23.12.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 318/117


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu der „Mitteilung der Kommission an den Rat und an das Europäische Parlament über die wirtschaftliche Lage der Fischereiwirtschaft und ihre Verbesserung“

KOM(2006) 103 endg.

(2006/C 318/21)

Die Kommission beschloss am 9. März 2006, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 262 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu obenerwähnter Vorlage zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz nahm ihre Stellungnahme am 11. Juli 2006 an. Berichterstatter war Herr SARRÓ IPARRAGUIRRE.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 429. Plenartagung am 13./14. September 2006 (Sitzung vom 14. September) mit 120 gegen 16 Stimmen bei 9 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Schlussfolgerungen und Empfehlungen

1.1

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) stimmt unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Bedeutung des Fischereisektors in der Europäischen Union, die weit über seinen direkten Beitrag zum BIP (1) hinausgeht, der in der Kommissionsmitteilung (2) dargelegten Einschätzung einer kritischen Wirtschaftslage in diesem Sektor zu und hält es für notwendig, Schritte zur Verbesserung dieser Lage einzuleiten. Nach Auffassung des Ausschusses sind die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in diesem Wirtschaftszweig jedoch weder realistisch noch ausreichend. Der EWSA hält die Maßnahmen für unrealistisch, da die weitaus meisten Fischereiunternehmen Familienbetriebe sind und nur ein einziges Fischereifahrzeug besitzen; sie arbeiten in Fanggründen mit begrenzten Ressourcen, verfügen über minimale Besatzungen, sind mit strengen Vorschriften für die Bestandsbewirtschaftung konfrontiert und haben sehr wenig Handlungsspielraum zur Durchführung von Maßnahmen, die eine Umstrukturierung ermöglichen und kurzfristig die Rentabilität der Unternehmen gewährleisten könnten.

1.2

Zudem sind die Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung dieser neuen Maßnahmen sehr begrenzt, da neben dem FIAF und dem EFF (3) keine weiteren Gemeinschaftsmittel bereitgestellt werden. Daher ist der EWSA der Auffassung, dass die Kommissionsmitteilung für die meisten Fischereiunternehmen wenig praktische Auswirkungen haben wird.

1.3

In Bezug auf Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Größenordnung um Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen bemühen können, ist der EWSA indes der Ansicht, dass in der Mitteilung Folgendes vorgesehen werden sollte:

Bereitstellung von Gemeinschaftsmitteln außerhalb des FIAF bzw. EFF;

nicht rückzahlbare Rettungsbeihilfen mit einer Laufzeit von mehr als 6 Monaten;

Flexibilisierung und Anpassungsfähigkeit im Rahmen der von den Mitgliedstaaten vorzulegenden nationalen Regelungen, damit Unternehmen, die sich um eine Förderung bemühen, rasch Zugang zu den vorgesehenen Beihilfen erhalten.

1.4

Nach Auffassung des Ausschusses sollten über die Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen für Unternehmen in Schwierigkeiten hinaus eine Reihe weiterer Maßnahmen auf den Weg gebracht werden, mit denen die schweren Folgen der hohen Kraftstoffpreise für die Fischereiunternehmen und ihre Besatzung abgefedert werden können. Insbesondere schlägt der EWSA der Kommission und dem Rat vor, folgende Maßnahmen einzuleiten:

a)

Anhebung der Obergrenze für De-minimis-Beihilfen auf bis zu 100.000 EUR pro Unternehmen;

b)

vorübergehende Einstellung der Flottentätigkeit aufgrund „nicht vorhersehbarer Entwicklungen“, wobei die durch die hohen Kraftstoffpreise ausgelöste Krise auch unter diesen Begriff fallen sollte;

c)

Gewährung von Beihilfen zur Finanzierung der Prämien für Absicherungsverträge, wie dies bei Versicherungen für Landwirte der Fall ist;

d)

Schaffung eines besonderen EU-Abwrackfonds, für den ein außerordentlicher Haushalt eingerichtet werden sollte, der vorrangig die Flottensegmente mit den meisten Problemen bedient, und der Schiffseignern, die ihren Betrieb freiwillig aufgeben möchten, ein würdevolles Ausscheiden ermöglichen sollte;

e)

größtmögliche Unterstützung der öffentlichen Verwaltungen sowohl auf nationaler, als auch auf Gemeinschaftsebene durch die Gewährung von Beihilfen in den Bereichen F + E + I (4) für Projekte mit fischereiwirtschaftlichem Bezug, die darauf abzielen, die Energieeffizienz der Fischerei zu steigern und alternative bzw. ergänzende Energiequellen zum Gasöl und für die Entwicklung von Technologieplattformen für die Fischerei aufzeigen;

f)

