11.2.2011   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 44/162


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX)“

KOM(2010) 61 endg. — 2010/0039 (COD)

2011/C 44/28

Berichterstatter: Antonello PEZZINI

Der Rat beschloss am 18. März 2010, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 304 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) um Stellungnahme zu folgender Vorlage zu ersuchen:

„Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union (FRONTEX)“

KOM(2010) 61 endg. — 2010/0039 (COD).

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 16. Juni 2010 an.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 464. Plenartagung am 14./15. Juli (Sitzung vom 15. Juli 2010) mit 78 gegen 1 Stimme bei 1 Stimmenthaltung folgende Stellungnahme.

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1   Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss begrüßt und unterstützt die Arbeit der Kommission zur Anpassung und Aktualisierung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004.

1.2   Gemäß dem Übereinkommen von Schengen über die Freizügigkeit in Europa liegt es im Ermessen der Mitgliedstaaten, nach Abschaffen der Kontrollen an den Binnengrenzen zu entscheiden, wer für die Kontrolle der Außengrenzen zuständig ist.

1.2.1   Im Zuge der EU-Erweiterung und der allmählichen Ausweitung des Schengen-Raums auf nahezu alle Mitgliedstaaten wurde jedoch festgestellt, dass in Anbetracht der Unterschiedlichkeit der einzelstaatlichen Rechtssysteme die Zuständigkeiten für die Kontrolle der Außengrenzen der Union in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich verteilt sind.

1.3   Infolgedessen haben sich die Mitgliedstaaten zum Abschluss der Tagung des Europäischen Rates im Dezember 2001 in Laeken verpflichtet, einen gemeinsamen Mechanismus für Absprachen und operative Zusammenarbeit zu schaffen, um die Tätigkeit der für die Kontrolle der Außengrenzen zuständigen nationalen Dienststellen zu koordinieren.

1.3.1   Diese Verpflichtung wurde umso dringlicher, als die grenzüberschreitende Kommunikation deutlich zunahm, wodurch die Vervielfachung von Identitäten und die Entstehung neuer Nationalstaaten gefördert wurden.

1.4   Die Europäische Kommission verfolgt hinsichtlich der „Sicherheit“ der Grenzen und der Bekämpfung der „illegalen Einwanderung“ einen Gesamtansatz und schlägt daher vor, FRONTEX-Unterstützungsteams einzurichten, die die Mitgliedstaaten auf freiwilliger Basis zur Verfügung stellen.

1.4.1   Aus diesem Grund sollte, unter Wahrung des „Schengener Grenzkodex“ und der Zuständigkeiten der nationalen Behörden sowie im Hinblick auf die Entwicklung einer gemeinsamen Politik auf dem Gebiet der ortsfesten und der mobilen Infrastruktur, den genannten Grenzschutzkorps die Aufgabe übertragen werden, die „Überwachung“ und später die integrale „Kontrolle“ an den Grenzübergangsstellen zu gewährleisten.

1.4.2   Damit muss die Befugnis einhergehen, Ausweispapiere zu kontrollieren, Ausländer gemäß den Vorgaben der Mitgliedstaaten über ihre Aufenthaltsgründe zu befragen und Schiffe zu betreten, die sich in den Hoheitsgewässern eines Mitgliedstaats befinden (1).

1.4.3   Nach Auffassung des EWSA müssen für die Grenzschutzkorps die erforderlichen finanziellen Mittel und Transportmittel (Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber) bereitgestellt werden. Die für FRONTEX-Operationen genutzten Güter müssen gekennzeichnet sein und allen EU-Mitgliedstaaten bekannt gegeben werden.

1.5   Gleichwohl muss über die Gefahr einer „Militarisierung“ der Überwachungs- und Kontrolltätigkeiten an den Außengrenzen nachgedacht werden. Deshalb müssen mögliche „Überschneidungen“ mit kriminalpolizeilichen, militärischen und zollrechtlichen Aufgaben, die die einzelnen Mitgliedstaaten ihrer eigenen Polizei, den Zollbehörden sowie ihren Boden-, See- und Luftstreitkräften übertragen, koordiniert werden, damit ihre Kontrollmöglichkeiten nicht eingeschränkt, sondern verbessert werden (europäischer Zusatznutzen).

