52011DC0763

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Angleichung von zehn technischen Harmonisierungsrichtlinien an den Beschluss Nr. 768/2008/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Juli 2008 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten /* KOM/2011/0763 endgültig */


POLITISCHER HINTERGRUND

Europa braucht eine Strategie, die es gestärkt aus der Wirtschaftskrise hervorgehen lässt und dazu beiträgt, die EU in einen intelligenten, nachhaltigen und integrativen Wirtschaftsraum zu verwandeln, der durch ein hohes Beschäftigungs- und Produktivitätsniveau sowie einen ausgeprägten sozialen Zusammenhalt gekennzeichnet ist. Europa 2020 skizziert eine Vision der europäischen sozialen Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts.

Zwar ist der Binnenmarkt selbst nicht Bestandteil der sieben Leitinitiativen, die zur Verwirklichung der Leitzielvorgaben der Strategie Europa 2020 als wesentlich erachtet wurden; in der dazugehörigen Mitteilung wird jedoch erklärt, dass die auf EU-Ebene verfügbaren Instrumente, insbesondere der Binnenmarkt sowie finanzielle und außenpolitische Instrumente, voll in den Dienst der Strategie gestellt werden sollen, um Hindernisse zu überwinden und die Ziele von Europa 2020 zu verwirklichen. Praktische Vorschläge zur vollständigen Einbeziehung dieser Instrumente in die Strategie sind integraler Bestandteil von Europa 2020.

In der Mitteilung wird zudem darauf hingewiesen, dass ein stärkerer, vertiefter und erweiterter Binnenmarkt für Wachstum und Beschäftigung von fundamentaler Bedeutung ist. Unter dem Blickwinkel der Neubelebung des Binnenmarktes beauftragte Präsident Barroso Ende 2009 Professor Mario Monti, einen Bericht mit Empfehlungen und Lösungsansätzen auszuarbeiten. Dieser legte seinen Bericht im Jahr 2010 vor und merkte an, dass der Binnenmarkt als Instrument auch für mehrere andere Politikfelder der EU von großer Bedeutung ist, die im politischen Mittelpunkt stehen und für die ohne das Fundament eines soliden Binnenmarktes nicht die erwünschten Ergebnisse erzielt werden können.

Speziell zum Thema Waren sagte Professor Monti, dass zur Erhaltung eines dynamischen und expandierenden Binnenmarktes das 2008 angenommene „Binnenmarktpaket für Waren“ vollständig umgesetzt werden müsse, insbesondere, was den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung und die Marktüberwachung angehe.

Diese Initiative ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Umsetzung des Rechtsrahmens, der als Teil des „Binnenmarktpakets für Waren“ am 9. Juli 2008 verabschiedet wurde. Ziel dieses Pakets von 2008 ist es, den freien Verkehr für sichere Waren durch eine verbesserte Wirksamkeit der Rechtsvorschriften der EU für die Produktsicherheit, durch eine Stärkung des Verbraucherschutzes und durch die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsakteure zu fördern.

Angesichts der Weltwirtschaftskrise ist dies nach wie vor besonders wichtig, denn ein gut funktionierender Binnenmarkt ist eine Grundvoraussetzung für die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union - den wichtigsten politischen Prioritäten der Europäischen Kommission, wie in dem Vorschlag für eine Binnenmarktakte[1] dargelegt.

DAS BINNENMARKTPAKET FÜR WAREN UND SEIN BEITRAG ZUM BINNENMARKT

Der freie Warenverkehr ist ein wichtiger Grundstein für den Binnenmarkt, er ist im Vertrag verankert und von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der Europäischen Union.

Seit den 1970er Jahren wird eine Vielzahl unterschiedlicher Waren durch EU-Rechtsvorschriften geregelt, die den Schutz der Verbraucher, der Arbeitnehmer am Arbeitsplatz, der Umwelt, der Energieressourcen usw. auf einheitliche Weise sicherstellen und dadurch die Freizügigkeit in der gesamten Union gewährleisten.

