11.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/123


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit der EU: die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner“

2011/C 44/20

Berichterstatter: Giuseppe IULIANO

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 16. Juli 2009 gemäß Artikel 29 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

„Finanzierungsinstrument für die Entwicklungszusammenarbeit der EU: die Rolle der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 17. Juni 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 464. Plenartagung am 14./15. Juli 2010 (Sitzung vom 15. Juli) mit 123 Stimmen folgende Stellungnahme:

1.   Empfehlungen und Schlussfolgerungen

Menschenwürdige Arbeit im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit der EU und stärkere Unterstützung für die Sozialpartner

1.1

Das neue Finanzierungsinstrument DCI, dessen Bedeutung für die Unterstützung der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit der EU außer Frage steht, wird vom Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) alles in allem positiv bewertet. Ausgehend von dieser Prämisse empfiehlt der EWSA die institutionelle Stärkung der Kooperationspolitik im Rahmen des neuen Vertrags von Lissabon. Er befürwortet daher die zentrale Rolle und primäre Verantwortung der Kommission für die politische/strategische Planung der Entwicklungszusammenarbeit und bekräftigt seine Unterstützung für die Rolle des Europäischen Parlaments durch die Stärkung des Verfahrens der demokratischen Kontrolle und der Haushaltskontrolle.

1.2

Der EWSA weist auf die Notwendigkeit hin, die konkrete Umsetzung der im Konzept der menschenwürdigen Arbeit (decent work) bekräftigten Ziele immer stärker zu fördern. Er fordert daher die EU-Organe - insbesondere die Kommission und den Rat - auf, die Umsetzung des Konzepts der menschenwürdigen Arbeit in der Entwicklungszusammenarbeit konkret zu unterstützen und dieses Konzept insbesondere in den Aktionsplan zur Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele einzubeziehen.

1.3

Die Sozialpartner (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberorganisationen) sind die Hauptakteure des sozialen Dialogs, der Bestandteil der menschenwürdigen Arbeit ist, und müssen daher auch als die zentralen Akteure und Ansprechpartner der Europäischen Union in diesem Bereich betrachtet werden. Die Sozialpartner müssen uneingeschränkt in den politischen Dialog eingebunden werden und direkte Unterstützung in Anspruch nehmen können.

1.4

Der EWSA unterstreicht die wichtige Rolle, die der Privatsektor bei der Entwicklung spielt. In diesem Zusammenhang verweist der EWSA auf das Konzept der sozialen Verantwortung der Unternehmen, das - basierend auf der Einhaltung grundlegender Arbeits- und Umweltschutzstandards - deren Engagement im Sozial- und Umweltbereich mit dem Ziel einer gerechteren Entwicklung der Länder, in denen sie tätig sind, verdeutlicht.

1.5

Der EWSA empfiehlt, die Planung stärker auf die Einbeziehung der Sozialpartner auch in die Vergabeverfahren für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte auszurichten.

Rolle und Vertretung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner im Rahmen des Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI)

1.6

Der EWSA unterstreicht generell die entscheidende Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen für die Förderung der demokratischen Entwicklung der Bevölkerungen und Staaten, die Unterstützung erhalten, und zwar in voller Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der politischen Ausrichtung der Regierungen. Er fordert daher eine Aufstockung der im Rahmen der thematischen Programme des DCI für die Unterstützung der Zivilgesellschaft und der Sozialpartner bereitgestellten Mittel und spricht sich außerdem für mehr Komplementarität zwischen den thematischen und den geografischen Programmen des Finanzierungsinstruments aus, insbesondere in Bezug auf die Budgethilfe.

1.7

Die im DCI vorgesehenen Instrumente zur Unterstützung der Zivilgesellschaft müssen gestärkt werden, damit diese ihre Rolle auf allen Ebenen wahrnehmen kann: bei der Festlegung der politischen Prioritäten und deren Überwachung sowie bei der Umsetzung von Entwicklungsinitiativen. Der EWSA schlägt daher vor, Modalitäten für die Konsultation und die Durchführung der Programme der Kommission zu prüfen und zu entwickeln, die den besonderen Merkmalen und Erfordernissen der beteiligten Akteure entsprechen (Actor Based Approach).

