52011DC0149

/* KOM/2011/0149 endg. */ MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Konsularischer Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten: Sachstand und Entwicklungsperspektiven


[pic] | EUROPÄISCHE KOMMISSION |

Brüssel, den 23.3.2011

KOM(2011) 149 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Konsularischer Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten:Sachstand und Entwicklungsperspektiven

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Konsularischer Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten:Sachstand und Entwicklungsperspektiven

Jeder EU-Bürger, der in einen Drittstaat reist , in dem sein Herkunftsmitgliedstaat nicht vertreten ist, oder dort lebt, hat nach den EU-Verträgen das Recht, in diesem Land den diplomatischen und konsularischen Schutz jedes anderen Mitgliedstaats in Anspruch zu nehmen, und zwar unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates .

Das Recht, konsularischen Schutz[1] von einem Mitgliedstaat unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates zu erhalten, gehört zu den besonderen Rechten, die der Vertrag den EU-Bürgern gewährt; dieses Recht erweitert das Konzept der Unionsbürgerschaft um eine externe Dimension. Es stärkt die Idee der europäischen Solidarität und der Identität der Union in Drittstaaten.

In dieser Mitteilung soll bilanziert werden, welchen Beitrag die Europäische Union entsprechend dem Aktionsplan der Kommission 2007-2009[2] zu einem wirksamen konsularrechtlichen Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten geleistet hat. Des Weiteren soll aufgezeigt werden, welche Schritte auf der Grundlage der bisherigen Erfahrungen und des erneuerten Rechtsrahmens folgen könnten.

Mit dieser Mitteilung kommt die Kommission ihrer im Vertrag festgelegten Verpflichtung nach, alle drei Jahre über die Anwendung von Artikel 23 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) betreffend den konsularischen Schutz Bericht zu erstatten - wie sie in ihrem Bericht gemäß Artikel 25 AEUV über die Fortschritte auf dem Weg zu einer effektiven Unionsbürgerschaft 2007 – 2010[3] angekündigt hatte.

Diese Mitteilung trägt auch zur Umsetzung der Maßnahme Nr. 8 des Berichts über die Unionsbürgerschaft 2010 - Weniger Hindernisse für die Ausübung von Unionsbürgerrechten [4] bei - einer strategischen Initiative der Kommission, die sich mit den Hindernissen befasst, mit denen in einen anderen Mitgliedstaat abgewanderte EU-Bürger nach wie vor konfrontiert sind, und die Maßnahmen zu deren Überwindung aufzeigt.

Die Mitteilung ist eine erste Antwort an den Europäischen Rat, der die Kommission am 2. Dezember 2009 im Stockholmer Programm aufgefordert hat, Maßnahmen zu prüfen, mit denen sich die zur Erleichterung des konsularischen Schutzes der Unionsbürger erforderliche Koordinierung und Kooperation in Einklang mit Artikel 23 AEUV gewährleisten lässt[5] .

1. Wo stehen wir heute?

Der Bedarf der EU-Bürger an konsularischem Schutz wird in den kommenden Jahren aller Voraussicht nach zunehmen. Eurostat-Statistiken zufolge[6] ist die Zahl der Reisen, die EU-Bürger jährlich in Drittländer unternehmen, von mehr als 80 Millionen 2005 auf mehr als 90 Millionen Reisen 2008 angestiegen, und es ist eine weitere Zunahme der Reisetätigkeit zu erwarten[7]. Schätzungen zufolge haben über 30 Millionen EU-Bürger ihren ständigen Wohnsitz in einem Drittstaat, doch in nur drei Ländern (USA, China, Russland) sind alle 27 Mitgliedstaaten vertreten. Die Krisen der jüngsten Zeit, von denen auch eine beträchtliche Zahl von EU-Bürgern in Drittstaaten betroffen waren[8], (z.B. in Libyen, Ägypten und Bahrain nach den demokratischen Erhebungen im Frühjahr 2011; in Japan nach dem Erdbeben im März 2011; in Haiti nach dem Erdbeben im Januar 2010; in Island im Zusammenhang mit der Vulkanaschewolke im Frühjahr 2010), haben die Notwendigkeit für konsularischen Schutz unabhängig von der Staatsangehörigkeit der EU-Bürger gezeigt. Mehr als 100 000 EU-Bürger hielten sich zum Zeitpunkt der Krisen in diesen Drittländern auf. Unter den gegenwärtigen Umständen erscheint es besonders wichtig, die Wirksamkeit des Rechts der EU-Bürger auf Unterstützung in Drittstaaten weiter zu erhöhen; dabei können die Hilfeleistungen beispielsweise bezüglich praktischer Unterstützung, medizinischer Versorgung oder Bereitstellung von Transportmitteln erfolgen. Angesichts knapper öffentlicher Mittel müssen die Europäische Union und die Mitgliedstaaten ihre Zusammenarbeit intensivieren, damit die Ressourcen optimal und wirksam genutzt werden.

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Obwohl der Umfang des konsularischen Schutzes von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ist, erwartet die Mehrheit der EU-Bürger (62 %)[9] dieselbe Art von Hilfe von den konsularischen und diplomatischen Behörden aller Mitgliedstaaten. Ein Drittel (28 %) der befragten EU-Bürger erwartet zumindest ein Mindestniveau an Unterstützung von jedem Mitgliedstaat.

1.1. Der neue Rechtsrahmen

Der Vertrag von Lissabon trägt der wachsenden Notwendigkeit Rechnung, dem konsularischen Schutz eine europäische Dimension zu verleihen. Er stärkt und präzisiert die Handlungsfähigkeit der Union. Das Recht der EU-Bürger, in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, den Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden der übrigen Mitgliedstaaten in Anspruch zu nehmen, ist in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c) und Artikel 23 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie in Artikel 46 der Grundrechtecharta der Europäischen Union verankert .

Nach dem Wortlaut dieser drei Bestimmungen genießen die EU-Bürger „den Schutz der diplomatischen und konsularischen Stellen eines jeden Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates“. Damit wird den Bürgern eines Mitgliedstaats eindeutig der Rechtsanspruch gewährt[10], im Hoheitsgebiet eines Drittstaats, in dem ihr Mitgliedstaat nicht vertreten ist, von den konsularischen Behörden eines anderen Mitgliedstaats die gleiche Behandlung zu erfahren wie die Staatsangehörigen des Hilfe leistenden Mitgliedstaats. Der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten sollte der Unionsbürgerstatus sein[11], und das Unionsrecht garantiert individuelle Rechte, um unter anderem die Rechtsansprüche der Bürger in vollem Umfang sicherzustellen.

