22.12.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 376/44


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europa — wichtigstes Reiseziel der Welt: ein neuer politischer Rahmen für den europäischen Tourismus“

KOM(2010) 352 endg.

2011/C 376/08

Berichterstatter: Panagiotis GKOFAS

Die Europäische Kommission beschloss am 30. Juni 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 AEUV um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Europa — wichtigstes Reiseziel der Welt: ein neuer politischer Rahmen für den europäischen Tourismus

KOM(2010) 325 endg.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 30. August 2011 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 474. Plenartagung am 21./22. September 2011 (Sitzung vom 21. September) mit 121 gegen 14 Stimmen bei 8 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) begrüßt die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Europa - wichtigstes Reiseziel der Welt: ein neuer politischer Rahmen für den europäischen Tourismus“ und betont, dass sie trotz einiger signifikanter Schwachstellen zahlreiche positive Anregungen enthält, möchte aber gleichwohl nachstehende Vorschläge zur Stärkung und Bereicherung dieser Initiative unterbreiten.

1.2

Angesichts der zahlreichen Akteure (Verwaltungen, Institutionen, Einrichtungen, Sozialpartner), Ebenen (lokal, regional, national und europäisch) und Bereiche (Verkehr, Unterkunft, Zusatzangebot) in der Tourismusbranche in Europa sollten bei den geplanten Initiativen alle Beteiligten einbezogen werden. In diesem Zusammenhang weist der EWSA erneut auf die Möglichkeit hin, eine Europäische Tourismusagentur einzurichten, die durch eine effektive Überwachung der für die Unterstützung und Förderung der beschriebenen Maßnahmen relevanten Informationen Anstrengungen unternimmt, welche konkrete Fortschritte in Richtung einer umfassenden europäischen Fremdenverkehrspolitik ermöglichen, bei der der Vielfalt und Mannigfaltigkeit der europäischen Tourismusidentität Rechnung getragen wird.

1.3

Der EWSA ist der Ansicht, dass die nachstehenden Aspekte besonders hervorgehoben und entsprechend umgesetzt werden sollten, um die in der Mitteilung enthaltenen Herausforderungen bewältigen und die darin vorgesehenen konkreten Maßnahmen durchführen zu können:

Förderung der Schaffung einer europäischen Plattform in sämtlichen EU-Sprachen, über die auf elektronischem Wege die Bemerkungen bzw. Eindrücke der Reisenden eingegeben werden können, mit dem Ziel einer besseren Beurteilung und Nutzung der Angaben im Hinblick auf eine stärkere Anziehung von Touristen, und die den Einsatz neuer Technologien (elektronische Reservierungen) ermöglicht;

Untersuchung, Organisation und Förderung der Umsetzung bestimmter Aspekte des politischen Rahmens und Verfolgung von Prioritäten, wie etwa Förderung des innereuropäischen Fremdenverkehrs und Tourismusdienstleistungen und -einrichtungen in ganz Europa, außerdem Aufforderung an die zuständigen Stellen und die Unternehmen, im Interesse eines besseren Angebots an Fremdenverkehrsdienstleistungen und –einrichtungen zusammenzuarbeiten, beispielsweise über entsprechende Zeitpläne;

Förderung besserer Straßen-, Schienen, Luft- und Kurzstreckenseeverkehrsverbindungen und Aktualisierung und Verbreitung entsprechender Informationen über das Internet unter Berücksichtigung auch unrentabler Seeverkehrsverbindungen zu abgelegenen Inseln;

Förderung des Gesundheits- und Wellness-Tourismus, des Kurtourismus, des Bildungstourismus, des Kulturtourismus insbesondere der regionalen Festspiele und Aufführungen (Oper, Theater, Tanz, Konzerte etc.) sowie von Kulturveranstaltungen wie z.B. Ausstellungen, des Kongresstourismus, des wein- und gastronomieorientierten Tourismus, des Geschichtstourismus, des Glaubenstourismus, des Agrotourismus, des Meerestourismus unter Betonung und Respektierung der kulturellen Traditionen und der Gastronomie;

Appell an die die Regierungen der Mitgliedstaaten, die Entwicklung der Klein- und Kleinstunternehmen im Fremdenverkehrssektor, die die sozialen, ökologischen, geschichtlichen und kulturellen Traditionen der betreffenden Gegend bzw. Region widerspiegeln, zu fördern und das „All inclusive“-Angebot besser einzusetzen;

Erweiterung der Auswahl an innereuropäischen Reisezielen für Senioren und Menschen mit Behinderungen durch die Verbesserung der Infrastrukturen und der Dienstleistungspalette und bessere Bekanntmachung des Dienstleistungsangebots für diese Menschen in der EU;

Förderung einer Politik zur besseren Bekanntmachung innereuropäischer Fremdenverkehrsziele seitens der Fluggesellschaften mit dem Ziel, dass die Preise für die Reisenden nicht höher sind als für Reiseziele außerhalb der EU, sowie Förderung einer Politik zugunsten der von den großen Reiseveranstaltern angebotenen innereuropäischen Reiseziele;

Bekanntmachung und Herausstellung der Sicherheit, die in der EU im Vergleich zu anderen Reisezielen bei der Reise, dem Aufenthalt, den Bürgerrechten, der medizinischen Versorgung sowie in Bezug auf den Rechtsrahmen herrscht;

Beitrag zur Entwicklung einer besseren statistischen Erfassung und Harmonisierung des Fremdenverkehrs und seiner Parameter, ohne dass den Unternehmern und den Bürgern ein zusätzlicher Verwaltungsaufwand erwächst;

Einleitung einer gemeinsamen Werbekampagne für die EU;

Förderung der Qualität der professionellen Dienstleistungen durch Ausbildungsmaßnahmen und stabile Arbeitsplätze.