1.8

Der EWSA erachtet es für notwendig, dass die internationale Dimension der Zivilgesellschaft sowohl auf politischer als auch auf operativer Ebene anerkannt wird. Diese kommt am deutlichsten in denjenigen Organisationen zum Ausdruck, die sowohl in nördlichen als auch in südlichen Ländern über eine Mitgliederbasis verfügen, wie z.B. Sozialpartner, Genossenschaftsbewegung usw. Diese Organisationen, die Einrichtungen aus aller Welt vertreten, müssen bei der Planung der Prioritäten für die EU-Kooperationspolitik offiziell und kontinuierlich konsultiert werden können. Der EWSA könnte sich in dieser Hinsicht als diejenige Institution anbieten, die die Einbindung der zivilgesellschaftlichen Organisationen in den Beschlussfassungsprozess der EU im Bereich Entwicklungszusammenarbeit ermöglicht.

1.9

Der EWSA weist darauf hin, dass die Akteure der Zivilgesellschaft in den Drittländern gestärkt werden müssen, auch durch die direkte Unterstützung der regionalen Netzwerke der Zivilgesellschaft im Süden. Der EWSA schlägt daher vor, Ressourcen für die Unterstützung von Aktivitäten zur Koordinierung und zum Auf- und Ausbau der Kapazitäten der Netzwerke im südlichen Teil der Welt zusammen mit den bereits für die Netzwerke des Nordens bereitgestellten Mitteln unter Ziel 3 des thematischen Programms „Nichtstaatliche Akteure“ des DCI aufzunehmen, damit die weltweite Kohärenz der Politiken und Maßnahmen gewährleistet werden kann.

Steigerung der Effizienz des DCI

1.10

Der EWSA begrüßt die Bemerkungen des Europäischen Rechnungshofs und empfiehlt die Unterstützung der langfristigeren Programme oder „Rahmenvereinbarungen“, die stärker auf strategische Ziele ausgerichtet und für die Organisationen der Zivilgesellschaft bestimmt sind.

1.11

Der EWSA regt außerdem an, die Kriterien für Weitervergabe der Finanzhilfe an Dritte (sub-granting) auszuweiten. Dies würde den auf Rahmenvereinbarungen basierenden Programmen entsprechen, diese ergänzen sowie eine effizientere Verwaltung der verfügbaren Mittel ermöglichen.

1.12

Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit nachhaltigerer Entwicklungsprojekte und schlägt vor:

den Auf- und Ausbau der organisatorischen Kapazitäten der Organisationen des Südens als Querschnittselement in sämtliche Entwicklungsprojekte aufzunehmen;

die Möglichkeit vorheriger Machbarkeitsstudien für die Projekte vorzusehen.

1.13

Der EWSA erachtet es für notwendig, die Phasen der Auswahl, Überwachung und Bewertung der Kooperationsmaßnahmen zu stärken, um so ihre Effizienz zu verbessern. Er unterstreicht insbesondere Folgendes:

es muss eine unmittelbarere Beziehung und ein strategischer Dialog zwischen der Europäischen Kommission und den antragstellenden Organisationen sowohl auf zentraler als auch peripherer Ebene geschaffen werden;

sowohl in strategischer als auch finanzieller Hinsicht muss eine stärkere unmittelbare Beteiligung der für die Programme der Kommission Verantwortlichen an der Umsetzung der Aktionen sowohl auf zentraler als auch peripherer Ebene erreicht werden;

in den EU-Delegationen muss ein Verantwortlicher bestellt werden, der für die Beziehungen zur Zivilgesellschaft zuständig ist.

2.   Instrumente und Programme der Außenhilfe der Europäischen Union

2.1

Im Rahmen der Finanziellen Vorausschau der EU 2007-2013 wurde ein langwieriger Prozess der Umstrukturierung der Finanzierungsprogramme für Außenhilfe der Union eingeleitet. Dieser neue Rahmen umfasst nunmehr geografische Instrumente - IPA (Heranführungsinstrument, das die Kandidatenländer und potenziellen Kandidatenländer umfasst), ENPI (Nachbarschaftsinstrument für die Länder des Kaukasus, Mitteleuropas und des Mittelmeerraums), DCI (Instrument für die Entwicklungszusammenarbeit), ICI (für die Zusammenarbeit mit industrialisierten Ländern) - ebenso wie thematische Instrumente - EIDHR (Demokratie und Menschenrechte) (1), IFS (Stabilitätsinstrument) und INSC (Instrument for Nuclear Safety Cooperation, für die weltweite Verbesserung der Reaktorsicherheit). Für den Einsatz der thematischen Instrumente ist keine Zustimmung der staatlichen Stellen der Drittländer erforderlich.

