11.12.2012   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 380/1


Dienstag, 7. Juni 2011
Verkehrsbezogene Anwendungen der globalen Satellitennavigationssysteme

P7_TA(2011)0250

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Juni 2011 zu dem Thema „Verkehrsbezogene Anwendungen der globalen Satellitennavigationssysteme – kurz- und mittelfristige Politik der EU“ (2010/2208(INI))

2012/C 380 E/01

Das Europäische Parlament,

in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 14. Juni 2010 an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über einen Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS) (KOM(2010)0308),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates vom 1. Oktober 2010 zu diesem Aktionsplan (14146/2010),

unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 6. Oktober 2010 an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Leitinitiative der Strategie Europa 2020 – Innovationsunion“ (KOM(2010)0546),

unter Hinweis auf den Bericht der Kommission vom 18. Januar 2011 an das Europäische Parlament und den Rat über die Halbzeitüberprüfung der europäischen Satellitennavigationsprogramme (KOM(2011)0005), in dem die Notwendigkeit betont wird, erhebliche Haushaltsmittel einzusetzen, um die für die Satellitennavigation erforderliche Infrastruktur zu vervollständigen,

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 683/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über die weitere Durchführung der europäischen Satellitenprogramme (EGNOS und Galileo) (1),

unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 1321/2004 des Rates vom 12. Juli 2004 über die Verwaltungsorgane der europäischen Satellitennavigationsprogramme (2),

unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission vom 8. Dezember 2006 zu Anwendungen der Satellitennavigation (KOM(2006)0769),

unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 912/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2010 über die Errichtung der Agentur für das Europäische GNSS und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1321/2004 des Rates über die Verwaltungsorgane der europäischen Satellitennavigationsprogramme sowie zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 683/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates (3),

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 29. Januar 2004 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über den derzeitigen Stand des Galileo-Programms (4),

gestützt auf Artikel 48 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für Verkehr und Fremdenverkehr und der Stellungnahme des Ausschusses für Industrie, Forschung und Energie (A7-0084/2011),

A.

in der Erwägung, dass GNSS-Anwendungen ein zentraler und unentbehrlicher Bestandteil der Tätigkeit in jedem Verkehrssektor sind und ihr effizienter und effektiver Betrieb den Verkehr sicherer, umweltfreundlicher und wirtschaftlicher macht,

B.

in der Erwägung, dass auf verkehrsbezogene Anwendungen 20 % der Zahl und 44 % des Werts aller GNSS-Anwendungen entfallen und dass Sicherheitsmaßnahmen, die überwiegend im Verkehrsbereich zur Anwendung kommen, weitere 5 % ausmachen,

C.

in der Erwägung, dass die Europäische Union hinsichtlich der für den Betrieb des GNSS erforderlichen grundlegenden Infrastruktur nicht für unbegrenzte Zeit von Systemen abhängig bleiben kann, die ursprünglich von anderen Ländern für andere Zwecke entwickelt worden sind,

D.

in der Erwägung, dass EGNOS ein autonomes Ergänzungssystem für GPS ist, welches bei der Durchführung von Bewertungs- und Korrekturmaßnahmen von der Verfügbarkeit von GPS-Signalen abhängig ist und dass erst mit der Anwendung von Galileo ein vollständig unabhängiges GNSS möglich wird,

E.

in der Erwägung, dass das europäische System EGNOS so konzipiert ist, dass es einer breiten und vielfältigen heutigen und künftigen Nachfrage der europäischen und weltweiten Industriebranchen, z. B. in den Bereichen Verkehrssicherheit und Rückverfolgbarkeit, gerecht wird, dass es den Zielen der neuen, stärker vorausgerichteten europäischen Industriepolitik entspricht und dass es außerdem mit dem GPS und dem erheblich genaueren Galileo-System kompatibel ist und diese ergänzt,

F.

in der Erwägung, dass die kommerziellen Anwendungen von GNSS und Galileo im Verkehrssektor weltweit einen wachsenden Markt darstellen, wobei so weit wie möglich sichergestellt werden sollte, dass der damit verbundene wirtschaftliche Gewinn der europäischen Wirtschaft und der Schaffung von Arbeitsplätzen mit hohem Qualifikationsprofil zugute kommt,

G.

in der Erwägung, dass das GNSS eine wichtige Rolle bei der Unterstützung und Förderung der Nutzung intelligenter Verkehrssysteme (IVS) spielt,

H.

in der Erwägung, dass die Entwicklung von GNSS-Anwendungen und -Diensten entscheidend dazu beiträgt, sicherzustellen, dass die Infrastrukturinvestitionen in Gestalt von Galileo umfassend genutzt und alle Möglichkeiten des Galileo-Systems vollständig entwickelt werden,

I.

in der Erwägung, dass Investitionen in diesen Sektor Auswirkungen auf alle Politikbereiche der EU haben und dass sich ihr Ausbau und ihre Verwirklichung durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Europas direkt auf die Umsetzung der Strategie Europa 2020 und die Entwicklung des Potenzials des europäischen Marktes für GNSS-Anwendungen und -Dienste auswirken werden,