1.4

Auch die Mitgliedstaaten müssen sich mit der Abschätzung der Folgen des Klimawandels für den Tourismus beschäftigen, und es müssen geeignete Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden, die den Prognosen für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wettbewerbsfähigkeit entsprechen

1.5

Bestimmte Tourismusformen müssen weiterentwickelt werden, wie etwa der Sozial- bzw. der Kulturtourismus, der gastronomische Tourismus und der Agrotourismus, der Sporttourismus, der Gesundheitstourismus, der barrierefreie Tourismus, der Kongresstourismus, der Glaubenstourismus usw. im Rahmen einer europäischen Politik, die auf die Diversifizierung des Angebots ausgerichtet ist und die neu entstehenden Märkte berücksichtigt.

1.6

Der EWSA ist der Ansicht, dass europaweite Vorhaben wie das Projekt CALYPSO die Wirksamkeit der Zusammenarbeit zwischen den EU-Institutionen und anderen Verwaltungsebenen, den Sozialpartnern und Akteuren der Branche unter Beweis gestellt haben, die positive soziale und wirtschaftliche Auswirkungen hatte. Der EWSA fordert die Kommission und das Europäische Parlament auf, ihr Engagement für diese Art von Initiativen – insbesondere in Form der Bereitstellung von Haushaltsmitteln - aufrecht zu erhalten.

1.7

Zwar ist das Sicherheitserfordernis immer zu berücksichtigen, doch können Visa für Reisende aus Ländern außerhalb des Schengen-Raums Probleme bereiten, die gelegentlich durch die Anwendung übermäßig bürokratischer Verfahren durch die einzelnen Mitgliedstaaten bedingt sind. Der EWSA fordert die Kommission auf, konkrete Maßnahmen zur Beseitigung dieser Hemmnisse zu ergreifen.

1.8

Der EWSA fordert die Regierungen der Mitgliedstaaten auf, einen europäischen Berufsbefähigungsnachweis für Fremdenverkehrsberufe einzuführen, der in der gesamten EU gültig ist. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Ausbildung für diese Branche nicht nur EU-weit anerkannt sein, sondern auch auf hohem Niveau erfolgen muss, um qualifizierte Fachkräfte für die Branche heranzuziehen, und zwar entsprechend den Leitlinien der Europäischen Kommission und des Cedefop und mit besonderem Schwerpunkt auf dem Lernergebnis und der entsprechenden Bescheinigung, aber auch der Aufwertung der Tourismusausbildungsgänge an Hochschulen, soweit vorhanden. Der Fremdenverkehrssektor sollte unter besonderer Bezugnahme auf neue Kompetenzen für neue Arbeitsplätze und weitere geplante Initiativen wie die Anerkennung der Berufserfahrung und die informelle und nicht formale Ausbildung sowie die voraussichtlichen Auswirkungen des von den für Bildung zuständigen EU-Ministern und den europäischen Sozialpartnern verabschiedeten Kommuniqués von Brügge zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung in die Strategie 2020 einbezogen werden.

1.9

Der EWSA betont, dass es keine Patentlösungen für den Fremdenverkehr gibt, und räumt ein, dass verschiedene Reiseziele verschiedene Maßnahmen erfordern und unterschiedliche Nischenmärkte ansprechen. Bei dem politischen Rahmen für den Fremdenverkehr müssen die unterschiedlichen Bedürfnisse von Gebieten in Randlage, zentralen Gebieten, Küstengebieten, ländlichen Gebieten, Inseln, abgelegenen strukturschwachen Gebieten usw. berücksichtigt werden.

1.10

Ziel dieser Maßnahmen ist die Konzipierung, Verabschiedung und Umsetzung eines strategischen Plans für eine gemeinsame europäische Fremdenverkehrspolitik. Damit werden die nachhaltige Wettbewerbsfähigkeit und die Qualität des europäischen Fremdenverkehrs sowie ein hohes Niveau des Verbraucherschutzes gestärkt, und gleichzeitig werden die Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzt. Allerdings sollte angesichts der zahlreichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten zur Bedingung gemacht werden, dass jeder Mitgliedstaat einen auf mindestens zehn Jahre angelegten strategischen Plan für die nationale Fremdenverkehrspolitik mit konkreten Maßnahmen, die die einzelnen Regionen umzusetzen haben, aufstellt.

1.11

Der EWSA appelliert an die Regierungen der Mitgliedstaaten, ihre Kommunalsteuern anzupassen und auf eine Senkung der MwSt. auf die Fremdenverkehrsprodukte mit sozialem Charakter hinzuwirken, um so die touristischen Produkte attraktiver zu machen und letztlich einen Ausbau und einen besseren Zugang zu Fremdenverkehrsdienstleistungen zu bewirken. Sie müssen ferner für die entsprechenden lokalen Infrastrukturen und Dienstleistungen Sorge tragen, um einen hochwertigen Fremdenverkehr zu ermöglichen, der sich sowohl in Form einer Verbesserung der Lebensqualität der ortsansässigen Bevölkerung als auch auf die Bedingungen für den Aufenthalt der Touristen auswirken würde.

1.12

Die EU benötigt eine Kommunikationsstrategie, um durch eine positives Image Europas auch das Ansehen der Tourismusindustrie aufrechtzuerhalten; gleichzeitig muss auch das Thema der negativen Kommunikation angegangen werden.

1.13

Es müssen Maßnahmen getroffen werden, um strukturelle Arbeitslosigkeit in Fremdenverkehrsunternehmen zu vermeiden, um sowohl die Qualität und Stabilität der Arbeitsplätze als auch die Rentabilität der Unternehmen zu verbessern.

1.14

Die Kommission muss ihre laufenden Anstrengungen verstärken, um die praktische Bedeutung des Begriffs Qualitätstourismus in allen seinen Dimensionen zu vermitteln, eine Erfahrung, die sowohl körperliche Entspannung als auch geistige Erholung durch den Kontakt mit anderen Kulturen einschließt. Die Konzipierung muss auf regionaler Ebene erfolgen, die Vermittlung und Kommunikation hat dann sowohl auf regionaler und nationaler als auch auf EU-Ebene stattzufinden.

