23.12.2009   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 317/22


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Straßenverkehrsbedingte Lärm- und Schadstoffbelastung — konkrete Maßnahmen zur Überwindung der Stagnation in diesem Bereich“

(Initiativstellungnahme)

(2009/C 317/04)

Berichterstatter: Edgardo Maria IOZIA

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 17. Januar 2009, gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten:

Straßenverkehrsbedingte Lärm- und Schadstoffbelastung - konkrete Maßnahmen zur Überwindung der Stagnation in diesem Bereich

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 26. Juni 2009 an. Berichterstatter war Edgardo Maria IOZIA.

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss verabschiedete auf seiner 455. Plenartagung am 15./16. Juli 2009 (Sitzung vom 16. Juli) mit 109 gegen 7 Stimmen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1.   An der Bekämpfung der Luftverschmutzung und Lärmbelästigung sind zahlreiche Einrichtungen und Organe beteiligt. Eine wesentliche Rolle kommt den EU-Organen zu, die für die Förderung und Aktualisierung der Vorschriften zuständig sind, den Mitgliedstaaten, die sie durch den Erlass von Durchführungsbestimmungen umzusetzen haben, und den lokalen Gebietskörperschaften, denen die Schadstoff- und Lärmkontrolle obliegt. Gemeinsam tragen sie die Verantwortung dafür, dass die Fortschritte stagnieren. Deshalb müssen alle Zuständigkeitsebenen ihre Bemühungen verstärken, um die Gefahren für Gesundheit und Wohlergehen der Bürger zu beseitigen oder zu minimieren.

1.2.   Die durch die private und öffentliche Personenbeförderung und den Straßengüterverkehr erzeugten Emissionen sind Ursache schwerer Krankheiten und führen zu einer Verschlechterung der Lebensqualität, insbesondere der Einwohner in städtischen Gebieten, d.h. bei 75 % der europäischen Bürger. Trotz der Initiativen der Kommission, die erst vor Kurzem mit ihrem Maßnahmenpaket zur „Ökologisierung des Verkehrs“ das EU-Recht angepasst hat, stagniert in den Mitgliedstaaten noch immer die Bekämpfung der verkehrsbedingten Lärm- und Schadstoffbelastung.

1.3.   Obgleich die Rechtsvorschriften, zumindest in Bezug auf die Luftqualität, im Laufe der Jahre auf den neuesten Stand gebracht und verbessert wurden, muss andererseits hervorgehoben werden, dass hinsichtlich der Anzahl und Qualität der Kontrollen sowohl der Kfz- und Motorradabgase als auch der in der Luft enthaltenen Gas- und Feinstaubmengen keine Fortschritte zu vermelden sind. Die EU-Kommission hat mit ihrem TREMOVE-Modell, mit den Analysen zu den Auswirkungen der verschiedenen Politiken im Verkehrsbereich und mit der Entwicklung des Systems COPERT 4 (COmputer Program for estimating Emissions from Road Transport) im Rahmen der Tätigkeiten des Europäischen Themenzentrums für Luft und Klimawandel, die von der Gemeinsamen Forschungsstelle weiter entwickelt wurden, bemerkenswerte technische und wissenschaftliche Impulse gegeben. Diese Vorgehensweise ist Teil der Methodologie aus dem von der Task Force der UN/ECE (Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa) entwickelten EMEP/CORINAIR-Handbuch für die Erstellung des Inventars der Luftemissionen in Europa, in dem die Bewertung und Prognose von Daten behandelt wird.

1.4.   Im Rahmen des Pakets „Grüner Verkehr“ wurde ein Vorschlag zur Verringerung der Lärmbelästigung durch den Schienenverkehr vorgelegt, während am 22. Juni 2009 die Verordnung KOM(2008) 316 über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen angenommen wurde, die eine wesentliche Senkung des Reifenrollgeräuschs vorsieht.

1.5.   Der EWSA empfiehlt sowohl der Kommission als auch dem Rat „Umwelt“, dem Rat „Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz“ und dem Europäischen Parlament, unverzüglich Schritte zu unternehmen, um die Kontrollmaßnahmen zu verstärken und somit die Gesundheit der Verbraucher zu schützen. „Off cycle“-Kontrollen auf der Straße, insbesondere während des Fahrzeugbetriebs, würden beweisen, dass die heutigen Kraftfahrzeuge lauter als die von vor 30 Jahren sind und ihre Emissionen deutlich über den bei den Zyklustests gemessenen liegen.

1.6.   Der EWSA hebt hervor, dass es an einem soliden Konzept fehlt; die UN/ECE-Regeln wie auch die EU-Regelungen lassen wirksame Kontrollsysteme vermissen, und das Modell der Selbstzertifizierung, bei dem die Überprüfungen den Marktkontrollmechanismen anheim gestellt werden, hat sich als unzulänglich herausgestellt.