Das in Artikel 23 AEUV verankerte Recht auf Schutz durch die konsularischen und diplomatischen Behörden unterliegt der gerichtlichen Nachprüfung . Die Kontrolle durch den Europäischen Gerichtshof erstreckt sich auf den gesamten Zweiten Teil des AEUV. Die nationalen Gerichte müssen Artikel 23 AEUV wie jede andere Bestimmung des Unionsrechts anwenden; das Recht auf gerichtliche Nachprüfung ist ein allgemein anerkannter für die Mitgliedstaaten und die Organe bei der Durchführung des Unionsrechts verbindlicher Rechtsgrundsatz[12], der in Artikel 47 der Grundrechtecharta kodifiziert ist. Unionsbürger, die in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, um konsularischen Schutz ersuchen, haben Anspruch darauf, dass ihr Ersuchen ordnungsgemäß geprüft wird; eine ablehnende Entscheidung kann von einem Gericht nachgeprüft werden, und der Urheber der Entscheidung kann im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung zur Staatshaftung für entstandene Schäden haftbar gemacht werden.

Die vorherige rechtliche Regelung sah vor, dass die Mitgliedstaaten sich abstimmen müssen, um die notwendigen Vorschriften festzulegen[13]. In diesem Zusammenhang wurden zwei Beschlüsse der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten angenommen: Beschluss 95/553/EG über den Schutz der Bürger der Europäischen Union durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen[14]und Beschluss 96/409/GASP zur Ausarbeitung eines Rückkehrausweises[15]). Der Vertrag von Lissabon lässt die Logik der zwischenstaatlichen Entscheidungsprozesse hinter sich. Artikel 23 Absatz 2 AEUV stattet die Kommission[16] mit dem Recht zur Einleitung eines Gesetzgebungsverfahrens aus, d. h., dass die Kommission nunmehr befugt ist, Richtlinien zur Festlegung der zur Erleichterung eines derartigen Schutzes erforderlichen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen vorzuschlagen, die nach Anhörung des Europäischen Parlaments vom Rat mit qualifizierter Mehrheit erlassen werden[17].

Der im Vertrag von Lissabon ebenfalls vorgesehene Europäische Auswärtige Dienst (EAD)[18] hat am 1. Januar 2011 seine Arbeit aufgenommen. Der Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD)[19] sieht in Artikel 5 Absatz 10 vor, dass die Delegationen der Union die Mitgliedstaaten auf Verlangen und ressourcenneutral in ihren diplomatischen Beziehungen und bei ihrer Rolle, konsularischen Schutz für Bürger der Union in Drittländern bereitzustellen, unterstützen.

1.2. Konsularischer Schutz der EU-Bürger: Aktueller Stand

Die EU-Bürger sind nicht ausreichend informiert über ihr im Vertrag verankertes Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich des konsularischen Schutzes. Die Zahl der Fälle, in denen EU-Bürger einen anderen Mitgliedstaat um konsularischen Schutz ersucht haben, ist gering; hinzu kommt, dass nicht alle Mitgliedstaaten die entsprechenden Daten erheben bzw. Statistiken erstellen. Am 15. Juni 2010 schloss die Kommission eine öffentliche Anhörung zum Thema Unionsbürgerschaft ab, bei der auch das Recht auf konsularischen Schutz erörtert wurde. Am 1. und 2. Juli 2010 fand eine Konferenz zum gleichen Thema statt, an der zahlreiche Interessenträger teilnahmen. Vertreter der Zivilgesellschaft und aus Hochschulkreisen waren der Auffassung, die Kommission müsse innerhalb des neuen institutionellen Rahmens größere Anstrengungen unternehmen, um die Wirksamkeit von Artikel 23 AEUV zu erhöhen. Auch das Europäische Parlament hat die Kommission und die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert, der Anwendung des Rechts auf konsularischen Schutz in der Praxis konkretere Gestalt zu verleihen.[20]

Nach Ansicht der Kommission sind im Interesse einer wirksameren Rechtsausübung weitere Anstrengungen erforderlich, um

- die EU-Bürger über ihr Recht zu informieren, andere Botschaften bzw. Konsulate um Hilfe zu ersuchen, und um ihnen zu erläutern, auf welche Art von Hilfe sie Anspruch haben und wie sie dieses Recht wahrnehmen können;

- die nationalen Konsularbeamten über die EU-Dimension des konsularischen Schutzes zu informieren;

- die Rechtssicherheit in Bezug auf Umfang des Schutzes, Bedingungen und Verfahren im Zusammenhang mit dem Recht auf konsularischen Schutz zu verbessern;

- zu einer besseren Lastenverteilung und Ressourcennutzung, auch in Krisenzeiten, zu gelangen.

Die europäische Politik muss einen ergebnisorientierten und am Wohl der EU-Bürger ausgerichteten Ansatz verfolgen. Der Vertrag von Lissabon bietet neue Möglichkeiten, um den Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen weiter zu verbessern. Die Kommission wird mit dem Europäischen Parlament, dem Rat, den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Auswärtigen Dienst und sonstigen Akteuren bei der Durchführung der im dritten Teil dieser Mitteilung vorgeschlagenen Maßnahmen in enger Partnerschaft zusammenarbeiten.

2. Bestandsaufnahme – Aktionsplan 2007-2009 und darüber hinaus

In ihrem Aktionsplan 2007-2009 schlug die Kommission eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung des Rechts auf Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Vertretungen vor, die sich drei Kategorien zuordnen lassen: 1) Informationsmaßnahmen, 2) Maßnahmen zur Ausweitung und Präzisierung des Schutzes, 3) Maßnahmen zur Nutzung gemeinsamer Ressourcen in Krisensituationen durch verstärkte gemeinsame Anstrengungen

2.1. Informationsmaßnahmen

2.1.1. Aufklärung der EU-Bürger

Um die EU-Bürger zu informieren, verabschiedete die Kommission am 5. Dezember 2007 eine Empfehlung an die Mitgliedstaaten, den Wortlaut des ersten Satzes von Artikel 20 EGV (entspricht Artikel 23 AEUV) in allen nach dem 1. Juli 2009 ausgestellten Reisepässen abzudrucken. Die meisten Mitgliedstaaten reagierten positiv und beschlossen, den ersten Satz von Artikel 20 EGV oder eine paraphrasierte Fassung in ihre neuen Reisepässe aufzunehmen[21]. Einige Mitgliedstaaten werden der Empfehlung jedoch nicht Folge leisten oder haben sich diesbezüglich noch nicht entschieden[22].