Bemühungen zur Änderung der Mentalität der Fischer mit dem Ziel, sie zur Mitwirkung an der Vermarktung von Fischereierzeugnissen zu bewegen und so zu versuchen, den Mehrwert dieser Erzeugnisse zu steigern;

g)

Überarbeitung des für die Küstenfischereiflotte geltenden Steuerrechts, wobei in den einschlägigen Vorschriften insbesondere eine Körperschaftsteuerbefreiung der Erträge vorgesehen werden sollte, die von den Betreibern der Fischauktionshallen aufgrund ihrer Mitwirkung beim Erstverkauf der Fischereierzeugnisse erwirtschaftet werden; ferner sollte der Mehrwertsteuersatz, der für von diesen Fischauktionshallenbetreibern ausgeführte Vermittlertätigkeiten gilt, herabgesetzt werden;

h)

Aufnahme der außerhalb der Gemeinschaftsgewässer fischenden Hochseeflotte in die Zweitregister, die in einigen EU-Mitgliedstaaten für die Handelsflotte bestehen, und somit Änderung der Gemeinschaftsrichtlinien über staatliche Beihilfen für den Fischereisektor.

2.   Begründung

2.1

Die Fischerei ist nicht nur ein wichtiger Eiweißlieferant für die menschliche Ernährung, sondern trägt auch wesentlich zum wirtschaftlichen und sozialen Gefüge in zahlreichen Küstengemeinden der Europäischen Union bei. Nach Daten der Kommission (5) entfallen auf die erweiterte Europäische Union (EU-25) mit 7.293.101 Tonnen Fisch (aus Fängen und Aquakultur) 5 % der gesamten Welterzeugung an Fischereierzeugnissen; damit ist die EU nach China der zweitgrößte Welterzeuger. Die Fischereiflotte der EU zählt knapp 90.000 Fischereifahrzeuge, die 229.702 Arbeitsplätze bieten.

2.2

Dieser Wirtschaftszweig ist mit schwierigen Anpassungen konfrontiert, die aufgrund der zuweilen zur Bestandserschöpfung führenden Dezimierung der Fischbestände in den meisten EU-Fischereien sowie aufgrund der ungünstigen Marktbedingungen erforderlich sind. Aus der Mitteilung geht hervor, dass die Quoten, die Fischereifahrzeugen zugeteilt werden, die westlich von Europa auf Grundfischarten (Kabeljau, Schellfisch, Wittling, Seelachs, Seehecht) und Bodenfischarten (Scholle, Seezunge, Seeteufel, Kaisergranat) fischen, seit Mitte der neunziger Jahre rückläufig sind.

2.3

Mit der GFP-Reform von 2002 wurde eine Modernisierung der EU-Fischereiwirtschaft eingeleitet und eine nachhaltige Fischerei zum Ziel gesetzt; allerdings beinhaltete dies auch Maßnahmen zur Begrenzung der Fangmengen — so u.a. Bestandserholungspläne —, die drastische Einkommenseinbußen zur Folge haben. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

2.4

Diese allgemeine Lage führt vor dem Hintergrund des gewöhnlichen und kontinuierlichen Anstiegs der Betriebskosten und der enorm gestiegenen Kraftstoffpreise dazu, dass viele Fischereifahrzeuge mit großem Verlust betrieben werden.

2.5

In der Kommissionsmitteilung werden die vielfältigen Ursachen aufgeführt, die für die oben beschriebene wirtschaftliche Lage eines großen Teils der Gemeinschaftsflotte verantwortlich sind, und mögliche Lösungsansätze vorgeschlagen.

3.   Hintergrund

3.1

Hinsichtlich der Ursachen stellt die Kommissionsmitteilung auf zwei unmittelbar einleuchtende Umstände ab:

rückläufige Einkommen und

steigende Kosten.

3.1.1

Verantwortlich für die rückläufigen Einkommen sind:

Stagnierende Marktpreise, bedingt durch

zunehmenden Anteil der Fischeinfuhren;

Zunahme der Aquakultur;

Konzentration der Verkäufe in großen Vertriebsketten.