J.

in Erwägung des erheblichen Mehrwerts, den die Vorhaben GNSS und Galileo für die europäische Industriepolitik besitzen, und der Notwendigkeit, für ihren Erfolg Sorge zu tragen,

1.

begrüßt die Mitteilung der Kommission über einen Aktionsplan für Anwendungen des Globalen Satellitennavigationssystems (GNSS) und die darin vorgeschlagenen speziellen sektorbezogenen, regulatorischen und horizontalen Maßnahmen;

2.

stimmt der Kommission darin zu, dass in diesem Zusammenhang ein gezielter Aktionsplan die beste Möglichkeit ist, der Entwicklung und Anwendung von EGNOS und Galileo, insbesondere im Verkehrssektor, weitere Impulse zu geben; betont, dass Satellitennavigationssysteme Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen (auch konventionellen Systemen) gewährleisten und außerdem ihre kombinierte Nutzung sowohl für Personenverkehrs- als auch Güterverkehrsdienste ermöglichen sollten;

3.

weist darauf hin, dass sich 9 der 15 in dem Aktionsplan enthaltenen sektorbezogenen Vorschläge direkt auf den Verkehr beziehen und die meisten anderen erforderlich sind, um die entsprechenden verkehrsbezogenen Anwendungen zu stützen;

4.

fordert die Kommission auf, die schnelle Zertifizierung von EGNOS für die Zivilluftfahrt durch die zuständigen Behörden sicherzustellen;

5.

teilt die Ansicht, dass Maßnahmen zur Förderung der Nutzung von EGNOS und Galileo in der Zivilluftfahrt, insbesondere hinsichtlich seiner Nutzung bei Landeverfahren und auf kleinen Flughäfen, eine strategische Notwendigkeit sind, um SESAR (Single European Sky ATM Research) zu verwirklichen;

6.

bedauert, dass EGNOS gegenwärtig nicht die ganze Europäische Union abdeckt, und fordert, dass es mit Vorrang auf Süd-, Ost- und Südosteuropa ausgedehnt wird, um seine europaweite Nutzung in allen Verkehrsbereichen zu ermöglichen; betont, dass seine Ausdehnung auf die MEDA-Länder und den Nahen Osten sowie Afrika sichergestellt werden muss;

7.

betont die Bedeutung des GNSS für die Entwicklung intelligenter Verkehrssysteme (IVS); weist darauf hin, dass durch IVS effizientere, sauberere und sicherere Lösungen im Bereich Verkehr geschaffen werden können und dass die ordnungsgemäße Umsetzung einer Reihe von IVS-Diensten voll funktionsfähige GNSS-Systeme erfordert;

8.

ist der Ansicht, dass EGNOS und Galileo einen wichtigen Beitrag zur Straßenverkehrssteuerung leisten können und dass eine Informationskampagne in diesem Sektor erforderlich ist, um die Nutzung der Möglichkeiten, die das System in den Bereichen Gebührenerhebung, eCall, Online-Buchung von sicheren Parkplätzen für Lkw und Echtzeit-Standortbestimmung bietet, zu fördern und auf diese Weise einen Beitrag zu einem sichereren und umweltfreundlicheren Straßenverkehr zu leisten;

9.

fordert die Kommission daher auf, die erforderlichen Legislativvorschläge vorzulegen, um den zusätzlichen Nutzen, den das GNSS im Hinblick auf die Sicherheit aller Verkehrsformen und insbesondere des Straßenverkehrs sowie eine effizientere Abwicklung des Güterverkehrs bietet, zu erschließen;

10.

fordert die Kommission auf, die industrielle Zusammenarbeit mit Drittländern zu vertiefen mit dem Ziel, die Entwicklung und die Kompatibilität der EGNOS- und Galileo-Anwendungen und -Dienste zu fördern;

11.

teilt die Ansicht, dass die Kommission eine sorgfältige Beurteilung der Frage durchführen sollte, ob die bestehenden Rechtsvorschriften über digitale Fahrtenschreiber geändert werden müssen, um zu gewährleisten, dass die Möglichkeiten, die das GNSS hinsichtlich der Standortbestimmung und der Lieferung von Geschwindigkeitsdaten bietet, angemessen genutzt werden;

12.

teilt die Ansicht, dass das GNSS einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Sicherheit und Effektivität in der Schifffahrt leisten kann und die Kommission Maßnahmen ergreifen sollte, damit mögliche Anwendungen des GNSS in der See- und Binnenschifffahrt einen höheren Bekanntheitsgrad erlangen und auf EGNOS basierende Anwendungen von der IMO und der ICAO anerkannt werden;

13.

befürwortet die Absicht der Kommission, auf die verschiedenen Interessensträger abzielende Informationskampagnen durchzuführen, um der europäischen Industrie Zuversicht im Hinblick auf Investitionen in das wirtschaftliche Potenzial der EU-Projekte im Bereich der Satellitennavigation zu vermitteln;