1.5.1   Darüber hinaus bleiben völkerrechtliche Fragen im Zusammenhang mit Einsätzen auf hoher See, auch im Lichte des 1982 in Montego Bay unterzeichneten UN-Seerechtsübereinkommens, noch „offen“ (2).

1.6   Mit der Annahme des Vertrags von Lissabon, in den unter anderem die Charta der Grundrechte aufgenommen wurde, haben die Aufgaben und Zuständigkeiten der Union im Bereich Asyl und Einwanderung erheblich zugenommen. Der EWSA ist der Auffassung, dass die Rechte bezüglich der Verhaftung und Sicherungsverwahrung beim allgemeinen klassischen Schutz der Menschenrechte verbleiben müssen und nicht irgendwelchen „Sonderbestimmungen“ zugeordnet werden dürfen. FRONTEX als Agentur darf nicht von einem externen Dienst oder über bloße Haushaltsvorschriften kontrolliert werden, sondern muss - insbesondere durch die Anwendung der Strafvorschriften des Europarats (3) - weiterhin den Anforderungen der Achtung der Menschen entsprechen, die überall in der Europäischen Union gelten.

1.7   In dem Bewusstsein um die gesellschaftliche und rechtliche Tradition Europas im Menschen- und Asylrechtsbereich empfiehlt der Ausschuss, den Mitgliedern der Grenzschutzkorps eine klare und solide Grundausbildung in Psychologie und in Verhaltensfragen zu vermitteln sowie deren ständige Fortbildung und eine regelmäßige Supervision sicherzustellen; dies ermöglicht einen besseren Umgang mit Menschen, die schutzbedürftig sind und soziales Wohlergehen anstreben, wie es Jahrhunderte lang auch viele Bürger europäischer Länder taten.

1.7.1   Diese Korps sollten nach Auffassung des EWSA einen Status nicht als Grenzpolizei, sondern als operationelle Einrichtung erhalten, deren Tätigkeit in der Umsetzung des Schengener Grenzkodex besteht.

1.7.2   Kernauftrag des Systems FRONTEX müsste es sein, internationale Kriminelle aufzuspüren und der Justiz zuzuführen, die Menschenhandel treiben und Menschen, die von dem legitimen Wunsch nach Wohlergehen und Freiheit von sozialer Knechtschaft getrieben werden, zu Opfern von demütigender und erniedrigender Ausbeutung machen.

1.7.3   Die Frontex-Korps sollten darüber hinaus mit Hilfe des GMS-Systems aktiv zur Rettung von in Seenot geratenen Bootsflüchtlingen im Mittelmeerbecken gemäß den Vorgaben der Mitgliedstaaten beitragen.

1.7.4   In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen regt der Ausschuss einen ständigen Kontakt und eine enge Zusammenarbeit mit den NRO an.

1.7.5   Eingedenk der Rolle und Aufgaben der NRO hält der Ausschuss deren Einbeziehung für unverzichtbar, um in allen Phasen der gemäß den europäischen und einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Verfahren Menschen, die sich in einer prekären Situation befinden, zu unterstützen und kulturvermittelnd zu wirken.

2.   Einleitung

2.1   Grenzen „stellen“ zwei Staaten oder geografische Gebiete „gegenüber“ und trennen sie entlang von Grenzlinien, die die gegenseitigen Beziehungen zwischen den Völkern einschränken.

2.1.1   Natürliche Grenzen (Gebirge, Flüsse, Wasserflächen) sind Ursache ständiger Rivalitäten zwischen den Menschen auf beiden Seiten.

2.1.2   Auch politische oder vereinbarte Grenzen sind das Ergebnis von Kämpfen und Kompromissen, die sich durch das Auf und Ab der Geschichte ziehen.

2.1.3   Im Zeitalter der Globalisierung vergrößert die deutliche Zunahme der internationalen Kommunikation tendenziell die Pluralität der Identitäten und erhöht mit der Entstehung neuer Nationalstaaten und „Nationen“ auf regionaler Ebene die Zahl souveräner Nationen.

