8.9.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 221/8


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem „Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr“

(KOM(2004) 143 endg. — 2004/0049 (COD))

(2005/C 221/02)

Der Rat beschloss am 28. April 2004, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 71 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem obenerwähnten Vorschlag.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Verkehr, Energie, Infrastrukturen, Informationsgesellschaft nahm ihre Stellungnahme am 17. Januar 2005 an. Berichterstatter war Herr CHAGAS.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 414. Plenartagung am 9./10. Februar 2005 (Sitzung vom 9. Februar) mit 119 Stimmen bei 1 Gegenstimme und 4 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im grenzüberschreitenden Verkehr (im folgenden „Qualitätsverordnung Personenverkehr“ genannt) ist Bestandteil des so genannten Dritten Eisenbahnpakets, das von der Europäischen Kommission am 3. März 2004 verabschiedet wurde. Die weiteren Elemente sind:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: Liberalisierung des internationalen Eisenbahnpersonenverkehrs (KOM(2004) 139 endg.);

Vorschlag für eine Richtlinie zur Zertifizierung von Zugpersonal (KOM(2004) 142 endg.);

Vorschlag für eine Verordnung zu Entschädigungen bei Nichterfüllung vertraglicher Qualitätsanforderungen im Schienengüterverkehr (KOM(2004) 144 endg.);

sowie

Mitteilung der Kommission zur Fortsetzung der Integration des europäischen Eisenbahnsystems (KOM(2004) 140);

Arbeitsdokument der Dienststellen der Kommission zur schrittweisen Öffnung des Marktes für den internationalen Eisenbahnpersonenverkehr (SEK(2004) 236).

1.2

Das so genannte Erste Eisenbahnpaket (auch Infrastrukturpaket genannt) trat am 15. März 2001 in Kraft und musste bis zum 15. März 2003 in nationales Recht umgesetzt werden. Es enthält die folgenden Elemente:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: u.a. freier Markzugang für den grenzüberschreitenden Schienengüterverkehr auf dem Transeuropäischen Eisenbahngüternetz bis 15. März 2003 und Liberalisierung des gesamten internationalen Schienengüterverkehrs bis 15. März 2008 (1);

Ausweitung des Geltungsbereichs für eine Europäische Lizenz für Eisenbahnunternehmen (Änderung der Richtlinie 95/18/EG) (2);

Harmonisierung der Bestimmungen zur Zuteilung von Infrastrukturkapazitäten und zur Berechnung der Infrastrukturgebühren, Regelungen für ein Sicherheitszertifikat (ersetzt Richtlinie 95/19/EG) (3).

1.3

Im Oktober 2003 hat die Europäische Kommission wegen fehlender Notifizierung der Umsetzung des Ersten Eisenbahnpakets in nationales Recht Klage gegen neun Mitgliedstaaten beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Im Mai 2004 stand die Notifizierung von fünf Ländern aus und zwei Mitgliedstaaten hatten die Bestimmungen nur teilweise in nationales Recht umgesetzt.

1.4

Das so genannte Zweite Eisenbahnpaket wurde am 30. April 2004 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft veröffentlicht und muss bis zum 30. April 2006 in nationales Recht umgesetzt werden. Es enthält die folgenden Elemente:

Änderung der Richtlinie 91/440/EWG: Vorverlagerung des freien Marktzugangs für den internationalen Eisenbahngüterverkehr auf den 1. Januar 2006 und Liberalisierung des nationalen Eisenbahngüterverkehrs einschließlich Kabotage ab dem 1. Januar 2007 (4);

Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit in der Gemeinschaft (5);

Verordnung zur Schaffung einer Europäischen Eisenbahnagentur (6);

Änderung der Richtlinien zur Interoperabilität des Hochgeschwindigkeitssystems (Richtlinie 96/48/EG) und des konventionellen Eisenbahnsystems (Richtlinie 2001/16/EG) (7).

