52004XC0427(04)

Bekanntmachung der Kommission über die Behandlung von Beschwerden durch die Kommission gemäß Artikel 81 und 82 EG-Vertrag (Text von Bedeutung für den EWR)

Amtsblatt Nr. C 101 vom 27/04/2004 S. 0065 - 0077


Bekanntmachung der Kommission über die Behandlung von Beschwerden durch die Kommission gemäß Artikel 81 und 82 EG-Vertrag

(2004/C 101/05)

(Text von Bedeutung für den EWR)

I. EINLEITUNG UND GEGENSTAND DER BEKANNTMACHUNG

1. Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003(1) begründet parallele Zuständigkeiten der Kommission sowie der Wettbewerbsbehörden und Gerichte der Mitgliedstaaten bei der Anwendung von Artikel 81 und 82 des Vertrages. Sie anerkennt insbesondere die komplementären Funktionen der Kommission und der einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden einerseits, die die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln im öffentlichen Interesse gewährleisten, und der einzelstaatlichen Gerichte andererseits, die in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten die sich aus Artikel 81 und 82 ergebenden subjektiven Rechte wahren(2).

2. Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 können die im öffentlichen Interesse tätigen Wettbewerbsbehörden den Schwerpunkt ihrer Arbeit auf die Untersuchung schwerwiegender Zuwiderhandlungen gegen die Artikel 81 und 82 legen, die sich häufig nur schwer ermitteln lassen. Informationen aus dem Markt, von Unternehmen und Verbrauchern, sind ihnen dabei von Nutzen.

3. Daher ist es Anliegen der Kommission, Bürger und Unternehmen zu ermutigen, sich an die Wettbewerbsbehörden zu wenden, um sie über vermutete Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln zu informieren. Hierzu gibt es auf Ebene der Kommission zwei Möglichkeiten: die eine Möglichkeit ist, eine Beschwerde gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 einzulegen. Nach den Artikeln 5 bis 9 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004(3) müssen diese Beschwerden bestimmten Anforderungen genügen.

4. Die andere Möglichkeit besteht darin, der Kommission Marktinformationen zukommen zu lassen, die die für Beschwerden nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geltenden Anforderungen nicht erfuellen müssen. Die Kommission hat hierzu eine eigene Internetseite für Bürger, Unternehmen und deren Verbände eingerichtet, die sie über mutmaßliche Zuwiderhandlungen gegen Artikel 81 und 82 des Vertrages informieren wollen. Solche Informationen können den Ausgangspunkt für eine von der Kommission eingeleitete Untersuchung bilden(4). Informationen über mutmaßliche Zuwiderhandlungen können an folgende Anschrift gerichtet werden:

http://europa.eu.int/dgcomp/ info-on-anti-competitive-practices

oder an die Europäische Kommission GD Wettbewerb B - 1049 Brüssel

5. Unbeschadet der Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission durch die Gemeinschaftsgerichte soll den Bürgern und Unternehmen, die Rechtsschutz im Zusammenhang mit mutmaßlichen Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln suchen, mit der vorliegenden Bekanntmachung eine Orientierungshilfe an die Hand gegeben werden. Die Bekanntmachung besteht aus zwei Hauptteilen:

- Teil II gibt Anhaltspunkte für die Wahl zwischen einer Beschwerde bei der Kommission und einer Klage vor einem einzelstaatlichen Gericht. Er geht außerdem kurz auf die Grundsätze ein, die der Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden bei der Anwendung des Wettbewerbsrechts nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zugrunde liegen. Diese Grundsätze werden in der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden ausführlich behandelt(5).

- In Teil III werden die Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 durch die Kommission erläutert.

6. Nicht von dieser Bekanntmachung erfasst sind:

- Beschwerden von Mitgliedstaaten gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003,

- Beschwerden, die auf die Einleitung von Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat gemäß Artikel 86 Absatz 3 des Vertrages iVm den Artikeln 81 oder 82 des Vertrages durch die Kommission abzielen,

- Beschwerden im Zusammenhang mit Artikel 87 des Vertrages zu staatlichen Beihilfen,

- Beschwerden im Zusammenhang mit Verstößen der Mitgliedstaaten gegen das Gemeinschaftsrecht, die von der Kommission im Rahmen von Artikel 226 des Vertrages verfolgt werden können(6).