Mit der Verabschiedung der Rechtsetzungstechnik nach dem neuen Konzept im Jahr 1985 wurden die Rechtsvorschriften auf jene Anforderungen beschränkt, die wesentlich sind; detaillierte technische Fragen werden seitdem in harmonisierten Europäischen Normen behandelt, was dazu beigetragen hat, den Harmonisierungsprozess zu beschleunigen, so dass ganze Industriebereiche von den Vorteilen des freien Warenverkehrs profitieren konnten.

Rechtsvorschriften zur technischen Harmonisierung haben sich bewährt. Der Binnenmarkt für Waren ist eine Realität; er gewährleistet nicht nur ein hohes Maß an Warensicherheit, sondern er erleichtert auch den freien Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union.

Die Umsetzung und die Durchführung dieser Rechtsvorschriften hat jedoch gezeigt, dass es eine Reihe effizienzmindernder Schwachpunkte gibt, was sich darin zeigt, dass es noch immer nichtkonforme, potenziell gefährliche Waren auf dem Markt gibt. Dies untergräbt das Vertrauen in das gesamte System und bedingt ungleiche Ausgangsvoraussetzungen für die Wirtschaftsakteure. Zum Teil geht dies auf die unbefriedigende Leistung mancher notifizierter Stellen sowie auf Unstimmigkeiten innerhalb der Rechtsvorschriften selbst zurück, was deren Anwendung für Hersteller und Behörden unnötig kompliziert gestaltet.

Nichtkonforme Produkte können für den Nutzer gefährlich sein. Zudem beeinträchtigen sie die Wettbewerbsfähigkeit derjenigen Unternehmen, die die Vorschriften einhalten, da sich Konkurrenten, die gegen sie verstoßen, einen unlauteren Vorteil verschaffen (etwa durch Vermeidung kostspieliger Konformitätsbewertungsverfahren).

Eine Hauptschwierigkeit für die nationalen Marktaufsichtsbehörden besteht darin, dass nichtkonforme Waren und die Akteure, die diese bereitgestellt haben, oft nicht rückverfolgbar sind, insbesondere dann, wenn die Waren ihren Ursprung in Drittländern haben. Darüber hinaus wird die Marktüberwachung in den Mitgliedstaaten nicht immer so einheitlich und streng gehandhabt, wie dies der Fall sein sollte, wodurch potenziell gefährliche Waren in Umlauf kommen. Da diese Überwachung überwiegend nationale Angelegenheit ist, müssen Kontrolle, Koordinierung und Informationsaustausch in der EU dringend verbessert werden, um einen einheitlicheren Sicherheitsstandard in der EU zu gewährleisten.

Die komplizierten rechtlichen Anforderungen, denen Waren genügen müssen, sind jedoch für die Wirtschaftsakteure immer schwerer zu durchschauen. Neue Waren sind technisch komplexer und bergen vielfältigere Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Mensch und Umwelt, als dies früher der Fall war. Das hat dazu geführt, dass die Hersteller und andere Wirtschaftsakteure nun mit einer großen und immer weiter wachsenden Anzahl unterschiedlicher Rechtsvorschriften konfrontiert sind, die gleichzeitig für ein und dasselbe Produkt gelten. Darüber hinaus haben sich nach und nach Unstimmigkeiten in Produktvorschriften eingeschlichen; so wird etwa eine unterschiedliche Terminologie zur Beschreibung der Begriffe verwendet, die allen Harmonisierungsrechtsakten gemeinsam sind (z. B. Konformitätsbewertungsverfahren und Schutzklauseln). Dieses Problem ist gravierender, als es auf den ersten Blick erscheint.