1.5

Mit diesen beiden Eisenbahnpaketen wurden die rechtlichen Grundlagen geschaffen, einen Binnenmarkt für den Eisenbahngüterverkehr herzustellen. Die Maßnahmen umfassen den Marktzugang, die Lizenzierung und Sicherheitszertifizierung von Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU), den Zugang zur Infrastruktur und die Berechnung der Nutzungsgebühren, die Schaffung eines Rechtsrahmens für die Eisenbahnsicherheit sowie Maßnahmen zur Herstellung einer technischen Interoperabilität des Eisenbahnsystems.

1.6

Dieser, durch das Erste und Zweite Paket geschaffene Rechtsrahmen erfordert, wie der EWSA bereits in seiner Stellungnahme zum 2. Eisenbahnpaket (8) angemerkt hat, eine völlige organisatorische Umstrukturierung des Sektors mit der Schaffung neuer Behörden und Zuständigkeiten.

1.7

Mit dem jetzigen Entwurf schlägt die Kommission vor, wie bereits im Luftverkehr, wo die Rechte der Fluggäste bei Überbuchungen und Verspätungen besser geschützt werden, auch im Eisenbahnsektor Rechtsvorschriften zum Schutz der Fahrgäste im internationalen Verkehr zu erlassen.

2.   Vorschlag der Kommission

2.1   Haftung und Entschädigung

2.1.1

Der Verordnungsvorschlag regelt die Haftung des Eisenbahnunternehmens bei Tod und Verletzungen von Fahrgästen sowie bei Verlust und Beschädigung des Gepäcks.

2.1.2

Für Verspätungen werden Mindestausgleichszahlungen festgelegt (Anhang III), die zu leisten sind, ohne dass der Fahrgast das Recht auf Beförderung verliert.

Anhang III

Art des Verkehrsdienstes

Fahrtdauer

50% Ausgleichszahlungen bei

100% Ausgleichszahlungen bei

Grenzüberschreitende Fahrten (zum Teil) mit Höchstgeschwindigkeitszügen im Linienverkehr

Bis zu 2 Stunden

Verspätungen von 30 bis 60 Minuten

Verspätungen über 60 Minuten

Über 2 Stunden

Verspätungen von 60 bis 120 Minuten

Verspätungen über 120 Minuten

Grenzüberschreitende Fahrten mit anderen Linienverkehrszügen als Hochgeschwindigkeitszüge

Bis zu 4 Stunden

Verspätungen von 60 bis 120 Minuten

Verspätungen über 120 Minuten

Über 4 Stunden

Verspätungen von 120 bis 240 Minuten

Verspätungen über 240 Minuten

2.1.3

Der Verordnungsvorschlag regelt umfassend die Rechte der Fahrgäste bei Verpassen von Anschlüssen oder der Annullierung von Zügen sowie die Betreuung der Kunden bei Verspätungen und Anschlussverpassungen.

2.2   Informationsbereitstellung und Fahrkartenverkauf

2.2.1

Anhang I regelt die vom Eisenbahnunternehmen anzugebenden Mindestinformationen vor, während und nach der Fahrt. Im Anhang II werden die auf der Fahrkarte anzugebenden Mindestanforderungen festgelegt.

2.2.2

Fahrkarten und/oder Durchgangsfahrkarten müssen von den Eisenbahnunternehmen für die Knotenbahnhöfe sowie für die umliegenden Zonen verkauft werden. Mehrere Eisenbahnunternehmen müssen zu diesem Zweck zusammenarbeiten und Verträge abschließen, um den Verkauf von Durchgangsfahrkarten zu gewährleisten. Diese Fahrkarten müssen an Fahrkartenschaltern, Fahrkartenautomaten, per Telefon oder Internet angeboten werden. Im Fall geschlossener Fahrkartenschalter oder defekter Automaten müssen die grenzüberschreitenden Fahrkarten im Zug erhältlich sein. Systemverkäufer müssen für Informationserteilung und Fahrkartenverkäufe für alle Eisenbahnunternehmen offen stehen.

2.2.3

Die Eisenbahnunternehmen müssen die Öffentlichkeit über Pläne zur Einstellung grenzüberschreitender Dienste informieren.