II. VERSCHIEDENE MÖGLICHKEITEN ZUR EINREICHUNG VON BESCHWERDEN BEI MUTMASSLICHEN ZUWIDERHANDLUNGEN GEGEN ARTIKEL 81 ODER 82 EG-VERTRAG

A. BESCHWERDEN IM RAHMEN DES DURCH DIE VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2003 GESCHAFFENEN NEUEN SYSTEMS ZUR DURCHSETZUNG DER ARTIKEL 81 UND 82

7. Je nach Art seines Anliegens kann ein Beschwerdeführer entweder bei einem einzelstaatlichen Gericht oder bei einer Wettbewerbsbehörde, deren Aufgabe es ist, die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im öffentlichen Interesse zu gewährleisten, vorstellig werden. Dieser Teil der Bekanntmachung soll potenzielle Beschwerdeführer dabei unterstützen zu entscheiden, ob sie eine Beschwerde an die Kommission oder an eine Wettbewerbsbehörde der Mitgliedstaaten richten oder vor einem einzelstaatlichen Gericht Klage erheben wollen.

8. Während die einzelstaatlichen Gerichte die Aufgabe haben, die Rechte des Einzelnen zu schützen, und daher verpflichtet sind, über alle bei ihnen anhängig gemachten Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, können die Wettbewerbsbehörden nicht allen Beschwerden nachgehen, sondern müssen bei der Bearbeitung von Fällen Prioritäten setzen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat die Kommission, der es nach Artikel 85 Absatz 1 des Vertrages obliegt, auf die Verwirklichung der in Artikel 81 und 82 niedergelegten Grundsätze zu achten, die Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft festzulegen und gemäß ihrer Ausrichtung durchzuführen. Um der wirksamen Erledigung dieser Aufgabe willen darf sie den ihr vorliegenden Beschwerden unterschiedliche Priorität zuweisen(7).

9. Nach der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind neben der Kommission auch die Gerichte und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten befugt, Artikel 81 und 82 in ihrer Gesamtheit anzuwenden. Zu den wichtigsten Zielen der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gehört es, dass Gerichte und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten an der Durchsetzung der Artikel 81 und 82 des Vertrages effektiv beteiligt werden(8).

10. Nach Artikel 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 haben die Gerichte und Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten, wenn sie ihr nationales Wettbewerbsrecht auf Vereinbarungen oder Verhaltensweisen anwenden, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, auch die Artikel 81 und 82 des Vertrages anzuwenden. Zudem sehen die Artikel 11 und 15 der Verordnung eine Reihe von Möglichkeiten vor, wie die einzelstaatlichen Gerichte und Wettbewerbsbehörden mit der Kommission bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrages zusammenarbeiten.

11. Innerhalb dieses neuen Rechtsrahmens beabsichtigt die Kommission, den Einsatz ihrer Ressourcen zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln wie folgt neu auszurichten:

- Durchsetzung der EG-Wettbewerbsregeln in Fällen, zu deren Behandlung sie besonders gut geeignet ist(9), mit Schwerpunkt auf den schwerwiegendsten Zuwiderhandlungen(10);

- Behandlung von Fällen, in denen die Kommission tätig werden sollte, da sie für die Ausrichtung der Wettbewerbspolitik der Gemeinschaft und/oder für eine einheitliche Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrages von Bedeutung sind.

B. DIE SICH ERGÄNZENDEN FUNKTIONEN PRIVAT- UND ÖFFENTLICH-RECHTLICHER VERFAHREN BEI DER ANWENDUNG DES WETTBEWERBSRECHTS

12. Nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte obliegt es den einzelstaatlichen Gerichten, die durch die unmittelbare Wirkung von Artikel 81 Absatz 1 und Artikel 82 begründeten subjektiven Rechte zu sichern(11).