Niedrigere Fischereierträge, bedingt durch

starke Befischung einiger Fischbestände sowie

unzureichenden Abbau von Flottenüberkapazitäten.

3.1.2

Die in der Regel jährlich ansteigenden Betriebskosten der Fischereifahrzeuge sind seit 2003 aufgrund der erhöhten Kraftstoffpreise enorm gestiegen, was sich auf sämtliche Fangflotten auswirkt; in besonderem Maße sind Grundschleppnetzfischer betroffen, die den weitaus größten Teil der Fischereiflotte bilden und deren Nettobetriebsergebnisse zumeist negativ ausfallen.

4.   Allgemeine Bemerkungen

4.1

Als Lösungsansatz zur Bewältigung der derzeit schwierigen Wirtschaftslage in der Fischereiwirtschaft setzt die Kommission u.a. auf die Einleitung

kurzfristiger Maßnahmen zur Rettung und Umstrukturierung von Fischereibetrieben, die ihre Rentabilität durch strukturelle Anpassungen wiederherstellen können;

langfristiger Maßnahmen zur Anpassung der Fischereiwirtschaft an die neue, durch die hohen Kraftstoffpreise gekennzeichnete Situation.

4.1.1   Kurzfristige Rettung und Umstrukturierung

4.1.1.1

Zur Rettung und Umstrukturierung von Fischereiunternehmen, die kurz vor dem Konkurs stehen oder sich in beträchtlichen finanziellen Schwierigkeiten befinden, sieht die Kommission die Möglichkeit vor, die vorhandenen Instrumente und den bestehenden Rahmen für staatliche Beihilfen zu nutzen, dem die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten  (6) und die Leitlinien für die Prüfung staatlicher Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor  (7) zugrunde liegen. Ferner sind einige Ausnahmen vorgesehen, die weit über diese Leitlinien hinausgehen (s. Ziffern 4.1.1.5 und 4.1.1.6).

4.1.1.2

Bei den Rettungsbeihilfen, die für höchstens sechs Monate gewährt werden, kann es sich um zurückzahlbare Darlehen oder Darlehensbürgschaften handeln. Das Ziel besteht darin, den Unternehmen eine Anpassung an die neue Situation, sprich die höheren Kraftstoffpreise, zu ermöglichen; dies gilt insbesondere für Fischereifahrzeuge mit Schleppnetzen, die Bodenarten fischen. Folgt der Rettungsbeihilfe ein gebilligter Umstrukturierungsplan, so kann sie mit Hilfe der Unterstützung, die das Unternehmen in Form einer Umstrukturierungsbeihilfe erhält, zurückgezahlt werden.

4.1.1.3

Nach Auffassung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) können Rettungsbeihilfen nur dann wirklich etwas bewirken, wenn sie in Form nicht rückzahlbarer Beihilfen und nicht als rückzahlbare Darlehen gewährt werden, da diese Beihilfen somit einen zusätzlichen Nutzen hätten, der sie für die Unternehmen attraktiver machen könnte. Ein einfaches rückzahlbares Darlehen könnte ansonsten bei jedem beliebigen Finanzinstitut beantragt werden, ohne dass hierzu eine Genehmigung seitens der Europäischen Kommission erforderlich ist.

4.1.1.4

Beihilfen für weitere Umstrukturierungsmaßnahmen zur Wiederherstellung der Rentabilität von Fischereiunternehmen stehen häufig mit Investitionen in Zusammenhang, die der Umrüstung von Fischereifahrzeugen dienen. In den Leitlinien für die Prüfung staatlicher Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor sind u.a. Vorschriften festgelegt, nach denen Beihilfen für die Modernisierung und Ausrüstung von Fischereifahrzeugen vorbehaltlich der Bestimmungen der Verordnung über das Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei (FIAF) (8) zulässig sind. Die Bedingungen für die Gewährung diesbezüglicher nationaler Beihilfen stimmen daher mit den Bedingungen überein, die für Gemeinschaftsbeihilfen im Rahmen der FIAF-Verordnung gelten (9).