1.7.   Der EWSA empfiehlt den verschiedenen Behörden der Europäischen Union, der Mitgliedstaaten und denjenigen auf lokaler Ebene die folgenden Schritte und Maßnahmen, um die Auswirkungen der Luftverschmutzung einzudämmen:

Einbeziehung der Bevölkerung durch Förderung verantwortungsbewusster Verhaltensweisen zur Erlangung kollektiven Wohlergehens und durch Verbesserung der Transparenz und der Information mittels Schautafeln, Websites usw.;

Unterstützung der allgemeinen und beruflichen Bildung im Bereich Umwelt und Ökologie;

Verbreitung bewährter Verfahren wie der Mobilitätskarte, die zur kostenlosen Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel berechtigt;

Einsatz von heutzutage auch schon batteriebetriebenen Straßenbahnen und O-Bussen im öffentlichen Nahverkehr, was deren Nutzung in nicht mit Oberleitungen ausgestatteten Gebieten ermöglicht;

Einschränkung des Privatverkehrs und Verbesserung und Ausweitung des öffentlichen Verkehrsangebots;

differenzierte Besteuerung von Kraftfahrzeugen und Kraftstoffen, in Abhängigkeit von der durch sie hervorgerufenen Umweltbelastung, zahlungspflichtige Verkehrsgenehmigungen für Stadtzentren unter Berücksichtigung der unterschiedlichen finanziellen Möglichkeiten der Bürger sowie des Emissionsausstoßes;

Internalisierung der externen Kosten, insbesondere jener, die für die Gesundheit der Bürger entstehen;

Entwicklung integrierter Verkehrskonzepte unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit der einzelnen Projekte;

Beitrag zu veränderten, d.h. maßvolleren und umweltbewussteren Lebensweisen;

Unterstützung der nachhaltigen Mobilität in Gestalt des Fußgänger- und Radverkehrs auf kurzen Strecken durch Verbesserung der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer;

Vermeidung unnötigen Verkehrs;

Überprüfung der Logistikverwaltung und der Just-in-time-Produktion;

Förderung der Telearbeit, wo dies möglich ist;

Verringerung der Verkehrsüberlastung durch optimierte Nutzung aller Verkehrsträger, wobei den öffentlichen Verkehrsmitteln Vorrang einzuräumen ist;

Unterstützung der Erforschung und innovativen Entwicklung von Material und technologischen Lösungen zur Reduzierung der straßenverkehrs- und straßentransportbedingten Schadstoffe, wie Brennstoffzellen für emissionsarme Fahrzeuge mit Wasserstoff-, Elektro- und Kohlenwasserstoffantrieb sowie Synthesegas, Methan und Flüssiggas;

strengere regelmäßige Kontrollen insbesondere in Ländern mit veraltetem oder umweltschädlichem Fahrzeugbestand (in Polen z.B. sind 60 % der Kraftfahrzeuge älter als 10 Jahre …).

1.8.   Zur Verringerung der Auswirkungen der Lärmbelästigung könnten folgende Maßnahmen ins Auge gefasst werden:

Nachtfahrbeschränkungen für den privaten Verkehr in Wohngebieten;

auf den Straßenbelag aufgebrachte Vorrichtungen zur Tempoverringerung (Straßenschwellen);

Verbesserung der Asphaltqualität;

schallschluckende Wände in Gebieten mit hoher Verkehrsdichte;

wirklich abschreckende Sanktionen für Fahrzeuge - unter besonderer Berücksichtigung von Motorrädern -, bei denen die Lärmemissionsgrenzwerte überschritten werden, bis hin zur Beschlagnahmung des Fahrzeugs;

Lärmkontrollen, die mehr den „normalen“ Fahrtbedingungen der Fahrzeuge angepasst sind;

häufigere medizinische Untersuchungen von Personen, die einem erhöhten Lärmrisiko ausgesetzt sind;

wirksame Maßnahmen zur Verkehrsentlastung mit besonderem Schwerpunkt auf der Verbreitung von Sonderfahrspuren und Straßen für den öffentlichen Verkehr;

spezifische Vorschriften und geeignete Vorrichtungen für Menschen, die im Freien auf Verkehrswegen arbeiten und verschmutzte Luft einatmen und/oder ständiger Lärmbelastung ausgesetzt sind.

1.9.   Die Lebenszyklusanalyse sollte auch auf indirekte Verkehrsemissionen angewandt werden:

Kraftstofferzeugung und -transport (Ölförderung, Transport zur Raffinerie und zu den Tankstellen, bei batteriebetriebenen Fahrzeugen die durch die Stromerzeugung verursachten Emissionen);

Fahrzeugherstellung (Industrieemissionen, einschließlich der bei der Abfallentsorgung entstehenden Emissionen);

Straßen und Parkplätze (werden für deren Errichtung Parks und Grünflächen genutzt, verschlechtert sich durch den Wegfall des Fotosyntheseeffekts die Luftqualität).

1.10.   Die vorliegende Stellungnahme betrifft nur die Schadstoffemissionen und den Lärm, die durch den Straßenverkehr erzeugt werden. Die Debatte hat deutlich gemacht, dass auch zu den anderen Verkehrsträgern und den Freizeitfahrzeugen sowie zur Umweltverschmutzung durch die Landwirtschaft Überlegungen eingeleitet werden müssen. Züge, Flugzeuge, Hochsee- und Binnenschiffe, mobile Maschinen und Geräte wie Zugmaschinen oder Erdbewegungsmaschinen, Bau- und Bergbaumaschinen sollten ebenfalls kontrolliert werden (1).

2.   Einleitung

2.1.   Der Europäische Rat hat, wenngleich mit einigen Schwierigkeiten, das gesamte Energie- und Klimapaket gebilligt, sodass er gut gerüstet in die Dezember-Konferenz in Kopenhagen gehen und seine Führungsrolle im entschlossenen Kampf gegen die Treibhausgas-Emissionen behaupten kann.