13. Die einzelstaatlichen Gerichte können über die Gültigkeit oder Nichtigkeit von Verträgen entscheiden und nur sie können bei einer Zuwiderhandlung gegen die Artikel 81 und 82 des Vertrages Schadensersatz zusprechen. Um die volle Wirksamkeit der Wettbewerbsregeln der Gemeinschaft sicherzustellen, kann nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes jedermann Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist. Die Geltendmachung solcher Schadensersatzansprüche vor den einzelstaatlichen Gerichten kann einen bedeutenden Beitrag zur Aufrechterhaltung wirksamen Wettbewerbs in der Gemeinschaft leisten, da sie geeignet ist, Unternehmen von Vereinbarungen und Verhaltensweisen abzuhalten, die den Wettbewerb beschränken oder verfälschen(12).

14. Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 anerkennt ausdrücklich die wichtige Rolle der einzelstaatlichen Gerichte bei der Anwendung der EG-Wettbewerbsregeln(13). Indem sie die Befugnis zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages auf die einzelstaatlichen Gerichte ausdehnt, wird den Unternehmen die Möglichkeit genommen, Gerichtsverfahren durch eine Anmeldung bei der Kommission zu verzögern; auf diese Weise wird eine Hürde, die unter der Verordnung Nr. 17(14) der Austragung von Rechtsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen im Wege stand, ausgeräumt.

15. Unbeschadet des Rechts oder der Pflicht der einzelstaatlichen Gerichte zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens beim Gerichtshof gemäß Artikel 234 des Vertrages sieht Artikel 15 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ausdrücklich vor, dass die einzelstaatlichen Gerichte die Kommission um Stellungnahmen oder Informationen bitten können. Diese Bestimmung soll den einzelstaatlichen Gerichten die Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag erleichtern(15).

16. Aus der Sicht eines Beschwerdeführers hat eine Klage vor den einzelstaatlichen Gerichten folgende Vorteile:

- Einzelstaatliche Gerichte können Schadensersatz für infolge einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82 entstandene Verluste zusprechen.

- Einzelstaatliche Gerichte können im Zusammenhang mit Vereinbarungen, die sie nach Maßgabe von Artikel 81 des Vertrages prüfen, über Zahlungsforderungen und andere Klagen auf Einhaltung vertraglicher Verpflichtungen entscheiden.

- Es ist Sache der einzelstaatlichen Gerichte, die zivilrechtliche Rechtsfolge der Nichtigkeit gemäß Artikel 81 Absatz 2 des Vertrages auf Vertragsverhältnisse zwischen Privaten zur Anwendung zu bringen(16). Dabei können sie insbesondere auch anhand des einzelstaatlichen Rechts und unter Berücksichtigung alle sonstigen in der Vereinbarung geregelten Fragen den Umfang und die Folgen der Ungültigkeit bestimmter Vertragsbestimmungen nach Maßgabe von Artikel 81 Absatz 2 des Vertrages beurteilen(17).

- In der Regel ist es für einzelstaatliche Gerichte leichter als für die Kommission, einstweilige Maßnahmen zu erlassen(18).

- In Klagen vor einzelstaatlichen Gerichten können Ansprüche, die sich auf das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft stützen, mit anderen auf das einzelstaatliche Recht gestützten Ansprüchen verbunden werden.

- Die Gerichte können in der Regel der obsiegenden Partei die Erstattung von Verfahrenskosten zusprechen. In Verwaltungsverfahren der Kommission ist dies ausgeschlossen.

17. Für die Kommission ist die Tatsache, dass ein Beschwerdeführer den Schutz seiner Rechte durch eine Klage vor einem einzelstaatlichen Gericht sichern kann, ein wichtiges Element, das sie bei ihrer Prüfung des Gemeinschaftsinteresses an der Verfolgung einer Beschwerde berücksichtigen kann(19).

18. Die Kommission ist der Auffassung, dass mit dem durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geschaffenen neuen System zur Anwendung der Artikel 81 und 82 die Möglichkeiten für Beschwerdeführer, wirksamen Rechtsschutz vor den einzelstaatlichen Gerichten zu suchen und zu erlangen, gestärkt werden.