2.3   Personen mit eingeschränkter Mobilität

2.3.1

Der Verordnungsentwurf regelt die Betreuung von Personen mit eingeschränkter Mobilität im Bahnhof und im Zug sowie beim Ein-, Aus- und Umsteigen. Der Betreuungsbedarf muss 24 Stunden vorher angemeldet werden.

2.4   Dienstqualitätsnormen und Beschwerdeverfahren

2.4.1

Die Eisenbahnunternehmen sind verpflichtet, Dienstqualitätsnormen (definiert im Anhang IV) festzulegen und ein Qualitätsmanagementsystem einzurichten. Die erreichte Dienstqualität muss jährlich im Geschäftsbericht veröffentlicht werden.

2.4.2

Ein Beschwerdeverfahren ist einzurichten, wobei dem Kunden in der Sprache zu antworten ist, in der er die Beschwerde einreicht. Die Beschwerde kann in einer der Sprachen der Länder eingereicht werden, die der internationale Zug befährt. In jedem Fall sind Deutsch, Englisch und Französisch zulässig. Dies gilt auch für das Einreichen von Beschwerden am Verkaufsschalter.

3.   Bewertung des Vorschlags

3.1   Grundsätzliche Bemerkungen

3.1.1

Im Vorschlag der Kommission werden gleichzeitig zwei Bereiche geregelt. Die Vorschläge zur Haftung der Unternehmen und Entschädigungen im Fall von Verspätungen, Annullierungen, Personen- und Sachbeschädigungen ebenso wie die Betreuung von Personen mit eingeschränkter Mobilität entsprechen in etwa dem Geltungsbereich der Verordnung über Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall von Nichtbeförderung, Annullierung und großen Verspätungen (9). Hier werden Fahrgastrechte für einen zweiten Verkehrssektor, den Eisenbahnsektor, auf europäischer Ebene geregelt.

3.1.2

Der zweite Bereich betrifft einen anderen Komplex. Hier werden die Unternehmen zur Zusammenarbeit verpflichtet, um eine Fahrplanauskunft, Fahrpreisauskunft und den Fahrschein aus einer Hand in einem Wettbewerbssystem zu garantieren. Dabei sind sowohl die Verbindungen zwischen so genannten Knotenpunkten als auch die Bahnhöfe in einer Zone um den nächstgelegenen Knotenbahnhof umfasst. Dieser Vorschlag ist in engem Zusammenhang mit dem Vorschlag zur Änderung der Richtlinie 91/440/EWG und der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs zu sehen.

3.1.3

Die Normen für Fahrplan- und Fahrpreisauskunft sowie — mit wenigen Ausnahmen wie z.B. für Thalys oder Eurostar — für die Ausstellung der Fahrscheine werden unter den heutigen Bedingungen, zu denen internationale Eisenbahnpersonenverkehre durch Kooperationsverkehre zwischen den Eisenbahnunternehmen oder durch internationale Gruppierungen durchgeführt werden, erfüllt. Im Rahmen eines Systems konkurrierender Unternehmen müssen diese Bestimmungen beibehalten und im Wege der Regulierung oder Gesetzgebung verbessert werden.

3.2   Geltungsbereich

3.2.1

Der Geltungsbereich bezieht sich auf den internationalen Eisenbahnpersonenverkehr. Die Bestimmungen umfassen aber auch die Verbindungen von den Knotenpunkten zu den umliegenden Bahnhöfen in der nächstgelegenen Zone.

3.2.2

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss macht darauf aufmerksam, dass die Anschlussverbindungen Dienste betreffen können, die gemeinwirtschaftlichen Verträgen unterliegen.

3.2.3

Der Geltungsbereich wird jedoch durch die in der Verordnung eingeführte Definition von Eisenbahnunternehmen (Artikel 2.1) eingeschränkt. Hier sind nämlich nur Unternehmen einbezogen, deren Haupttätigkeit im Befördern von Personen besteht. Daraus könnte gefolgert werden, dass Eisenbahnunternehmen, die auch Güterverkehr betreiben, von den Bestimmungen der Verordnung ausgeschlossen sind. Dies ist nicht akzeptabel.

