5.8.2010   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

CE 212/82


Donnerstag, 7. Mai 2009
Auswirkungen des Vertrags von Lissabon auf die Entwicklung des institutionellen Gleichgewichts der Europäischen Union

P6_TA(2009)0387

Entschließung des Europäischen Parlaments vom 7. Mai 2009 zu der Auswirkungen des Vertrags von Lissabon auf die Entwicklung des institutionellen Gleichgewichts der Europäschen Union (2008/2073(INI))

2010/C 212 E/12

Das Europäische Parlament,

unter Hinweis auf den Beschluss der Konferenz der Präsidenten vom 6. März 2008,

unter Hinweis auf den am 13. Dezember 2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,

unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zum Vertrag von Lissabon (1),

unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 11./12. Dezember 2008,

gestützt auf Artikel 45 seiner Geschäftsordnung,

in Kenntnis des Berichts des Ausschusses für konstitutionelle Fragen sowie der Stellungnahme des Entwicklungsausschusses (A6-0142/2009),

A.

in der Erwägung, dass der Vertrag von Lissabon das institutionelle Gleichgewicht der Union insofern stärkt, als er die Schlüsselfunktionen jedes der politischen Organe stärkt und damit ihre jeweilige Aufgabe innerhalb eines institutionellen Rahmens aufwertet, bei dem die Zusammenarbeit zwischen den Organen ein Schlüsselelement für den Erfolg des Integrationsprozesses der Union ist,

B.

in der Erwägung, dass mit dem Vertrag von Lissabon die frühere „Gemeinschaftsmethode“ durch ihre Anpassung und Verstärkung in eine „Unionsmethode“ umgewandelt wird, deren charakteristische Merkmale im Wesentlichen Folgende sind:

der Europäische Rat legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten fest,

die Kommission fördert das allgemeine Interesse der Union und ergreift zu diesem Zweck angemessene Initiativen,

das Europäische Parlament und der Rat werden auf der Grundlage der Vorschläge der Kommission gemeinsam als Gesetzgeber tätig und üben die Haushaltsbefugnis aus,

C.

in der Erwägung, dass diese spezifische Methode der Beschlussfassung durch die Union mit dem Vertrag von Lissabon auf neue Bereiche ihrer Gesetzgebungs- und Haushaltstätigkeit ausgeweitet wird,

D.

in der Erwägung, dass im Vertrag von Lissabon vorgesehen ist, dass der Europäische Rat einstimmig und mit Zustimmung des Europäischen Parlaments Abstimmungen mit qualifizierter Mehrheit und das ordentliche Gesetzgebungsverfahren ausweiten kann, wodurch die Unionsmethode verstärkt wird,

E.

in der Erwägung, dass das Ziel des Vertrags von Lissabon zwar darin besteht, die Kohärenz des Vorsitzes des Europäischen Rates und des Rates zu vereinfachen und zu verbessern, dass jedoch die Koexistenz eines getrennten Vorsitzes des Europäischen Rates und des Rates der Außenminister (sowie der Eurogruppe) zusammen mit der Fortführung eines rotierenden Systems für die Vorsitze der übrigen Zusammensetzungen des Rates die Tätigkeit der Union zumindest in der ersten Phase wahrscheinlich komplizierter gestalten wird,

F.

in der Erwägung, dass gemäß dem Grundsatz der Geschlechtergleichheit auch beim Ernennungsverfahren für die wichtigsten politischen Ämter der Union auf eine ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern im öffentlichen Leben zu achten ist,

G.

unter Hinweis darauf, dass das neue Verfahren für die Wahl des Präsidenten der Kommission eine Prüfung der Ergebnisse der Wahlen und angemessene Konsultationen zwischen Vertretern des Europäischen Rates und des Europäischen Parlaments erforderlich macht, ehe der Europäische Rat seinen Kandidaten vorschlägt,

H.

in der Erwägung, dass die organisatorische Gestaltung der interinstitutionellen Zusammenarbeit beim Beschlussfassungsprozess der Schlüssel für den Erfolg des Handelns der Union sein wird,

I.

in der Erwägung, dass im Vertrag von Lissabon die zunehmende Bedeutung einer strategischen mehrjährigen und operationellen jährlichen Planung für die Gewährleistung eines reibungslosen Verhältnisses zwischen den Organen und die effiziente Durchführung der Beschlussfassungsverfahren anerkannt wird, und unter nachdrücklichem Hinweis auf die Rolle der Kommission als Initiatorin der wichtigsten Planungstätigkeiten,

J.

in der Erwägung, dass die gegenwärtige, auf sieben Jahre angelegte Finanzplanung bedeutet, dass das Europäische Parlament und die Kommission im Verlauf einer vollen Wahlperiode von Zeit zu Zeit während ihres Mandats keine grundlegenden politischen Finanzbeschlüsse zu fassen haben werden, so dass sie sich in einem Rahmen eingeschlossen finden, der von ihren Vorgängern festgelegt worden ist und der bis zum Ende ihres Mandats dauern wird, ein Problem, das man jedoch dadurch lösen könnte, dass die im Vertrag von Lissabon eingeräumte Möglichkeit einer auf fünf Jahre angelegten Finanzplanung verwirklicht wird, die mit der Wahlperiode des Parlaments und der Amtszeit der Kommission zusammenfallen könnte,

K.

unter Hinweis darauf, dass mit dem Vertrag von Lissabon ein neuer und umfassender Ansatz für das auswärtige Handeln der Union eingeführt wird – wenn auch mit spezifischen Mechanismen für die Beschlussfassung in Fragen, die sich auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) beziehen – und gleichzeitig mit einer „Doppelfunktion“ ausgestattete Amt des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) geschaffen wird, der von einem besonderen Auswärtigen Dienst als dem Schlüsselelement unterstützt wird, das diesen neuen und integrierten Ansatz operationell macht,

L.

unter Hinweis darauf, dass mit dem Vertrag von Lissabon ein neues System der Außenvertretung der Union eingeführt wird, mit der – auf verschiedenen Ebenen – im Wesentlichen der Präsident des Europäischen Rates, der Präsident der Kommission und der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) betraut werden und die eine sorgfältige Gliederung und strikte Koordinierung zwischen den verschiedenen für diese Vertretung verantwortlichen Parteien erforderlich machen wird, um schädliche Zuständigkeitskonflikte und verschwenderische Doppelarbeiten zu vermeiden,

M.

in der Erwägung, dass der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 11./12. Dezember 2008 übereingekommen ist, dass er – sofern der Vertrag von Lissabon bis Ende 2009 in Kraft tritt – die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten wird, um die derzeitige Zusammensetzung der Kommission, das heißt ein Kommissionsmitglied pro Mitgliedstaat, beizubehalten,