C. ARBEITSTEILUNG ZWISCHEN DEN WETTBEWERBSBEHÖRDEN IN DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFT

19. Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 begründet parallele Zuständigkeiten für die Anwendung von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag, indem sie die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten zur Anwendung der Artikel 81 und 82 in ihrer Gesamtheit ermächtigt (Artikel 5). Durch die Möglichkeit des Informationsaustausches (Artikel 12) und der gegenseitigen Unterstützung bei Ermittlungen (Artikel 22) wird die dezentrale Anwendung der Wettbewerbsregeln durch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten weiter gefördert.

20. Die Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten ist nicht in der Verordnung festgelegt, ihre Ausgestaltung ist vielmehr der Kooperation innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN) vorbehalten. Ziel der Verordnung ist es, durch eine flexible Arbeitsteilung zwischen den Wettbewerbsbehörden innerhalb der Gemeinschaft die wirksame Durchsetzung der Artikel 81 und 82 des Vertrages zu gewährleisten.

21. Hinweise über die Arbeitsteilung zwischen der Kommission und den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden sind in einer gesonderten Bekanntmachung festgehalten(20). Die in dieser Bekanntmachung enthaltenen Orientierungslinien, die das Verhältnis zwischen den Wettbewerbsbehörden betreffen, sind auch für Beschwerdeführer von Interesse, da sie es ihnen ermöglichen, ihre Beschwerde an eine Behörde zu richten, die voraussichtlich gut geeignet sein wird, sich des Falls anzunehmen.

22. In der Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden wird dazu insbesondere ausgeführt(21):

"Bei einer Behörde kann dann davon ausgegangen werden, dass sie gut geeignet ist, sich eines Falls anzunehmen, wenn alle drei der folgenden Bedingungen erfuellt sind:

- die Vereinbarung oder Verhaltensweise hat beträchtliche unmittelbare tatsächliche oder absehbare Auswirkungen auf den Wettbewerb innerhalb des Hoheitsgebiets dieser Behörde, wird innerhalb von deren Hoheitsgebiet umgesetzt oder hat in deren Hoheitsgebiet ihren Ursprung;

- die Behörde kann die gesamte Zuwiderhandlung wirksam beenden, d. h. sie kann eine Unterlassungsanordnung erlassen, deren Wirksamkeit ausreicht, die Zuwiderhandlung zu beenden, und sie kann ggf. die Zuwiderhandlung angemessen ahnden;

- sie kann, ggf. mit Unterstützung anderer Behörden, die zum Nachweis der Zuwiderhandlung erforderlichen Beweise erheben.

Aus obigen Kriterien ergibt sich, dass zwischen der Zuwiderhandlung und dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats eine wesentliche Verknüpfung bestehen muss, damit die Wettbewerbsbehörde dieses Mitgliedstaats als gut geeignet angesehen werden kann, sich des Falls anzunehmen. Zumeist dürften die Behörden derjenigen Mitgliedstaaten, in denen der Wettbewerb durch eine Zuwiderhandlung wesentlich beeinträchtigt wird, gut geeignet sein, sich eines Falls anzunehmen, vorausgesetzt, dass sie die Zuwiderhandlung entweder durch alleiniges oder durch paralleles Vorgehen wirksam beenden können, es sei denn die Kommission ist besser geeignet, sich des Falls anzunehmen (vgl. [...]).

Hieraus folgt, dass eine einzelne nationale Wettbewerbsbehörde im Regelfall gut geeignet sind, Verfahren betreffend Vereinbarungen oder Verhaltensweisen zu durchzuführen, die den Wettbewerb hauptsächlich innerhalb ihres Hoheitsgebiets wesentlich beeinträchtigen [...]

Des Weiteren kann das alleinige Vorgehen einer nationalen Wettbewerbsbehörde dann angemessen sein, wenn dies - auch wenn mehr als eine nationale Wettbewerbsbehörde gut geeignet wäre, sich des Falls anzunehmen - ausreicht, um die gesamte Zuwiderhandlung zu beenden [...]