Selbst bei geringfügigen Unterschieden wird es für die Wirtschaftsakteure schwierig zu verstehen, wie die rechtlichen Anforderungen einzuhalten sind. Dies kann gewissenhafte Akteure zu massiven Investitionen in eigentlich unnötige Tätigkeiten veranlassen, da sie glauben, dass sie auf diese Weise die Übereinstimmung ihrer Produkte mit den Rechtsvorschriften voll und ganz sicherstellen. Gleichzeitig bieten Unstimmigkeiten und Mehrdeutigkeiten weniger gesetzestreuen Akteuren die Möglichkeit, behördliche Kontrollen zu umgehen. Häufig ist den nationalen Behörden nicht klar, welche Kontrollen sie wie durchführen müssen. Dies führt dazu, dass die Mitgliedstaaten (oder sogar Regionen innerhalb dieser Mitgliedstaaten) unterschiedliche Ansätze verfolgen, so dass Häufigkeit, Durchführungskriterien und Strenge der Marktüberwachung in der EU uneinheitlich sind. Dies wiederum führt dazu, dass ungleiche Bedingungen für die Wirtschaftsakteure, ob Hersteller oder Einführer, entstehen.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen legte die Kommission im Jahr 2003 eine Mitteilung an das Parlament und den Rat über die Umsetzung des 1985 eingeführten neuen Konzepts vor[2]. Darin stellte sie fest, dass die Rechtsetzungstechnik nach dem neuen Konzept überprüft und durch rechtliche Anforderungen an die Akkreditierung von Konformitätsbewertungsstellen und durch eine allgemeine Politik zur Marktüberwachung für Waren ergänzt werden muss.

DER NEUE RECHTSRAHMEN UND SEINE UMSETZUNG

Im Anschluss an diese Überprüfung legte die Kommission eine Reihe von Maßnahmen vor, die als „Binnenmarktpaket für Waren“ bezeichnet werden. Der neue Rechtsrahmen ( New Legislative Framework - NLF ) – die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 und der Beschluss Nr. 768/2008/EG – wurde als Teil eines Pakets verabschiedet, das auch eine Mitteilung über Fragen der Fahrzeugzulassung und einen Vorschlag für eine Verordnung über die gegenseitige Anerkennung enthielt. Diese Rechtsakte gehen weit über eine reine Überprüfung des neuen Konzepts hinaus und schaffen eine neue Rechtslage im harmonisierten Bereich.

Die beiden NLF-Rechtsakte stellen einen wichtigen politischen Durchbruch für das Funktionieren des Binnenmarktes für Waren dar, nicht nur, indem sie ein kohärentes Gesamtkonzept für die technische Harmonisierung in Bezug auf die Produktsicherheit einführen, sondern auch, weil sie den Weg für eine echte und wirksame Marktüberwachungspolitik für alle Waren bereiten, die in Verkehr gebracht werden, und zwar unabhängig davon, ob sie aus der EU oder aus Drittländern stammen.

Ziel des neuen Rechtsrahmens ist es, die Wirksamkeit der Rechtsvorschriften zum Schutz von Gesundheit und Sicherheit (und anderen öffentlichen Interessen) zu stärken:

- indem er die in der EU-Politik noch fehlenden Elemente einbringt, z. B. Akkreditierung und Marktüberwachung, einschließlich der Kontrolle von Waren aus Drittländern;

- indem er bestehende Mängel vor dem Hintergrund der Erfahrungen behebt, die in den letzten zwanzig Jahren mit der Durchführung des neuen Konzepts im Vergleich zu herkömmlichen Rechtsakten gewonnen wurden;

- indem er die Rechtsvorschriften vereinheitlicht, die immer mehr Wirtschaftssektoren betreffen.

Die beiden Texte tragen jeweils auf unterschiedliche Weise dazu bei, dass dieser Notwendigkeit entsprochen und die legislative Qualitätskette um folgende Elemente ergänzt wird: (wesentliche) Anforderungen in Bezug auf Gesundheit und Sicherheit sowie sonstige im öffentlichen Interesse schützenswerte Aspekte, Qualitätsanforderungen für Hersteller und Konformitätsbewertungsstellen, ein Akkreditierungssystem zur Gewährleistung der Qualität der Konformitätsbewertungsstellen, transparente Konformitätsbewertungsverfahren, eine starke Marktüberwachung und Kontrollen von Waren aus Drittländern. Ein schwaches oder fehlendes Glied in dieser Kette kann dazu führen, dass gefährliche Waren auf den Markt und sogar bis zum privaten oder gewerblichen Endverbraucher gelangen. Die einander ergänzenden NLF-Rechtsakte sind untrennbar miteinander verknüpft und weisen einen engen Bezug zu den sektoralen Rechtsvorschriften auf, die sie unterstützen und ergänzen.

