den Schutz der Rechte am geistigen Eigentum durch die Zollbehörden zu verstärken und eine angemessene Rechtssicherheit zu gewährleisten.

2.11

Das europäische Markensystem basiert auf dem Grundsatz der Koexistenz und Komplementarität zwischen dem einzelstaatlichen Markenschutz und dem Schutz auf EU-Ebene.

2.12

Die Verordnung über die Gemeinschaftsmarke regelt umfassend alle materiell- und verfahrensrechtlichen Fragen, während sich die Richtlinie auf die Angleichung ausgewählter materiellrechtlicher Bestimmungen beschränkt. Der Vorschlag zielt folglich darauf ab, dass die materiellrechtlichen Regeln im Wesentlichen gleich und zumindest die wichtigsten Verfahrensvorschriften miteinander kompatibel sind.

2.13

Ziel des Vorschlags ist die Förderung von Innovation und Wirtschaftswachstum durch besser zugängliche und leistungsfähigere Verfahren für die Eintragung von Marken in der gesamten EU, die für die Unternehmen kostengünstiger und einfacher, schneller und berechenbarer sind und mehr Rechtssicherheit bieten.

2.14

Mit der Neufassung der Richtlinie werden konkret folgende Ziele verfolgt:

Modernisierung und Verbesserung der bestehenden Richtlinienvorschriften durch Änderung überholter Bestimmungen, Erhöhung der Rechtssicherheit und genauere Bestimmung des Umfangs und der Grenzen von Markenrechten;

größere Angleichung der nationalen Markenrechte und Verfahren mit dem Ziel, sie stärker mit dem Gemeinschaftsmarkensystem in Einklang zu bringen, und zwar durch:

a)

die Aufnahme zusätzlicher materiellrechtlicher Bestimmungen und

b)

die Aufnahme grundlegender Verfahrensvorschriften entsprechend den Bestimmungen der Verordnung in die Richtlinie, insbesondere derjenigen, bei denen die bestehenden Divergenzen aus Sicht der Nutzer besondere Probleme bereiten und eine Angleichung als unverzichtbar für einen stimmigen, komplementären Markenrechtsschutz in Europa gilt;

Erleichterung der Zusammenarbeit zwischen den Markenämtern der Mitgliedstaaten und dem HABM durch Einfügung einer entsprechenden Rechtsgrundlage zu dem Zweck, Verfahrensweisen besser abzustimmen und die Entwicklung gemeinsamer Tools zu fördern.

2.15

Der Richtlinienvorschlag dient zum einen der Modernisierung und Verbesserung der bestehenden Vorschriften betreffend:

die Definition der Marke, indem die Möglichkeit der Eintragung von Marken vorgesehen wird, die mit technischen Mitteln darstellbar sind, die ausreichende Garantien bieten;

die Rechte aus der Marke nach Artikel 10 und 11, in denen es um die Rechte des Markeninhabers unter Nichtbeeinträchtigung älterer Rechte geht, um identische Marken, um die Benutzung als Unternehmensbezeichnung oder Handelsname, die Benutzung in vergleichender Werbung, Sendungen von kommerziellen Anbietern, in das Zollgebiet verbrachte Waren sowie um Vorbereitungshandlungen und Beschränkungen der Wirkungen der Marke.

2.16

Zum anderen wird mit dem Vorschlag eine größere Angleichung des materiellen Markenrechts bezweckt, und zwar betreffend den Schutz geografischer Angaben und traditioneller Bezeichnungen, den Schutz bekannter Marken, die vermögensrechtlichen Aspekte von Marken, da sie Gegenstand einer Abtretung von dinglichen Rechten sein können, und Kollektivmarken.