Darüber hinaus startete die Kommission eine Informationskampagne . Im März 2008 wurden in Zusammenarbeit mit dem Airports Council International (ACI) Plakate mit nutzerfreundlichen Erläuterungen der Vertragsbestimmungen zum konsularischen Schutz an die 35 größten Flughäfen der Mitgliedstaaten verschickt. Im Juni 2008 wurde in Zusammenarbeit mit der Vereinigung der Reisebüros und Reiseveranstalter in Europa (ECTAA) Informationsmaterial an mehr als 10 000 Reisebüros in 15 Mitgliedstaaten geschickt.

2.1.2. Seminare für Konsularbeamte

Als Folgemaßnahme zu ihrem Aktionsplan organisierte die Kommission gemeinsam mit dem jeweiligen EU-Vorsitz mehrere Seminare für Konsularbeamte, auf denen die Erörterung gemeinsamer Probleme und die Erleichterung des Informationsaustauschs im Mittelpunkt standen. Die ersten Seminare fanden unter portugiesischem Vorsitz im November 2007 in Lissabon statt. In Bezug auf die EU-Bürger nicht vertretener Mitgliedstaaten zog sich die Erkenntnis wie ein roter Faden durch die Diskussionen, dass die Zusammenarbeit vor Ort sich weitgehend auf Ad-hoc-Vereinbarungen und informelle Kontakte stützt. Die folgenden Seminare fanden in Ljubljana (Juni 2008), Straßburg (Oktober 2008), Prag (April 2009) und Brüssel (September 2010) statt. Während bei den Seminaren in Ljubljana, Prag und Brüssel der konsularische Schutz in Krisensituationen im Mittelpunkt stand, befasste sich das Seminar in Straßburg mit der Rolle der Konsulate der Mitgliedstaaten innerhalb der EU. Die Seminare haben gezeigt, dass durchaus Spielraum für einen Ausbau der Zusammenarbeit, insbesondere im Wege geeigneter Schulungen und der finanziellen Kostenerstattung in Krisensituationen besteht.

2.2. Ermittlung des Umfangs des konsularischen Schutzes für EU-Bürger

2.2.1. Vergleichende Analyse der Vorschriften und Praktiken

Die Tatsache, dass der Umfang des konsularischen Schutzes von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich ist, kann die Zusammenarbeit und Abstimmung zwischen den diplomatischen und konsularischen Behörden erschweren. Die Kommission hat Ausmaß und Art der Unterschiede einer vergleichenden Analyse unterzogen.[23] Die nationalen Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des konsularischen Schutzes weisen sowohl signifikante Unterschiede auf (z.B. in Bezug auf die Höhe der Gebühren) als auch zahlreiche Gemeinsamkeiten und bewährte Praktiken in mehreren Bereichen (z.B. Weiterleitung der Opfer von Gewalttaten an Hilfsorganisationen). Die gemeinsamen Praktiken betreffen die alltäglichen Notfallsituationen, in denen alle diplomatischen oder konsularischen Behörden der Mitgliedstaaten Schutz gewähren (Hilfe in Todesfällen, bei schweren Unfällen oder schwerer Krankheit, bei Festnahme oder Inhaftierung) sowie die in diesen Fällen geleistete Hilfe (im Falle eines schweren Unfalls oder einer schweren Krankheit beispielsweise informieren alle Mitgliedstaaten die Angehörigen des EU-Bürgers, informieren über die verfügbare medizinische Versorgung usw.). Es wurden weitere Bereiche ermittelt, in denen bewährte Praktiken übernommen werden könnten (z.B. Hilfeleistungen bei psychischen Erkrankungen).

2.2.2. Erweiterung des Schutzumfangs und der Verfahren

Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige von EU-Bürgern sind, sind häufig vom konsularischen Schutz ausgeschlossen. Wenn sie Unterstützung erhalten, variieren sowohl die Kategorien der Familienangehörigen als auch die Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss der Hilfeleistung zu gelangen. Dem Anschein nach werden die Entscheidungen fallweise und nicht auf der Grundlage eindeutiger Kriterien getroffen; in Krisenzeiten hingegen scheinen die Vorschriften in Bezug auf die Familienangehörigen großzügiger ausgelegt zu werden.

In Not geratene EU-Bürger können sich in Situationen befinden, in denen sie nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen (z. B. als Opfer eines Gewaltverbrechens). Die Kommission hat die Verfahren für finanzielle Vorleistungen untersucht. Die Mitgliedstaaten gewähren Bürgern, die sich in einer Notlage befinden, nur unter ganz besonderen Umständen und unter strengen Auflagen finanzielle Vorleistungen. Für die Rückerstattung scheinen nicht alle Mitgliedstaaten das als Anhang zu Artikel 6 des Beschlusses 95/553/EG beigefügte Formular zu verwenden. Was die Identifizierung und Überführung von Leichen angeht, haben bislang 16 Mitgliedstaaten das Abkommen des Europarats über die Leichenüberführung aus dem Jahr 1973[24] ratifiziert. Durch das Abkommen werden die Formalitäten für weltweite Leichenüberführungen durch einen einheitlichen Passierschein erleichtert. Entsprechend ihrem Aktionsplan hat die Kommission die Mitgliedstaaten aufgefordert, dem Abkommen beizutreten. Da keine signifikanten Fortschritte bei der Ratifizierung zu verzeichnen sind, konnten bislang keine multilateralen Verhandlungen auf diesem Gebiet eingeleitet werden.

Nach internationalem Recht erfordert der konsularische Schutz eines Bürgers durch einen anderen Staat die Zustimmung des Empfangsstaats. Es wird die Auffassung vertreten, dass gemäß Artikel 8 des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen[25] eine einseitige Notifikation an den Drittstaat ausreichend ist. Allerdings würde dies bedeuten, dass alle 27 Mitgliedstaaten eine einseitige Notifikation an den Drittstaat richten müssen. Die Kommission hat den Mitgliedstaaten nahe gelegt, in künftige bilaterale Abkommen mit Drittstaaten eine Zustimmungsklausel aufzunehmen, d. h. eine Klausel, nach der ein Drittstaat seine Zustimmung dazu gibt, dass die konsularischen und diplomatischen Behörden eines vertretenen Mitgliedstaats Staatsangehörigen nicht vertretener Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen Schutz gewähren können wie Staatsangehörigen dieses Staates. Die Kommission hat daher unter Berücksichtigung der jeweiligen Besonderheiten der Verhandlungen vorgeschlagen, in gemischte Abkommen mit bestimmten Drittstaaten eine Zustimmungsklausel aufzunehmen. Die Verhandlungen darüber dauern noch an.