2.2.   Für die Ergebnisse der Maßnahmen zur Bekämpfung der durch Verkehrsmittel erzeugten Schadstoff- und Lärmemissionen lässt sich dies nicht behaupten.

2.3.   Es sind zwei Hauptfaktoren, durch die sich der Verkehr negativ auf die öffentliche Gesundheit auswirkt: die Schadstofffreisetzung in der Luft und der Lärm. Die wichtigsten verkehrsbedingten Schadstoffe mit unmittelbaren negativen Auswirkungen auf die Gesundheit sind: Stickstoffoxid und Stickstoffdioxid (NO und NO2), Kohlenmonoxid (CO), Schwefeldioxid (SO2), Ammoniak (NH3), flüchtige organische Verbindungen (VOC) und Feinstäube oder Aerosole. Diese Stoffe werden als Primärschadstoffe bezeichnet, weil sie direkt von den Kraftfahrzeugen emittiert werden, während andere, die so genannten Sekundärschadstoffe, durch Reaktionen in der Atmosphäre entstehen, wie zum Beispiel Ozon, Ammoniumnitrat (NH4NO3), Ammoniumsulfat ([NH4]2SO4) und die sekundären organischen Aerosole.

2.4.   Der Straßenverkehr ist in den 27 Mitgliedstaaten der EU Hauptverursacher der Emissionen von NOx (39,4 %), CO (36,4 %) und NMVOC oder nicht methanhaltigen flüchtigen organischen Verbindungen (17,9 %) und die zweitwichtigste Quelle von PM10- (17,8 %) und PM2,5-Emissionen (15,9 %) (Europäische Umweltagentur (EUA), Technical Report 2008/7, 28. Juli 2008).

2.5.   Natürliche Primärstäube entstehen durch Vulkanausbrüche, Waldbrände, Erosion und Verwitterung von Felsgestein, Pflanzen (Pollen und Pflanzenreste), Sporen, das Zersprühen von Meerwasser und Reste von Insekten. Natürliche Sekundärstäube bestehen aus feinen Teilchen, die durch Oxidation verschiedener Substanzen entstehen wie bei Bränden und von Vulkanen emittiertes Schwefeldioxid und Schwefelsäure, über den Boden freigesetzte Stickoxide und von der Vegetation abgegebene Terpene (Kohlenwasserstoffe).

2.6.   Primärstäube anthropogenen Ursprungs entstammen aus der Nutzung fossiler Brennstoffe (Haushaltsfeuerungen, Wärmekraftwerke usw.); Kraftfahrzeugemissionen; dem Verschleiß von Reifen, Bremsen und Straßendecken; verschiedenen industriellen Prozessen (Gießereien, Bergwerke, Zementfabriken usw.). Hervorhebenswert sind außerdem die großen Staubmengen, die im Zuge verschiedener landwirtschaftlicher Tätigkeiten entstehen können. Hingegen entsteht Sekundärstaub anthropogenen Ursprungs im Wesentlichen durch Oxidation der durch verschiedene menschliche Aktivitäten freigesetzten Kohlenwasserstoffe, Schwefel- und Stickoxide.

2.7.   Stäube werden nach ihrer Größe klassifiziert und reichen von Nanopartikeln über Feinstaub bis hin zu sichtbarem Staub. Als PM10 werden Stäube mit einem Durchmesser unter 10 µm bezeichnet, als PM1 Partikel mit einem Durchmesser unter 1 µm. Die feinsten Staubpartikel sind die gefährlichsten, weil sie tief in die Lunge eindringen.

2.8.   Andere von Kraftfahrzeugen ausgestoßene Stoffe sind nicht direkt gesundheitsschädlich, schädigen jedoch laut EUA erheblich die Umwelt, wie etwa Treibhausgase, Kohledioxid (CO2), Methan (CH4) und Distickstoffoxid (N2O). Auch sie rufen ernsthafte gesellschaftliche Besorgnis hervor; ihre Konzentration wird durch Kfz-Emissionsvorschriften begrenzt.

2.9.   Ebenso wie die verkehrsbedingten Emissionswerte hängt auch die Schadstoffkonzentration in niedrigeren Höhen von den meteorologischen Bedingungen ab. Niedrige Bodentemperaturen, speziell in Verbindung mit einer Inversionswetterlage, hemmen die Konvektionsbewegungen, durch die die Luft neu gemischt wird, und begünstigen somit die Anhäufung von Schadstoffen in den unteren Schichten. Dies geschieht insbesondere in den Tälern der Berggebiete, die besonders ernst von der Luftverschmutzung betroffen sind.

2.10.   Zu den durch epidemiologische Studien bestätigten Auswirkungen der Schadstoffe auf die Gesundheit sei festgestellt, dass chronische Bronchitis und Emphyseme als kurzfristige Folgen in Verbindung mit hohen Partikelkonzentrationen auftreten, während es schwache Anhaltspunkte für Zusammenhänge mit allergischen Reaktionen wie Asthma, Schnupfen und Dermatitis gibt.