2.17

Bei der Angleichung der wichtigsten Verfahrensvorschriften geht es um die Bezeichnung und Klassifizierung der Waren und Dienstleistungen, die Prüfung von Amts wegen, die Gebühren, das Widerspruchsverfahren, die Einrede der Nichtbenutzung in Widerspruchsverfahren, das Verfalls- oder Nichtigkeitsverfahren und die Einrede der Nichtbenutzung in Nichtigkeitsverfahren.

2.18

Außerdem soll der Vorschlag die Zusammenarbeit zwischen den Markenämtern erleichtern, denn Artikel 52 bietet ergänzend zu dem Kooperationsrahmen, der im Zuge der Überarbeitung der Verordnung vorgeschlagen wird, eine Rechtsgrundlage für eine einfachere Zusammenarbeit zwischen dem HABM und den für geistiges Eigentum zuständigen Ämtern der Mitgliedstaaten.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine Richtlinie, denn er ist in einem weltwirtschaftlichen Umfeld, das durch einen hohen Wettbewerbsdruck und den Konjunkturabschwung in Europa gekennzeichnet ist, besonders sachdienlich.

3.1.1

Markenzeichen sind in dieser Hinsicht zum einen ein Beitrag zum Wert eines Unternehmens und zur Kundenbindung und zum anderen zum Verbraucherschutz.

3.1.2

Gerade der letzte Aspekt ist hier aus verschiedenen Gründen von großer Relevanz:

erstens, weil der Markenschutz die Suchkosten der Verbraucher verringert;

zweitens, weil er ihnen ein gleichbleibendes Qualitätsniveau zusichert, was den Hersteller zwingt, sich um die Beschaffenheit seiner Produkte oder Dienstleistungen zu kümmern;

drittens, weil er Investitionen in Verbesserung und Innovation erfordert, was das Geschäftsvertrauen der Verbraucher stärkt.

3.2

Die vorgeschlagene Richtlinie wird den gegenwärtigen Rechtsrahmen der Mitgliedstaaten in dreifacher Hinsicht ganz erheblich verbessern:

die Vereinfachung der Systeme für die Eintragung von Marken in der gesamten EU, mit der daraus folgenden Kostensenkung und Beschleunigung der Verfahren;

die Rechtssicherheit, weil eine größere Komplementarität zwischen den innerstaatlichen und den supranationalen Normen in diesem Bereich entsteht und die Koordinierung unter den zuständigen Behörden verbessert wird, und schließlich

die Verbesserung des Schutzes des geistigen Eigentums, die sich in erster Linie aus der Klarstellung der Regeln für Waren im Durchgangsverkehr, die Aufnahme neuer Eintragungskriterien, z.B. für Hörmarken, bestimmte Spezifikationen betreffend den Schutz geografischer Angaben, die Nicht-EU-Sprachen u.a. ergibt.

3.3

Außerdem sieht der Vorschlag angesichts der wirtschaftlichen, kommerziellen und juristischen Entwicklung bedeutsame Neuerungen vor, wie bei der Definition der Marke, bei der im Interesse einer präziseren Bestimmung der Marke andere Formen der Darstellung als die grafische zugelassen werden. So wird es möglich sein, Zeichen eintragen zu lassen, die sich mit technischen Mitteln darstellen lassen, die ausreichende Garantien bieten.

3.4

Begrüßenswert ist die Absicht, eine stärkere Angleichung des materiellen Rechts zu erreichen. Hinzukommen sollen der Schutz geografischer Angaben und traditioneller Bezeichnungen, der Schutz bekannter Marken und die Behandlung von Marken als Vermögensgegenstand, wie bei der Abtretung, sowie grundlegende Aspekte der wirtschaftlichen Nutzung. Die Aufnahme von Kollektivmarken und Garantie-/Gewährleistungsmarken als Rechtsinstitute in den Richtlinienvorschlag ist sowohl für die Unternehmen als auch die Verbraucher von sehr großer Bedeutung.