4.1.1.5

In Ausnahmefällen sieht die Kommission die Gewährung nationaler Beihilfen für bestimmte, nach der FIAF-Verordnung nicht zulässige Modernisierungsvorhaben vor, wenn sie als Teil der nationalen Rettungs- und Umstrukturierungspläne für die Umstrukturierung von Fischereiunternehmen bestimmt sind. Im Hinblick auf ihre Genehmigung werden diese einzelstaatlichen Regelungen auf der Grundlage der Gemeinschaftsleitlinien von der Kommission bewertet, sofern bei der Umstrukturierung der Unternehmen von realistischen wirtschaftlichen Voraussetzungen im aktuellen Kontext ausgegangen wird, die derzeitige Lage und die voraussichtliche Entwicklung der befischten Bestände berücksichtigt werden und die Rentabilität der Unternehmen sichergestellt wird, indem die Betriebskosten bei unverändertem Fischereiaufkommen und gleicher Fangkapazität verringert werden.

4.1.1.6

Bei folgenden Investitionen kann ausnahmsweise eine Genehmigung staatlicher, im Rahmen nationaler Rettungs- und Umstrukturierungsplänen gewährter Beihilfen durch die Kommission erfolgen:

a)

eine erste Änderung der Fanggeräte im Hinblick auf eine weniger kraftstoffintensive Fangmethode;

b)

Erwerb von Ausrüstungen zur Verbesserung der Kraftstoffeffizienz (Ökometer) oder

c)

einmaliger Austausch der Maschine unter der Voraussetzung, dass

1.

bei einem Fischereifahrzeug mit einer Gesamtlänge von weniger als 12 m, das keine Schleppnetze benutzt, die neue Maschine die gleiche oder eine geringere Leistung besitzt,

2.

bei allen übrigen Fischereifahrzeugen bis zu einer Gesamtlänge von 24 m die neue Maschine mindestens 20 % weniger Leistung besitzt als die alte Maschine oder

3.

bei Trawlern mit einer Gesamtlänge über 24 m die neue Maschine mindestens 20 % weniger Leistung besitzt als die alte Maschine und das Fischereifahrzeug zu einer weniger kraftstoffintensiven Fangmethode wechselt.

4.1.1.7

Die Kommission kann sich damit einverstanden erklären, dass in den einzelstaatlichen Regelungen ein Umstrukturierungsplan für Unternehmen genehmigt wird, die mehrere Fischereifahrzeuge mit einer Gesamtlänge von über 12 m betreiben, dass die in den Unterpunkten 2. und 3. der Ziffer 4.1.1.6 c) genannte Verringerung der Maschinenleistung auf der Ebene des Unternehmens „global“ angerechnet wird und dass die Stilllegung eines Fischereifahrzeugs, für die keine staatliche Beihilfe gewährt wird, bei der erforderlichen Reduzierungsrate berücksichtigt wird.

4.1.1.8

Dies kann grundsätzlich auch bei nationalen Regelungen genehmigt werden, die einen Umstrukturierungsplan ermöglichen und von einer Gruppe kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) vorgelegt werden. In diesem Fall kann die Rentabilität einiger Gruppenmitglieder durch Maßnahmen anderer Mitglieder, beispielsweise durch die Stilllegung eines Schiffs, verbessert werden.

4.1.1.9

Während der vorübergehenden Aussetzung der Fischereitätigkeiten, die notwendig ist, um die genehmigten Investitionen vorzunehmen, können die Unternehmen entsprechende staatliche Beihilfen beantragen, sofern der Antrag im Rahmen von Rettungs- und Umstrukturierungsplänen erfolgt.

4.1.1.10

Alle übrigen öffentlichen Beihilfen einschließlich der Gemeinschaftshilfen, die einem Unternehmen gewährt werden, sind bei der Gesamtbewertung der Umstrukturierungspläne und der langfristigen Rentabilität zu berücksichtigen.

4.1.1.11

Die Mitgliedstaaten müssen die Kommission innerhalb von zwei Jahren nach Veröffentlichung der Kommissionsmitteilung, die Gegenstand dieser Stellungnahme ist, über die nationalen Regelungen für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen und im Fall größerer Unternehmen über eventuelle Einzelpläne unterrichten. Nach Bekanntgabe der Genehmigung durch die Kommission verfügen die Mitgliedstaaten über einen Zeitraum von zwei Jahren, um die für die Umstrukturierungspläne geltenden Verwaltungsvorschriften zu veröffentlichen.

4.1.1.12

Da insbesondere Grundschleppnetzfischer von den derzeitigen wirtschaftlichen Schwierigkeiten betroffen sind, sollten die Umstrukturierungsbeihilfen nach Ansicht der Kommission in erster Linie Trawlern gewährt werden.