1.15

Der EWSA stellt fest, dass ein klarer Hinweis auf einen Rechtsrahmen für Verbraucherrechte im Tourismussektor ebenso fehlt wie auch jedwede Begründung für den nicht hinnehmbaren Aufschub der Überarbeitung der Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990, die ursprünglich für Ende 2010 angekündigt und dann im Arbeitsprogramm der Kommission für 2011 vorgesehen wurde, bislang aber noch nicht vorliegt.

1.16

Der EWSA begrüßt die Tatsache, dass die Kommission, das Europäische Parlament sowie die europäischen Sozialpartner die Konzipierung einer europäischen Fremdenverkehrspolitik vorantreiben wollen. Der EWSA wird sich auch weiterhin in diesem Sinne engagieren und einen Beitrag zu den in seinen Stellungnahmen beschriebenen Zielen und Werten eines europäischen Tourismusmodells leisten.

2.   Einleitung

2.1

In der neuen Tourismuspolitik werden drei wesentliche Ziele herausgestellt, die die Grundlage des neuen Rahmens bilden:

Wettbewerbsfähigkeit;

Nachhaltigkeit;

Tourismuswerbung.

Wenn diese drei Säulen mit geeigneten Strukturen und Ressourcen untermauert werden, wird ein tragfähiges Fundament für eine solide und vorteilhafte Tourismuspolitik gewährleistet.

2.2

Die Kommission weist auf eine Reihe von Herausforderungen hin, vor denen der europäische Fremdenverkehr steht und die in den letzten Jahren entstanden sind bzw. zugenommen haben. Die Hauptprobleme jedoch, an denen sich über die Jahre hinweg nichts geändert hat, sind die saisonalen Nachfrageschwankungen, die den Fremdenverkehr kennzeichnen, die Tatsache, dass der Fremdenverkehr in der Praxis nicht als wichtige Wachstumsbranche betrachtet wird, die prekären Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmer im Fremdenverkehr, die strukturelle Arbeitslosigkeit im Fremdenverkehr, der fehlende Zugang von KMU zu angemessener Finanzierung zur Anpassung an die sich ständig verändernde und entwickelnde Fremdenverkehrsbranche sowie die Innovation in der Branche. Von entscheidender Bedeutung ist, dass die Kommission auf diese Herausforderungen eingeht. Der EWSA hat in mehreren Stellungnahmen betont, wie wichtig es ist, dass diese Herausforderungen in Angriff genommen und Maßnahmen ergriffen werden (1).

2.3

Der Tourismus ist ein bedeutender Wirtschaftszweig, der sich besonders positiv auf das Wirtschaftswachstum, die nachhaltige Entwicklung und die Beschäftigung in Europa auswirkt. Er macht einen wichtigen Teil des Lebens der europäischen Bürger aus.

2.4

Seit 2008 ist die Nachfrage nach Fremdenverkehrsdienstleistungen zurückgegangen. Wenn Europa das weltweit beliebteste Reiseziel bleiben und den Reichtum und die Vielfalt seiner Regionen zum Tragen bringen will, muss es eine gemeinsame Tourismuspolitik konzipieren.

2.5

Wenn die Europäische Kommission wirklich einen neuen Aktionsrahmen für die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit des Tourismus in der EU und seines Potenzials für eine nachhaltige Entwicklung fördern will, sollten ihre Vorschläge nach Einschätzung des EWSA präzisiert werden, wobei zu berücksichtigen ist, dass jedes Land ein Interesse daran hat, sein eigenes Fremdenverkehrsmodell und Tourismuspotenzial zu entwickeln. Angesichts des grenzübergreifenden Charakters der Tourismusindustrie ist die Notwendigkeit eines EU-weiten Rahmens für die Tourismuspolitik klar gegeben, wobei gleichwohl den EU-Mitgliedstaaten absolute Flexibilität für die Gestaltung ihrer eigenen nationalen Politik gelassen werden muss. Es ist anzumerken, dass Ereignisse in einem Teil der EU Auswirkungen auf den Fremdenverkehr in einem anderen Mitgliedstaat haben können.

2.6

So waren beispielsweise die südeuropäischen Länder zwar nicht von der Schließung des europäischen Luftraums wegen der Vulkanaschewolke im Frühjahr 2010 betroffen, erlitten jedoch Einbußen im Fremdenverkehr infolge von Veröffentlichungen, die eine negative Stimmung gegen das Land als Reiseziel schürten.

2.7

Der EWSA vertritt die Auffassung, dass ein politischer Rahmen für den europäischen Tourismus auf einem klaren Rahmen von Rechten und Pflichten der verschiedenen Interessenträger basieren muss, der in der Mitteilung völlig ausgespart wurde und für dessen Festlegung die Überarbeitung der Richtlinie 90/314/EWG vom 13. Juni 1990 von besonderer Bedeutung ist. Diese Überarbeitung wurde ursprünglich für Ende 2010 angekündigt und dann im Arbeitsprogramm der Kommission für 2011 vorgesehen, bislang aber noch nicht durchgeführt, obwohl die Richtlinie völlig überaltert ist und diese Verzögerung die Verbraucher auf besorgniserregende Weise ohne Schutz lässt, ihr Vertrauen untergräbt und die Entwicklung des Tourismus hemmt. Die Überarbeitung ist ein wesentliches Element des Rechtsrahmens, der erforderlich ist, um die im Vertrag festgelegten neuen Befugnisse der EU in diesem Bereich konkret umzusetzen.