2.2

Innerhalb dieser Unterteilung dient das DCI speziell der Entwicklungszusammenarbeit (2). Dieses ist wiederum in geografische und thematische Programme untergliedert (3), deren Mittel nach unterschiedlichen Modalitäten vergeben werden, z.B. von Budgethilfe über Zuschüsse und öffentliche Aufträge bis hin zur Unterstützung internationaler Organisationen.

2.3

Es muss darauf hingewiesen werden, dass die Kategorien von Akteuren, die für eine finanzielle Förderung im Rahmen des DCI in Betracht kommen, erheblich erweitert wurden, insbesondere was die Zuschüsse angeht. Von den herkömmlichen Vorstellungen, denen zufolge die in der Entwicklung tätigen NGO als die wichtigsten zivilgesellschaftlichen Akteure bei der Entwicklungszusammenarbeit betracht wurden, wurde zu einer differenzierten Sichtweise übergangen, bei der schließlich die Sozialpartner, insbesondere die Arbeitnehmerorganisationen, als neue Akteure für die Nutzung dieses Instruments in Frage kommen (4).

2.4

Der EWSA hat aufgrund der Halbzeitüberprüfung des DCI und des derzeitigen strukturierten Dialogs (5) die Initiative zu dieser Stellungnahme ergriffen, um Empfehlungen zur Untermauerung der grundlegenden Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen bei der Zusammenarbeit (6) abzugeben und insbesondere den Beitrag der Sozialpartner zur Entwicklung herauszustellen.

3.   Allgemeine Bemerkungen

3.1

Es sind die jüngsten Entwicklungen im Hinblick auf den allgemeinen Rahmen der Europäischen Union sowie die in dem am 1. Dezember 2009 in Kraft getretenen Vertrag von Lissabon vorgesehene Entwicklungszusammenarbeit anzuführen. Institutionelle Neuerungen des Vertrags sind die Ernennung des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Einrichtung des ihm unterstellten Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) (7). Die Delegationen der EU - echte diplomatische Vertretungen - werden künftig als Teil des EAD ebenfalls dem Hohen Vertreter unterstellt. Obgleich im Vertrag die Zuständigkeit für die Entwicklungszusammenarbeit dem für Entwicklung zuständigen Kommissionsmitglied übertragen wird, hat der Hohe Vertreter das Mandat, die Kohärenz und Koordinierung des auswärtigen Handelns der Europäischen Union zu gewährleisten. Nach dem jüngsten Vorschlag der Hohen Vertreterin (8) soll die Ausarbeitung der Programmplanungsdokumente für die wichtigsten (thematischen und geografischen) Instrumente der Entwicklungszusammenarbeit in die Zuständigkeit des EAD fallen (unter der Aufsicht des für Entwicklung zuständigen Kommissionsmitglieds). Hierbei könnte die Gefahr bestehen, dass die Unabhängigkeit der Entwicklungspolitik dahingehend in Frage gestellt wird, dass sie durch die außenpolitischen Ziele der EU und der Mitgliedstaaten beeinflusst und diesen untergeordnet wird. Der EWSA unterstreicht daher die zentrale Rolle und primäre Verantwortung der Kommission für die politische/strategische Planung der Entwicklungszusammenarbeit und bekräftigt seine Unterstützung für die Rolle des Europäischen Parlaments durch die Stärkung des Verfahrens der demokratischen Kontrolle und der Haushaltskontrolle.

3.2

Das neue Finanzierungsinstrument DCI, dessen Bedeutung für die Unterstützung der weltweiten Entwicklungszusammenarbeit der EU außer Frage steht, wird vom EWSA alles in allem positiv bewertet. Er begrüßt überdies, dass die verschiedenen vorher bestehenden Programme jetzt in einer einzigen DCI-Verordnung zusammengefasst wurden, was mehr Transparenz bei der Programmplanung und der Verwaltung der Mittel gewährleistet. Der EWSA vermerkt außerdem die ständig zunehmende Mittelausstattung für diesen Bereich, durch die die Europäische Union zu einem der weltweit größten Geldgeber im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit wird. Positiv bewertet er auch die Aufnahme der Sozialpartner unter die neuen Partner, die für die Förderung im Rahmen des DCI in Frage kommen. Schließlich erkennt der Ausschuss eine starke Übereinstimmung zwischen den thematischen Schwerpunkten des Instruments und den strategischen Prioritäten der Fachgruppe Außenbeziehungen (9).