Allgemeine Bewertung

1.

begrüßt die im Vertrag von Lissabon enthaltenen institutionellen Neuerungen, die die Voraussetzungen für ein erneuertes und verstärktes institutionelles Gleichgewicht innerhalb der Union schaffen und ihren Organen ein effizienteres, offeneres und demokratischeres Funktionieren ermöglichen und die Union befähigen, bessere Ergebnisse zu erbringen, die näher an den Erwartungen ihrer Bürger liegen, und ihre Rolle als globaler Akteur auf internationaler Ebene uneingeschränkt wahrzunehmen;

2.

unterstreicht, dass der wesentliche Kern der Aufgaben jedes Organs verstärkt wird, so dass jedes von ihnen seine Rolle auf effizientere Weise entfalten kann, gibt jedoch warnend zu bedenken, dass der neue institutionelle Rahmen erfordert, dass jedes Organ seine Aufgabe in ständiger Zusammenarbeit mit den übrigen Organen wahrnimmt, um positive Ergebnisse für die Union insgesamt zu erzielen;

Verstärkung der spezifischen „Unionsmethode“ der Beschlussfassung als Grundlage des interinstitutionellen Gleichgewichts

3.

begrüßt die Tatsache, dass die wesentlichen Elemente der „Gemeinschaftsmethode“ – das Initiativrecht der Kommission und die gemeinsame Beschlussfassung durch das Europäische Parlament und den Rat – mit dem Vertrag von Lissabon insofern gewahrt und verstärkt worden sind, als:

der Europäische Rat zu einem Organ wird, dessen spezifische Funktion, Impulse zu geben und Zielvorstellungen für die Union festzulegen, verstärkt wird, womit seine strategischen Zielvorgaben und Prioritäten so festgelegt werden, dass nicht in die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Gesetzgebungs- und Haushaltsbefugnisse der Union eingegriffen wird;

die Kommission in ihrer Rolle als „Motor“ bestätigt wird, der das europäische Handeln voranbringt, womit gewährleistet wird, dass ihr Monopol der Gesetzgebunginitiative – insbesondere im Haushaltsverfahren – unberührt bleibt (und sogar gestärkt wird);

die Befugnisse des Europäischen Parlaments als Teil der Gesetzgebungsbehörde gestärkt werden, da das ordentliche Gesetzgebungsverfahren (wie das gegenwärtige Mitentscheidungsverfahren künftig heißen wird) zur allgemeinen Regel wird (sofern in den Verträgen nicht spezifiziert wird, dass ein besonderes Gesetzgebungsverfahren Anwendung finden soll) und auf fast sämtliche Bereiche der europäischen Gesetzgebung einschließlich des Bereichs Justiz und Inneres ausgeweitet wird;

die Rolle des Rates als des anderen Gesetzgebungsorgans bekräftigt und gewahrt wird, wenn auch mit einem gewissen Vorrang in einigen wenigen wichtigen Bereichen, was insbesondere auf die im Vertrag von Lissabon vorgenommene Klärung zurückzuführen ist, dass der Europäische Rat nicht gesetzgeberisch tätig werden wird;

das neue Haushaltsverfahren sich ebenfalls auf einen Prozess der gemeinsamen und gleichberechtigten Beschlussfassung durch das Europäische Parlament und den Rat stützen und sämtliche Arten von Ausgaben abdecken wird und das Europäische Parlament und der Rat ebenfalls gemeinsam über den mehrjährigen Finanzrahmen – in beiden Fällen auf Initiative der Kommission – beschließen werden;

die Unterscheidung zwischen Gesetzgebungsakten und delegierten Rechtsakten und die Anerkennung der spezifischen Exekutivfunktion der Kommission unter der gleichberechtigten Kontrolle der beiden Gesetzgebungsorgane die Qualität der europäischen Gesetzgebung erhöhen werden und das Europäische Parlament bei der Übertragung von Befugnissen auf die Kommission und bei der Kontrolle in Bezug auf delegierte Rechtsakte eine neue Rolle spielen wird;

in Bezug auf die Befugnis der Union zum Abschluss von Verträgen die Rolle der Kommission – in enger Absprache mit dem Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) – anerkannt wird, was die Fähigkeit betrifft, Verhandlungen zu führen, und für den Abschluss beinahe aller internationaler Abkommen durch den Rat die Zustimmung des Europäischen Parlaments erforderlich sein wird;

4.

begrüßt die Tatsache, dass der Vertrag von Lissabon vorsieht, dass der Europäische Rat, sofern sich kein nationales Parlament dagegen ausspricht, einstimmig und mit Zustimmung des Europäischen Parlaments die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und das ordentliche Gesetzgebungsverfahren auf Bereiche ausweiten kann, in denen sie noch keine Anwendung finden;

5.

unterstreicht, dass diese „Brückenklauseln“ insgesamt eine konkrete Tendenz hin zur weitest möglichen Anwendung der „Unionsmethode“ erkennen lassen, und fordert dementsprechend den Europäischen Rat auf, von diesen vom Vertrag gebotenen Möglichkeiten den größtmöglichen Gebrauch zu machen;

6.

vertritt die Auffassung, dass die uneingeschränkte Inanspruchnahme aller mit dem Vertrag von Lissabon eingeführten institutionellen und verfahrensspezifischen Neuerungen eine eingehende und ständige Zusammenarbeit zwischen den Organen erfordert, die an den verschiedenen Verfahren mitwirken, wobei sie die im Vertrag vorgesehenen neuen Mechanismen – insbesondere die interinstitutionellen Vereinbarungen – uneingeschränkt nutzen müssen;

Das Europäische Parlament

7.

begrüßt entschieden die Tatsache, dass das Europäische Parlament im Vertrag von Lissabon uneingeschränkt als einer der beiden Teile der Gesetzgebungs- und Haushaltsbehörde der Union anerkannt wird, während seine Rolle bei der Annahme vieler politischer Beschlüsse, die für das Leben das Union von Bedeutung sind, ebenfalls anerkannt wird und seine politische Kontrollfunktion verstärkt und sogar – wenn auch in einem geringeren Ausmaß – auf den Bereich der GASP ausgeweitet wird;

8.