3.   Besondere Bemerkungen

3.1

Die Europäische Union muss hier ihren Beitrag leisten und für die Ergreifung entschlossener Maßnahmen eintreten, die das Wachstum beschleunigen und die Voraussetzungen für eine gesteigerte Attraktivität schaffen. Die Ausarbeitung eines gemeinsamen Plans mit konkreten Maßnahmen darf nicht länger durch die Kommission, sondern muss durch eine andere Institution erfolgen, in der alle Akteure des Fremdenverkehrsbereichs, wie etwa die Unternehmerverbände und die Verbände privater im Bereich der Tourismusberufe tätiger Akteure, Gewerkschaften, die Regionen und die nationalen Fremdenverkehrsorganisationen vertreten sind, und zwar nach einem Konzept, das konkrete Maßnahmen beinhaltet und nicht etwa alte Ideen wieder aufgreift. In diesem Zusammenhang könnte die vom EWSA bereits in früheren Stellungnahmen vorgeschlagene Europäische Tourismusagentur eine wichtige Rolle spielen, die die EU-Institutionen unterstützen könnte.

3.2

Grundlegend wichtig ist, dass die Kommission und die übrigen EU-Institutionen den Grundsatz der intelligenten Regulierung durchsetzen und dass alle Legislativvorschläge der EU von einer angemessenen Abschätzung der Folgen der vorgeschlagenen Maßnahmen für die Tourismusindustrie begleitet werden. Der vorgeschlagene Aktionsrahmen für den Tourismus enthält keinerlei Hinweis auf die Notwendigkeit der Durchführung von Folgenabschätzungen vor der Veröffentlichung von Legislativvorschlägen, um so ein ungefähres Bild der möglichen Auswirkungen auf den Sektor zu erhalten. Dies wäre jedoch in einigen Fällen besonders relevant, so etwa bei der vorgeschlagenen Lebensmittelkennzeichnung sowie bei Rechtsvorschriften für Fahrgast- und Verbraucherrechte.

3.3

Der Tourismus darf nicht losgelöst von allen anderen Politikbereichen gesehen werden, sondern ist als Querschnittsbereich zu verstehen, in den die verschiedenen anderen Politikbereiche der EU wie Verkehr, Bildung, Beschäftigung, Forschung und Innovation, Klimawandel, Binnenmarkt, Sicherheit, Verbraucherfragen usw. hineinspielen. Die Fremdenverkehrspolitik liegt damit nicht ausschließlich in der Zuständigkeit der GD Unternehmen, sondern der Tourismus ist eine Branche, die in allen Politikbereichen der EU berücksichtigt werden sollte.

3.4

Die bisherige Förderung und Entwicklung der Fremdenverkehrsdienstleistungen erfolgt in der gesamten EU unkoordiniert und unsystematisch und bringt Probleme für die Reisewilligen mit sich. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch die EU zu reisen ist ein komplexes Unterfangen und erfordert die Abstimmung in Bezug auf Fahrpläne, Züge, Fährschiffe, Omnibusse usw. mit dem Ergebnis, das die Gewährleistung eines sicheren Aufenthalts unmöglich ist.

3.5

Die Tourismusbranche ist einer zunehmenden Konkurrenz der Schwellen- bzw. Entwicklungsländer ausgesetzt, die immer mehr Touristen anziehen. Um in diesem Wettbewerb zu bestehen, muss Europa mit einem nachhaltigen politischen Konzept aufwarten und seine zahlreichen Vorteile ausspielen, wie etwa die Gewährleistung der Sicherheit in Bezug auf:

Gesellschaft und Umwelt

Transport und Verkehr

Aufenthalt in jeglicher Hinsicht

Bank-, Handelsgeschäfte usw.

Gesundheit und Hygienevorschriften

ärztliche Versorgung

polizeiliche Aufsicht und Sicherheit

Zugang zur Infrastruktur für Menschen mit Behinderungen

Betreuung

Qualität

Professionalität und Qualität der direkten und indirekten persönlichen Dienstleistungen

Bürgerrechte.

3.6

Häufig vergessen wir, dass wir als Touristen in der EU Selbstverständlichkeiten vorfinden, wie etwa, dass wir überall Wasser trinken und Essen zu uns nehmen können, ohne uns zu vergiften, dass wir ohne Begleitung auf die Straße gehen und reisen können. Deswegen müssen wir diese einfachen Vorteile betonen, die die EU dem Touristen zu bieten hat. Diese Stärken sind besonders hervorzuheben, weil sie den Touristen das Gefühl der Sicherheit vermitteln, an fast keinem anderen der wichtigsten Reiseziele weltweit geboten werden und außerdem ein Wettbewerbsvorteil bezüglich der Wahl und der Bekanntmachung eines Reiseziels sind.

3.7

Europa muss sein Image auf den Weltmärkten entwickeln und stärken und die Zusammenarbeit mit China, Russland, Indien, Brasilien, Japan, den USA sowie den Ländern des Mittelmeerraums fördern. Hierfür müssen allerdings der Unternehmergeist und die Innovation weiterentwickelt und die Qualität der angebotenen Tourismusprodukte gesteigert werden, sodass unsere Fremdenverkehrsdienstleistungen und -einrichtungen unserer internationalen Konkurrenz gewachsen sind. Die Saisonalität und die starken Nachfrageschwankungen müssen durch eine Verbesserung und Diversifizierung des Fremdenverkehrsdienstleistungsangebots verringert werden. Die EU muss die beruflichen Qualifikationen aller in der Tourismusindustrie tätigen Personen verbessern und durch EU-weit einheitliche und anerkannte berufliche Befähigungszeugnisse unter besonderer Betonung des Lernerfolgs und seiner Zertifizierung sicherstellen. Diese zur Auflage gemachten einheitlichen anerkannten Befähigungsnachweise werden sowohl für die Unternehmen als auch für die Arbeitnehmer in der gesamten EU von Nutzen sein.