3.3

Der EWSA möchte jedoch auf einige allgemeine Erfordernisse hinsichtlich der effektiven Umsetzung der Ziele des DCI sowie der Rolle der organisierten Zivilgesellschaft und der Sozialpartner bei der Entwicklungszusammenarbeit unterstreichen.

3.4

Der EWSA weist auf die Notwendigkeit hin, die konkrete Umsetzung der im Konzept der menschenwürdigen Arbeit (decent work) bekräftigten Ziele immer stärker zu fördern. Auf internationaler Ebene wurde die menschenwürdige Arbeit ausdrücklich unter die Millenniums-Entwicklungsziele (MDG) aufgenommen, die von den Vereinten Nationen zur Armutsbekämpfung und somit als Instrument der Entwicklungszusammenarbeit konzipiert wurden. Auf europäischer Ebene wurde die menschenwürdige Arbeit 2006 offiziell in die Entwicklungspolitik aufgenommen (10) und zählt zu den Zielen des DCI. Es gibt jedoch noch Schwierigkeiten bei der Planung/Aushandlung der Zusammenarbeit zwischen der EU und den Drittstaaten zur konkreten Umsetzung der menschenwürdigen Arbeit. Es erscheint daher befremdlich, dass die Europäische Kommission in ihrer jüngsten Mitteilung betreffend das „Frühjahrspaket“ zur Entwicklungszusammenarbeit aus dem Jahr 2010 (11) in keiner Weise auf die menschenwürdige Arbeit eingeht. Der EWSA appelliert daher an die Kommission, den Rat und das Parlament, die menschenwürdige Arbeit wieder - und noch stärker als bisher - in die Entwicklungspolitik und in die praktische Entwicklungszusammenarbeit einzubeziehen.

3.5

Der EWSA erinnert daran, dass die Vereinigungsfreiheit, die Tarifautonomie und der soziale Dialog grundlegende Elemente für die Umsetzung der politischen Maßnahmen zur Unterstützung der menschenwürdigen Arbeit mit Hilfe der Sozialpartner sind. Die Europäische Kommission führt dazu aus, dass nach Auffassung der EU „die Wahrung von sozialen Rechten und Arbeitsnormen zu nachhaltiger und gerechter sozialer und wirtschaftlicher Entwicklung führt“. Folgerichtig heißt es weiter: „[…] wichtige Akteure sind die Sozialpartner (Unternehmen und Gewerkschaften) […]. Gewerkschaften sind in den Partnerländern häufig die Organisationen mit den größten Mitgliedszahlen und überwachen die Einhaltung der internationalen Arbeitsnormen […]“ (12). Auch der Rat der Europäischen Union griff dieses Konzept 2005 in der Erklärung zur Entwicklungspolitik – der Europäische Konsens – auf: „[…] den Wirtschafts- und Sozialpartnern wie den Gewerkschaften […] kommt eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Demokratie, sozialer Gerechtigkeit und Menschenrechten zu“ (13). Der EWSA betont daher, dass die Sozialpartner in diesem Zusammenhang als wichtige Akteure und Ansprechpartner der EU betrachtet werden müssen. Die Sozialpartner müssen voll und ganz in den politischen Dialog eingebunden werden und direkte Unterstützung in Anspruch nehmen können.

3.6

Der EWSA unterstreicht die Bedeutung des nach dem Grundsatz der unternehmerischen Freiheit ausgerichteten Privatsektors für die Entwicklungsdynamik, um eine angemessene Integration der Drittländer in die globale Wirtschaft zu fördern. Der EWSA unterstreicht, dass der Privatsektor über die soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR) für eine gerechte Entwicklung der Länder, in denen die Unternehmen operieren, verantwortlich gemacht werden kann. Die CSR stärkt - aufbauend auf der Einhaltung der grundlegenden Arbeitsnormen und im Rahmen der weltweiten Prioritäten für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung - die sozialen und ökologischen Aspekte der DCI-Maßnahmen.

3.7

Der EWSA empfiehlt, die Planung stärker darauf auszurichten, dass die Sozialpartner auch in die Vergabeverfahren für Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Rechte einbezogen werden. Der EWSA stellt fest, dass sich die Dienstleistungsaufträge häufig auf Themen wie den sozialen Dialog sowie die Arbeits- und Sozialrechte erstrecken. Die derzeitigen Auswahlkriterien (organisatorische und finanzielle Anforderungen an die antragstellenden Organisationen) behindern jedoch häufig eine gerechte und ausgewogene Beteiligung der Sozialpartner, die jedoch als die tatsächlichen Hauptakteure in diesen Bereichen betrachtet werden müssten.