Ein paralleles Vorgehen durch zwei oder drei nationale Wettbewerbsbehörden kann dann angemessen sein, wenn eine Vereinbarung oder Verhaltensweise hauptsächlich in deren jeweiligen Hoheitsgebieten wesentliche Auswirkungen auf den Wettbewerb hat und das Vorgehen lediglich einer nationalen Wettbewerbsbehörde nicht ausreichen würde, die gesamte Zuwiderhandlung zu beenden bzw. sie angemessen zu ahnden [...]

Die mit einem Fall in parallelen Verfahren befassten Behörden werden sich darum bemühen, ihr Vorgehen soweit wie möglich untereinander abzustimmen. Dabei kann es zweckdienlich sein, eine von ihnen als federführende Behörde zu bestimmen und der federführenden Behörde bestimmte Aufgaben zu übertragen, beispielsweise die Koordinierung von Ermittlungsmaßnahmen, wobei aber jede Behörde für ihr eigenes Verfahren zuständig bleibt.

Die Kommission ist besonders gut geeignet, sich eines Falls anzunehmen, wenn eine oder mehrere Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, darunter Netze ähnlicher Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, in mehr als drei Mitgliedstaaten (grenzübergreifende Märkte, bei denen mehr als drei Mitgliedstaaten oder mehrere nationale Märkte betroffen sind) Auswirkungen auf den Wettbewerb haben [...]

Darüber hinaus ist die Kommission dann besonders gut geeignet, sich eines Falls anzunehmen, wenn dieser eng mit anderen Gemeinschaftsbestimmungen verknüpft ist, die ausschließlich oder effizienter von der Kommission angewandt werden können oder wenn das Gemeinschaftsinteresse eine Entscheidung der Kommission erfordert, um die gemeinschaftliche Wettbewerbspolitik weiter zu entwickeln, wenn neue Wettbewerbsfragen auftreten oder um eine wirksame Durchsetzung der Wettbewerbsregeln sicherzustellen."

23. Innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes (ECN) werden die anderen ECN-Mitglieder vor oder unverzüglich nach Einleitung der ersten förmlichen Ermittlungshandlung über Fälle informiert, in denen aufgrund einer Beschwerde Ermittlungen eingeleitet worden sind(22). Wenn dieselbe Beschwerde bei mehreren Behörden vorliegt oder eine Beschwerde nicht bei einer Behörde, eingereicht wurde, die gut geeignet ist, sich des Falls anzunehmen, versuchen die ECN-Mitglieder, innerhalb einer Regelfrist von zwei Monaten die Behörde oder Behörden zu bestimmen, die den Fall weiterverfolgen sollen.

24. Die Beschwerdeführer können selbst einen wichtigen Beitrag zur Vermeidung einer möglichen Weitergabe ihres Falls leisten, indem sie die in diesem Kapitel enthaltenen Hinweise über die Arbeitsteilung innerhalb des ECN-Netzes heranziehen, bevor sie entscheiden, bei welcher Stelle sie eine Beschwerde einlegen. Wird dennoch eine andere Behörde innerhalb des Netzwerks mit dem Fall befasst, werden die beteiligten Unternehmen und die Beschwerdeführer so bald wie möglich von den betreffenden Wettbewerbsbehörden unterrichtet(23).

25. Die Kommission kann eine Beschwerde gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 abweisen, wenn der Fall von der Wettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats bearbeitet wird oder bearbeitet worden ist. Macht die Kommission von dieser Vorschrift Gebrauch, muss sie dem Beschwerdeführer nach Maßgabe von Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 unverzüglich mitteilen, welche einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde den Fall behandelt oder bereits behandelt hat.

III. BEHANDLUNG VON BESCHWERDEN GEMÄSS ARTIKEL 7 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2003 DURCH DIE KOMMISSION

A. ALLGEMEINES

26. Gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind natürliche und juristische Personen, die ein berechtigtes Interesse(24) darlegen, befugt, bei der Kommission eine Beschwerde einzureichen, die darauf abzielt, dass die Kommission nach Maßgabe von Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 und 82 des Vertrages feststellt und ihre Abstellung anordnet. In diesem Teil der Bekanntmachung werden die Anforderungen an Beschwerden, die sich auf Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 stützen, ihre Bewertung und die Verfahrensweise der Kommission behandelt.