Die Verordnung führt Grundsätze, Vorschriften, Rechte und Pflichten ein. Ihre Bestimmungen haben seit dem 1. Januar 2010 unmittelbare Geltung und werden von den nationalen Behörden durchgeführt, wobei die Kommission unterstützend zu einem koordinierten Vorgehen beiträgt.

Der Beschluss enthält Musterbestimmungen, die auf den Bestimmungen aufbauen, die in zahlreichen bestehenden Harmonisierungsrechtsakten der Europäischen Union enthalten sind, hat aber selbst keinerlei Rechtswirkung. Als „sui generis“-Beschluss verpflichtet er den EU-Gesetzgeber dazu, dessen Inhalt so systematisch wie möglich auf alle früher, heute und in Zukunft erlassenen Rechtsvorschriften für Produkte anzuwenden und damit allen Beteiligten deren Umsetzung zu erleichtern.

Die volle Wirksamkeit der Verordnung hängt bis zu einem gewissen Grad davon ab, wie die Bestimmungen des Beschlusses in die sektoralen Rechtsvorschriften eingefügt werden.

Die NLF-Rechtsakte sind in Verbindung mit den EU-Harmonisierungsrechtsvorschriften in folgender Weise anwendbar:

- Die sektoralen Rechtsvorschriften bestimmen das Schutzniveau für Gesundheit, Sicherheit und sonstige im öffentlichen Interesse schützenswerte Aspekte, sie enthalten die Anforderungen an die Wirtschaftsakteure und die nationalen Behörden sowie die entsprechenden Konformitätsbewertungsverfahren, einschließlich der Schutzklauselmechanismen.

- Die Verordnung (EG) Nr. 765/2008 enthält die Vorschriften für die Akkreditierung der Konformitätsbewertungsstellen, die Konformitätsbewertungsleistungen im Rahmen der sektorspezifischen Rechtsvorschriften erbringen, sowie die Verpflichtungen der Marktüberwachungsbehörden zur Durchsetzung der in den sektoralen Rechtsvorschriften festgelegten Verpflichtungen und zur Kontrolle von Waren aus Drittländern.

Durch den Angleichungsprozess werden sämtliche Bestimmungen des Beschlusses Nr. 768/2008/EG über Begriffsbestimmungen, Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure, Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, konsolidierte Kriterien und Verfahren für die Notifizierung der Konformitätsbewertungsstellen und über konsolidierte Konformitätsbewertungsverfahren in die sektoralen Rechtsvorschriften eingefügt, so dass die Marktüberwachungsbestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 ihre volle Wirkung entfalten können.

DER ANGLEICHUNGSPROZESS UND DAS VORSCHLAGSPAKET

Die Kommission wird bei künftigen Rechtsvorschriften systematisch prüfen, ob es möglich ist, die Bestimmungen des Beschlusses in die sektoralen Rechtsvorschriften aufzunehmen. Eine Angleichung soll so oft und so weitgehend wie möglich erfolgen. Entscheidet sie sich gegen eine Angleichung, muss ausführlich erläutert werden, warum die Bestimmungen des Beschlusses ungeeignet sind. Dieser Prozess erfolgt immer dann, wenn die sektoralen Rechtsvorschriften geändert werden.

Seit der Annahme des Beschlusses hat bereits eine Reihe von Rechtsvorschriften die Überprüfung durchlaufen. Die Spielzeugrichtlinie wurde durch die Richtlinie 2009/48/EG vom 18. Juni 2009[3] geändert und ist die erste Richtlinie, die vollständig an den Beschluss Nr. 768/2008/EG angeglichen wurde. Für andere steht die Angleichung noch an.

Es stellt sich die Frage, was in den Fällen zu tun ist, in denen keine Überprüfung/Überarbeitung der Rechtsvorschriften in naher Zukunft geplant ist. Das Produktrecht ist natürlich um so leichter zu verstehen, zu befolgen und einzuhalten, je klarer und kohärenter die Rechtsvorschriften sind. Horizontale, nicht sektorale harmonisierte Lösungen können sicherlich dazu beitragen, eine bessere Kohärenz herzustellen, beispielsweise in Fällen wie den Konformitätsbewertungsverfahren, den Bestimmungen für notifizierte Stellen usw.