3.5

Auch die Angleichung der wichtigsten Verfahrensvorschriften wird vom EWSA begrüßt, denn für die Bezeichnung und Klassifizierung von Waren und Dienstleistungen, die Prüfung von Amts wegen, das Widerspruchs-, das Verfalls- oder Nichtigkeitsverfahren werden gemeinsame Bestimmungen gelten, die der Rechtsprechung des Gerichtshofs folgen.

3.6

Erfreulich ist für den Ausschuss auch, dass die Ausarbeitung des Richtlinienvorschlags mit einem hohen Maß an Öffentlichkeit und Mitwirkung interessierter Kreise der Zivilgesellschaft erfolgte.

3.7

Allerdings ist auch ein Einwand gegen den Gegenstand und den Inhalt des hier debattierten Vorschlags zu erheben, unbeschadet dessen, was der - mit dem Richtlinienvorschlag ein Legislativpaket bildende - Vorschlag zur Änderung der geltenden Verordnung (EG) Nr. 207/2009, mit der einziges Verfahren für die Eintragung einheitlicher Schutzrechte eingeführt wurde, bringen wird.

3.8

Der Ausschuss stellt nämlich mit Befremden fest, dass ihm der Vorschlag COM (2013) 161 final vom 27. März 2013 zur Änderung der Verordnung Nr. 207/2009 über die Gemeinschaftsmarke überhaupt nicht zur Stellungnahme vorgelegt wurde.

3.9

Da es sich um einen Rechtsakt handelt, der unmittelbare Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarktes (Artikel 118 AEUV) hat und das Niveau des Verbraucherschutzes (Artikel 169 AEUV) betrifft, führt die wörtliche, kohärente Auslegung der Vertragsbestimmungen, die dem Ausschuss ausdrücklich eine beratende Zuständigkeit in diesen Fragen zuweisen, zu dem Schluss, dass die Beteiligung des Ausschusses an dem Gesetzgebungsverfahren für den Erlass dieses Rechtsaktes unumgänglich ist.

3.10

In diesem Sinne sieht das Unionsrecht für den Markeninhaber zum einen die ausschließliche Nutzung der Marke zum Zweck der Gewinnerzielung ("ius utendi") und zum anderen die Möglichkeit vor, dagegen vorzugehen, dass ihre Nutzung durch Handlungen Dritter im Wege der Nachahmung oder der unrechtmäßigen Verwendung ihrer Unterscheidungsmerkmale beeinträchtigt wird ("ius prohibendi"), wie in Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 festgelegt.

3.11

Im geltenden Unionsrecht ist allerdings nicht eindeutig geregelt, unter welchen Bedingungen der Inhaber einer Marke seine Ansprüche zur Unterbindung derartiger Praktiken vor Gericht durchsetzen kann.

3.11.1

Wenngleich der Richtlinienvorschlag eine erhebliche Ausweitung der Zahl der Fälle vorsieht, in denen der Markeninhaber Dritten die Verwendung der Marke verbieten kann (Artikel 10), wozu sogar ein neuer Tatbestand eingeführt wird, die Verletzung der Rechte des Markeninhabers durch Benutzung der Aufmachung, Verpackung oder anderer Kennzeichnungsmittel (Artikel 11) oder die unerlaubte Benutzung durch einen Agenten oder einen Vertreter des Markeninhabers (Artikel 13), bleibt die genaue Bestimmung des Umfangs des Rechtes der Rechtsauffassung des zuständigen Richters überlassen, falls vom Betroffenen ein Gerichtsverfahren angestrengt wird.

3.11.2

Anschließend obliegt es dem jeweiligen Gericht zu beurteilen, ob die Gefahr einer Verwechslung besteht oder eine unrechtmäßige Verwendung der geschützten Marke durch einen Dritten vorliegt, und falls ja, auch den Schadensersatz festzulegen, die dem Markeninhaber je nach der geltend gemachten Forderung gebührt.