2.3. Gemeinsame Bemühungen – in Krisensituationen und vor Ort

2.3.1. Konsularischer Schutz in Krisenzeiten

Während der jüngsten Katastrophen hat die Kommission Hilfeleistungen der Mitgliedstaaten für EU-Bürger auf vielfältige Weise unterstützt. Vor Ort haben die EU-Delegationen in bestimmten Fällen Hilfe geleistet. Der Vertrag sieht vor, dass die diplomatischen und konsularischen Vertretungen und die EU-Delegationen zur Durchführung des Rechts der EU-Bürger auf konsularischen Schutz im Sinne des Vertrags beitragen.[26]. Auf Antrag unterstützen die EU-Delegationen die Mitgliedstaaten insbesondere in Krisenfällen. Damit die EU-Delegationen auf Anfrage logistische Unterstützung leisten können, wurde eine eigens dafür vorgesehene Haushaltslinie mit einem geringen Mittelansatz eingerichtet. Dieser Fall trat anlässlich der Krise im Gazastreifen im Januar 2009 ein, als dank der Unterstützung durch die EU-Delegation fast 100 Personen in gepanzerten Bussen evakuiert werden konnten.

Seit November 2007 kann das Verfahren der Zusammenarbeit für den Katastrophenschutz ausgelöst werden, um EU-Bürgern in Drittstaaten konsularischen Schutz in Bezug auf Katastrophenschutzmaßnahmen zu gewähren, sofern die konsularischen Behörden der Mitgliedstaaten darum ersuchen[27]. Sobald das Verfahren ausgelöst ist, gibt das Beobachtungs- und Informationszentrum (MIC) der Europäischen Kommission - das operative Zentrum des Katastrophenschutz-Verfahrens – den Zugang zu den für Katastrophenschutzeinsätze zur Verfügung stehenden nationalen Ressourcen der 31 teilnehmenden Länder (Mitgliedstaaten, EWR-Länder und Kroatien) frei. Dies ermöglicht die Bündelung und Mobilisierung der erforderlichen Ressourcen (z.B. Transportmittel, medizinische Versorgung und Evakuierung, vorübergehende Schutzunterkünfte) sowie den Informationsaustausch. Während der Terroranschläge in Mumbai im November 2008 konnten sechs verwundete Europäer dank eines schwedischen MedEvac-Flugzeugs, das im Rahmen des Verfahrens der Zusammenarbeit für den Katastrophenschutz von der Kommission kofinanziert wird, evakuiert werden. Auch im Rahmen der jüngsten Krise in Libyen wurde das Verfahren ausgelöst, um die konsularischen Behörden bei der raschen Evakuierung von EU-Bürgern zu unterstützen. Das MIC ist an den derzeit laufenden Operationen der Mitgliedstaaten beteiligt; dank seiner Unterstützung konnten die Transportmittel der Mitgliedstaaten gebündelt und zusätzliche Transportmittel für Evakuierungszwecke sondiert werden; ferner hat das MIC eine Kofinanzierung der Transportkosten für die Ressourcen einiger Mitgliedstaaten übernommen. Ungarn stellte beispielsweise ein Flugzeug zur Verfügung, mit dem dank der Kofinanzierung des MIC 29 rumänische Staatsangehörige, 27 ungarische Staatsangehörige, 20 bulgarische Staatsangehörige, 8 deutsche Staatsangehörige, 6 tschechische Staatsangehörige und 6 andere EU-Bürger und Drittstaatsangehörige aus Tripolis evakuiert werden konnten. Dank einer engen Zusammenarbeit mit dem Militärstab konnte das MIC als Informationsplattform zwischen den Transporteuren und den konsularischen Behörden fungieren.

Während der jüngsten Katastrophen (Libyen, Ägypten, Haiti Vulkanaschewolke in Island) erfolgte die Koordinierung der konsularischen Hilfe über Telekonferenzen und die vom Gemeinsamen Lagezentrum der EU bereitgestellte gesicherte EU-Website „Consular On-Line“ zum Informationsaustausch der konsularischen Behörden der EU. Dieses Koordinierungsinstrument erwies sich als nützlich und hilfreich bei der Einschätzung der Lage vor Ort, insbesondere mit Blick auf die Präsenz von EU-Bürgern und verfügbare Kapazitäten der Mitgliedstaaten. Weitere Maßnahmen zur Stärkung der Kooperation und Solidarität zwischen den Konsulaten in Krisensituationen, z.B. in Fällen, in denen die Mobilität von EU-Bürgern weltweit und innerhalb der EU stark eingeschränkt ist, sind Gegenstand von Diskussionen in den zuständigen Gremien (konsularische Angelegenheiten, Katastrophenschutz, Transport usw.) Es muss gewährleistet sein, dass alle EU-Bürger – nicht nur diejenigen, deren diplomatische Vertretungen in dem betreffenden Drittstaat präsent sind - rasch evakuiert werden. Die derzeitige Krise in Libyen, bei der Mitgliedstaaten EU-Bürger aus anderen Mitgliedstaaten evakuiert haben, hat die europäische Solidarität und den Mehrwert von EU-Instrumenten deutlich veranschaulicht. Kein EU-Bürger sollte zurückbleiben müssen.

2.3.2. Einrichtung gemeinsamer Büros als Pilotprojekte

Der Aktionsplan der Kommission 2007-2009 sah vor, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ein gemeinsames Büro als Pilotprojekt einzurichten. Gemeinsame Büros der Mitgliedstaaten und der EU-Delegation in einem Drittstaat, d.h. Abkommen zur gemeinsamen Nutzung von Räumlichkeiten, könnten kostensparend sein, die Zusammenarbeit zwischen nationalen Konsularbeamten verstärken und die begrenzte Präsenz konsularischer Vertretungen ausgleichen. Die Büros sollten für alle EU-Bürger leicht zugänglich sein. Das gemeinsame Visumantragszentrum in der Republik Moldau ist ein erster Schritt in diese Richtung.