4.1.1.13

Hinsichtlich der Frage, ob angesichts der derzeitigen hohen Kraftstoffpreise direkte Betriebsbeihilfen gewährt werden sollten, lehnt die Kommission in ihrer Mitteilung jegliche öffentlichen Interventionen zum Ausgleich dieses Kostenanstiegs ab, da es sich dabei um Betriebsbeihilfen handeln würde, die mit dem Vertrag nicht vereinbar sind.

4.1.1.14

Als Alternative könnte die Kommission ein vom Fischereisektor angeregtes Sicherungssystem genehmigen, bei dem die in günstigen Zeiten von den Akteuren der Fischereiwirtschaft eingezahlten Gelder im Fall eines plötzlichen Anstiegs der Kraftstoffpreise als Ausgleich wieder ausgezahlt werden könnten. Die Kommission könnte sich mit einem solchen Sicherungssystem nur dann einverstanden erklären, wenn sichergestellt ist, dass alle staatlichen Beihilfen zu wirtschaftlichen Bedingungen zurückgezahlt werden.

4.1.1.15

Der EWSA stimmt der in der Kommissionsmitteilung dargelegten Einschätzung der kritischen Wirtschaftslage im EU-Fischereisektor zwar zu, hält die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in diesem Bereich jedoch weder für realistisch noch für ausreichend. Der EWSA hält die Maßnahmen für unrealistisch, da die weitaus meisten Fischereiunternehmen Familienbetriebe sind und nur ein einziges Fischereifahrzeug besitzen; sie arbeiten in Fanggründen mit begrenzten Ressourcen, verfügen über minimale Besatzungen, sind mit strengen Vorschriften für die Bestandsbewirtschaftung konfrontiert und haben sehr wenig Handlungsspielraum zur Durchführung von Maßnahmen, die eine Umstrukturierung ermöglichen und kurzfristig die Rentabilität der Unternehmen gewährleisten könnten. Ferner sind die Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung dieser neuen Maßnahmen sehr begrenzt, da neben dem FIAF und dem EFF keine weiteren Gemeinschaftsmittel bereitgestellt werden. Daher ist der EWSA der Auffassung, dass die Kommissionsmitteilung für die meisten Fischereiunternehmen wenig praktische Auswirkungen haben wird.

4.1.1.16

In Bezug auf solche Unternehmen, die sich aufgrund ihrer Größenordnung um Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen bemühen können, ist der EWSA der Ansicht, dass in der Mitteilung Folgendes vorgesehen werden sollte:

Bereitstellung von Gemeinschaftsmitteln außerhalb des FIAF bzw. EFF;

nicht rückzahlbare Rettungsbeihilfen mit einer Laufzeit von mehr als 6 Monaten;

Flexibilisierung und Anpassungsfähigkeit im Rahmen der von den Mitgliedstaaten vorzulegenden nationalen Regelungen, damit Unternehmen, die sich um eine Förderung bemühen, rasch Zugang zu den vorgesehenen Beihilfen erhalten.

4.1.1.17

Der EWSA macht die Kommission darauf aufmerksam, dass eine wirkungsvolle Maßnahme auf kurze Sicht in der Gewährung von De-minimis-Beihilfen bestehen kann. Nach Auffassung des Ausschusses ist der in den geltenden Vorschriften vorgesehene Höchstwert (3.000 EUR pro Unternehmen für einen Zeitraum von drei Jahren) sehr niedrig und geht an der Realität vorbei, insbesondere insofern, als bei den sonstigen EU-Politikbereichen — mit Ausnahme der Landwirtschaft — ein Höchstwert von 100.000 EUR vorgesehen ist. Daher ist der Ausschuss der Ansicht, dass eine Überarbeitung der Vorschriften zur Regelung der De-minimis-Beihilfen für den Fischereisektor dringend notwendig ist, wobei die Obergrenze auf 100.000 EUR angehoben und somit an das Förderungsniveau in den übrigen Bereichen angeglichen werden sollte. Diese Empfehlung hatte der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zu dem „Aktionsplan staatliche Beihilfen — Weniger und besser ausgerichtete staatliche Beihilfen: Roadmap zur Reform des Beihilferechts 2005-2009“ (10) ausgesprochen.