Es ist daher tatsächlich nötig, eine Reihe von Richtlinien zu überprüfen, für die dies in naher Zukunft eigentlich nicht vorgesehen war, damit die Marktüberwachungsvorschriften in den betreffenden Sektoren möglichst rasch angewendet werden können.

Daher wird vorgeschlagen, ein Paket von Richtlinien, die nicht zur Überprüfung anstehen, aber für die die Einfügung von Bestimmungen zur Marktüberwachung und zu anderen sektorübergreifenden Fragen von Vorteil wäre, an den Beschluss anzugleichen, wobei rein sektorbezogene Elemente nicht in Frage gestellt werden.

Mit diesem Paket wird somit die Änderung ausgewählter Richtlinien ausschließlich zur Einfügung der horizontalen Bestimmungen des Beschlusses im Zuge eines einmaligen, vereinfachten Verfahrens ohne Änderung sektoraler Fragen bezweckt, damit die unmittelbaren Vorteile des neuen Rechtsrahmens möglichst vielen Branchen zugute kommen können.

Um für größtmögliche rechtliche Klarheit zu sorgen, hat sich die Kommission für die Rechtsetzungstechnik der Neufassung entschieden. Dies und die Interinstitutionelle Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission dürften dazu beitragen, dass sich die Erörterungen im Rahmen des Mitentscheidungsverfahren auf die horizontale Angleichung der Texte an den Beschluss Nr. 768/2008/EG konzentrieren und es nicht zu einer Wiederaufnahme der Debatte über sektorale Aspekte kommt.

Die Richtlinien sollten auch an die Terminologie und die Bestimmungen des Vertrags von Lissabon angeglichen werden. Insbesondere die neuen Bestimmungen über das Ausschussverfahren müssen übernommen werden, da durch eine Reihe von Richtlinien Ausschüsse eingerichtet wurden.

DIE AUSWAHL DER RICHTLINIEN

Nach der Verabschiedung des neuen Rechtsrahmens im Juli 2008 haben die Dienststellen der Kommission das Produktrecht gesichtet, um jene Rechtsvorschriften zu ermitteln, die in den darauffolgenden drei bis fünf Jahren (d. h. bis 2013) aus sektorspezifischen Gründen überarbeitet werden müssten (z. B. um ihren Anwendungsbereich zu präzisieren oder auszuweiten, die Sicherheitsanforderungen zu aktualisieren usw.). Für die meisten der bestehenden Rechtsvorschriften war eine Aktualisierung aus sektorspezifischen Gründen erforderlich; diese individuellen Überarbeitungen werden im Arbeitsprogramm der Kommission aufgeführt. Die Anpassung an den Beschluss erfolgt hier im Zuge dieser Überarbeitungen.

Die Kommission ermittelte außerdem jene Rechtsvorschriften, die weitgehend mit der Struktur und dem Konzept der Bestimmungen des Beschlusses Nr. 768/2008/EG übereinstimmen, um sie dann in einem Durchgang zu ändern und dabei ausschließlich an den Beschluss anzugleichen. Somit kamen automatisch nur diejenigen Richtlinien in Frage, die nach dem neuen Konzept angenommen worden waren, da andere Rechtsvorschriften (insbesondere die alten oder nach dem herkömmlichen Ansatz verfassten Richtlinien) eine eingehendere Anpassung erfordert hätten, die über eine reine „Angleichung“ hinausginge.

Auf diese Weise hat die Kommission die folgenden zehn nach dem neuen Konzept verfassten Richtlinien für die Aufnahme in dieses Angleichungspaket ausgewählt:

- Richtlinie über Explosivstoffe für zivile Zwecke: Richtlinie 93/15/EWG zur Harmonisierung der Bestimmungen über das Inverkehrbringen und die Kontrolle von Explosivstoffen für zivile Zwecke

- Richtlinie über Geräte und Schutzsysteme zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen (ATEX): Richtlinie 94/9/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für Geräte und Schutzsysteme zur bestimmungsgemäßen Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen

- Richtlinie über Aufzüge : Richtlinie 95/16/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Aufzüge