3.8

Auf Seiten der EU festigt sich die Tendenz, einen beträchtlichen Teil der für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stehenden Mittel über die sogenannte Budgethilfe (budget support) (14) zu vergeben. Obwohl dieses Vorgehen auf die begrüßenswerte Absicht zurückgeführt werden kann, den begünstigten Staaten eine maßgeblichere und zugleich verantwortlichere Rolle bei ihren Entwicklungsprozessen zuzuweisen, besteht jedoch die Gefahr, dass dadurch der grundlegende Beitrag der Zivilgesellschaft zur wirksamen demokratischen Entwicklung der unterstützten Völker und Regierungen beschnitten wird (15). Die Stärkung der Unabhängigkeit der Zivilgesellschaft ist Garant für eine nachhaltige Entwicklung und sollte daher ein vorrangiges Ziel der Entwicklungszusammenarbeit sein. Der EWSA unterstreicht deshalb, dass die Mittel für die Unterstützung der Zivilgesellschaft (thematische Programme) (16) aufgestockt werden müssen, um zweierlei zu ermöglichen: eine echte Überwachung der Budgethilfe (17) und die Durchführung ergänzender Maßnahmen, die indes im Rahmen der Zusammenarbeit ausschließlich auf Regierungsebene nicht durchführbar wären (18). Dies trifft auch auf die geografischen Programme zu (19), in die die Unterstützung der Zivilgesellschaft nach Kriterien der Transparenz, der angemessenen Programmplanung und der Festlegung spezifischer Ziele unter Beachtung und Wahrung des Initiativrechts aufgenommen werden muss.

3.9

In diesem Sinne ist die Rolle der Sozialpartner von entscheidender Bedeutung für die thematischen Programme (weitere „nichtstaatliche Akteure“) wie z.B. „in die Menschen investieren“ (das Bereiche wie den sozialen Zusammenhalt, menschliche und soziale Entwicklung, Gleichstellung der Geschlechter und Gesundheit abdeckt), „Migration und Asyl“ (zur Schaffung legaler Zuwanderungsmöglichkeiten für Arbeitsmigranten) oder „Umweltschutz und nachhaltige Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen“ (zur Förderung von Maßnahmen zur Überwachung der ökologischen Nachhaltigkeit mit Hilfe der Zivilgesellschaft in den Entwicklungsländern) sowie „Ernährungssicherheit“. Insbesondere bei dem Thema „Beschäftigung, sozialer Zusammenhalt und menschenwürdige Arbeit“ (20) (im Rahmen des Programms „In die Menschen investieren“) müsste der Rolle der Sozialpartner und des sozialen Dialogs stärker Rechnung getragen werden, und auch die Entwicklung der landwirtschaftlichen Grundlagen müsste explizit unter die Prioritäten des Programms „Ernährungssicherheit“ aufgenommen werden (21).

3.10

Angesichts dieser Zielsetzungen des DCI liegt es auf der Hand, dass globale Strategien für die Durchführung der Entwicklungszusammenarbeit festgelegt werden müssen. Dies gilt auch für die Organisationen der Zivilgesellschaft, insbesondere wenn eine internationale Dimension haben. Die internationale Dimension der Zivilgesellschaft kommt am stärksten in denjenigen Organisationen zum Ausdruck, die sowohl in nördlichen als auch in südlichen Ländern über eine Mitgliederbasis verfügen (z.B. Sozialpartner, Genossenschaftsbewegung usw. (22). Diese Organisationen, die Einrichtungen aus aller Welt vertreten, müssen bei der Planung der politischen Prioritäten für die Zusammenarbeit der EU mit den begünstigten Staaten formell konsultiert werden können. Der EWSA erinnert diesbezüglich an die bestehenden Konsultations- und Beschlussfassungsmechanismen der OECD und des Europarates (23).

3.11

Der EWSA weist darauf hin, dass es wichtig ist, die Akteure der Zivilgesellschaft insbesondere in den Drittländern durch die direkte Unterstützung der regionalen Netzwerke der Zivilgesellschaft im Süden zu stärken. Der EWSA schlägt daher vor, Ressourcen für die Unterstützung von Aktivitäten zur Koordinierung und zum Auf- und Ausbau der Kapazitäten der Netzwerke im südlichen Teil der Welt (zwecks Stärkung ihrer Vertretungskapazität) zusammen mit den bereits für die Netzwerke des Nordens bereitgestellten Mitteln unter Ziel 3 des thematischen Programms „Nichtstaatliche Akteure“ des DCI aufzunehmen. Die Unterstützung der internationalen und regionalen Netzwerke würde zu mehr globaler Kohärenz der Strategien und Maßnahmen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit beitragen.