unterstreicht, dass diese Anerkennung der Rolle des Europäischen Parlaments die uneingeschränkte Zusammenarbeit der übrigen Organe erforderlich macht, insbesondere was die rechtzeitige Übermittlung aller für die Wahrnehmung seiner Aufgaben erforderlichen Dokumente an das Parlament gleichberechtigt mit dem Rat betrifft, sowie seinen Zugang zu und seine Mitwirkung in wichtigen Arbeitsgruppen und Sitzungen, die in anderen Organen abgehalten werden, gleichberechtigt mit den übrigen Teilnehmern am Beschlussfassungsverfahren; fordert die drei Organe auf, den Abschluss von interinstitutionellen Vereinbarungen ins Auge zu fassen, in denen die bewährten Praktiken in diesen Bereichen strukturiert erfasst werden, um ihre gegenseitige Zusammenarbeit zu optimieren;

9.

ist der Auffassung, dass das Europäische Parlament selbst die notwendigen internen Reformen zur Anpassung seiner Strukturen, seiner Verfahren und seiner Arbeitsmethoden an die neuen Zuständigkeiten und die verstärkten Erfordernisse der Planung und interinstitutionellen Zusammenarbeit, die aus dem Vertrag von Lissabon erwachsen, durchführen muss (2); nimmt mit Interesse die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe zur Parlamentsreform zur Kenntnis und erinnert daran, dass sein zuständiger Ausschuss kürzlich an der Reform seiner Geschäftsordnung zwecks Anpassung an den Vertrag von Lissabon gearbeitet hat (3);

10.

begrüßt die Tatsache, dass mit dem Vertrag von Lissabon das Initativrecht betreffend die Revision der Verträge auf das Europäische Parlament ausgeweitet und anerkannt wird, dass das Parlament das Recht auf Teilnahme am Konvent hat und seine Zustimmung für den Fall erforderlich ist, dass der Europäische Rat die Auffassung vertritt, dass kein Grund dafür vorliegt, den Konvent einzuberufen; ist der Auffassung, dass diese Anerkennung ein Argument für die Anerkennung eines Rechts des Europäischen Parlaments auf uneingeschränkte Teilnahme an der Regierungskonferenz zu vergleichbaren Bedingungen zu denen der Kommission darstellt; ist der Auffassung, dass eine interinstitutionelle Regelung, bei der man auf den Erfahrungen mit den beiden vorangegangenen Regierungskonferenzen aufbaut, in Zukunft die Leitlinien für die organisatorische Durchführung von Regierungskonferenzen abstecken könnte, insbesondere was die Teilnahme des Europäischen Parlaments und Fragen der Transparenz betrifft;

11.

nimmt die Übergangsregelung betreffend die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments zur Kenntnis; ist der Auffassung, dass die Umsetzung dieser Regelung eine Änderung des Primärrechts erfordert; fordert die Mitgliedstaaten auf, in ihrem innerstaatlichen Recht alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um im Juni 2009 eine frühzeitige Wahl der 18 zusätzlichen Mitglieder des Europäischen Parlaments zu ermöglichen, so dass diese ab dem Tag des Inkrafttretens des Vertrags von Lissabon als Beobachter an den Sitzungen des Europäischen Parlaments teilnehmen können; erinnert jedoch daran, dass die zusätzlichen Mitglieder erst zu einem vereinbarten Zeitpunkt und gleichzeitig ihre vollen Befugnisse erlangen werden, nachdem alle Verfahren zur Ratifizierung der Änderung des Primärrechts abgeschlossen sind; erinnert den Rat daran, dass der Vertrag von Lissabon dem Europäischen Parlament bedeutende Initiativ- und Zustimmungsrechte in Bezug auf die Zusammensetzung des Parlaments einräumt (Artikel 14 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union), von denen es umfassend Gebrauch machen will;

Die Rolle des Europäischen Rates

12.

ist der Auffassung, dass die formelle Anerkennung des Europäischen Rates als eigenständiges Organ mit spezifischen, in den Verträgen eindeutig festgelegten Kompetenzen eine Neuausrichtung der Rolle des Europäischen Rates auf die grundlegende Aufgabe erforderlich macht, die notwendigen politischen Impulse zu geben und die allgemeinen Leitlinien und Zielvorgaben für die Tätigkeit der Europäischen Union festzulegen;

13.

begrüßt ebenfalls, dass im Vertrag von Lissabon die wichtige Rolle des Europäischen Rates hinsichtlich der Revision der Verträge sowie bestimmter Beschlüsse von grundlegender Bedeutung für das politische Leben der Union spezifiziert wird (Angelegenheiten wie die Ernennungen in die wichtigsten politischen Ämter, die Überwindung von politischen Blockaden in verschiedenen Beschlussfassungsverfahren und der Einsatz von Flexibilitätsmechanismen), die vom Europäischen Rat oder unter seiner Mitwirkung angenommen werden;

14.

ist zudem der Auffassung, dass in Anbetracht der Einbeziehung des Europäischen Rates in die institutionelle Architektur der EU seine Pflichten, einschließlich einer möglichen rechtlichen Kontrolle seiner Handlungen, insbesondere im Lichte des Artikels 265 AEUV klarer und genauer definiert werden sollten;

15.

unterstreicht die besondere Führungsrolle, die der Europäische Rat im Bereich des auswärtigen Handelns übernehmen soll, insbesondere was die GASP betrifft, bei der seine Aufgaben, die strategischen Interessen zu ermitteln, die Zielvorgaben zu bestimmen und die allgemeinen Leitlinien dieser Politik abzustecken, von wesentlicher Bedeutung sind; unterstreicht in diesem Kontext die Notwendigkeit einer engen Einbeziehung des Rates, des Präsidenten der Kommission und des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) in die Vorbereitung der Arbeit des Europäischen Rates auf diesem Gebiet;

16.

ist der Auffassung, dass die Notwendigkeit, die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Parlament und dem Europäischen Rat zu verbessern, ein Argument dafür ist, die Voraussetzungen zu optimieren, unter denen der Präsident des Europäischen Parlaments an den Debatten im Europäischen Rat teilnimmt, wobei diese Frage möglicherweise in einer politischen Vereinbarung über die Beziehungen zwischen den beiden Organen geregelt werden könnte; ist der Ansicht, dass es nützlich wäre, wenn der Europäische Rat diese Voraussetzungen ebenfalls in seiner Geschäftsordnung formell festschreiben würde;

Der feste Vorsitz des Europäischen Rates

17.

begrüßt die Einführung eines festen langfristigen Vorsitzes des Europäischen Rates, der dabei helfen wird, eine größere Kontinuität, Effizienz und Kohärenz der Arbeit dieses Organs und damit des Handelns der Union zu gewährleisten; hebt hervor, dass die Ernennung des Präsidenten des Europäischen Rates so bald wie möglich nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erfolgen sollte, um den Gleichlauf zwischen der Wahlperiode des neu gewählten Parlaments und der Amtszeit der neuen Kommission beizubehalten;