- Druckgeräterichtlinie (Pressure Equipment Directive – PED): Richtlinie 97/23/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Druckgeräte

- Messgeräterichtlinie (Measuring Instruments Direchtive – MID): Richtlinie 2004/22/EG über Messgeräte

- Richtlinie über elektromagnetische Verträglichkeit (Electromagnetic Compatibility – EMC): Richtlinie 2004/108/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit

- Niederspannungsrichtlinie (Low Voltage Directive – LVD): Richtlinie 2006/95/EG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend elektrische Betriebsmittel zur Verwendung innerhalb bestimmter Spannungsgrenzen

- Richtlinie über pyrotechnische Gegenstände: Richtlinie 2007/23/EG über das Inverkehrbringen pyrotechnischer Gegenstände

- Richtlinie über nichtselbsttätige Waagen (Non-automatic Weighing Instruments – NAWI): Richtlinie 2009/23/EG über nichtselbsttätige Waagen

- Richtlinie über einfache Druckbehälter (Simple Pressure Vessels Directive – SPVD) : Richtlinie 2009/105/EG über einfache Druckbehälter

Die wichtigste Gemeinsamkeit dieser Richtlinien besteht darin, dass sie eine ähnliche Struktur aufweisen: Begriffsbestimmungen, wesentliche Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen, Verweise auf harmonisierte Europäische Normen, Anforderungen an die Hersteller, Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit und Konformitätsbewertungsanforderungen (alle Richtlinien beinhalten Konformitätsbewertungsverfahren, acht darunter sehen die Beteiligung notifizierter Stellen vor) sowie Schutzklauselmechanismen.

Einige Richtlinien sind von sektorübergreifender Bedeutung (insbesondere diejenigen über Niederspannung, elektromagnetische Verträglichkeit, Messgeräte, Geräte und Schutzsysteme zur Verwendung in explosionsgefährdeten Bereichen sowie über Druckgeräte), wodurch sich die erwarteten Vorteile einer Angleichung für die Wirtschaftsakteure und die nationalen Behörden, die für die Überwachung dieser Märkte zuständig sind, noch verstärken.

Bei den betroffenen Sektoren handelt es sich um sehr wichtige Bereiche der Industrie, die einem harten internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind und daher von einer Vereinfachung und der Gewährleistung gleicher Wettbewerbsbedingungen in der EU profitieren werden.

Die Eckdaten für einige dieser Sektoren lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Richtlinien über Niederspannung und elektromagnetische Verträglichkeit erfassen alle elektrischen Geräte, die in Haushalt und Gewerbe verwendet werden; auf sie entfällt eine Produktion von 235,59 Mrd. EUR für der Niederspannungsrichtlinie unterliegende Geräte und 200,12 Mrd. EUR für der EMC-Richtlinie unterliegende Geräte. Die Handelsbilanz ist negativ. (LVD: Einfuhren im Wert von 103,93 Mrd. EUR und Ausfuhren im Wert von 83,09 Mrd. EUR; der Unionsverbrauch wird auf 256,42 Mrd. EUR geschätzt; EMC: Einfuhren im Wert von 100,78 Mrd. EUR und Ausfuhren im Wert von 76,07 Mrd. EUR; der Unionsverbrauch wird auf 224,83 Mrd. EUR geschätzt.)

Die ATEX-Richtlinie erfasst alle Produkte, die in explosionsgefährdeten Bereichen verwendet werden können, ob elektrisch, mechanisch oder druckgeführt (Zechen, petrochemische Anlagen, Mühlen, Tankstellen usw.). Die Produktion wird auf rund 2,2 Mrd. EUR geschätzt und die Handelsbilanz ist positiv: Die Einfuhren belaufen sich auf 400 Mio. EUR, der Unionsverbrauch wird auf 1,9 Mrd. EUR, also 86 % der eigenen Produktion, veranschlagt.

Der Messgerätesektor (einschließlich nichtselbsttätige Waagen) produziert alle Messvorrichtungen für Wasser, Gas, Strom, Benzin und alle anderen Flüssigkeiten sowie sämtliche Waagen für den Einzelhandel; seine Produktion liegt bei 5,75 Mrd. EUR. Die meisten Instrumente werden in der EU hergestellt und die Einfuhren machen weniger als ein Viertel der Produktion aus.