3. Entwicklungsperspektiven

Der Europäische Rat billigte das Stockholmer Programm und ersuchte die Kommission bei dieser Gelegenheit, Maßnahmen zu prüfen, mit denen sich die zur Erleichterung des konsularischen Schutzes erforderliche Koordinierung und Kooperation gewährleisten lässt.[28].

Daraufhin zieht die Kommission jetzt Maßnahmen auf dem Gebiet des konsularischen Schutzes der Unionsbürger in Betracht, die sich auf drei Pfeiler stützen:

- Stärkere Sensibilisierung durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen

- Vorschläge auf der Grundlage des neuen Rechtsrahmens des Vertrags von Lissabon

- Verbesserte Lastenverteilung und optimale Ressourcennutzung , auch in Krisensituationen.

Im Zuge der Ausarbeitung dieser Vorschläge wird die Kommission sich eng mit den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament abstimmen und dem Grundsatz der ressourcenneutralen Unterstützung der Mitgliedstaaten durch die EU-Delegationen in vollem Umfang Rechnung tragen.

3.1. Stärkere Sensibilisierung durch gezielte Kommunikationsmaßnahmen

3.1.1. Sensibilisierung der EU-Bürger

Der Europäische Rat stellte im Stockholmer Programm fest, dass der konsularische Schutz öffentlich nicht weithin bekannt ist und es verstärkter Anstrengungen bedarf, um die uneingeschränkte Anwendung dieses Rechts sicherzustellen[29]. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission eine dem konsularischen Schutz gewidmete Website für die Bürger eingerichtet[30]. Mithilfe der Website sollen die Bürger stärker für dieses Recht sensibilisiert und ihr Zugang zu den einschlägigen Informationen durch eine einzige Zugriffsstelle erleichtert werden. Auf der Website werden die Anschriften der konsularischen oder diplomatischen Vertretungen in Drittstaaten, die die EU-Bürger um Schutz ersuchen können, sowie die Reisehinweise aller Mitgliedstaaten abrufbar sein. Die Website soll auch den Zugang der Bürger zu „Europe Direct“ erleichtern, der europaweit gebührenfreien Rufnummer, unter der Informationen zu konsularischem Schutz zu erhalten sind[31].

Für Kommunikationsmaßnahmen zu dem im EU-Vertrag verankerten Recht auf konsularischen Schutz sind die Kommission und die Mitgliedstaaten gemeinsam zuständig . Die Bürger werden darüber informiert, was sie erwarten können und was nicht (z. B. dass die meisten Mitgliedstaaten bei Rechtsstreitigkeiten keinen Beistand leisten). Die Websites der nationalen Außenministerien sollten Informationen über das Recht auf konsularischen Schutz der EU-Bürger und einen Link zur Website der Kommission enthalten. Die Mitgliedstaaten könnten ihre Bürger im Rahmen der Ausgabe neuer Pässe über dieses Recht informieren. Die Kommission wird weiterhin in enger Partnerschaft mit den Mitgliedstaaten an Sensibilisierungsmaßnahmen arbeiten und im Juni 2011 unter ungarischem Vorsitz ein diesem Thema gewidmetes Seminar veranstalten. Die Kommission arbeitet mit Reise- und Ausländerorganisationen, Arbeitnehmerverbänden und Nichtregierungsorganisationen zusammen (da sich viele Reisende und Gebietsansässige aus geschäftlichen Gründen in Drittstaaten aufhalten). Die Kommission wird gemeinsam mit Verlegern die Möglichkeit ausloten, mit Hilfe von Reiseführern und dem Internet Informationen über konsularischen Schutz und die Rechte von Reisenden zu verbreiten.

Auch die Konsulate und Botschaften der Mitgliedstaaten und die EU-Delegationen könnten in Drittstaaten Informationen vor Ort weitergeben (z.B. Verbreitung von Informationen über die Webseiten oder in den Gebäuden der Konsulate und Botschaften, Herstellung von Kontakten zu lokalen Multiplikatoren wie Reiseclubs, großen Hotels oder den örtlichen Ausländerorganisationen). Die Botschaften und Konsulate der Mitgliedstaaten könnten den Behörden der Drittstaaten die Problematik erläutern und sie entsprechend informieren, damit diese die Informationen daraufhin an die lokalen Behörden (z.B. Polizeiämter) weitergeben können.

Durch die Bereitstellung von Informationen über den konsularischen Schutz in Form von Sensibilisierungsmaßnahmen wird die Kommission den unterschiedlichen Konsulargesetzen der Mitgliedstaaten und dem unterschiedlichen Umfang des konsularischen Schutzes gebührend Rechnung tragen.

3.1.2. Sensibilisierung der Konsularbeamten

Da nach wie vor nicht alle Konsularbeamten die Vertragsbestimmungen zum konsularischen Schutz kennen, wird die Kommission gezieltere Schulungsmaßnahmen für Konsularbeamte fördern. In einem ersten Schritt geben die Kommissionsdienststellen in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Auswärtigen Dienst ein Schulungspaket für nationale Konsularbeamte heraus, das das nötige Grundwissen vermittelt und das auch in der Vorbereitung der Entsendung von Mitarbeitern ins Ausland verwendet werden sollte. Die Kommission erkennt die Notwendigkeit maßgeschneiderter Schulungen an, die gemäß der im Rat erzielten Einigung vom 22. Dezember 2010 von den Mitgliedstaaten und der EU anzubieten sind. Diese europaweiten Schulungen könnten in Form von Einführungs-Workshops veranstaltet werden, die z.B. durch die Nutzung bestehender Schulungseinrichtungen kostenwirksam sein könnten. Um die Multiplikation des erworbenen Wissens zu gewährleisten, sollten auch Konsularbeamte mit Verantwortung für die Aus- und Weiterbildung an den Schulungen teilnehmen (Train the Trainer-Konzept). Die ermittelten bewährten Vorgehensweisen der Mitgliedstaaten sollten weiter erörtert und gefördert werden. Ferner sollte den Konsularbeamten vor Augen geführt werden, dass der Katastrophenschutz und das Verfahren der Zusammenarbeit für den Katastrophenschutz in Krisenzeiten eine wichtige unterstützende Rolle spielen können. Am 14. Februar 2011 fand ein erstes Brainstorming über eine EU-Schulung für Konsularbeamte und Katastrophenschutzexperten zum Thema Konsularischer Schutz und Katastrophenschutz in Krisenzeiten statt. In einem zweiten Schritt wird die Kommission - ausgehend von der gesammelten Erfahrung - die Förderung fortlaufender Schulungsmodule in Betracht ziehen.