2.11.   Lärm hat sowohl aurale als auch extraaurale Auswirkungen auf die Gesundheit; sie haben die Europäische Gemeinschaft dazu bewogen, Grenzwerte für die Lärmexposition von Arbeitnehmern und Wohnbevölkerung einzuführen. Die relevanten Vorschriften für die Ermittlung der Lärmexposition sind in den Normen ISO 1996-1:2003, ISO 1996-2:2006, ISO 9613-1:1993, ISO 9613-2:1996 und in der EU-Richtlinie 2002/49/EG enthalten.

2.12.   Um zu berücksichtigen, dass das Gehör auf die unterschiedlichen Frequenzen des Hörspektrums (von 20 bis 20 000 Hz) unterschiedlich empfindlich reagiert, werden bei der Beurteilung der Lärmexposition Gewichtungskurven verwendet, um die in Abhängigkeit von der Empfindlichkeit des Hörapparats gemessene Spektraldichte zu wichten. Die meistverwendete Kurve ist die Gewichtungskurve A, die einen in dB(A) ausgedrückten gewichteten Expositionswert liefert.

3.   Die EU-Vorschriften

3.1.   Luftqualität

3.1.1.   Die Luftqualität ist einer der Bereiche, in denen die EU in den letzten Jahren besonders aktiv war, um durch die Festsetzung langfristiger Luftqualitätsziele eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Es wurden Richtlinien erlassen, um die Werte einiger Schadstoffe zu kontrollieren und ihre Konzentrationen in der Luft zu überwachen.

3.1.2.   1996 nahm der Rat der Umweltminister die Rahmenrichtlinie 96/62/EG über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität an. Mit dieser Richtlinie wurden die bestehenden Rechtsvorschriften überarbeitet und neue Luftqualitätsstandards für bis dahin nicht geregelte Luftschadstoffe eingeführt. Ferner wurde ein Zeitplan für die Ausarbeitung von Einzelrichtlinien für einige Schadstoffe festgelegt. Die in der Richtlinie in Betracht gezogene Liste der Luftschadstoffe umfasst Schwefeldioxid (SO2), Stickstoffdioxid (NOx), Feinpartikel (PM), Blei (Pb) und Ozon (Schadstoffe, für die bereits zuvor Luftqualitätsziele bestanden), sowie Benzol, Kohlenmonoxid, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Kadmium, Arsen, Nickel und Quecksilber.

3.2.   Einzelrichtlinien

3.2.1.   Auf die Rahmenrichtlinie folgten andere, so genannte „Einzelrichtlinien“, in denen für jeden ermittelten Schadstoff die zahlenmäßige Festlegung der Grenzwerte oder, für das Ozon, der Zielwerte erfolgte. Neben der Festlegung von Luftqualitätszielen und Alarmschwellen werden mit den Einzelrichtlinien die nachstehenden Ziele verfolgt: Harmonisierung der Überwachungsstrategien, der Mess- und der Kalibriermethoden sowie Beurteilung der Luftqualität, um zu EU-weit vergleichbaren Messungen zu gelangen und der Öffentlichkeit sachdienliche Informationen bereitzustellen.

3.2.2.   Die erste Einzelrichtlinie (1999/30/EG) über Grenzwerte für NOx, SO2, Pb und Feinstäube in der Luft trat im Juli 1999 in Kraft. Im Interesse eines harmonisierten und strukturierten Berichtsystems legte die Kommission genaue Modalitäten fest, nach denen jeder Mitgliedstaat die Informationen über seine Pläne und Programme übermitteln kann. Diese Modalitäten sind in der Entscheidung 2004/224/EG niedergelegt.

3.2.3.   Die zweite Einzelrichtlinie (2000/69/EG) über Grenzwerte für Benzol und Kohlenmonoxid in der Luft trat am 13. Dezember 2000 in Kraft. Bei der Übermittlung der in dieser Richtlinie vorgeschriebenen jährlichen Berichte ist die Entscheidung 2004/461/EG der Kommission zu befolgen.

3.2.4.   Die dritte Einzelrichtlinie 2002/3/EG über den Ozongehalt der Luft wurde am 12. Februar 2002 angenommen und steckt langfristige Ziele ab, die den neuen Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation und den von dieser vorgegebenen, bis 2010 zu erreichenden Referenzwerten für die Ozonkonzentrationen in der Luft entsprechen. Diese Zielwerte folgen der Richtlinie 2001/81/EG über nationale Emissionshöchstmengen für bestimmte Luftschadstoffe.

3.2.5.   Die vierte Einzelrichtlinie 2004/107/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2004 bezieht sich auf die Verringerung der Immissionskonzentrationen von Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen.

3.2.6.   Vor kurzem wurde die Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa erlassen, in der die Rahmenrichtlinie und die ersten drei Einzelrichtlinien zusammengefasst wurden, während die vierte Einzelrichtlinie erst übernommen werden soll, sobald ausreichende Erfahrungen mit ihrer Anwendung vorliegen. Diese Richtlinie regelt die Messungen von PM2,5-Partikeln und legt nationale Reduktionsziele, den Indikator für die durchschnittliche Exposition und den Grenzwert fest, der 25 µg/m3 und ab 2020 20 µg/m3 betragen wird. Diese Richtlinie wurde nach Erhalt des Berichts der Weltgesundheitsorganisation WHO, „Air Quality Guidelines Global Update 2005“, angenommen, in dem die Gefährlichkeit der Feinstaubfraktion PM2,5 aufgezeigt und darüber hinaus die Gefährlichkeitsschwellen für NOx, SOx und O3 bestimmt wurden.