3.8

Die derzeitigen Methoden für die Erfassung und Auswertung statistischer Daten sind unzulänglich. Die Schwächen des Datenmaterials führen dazu, dass bei der Konzipierung der Leitlinien halbherzige oder falsche Entscheidungen getroffen werden. Diesbezüglich wird in dem Dokument die Bedeutung der Anhebung der Qualität statistischer Daten und Analysen über den Tourismus hervorgehoben. Die Kommission hält dies für grundlegend wichtig, um zu einer besseren sozioökonomischen Wissensgrundlage im Bereich Tourismus auf europäischer Ebene zu gelangen. Die strukturierte Erfassung statistischer Daten eröffnet nicht nur die Möglichkeit, entsprechende Informationen zu geben und vernünftige Entscheidungen zu treffen, sondern fördert auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und den Meinungs- und Erfahrungsaustausch. Die statistischen Methoden und die dabei gewonnenen Erkenntnisse müssen verbessert werden, wobei die Sammlung der Daten selbstverständlich keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen mit sich bringen darf.

3.9

In mehr als der Hälfte der EU-Mitgliedstaaten gibt es ein Satellitenkonto für den Tourismus, das sich als äußerst wirkungsvoll erwiesen hat. Die Kommission sollte nach Wegen suchen, um die restlichen Mitgliedstaaten zu ermuntern und ihnen dabei behilflich zu sein, diesem Vorbild zu folgen. Dies wird auch dem Zweck eines Benchmarkings genauer Einzelleistungen dienen, was angesichts der derzeit in Europa zu verzeichnenden erheblichen Änderungen bei den Trends und dem Reiseverhalten von ausschlaggebender Bedeutung ist.

3.10

Die Diversifizierung ist das A und O für den europäischen Tourismus. Der vielfältige Erfahrungsschatz in den einzelnen Ländern trägt zur Anziehungskraft Europas als Fremdenverkehrsziel bei. Die Reichhaltigkeit des kulturellen Erbes, der natürlichen Umgebung, der Gastronomie, des Weines und der Geschichte bietet den Touristen in jedem Land der EU unterschiedliche Erfahrungsmöglichkeiten. Die Wahrung dieser Vielfalt ist wichtig und ein bedeutender Marketing-Trumpf, um Europa im Rest der Welt bekannt zu machen.

3.11

Diese Dynamik muss zum Tragen gebracht werden, außerdem muss die Tätigkeit der KMU finanziell unterstützt werden, weil die überwiegende Mehrheit der Fremdenverkehrsunternehmen mittelständische Betriebe sind, die zur Erhaltung des kulturellen Erbes, aber auch zur Entwicklung der lokalen Gemeinwesen beitragen. KMU fangen die primäre Arbeitslosigkeit auf (Wirtschaftsmigranten, Personen ohne Ausbildung) und senken diese erheblich. Sie beschäftigen zudem den Großteil der Arbeitskräfte und bewirken einen Rückgang der sozialen Ausgrenzung. Der Privatsektor muss bei Unterfangen wie etwa dem Tourismus-Marketing und der Beschäftigungsförderung mitwirken und zugleich die Vernetzung von Tourismusunternehmen unterstützen.

3.12

Die Fremdenverkehrspolitik hat einen viele Bereiche erfassenden Querschnittscharakter. Sie beeinflusst insbesondere die Politikbereiche Verkehr (Rechte und Sicherheit von Fahrgästen und Qualität der Verkehrsmittel), öffentliche Beihilfen, Binnenmarkt (Niederlassungsfreiheit und freier Dienstleistungsverkehr im Tourismusbereich, Förderung der Qualität von Dienstleistungen, Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs) sowie Steuerwesen, diesen Bereich allerdings oft negativ (steuerliche Hemmnisse für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes, steuerliche Behandlung von KMU, die im Fremdenverkehr tätig sind, Steuererleichterungen), und muss daher durch eine spezielle Finanzpolitik und entsprechende Verpflichtungen der Fremdenverkehrsunternehmen zur Investition, Förderung und Steigerung der Beschäftigung gestärkt werden.

3.13

Nach Auffassung des EWSA muss eine Regelung zur Verbesserung und Förderung des touristischen Austauschs zwischen Mitgliedstaaten geschaffen werden, die es insbesondere bestimmten Personengruppen wie etwa Jugendlichen (bei besserer Abstimmung der Schulferienzeiten), Senioren, Menschen mit eingeschränkter Mobilität und einkommensschwachen Familien ermöglicht, vor allem in der Nebensaison zu reisen. Die Staaten, deren Volkswirtschaft nicht auf den Fremdenverkehr ausgerichtet ist, sollten jene Staaten, für deren Wirtschaft der Fremdenverkehr eine große Rolle spielt, unterstützen, indem sie bei ihren Bürgern für europäische Reiseziele werben. Die europäischen Fluggesellschaften müssen begreifen, dass sie dem Fremdenverkehr und dem Binnenmarkt keinen Dienst erweisen, wenn für die Bürger in Nordeuropa ein Ticket nach Asien oft billiger ist als ein Ticket nach Südosteuropa.

3.14

Der EWSA ist der Auffassung, dass gemeinsame und innovative Maßnahmen für ältere Menschen und Rentner, deren Anteil an der Bevölkerung im Jahr 2020 Schätzungen zufolge bei 20 % liegen wird, sowie für Menschen mit Behinderungen, mit besonderen Bedürfnissen und eingeschränkter Mobilität, deren Zahl vor kurzem auf 127 Mio. Menschen geschätzt wurde, ergriffen werden müssen, um diese Personen durch Fremdenverkehrsprodukte, die speziell auf diese sozialen Gruppen abgestimmt sind, anzusprechen. Außerdem ist eine spezifische Schulung erforderlich, um den Bedürfnissen dieser sozialen Gruppen gerecht zu werden. Da die Angehörigen dieser Bevölkerungsgruppe ferner oft sowohl über Kaufkraft als auch über kulturelles Interesse und Freizeit verfügen und als Markt ein enormes Potenzial bieten, sollte die EU ein gemeinsames politisches Konzept für diesen Personenkreis fördern, mit dem Ziel, diesen Menschen die Wahrnehmung ihrer Rechte zu erleichtern, damit sie das touristische Angebot frei jeglicher Diskriminierung nutzen können. Diese Bemühungen müssen jedoch auch mit Bemühungen des Privatsektors einhergehen, durch die das Vorhandensein der richtigen Infrastruktur sichergestellt wird, um diesem Markt gerecht zu werden.