3.2. Stärkung der Rechtssicherheit auf der Grundlage des Vertrags von Lissabon

Der Beschluss 95/553/EG der im Rat vereinigten Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten wurde 1995 angenommen und trat 2002 in Kraft: Nach Artikel 7 hätten die Mitgliedstaaten den Beschluss fünf Jahre nach seinem Inkrafttreten überprüfen müssen.

Die Tatsache, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Konsulargesetze haben, führt dazu, dass ein EU-Bürger, abhängig davon, welchen Mitgliedstaat er um Hilfe ersucht, in den Genuss unterschiedlicher Leistungen kommt. Diese Unterschiede können die Zusammenarbeit und Abstimmung der konsularischen und diplomatischen Behörden erschweren. Rechtssicherheit und Berechenbarkeit für EU-Bürger im Ausland sollten ein Hauptanliegen sein. Der Umfang und die Bedingungen für konsularischen Schutz der EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, sollten präzisiert, die Verfahren zur Abstimmung zwischen konsularischen und diplomatischen Behörden sollten erleichtert werden.

Das derzeitige System zur Gewährung finanzieller Vorleistungen setzt eine umfassende Zusammenarbeit voraus. Ein Hilfe leistender Mitgliedstaat muss im Vorfeld die Erlaubnis des Herkunftsmitgliedstaats des EU-Bürgers einholen, der dem Hilfe leistenden Mitgliedstaat die Ausgaben später erstatten muss oder den EU-Bürger zur Erstattung heranziehen kann. Die Mitgliedstaaten gewähren finanzielle Vorleistungen im Wesentlichen für geringfügige Beträge (z.B. zur Bezahlung eines Heimflugs oder eines Hotelaufenthalts) oder als letztes Mittel. In einer auf gegenseitiger Solidarität gestützten Union könnte die Zusammenarbeit erleichtert werden.

Die Kommission wird prüfen, wie sich die Zusammenarbeit in anderen Bereichen, in denen bewährte Praktiken eingesetzt werden könnten (z.B. Hilfe im Falle psychischer Erkrankungen, unbegleiteter Minderjähriger, Zwangsehen, Quarantänezeiten und bei der Legalisierung von Dokumenten) ausbauen lässt.

Vor diesem Hintergrund beabsichtigt die Kommission, Legislativvorschläge zur Einleitung der zur Erleichterung des konsularischen Schutzes erforderlichen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen vorzulegen und sich mit dem Thema finanzieller Ausgleich als Gegenleistung für konsularischen Schutz in Krisensituationen innerhalb von 12 Monaten zu befassen[32]. In diesem Zusammenhang wird die Kommission auch die Bereitstellung von konsularischer Hilfe für aus Drittstaaten stammende Familienangehörige von EU-Bürgern in Betracht ziehen.

Gemäß dem Beschluss 96/409/GASP stellen konsularische und diplomatische Vertretungen EU-Bürgern in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, Rückkehrausweise aus, wenn deren Pass oder Reisedokument verlorengegangen, gestohlen oder vernichtet worden ist oder vorübergehend nicht verfügbar ist. Einige Mitgliedstaaten möchten die Sicherheitsmerkmale des Rückkehrausweises verstärken; einige Drittstaaten halten es für problematisch, die derzeitigen Rückkehrausweise ohne biometrische Merkmale zu akzeptieren. Dabei wird auch eine mögliche Überarbeitung des Formats des Rückkehrausweises in Betracht gezogen. Dies sollte mit einer detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse einhergehen.

Im Interesse einer größeren Rechtssicherheit wird die Kommission die Aufnahme von Zustimmungsklauseln (s. Punkt 2.2.2) in gemischte und bilaterale Abkommen weiterhin fördern und die Aufnahme von inhaltsbezogenen Klauseln (z.B. Zugang zu Gefangenen) in Betracht ziehen. Ferner wird die Kommission mit den Mitgliedstaaten erörtern, wie sich die Rechtssicherheit und die Sichtbarkeit von Artikel 23 AEUV gegenüber Drittstaaten weiter erhöhen lässt.

3.3. Verbesserte Lastenverteilung und optimale Ressourcennutzung

3.3.1. In Krisensituationen

Die jüngsten Ereignisse in Nordafrika und Japan haben gezeigt, welchen Gefahren die EU-Bürger ausgesetzt sein können[33]. EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, haben Anspruch auf Schutz durch die diplomatischen oder konsularischen Behörden eines beliebigen Mitgliedstaats zu denselben Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Diese Verpflichtung gilt auch für Krisensituationen. Angesichts der zu erwartenden Zunahme der Reisetätigkeit der EU-Bürger in den kommenden Jahren wird aller Voraussicht nach auch die Notwendigkeit des konsularischen Schutzes wachsen und eine beträchtliche Belastung für die Hilfe leistenden Mitgliedstaaten darstellen. Die Kommission hat unlängst eine Studie abgeschlossen, die sich mit dem finanziellen Ausgleich als Gegenleistung für konsularischen Schutz in Krisenzeiten, insbesondere in Bezug auf Evakuierungsmaßnahmen von EU-Bürgern aus Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, befasst. Die Studie zeigt unter anderem, dass die geltenden Kostenerstattungsbestimmungen in der Praxis häufig nicht angewandt werden. Im Zuge von Evakuierungsmaßnahmen bieten die Mitgliedstaaten Bürgern, deren Heimatland in dem betreffenden Drittstaat nicht vertreten ist, beispielsweise freie Plätze in Flugzeugen an[34]. Um zu gewährleisten, dass EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, die gleiche Unterstützung erhalten wie die Staatsangehörigen vertretener EU-Mitgliedstaaten, und um die Mitgliedstaaten anzuregen, in Krisensituationen eine proaktivere Rolle zu übernehmen, prüft die Kommission derzeit, wie sich die Kostenerstattungsverfahren weiter erleichtern und vereinfachen und wie sich Synergien mit den bestehenden Instrumenten zur finanziellen Unterstützung herstellen lassen.