3.2.7.   Das stichhaltigste Argument für die Heranziehung der PM2,5 ergibt sich aus der Tatsache, dass sie besser für die Messung der anthropogenen Tätigkeiten, insbesondere der Verbrennungsquellen, geeignet sind (Bericht des Wissenschaftlichen Ausschusses Gesundheits- und Umweltrisiken (SCHER) in der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucherschutz der Europäischen Kommission 2005).

3.3.   Lärmbeeinträchtigung

3.3.1.   Die Richtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den zulässigen Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen stammt aus dem Jahr 1970: Es handelt es sich um die Richtlinie 70/157/EWG.

3.3.2.   Es dauerte bis zum Jahr 1986, ehe die Richtlinie 86/188/EWG über den Schutz der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch Lärm am Arbeitsplatz verabschiedet wurde.

3.3.3.   Die Richtlinie 2002/49/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Juni 2002 betrifft die Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm, der definiert wird als unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln ausgeht.

3.3.4.   Später wurden die Richtlinie 2007/34/EG der Kommission vom 14. Juni 2007 zur Anpassung der Richtlinie 70/157/EWG an den technischen Fortschritt, die Richtlinie 70/157/EWG des Rates über den zulässigen Geräuschpegel und die Auspuffvorrichtung von Kraftfahrzeugen sowie die Regelung Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN/ECE) - Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen (ABl. L 231 vom 29.8.2008) - angenommen. Außerdem ist die vor kurzem erfolgte Annahme der Verordnung KOM(2008) 316 über die allgemeine Sicherheit von Kraftfahrzeugen zu nennen, die eine wesentliche Senkung des Reifenrollgeräuschs vorsieht.

4.   Derzeitige Situation

4.1.   Laut einer Untersuchung der EUA (Exceedance of air quality limit values in urban areas - Core set indicators assessment - Dez. 2008) zum Zehnjahreszeitraum 1997-2006 lag der Anteil der städtischen Bevölkerung, die Schadstoffkonzentrationen in der Luft über den von der EU zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorgesehenen Grenzwerten potenziell ausgesetzt war:

für Feinstäube (PM10) bei 18-50 % (50 µg/m3 täglich an höchstens 35 Tagen im Kalenderjahr),

für Stickstoffdioxid (NO2) bei 18-42 % (40 µg/m3 pro Kalenderjahr), was einen leichten Rückgang bedeutet,

für Ozon (O3) bei 14-61 % (120 µg/m3 täglich im 8-Stunden-Durchschnitt nicht öfter als 25 Mal im Kalenderjahr); der Spitzenwert von 61 % wurde 2003 erreicht, wobei sich kein zuverlässiger Trend bestimmen lässt,

für Schwefeldioxid (SO2) lag der Anteil der exponierten Bevölkerung unter 1 % (125 µg/m3 maximal an drei Tagen pro Kalenderjahr).

5.   Durch Lärmbelästigung und Luftverschmutzung verursachte Schäden

5.1.   Lärm ist heutzutage eine der Hauptursachen für die Verschlechterung der Lebensqualität in den Städten. Während nämlich in den letzten 15 Jahren EU-weit eine Tendenz zur Senkung der Lärmpegel-Spitzenwerte in den am stärksten gefährdeten Gebieten zu verzeichnen war, haben sich gleichzeitig die Gebiete mit Warn-Lärmpegeln ausgedehnt, wodurch es zu einem Anstieg der exponierten Bevölkerung kam und die positiven Auswirkungen der erwähnten Tendenz zunichte gemacht wurden.

5.2.   Lärm wird allgemein als „unerwünschtes Geräusch“ oder „unangenehm und lästig empfundenes Geräusch“ definiert.

5.3.   Lärmbekämpfung kann nach drei möglichen Ansätzen erfolgen:

durch Einwirkung auf die Lärmquellen (indem die Emissionen an der Quelle reduziert oder die Mobilitätsbedingungen innerhalb eines bestimmten Gebietsteils verbessert werden),

durch Verhinderung der Lärmausbreitung (indem die Wohngebiete möglichst weit von Gebieten mit hohen Lärmemissionen entfernt angesiedelt werden),

durch Anwendung passiver Lärmschutzsysteme (Lärmschutzwände) für Gebäude, die den stärksten Lärmimmissionen ausgesetzt sind.

5.4.   Die häufigsten durch Lärm verursachten Krankheiten sind aurale und extraaurale Erkrankungen. Schwerhörigkeit, Tinnitus (das mitunter im Innenohr vernommene Brummen, das von einer Dauerschädigung der Haarzellen des Corti’schen Organs herrühren kann), Probleme im Zusammenhang sowohl mit dem System Schnecke-Hörnervenbahnen als auch der eustachischen Röhre (Ohrtrompete). Lärmbelastung führt zu akuten und chronischen Schädigungen des Hörsystems. Die Belastung durch Verkehrslärm ist nicht so hoch, als dass sie akute Wirkungen hervorrufen könnte. Das Hörsystem kann die negativen Effekte der chronischen Lärmexposition ausgleichen, wenn ihm eine ausreichende Ruhezeit gegönnt wird. Daher beziehen sich die Grenzwerte für die chronische Exposition auf die A-bewertete und für einen Achtstundentag gemittelte Gesamtexposition der Arbeitnehmer. In der EU gilt ein Tageslärm-Expositionsgrenzwert von Lex, 8h = 87 dB(A).