Pyrotechnische Erzeugnisse, zu denen nicht nur Feuerwerkskörper, sondern auch die Technologie für Kfz-Airbags zählen, entsprechen einer Produktion von 4,2 Mrd. EUR (2,8 Mrd. EUR für Airbags). Die Tatsache, dass 95 % der Feuerwerkskörper außerhalb der EU produziert werden, unterstreicht die Notwendigkeit strenger Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit.

Druckgeräte (einschließlich einfacher Druckbehälter) berühren mehrere unterschiedliche Sektoren, da sie meist Bestandteil eines größeren Enderzeugnisses sind. Die entsprechenden Waren, einschließlich Druckgeräte, reichen von Verbrauchsgütern (z. B. Druckkochtöpfe, für den Haushalt bestimmte Klimageräte, Feuerlöscher usw.) bis zu Industriegütern (z. B. Druckbehälter, Rohrleitungen in chemischen Anlagen, verschiedene Arten von Maschinen usw.).

Dies veranschaulicht die Bedeutung der betroffenen Sektoren und macht deutlich, dass sich eine stärkere legislative Kohärenz und eine wirksame Marktüberwachung, insbesondere in Bezug auf die Waren mit Ursprung in Drittländern, besonders positiv auswirken werden.

INHALT DER VORSCHLÄGE

Die Vorschläge im Rahmen dieser Initiative beschränken sich vom Inhalt her strikt auf die Angleichung an den Beschluss Nr. 768/2008/EG und an die neue Terminologie des Vertrags von Lissabon (einschließlich der neuen Bestimmungen zum Ausschussverfahren). Genauer gesagt werden durch diese Vorschläge die Begriffsbestimmungen, die Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit, die Verpflichtungen der Wirtschaftsakteure, die Kriterien und Verfahren für die Auswahl von Konformitätsbewertungsstellen (notifizierte Stellen) und die Konformitätsbewertungsanforderungen angeglichen.

Der Sprachgebrauch des Beschlusses wurde im Rahmen des Möglichen beibehalten, aber unter bestimmten Umständen so angepasst, dass eine sachgerechte und sinnvolle Einfügung in die Richtlinien möglich war. Daher kann die Terminologie von Richtlinie zu Richtlinie unterschiedlich sein, aber die Bedeutung und die rechtlichen Verpflichtungen sind dieselben.

Im Wesentlichen lässt sich die Angleichung der zehn Richtlinien wie folgt zusammenfassen:

1. Maßnahmen gegen das Problem der Nichtübereinstimmung:

2. Verpflichtung der Einführer und Händler , zu überprüfen, dass die Waren mit der CE-Kennzeichnung versehen sind, ihnen die erforderlichen Unterlagen beigefügt sind und dass sie Informationen zur Rückverfolgbarkeit tragen. Für Einführer gelten zusätzliche Verpflichtungen;

3. Verpflichtung der Hersteller , eine Gebrauchsanleitung und Sicherheitsinformationen in einer Sprache beizufügen, die von den Verbrauchern und sonstigen Endverwendern leicht verstanden werden kann, sowie Stichproben zu prüfen und Produkte zu überwachen;

4. Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit in der gesamten Vertriebskette: Hersteller und Einführer müssen ihren Namen und ihre Anschrift auf den Produkten angeben; jeder Wirtschaftsakteur muss in der Lage sein, die Behörden darüber zu informieren, von wem er ein Produkt bezogen und an wen er es abgegeben hat;

5. Neugestaltung des Schutzklauselverfahrens (Marktüberwachung), um zu präzisieren, wie die zuständigen Vollzugsbehörden über gefährliche Waren informiert werden und wie dafür gesorgt wird, dass in Bezug auf das betreffende Produkt in allen Mitgliedstaaten dieselbe Maßnahme getroffen wird.