18.

unterstreicht die wesentliche Rolle, die der Präsident des Europäischen Rates im institutionellen Leben der Union haben wird, nicht als Präsident der Europäischen Union – was er nicht sein wird –, sondern als Vorsitzender des Europäischen Rates, der die Aufgabe hat, dessen Arbeit voranzubringen, die Vorbereitung und Kontinuität seiner Arbeit sicherzustellen, den Konsens unter seinen Mitgliedern zu fördern, dem Europäischen Parlament Bericht zu erstatten und auf seiner Ebene und unbeschadet der Aufgaben des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) die Union im Hinblick auf die GASP nach außen zu vertreten;

19.

verweist darauf, dass die Vorbereitung der Tagungen des Europäischen Rates und die Kontinuität seiner Tätigkeit vom Präsidenten des Europäischen Rates in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Kommission und auf der Grundlage der Arbeit des Rates Allgemeine Angelegenheit zu gewährleisten sind, was gegenseitige Kontakte und eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Vorsitz des Rates Allgemeine Angelegenheiten erfordert;

20.

ist in diesem Kontext der Auffassung, dass ein ausgewogenes und vom Geist der Zusammenarbeit geprägtes Verhältnis zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten der Kommission, dem rotierenden Vorsitz und – soweit es um die Außenvertretung der Union in Fragen der GASP geht – dem Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) wichtig ist;

21.

verweist darauf, dass im Vertrag von Lissabon zwar vorgesehen ist, dass der Europäische Rat vom Generalsekretariat des Rates unterstützt wird, dass die spezifischen Ausgaben des Europäischen Rates jedoch in einem getrennten Teil des Haushaltsplans ausgewiesen werden und spezifische Mittelzuweisungen für den Präsidenten des Europäischen Rates enthalten müssen, der von seinem eigenen Kabinett unterstützt werden muss, das in einem vernünftigen Rahmen eingerichtet werden sollte;

Rat

22.

begrüßt die Schritte, die im Vertrag von Lissabon in Richtung auf die Berücksichtigung der Rolle des Rates als zweitem Teil der Gesetzgebungs- und Haushaltsbehörde der Union ergriffen wurden, der – wenn auch immer noch mit einem gewissen Übergewicht in bestimmten Bereichen – den Großteil der Beschlussfassung mit dem Europäischen Parlament teilt, und zwar innerhalb eines institutionellen Systems, welches sich schrittweise nach dem Modell eines parlamentarischen Zweikammersystems entwickelt hat;

23.

unterstreicht die wesentliche Rolle, die dem Rat Allgemeine Angelegenheiten – und damit seinem Präsidenten – im Vertrag von Lissabon übertragen wird mit dem Ziel, die Kohärenz und Kontinuität der Arbeit der verschiedenen Zusammensetzungen des Rates sowie die Vorbereitung und Kontinuität der Arbeit des Europäischen Rates (in Zusammenarbeit mit seinem Präsidenten und dem Präsidenten der Kommission) zu gewährleisten;

24.

betont die besondere Rolle des Rates bei der Vorbereitung, Festlegung und Durchführung der GASP; fordert eine verstärkte Koordinierung zwischen dem Präsidenten des Rates Allgemeine Angelegenheiten und dem Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) als dem Vorsitzenden des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ sowie zwischen ihnen und dem Präsidenten des Europäischen Rates;

25.

bekundet seine Überzeugung, dass die im Vertrag von Lissabon vorgesehene Trennung zwischen der Funktion des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ und der des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ eine unterschiedliche Zusammensetzung dieser beiden Formationen des Rates erfordert, vor allem deshalb, weil das weiter gefasste Konzept der Außenbeziehungen der Union, wie es in den durch den Vertrag von Lissabon geänderten Verträgen vorgesehen ist, es zunehmend schwieriger machen wird, über kumulative Mandate in beiden Zusammensetzungen des Rates zu verfügen; hält es deshalb für wünschenswert, dass sich die Außenminister in erster Linie auf die Tätigkeiten des Rates Außenbeziehungen konzentrieren;

26.

hält es in diesem Kontext möglicherweise für notwendig, dass der Staats- bzw. Regierungschef des Mitgliedstaates, der den Vorsitz des Rates inne hat, persönlich den Vorsitz im Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ führt und die angemessene Funktionsfähigkeit dieses Gremiums sicherstellt, das für die Koordinierung der verschiedenen Zusammensetzungen des Rates sowie für die Vermittlung bei den Prioritäten und die Beilegung von Konflikten, mit denen derzeit allzu schnell der Europäische Rat befasst wird, verantwortlich ist;

27.

erkennt die großen Probleme in Bezug auf die Koordinierung zwischen den verschiedenen Zusammensetzungen des Rates aufgrund des neuen Systems der Vorsitze an und unterstreicht – mit Blick auf die Vermeidung dieser Risiken – die Bedeutung der „neuen“ festen 18-monatigen „Troikas“ (Gruppen von drei Vorsitzen), die die Vorsitze der verschiedenen Zusammensetzungen des Rates (neben dem Rat Außenbeziehungen und der Eurogruppe) und des AStV gemeinsam wahrnehmen, um die Kohärenz, Konsistenz und Kontinuität der Arbeit des Rates insgesamt sicherzustellen und die interinstitutionelle Zusammenarbeit zu gewährleisten, die für den ordnungsgemäßen Ablauf der Gesetzgebungs- und Haushaltsverfahren in gemeinsamer Beschlussfassung mit dem Europäischen Parlament erforderlich ist;

28.

hält es für wichtig, dass die Troikas eine intensive und dauerhafte Zusammenarbeit während der gesamten Dauer ihres gemeinsamen Mandats entwickeln; unterstreicht die Bedeutung des gemeinsamen operativen Programms jeder 18-monatigen Troika für die Funktionsfähigkeit der Union, wie in Ziffer 51 der vorliegenden Entschließung im Detail ausgeführt wird; fordert die Troikas auf, dem Parlament in einer Plenarsitzung zu Beginn ihres gemeinsamen Mandats ihr gemeinsames operatives Programm vorzustellen, das insbesondere ihre Vorschläge für den zeitlichen Ablauf der legislativen Beratungen enthält;

29.

vertritt die Auffassung, dass der Regierungschef/Staatschef des Mitgliedstaates, der den Vorsitz des Rates übernimmt, eine grundlegende Funktion zu erfüllen haben wird, um den Zusammenhalt der gesamten Gruppe von Vorsitzen und die Kohärenz der Arbeit der verschiedenen Zusammensetzungen des Rates sicherzustellen und außerdem für die notwendige Koordinierung mit dem Europäischen Rat zu sorgen, insbesondere in Bezug auf die Vorbereitung und die Kontinuität seiner Arbeit;