5.5.   Als extraaurale Erkrankungen können auftreten: Herz-Kreislauf-Krankheiten, stressbedingte Erkrankungen des Verdauungsapparats, akute Kopfschmerzen und endokrinologische Probleme infolge der Veränderung wesentlicher Parameter. Bekannte extraaurale Lärmwirkungen umfassen Belästigung, Schlafstörungen und Komplikationen bei bereits bestehenden psychiatrischen Erkrankungen. Der Zusammenhang zwischen angegebener hochgradiger Belästigung (ein subjektiver Störparameter) und Verkehrslärmpegeln, auch der durch Schienenverkehr verursachten, wurde durch mehrere Studien, insbesondere den Nachtlärm betreffend, nachgewiesen. Schlafschwierigkeiten, die unmittelbar durch nächtlichen Verkehrslärm verursacht werden, führen oft zum Entstehen von Herz-Kreislauf- oder endokrinen Erkrankungen, die eigentümlicherweise im Gegensatz zu Schlafschwierigkeiten bei sich hinziehender Exposition nicht nachlassen.

5.6.   Ganz anders verhält es sich mit der Luftverschmutzung. Weltweit sterben jährlich 500 000 Menschen an den Folgen der Umgebungsluftverschmutzung, und die Lebenserwartung sinkt (etwa 3 Millionen Menschen sterben infolge der Innenluftverschmutzung). Laut einer Studie der Fachabteilung Umweltepidemiologie und Tumorregister am Nationalen Institut für Tumorforschung und -behandlung in Mailand ließe sich durch eine Senkung der PM10-Konzentration von 60 auf 30 µg/m3 die Zahl der Todesopfer um 1 575 auf 13 122 verringern. Das dürfte insbesondere die Bürger dieser Großstadt interessieren!

5.7.   Diese langfristige Hochrechnung stammt aus einer Studie (veröffentlicht im Journal of the American Medical Association (JAMA), 2002 - Vol. 287, Nr. 9), die C. Arden Pope III im Beobachtungszeitraum 1982 bis 1998 an einer Stichprobe von 1,2 Millionen Personen der Cancer Society durchgeführt hat und die den Titel trägt Lung Cancer, Cardiopulmonary Mortality and Long-term Exposure to fine Particulate Air Pollution. Die WHO hat die aus dieser Untersuchung hervorgegangenen Parameter akzeptiert, der zufolge sich das Sterberisiko für die Über-30-Jährigen um 6 % erhöht.

5.8.   Die Luftverschmutzung ist Ursache vieler Krankheiten wie akute und chronische Bronchitis, Lungen- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Atemprobleme (z.B. Atemnot). Sie führt zum vermehrten Auftreten von Tumorerkrankungen, asthmatischen Krisen und akuten Augenentzündungen.

6.   Arbeitnehmer, die Lärmbelästigungen und Umweltverschmutzung ausgesetzt sind

6.1.   Es gibt viele Arbeitnehmerkategorien, die in verschmutzter städtischer Umwelt einer überhöhten Belastung ausgesetzt sind. Dazu gehören all diejenigen, die unter freiem Himmel arbeiten: Wartungsarbeiter, Polizisten und Verkehrspolizisten, Tankwarte, Bus- und Lkw-Fahrer. Im EU-Recht und in den nationalen Rechtsvorschriften werden die potenziellen Risiken der einzelnen Berufe gründlich durchleuchtet und entsprechende Sicherheitsmaßnahmen vorgeschrieben.

6.2.   Für Arbeitsstätten in Industrieunternehmen, die gefährliche Materialien einsetzen, gelten besonders strikte Luftreinhaltungsvorschriften, während in Bezug auf Lärm jede Geräuschemissionen verursachende Anlage oder Maschine bei Erteilung der Betriebserlaubnis bestimmte Grenzwerte nicht überschreiten darf. Eine Ausnahme bilden einige Sonderfälle, in denen die Obergrenzen überschritten werden und die Verwendung von Gehörschutzvorrichtungen zwingend vorgeschrieben ist (Presslufthämmer, Straßenfräsen).

6.3.   Keine besonderen Vorschriften gelten für im Freien tätige Arbeitnehmer, die verschmutzte Luft einatmen oder ständigem Lärm ausgesetzt sind. Im Falle der Busfahrer ist es beispielsweise erforderlich, Lärm- und Vibrationsquellen in den Fahrzeugen abzubauen und die Schallisolierung der Fahrerkabinen zu verbessern. Eine zu hohe Lärmbelastung wirkt sich nachteilig auf die Leistung des Fahrers aus, denn sie verursacht Stress, erhöht die Muskelspannung und beeinträchtigt die Genauigkeit der Bewegungen. Lärm beeinflusst das vegetative Nervensystem und schränkt einige Funktionen ein, die für das Fahren besonders wichtig sind, wie z.B. das Beurteilungsvermögen in Bezug auf Geschwindigkeit und Entfernung.