27. Anders als Zivilgerichte, deren Aufgabe im Schutz der individuellen Rechte von Privatpersonen besteht, ist die Kommission eine Verwaltungsbehörde, die im öffentlichen Interesse handeln muss. In der Natur dieser Aufgabe liegt es, dass die Kommission als Wettbewerbsbehörde, die im öffentlichen Interesse tätig ist, über einen Ermessensspielraum verfügt und bei ihrer Tätigkeit zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln Prioritäten setzen kann(25).

28. Die Kommission ist befugt, den ihr vorgetragenen Beschwerden unterschiedliche Priorität einzuräumen, wobei sie bei der Festlegung der Priorität einzelner Fälle auf das Gemeinschaftsinteresse abstellen kann(26). Die Kommission kann mithin eine Beschwerde abweisen, wenn sie zu der Auffassung gelangt, dass kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse besteht, das eine Weiterverfolgung des Falls rechtfertigt. Weist die Kommission eine Beschwerde zurück, so hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Entscheidung der Kommission(27) unbeschadet von Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004.

B. EINREICHUNG EINER BESCHWERDE GEMÄSS ARTIKEL 7 ABSATZ 2 DER VERORDNUNG (EG) Nr. 1/2003

a) Formblatt

29. Beschwerden gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 können nur wegen einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages und mit dem Ziel eingereicht werden, dass die Kommission Maßnahmen nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ergreifen möge. Eine Beschwerde nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 muss nach Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 die Angaben enthalten, die im Formblatt C im Anhang zu dieser Verordnung aufgeführt sind.

30. Formblatt C ist dieser Bekanntmachung als Anhang beigefügt und kann im Internet unter http://europa.eu.int/dgcomp/ complaints-form eingesehen werden. Die Beschwerde ist in dreifacher Ausfertigung auf Papier sowie nach Möglichkeit in elektronischer Form einzureichen. Darüber hinaus muss der Beschwerdeführer eine nicht vertrauliche Fassung der Beschwerde vorlegen (Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004). Eine elektronische Übermittlung an die Kommission ist von der angegebenen Website aus möglich; Ausfertigungen auf Papier sind an folgende Anschrift zu richten: Europäische Kommission GD Wettbewerb B - 1049 Brüssel

31. Formblatt C verpflichtet Beschwerdeführer, umfassende Angaben zu ihrer Beschwerde vorzulegen. Darüber hinaus sind sie gehalten, Kopien der ihnen mit zumutbarem Aufwand zugänglichen Dokumente zur Stützung ihrer Beschwerde zu unterbreiten und soweit wie möglich Hinweise zu geben, wo die Kommission einschlägige Informationen und Unterlagen, auf die sie keinen Zugriff haben, erhalten kann. In bestimmten Fällen kann die Kommission von der Vorlage von Teilen der in Formblatt C geforderten Angaben absehen (Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004). Nach Auffassung der Kommission kann diese Möglichkeit es insbesondere Verbraucherverbänden erleichtern, Beschwerden einzulegen, wenn sie, im Zusammenhang mit einer ansonsten substantiierten Beschwerde, keinen Zugang zu bestimmten Informationen haben, die sich in der Sphäre des Unternehmens befinden, gegen das die Beschwerde gerichtet ist.

32. Eingaben an die Kommission, die nicht den Anforderungen des Artikels 5 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 genügen und deshalb keine Beschwerde im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 darstellen, werden von der Kommission als allgemeine Informationen angesehen, die gegebenenfalls zu Ermittlungen von Amts wegen führen können (vgl. Rdnr. 4).

b) Berechtigtes Interesse

33. Als förmlicher Beschwerdeführer im Sinne des Artikels 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 können nur juristische und natürliche Personen auftreten, die ein berechtigtes Interesse darlegen können(28). Bei von Mitgliedstaaten eingereichten Beschwerden wird das Vorliegen eines berechtigten Interesses vermutet.