3.11.3

Folglich bietet der Richtlinienvorschlag weder einen einheitlichen Schutz der Nutzungsrechte des Markeninhabers noch der Rechte der Verbraucher, falls diese sich durch die missbräuchliche oder betrügerische Verwendung einer Handelsmarke geschädigt sehen sollten.

3.12

Bei der Komplementarität zwischen dem supranationalen Schutz und den innerstaatlichen Systemen für den Schutz der Rechte des Markeninhabers besteht also eindeutig die Gefahr, dass der Schutz nicht so wirksam und schnell erfolgt, wie in den Zielen des Richtlinienvorschlags erhofft.

3.12.1

So ist z.B. nicht sichergestellt, dass die von Land zu Land bestehenden Diskrepanzen, die sich aus der fehlerhaften Umsetzung der Bestimmungen der Richtlinie 2004/48/EG (zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums) ergeben, bezüglich der folgenden Maßnahmen zur Klagesicherung überwunden werden:

Unterlassung, einschließlich der eventuellen Vernichtung der Waren und der zu ihrer Herstellung benutzten Materialien und Geräte, oder Verhängung von Zwangsgeldern;

Schadensersatz oder die Möglichkeit der Veröffentlichung des entsprechenden Urteils.

3.12.2

Diese Rechtsunsicherheit wird noch größer in Fällen einer Verletzung der Rechte des Markeninhabers, die in mehreren Mitgliedstaaten eingetreten sind.

3.13

Dies gilt umso mehr, als im Richtlinienvorschlag selbst Umstände aufgeführt sind, die den Grad an Komplexität des Schutzes erhöhen.

3.13.1

So ist z.B. in Artikel 4 Ziffer 3 (Eintragungshindernisse oder Nichtigkeitsgründe) festgelegt: "Eine Marke ist für nichtig zu erklären, wenn der Anmelder die Marke bösgläubig zur Eintragung angemeldet hat." Und weiter: "Jeder Mitgliedstaat kann überdies vorsehen, dass eine solche Marke von der Eintragung ausgeschlossen ist".

3.14

Da nach Ansicht des HABM die fehlende Verwendungsabsicht nicht unter den Begriff der Bösgläubigkeit fällt, stellt sich die Frage, welches Organ einheitliche Kriterien aufstellt, anhand derer die zuständigen Prüfer feststellen können, ob es andere Gründe für die Vermutung der Böswilligkeit gibt.

3.15

Diese Gesetzeslücke ist paradox, wenn man sie mit der neuen Bestimmung in Artikel 10 Absatz 5 des Richtlinienvorschlags vergleicht, die den Inhaber einer eingetragenen Marke stärkt, um zu verhindern, dass Dritte Waren, die aus nicht zur Zollunion gehörenden Gebieten stammen, einführen, ohne die Waren dort in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen. Der Vorschlag folgt hier also nicht der geltenden Rechtsprechung des Gerichtshofes über im Versand befindliche Waren (verbundene Rechtssachen C-446/09 und C-495/09, Philips/Nokia) und macht jede Vermutung oder jeden Beweis hinsichtlich des guten Glaubens, in dem die betreffenden Dritten handeln könnten, unwirksam (4).

3.16

Andererseits wäre es der Verhütung und Bekämpfung dieser Art von unlauteren Geschäftspraktiken eindeutig förderlich, wenn die Europäische Kommission durch eine spezifische Rechtsgrundlage in dem Richtlinienvorschlag ermächtigt würde, im Wege der Zusammenarbeit mit den Behörden der Drittstaaten, deren Unternehmen diese Praktiken allgemein und systematisch anwenden, intensiver tätig zu werden.