2.1.4   Infolgedessen entstehen mehr Schranken und „Unantastbarkeiten“ der einzelnen Staaten, deren fragile Grenzen Quelle potentieller und realer Konflikte sind.

2.2   Die europäischen Staaten bilden im weltweiten Rahmen eine bedeutende Ausnahme, weil sie mit dem Übereinkommen von Schengen die Kontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft haben, wodurch ein Bedeutungsverlust nationalstaatlicher Souveränität einherging.

2.2.1   Der gegenwärtige enorme Migrationsdruck, der auf den Land- und Seegrenzen der EU lastet, macht es jedoch erforderlich, neue gemeinsame Systeme für die Überwachung der Außengrenzen weiterzuentwickeln und auszubauen (EUROSUR).

2.3   EUROSUR

2.3.1   Die EU prüft gegenwärtig die Schaffung eines Europäischen Grenzüberwachungssystems.

2.3.2   Mit der Verwirklichung dieses Vorhabens sollen die Zahl der illegalen Einwanderer verringert, die Todesrate illegaler Einwanderer auf ihrem Weg nach Europa gesenkt, die grenzüberschreitende Kriminalität eingedämmt und die innere Sicherheit erhöht werden.

2.3.3   Demzufolge ist der Aufbau eines integrierten Europäischen Grenzverwaltungssystems vorgesehen, das sich auf ein gemeinsames Netz von Melde- und Überwachungssystemen stützt.

2.3.4   Geplant ist der Aufbau „eines gesicherten computergestützten Kommunikationsnetzes“, damit sowohl zwischen den nationalen Zentren als auch mit der Agentur FRONTEX Daten ausgetauscht und die jeweiligen Tätigkeiten koordiniert werden können (4).

2.4   Schritte auf dem Weg zu FRONTEX

2.4.1   Mit der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 wurde die Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der EU errichtet.

2.4.2   Danach wurde mittels der Verordnung (EG) Nr. 863/2007 ein Mechanismus zur Bildung von „Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke“ (RABIT) eingeführt und die Verordnung (EG) 2007/2004 hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten geändert.

2.4.3   Demnach kann ein Mitgliedstaat die Entsendung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke aus besonders ausgebildeten Experten anderer Mitgliedstaaten in sein eigenes Hoheitsgebiet anfordern (5).

2.5   Die Richtlinie 2008/115/EG enthält gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger „im Einklang mit den Grundrechten […], einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind“.

2.5.1   Nach der Annahme des Handbuchs für die Bearbeitung von Visumanträgen (6), das allen Konsularbediensteten der Mitgliedstaaten zur Verfügung gestellt wird, tritt am 5. April 2010 im Schengen-Raum, dem 22 EU-Mitgliedstaaten und drei assoziierte Staaten angehören, der Visakodex der Gemeinschaft in Kraft.

2.5.2   Gemäß dem Haager Programm (7) soll die Grenzschutzagentur FRONTEX nach einem genauen Plan errichtet werden.

2.5.3   Im Stockholmer Mehrjahrsprogramm für einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, das der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 10./11. Dezember 2009 angenommen hat, wird die Stärkung der FRONTEX-Agentur, unter anderem durch eine Überarbeitung ihres Rechtsrahmens, beschlossen sowie insbesondere das integrierte Grenzmanagement für die Außengrenzen der Union vorgesehen.

3.   Zum Inhalt des Kommissionsvorschlags

3.1   Die Europäische Kommission schlägt eine Überarbeitung des Rechtsrahmens für die FRONTEX-Agentur mit folgenden Kernpunkten vor:

Im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip (Artikel 74 des Vertrags) bleiben die Mitgliedstaaten mit ihren Polizeibehörden und Nachrichtendiensten für die Kontrolle ihrer Außengrenzen verantwortlich.