30.

betont ebenfalls, dass der Regierungschef/Staatschef, der den rotierenden Vorsitz des Rates übernimmt, der privilegierte Ansprechpartner des Europäischen Parlaments im Hinblick auf die Tätigkeiten des Vorsitzes sein muss; ist der Auffassung, dass er eingeladen werden sollte, in einer Plenarsitzung des Parlaments zu sprechen, um ihm das jeweilige Tätigkeitsprogramm des Vorsitzes vorzustellen und Bericht über die während ihrer sechsmonatigen Amtszeit verzeichneten Entwicklungen und Ergebnisse zu erstatten und andere wichtige politische Fragen, die sich während der Mandatsdauer seines Vorsitzes ergeben, zur Diskussion zu stellen;

31.

unterstreicht, dass Fragen der Sicherheit und der Verteidigung beim gegenwärtigen Entwicklungsstand der Union noch immer integraler Bestandteil der GASP sind, und vertritt die Auffassung, dass sie als solche in der Zuständigkeit des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ verbleiben sollten, in dem der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) den Vorsitz führt, erforderlichenfalls unter zusätzlicher Mitwirkung der Verteidigungsminister;

Die Kommission

32.

begrüßt die erneute Bekräftigung der wesentlichen Rolle der Kommission als „Motor“, der die Tätigkeit der Union vorantreibt, durch:

die Anerkennung ihres Quasi-Monopols im Bereich der Gesetzgebungsinitiative, die auf sämtliche Tätigkeitsbereiche der Union abgesehen von der GASP ausgeweitet und insbesondere in Finanzfragen verstärkt wird;

die Stärkung ihrer Rolle, eine Einigung zwischen den beiden Teilen der Gesetzgebungs- und der Haushaltsbehörde zu erleichtern;

die Bekräftigung ihrer Rolle als „Exekutive“ der Union immer dann, wenn die Umsetzung der Rechtsvorschriften der Europäischen Union einen gemeinsamen Ansatz erfordert, wobei der Rat eine solche Rolle nur in Fragen der GASP und in gebührend begründeten Fällen, die in Gesetzgebungsakten spezifiziert werden, übernimmt;

33.

begrüßt ebenfalls die Stärkung der Stellung des Präsidenten innerhalb des Kollegiums der Kommissionsmitglieder, insbesondere was die institutionelle Verantwortlichkeit der Kommissionsmitglieder ihm/ihr gegenüber und die interne Organisation der Kommission betrifft, so dass die Voraussetzungen geschaffen werden, die erforderlich sind, um seine/ihre Führungsrolle innerhalb der Kommission stärker zu festigen und ihren Zusammenhalt zu verstärken; ist der Auffassung, dass diese Stärkung mit Blick auf die von den Staats- und Regierungschefs getroffene Vereinbarung, ein Kommissionsmitglied pro Mitgliedstaat beizubehalten, sogar noch ausgebaut werden könnte;

Wahl des Präsidenten der Kommission

34.

betont, dass die Wahl des Präsidenten der Kommission durch das Europäische Parlament auf Vorschlag des Europäischen Rates seiner Benennung einen verstärkt politischen Charakter verleihen wird;

35.

unterstreicht, dass eine solche Wahl die demokratische Legitimität des Präsidenten der Kommission fördern und seine Stellung sowohl kommissionsintern (was seine Position in den internen Beziehungen zu anderen Kommissionsmitgliedern betrifft) als auch in den interinstitutionellen Beziehungen generell stärken wird;

36.

ist der Auffassung, dass diese gestärkte Legitimität des Präsidenten der Kommission auch für die Kommission insgesamt von Nutzen sein und ihre Fähigkeit stärken wird, als unabhängige Förderin des allgemeinen europäischen Interesses und als treibende Kraft hinter europäischem Handeln aufzutreten;

37.

verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Umstand, dass ein Kandidat für das Amt des Präsidenten der Kommission vom Europäischen Rat vorgeschlagen werden kann, der mit qualifizierter Mehrheit beschließt, und dass die Wal dieses Kandidaten durch das Europäische Parlament die Stimmen einer Mehrheit der ihm angehörenden Mitglieder erfordert, einen weiteren Anreiz darstellt, der alle am Prozess Beteiligten veranlasst, den erforderlichen Dialog zu entwickeln, um das erfolgreiche Ergebnis des Prozesses sicherzustellen;

38.

verweist darauf, dass der Europäische Rat gemäß dem Vertrag von Lissabon verpflichtet ist, „die Wahlen zum Europäischen Parlament zu berücksichtigen“ und vor der Benennung des Kandidaten „geeignete Konsultationen“ zu führen, bei denen es sich nicht um formelle institutionelle Kontakte zwischen den beiden Organen handelt; verweist ferner darauf, dass die der Schlussakte der Regierungskonferenz, die den Vertrag von Lissabon angenommen hat, als Anhang beigefügte Erklärung Nr. 11 (4) in diesem Kontext „Konsultationen in dem Rahmen, der als der am Besten geeignete erachtet wird“, zwischen Vertretern des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates vorsieht;

39.

regt an, dass der Präsident des Europäischen Rates vom Europäischen Rat das Mandat erhält, diese Konsultationen (allein oder mit einer Delegation) zu führen, dass er Rücksprache mit dem Präsidenten des Europäischen Parlaments hält, um die notwendigen Treffen mit sämtlichen Fraktionsvorsitzenden im Europäischen Parlament zu organisieren, nach Möglichkeit in Begleitung der Vorsitzenden (oder einer Delegation) der europäischen politischen Parteien, und dass er anschließend dem Europäischen Rat Bericht erstattet;

Ernennungsverfahren

40.

ist der Auffassung, dass bei der Wahl der Personen, die die Ämter des Präsidenten des Europäischen Rates, des Präsidenten der Kommission und des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) übernehmen sollen, die einschlägigen fachlichen Kompetenzen der Kandidaten berücksichtigt werden sollten; erkennt ferner an, dass bei der Wahl auch zu berücksichtigen ist, dass die geografische und demografische Vielfalt der Union und ihrer Mitgliedstaaten geachtet werden muss, wie es in der Erklärung Nr. 6 im Anhang zu der vorstehend genannten Schlussakte (5) vorgesehen ist;

41.

ist außerdem der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten und die europäischen politischen Familien bei den Benennungen in die wichtigsten politischen Ämter in der Europäischen Union nicht nur die Kriterien der geografischen und demografischen Ausgewogenheit berücksichtigen sollten, sondern auch Kriterien der politischen und geschlechterspezifischen Ausgewogenheit;