3.15

Der EWSA ist der Ansicht, dass die internationale Zusammenarbeit insbesondere auf Märkten, die für die EU wichtig sind, gefördert werden muss. Es müssen die entsprechenden Voraussetzungen für ein unkomplizierteres Verfahren zur Erteilung eines gemeinsamen europäischen Visums geschaffen werden, um mehr Reisende aus Staaten anzuziehen, die nicht dem Schengener Übereinkommen angehören. Die Touristen müssen die Möglichkeit haben, sich innerhalb der EU-Mitgliedstaaten frei zu bewegen - ein Ziel, zu dem die Verordnungen und Richtlinien beitragen müssen.

3.16

Das europäische Fremdenverkehrsprodukt sollte auf der Ebene der Regionen stärker beworben, gefördert und unterstützt werden: Dies betrifft Kulturwege, das zeitgenössische Kulturschaffen, Naturschutzgebiete, den Schutz und die Nutzung traditioneller Bauwerke und Unternehmen, den Wellness- und Gesundheitstourismus, den Kurtourismus, den Bildungstourismus, den wein- und gastronomieorientierten Tourismus, den Geschichts- und Glaubenstourismus, den Agrotourismus, den Tourismus, bei dem das maritime Erbe und das Unterwasserkulturerbe im Mittelpunkt stehen, wobei die kulturellen und kulinarischen Traditionen (traditionelle Restaurants und Unternehmen, die mit der Geschichte der Region verbunden sind) zu bewahren und herauszustellen sind. Es sind nicht immer noch mehr Betten erforderlich, sondern es muss in die Verbesserung der Qualität der Dienstleistungen und Infrastruktur der Einrichtungen investiert werden, wobei neue Angebote wie Kur- und Wellnesszentren usw. als Innovationen gefragt sind. In dem Vorschlag der Kommission wird an keiner Stelle erläutert, wie diese Punkte umzusetzen sind, vor allem mit welchen Prioritäten und nach welchem Plan sie in den einzelnen Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Regionen zu verwirklichen sind, damit eine gemeinsame europäische Fremdenverkehrspolitik entsteht. Es ist auch keine gemeinsame Werbung vorgesehen, obwohl dies nötig wäre.

3.17

Der EWSA spricht sich auch für die Schaffung eines „europäischen Kulturerbe-Siegels“ aus und schlägt zudem die Schaffung eines „europäischen Siegels des gastronomischen Erbes“ vor, sowie parallel dazu eine Bewertung und eine nach einheitlichen Kriterien erfolgende Vergabe von Sternen und Zertifizierung der betreffenden Bewirtungsbetriebe. Dabei sind - analog zu anderen Maßnahmen wie dem „Europäischen Tag des Denkmals“ und dem „Preis der Europäischen Union für kulturelles Erbe“ - die verschiedenen nationalen und europäischen Programme angemessen zu nutzen. Der EWSA schlägt außerdem vor, die Klassifizierung von Hotels mit Hilfe von Sternen und ihre Zertifizierung in der EU zu vereinheitlichen. Der EWSA ersucht die Kommission, das Europäische Tourismusforum als eine Plattform für alle Akteure der Tourismusindustrie, die Verantwortlichen in den Mitgliedstaaten und die lokalen und regionalen Gebietskörperschaften sowie die Sozialpartner zum Austausch und zur Durchführung von Analysen beizubehalten, um eine europäische Tourismusidentität zu fördern, die der Vielfalt und Mannigfaltigkeit Rechnung trägt.

3.18

In dem Rahmen werden auch die Entwicklung eines europäischen „Gütesiegels für Tourismus“ sowie die Schaffung eines „Tourismusgütesiegels“ vorgeschlagen, womit eine Anhebung der Standards in der gesamten Branche gefordert wird, was zu unterstützen ist. Die Vergabe von Gütesiegeln muss jedoch durch geeignete Finanzierungsmechanismen für Tourismusakteure gestützt werden, um diese in die Lage zu versetzen, ihr Produktangebot zu verbessern und in die Aufwertung ihrer Immobilien und Dienstleistungsstandards sowie in die Ausbildung bzw. Schulung ihrer Mitarbeiter zu investieren.

3.19

Die Verknüpfung von Gastronomie, Bewirtung und Tourismus bietet eindeutig alternative Möglichkeiten eines hochwertigen Fremdenverkehrs, da die Touristen das gastronomische Angebot in dem jeweiligen Mitgliedstaat unmittelbar erleben können. Auf diese Weise können sie die Unterschiede zwischen den in Anspruch genommenen Dienstleistungen wahrnehmen. Es gibt immer mehr Touristen in der EU, deren Interesse gastronomisch bestimmt ist. Die Kochkunst dient so der Werbung für europäische Nahrungsmittel und Delikatessen. Es sollten Speisen und Getränke, Rezepte und Weinstraßen oder thematische Routen, die einem bestimmten Lebensmittel gewidmet sind, gefördert werden. Dazu sind koordinierte gemeinsame Anstrengungen zu unterstützen, die alternative Formen des Mehrwerts bieten, durch die die Verknüpfung von Ernährung und Fremdenverkehr gestärkt wird.