Die Mitgliedstaaten können die Agentur um Unterstützung in Form einer Koordinierung ersuchen, wenn andere Mitgliedstaaten beteiligt sind und eine verstärkte technische und operative Unterstützung an den Grenzen erforderlich ist.

Angesichts des gegenwärtigen massiven Zustroms von Drittstaatsangehörigen, die illegal in das Gebiet der Mitgliedstaaten einzureisen versuchen, ist es erforderlich, die Rolle von FRONTEX im Rahmen der EU-Einwanderungspolitik zu stärken.

Die dem Vorschlag beigefügte Folgenabschätzung (8) sieht Ausnahmen bezüglich des Rechtsrahmens von FRONTEX vor und bettet die Änderung der Verordnung in eine Weiterentwicklung des Schengen-Besitzstands zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung ein.

Gemäß dem Änderungsvorschlag soll die Koordinierung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten verstärkt werden, wobei stärker harmonisierte Kriterien und Verfahren zu befolgen sind, um ein einheitlicheres und höheres Niveau des Überwachungsmanagements zu gewährleisten.

Die technische Ausrüstung und das Personal müssen aufgestockt werden. Zu diesem Zweck wird ein Pool aus Grenzschutzbeamten gebildet, dem hochqualifizierte und geschulte Experten angehören.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1   Bei allen FRONTEX-Aktionen ist die strikte Einhaltung des Grundsatzes der Nichtabschiebung zu gewährleisten, der im Genfer Abkommen, im UN-Übereinkommen gegen „Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe“ und in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist.

4.2   FRONTEX-Einsätze müssen unter dem Blickwinkel der uneingeschränkten Erhaltung des menschlichen Lebens und des Schutzes von Frauen, Kindern und besonders gefährdeter Personen durchgeführt werden. Dabei gilt es, eine „Auslagerung“ der Grenzkontrollen in Länder, die das Asylrecht und das Genfer Abkommen nicht anerkennen (9), zu vermeiden (10).

4.3   FRONTEX müsste vor allem folgende Aufgaben erfüllen:

Verfolgung und Ausschaltung internationaler krimineller Banden, die Menschenhandel betreiben;

Verwirklichung des Asylrechts gemäß den Vorgaben des EU-Vertrags für Personen, die Opfer von Unrecht sind;

Hilfeleistung für Migranten in Not, auch wenn sie sich in internationalen Gewässern befinden.

4.4   Der EWSA unterstützt den Verordnungsvorschlag, soweit er vorsieht, dass die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Zuständigkeiten der Agentur mit anderen Mitgliedstaaten und/oder Drittländern an den Außengrenzen „weiterhin“ auf operativer Ebene zusammenarbeiten können und diese Zusammenarbeit die Tätigkeit der Agentur unter Wahrung der Menschenrechte und im Einklang mit der christlich-sozialen und der rechtlichen Tradition der Union „ergänzt“.

4.5   Im Hinblick auf die bestmögliche Umsetzung dieser Zusammenarbeit sollte FRONTEX nach Ansicht des EWSA mit den erforderlichen Ressourcen (Schiffe, Flugzeuge und Hubschrauber) ausgestattet werden. Die für FRONTEX-Operationen vorgesehenen Maßnahmen müssen gekennzeichnet sein und allen EU-Mitgliedstaaten bekannt gegeben werden und angesichts der Auswirkungen auf den Haushalt sollte FRONTEX in der Lage sein, durch eine Koordinierung mit allen einzelstaatlichen Diensten, die bereits über die Ressourcen verfügen, deren Nutzung zu steigern.

4.6   Die Möglichkeit der Finanzierung und Umsetzung von Projekten zur technischen Unterstützung in Drittstaaten durch FRONTEX sowie der Einsatz von Verbindungsbeamten können vom EWSA unterstützt werden, sofern in die Projekte und Unterstützung auch NRO eingebunden werden, die über langjährige und umfangreiche Erfahrungen in den Bereichen Entwicklungshilfe und Ausbildung sowie Schutz der Menschenwürde verfügen.

4.7   FRONTEX sollte sich des neuen Schengener Informationssystems der zweiten Generation (SIS II) bedienen, sobald es zur Verfügung steht (11).