3.3   Haftung und Entschädigung

3.3.1

Der EWSA begrüßt grundsätzlich die Einführung europäischer Rechtvorschriften zur Entschädigung von Fahrgästen bei nicht oder nur unbefriedigend erbrachter Leistung und zu Haftungsverpflichtungen der Eisenbahnunternehmen.

3.3.2

Allerdings sollte sichergestellt sein, dass bei den verbindlichen Rechtsvorschriften eine Gleichbehandlung der verschiedenen konkurrierenden Verkehrsträger erfolgt.

3.3.3

Es fällt auf, dass der Eintritt des Entschädigungsfalls für den internationalen Bahnverkehr früher ist als im Luftverkehr und dies obwohl der landgebundene Bahnverkehr oft längere Reisezeiten und größere Störpotenziale aufweist. So sind Fahrpreiserstattungen im Luftverkehr erst nach fünf Stunden Verspätung wirksam.

3.3.4

Die kostenlose Verpflegung von Fahrgästen muss bei Zugverspätungen im angemessenen Verhältnis zur Wartezeit erfolgen. Im Luftverkehr liegt die Grenze bei zwei Stunden Wartezeit und mehr.

3.3.5

Bei Flugannullierungen müssen Ausgleichszahlungen nicht geleistet werden, wenn die Annullierung aufgrund „außergewöhnlicher Umstände“ vorgenommen wird. Dieser Haftungsausschlussgrund gilt für den Schienenpersonenverkehr nicht.

3.3.6

Die Verordnung für den Flugverkehr sieht ferner keinen Entschädigungsanspruch für Folgeschäden aufgrund von Verspätungen oder Annullierungen vor, während dies für den Bahnverkehr verordnet wird. Dagegen sieht der Verordnungsvorschlag keine Obergrenze für Folgeschäden vor.

3.3.7

Die Haftungsobergrenze ist für das Handgepäck und das sonstige Gepäck unterschiedlich festgesetzt: 1.800 Euro für das Handgepäck und 1.300 Euro für das sonstige Gepäck. Aus der Begründung ist zu entnehmen, dass die Kommission sich hier an unterschiedliche vergleichbare Abkommen angelehnt hat (CIV für den Eisenbahnsektor und Montrealer Übereinkommen für den Luftfahrtssektor). Aus Sicht des Fahrgastes ist diese Unterscheidung nicht nachvollziehbar.

3.3.8

Der Verordnungsentwurf enthält unterschiedliche Bestimmungen zur verschuldensabhängigen und verschuldensunabhängigen Haftung des Unternehmens gegenüber dem Kunden. So haftet das Unternehmen bei Verlust oder Beschädigung des Handgepäcks in Obhut des Fahrgastes nur, wenn ein Verschulden des Unternehmens vorliegt. Für andere Haftungsfälle haftet das Unternehmen verschuldensunabhängig.

3.3.9

Für Verspätungen haftet das Unternehmen nicht, wenn diese durch außergewöhnliche Wetterbedingungen, Naturkatastrophen oder Kriegs- und Terrorakte verursacht wurden. Bei anderen Verspätungsursachen haftet das Unternehmen auch ohne Verschulden.

3.3.10

Der EWSA befürwortet grundsätzlich eine verschuldensunabhängige Haftung bei Verspätungen in allen Verkehrssektoren. Es handelt sich dabei nicht um einen Schadensersatz im engeren Sinne, sondern um einen Ausgleich für nicht erbrachte Dienstleistung. Aus Sicht des Verbrauchers/Kunden ist es unerheblich, ob ein Verschulden des Unternehmens vorliegt. Die hier verordneten Einschränkungen sind angemessen.

3.3.11

Aus dem Verordnungsvorschlag geht nicht eindeutig hervor, ob ein Fahrgast aufgrund einer Verspätung auf das Antreten der Reise verzichten kann und hier eine Rückerstattung ohne Abzüge erhält. Gerade bei Geschäftsreisen kann eine Verspätung dazu führen, dass die Reise unnötig wird.