Zu prüfen wären auch Machbarkeit und Mehrwert der Einsetzung von EU-Teams von nationalen Konsularbediensteten , gegebenenfalls in Abstimmung mit dem EAD und der Kommission, die in Krisensituationen Hilfe leisten, um eine bessere Lastenverteilung und Koordinierung zu erreichen. Diese Möglichkeit sollte ausgelotet werden, und gleichzeitig sollten die bestehenden Instrumente geprüft werden, um Überschneidungen mit bestehenden Strukturen zu vermeiden. Jede Krise ist anders geartet. Zur Gewährleistung eines effizienten Krisenmanagements erscheint es unverzichtbar, Krisenszenarien über eine kontinuierliche Notfallplanung, die nicht vertretene Unionsbürger umfasst , vor Ort und in den Hauptstädten der 27 Mitgliedstaaten zu antizipieren. Die Mitgliedstaaten bauen derzeit Kapazitäten auf, um Konsularbedienstete über die örtlichen Gegebenheiten zu informieren und um EU-Bürger in Krisensituationen frühzeitig zu warnen (z.B. über SMS oder E-Mails). Die Kommission finanziert derzeit Forschungsarbeiten auf diesem Gebiet. Diese Instrumente könnten beträchtlich zur Sicherheit der Unionsbürger im Ausland beitragen, sofern sie deren Recht auf Privatsphäre und die Datenschutzvorschriften achten.

Auch ein besserer Einsatz der verfügbaren Katastrophenschutzmittel und der Instrumente der EU (z.B. das EU-Verfahren der Zusammenarbeit für den Katastrophenschutz) wird zu einer optimalen Nutzung der Ressourcen und zu besserer Unterstützung von EU-Bürgern in Krisensituationen beitragen. Die Reaktionsfähigkeit der EU im Katastrophenfall ist Gegenstand der Mitteilung „Auf dem Weg zu einer verstärkten europäischen Katastrophenabwehr: die Rolle von Katastrophenschutz und humanitärer Hilfe“[35].

3.3.2. Vor Ort

Artikel 35 EUV sieht vor, dass die diplomatischen und konsularischen Vertretungen der Mitgliedstaaten und die EU-Delegationen zur Durchführung des Rechts der EU-Bürger auf konsularischen Schutz im Sinne des AEUV beitragen .

In der Vergangenheit haben die EU-Delegationen bereits logistische Unterstützung geleistet, um die konsularische Unterstützung zu verstärken[36] Der Beschluss des Rates über die Organisation und die Arbeitsweise des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD)[37] sieht in Artikel 5 Absatz 10 vor, dass die EU-Delegationen die Mitgliedstaaten auf Verlangen und ressourcenneutral in ihren diplomatischen Beziehungen und bei ihrer Rolle, konsularischen Schutz für EU-Bürger in Drittländern bereitzustellen, unterstützen. Nach Artikel 13 Absatz 2 legt der Hohe Vertreter dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission bis Ende 2011 einen Bericht über die Arbeitsweise des EAD vor. Gegenstand des Berichts wird unter anderem der konsularische Schutz sein. Die EU-Delegationen könnten stärker dabei behilflich sein, die EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist , über den Schutz durch die konsularischen und diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten zu informieren.

4. Schlussfolgerungen

Die Evaluierung des Aktionsplans 2007-2009 zur Gewährleistung eines wirksamen konsularischen Schutzes hat gezeigt, dass Spielraum für eine stärkere Abstimmung und Zusammenarbeit beim konsularischen Schutz besteht, die insbesondere den Bürgern zu Gute käme, die im Ausland in Schwierigkeiten geraten, und sich nicht an ihre eigenen diplomatischen und konsularischen Vertretungen wenden können. Die Bürger sollten ihr Recht kennen. Die Kommission wird Bürger und Interessenträger für das Recht auf konsularischen Schutz sensibilisieren, indem sie gezielte Kommunikationsmaßnahmen an potenzielle Nutznießer dieses Rechts richtet. In Krisenzeiten sollte den Bürgern rasch geholfen werden.

Die Kommission wird Legislativvorschläge vorlegen, mit denen die zur Erleichterung des konsularischen Schutzes erforderlichen Koordinierungs- und Kooperationsmaßnahmen eingeleitet werden können . Ferner wird sie sich innerhalb von 12 Monaten mit dem Thema finanzieller Ausgleich als Gegenleistung für konsularischen Schutz in Krisensituationen befassen.[38]. Die Kommission wird mit dem Europäischen Parlament, dem Rat, den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Auswärtigen Dienst und allen anderen Akteuren Gespräche über die vorgeschlagenen Maßnahmen führen. Gemäß Artikel 25 AEUV wird die Kommission 2013 im nächsten EU-Bericht über die Unionsbürgerschaft über die erzielten Fortschritte Bericht erstatten. Das Recht der EU-Bürger in Drittstaaten, in denen ihr Heimatland nicht vertreten ist, den Schutz durch die diplomatischen und konsularischen Behörden eines anderen Mitgliedstaats unter denselben Bedingungen wie dessen Staatsangehörige in Anspruch zu nehmen, spiegelt eine auf gegenseitiger Verantwortung und Solidarität gegründete Union wider. Jetzt, wo der Vertrag von Lissabon in Kraft ist, und mit Blick auf die Annahme des Stockholmer Programms durch den Europäischen Rat[39] hat die Europäische Union den Auftrag, dieses Recht stärker in der Praxis zu verankern.

[1] Konsularischer Schutz ist die Unterstützung und Hilfe, die ein Staat Bürgern im Ausland zukommen lässt; Dabei kann es sich um die eigenen Staatsangehörigen oder um Staatsangehörige von Ländern handeln, zu deren Unterstützung der Staat sich bereit erklärt hat.

[2] KOM(2007)767 endgültig

[3] KOM(2010)602 endgültig.

[4] KOM(2010)603 endgültig.

[5] ABl. 2010/C 115/01 - Das Stockholmer Programm - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, Ratsdokument 17024/09 vom 2. Dezember 2009, S. 11.

[6] Datenbank zur Bevölkerung, Abschnitt Tourismus. Die Daten umfassen Urlaubs- und Geschäftsreisen von mehr als einem Tag.

[7] Die Weltorganisation für Tourismus erwartet für den Zeitraum 2010-2020 einen weiteren deutlichen Anstieg.