42.

ist in diesem Kontext der Auffassung, dass die Ernennungen im Anschluss an die Wahlen zum Europäischen Parlament erfolgen sollte, um den Wahlergebnissen Rechnung zu tragen, die eine ausschlaggebende Rolle bei der Wahl des Präsidenten der Kommission spielen werden; weist darauf hin, dass es erst nach seiner Wahl möglich sein wird, das erforderliche Gleichgewicht zu gewährleisten;

43.

schlägt in diesem Kontext als mögliches Modell das folgende Verfahren und den folgenden Zeitplan für die Ernennungen vor, der vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat vereinbart werden könnte:

Wochen 1 und 2 nach den Europawahlen: Bildung der Fraktionen im Europäischen Parlament;

Woche 3 nach den Wahlen: Konsultationen zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und dem Präsidenten des Europäischen Parlaments und anschließend getrennte Treffen zwischen dem Präsidenten des Europäischen Rates und den Fraktionsvorsitzenden (nach Möglichkeit auch mit den Vorsitzenden der europäischen politischen Parteien oder zahlenmäßig begrenzten Delegationen);

Woche 4 nach den Wahlen: Bekanntgabe des Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission durch den Europäischen Rat unter Berücksichtigung der Ergebnisse der im vorstehenden Spiegelstrich genannten Konsultationen;

Wochen 5 und 6 nach den Wahlen: Kontakte zwischen dem Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission und den Fraktionen; Erklärungen dieses Kandidaten und Vorstellung seiner politischen Leitlinien im Europäischen Parlament; Abstimmung im Europäischen Parlament über den Kandidaten für das Amt des Präsidenten der Kommission;

Juli/August/September: der gewählte Präsident der Kommission einigt sich mit dem Europäischen Rat über die Ernennung des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) und schlägt die Liste der designierten Kommissionsmitglieder vor (einschließlich des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter));

September: der Europäische Rat nimmt die Liste der designierten Kommissionsmitglieder an (einschließlich des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter));

September/Oktober: Anhörungen der designierten Kommissionsmitglieder und des designierten Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) im Europäischen Parlament;

Oktober: Vorstellung des Kollegiums der Kommissionsmitglieder und ihres Programms im Europäischen Parlament; Abstimmung über das gesamte Kollegium (einschließlich des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter)); der Europäische Rat gibt seine Zustimmung zur neuen Kommission; die neue Kommission tritt ihre Amtspflichten an;

November: der Europäische Rat ernennt den Präsidenten des Europäischen Rates;

44.

unterstreicht, dass das vorgeschlagene Szenario auf jeden Fall von 2014 an angewandt werden sollte;

45.

hält angesichts der Möglichkeit, dass der Vertrag von Lissabon bis Ende 2009 in Kraft tritt, eine politische Vereinbarung zwischen dem Europäischen Rat und dem Europäischen Parlament für erforderlich, um zu gewährleisten, dass bei dem Verfahren zur Auswahl des Präsidenten der nächsten Kommission und zur Ernennung der künftigen Kommission auf jeden Fall die Substanz der neuen Befugnisse beachtet wird, die der Vertrag von Lissabon dem Europäischen Parlament diesbezüglich einräumt;

46.

ist der Auffassung, dass der Europäische Rat, sollte er das Verfahren zur Ernennung des Präsidenten der neuen Kommission unverzüglich nach den Europawahlen im Juni 2009 einleiten (6), den notwendigen zeitlichen Rahmen angemessen berücksichtigen sollte, um zu gewährleisten, dass das im Vertrag von Lissabon vorgesehene politische Konsultationsverfahren mit den neu gewählten Vertretern der Fraktionen informell abgeschlossen werden kann; ist der Ansicht, dass dies die Substanz seiner neuen Befugnisse voll wahren würde und es daraufhin dazu übergehen könnte, der Nominierung des Präsidenten der Kommission zuzustimmen;

47.

betont, dass das Verfahren zur Ernennung des neuen Kollegiums auf alle Fälle erst nach Bekanntwerden der Ergebnisse des zweiten Referendums in Irland eingeleitet werden sollte; weist darauf hin, dass sich die Organe dadurch des künftigen rechtlichen Kontexts, in dem die neue Kommission ihr Mandat ausüben würde, voll und ganz bewusst wären und sie ihre jeweiligen Befugnisse im Verfahren sowie die Zusammensetzung, Struktur und Kompetenzen der neuen Kommission angemessen berücksichtigen könnten; ist ferner der Ansicht, dass im Falle eines positiven Ausgangs des Referendums die förmliche Zustimmung des Europäischen Parlaments zum neuen Kollegium, einschließlich des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter), erst nach dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon erfolgen sollte;

48.

erinnert daran, dass im Falle eines negativen Ausgangs des zweiten irischen Referendums der Vertrag von Nizza auf alle Fälle voll anwendbar bliebe und dem entsprechend für die Zusammensetzung der nächsten Kommission die Regelung gälte, dass die Zahl ihrer Mitglieder unter der Zahl der Mitgliedstaaten liegen muss; hebt hervor, dass der Rat in diesem Fall einen Beschluss über die tatsächliche Anzahl der Mitglieder dieser verkleinerten Kommission fassen müsste; unterstreicht den politischen Willen des Europäischen Parlaments, eine strenge Einhaltung dieser Bestimmungen zu gewährleisten;

Programmplanung

49.

ist der Auffassung, dass die Planung – auf strategischer wie auf operationeller Ebene – von grundlegender Bedeutung sein wird, um die Effizienz und Kohärenz des Handelns der Union sicherzustellen;

50.