3.4   Betreuung von Personen mit eingeschränkter Mobilität und anderen Fahrgästen

3.4.1

Der EWSA begrüßt die Regelungen zur Betreuung von Personen mit eingeschränkter Mobilität.

3.4.2

Eisenbahnverkehrsunternehmen sollten Informationen allen Fahrgästen — auch Personen mit eingeschränkter Mobilität gemäß Artikel 2 Absatz 21 — zugänglich machen, indem Schalter und Informationstafeln in geeigneter Höhe eingerichtet und leicht lesbare Texte in großer Schrift vorgesehen werden.

3.5   Information der Fahrgäste und Fahrscheine

3.5.1

Der EWSA begrüßt die Bestimmungen zur Information der Fahrgäste vor, während und nach der Fahrt (Anhang I). Insbesondere die mangelnde Unterrichtung vor und während der Fahrt bei Verspätungen führt regelmäßig zu erheblichen Verärgerungen bei den Kunden.

3.5.2

Hinsichtlich der Mindestinformation auf der Fahrkarte (Anhang II) sollte vermerkt werden, ob und wann das Ticket unter Rückerstattung des Fahrpreises zurückgegeben werden kann. Aufgrund sehr unterschiedlicher Buchungssysteme ist dies für den Fahrgast oft nicht erkennbar.

3.5.3

Die Verordnung schreibt vor (Artikel 3, 5 und 6):

dass Eisenbahnunternehmen und/oder Reiseveranstalter Informationen über Fahrzeiten, Fahrpreise, Fahrradmitnahme etc. aller anbietenden Eisenbahnunternehmen in allen Verkaufssystemen (Fahrkartenschalter, Telefon, Internet oder andere zukünftige Systeme) erteilen müssen;

dass die Unternehmen zusammenarbeiten müssen, um den Kunden Durchgangsfahrkarten in allen Verkaufssystemen zu verkaufen.

3.5.4

Der EWSA hält es grundsätzlich für wünschenswert, den Fahrgästen ein einheitliches Buchungs- und Informationssystem für alle Eisenbahnverkehrsangebote und den damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen anzubieten.

3.5.5

Allerdings weist er auf die Besonderheiten des Bahnverkehrs hin, nämlich:

die Netzgebundenheit, die Verflechtung zwischen internationalem Fernverkehr, nationalem Fernverkehr und Nahverkehr einschließlich gemeinwirtschaftlicher Verkehre, die anderen Vertragsverpflichtungen unterliegen;

die Vorteile kurzfristiger Buchungen (Spontanreisen), Zustiegsmöglichkeiten auf der Strecke und oft fehlende Verpflichtung zur Sitzplatzbindung;

Fahrkarten, die nicht an die Person gebunden sind.

3.5.6

Eine direkt anwendbare Verordnung kann nicht in angemessener Weise die Komplexität berücksichtigen, die durch die Verknüpfung von internationalen Schienenpersonendiensten mit Regionaldiensten in einem Netzsystem einschließlich der Integration von konkurrierenden Linienanbietern entsteht. Die Anzahl der betroffenen Bahnhöfe (Knotenpunkte und umliegende Bahnhöfe in der Zone eines Knotenpunkts) beispielsweise ist erheblich.

3.5.7

Der Ausschuss betont, dass diese Standards für den internationalen Schienenpersonenverkehr heute weitgehend erfüllt sind. In einem System konkurrierender Unternehmen müssen diese Bestimmungen indes beibehalten und durch eine entsprechende Gesetzgebung verbessert werden.

3.6   Auswirkungen der Verordnung auf die Beschäftigten

3.6.1

Artikel 21 des Verordnungsentwurfs besagt, dass das Eisenbahnunternehmen für sein Personal haftet. Artikel 22 hingegen spricht von der Möglichkeit kumulierter Ansprüche und umfasst hierbei auch Ansprüche gegen das Personal. Es muss eindeutig klargestellt werden, dass das Eisenbahnpersonal keinen Haftungsansprüchen seitens der Passagiere oder Dritter ausgesetzt ist, dass vielmehr weiterhin der Arbeitgeber haftet.