3.12

Die im DCI vorgesehenen Instrumente zur Unterstützung der Zivilgesellschaft müssen folglich gestärkt werden, damit diese ihre Rolle auf allen Ebenen wahrnehmen kann: bei der Festlegung der politischen Prioritäten und deren Überwachung sowie bei der Umsetzung von Entwicklungsinitiativen. Der EWSA schlägt daher vor, Modalitäten für die Konsultation und die Durchführung der Programme der Kommission zu prüfen und zu entwickeln, die den besonderen Merkmalen und Erfordernissen der beteiligten Akteure entsprechen (Actor Based Approach). Gegenwärtig existiert offensichtlich bei der Zusammenarbeit auf internationaler Ebene eine Vielzahl von Akteuren, die durch spezifische Tätigkeitsfelder, Ziele, Strategien, Organisationsformen und Arbeitsweisen gekennzeichnet sind.

4.   Besondere Bemerkungen

4.1

Der Europäische Rechnungshof ist in einem Bericht neueren Datums (24) zur Beteiligung nichtstaatlicher Akteure auf die Notwendigkeit eingegangen, die Finanzierung langfristigerer Programme oder „Rahmenvereinbarungen“ einzuführen, die stärker auf strategische Ziele ausgerichtet und für die Organisationen der Zivilgesellschaft bestimmt sind. Der EWSA begrüßt und unterstützt diesen Vorschlag.

4.2

Der EWSA regt außerdem an, die Kriterien für die Weitervergabe der Finanzmittel an Dritte (sub-granting) auszuweiten; dies würde den auf Rahmenvereinbarungen basierenden Programmen entsprechen und diese ergänzen, um die Organisationen in der Fläche besser zu erreichen. Außerdem könnte dadurch eine effizientere Verwaltung der seitens der Europäischen Kommission verfügbaren Mittel gewährleistet und eine Fragmentierung der Initiativen vermieden werden.

4.3

Der EWSA unterstreicht die Notwendigkeit nachhaltigerer Entwicklungsprojekte und schlägt vor,

den Auf- und Ausbau der organisatorischen Kapazitäten der Organisationen des Südens (somit ohne Beschränkung auf die Kapazitäten für die Abwicklung von Projekttätigkeiten) als Querschnittsthema in sämtliche Entwicklungsprojekte aufzunehmen;

die Möglichkeit von Durchführbarkeitsstudien für die Projekte vorzusehen. In dem Bericht des Rechnungshofs wird unterstrichen, dass die Aufnahme der Projekttätigkeiten im Allgemeinen durch die unzureichenden Analysen der örtlichen Erfordernisse verzögert wird (25). Die Vorfinanzierung solcher Analysen würde dazu beitragen, dass Projekte gleich von Anfang an durchführbar sind (26).

4.4

Der EWSA erachtet es für notwendig, die Phasen der Auswahl, Überwachung und Bewertung der Kooperationsmaßnahmen zu stärken, um so ihre Effizienz zu verbessern. Er unterstreicht insbesondere folgende Punkte:

das derzeitige Verfahren für die Projektauswahl, bei dem es aus bürokratischen Gründen sehr häufig nicht möglich ist, den am besten geeigneten Vorschlag auszuwählen, muss überprüft werden; es erscheint daher notwendig, bei den durchzuführenden Maßnahmen mittels eines Partnerschaftsmodells eine unmittelbarere Beziehung und einen strategischen Dialog zwischen der Europäischen Union und den antragstellenden Organisationen sowohl auf zentraler als auch peripherer Ebene zu schaffen;

sowohl in strategischer als auch finanzieller Hinsicht muss eine stärkere unmittelbare Beteiligung der für die Programme der Kommission Verantwortlichen an der Umsetzung der Aktionen erreicht werden; dies würde eine wirksamere Überwachung der Ergebnisse ermöglichen, da dadurch die Beziehung zwischen dem Geldgeber und dem Begünstigten und in der Schlussphase eine echte Folgenabschätzung der Projekte sowohl auf zentraler als auch peripherer Ebene erleichtert wird;

in allen EU-Delegationen muss ein Verantwortlicher bestellt werden, der für die Beziehungen zur Zivilgesellschaft zuständig ist. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon sind die Delegationen zu echten diplomatischen Vertretungen der EU geworden. Wie oben ausgeführt wurde, werden die Delegationen überdies Teil des EAD sein und immer enger mit den Vertretungen der einzelnen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten müssen. Deshalb erscheint es unverzichtbar, dass die institutionelle Position des Ansprechpartners für die Zivilgesellschaft innerhalb der Delegationen gestärkt wird.