3.20

Die Ausbildung der im Fremdenverkehr Beschäftigten bildet zweifellos eine bedeutsame Investition in den europäischen Tourismus, vor allem für KMU. Die Einführung neuer Technologien und neuer Arbeitsmethoden hat dazu geführt, dass Fachkräfte gebraucht werden. Eine wichtige Maßnahme, die die Anpassung an die neuen technischen Bedingungen in der Branche erleichtern wird, ist die Erweiterung der EU-Programme für die berufliche Aus- und Weiterbildung der im Fremdenverkehr Beschäftigten, wie es auch in anderen Branchen der Fall war. Es muss ein gesamteuropäisches Befähigungszeugnis auf der Grundlage einheitlicher „Anforderungen“ in Bezug auf das Lernergebnis entwickelt werden, die (dank entsprechender nationaler oder lokaler Zertifizierungsverfahren) als selbstständige und unabhängige berufliche Qualifikationen verwendet werden können und sich auf die existierenden nationalen Abschlüsse stützen. Verbindliche Voraussetzung für eine Tätigkeit im Fremdenverkehr muss ein berufliches Befähigungszeugnis sein. Der EWSA weist auf die Bedeutung des Kommuniqués von Brügge zu einer verstärkten europäischen Zusammenarbeit in der beruflichen Bildung für die Ausbildung in der Tourismusbranche hin. Stabile und anspruchsvolle Arbeitsverhältnisse werden den Tourismussektor besonders attraktiv machen.

3.21

Bei der Planung der Ausbildungsprogramme und der Entwicklung bestimmter Verhaltensweisen ist zu berücksichtigen, dass die im Fremdenverkehr Beschäftigten Fremdsprachen lernen müssen, wobei kulturelle Besonderheiten stets zu berücksichtigen sind. Entsprechende Ausbildungsnachweise könnten entsprechend den Leitlinien der Kommission und des Cedefop ausgestellt werden. Besonderes Augenmerk ist den Fremdenverkehrsberufen mit unmittelbarem Bezug zum kulturellen Erbe, wie etwa Fremdenführern zu widmen, die ein Befähigungszeugnis und die nachgewiesene Fähigkeit besitzen müssen, die Qualität des kulturellen Erbes darzustellen, eine von den lokalen Behörden ausgestellte Bescheinigung über die Kenntnis der Denkmäler der Region benötigen, in der sie arbeiten wollen, auch wenn dies nur zeitweise der Fall ist, und die Sprache der betreffenden Region und der Personen beherrschen müssen, denen sie Führungen geben sollen, wie dies bis 1975 vom Europäischen Normierungsausschuss CEN (in der Norm EN 13809:2003) geregelt, aber auch in den Richtlinien 1975/368/EG und 1992/51/EG festgelegt wurde. Die betreffende Bescheinigung muss sich auf das gesamte Spektrum der Fremdenverkehrsberufe erstrecken, wie etwa Kellner, Köche, Trainer usw., die mit den Feriengästen in Kontakt kommen.

3.22

Nach Auffassung des EWSA ist die Tatsache gebührend zu berücksichtigen, dass das All-inclusive-Konzept, das inzwischen viele Unternehmen in vielen Mitgliedstaaten verfolgen, letztlich das Gegenteil von dem bewirkt, was eigentlich angestrebt wird. Es ist leider unverkennbar, dass sich die Probleme der KMU in der Nähe von All-Inclusive-Clubs sowie großen Hotelkomplexen verschärfen.

3.23

Der harte Wettbewerb zwischen den großen ausländischen Reiseveranstaltern einerseits und den Hotels, die Pauschalpakete buchen, um ihre Anlagen zu füllen, andererseits hat zu einem Absinken der Qualität der angebotenen Dienstleistungen geführt, was auch als Diffamierung bestimmter touristischer Gebiete im Ausland ausgelegt wird. Die kleinen und mittleren Unternehmen, die diesem Druck ausgesetzt sind, müssen deshalb Preise akzeptieren, die nicht kostendeckend sind, werden vom Markt gedrängt und in den Konkurs getrieben.

3.24

Dies bedeutet aber nicht, dass das System der All-inclusive-Reisen grundsätzlich abzulehnen ist, denn es entspricht möglicherweise den Bedürfnissen eines bestimmten Nachfragesegments. Es muss jedoch - wie auch alle übrigen Fremdenverkehrsprodukte - entsprechend den Rechtsvorschriften und in fairem Wettbewerb mit anderen Angeboten sowie kontrolliert und mit eigenen Mitteln betrieben werden - ohne staatliche Beihilfen. Die Einnahmen aus dem Fremdenverkehr müssen so breit wie möglich verteilt werden, damit sich auch das Umfeld guter Hotels entwickelt. Der Besucher muss entscheiden können, ob er die ihm zur Verfügung stehenden Mittel innerhalb oder außerhalb des Hotels ausgibt. Dennoch ist dies eines der wenigen Marktsegmente, in denen trotz eines Rückgangs im traditionellen Reiseveranstaltergeschäft in den vergangenen Jahren ein Wachstum zu verzeichnen war. Zwar sollten niemals bei der Qualität Abstriche gemacht werden, doch ist es auch wichtig anzuerkennen, dass es ganzen Ferienanlagen gelungen ist, diesen Markt im Laufe der Jahre erfolgreich aufzubauen. Erforderlich ist eine eindeutige Definition des „All-inclusive-Markts“, die ein Qualitätsprodukt widerspiegelt und minderwertige Produkte und Dienstleistungen ausschließt, die unter der Bezeichnung „all inclusive“ verkauft werden.

3.25

Der saisonale Charakter des Fremdenverkehrs, d.h. die erhebliche Konzentration der touristischen Nachfrage auf die Monate Juli und August, beeinträchtigt die Wachstumsmöglichkeiten der Branche und deren Folgen für die Wirtschaft insgesamt. Dies wirkt sich auf die Einkommen aus und führt dazu, dass die vorhandene Infrastruktur und das Personal nicht optimal eingesetzt werden. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit des Personals und der Rentabilität der Infrastruktur in der Nebensaison werden dazu führen, dass die Humanressourcen aktiver und produktiver werden. Eine Koordinierung zur Nutzung der Infrastruktur durch bestimmte soziale Gruppen oder Schulklassen sogar in der Nebensaison wird die touristische Saison erheblich verlängern und sämtliche damit verbundenen Vorteile bringen. Ein wichtiger Beitrag zur Abschwächung des saisonalen Charakters wäre auch eine bessere Verteilung der jährlichen Urlaubszeiten der Angestellten des öffentlichen Dienstes durch Förderung angemessener Anreize. Eine bessere Nutzung der bestehenden touristischen Infrastruktur und des Personals in der Nebensaison könnte es den Unternehmen ermöglichen, ihre Infrastruktur besser auszulasten, ihre Produktivität zu verbessern und gleichzeitig die Fluktuation des Personals zu verringern und dessen Motivation zu erhöhen. Der EWSA begrüßt, dass mit der Initiative CALYPSO ein erster Schritt in diese Richtung getan wurde, und fordert die Kommission und das Europäische Parlament auf, angesichts ihrer sozialen Auswirkungen und des Nutzens für den europäischen Tourismus den Ausbau dieser Initiative insbesondere durch die Bereitstellung entsprechender Haushaltsmittel zu unterstützen.