14.

fordert die Kommission auf, die im Aktionsplan aufgeführten breit angelegten Informationskampagnen effizient durchzuführen, um in Europa eine umfassende Nutzung von EGNOS in allen Anwendungsbereichen zu erreichen und damit komplexere Herangehensweisen sicherzustellen;

15.

verlangt, dass die Kommission im Zusammenhang mit dem Haushaltsverfahren und dem zukünftigen mehrjährigen Finanzrahmen Maßnahmen vorschlägt, um angemessene Finanzmittel für Forschung und Entwicklung im Bereich des GNSS sowie für seine Einführung sicherzustellen; betont, dass die EU-Beihilfen im Bereich des Verkehrs ohnehin gering sind und dass die Bereitstellung zusätzlicher Mittel für das GNSS daher keine Kürzungen bei anderen Schwerpunkten im Bereich der Gemeinsamen Verkehrspolitik zur Folge haben sollte; wiederholt seine an die Kommission gerichtete Aufforderung, sowohl bei diesen Vorhaben als auch bei ähnlichen Projekten wie den TEN-V einen Vorschlag für eine mehrjährige Finanzierung zu unterbreiten, die über die Geltungsdauer des mehrjährigen Finanzrahmens hinausgeht, sodass für ehrgeizigere europäische Projekte, deren Umfang die heutigen Rahmenbedingungen überschreitet, ein stabiler und verlässlicher finanzieller Rahmen gewährleistet wird;

16.

ersucht die Kommission zu prüfen, ob dem EU-Haushalt Einnahmen aus den marktwirtschaftlichen Tätigkeiten von Galileo zugeführt werden könnten;

17.

fordert die Kommission auf, ihm mitzuteilen, auf welche Weise die Deckung der jährlichen Betriebskosten von Galileo, die nach dessen Inbetriebnahme auf 800 Millionen EUR geschätzt werden, sichergestellt werden soll;

18.

fordert die Kommission auf, in Zusammenarbeit mit der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds eine umfassende Finanzierungsstrategie vorzulegen, die zusätzlich zu angemessenen Beiträgen der EU und der Mitgliedstaaten unter anderem abgestimmte steuerliche Anreize, vereinfachte Verfahren zur Vergabe von Beihilfen und Vorkehrungen, die Risikokapital in KMU lenken und die Entwicklung und die Vermarktung von EGNOS- und Galileo-Anwendungen erleichtern können, umfassen könnte;

19.

fordert die Kommission auf sicherzustellen, dass die 100 Millionen EUR, die voraussichtlich nicht für Forschungsvorhaben im Rahmen des Siebten Rahmenprogramms ausgegeben werden, für die Entwicklung von GNSS-Anwendungen zur Verfügung gestellt werden;

20.

fordert die Kommission auf zu untersuchen, wie über vereinfachte Verfahren eine effizientere und transparentere Auszahlung dieser Mittel, mit denen die Forschung im Bereich des für alle zugänglichen GNSS-gestützten Verkehrs gefördert werden soll, sichergestellt werden kann, wobei besonders die Bedürfnisse Behinderter und die KMU wichtig zu nehmen sind;

21.

fordert die Kommission auf, den Zugang von KMU zu EU-Finanzmitteln, insbesondere im Rahmen des Siebten und Achten Forschungsrahmenprogramms, zu erleichtern, um Innovation im Bereich von GNSS-Anwendungen zu fördern;

22.

fordert die Kommission auf, mögliche datenschutzrechtliche Bedenken bezüglich der Nutzung von GNSS-Anwendungen und -Diensten zu prüfen und alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um diese Bedenken zu zerstreuen;

23.

weist darauf hin, dass – unter besonderer Beachtung der speziellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen – in die Forschung über GNSS-spezifische Anwendungen und Dienste investiert werden muss, weil das von entscheidender Bedeutung für die angemessene Entwicklung und Nutzung von GNSS-Diensten ist;

24.

fordert die Kommission auf, Initiativen zum Aufbau sektorspezifischer Dienstleistungsstellen, insbesondere für die Seeschifffahrt, zu fördern;

25.

bedauert, dass der Mangel an Finanzmitteln, die für Forschung und Innovation im Bereich der auf EGNOS oder Galileo basierenden Anwendungen zur Verfügung stehen, den technologischen Fortschritt und den Ausbau der industriellen Kapazitäten sowie die wirksame Durchsetzung von Umweltschutzbelangen in der Europäischen Union erheblich verlangsamt, und fordert die Kommission deshalb auf, Regelungen zu schaffen, um kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zu Finanzmitteln zu erleichtern;

26.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.


(1)  ABl. L 196 vom 24.7.2008, S. 1.

(2)  ABl. L 246 vom 20.7.2004, S. 1.

(3)  ABl. L 276 vom 20.10.2010, S. 11.

(4)  ABl. C 96 E vom 21.4.2004, S. 128.