4.8   Eine spürbare Hilfe bei der Rettung von Bootsflüchtlingen, die im Mittelmeer in Seenot geraten, könnte FRONTEX durch die Verwendung der Daten des Systems der Globalen Umwelt- und Sicherheitsüberwachung GMES der Station Neustrelitz (12) erhalten.

4.9   Die Koordinierungsaufgaben, die FRONTEX bei der Durchführung gemeinsamer Rückführungsaktionen übernehmen soll, müssen nach Auffassung des Ausschusses ebenfalls in enger Zusammenarbeit mit Menschenrechts-NRO wahrgenommen werden, deren Sensibilität im Umgang mit Menschen in schwierigen oder schutzlosen Situationen anerkannt ist und die darin langjährige Erfahrungen besitzen.

4.10   Nach Auffassung des EWSA darf FRONTEX nur ein begrenztes Mandat zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Bekämpfung krimineller Netze erteilt werden, die an der Einschleusung von Migranten beteiligt sind, wobei dies stets in enger Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden geschehen muss.

5.   Besondere Bemerkungen

5.1   Nach Ansicht des EWSA stehen die vorgeschlagenen Änderungen im Einklang mit der Zielsetzung, die Rolle und die Aufgaben von FRONTEX zu stärken, um die Kontrolle der EU-Außengrenzen zu verbessern und zugleich die Freiheit und die innere Sicherheit der Mitgliedstaaten zu gewährleisten.

5.2   Gleichwohl sind von der Sache her die folgenden Punkte hervorzuheben.

5.2.1   Erwägungsgrund (10): Die Rechtsverbindlichkeit könnte erhöht werden, wenn der Begriff „zu gewährleisten“ durch den Begriff „sicherzustellen“ ersetzt würde.

5.2.2   Erwägungsgrund (13): Das Wort „Register“ sollte durch die Formulierung „zweckentsprechendes Register“ ersetzt werden, die besser geeignet ist, die Pflicht zu einem strengen Ressourcenmanagement festzuschreiben.

5.2.3   Erwägungsgrund (14): Die Formulierung „eine angemessene Zahl von qualifizierten Grenzschutzbeamten“ sollte durch die Adjektive „geschulten und spezialisierten“ ergänzt werden.

5.2.4   Erwägungsgrund (15): Die Formulierung „zeitlich befristet“ erscheint zu vage und sollte daher durch einen anderen, präziseren Wortlaut ersetzt werden.

5.2.5   Erwägungsgrund (23): Es sollten strikte Grenzen für die Möglichkeit der Agentur festgelegt werden, „Projekte zur technischen Unterstützung aufzulegen und zu finanzieren“.

5.3   Artikel 1a Buchstabe a) Ziffer 2: Die Formulierung „angrenzend an dessen Hoheitsgebiet“ müsste klarer gefasst werden, hauptsächlich um etwaige unberechtigte Eingriffe in die nationale Souveränität zu vermeiden.

5.3.1   Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c): Die der Agentur übertragene Aufgabe der „Durchführung von Risikoanalysen“ sollte sich auch auf die „Kosten“ erstrecken, die bei der Bewältigung des Drucks auf die Außengrenzen der am stärksten exponierten Mitgliedstaaten anfallen. Es erscheint nur gerecht, dass alle Mitgliedstaaten der Union und nicht nur die „Grenzstaaten“ diese Last schultern.

5.3.1.1   Die Vorschrift müsste entsprechend mit den Bestimmungen von Artikel 4 abgestimmt werden.

5.3.2   Artikel 2 Absatz 1 iii Buchstabe h): Es sollte präzisiert werden, dass der Agentur nur ein „begrenztes Mandat“ zur Verarbeitung personenbezogener Daten im Zusammenhang mit der Bekämpfung krimineller Netze, die an der Einschleusung von Migranten beteiligt sind, erteilt werden kann. Darüber hinaus müsste die Klausel mit den Bestimmungen der Artikel 11, 11a und 11b in Einklang gebracht werden.