34. Die Voraussetzung des berechtigten Interesses gab in der Vergangenheit nur selten Anlass zu Zweifeln, da sich die meisten Beschwerdeführer in einer Position befanden, in der sie durch die mutmaßliche Zuwiderhandlung unmittelbar in ihren Interessen verletzt waren. Allerdings gibt es Situationen, in denen eingehender geprüft werden muss, ob das in Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geforderte berechtigte Interesse gegeben ist. Dies lässt sich am besten anhand einiger Beispiele erläutern.

35. Nach der Rechtsprechung des Gerichts erster Instanz hat ein Unternehmensverband ein berechtigtes Interesse an der Einreichung einer Beschwerde im Hinblick auf ein seine Mitglieder betreffendes Verhalten, wenn er zwar selbst durch das beanstandete Verhalten nicht unmittelbar als ein auf dem relevanten Markt tätiges Unternehmen betroffen ist, er aber erstens befugt ist, die Interessen seiner Mitglieder zu vertreten, und die beanstandete Verhaltensweise zweitens geeignet ist, die Interessen seiner Mitglieder zu verletzen(29). Umgekehrt hat der Gerichtshof befunden, dass die Kommission die Beschwerde eines Unternehmensverbands nicht zu verfolgen brauchte, dessen Mitglieder die Art von Geschäften nicht ausübten, auf die sich die Beschwerde bezog(30).

36. Aus dieser Rechtsprechung lässt sich schließen, dass Unternehmen (selbst oder durch Verbände, die ihre Interessen wahrnehmen) ein berechtigtes Interesse geltend machen können, sofern sie auf dem relevanten Markt tätig sind oder das beanstandete Verhalten geeignet ist, sie in ihren Interessen unmittelbar zu verletzen. Dies bestätigt die Praxis der Kommission, wonach ein berechtigtes Interesse beispielsweise von Unternehmen geltend gemacht werden kann, die an der Vereinbarung oder Verhaltensweise, die Gegenstand der Beschwerde ist, beteiligt sind, ebenso von Wettbewerbern, deren Interessen durch das beanstandete Verhalten verletzt sein können, sowie auch von Unternehmen, die von einem Vertriebssystem ausgeschlossen werden.

37. Auch Verbraucherverbände können Beschwerden bei der Kommission erheben(31). Zudem vertritt die Kommission die Ansicht, dass auch einzelne Verbraucher in der Lage sein können, ein berechtigtes Interesse darzulegen, wenn ihre wirtschaftlichen Interessen insofern unmittelbar verletzt werden, als sie Abnehmer der Produkte oder Dienstleistungen sind, die den Gegenstand der Zuwiderhandlung bilden(32).

38. Die Kommission sieht es hingegen nicht als ein berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 an, wenn Personen oder Organisationen sich auf das Gemeinwohl berufen, ohne darzutun, dass die Zuwiderhandlung geeignet ist, sie oder ihre Mitglieder unmittelbar zu verletzen (pro bono publico).

39. Auch lokale oder regionale Behörden und Regierungsstellen können gegebenenfalls in ihrer Eigenschaft als Käufer oder Nutzer von Waren oder Dienstleistungen, die von dem beanstandeten Verhalten betroffen sind, ein berechtigtes Interesse darlegen. Wenn sie jedoch der Kommission mutmaßliche Zuwiderhandlungen lediglich unter Berufung auf das Gemeinwohl zur Kenntnis bringen, kann dies nicht als berechtigtes Interesse im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 angesehen werden.

40. Beschwerdeführer müssen ihr berechtigtes Interesse nachweisen. Ist eine natürliche oder juristische Person, die eine Beschwerde einreicht, nicht in der Lage, ein berechtigtes Interesse nachzuweisen, so ist die Kommission unbeschadet ihres Rechts auf Einleitung eines Verfahrens von Amts wegen berechtigt, die Beschwerde nicht weiterzuverfolgen. Die Kommission kann in jeder Phase der Ermittlungen feststellen, ob diese Voraussetzung gegeben ist(33).