4.1.1.18

Eine weitere mögliche Maßnahme, die den Unternehmen und Besatzungen sehr zugute kommen könnte, wäre die Anerkennung der Schwere der wirtschaftlichen Lage in der Fischwirtschaft als „unvorhersehbare Entwicklung“ im Sinne von Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 2792/1999, wonach Fischern und Schiffseignern Entschädigungen für die vorübergehende Einstellung der Flottentätigkeit aufgrund dieser Umstände gewährt werden können.

4.1.1.19

Zur schnelleren Anpassung der Kapazitäten der Fischereifahrzeuge an den Zustand der Fischbestände schlägt der Ausschuss der Kommission des Weiteren die kurzfristige Einrichtung eines europäischen Abwrackfonds vor, der mit besonderen Haushaltsmitteln ausgestattet werden und zwingend und ausschließlich von den Mitgliedstaaten für Unternehmen genutzt werden sollte, die die Stilllegung ihrer Fischereifahrzeuge anmelden. Dieser Fonds könnte bevorzugt den Flottensegmenten mit den größten Problemen zugute kommen.

4.1.1.20

Ferner ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Kommission die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Fischereisektor kurzfristig dahingehend überarbeiten sollte, dass in den Mitgliedstaaten Verzeichnisse der Fischereifahrzeuge erstellt werden können, mit denen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der außerhalb der Gemeinschaftsgewässer fischenden Hochseeflotte beigetragen werden kann, wie dies in den 90er Jahren bei der Handelsflotte der Fall war.

4.1.1.21

Das Sicherungssystem zum Ausgleich plötzlicher Anstiege der Kraftstoffpreise ist nach Auffassung des Ausschusses eine weitere Art der Unterstützung, mit der die Aufrechterhaltung des Betriebs von Fischereifahrzeugen in der derzeitigen schwierigen Lage gefördert werden kann; folglich begrüßt der EWSA ein solches System, obgleich dessen Anwendung nach Ansicht des Ausschusses unter den von der Kommission geforderten Bedingungen und im derzeitigen Wirtschaftskontext sehr unwahrscheinlich ist. Daher ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Kommission den Mitgliedstaaten eine vollständige oder teilweise Abdeckung der Prämien für Absicherungsverträge ermöglichen sollte, die die Organisationen des Fischereisektors abschließen können, um sich für einen bestimmten Zeitraum bis zu einer Obergrenze gegen hohe Kraftstoffpreise abzusichern, wie dies bei Versicherungen für Landwirte möglich ist.

4.1.1.22

Des Weiteren hält der Ausschuss eine Überarbeitung des für die Küstenfischereiflotte geltenden Steuerrechts für angemessen. Im Einzelnen ist er der Auffassung, dass eine Körperschaftsteuerbefreiung der Erträge genehmigt werden könnte, die von den Betreibern der Fischauktionshallen aufgrund ihrer Mitwirkung beim Erstverkauf der Fischereierzeugnisse erwirtschaftet werden; ferner sollte der Mehrwertsteuersatz, der für von diesen Fischauktionshallenbetreibern ausgeführte Vermittlungstätigkeiten gilt, herabgesetzt werden.

4.1.2   Langfristigere Maßnahmen und Initiativen

4.1.2.1

Langfristig positive Perspektiven für die Fischwirtschaft können nur gewährleistet werden, wenn sich die Fischbestände erholen und nachhaltige Fischerei praktiziert wird. In diesem Zusammenhang werden in der Mitteilung folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

a)

Verbesserung des Fischereimanagements;

b)

bessere Einhaltung der Vorschriften für die Bestandsbewirtschaftung;

c)

Organisation des Fischmarktes sowie

d)

Förderung von Forschungsarbeiten über energie- und umweltfreundlichere Fangmethoden.

4.1.2.2

Nach Ansicht des Ausschusses sind all diese langfristigen Maßnahmen bereits Teil der neuen GFP. Der EWSA möchte die Kommission jedoch darauf hinweisen, dass nach Abschluss der Programme zur Erholung und Bewirtschaftung der am stärksten bedrohten Bestände neue praktische Anregungen erforderlich sind, um das Ziel eines Bestandsbewirtschaftungssystems zu erreichen, das einen höchstmöglichen Dauerertrag sichert.

4.1.2.3

Der EWSA bekundet seine uneingeschränkte Unterstützung für die Bemühungen der Kommission, die ordnungsgemäße Anwendung der Vorschriften der Gemeinsamen Fischereipolitik unionsweit zu überwachen. Der Ausschuss macht die Kommission erneut darauf aufmerksam, dass sie entsprechend ihrer in der Mitteilung geäußerten Absicht uneingeschränkt mit der Fischereiaufsichtsagentur zusammenarbeiten und dafür sorgen muss, dass diese Agentur mit ausreichendem Personal und wirtschaftlichen Mitteln ausgestattet wird, um die ihr übertragenen äußerst wichtigen Aufgaben wahrnehmen zu können.