3.26

Nach Meinung des EWSA hat der Fremdenverkehr sehr stark auch mit Umwelt zu tun und somit allen Grund, sie zu schützen und in den Vordergrund zu stellen. Bei richtiger Planung und Umsetzung einer vernünftigen Fremdenverkehrspolitik zerstört der Tourismus keine Landschaften, verbraucht keine Ressourcen und verändert auch keine natürlichen Prozesse. Der Fremdenverkehr hat ganze Gebiete, die früher keinen guten Ruf hatten, wie etwa die Docklands in London oder das Hafenviertel in Barcelona, aufgewertet und attraktiv gemacht und Millionen Menschen in der EU Arbeit gebracht.

3.27

Langfristig wird die Herausforderung des Klimawandels von der Kommission zu Recht als Auslöser für einen umfassenden Wandel der Geschäftsmodelle für Reisen und Unterbringung herausgestellt. Die einschlägigen Unternehmen haben bereits einen Paradigmenwechsel bei der Art und Weise ausgemacht, wie Tourismusprodukte entwickelt, verpackt und vermarktet werden, bei dem sich die Tourismusindustrie zunehmend auf umweltfreundlichere Verfahren ausrichtet. Auch die Mitgliedstaaten müssen sich mit der Abschätzung der Folgen des Klimawandels für den Tourismus beschäftigen, und es müssen geeignete Anpassungsmaßnahmen ergriffen werden, die den Prognosen für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Wettbewerbsfähigkeit entsprechen.

3.28

Im Rahmen der vorgesehenen Maßnahmen der Kommission zur Differenzierung der Fremdenverkehrsprodukte wird das Potenzial berücksichtigt, das dem Fremdenverkehr als Wirtschaftszweig, der unmittelbar mit dem Menschen und seinen vielfältigen Bedürfnissen zu tun hat, innewohnt. Die Unterstützung alternativer Formen des Fremdenverkehrs durch systematischere Werbung wird automatisch zu einer besseren Nutzung der natürlichen Besonderheiten und der Wettbewerbsvorteile der einzelnen Gebiete führen.

3.29

Die EU muss auch auf Bedenken eingehen, die den sozialen Bereich, den territorialen Zusammenhalt und dessen Schutz betreffen.

3.30

Die Maßnahmen zur umfassenderen Inanspruchnahme von EU-Mitteln für die Entwicklung des Fremdenverkehrs werden das der Branche innewohnende Potenzial wecken. Dabei ist den Gebieten Priorität einzuräumen, die von der Deindustrialisierung betroffen sind und Fremdenverkehrsperspektiven besitzen.

3.31

Von grundlegender Bedeutung ist der Meeres- und Küstentourismus als Katalysator der wirtschaftlichen Entwicklung. Um seine Entwicklung zu fördern, müssen entsprechende Maßnahmen im Rahmen der integrierten EU-Meerespolitik umgesetzt werden. Die wirtschaftliche Diversifikation hin zu mehr Tourismus stellt für viele Küstenregionen eine Priorität dar, da dort der Niedergang wirtschaftlicher, insbesondere mit Fischfang und Schiffsbau, Landwirtschaft und Bergbau verbundener Aktivitäten zu einem Rückgang der Einkommen und einer Zunahme der Arbeitslosigkeit geführt hat. Fremdenverkehrsunternehmen und dabei vor allem Klein- und Kleinstunternehmen sind häufig an den Küsten oder in ähnlichen touristischen Regionen aktiv und prägen dort nicht nur das unternehmerische und soziale Bild, sondern haben auch lange Tradition, die in manchen Ländern der EU über 50 Jahre zurückreicht, und sind somit kulturelles Erbe für die Bewohner dieser Regionen. Deswegen könnten unter Einhaltung der einschlägigen EU-Regelungen und in dem Anliegen der Wahrung des kulturellen Erbes, der Qualität und der Geschichte der einzelnen Regionen, die diese Familienbetriebe hervorgebracht haben, bestimmte Initiativen zur Erhaltung solcher Unternehmen vorgeschlagen werden.

3.32

Die EU sollte die Veröffentlichungen über die Mitgliedstaaten aufmerksam verfolgen, denn sie erzeugen ein negatives Bild, was die Attraktivität für Besucher sowie die Sicherheit für einen eventuellen Reisenden aus einem Drittland betrifft, was sich sehr negativ auf ihr touristisches Image auswirkt. Die EU sollte eigens eine Gruppe für das mediale Krisenmanagement im Bereich des europäischen Fremdenverkehrs einrichten und die Mitgliedstaaten verpflichten, entsprechende nationale Gruppen einzurichten und tätig werden zu lassen.

3.33

Die europäische und die jeweilige nationale Fremdenverkehrspolitik müssen all diesen strukturellen Veränderungen Rechnung tragen: Zum einen muss die strukturbedingte Arbeitslosigkeit aufgefangen werden, zum anderen müssen aber auch die tourismusbezogenen Investitionen möglichst effizient verteilt werden.

Brüssel, den 21. September 2011

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Staffan NILSSON


(1)  ABl. C 32 vom 5.2.2004, S. 1.