Brüssel, den 15. Juli 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Siehe Stellungnahme des EWSA „Europäisches Instrument für Demokratie und Menschenrechte (EIDHR)“, REX/263, 2009.

(2)  Der Finanzrahmen des DCI für den Zeitraum 2007 umfasst 16 897 Mrd. EUR: http://www.developmentportal.eu/wcm/subsite/snv1v2/content/view/53/81/. Unter den Kooperationsinstrumenten ist auch der Europäische Entwicklungsfonds (EES) für die Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks zu nennen, der jedoch nicht Teil des EU-Haushalts ist. Der 10. EES umfasst Mittel in Höhe von 22 682 Mio. EUR und gilt für den Zeitraum 2008-2013: http://europa.eu/legislation_summaries/development/overseas_countries_territories/r12102_de.htm.

(3)  Geografische Programme: Lateinamerika, Asien, Mittelasien, Naher und Mittlerer Osten und Südafrika. Thematische Programme: Ernährungssicherheit, Investitionen in die Menschen, Migration und Asyl, nichtstaatliche Akteure und lokale Behörden, Umwelt und natürliche Ressourcen. Siehe http://ec.europa.eu/europeaid/infopoint/publications/europeaid/153a_en.htm. Ebenfalls für den Zeitraum 2007-2013 sind die Mittel wie folgt aufgeteilt: 10,57 Mrd. EU für die geografischen (60 %) und 5,596 Mrd. EUR (33 %) für die thematischen Programme.

(4)  Siehe Verordnung (EG) Nr. 1905/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Schaffung eines Finanzierungsinstruments für die Entwicklungszusammenarbeit, ABl. L 379 vom 27.12.2006.

(5)  Der Strukturierte Dialog zur Einbeziehung der Zivilgesellschaft und der lokalen Behörden in die Entwicklungszusammenarbeit wurde von der Europäischen Kommission 2009 initiiert, um über deren Rolle im Bereich der Zusammenarbeit zu diskutieren. Der Dialog hat zwar keinen Verhandlungscharakter, soll jedoch zu den vorgenannten Themen gemeinsame Beratungen ermöglichen, bei denen neben der Zivilgesellschaft auch die EU-Mitgliedstaaten und das Europäische Parlament vertreten sind. Siehe http://ec.europa.eu/europeaid/who/partners/civil-society/structured-dialogue_en.htm.

(6)  Diesbezüglich weist der EWSA darauf hin, dass die Organisationen der Zivilgesellschaft im Anschluss an das Forum in Accra im Jahr 2008 gemäß Artikel 20 der Accra Agenda for Action zusammen mit den Regierungen und den internationalen Organisationen voll als eigenständige Akteure der Entwicklung – „independent development actors in their own right“ – anerkannt wurden; siehe http://siteresources.worldbank.org/ACCRAEXT/Resources/4700790-1217425866038/AAA-4-SEPTEMBER-FINAL-16h00.pdf.

(7)  Das Personal des EAD wird aus den entsprechenden Abteilungen des Generalsekretariats des Rates und der Kommission sowie aus den nationalen diplomatischen Diensten der Mitgliedstaaten rekrutiert. Der EAD ist ein eigenständiger, sowohl von der Kommission als auch vom Rat unabhängiger Dienst. Siehe http://eeas.europa.eu/background/index_en.htm.

(8)  Artikel 8, http://register.consilium.europa.eu/pdf/de/10/st08/st08029.de10.pdf.

(9)  Der Begleitausschuss AKP/EU des EWSA ist für die Beziehungen zu diesen Ländern zuständig. Siehe Verzeichnis der EWSA-Stellungnahmen zum Europäischen Entwicklungsfonds (EEF).

(10)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen „Menschenwürdige Arbeit für alle fördern“ (KOM(2006) 249 endg.).