6.4.   Alle Politik- und Verwaltungsebenen müssen zu ihrer Verantwortung für die Verbesserung der Gesundheits- und Sicherheitsbedingungen für Arbeitnehmer stehen, indem sie die Kontrollen verschärfen und strikte Strafen gegen diejenigen verhängen, die gegen die Sicherheitsnormen verstoßen. Oft werden Arbeitnehmer Opfer von Unfällen, die hätten vermieden werden können, wenn die Schutzvorschriften auf der Grundlage der aktuellsten Untersuchungen und des technologischen Fortschritts entsprechend aktualisiert worden wären. Hierzu gehören die jüngsten epidemiologischen Untersuchungen im Zusammenhang mit Schadstoffen, die als Nebeneffekt zum Aufmerksamkeitsverlust führen und irreparable Folgen haben können.

7.   Welche Maßnahmen sollen gegen die Stagnation ergriffen werden?

7.1.   Die Berichte der EU-Agenturen belegen, dass die Maßnahmen zur Schadstoffbekämpfung erst am Anfang stehen. Es gilt, die rechtlichen Schutzinstrumente für die Bürger durch ein angemessenes System von Kontrollen zu verstärken, die unabhängig von den Ämtern auf staatlicher und lokaler Ebene durchgeführt werden müssen.

7.2.   Einer neuesten Studie der EUA zufolge bildet die steigende Verkehrsnachfrage die Hauptursache für den Anstieg schädlicher Emissionen, auch wenn es aufgrund der Energieeffizienz bei Kraftstoffen zu Einsparungen kam: Oft entsteht die Nachfrage jedoch durch verkehrsfremde Faktoren (Fahrten zum Einkaufen, zur Arbeit und in den Urlaub). Außerhalb des Verkehrssektors getroffene Entscheidungen beeinflussen den „carbon footprint“, d.h. den CO2-Fußabdruck oder die Treibhausgasbilanz des Verkehrssektors und lassen die Folgen unberücksichtigt. Es bedarf einer detaillierten Analyse der Wirtschaftstätigkeiten außerhalb des Verkehrssektors (EUA, Beyond transport policy - exploring and managing the external drivers of transport demand. Technical report No 12/2008).

7.3.   In einigen Städten wurden die Messstationen aus den am stärksten belasteten Stadtvierteln in ruhige Vororte verlegt oder es wurden einfach gar keine Daten mehr in diesen Gebieten erhoben, um den Handel nicht durch Verkehrsbeschränkungen zu stören.

7.4.   Das System der Selbstzertifizierung der Reifenhersteller ist mit Kontrollen verbunden, die sich auf spezifische Asphalteigenschaften (Rauheit, spezifische Schall absorbierende Wirkung) beziehen und stark darauf ausgerichtet sind, das Fahrzeuginnengeräusch (in-vehicle noise) anstatt den von den Bürgern wahrgenommenen Außenlärm (pass-by) zu dämpfen.

7.5.   Lärmbelastung entsteht durch Zuführung von Geräuschen in die Wohnumwelt oder in die äußere Umwelt, die so weit gehen, dass sie Belästigungen oder Störungen der Ruhe und Aktivitäten des Menschen, Gefahren für die Gesundheit, Beeinträchtigungen von Ökosystemen, Sachgütern, Denkmälern, der Wohnumwelt oder äußeren Umwelt hervorrufen oder die legitime Nutzung der Umweltbereiche selbst behindern. Lärmbelastung muss durch eine wohldurchdachte Einbeziehung der Bevölkerung bekämpft werden, indem diese zu verantwortungsbewussten Verhaltensweisen zwecks Erlangung eines kollektiven Wohlergehens bewogen wird.

7.6.   Neben der Verbreitung verantwortungsbewusster Verhaltensweisen, insbesondere der jungen Generationen, durch Zusammenwirken mit der Schule, angefangen bei der Grundschule, müssen gezielte Maßnahmen ergriffen werden, um das Ziel einer Gesellschaft mit niedrigen CO2- und Schadstoffemissionen zu erreichen.

7.7.   Es müssen Anreize geschaffen werden, um den nachhaltigen, öffentlichen Stadtverkehr zu fördern. Eine interessante Maßnahme wurde von der Stadt Basel angewandt, die in Abstimmung mit den Hoteliers kostenlose (das heißt in den Hotelpreis inbegriffene) Mobilitätskarten ausgibt, die für eine Anzahl von Tagen, die denen des Aufenthalts in einem Hotel entspricht, zur unentgeltlichen Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel berechtigen.

Beschränkungen des städtischen Verkehrs bei Bevorzugung des öffentlichen Personennahverkehrs (2), differenzierte Besteuerung von Kraftfahrzeugen und Kraftstoffen entsprechend den jeweiligen Emissionen (3) und damit Internalisierung der externen Kosten (4) sowie zahlungspflichtige Verkehrsgenehmigungen für Stadtzentren, tendieren nach anfänglichen positiven Wirkungen in Gestalt der Verringerung des Stadtverkehrs jedoch dazu, mit der Zeit an Wirksamkeit zu verlieren, wie im Falle Londons, Stockholms oder Mailands. Ein Geländewagen sollte im Gelände und nicht in den Kleinstädten Europas genutzt werden, die errichtet wurden, um Kutschen und Pferden Raum zu bieten (die ebenfalls Methan-Emissionen verursachen!).