begrüßt folglich die Tatsache, dass im Vertrag von Lissabon die Planung ausdrücklich als Mittel zur Förderung der Handlungsfähigkeit der Organe gefordert wird, und schlägt vor, dass mehrere gleichzeitige laufende Planungen organisatorisch entsprechend den folgenden Grundlinien gestaltet werden:

das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission sollten einen „Vertrag“ oder ein „Programm“ für die jeweilige Mandatsdauer vereinbaren, das sich auf die breiten strategischen Ziele und Prioritäten stützt, die von der Kommission zu Beginn ihrer Mandatszeit vorzulegen sind, wobei der „Vertrag“ bzw. das „Programm“ Gegenstand einer gemeinsamen Debatte mit dem Europäischen Parlament und dem Rat sein sollten mit dem Ziel, zwischen den drei Organen eine Einigung (nach Möglichkeit in Form einer spezifischen interinstitutionellen Vereinbarung, selbst wenn diese nicht rechtsverbindlich ist) über gemeinsame Ziele und Prioritäten für die fünfjährige Mandatsdauer herbeizuführen;

auf der Grundlage dieses „Vertrags“ bzw. „Programms“ sollte die Kommission anschließend ihre Vorstellungen für die Finanzplanung weiter entwickeln und bis Ende Juni des Jahres im Anschluss an die Wahlen ihre Vorschläge für einen auf fünf Jahre angelegten mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen – zusammen mit der Liste der Legislativvorschläge, die erforderlich sind, um die jeweiligen Programme in die Praxis umzusetzen; dieser Finanzrahmen sollte anschließend vom Rat und vom Parlament in Übereinstimmung mit dem in den Verträgen verankerten Verfahren bis Ende des gleichen Jahres (oder zumindest bis zum Ende des ersten Quartals des folgenden Jahres) erörtert und verabschiedet werden;

dies würde die Union befähigen, über einen auf fünf Jahre angelegten mehrjährigen Finanzrahmen zu verfügen, der zu Beginn des Jahres N+2 (oder N+3) (7) in Kraft treten kann, so dass jedem Europäischen Parlament und jeder Kommission die Möglichkeit gegeben wird, über ihre „eigene“ Planung zu beschließen;

51.

ist der Auffassung, dass der Übergang zu diesem System einer auf fünf Jahre angelegten Finanzplanung und politischen Planung eine Verlängerung und Anpassung des gegenwärtigen Finanzrahmens, wie er in der Interinstitutionellen Vereinbarung über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung (8) enthalten ist, bis Ende 2015/2016 erforderlich machen wird, wobei der nächste Finanzrahmen zu Beginn des Jahres 2016/2017 in Kraft tritt (9);

52.

schlägt vor, dass auf der Grundlage des Vertrags/Programms für die Amtszeit und unter Berücksichtigung des mehrjährigen Finanzrahmens:

die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat ihr jährliches Arbeits- und Gesetzgebungsprogramm mit Blick auf eine gemeinsame Aussprache vorlegt, die es der Kommission gestattet, die erforderlichen Anpassungen vorzunehmen;

der Rat „Allgemeine Angelegenheiten“ im Dialog mit dem Europäischen Parlament die gemeinsame operative Planung der Tätigkeiten jeder Gruppe von drei Vorsitzen für die gesamte 18-monatige Dauer ihres Mandats annimmt, wobei diese Planung als Rahmen für das jeweilige Arbeitsprogramm jedes sechsmonatigen Vorsitzes dienen wird;

Außenbeziehungen

53.

unterstreicht die Bedeutung der neuen Dimension, die der Vertrag von Lissabon dem externen Handeln der Union insgesamt – die GASP eingeschlossen – beimisst, was – zusammen mit der Rechtspersönlichkeit der Union und den für diesen Bereich wichtigen institutionellen Neuerungen (insbesondere der Schaffung des Amtes des mit einer „Doppelfunktion“ ausgestatteten Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) und des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD)) ein ausschlaggebender Faktor für die Kohärenz und Wirksamkeit des Handelns der Union auf diesem Gebiet sein und ihre Sichtbarkeit als globaler Akteur erheblich verstärken könnte;

54.

erinnert daran, dass in sämtlichen Beschlüssen über Fragen des externen Handelns die Rechtsgrundlage spezifiziert werden muss, auf der sie erlassen werden, um leichter feststellen zu können, nach welchem Verfahren sie verabschiedet werden und welches Verfahren bei ihrer Umsetzung anzuwenden ist;

Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter)

55.

betrachtet die Einführung des Amtes des mit einer „Doppelfunktion“ ausgestatteten Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) als grundlegenden Schritt, um die Kohärenz, Wirksamkeit und Sichtbarkeit des externen Handelns der Union in seiner Gesamtheit sicherzustellen;

56.

unterstreicht, dass der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit und im Einvernehmen mit dem Präsidenten der Kommission ernannt werden muss und dass er sich als Vizepräsident der Kommission zusammen mit dem gesamten Kollegium der Kommissionsmitglieder einem Zustimmungsvotum des Europäischen Parlaments stellen muss; fordert den Präsidenten der Kommission auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Kommission ihre Verantwortlichkeiten in diesem Kontext uneingeschränkt wahrnimmt, wobei zu berücksichtigen ist, dass der Hohe Vertreter als Vizepräsident der Kommission eine grundlegende Rolle bei der Aufgabe übernehmen wird, den Zusammenhalt und die Leistungsfähigkeit des Kollegiums sicherzustellen, und dass der Präsident der Kommission die politische und institutionelle Pflicht hat, dafür Sorge zu tragen, dass der Kandidat über die Fähigkeiten verfügt, die zur Integration des Kollegiums erforderlich sind; unterstreicht ebenfalls, dass sich der Europäische Rat dieses Aspekts der Rolle des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) bewusst sein und von Beginn des Verfahrens an die notwendigen Konsultationen mit dem Präsidenten der Kommission führen muss, um seinen erfolgreichen Abschluss sicherzustellen; verweist darauf, dass es sein Recht auf Beurteilung der politischen und institutionellen Fähigkeiten des benannten Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) im Rahmen seiner Befugnisse betreffend die Ernennung einer neuen Kommission uneingeschränkt wahrnehmen wird;

57.

unterstreicht, dass dem EAD eine grundlegende Rolle dabei zukommen wird, den Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) zu unterstützen, und dass er ein wesentliches Element für den Erfolg des neuen integrierten Ansatzes beim auswärtigen Handeln der Union sein wird; unterstreicht, dass die Einrichtung des neuen Dienstes einen formellen Vorschlag des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) erforderlich machen wird, der erst dann möglich ist, wenn dieser sein Amt angetreten hat, und der erst nach Anhörung des Europäischen Parlaments und Zustimmung der Kommission vom Rat angenommen werden kann; bekundet seine Absicht, im Zusammenhang mit der Errichtung des EAD seine Haushaltsbefugnisse uneingeschränkt wahrzunehmen;

58.

unterstreicht, dass die Aufgaben des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) außerordentlich belastend sind und dass er auf ein hohes Maß an Koordinierung mit den übrigen Organen angewiesen sein wird, insbesondere mit dem Präsidenten der Kommission – dem gegenüber er in den in die Zuständigkeit der Kommission fallenden Bereichen der Außenbeziehungen politisch verantwortlich sein wird – sowie mit dem rotierenden Ratsvorsitz und dem Präsidenten des Europäischen Rates;

59.