(11)  Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: „Zwölfpunkte-Aktionsplan der EU zur Verwirklichung der Millenniumsentwicklungsziele“ (KOM(2010) 159 endg.).

(12)  Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament „Die Rolle der Europäischen Union bei der Förderung der Menschenrechte und der Demokratisierung in Drittländern“ (KOM(2001) 252 endg.).

(13)  ABl. C 46 vom 24.2.2006, S. 1, Ziffer 18.

(14)  Die Budgethilfe sieht die unmittelbare Zuteilung von Finanzmitteln seitens der EU an den an den begünstigten Staat über die zwischengeschalteten Finanzinstitute vor. Die Budgethilfe kann allgemein zur Unterstützung einer nationalen Entwicklungsstrategie gewährt werden oder als sektorspezifische Hilfe, wenn sie auf spezifische Themen wie Gesundheit, Bildung o.ä. ausgerichtet ist. Siehe http://ec.europa.eu/europeaid/how/delivering-aid/budget-support/index_en.htm.

(15)  Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Die Rolle der Zivilgesellschaft im Rahmen der neuen europäischen Strategie für den westlichen Balkan“, ABl. C 80 vom 30.3.2004.

(16)  Die Durchführung der thematischen Programme bedarf im Unterschied zu den geografischen Programmen nicht der Zustimmung des begünstigten Staats.

(17)  Hierbei ist die grundlegende Rolle zu bedenken, die die Organisationen der Zivilgesellschaft bei der Überwachung und Kontrolle der für die Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Mittel spielen können, um Korruption zu bekämpfen.

(18)  EuropeAid führt gegenwärtig entsprechende Studien durch, siehe „Engaging non state actors in new aid modalities“ unter https://webgate.ec.europa.eu/fpfis/mwikis/aidco/index.php/Structured_dialogue#WG2:_T1:_New_aid_modalities_and_CSOs_and_LAs_challenges_and_opportunities.3F sowie „Complementarity of EC financial instruments in the field of human rights and democracy“, Infovermerk, aidco.e.4 (2009)338553, 29.10.2009.

(19)  Bislang scheint der größte Teil der Finanzhilfe im Rahmen der geografischen Programme über die „Budgethilfe“ zugeteilt worden zu sein, während die Unterstützung für die Zivilgesellschaft auf lokaler Ebene vernachlässigt wurde. Es muss daran erinnert werden, dass für die geografischen Programme die Zustimmung des begünstigten Staats erforderlich ist.

(20)  Es ist anzumerken, dass die für dieses Thema bereitgestellten Finanzmittel nur 21 % der Gesamtunterstützung für das Programm „In die Menschen investieren“ im Zeitraum 2007-2013 entsprechen. Siehe „Mid-term review of Strategy Paper for Thematic Programme (2007 – 2013)“.

(21)  EWSA – Stellungnahme Mario CAMPLI: REX/273 2009 „Handel und Ernährungssicherheit“.

(22)  Die Sozialpartner (Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände) sind sowohl auf europäischer als auch internationaler Ebene organisiert. Auf europäischer Ebene: BusinessEurope für die Arbeitgeber und Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB) für die Arbeitnehmer. Auf internationaler Ebene: Internationaler Arbeitgeberverband (IOE) und Internationaler Gewerkschaftsbund (CSI). Auch die Genossenschaftsbewegung ist auf europäischer und internationaler Ebene organisiert: Cooperatives Europe und International Co-operatives Alliance. Hinzu kommen schließlich auch noch all diejenigen Organisationen, Genossenschaften und Hilfsvereine auf Gegenseitigkeit, die gemäß der auf der ILO-Konferenz vom 19.-21. Oktober in Johannesburg festgelegten Definition die „Sozialwirtschaft“ bilden („The Social Economy – Africa’s response to the Global Crisis“).

(23)  Siehe die Rolle des Gewerkschaftlichen Beratungsausschusses bzw. des Jugendforums.

(24)  „Verwaltung der Einbeziehung nichtstaatlicher Akteure in die Entwicklungszusammenarbeit der Gemeinschaft durch die Kommission“, Sonderbericht Nr. 4/2009.

(25)  Ebd. S. 23, Ziffer 41.

(26)  Für die Finanzierung derartiger Untersuchungen könnte ein revolvierender Fonds eingerichtet werden, über den die Kommission den entsprechenden Betrag vorfinanziert, der anschließend, wenn das betreffende Projekt ausgewählt wird, von der Gesamtsumme der Projektkosten abgezogen wird.