4.1.2.4

Der EWSA fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen zur Bekämpfung der illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischerei zu verstärken und weist darauf hin, dass eine entscheidende Gegenmaßnahme in der Abschottung des Gemeinschaftsmarkts gegen diese Art von Fangerzeugnissen besteht, da Erzeugnisse dieser illegalen Fischerei hauptsächlich dort abgesetzt werden. Eine weitere effiziente Maßnahme zur Bekämpfung dieser Fischerei ist nach Ansicht des Ausschusses ein Verbot des Umladens von Fängen auf hoher See.

4.1.2.5

Der Ausschuss hält die von der Kommission vorgeschlagene Bewertung der Marktorganisation im Fischereisektor für erforderlich. Im Hinblick auf eine Verbesserung der finanziellen Erträge kann es in der Tat sinnvoll sein, neue Instrumente zu nutzen, mit denen die Vermarktung von Fisch und Fischereizeugnissen verbessert wird und die Erzeuger in die Lage versetzt werden, mit diesen Produkten im Erstverkauf einen höheren Mehrwert zu erzielen und sich am Vermarktungsprozess zu beteiligen. In diesem Sinne ist der Ausschuss der Ansicht, dass die Erzeugerorganisationen eine wichtige Rolle spielen können und dass sie mithin gefördert werden sollten. Um dies zu erreichen, müssten Kommission und Mitgliedstaaten sich nach Auffassung des Ausschusses darum bemühen, die Mentalität der Fischer in Bezug auf diese Fragen zu ändern.

4.1.2.6

Der EWSA befürwortet die Anregung der Kommission, einen Verhaltenskodex für den Handel mit Fisch und Fischereierzeugnissen in der Europäischen Union zu erarbeiten und begrüßt, dass die Kommission sich um die Förderung von Umweltsiegeln bemühen möchte, sobald die diesbezügliche Debatte abgeschlossen ist. Der Ausschuss äußerte sich in einer jüngst veröffentlichten Stellungnahme zu diesem Thema.

4.1.2.7

Der Ausschuss hält die letzte in der Kommissionsmitteilung vorgeschlagene langfristige Maßnahme — nämlich die Förderung von Forschungsarbeiten über energie- und umweltfreundlichere Fangmethoden — für grundlegend. Daher hofft der EWSA, dass die in der Kommissionsmitteilung zugesagten Finanzierungsgarantien eingehalten werden und dass die von den Vertretungsorganisationen der Fischereiwirtschaft vorgelegten Projekte sowie die Entwicklung von Technologieplattformen für die Fischerei größtmögliche Unterstützung erhalten.

4.1.2.8

Angesichts der derzeitigen Entwicklung der Kraftstoffpreise, die unumkehrbar scheint, ist es nach Auffassung des EWSA von größter Bedeutung, in allen in der Mitteilung angesprochenen Bereichen Forschung zu betreiben. Für besonders notwendig hält der Ausschuss die Forschung im Bereich der Erzeugung erneuerbarer Energien — vor allem die Entwicklung und praktische Anwendung neuartiger Biokraftstoffe und die Verbesserung der Energieausnutzung — und bittet um finanzielle Unterstützung seitens der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten für von den Vertretungsorganisationen der Fischereiwirtschaft vorgelegte Projekte.

Brüssel, den 14. September 2006

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Bruttoinlandsprodukt.

(2)  KOM(2006) 103 endg. vom 9.3.2006.

(3)  Finanzinstrument für die Ausrichtung der Fischerei/Europäischen Fischereifonds.

(4)  Forschung, Entwicklung und Innovation.

(5)  Alles über die GFP-Grundinformation über die Gemeinsame Fischereipolitik. Ausgabe 2006. Europäische Kommission.

(6)  ABl. C 244 vom 1.10.2004.

(7)  ABl. C 229 vom 14.9.2004.

(8)  Verordnung (EG) Nr. 1263/1999 vom 12.6.1999.

(9)  Verordnung (EG) Nr. 2792/1999 vom 17.12.1999.

(10)  ABl. C 65 vom 17.3.2006.