3.17

Ebenfalls nicht ausreichend ist die Bestimmung in Artikel 45 Absatz 1 des Richtlinienvorschlags, der allgemein festlegt: "Die Mitgliedstaaten stellen für den Widerspruch gegen die Eintragung einer Marke aus den in Artikel 5 genannten Gründen ein effizientes, zügiges Verwaltungsverfahren bei ihren Markenämtern bereit". Es müsste genauer festgelegt werden, wie ein solches Verfahren aussehen soll, und im Einklang mit den Bestimmungen in Artikel 41 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der EU (Recht auf eine gute Verwaltung) ist gesetzlich eine angemessene Frist festzulegen, innerhalb derer die zuständigen nationalen Behörden tätig werden müssen.

3.18

Ähnlich ist aus Gründen der Wirksamkeit und Vorhersehbarkeit, die für einen supranationalen Schutz der Inhaber von Markenrechten wesentlich sind, eine Änderung anderer Bestimmungen des Richtlinienvorschlags geboten, wie der Artikel 44 und 52. In Artikel 44, demzufolge eine zusätzliche (Klassen-) Gebühr für jede Klasse von Waren und Dienstleistungen über die erste Klasse hinaus verlangt werden muss, die Bestandteil der Erstgebühr (Eintragungsgebühr) sein sollte, wäre eine Höchstgrenze für diese Gebühren festzulegen.

3.19

Und Artikel 52, der eine Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und dem HABM vorsieht, um die Abstimmung von Verfahren und Instrumenten zu fördern und bei der Prüfung und Eintragung von Marken übereinstimmende Ergebnisse zu erzielen, müsste um eine besondere Bestimmung ergänzt werden, durch die der Kommission im Einklang mit Artikel 291 Absatz 2 AEUV Durchführungsbefugnisse für die Verabschiedung eines bindenden "Verhaltenskodex" übertragen werden.

3.20

Die Verwaltungszusammenarbeit zwischen dem HABM und den jeweiligen einzelstaatlichen Ämtern ist als Frage von gemeinsamem Interesse im Sinne von Artikel 197 AEUV anzusehen. In dieser Hinsicht wäre es besonders interessant, den Informations- und Beamtenaustausch zu erleichtern und Fortbildungsprogramme zu unterstützen, wofür angemessene öffentliche Mittel bereitzustellen wären.

3.21

Allgemein muss dieser Prozess der Angleichung in den nächsten Jahren in eine Vereinheitlichung des Markenrechts münden, wozu ein Markenkodex der EU zu verabschieden wäre, der u.a. die Schaffung eines flexiblen, einheitlichen und kostengünstigen Verfahrens regeln müsste, das es den Beteiligten erleichtert, sich von sich aus für das freiwillige Warenzeichenregister zu entscheiden.

Brüssel, den 11. Juli 2013

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Henri MALOSSE


(1)  Vertragssammlung der Vereinten Nationen, Bd. 828, Nr. 11851.

(2)  Vertragssammlung der Vereinten Nationen, Bd. 818, Nr. I-11849.

(3)  ABl. L 196 vom 2.8.2003, S. 7.

(4)  Artikel 10 Absatz 5 der vorgeschlagenen Richtlinie lautet: "Der Inhaber einer eingetragenen Marke ist auch berechtigt, Dritten zu untersagen, im Rahmen einer kommerziellen Tätigkeit Waren in das Zollgebiet des Mitgliedstaats zu verbringen, in dem die Marke eingetragen ist, ohne die Waren dort in den zollrechtlich freien Verkehr zu überführen, wenn die Waren, einschließlich ihrer Aufmachung, aus Drittstaaten stammen und ohne Zustimmung eine Marke aufweisen, die mit der für derartige Waren eingetragenen Marke identisch ist oder in ihren wesentlichen Aspekten nicht von dieser Marke zu unterscheiden ist." Es geht, einfach gesagt, um die Schaffung eines starken Hebels gegen nachgeahmte, außerhalb der EU hergestellte Erzeugnisse. Es soll nicht zugelassen werden, dass die Betreffenden von der gesetzlichen Fiktion profitieren, Durchfuhrgüter würden nicht in das Zollgebiet der EU eintreten.