6. Maßnahmen zur Gewährleistung der Qualität der Arbeit der notifizierten Stellen:

7. Verschärfung der Anforderungen an die Notifizierung notifizierter Stellen (einschließlich der Subunternehmer und der Tochtergesellschaften) wie Unparteilichkeit, Kompetenz für die Ausführung ihrer Tätigkeit und die Anwendung der in den Koordinierungsgruppen entwickelten Leitlinien;

8. überarbeitetes Notifizierungsverfahren: Die Mitgliedstaaten, die eine Stelle notifizieren, müssen Informationen über die Bewertung der Kompetenz dieser Stelle beifügen. Andere Mitgliedstaaten können der Notifizierung innerhalb einer bestimmten Frist widersprechen;

9. Anforderungen an die notifizierenden Behörden (d. h. die für die Begutachtung, Notifizierung und Überwachung der notifizierten Stellen zuständigen nationalen Behörden) wie Objektivität und Unparteilichkeit bei der Ausführung ihrer Tätigkeit;

10. Informationspflichten: Die notifizierten Stellen müssen die notifizierenden Behörden über die Verweigerung, Einschränkung, Aussetzung oder Rücknahme von Bescheinigungen in Kenntnis setzen.

11. Maßnahmen zur Sicherstellung einer größeren Kohärenz zwischen den Richtlinien:

12. Angleichung der gemeinsamen Begriffsbestimmungen und Terminologie ;

13. Angleichung der Rechtsvorschriften über die Konformitätsbewertungsverfahren .

Es sei darauf hingewiesen, dass die Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung der EU-Normungspolitik, die Folgen für die Umsetzung der hier behandelten Richtlinien haben könnten, im Rahmen einer gesonderten Initiative (Normungspaket) behandelt werden.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Kommission misst diesen Vorschlägen hohe Bedeutung bei, weil sie einen wichtigen Beitrag zum politischen Ziel eines reibungslos funktionierenden Binnenmarktes für Verbraucher, Gewerbe und Wirtschaftsakteure im Allgemeinen leisten. Die angeglichenen Richtlinien werden zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen beitragen, indem sie gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle gewährleisten und die gesetzestreuen Akteure vor denjenigen schützen, die weniger Skrupel haben.

Diese Initiative steht auch ganz klar im Einklang mit dem Ziel der Kommission, eine bessere Rechtsetzung und Vereinfachung der Rechtsvorschriften zu erreichen, da sie Kohärenz und rechtliche Einheitlichkeit in vielen verschiedenen Sektoren der Industrie herbeiführt, so dass sich die Rechtsvorschriften der EU leichter verstehen, umsetzen, einhalten und durchsetzen lassen.

Die Kommission hat für dieses Paket nur solche Instrumente ausgewählt, bei denen sich die Änderungen ausschließlich auf eine Angleichung an die Bestimmungen des neuen Rechtsrahmens beschränken. Inhaltliche technische Aspekte der betreffenden sektoralen Rechtsvorschriften werden nicht geändert.[4] Daher ersucht die Kommission das Europäische Parlament und den Rat, diese Vorschläge als Paket zu behandeln, damit die mit dem Rechtsetzungsverfahren der Neufassung einhergehende Gesamtkohärenz gewährleistet bleibt und eine Aufsplitterung in sektorale Einzeldebatten vermieden werden kann.

[1] KOM(2011) 206 endg. vom 13.4.2011.

[2] Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament: Verbesserte Umsetzung der Richtlinien des neuen Konzepts, KOM(2003) 240 endg. vom 7.5.2003.

[3] ABl. L 170 vom 30.6.2009, S.1.

[4] Die Richtlinie über pyrotechnische Gegenstände stellt allerdings eine Ausnahme dar. Bei ihr schlägt die Kommission eine geringfügige Korrektur von Anhang I Nummer 4 vor, um ein unbeabsichtigtes Verbot von Airbags und bestimmten anderen pyrotechnischen Gegenständen nach dem 4. Juli 2013 zu vermeiden. Dazu bedarf es lediglich einer relativ unbedeutenden Änderung des bestehenden Wortlauts. Aus diesem Grund wird es für zweckmäßiger und effizienter gehalten, die Richtlinie im Angleichungspaket zu belassen, anstatt ein separates Überarbeitungsverfahren für sie einzuleiten.