5.3.3   Artikel 14 Absatz 1: Es sollte klargestellt werden, mit welchen Maßnahmen die Agentur die operative Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten „erleichtert“.

5.3.4   Artikel 14 Absatz 2: Es sollte genauer angegeben werden, unter welchen Voraussetzungen die Agentur Verbindungsbeamte, die als Beobachter und/oder Berater abgestellt werden, in Drittstaaten entsandt werden können, nämlich dass diese Beamten nur in Drittstaaten entsandt werden können, „deren Grenzverwaltungsmethoden Mindestmenschenrechtsstandards genügen“; es sollte hinzugefügt werden, dass diese Drittstaaten auch die verbindlichen internationalen Übereinkommen über Menschenrechte, Asylrecht und internationalen Schutz formal übernommen haben müssen.

Brüssel, den 15. Juli 2010

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  Nach Maßgabe von Artikel 77 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) können FRONTEX-Beamte Aufgaben im Auftrag der Grenzschutzstellen der Mitgliedstaaten wahrnehmen, also unter Wahrung von deren Souveranität.

(2)  Abgesehen von den Kontroversen mit anderen Mitgliedstaaten über die korrekte Anwendung der Rechtsvorschriften betreffend die Aufnahme und das Abschiebeverbot haben die italienischen Gerichte nun Beamte und Militärangehörige wegen Nötigung angeklagt, weil sie im August 2009 75 in internationalen Gewässern abgefangene illegale Einwanderer nach Libyen abgeschoben hatten. Die italienische Regierung schloss sich den Auffassungen der Staatsanwaltschaft Syrakus nicht an, während nach Ansicht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen diese Rückführungen „die Möglichkeit“ der Migranten „gefährdet haben, in Italien das Asylrecht in Anspruch zu nehmen“.

(3)  Die Mitgliedstaaten haben nun mit der Ratifizierung des Protokolls Nr. 14 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, seines Artikels 17 und des Vertrags von Lissabon den Weg für den Beitritt der Europäischen Union zu dieser Konvention zum Schutze der Menschenrechte freigemacht; umso mehr muss auch FRONTEX nun diesen Weg beschreiten.

(4)  Das IT-Netz wird später mit der Entscheidung der Kommission vom 20. Januar 2006 zur Durchführung der Entscheidung 2005/267/EG des Rates zur Einrichtung eines sicheren web-gestützten Informations- und Koordinierungsnetzes für die Migrationsbehörden der Mitgliedstaaten (ICONET) abgestimmt, insbesondere im Hinblick auf den raschen Austausch von Informationen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung.

(5)  Diese Aufgaben hängen eng mit denen des Europäischen Polizeiamts (EUROPOL) zusammen, das 1992 mit dem Ziel gegründet wurde, auf europäischer Ebene kriminalpolizeiliche Erkenntnisse zu gewinnen und auszutauschen. In diesen Rahmen fügt sich auch das Schengener Informationssystem (SIS) ein, das den zuständigen Behörden der Schengen-Mitgliedstaaten den Austausch von „Daten“ über bestimmte Personengruppen und Arten von Gegenständen ermöglicht.

(6)  Annahme durch die Kommission am 19.3.2010.

(7)  ABl. C 53 vom 3.3.2005, S. 1.

(8)  SEK(2010) 149.

(9)  z. B. Libyen

(10)  Die Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6.12.2008 (die im Dezember 2010 in Kraft treten wird) enthält gemeinsame Normen und Verfahren, die in den Mitgliedstaaten bei der Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger „im Einklang mit den Grundrechten […], einschließlich der Verpflichtung zum Schutz von Flüchtlingen und zur Achtung der Menschenrechte, anzuwenden sind“.

(11)  SIS II – Schengener Informationssystem, zweite Generation, das bis zum 31.12.2011 in Betrieb genommen werden soll (Coelho-Bericht der Europäischen Parlaments).

(12)  Die Station Neustrelitz in Deutschland wird für Europa und den Mittelmeerraum die Planung und Erhebung von Daten höchster Auflösung durch die Bebachtungssatelliten Geo, Eye-II und Ikonos sicherstellen.