unterstreicht, dass die Verwirklichung der Zielvorgaben, die zur Schaffung des Amtes des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) geführt haben, in hohem Maße von einem Verhältnis des politischen Vertrauens zwischen dem Präsidenten der Kommission und dem Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) und von der Fähigkeit des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) abhängig sein werden, gewinnbringend mit dem Präsidenten des Europäischen Rates, mit dem rotierenden Ratsvorsitz und mit den übrigen Kommissionsmitgliedern zusammenzuarbeiten, die – unter seiner Koordinierung – mit der Wahrnehmung spezifischer Zuständigkeiten betraut sind, die sich auf das auswärtige Handeln der Union beziehen;

60.

fordert die Kommission und den Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) auf, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, gemeinsame Initiativen auf dem Gebiet der Außenbeziehungen vorzulegen, um den Zusammenhalt der verschiedenen Handlungsbereiche der Union nach außen hin zu erhöhen und die Möglichkeit zu vergrößern, dass diese Initiativen vom Rat angenommen werden, und zwar insbesondere in Verbindung mit der GASP; weist in diesem Zusammenhang auf die Notwendigkeit parlamentarischer Kontrolle außen- und sicherheitspolitischer Maßnahmen hin;

61.

hält es für wichtig, dass bestimmte praktische Maßnahmen ergriffen werden, um die Aufgaben des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) zu erleichtern:

der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) sollte die Ernennung von Sonderbeauftragten vorschlagen, denen gemäß dem Vertrag von Lissabon (Artikel 33 des Vertrags über die Europäische Union) ein eindeutiges Mandat erteilt wird und die ihn in spezifischen Bereichen seiner Zuständigkeiten in GASP-Angelegenheiten unterstützen (diese vom Rat ernannten Sonderbeauftragten sollten auch vom Europäischen Parlament angehört werden und sollten das Europäische Parlament regelmäßig über ihre Tätigkeiten auf dem Laufenden halten);

er sollte seine Tätigkeiten in anderen Bereichen als der GASP mit den Kommissionsmitgliedern koordinieren, die für Ressorts in diesen Bereichen verantwortlich sind, und sollte an sie seine Funktionen der internationalen Vertretung der Europäischen Union in diesen Bereichen delegieren, wann immer dies notwendig ist;

im Falle seiner Abwesenheit sollte der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) von Fall zu Fall und unter Berücksichtigung der jeweils wahrzunehmenden Aufgaben entscheiden, wer ihn vertreten soll;

Vertretung

62.

ist der Auffassung, dass mit dem Vertrag von Lissabon ein effektives – wenn auch komplexes – operatives System für die Außenvertretung der Union geschaffen wird, und schlägt vor, dieses System nach folgenden Leitlinien zu gliedern:

der Präsident des Europäischen Rates vertritt die Union auf der Ebene der Staats- bzw. Regierungschefs in Fragen, die die GASP betreffen, hat jedoch nicht die Befugnis, politische Verhandlungen im Namen der Union zu führen, was die Aufgabe des Vizepräsidenten der Kommission (Hoher Vertreter) ist; er kann auch aufgefordert werden, eine spezifische Aufgabe der Vertretung des Europäischen Rates bei bestimmten internationalen Anlässen zu übernehmen;

der Präsident der Kommission vertritt die Union auf der höchsten Ebene im Hinblick auf alle Aspekte der Außenbeziehungen der Union, mit Ausnahme der die GASP betreffenden Angelegenheiten, sowie im Hinblick auf alle spezifischen sektoralen Politikbereiche, die in den Bereich des auswärtigen Handelns der Unon fallen (Außenhandel etc.); der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) oder das zuständige/mit einem Mandat ausgestattete Mitglied der Kommission kann diese Aufgabe auch unter der Verantwortung der Kommission übernehmen;

der Vizepräsident der Kommission (Hoher Vertreter) vertritt die Union auf Ministerebene oder in internationalen Organisationen, die das auswärtige Handeln der Union insgesamt betreffen; ferner nimmt er auch als Vorsitzender des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ Aufgaben der Außenvertretung wahr;

63.

ist der Auffassung, dass es nicht mehr wünschenswert sein wird, dass der Vorsitzende des Rates „Allgemeine Angelegenheiten“ (vor allem der Regierungschef des Mitgliedstaates, das den Vorsitz inne hat), oder der Vorsitzende einer spezifischen sektoralen Formation des Rates, beauftragt wird, Aufgaben der Außenvertretung der Union wahrzunehmen;

64.

unterstreicht die Bedeutung der Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen allen verschiedenen Parteien, die für diese unterschiedlichen Aufgaben im Bereich der Außenvertretung der Union verantwortlich sind, um Zuständigkeitskonflikte zu vermeiden und die Kohärenz und Sichtbarkeit der Union nach außen zu gewährleisten;

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* *

65.

beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und den Bericht des Ausschusses für konstitutionelle Fragen dem Rat, der Kommission und den nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.


(1)  Angenommene Texte, P6_TA(2008)0055.

(2)  Entschließung des Parlaments vom 7. Mai 2009 über die neuen Aufgaben und Zuständigkeiten des Parlaments bei der Umsetzung des Vertrags von Lissabon (Leinen-Bericht), P6_TA(2009)0373.

(3)  Beschluss des Europäischen Parlaments vom 6. Mai 2009 über die allgemeine Revision der Geschäftsordnung des Parlaments (P6_TA(2009)0359) und Bericht über die Anpassung der Geschäftsordnung an den Vertrag von Lissabon (A6-0277/2009 (Corbett-Berichte).

(4)  Erklärung Nr. 11 zu Artikel 17 Absätze 6 und 7 des Vertrags über die Europäische Union.

(5)  Erklärung Nr. 6 zu Artikel 15 Absätze 5 und 6, Artikel 17 Absätze 6 und 7 und Artikel 18 des Vertrags über die Europäische Union.

(6)  Wie aus den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11./12. Dezember 2008 – Erklärung zur Ernennung der künftigen Kommission – hervorgeht.

(7)  N bedeutet „Jahr der Europawahlen“.

(8)  Interinstitutionelle Vereinbarung vom 17. Mai 2006 zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission über die Haushaltsdisziplin und die wirtschaftliche Haushaltsführung (ABl. C 139 vom 14.6.2006, S. 1).

(9)  In Übereinstimmung mit der Entschließung des Parlaments vom 25. März 2009 zur Halbzeitüberprüfung des Finanzrahmens 2007-2013 (Böge-Bericht), Angenommene Texte, P6_TA(2009)0174 und der Entschließung des Parlaments vom 7. Mai 2009 zu den finanziellen Aspekten des Vertrags von Lissabon (Guy-Quint-Bericht), P6_TA(2009)0374.