7.8.1.   Ein entscheidender Beitrag zu dem Versuch, die durch die diesbezügliche europäische Richtlinie aufgestellten Ziele zu verwirklichen, ist die Herstellung und Verwendung von Fahrzeugen, die die Emissionsgrenzwerte besser einhalten.

7.9.   Zur Entwicklung der ITS (Intelligente Verkehrssysteme) (5): Die Intelligenten Verkehrssysteme unterscheiden sich nach den angewandten Technologien und reichen von den Basismanagementsystemen wie satellitengestützten Navigationsgeräten, Ampelkontrollsystemen oder Geschwindigkeitsdetektoren für Managementanwendungen in Videoüberwachungsanlagen bis hin zu fortgeschrittenen Anwendungen, die von verschiedenen externen Quellen stammende Echtzeitdaten vervollständigen, wie Wetterinformationen, Brückenenteisungssysteme u.ä.

7.10.   Zur Anwendung gelangen können: Computertechnologien, ergänzt durch operative Echtzeitsysteme unter Verwendung von Mikroprozessoren, die bereits in neuen Automobilen vorhanden sind; das FCD-System (Floating Car Data oder Floating Cellular Data), das die Signale der Handys von Fahrzeugführern nutzt, die über ein Mobiltelefon verfügen; Technologien mit internen oder externen Sensoren; Erfassung durch Induktionsschleifen mit in den Asphalt eingelassenen Sensoren, Videoüberwachung.

7.11.   Mit der Elektronik lässt sich auch das Problem der Entrichtung außer- und innerstädtischer Mautgebühren beheben. Elektronische Mautsysteme werden neben der Mauterhebung auch für das Staumanagement eingesetzt und messen die Durchfahrten je Zeitlängenabschnitt.

7.12.   Es empfiehlt sich, Überlegungen über Freizeitfahrzeuge (Buggys, Quads, Geländemotorräder, Jet-Ski, Motorschlitten, Ultraleichtflugzeuge) anzustoßen. Oft sind die Lärmkomponente und Emissionen in Verbindung mit der starken Freisetzung übler Gerüche typisch für diese Fahrzeuge. Diese sind fast nie mit einem Kennzeichen versehen, können aber legal bewegt und geparkt werden. Ihre Motoren müssen normalerweise den allgemeinen Vorschriften entsprechen, doch fragt man sich, ob diese Regelungen ausreichend berücksichtigen, dass diese Fahrzeuge in Gebieten mit hohem Eigenwert der Natur genutzt werden. Die rasant zunehmende Verbreitung dieser Fahrzeuge wirft nicht nur Umweltprobleme auf, sondern stellt auch eine technologische Herausforderung dar.

7.13.   Internalisierung der externen Kosten, insbesondere jener, die für die Gesundheit der Bürger entstehen, und integrierte Verkehrskonzepte unter Berücksichtigung der Umweltverträglichkeit der einzelnen Projekte und des Kosten-Nutzen-Verhältnisses, der Verbesserung der Umwelt, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Auswirkungen auf die Staubildung.

7.14.   Änderung der Lebensweisen; Unterstützung der nachhaltigen Mobilität in Gestalt des Fußgänger- und Radverkehrs auf kurzen Strecken durch Verbesserung der Infrastruktur für Fußgänger und Radfahrer.

7.15.   Überprüfung der Logistikverwaltung und der Just-in-time-Produktion, die einen enormen Aufwand hinsichtlich der Warenbewegungen mit sich bringt. Standardisierung der Designs und somit zahlenmäßige Verringerung der Ersatzteile.

7.16.   Förderung der Telearbeit, wo dies möglich ist.

7.17.   Unterstützung der Forschung und innovativen Entwicklung von Material und technologischen Lösungen zur Reduzierung der verkehrs- und straßentransportbedingten Schadstoffe.

7.18.   Zur Verringerung der Auswirkungen der Lärmbelästigung könnten folgende Maßnahmen ins Auge gefasst werden: auf den Straßenbelag aufgebrachte Vorrichtungen zur Geschwindigkeitsbeschränkung (Straßenschwellen), Verbesserung der Asphaltqualität, schallschluckende Wände in Gebieten mit hoher Verkehrsdichte, wirklich abschreckende Sanktionen für Fahrzeuge, bei denen die Lärmemissionsgrenzwerte überschritten werden, bis hin zur Beschlagnahmung des Fahrzeugs, Lärmkontrollen, die mehr den „normalen“ Fahrtbedingungen der Fahrzeuge angepasst sind.

7.19.   Motorfahrzeuge sind häufig die wichtigste Ursache für Lärmbelästigungen und -schäden. Ihre Lärmemissionen sind stärker zu kontrollieren und es müssen Fahrverbote ausgesprochen werden, bis eine Bescheinigung über ihre Konformität mit den geltenden Rechtsvorschriften vorgelegt wird.

Brüssel, den 16. Juli 2009

Der Präsident des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Mario SEPI


(1)  ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 16

(2)  ABl. C 168 vom 20.7.2007, S. 77-86.

(3)  ABl. C 195 vom 18.8.2006, S. 26-28.

(4)  Siehe Seite 80 dieses Amtsblatts.

(5)  Stellungnahme CESE 872/2009, TEN/382, Einführung intelligenter Verkehrssysteme, Berichterstatter: Josef Zbořil (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).