[8] Libyen (wo acht Mitgliedstaaten vertreten sind): Zu Beginn der Krise hielten sich etwa 6 000 EU-Bürger in dem Land auf; am 9. März 2011 waren noch 1 345 EU-Bürger in Libyen; seitdem haben die Mitgliedstaaten Evakuierungsmöglichkeiten für mindestens 52 EU-Bürger gesucht. Ägypten (wo 22 Mitgliedstaaten vertreten sind): Mindestens 100 000 EU-Bürger (zum größten Teil Touristen im Gebiet Rotes Meer); Bahrain (wo vier Mitgliedstaaten vertreten sind): mindestens 8 800 EU-Bürger. Japan (wo alle Mitgliedstaaten außer Malta und Zypern vertreten sind): etwa 37 000 EU-Bürger. Haiti (nach dem Erdbeben im Jahr 2010): Etwa 2 700 EU-Bürger. Island : aufgrund der Vulkanaschewolke im Frühjahr 2010 wurden mehr als 100 000 Flüge annulliert. Bei den Zahlen handelt es sich um Schätzwerte auf der Basis von Daten der Mitgliedstaaten und der Kommission.

[9] Eurobarometer-Umfrage vom März 2010.

[10] Siehe Rechtssachen Lütticke 57/65 und Van Gend & Loos, 26/62. Artikel 23 Absatz 2 AEUV sieht nicht mehr vor, dass die Mitgliedstaaten sich abstimmen müssen, um die nötigen Vorschriften festzulegen. In Artikel 23 Absätze 1 und 2 AEUV ist lediglich vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten die notwendigen internen Bestimmungen verabschieden.

[11] Rechtssache Grzelczyk, C-184/99.

[12] Siehe Rechtssache Oleificio Borelli, C-97/91.

[13] Artikel 20 EGV.

[14] ABl. L 314, 28.12.1995, S. 73.

[15] ABl. L 168, 16.7.1996, S. 4.

[16] Artikel 17 Absatz 2 EUV.

[17] Artikel 16 Absatz 3 EUV.

[18] Artikel 27 EUV.

[19] ABl. L 201, 3.8.2010, S. 30 (Ratsdokument 2010/427/EU).

[20] Entschließung des Europäischen Parlaments vom 25. November 2009 zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts im Dienste der Bürger – Stockholm-Programm (http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2009-0090+0+DOC+XML+V0//DE)

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 11. Dezember 2007 zu dem Grünbuch Der diplomatische und konsularische Schutz des Unionsbürgers in Drittländern(http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P6-TA-2007-0592+0+DOC+XML+V0//DE) In dieser Entschließung regt das Parlament unter anderem Folgendes an: „regt gegenüber der Kommission an, abgesehen von ihrer Pflicht, gemäß Artikel 22 des EG-Vertrags alle drei Jahre einen Bericht über die Unionsbürgerschaft zu erstellen, dem Rat unverzüglich vorzuschlagen, gemeinsame Konzepte und verbindliche Leitlinien anzunehmen, die geeignet sind, gemeinsame Standards im Bereich des konsularischen Schutzes zu schaffen; ersucht die Kommission, ihre Anstrengungen in Bezug auf Kommunikation und Information zu intensivieren, insbesondere durch die Einrichtung einer einheitlichen europäischen Notrufnummer, die gemeinsam mit dem Wortlaut von Artikel 20 des EG-Vertrags im Reisepass der Unionsbürger steht und über die jeder Unionsbürger mit einem Informationszentrum Kontakt aufnehmen kann, von dem er in einem Notfall, der den Prozess des konsularischen Schutzes in Gang setzt, alle zweckdienlichen Informationen erhalten kann, insbesondere die aktuelle Liste mit den Daten der Botschaften und der Konsulate der Mitgliedstaaten, an die er sich wenden kann; für diese Nummer könnte es in Brüssel eine Zentralstelle geben; fordert die Kommission auf, ihm, sobald der Vertrag von Lissabon ratifiziert ist, einen Vorschlag für eine Änderung des Beschlusses 95/553/EG zu unterbreiten, in den Folgendes ausdrücklich aufgenommen werden sollte: der diplomatische Schutz; die Identifizierung und Überführung von Leichen; die Vereinfachung der Modalitäten für finanzielle Vorleistungen”.

[21] BE,BG,DE,EL,ES,FR,IT,CY,LV,LT,LU,MT,NL,AT,HU,PL,RO,SI,SE,UK.

[22] CZ,DK,EE,IE,PT,SK,FI.

[23] Vergleichende Untersuchung der Rechtsvorschriften und Praktiken der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des konsularischen Schutzes.

[24] Abkommen über die Leichenüberführung, Straßburg, 26.10.1973.

[25] „Nach einer angemessenen Notifikation an den Empfangsstaat kann, sofern dieser keinen Einspruch erhebt, eine konsularische Vertretung des Entsendestaats im Empfangsstaat konsularische Aufgaben auch für einen dritten Staat wahrnehmen“.

[26] Die Maßnahmen zum Schutz der Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines Drittstaats, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, nicht vertreten ist, stützen sich auf Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c und Artikel 23 AEUV; in Artikel 35 EUV ist vorgesehen, dass die EU-Delegationen in Zusammenarbeit mit den konsularischen und diplomatischen Vertretungen der Mitgliedstaaten zur Verwirklichung des in Artikel 20 Absatz 2 Buchstabe c AEUV genannten Rechts beitragen.

[27] Artikel 2 Absatz 10 der Entscheidung des Rates 2007/779/EG vom 8. November 2007.

[28] ABl. 2010/C 115/01 - Das Stockholmer Programm - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, Ratsdokument 17024/09 vom 2. Dezember 2009, S. 11.

[29] Idem.

[30] http://ec.europa.eu/consularprotection

[31] Die EU-weit gebührenfreie Rufnummer ist 00 800 67 89 10 11. Bürger, die sich außerhalb der EU aufhalten, können unter der Rufnummer +32-2-299 96 96 allgemeine Informationen zu den Rechten der EU-Bürger erhalten. Die Telefone unter dieser Rufnummer sind nicht an allen Wochentagen rund um die Uhr besetzt.

[32] Arbeitsprogramm der Kommission 2011 (KOM(2010) 623 endgültig).

[33] Siehe Fußnote 8.

[34] In Haiti wurde beispielsweise 1300 EU-Bürgern geholfen, von denen 250 aus einem EU-Mitgliedstaat stammen, der in Haiti keine diplomatische oder konsularische Vertretung unterhält.

[35] KOM(2010) 600 endgültig.

[36] Siehe Punkt 2.3.1.

[37] ABl. L 201, 3.8.2010, S. 30 (Ratsdokument 2010/427/EU).

[38] Arbeitsprogramm der Kommission 2011 (KOM(2010) 623 endgültig).

[39] ABl. 2010/C 115/01 - Das Stockholmer Programm - Ein offenes und sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger, Ratsdokument 17024/09 vom 2. Dezember 2009.