3.6.2

Hohe Entschädigungsleistungen für Verspätungen dürfen nicht dazu führen, dass die Eisenbahnunternehmen bereit sind, höhere Risiken in puncto Sicherheit einzugehen, um Entschädigungsansprüchen auszuweichen. Es muss ebenfalls ausgeschlossen werden, dass Eisenbahnunternehmen ihre Beschäftigten übermäßigen Belastungen aussetzen, mit der Gefahr, dass die Einhaltung von Arbeits-, Einsatz- und Ruhezeiten vernachlässigt wird. Ferner muss sichergestellt sein, dass ausreichend und gut ausgebildetes Personal zur Verfügung steht, um die Qualitätsanforderungen zu erfüllen.

3.6.3

Anhang IV zu Mindestnormen für die Dienstleistungsqualität muss darum die Qualifizierung des entsprechenden Personals umfassen. Dies gilt sowohl für das Personal im Zug als auch das Bahnhofspersonal und das Personal für die Beschwerdebearbeitung.

4.   Schlussfolgerungen

4.1

Der EWSA begrüßt die Vorlage einer Verordnung über Fahrgastrechte und –pflichten im internationalen Eisenbahngüterverkehr. Hier werden die bisher nur für den Luftfahrtsektor geltenden Verbraucherschutzbestimmungen auf einen weiteren Verkehrsträger übertragen.

4.2

Der EWSA spricht sich jedoch gegen eine Ungleichbehandlung von miteinander konkurrierenden Verkehrsträgern aus. Die für den Eisenbahnsektor geltenden Bestimmungen dürfen nicht strenger sein als die für den Luftfahrtsektor geltenden Bestimmungen.

4.3

Der EWSA sieht einen Nachbesserungsbedarf in der Verordnung hinsichtlich Einzelbestimmungen zur Haftung bei Folgeschäden, der Festlegung von Haftungsobergrenzen und bei den Ausschlussgründen bei Zugannullierungen.

4.4

Grundsätzlich spricht sich der EWSA für eine verschuldensunabhängige Fahrpreisrückerstattung für nicht oder unzureichend erbrachte Dienstleistungen aus, wenn sie für alle Verkehrsträger gelten.

4.5

Der EWSA befürwortet das Konzept eines einheitlichen Informations- und Buchungssystems zur Gewährleistung guter Servicequalität für die Fahrgäste. Er hegt jedoch Vorbehalte bezüglich der Behandlung dieses Komplexes im Rahmen der selben Verordnung über Entschädigungs- und Haftungsregelungen.

4.6

Der EWSA verweist darauf, dass die Etablierung eines einheitlichen Informations- und Buchungssystems in einem verflochtenen System mit Netzanbietern im grenzüberschreitenden, nationalen, regionalen und gemeinwirtschaftlichen Verkehr verbunden mit konkurrierenden Linienanbietern äußerst komplex ist, insbesondere wenn dieses System in allen Verkaufssystemen angeboten werden soll.

4.7

Er verweist darauf, dass die Vorlage von Rechtsvorschriften zur Fahrgastinformation und Fahrkartenausstellung im internationalen Eisenbahngüterverkehr in engem Zusammenhang mit der Änderung der Richtlinie 91/440/EWG zur Liberalisierung des grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonenverkehrs zu betrachten ist.

Brüssel, den 9. Februar 2005

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND


(1)  Richtlinie 2001/12/EG - ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 1 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(2)  Richtlinie 2001/13/EG - ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 26 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(3)  Richtlinie 2001/14/EG - ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 209 vom 22.7.1999, S. 22.

(4)  Richtlinie 2004/51/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 164 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(5)  Richtlinie 2004/49/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 44 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(6)  Verordnung (EG) Nr. 881/2004 – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 1 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(7)  Richtlinie 2004/50/EG – ABl. L 164 vom 30.4.2004, S. 114 – Stellungnahme des EWSA – ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(8)  ABl. C 61 vom 14.3.2003, S. 131.

(9)  Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 295/91.