C. PRÜFUNG VON BESCHWERDEN

a) Gemeinschaftsinteresse

41. Nach ständiger Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte ist die Kommission nicht verpflichtet, in jedem Fall eine Untersuchung durchzuführen(34), und erst recht nicht, eine Entscheidung im Sinne von Artikel 249 EG-Vertrag bezüglich des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82 herbeizuführen(35); vielmehr hat sie das Recht, den verschiedenen bei ihr eingehenden Beschwerden unter Bezugnahme auf das Gemeinschaftsinteresse unterschiedliche Prioritäten beizumessen(36). Lediglich bei Beschwerden, die in die ausschließliche Zuständigkeit der Kommission fallen, gestaltet sich die Rechtslage anders(37).

42. Die Kommission ist jedoch gehalten, die ihr vom Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten sachlichen und rechtlichen Informationen sorgfältig zu prüfen, um das Gemeinschaftsinteresse an einer weiteren Verfolgung des Falls beurteilen zu können(38).

43. Bei der Einschätzung des mit einer Beschwerde verbundenen Gemeinschaftsinteresses kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an. Daher ist die Zahl der Beurteilungskriterien, die die Kommission heranziehen kann, nicht eingeschränkt, noch ist die Kommission verpflichtet, sich ausschließlich auf bestimmte Kriterien zu beziehen. Da die Sach- und Rechtslage von Fall zu Fall erhebliche Unterschiede aufweisen kann, ist es zulässig, neue bisher noch nicht berücksichtigte Kriterien anzuwenden(39). Gegebenenfalls kann die Kommission bei der Bewertung des Gemeinschaftsinteresses einem einzelnen Kriterium Vorrang einräumen(40).

44. Die Rechtsprechung hat bisher insbesondere die folgenden Kriterien für die Einschätzung des Gemeinschaftsinteresses an der (weiteren) Untersuchung eines Falles für relevant erachtet:

- Die Kommission kann eine Beschwerde aus dem Grund zurückweisen, dass der Beschwerdeführer seine Rechte durch eine Klage vor den einzelstaatlichen Gerichten geltend machen kann(41).

- Die Kommission darf nicht bestimmte Situationen, die unter die ihr vom EG-Vertrag zugewiesene Aufgabe fallen, als von Vornherein aus ihrem Tätigkeitsbereich ausgeschlossen ansehen, sondern muss sich in diesem Zusammenhang in jedem Fall ein Urteil über die Schwere der geltend gemachten Beeinträchtigungen des Wettbewerbs und deren fortdauernde Wirkungen bilden. Diese Verpflichtung ist insbesondere darauf gerichtet, die Dauer und das Gewicht der beanstandeten Zuwiderhandlungen sowie deren Auswirkung auf die Wettbewerbsverhältnisse in der Gemeinschaft zu berücksichtigen(42).

- Die Kommission muss gegebenenfalls die Bedeutung der behaupteten Zuwiderhandlung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, die Wahrscheinlichkeit des Nachweises ihres Vorliegens sowie den Umfang der erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen gegeneinander abwägen, um ihrer Aufgabe, die Einhaltung der Artikel 81 und 82 des Vertrages zu überwachen, gerecht zu werden(43).

- Wenngleich der Ermessensspielraum der Kommission nicht an das mehr oder weniger fortgeschrittene Untersuchungsstadium eines Falls gebunden ist, gehört dieser Aspekt doch zu den Umständen des Falls, die die Kommission gegebenenfalls berücksichtigen muss(44).

- Die Kommission kann die Behandlung einer Beschwerde als nicht angebracht ansehen, wenn die betreffenden Verhaltensweisen eingestellt worden sind. Hierzu muss die Kommission jedoch feststellen, ob die wettbewerbswidrigen Wirkungen fortdauern und ob die Schwere der Zuwiderhandlungen oder die Fortdauer ihrer Auswirkungen nicht ein Gemeinschaftsinteresse an der Verfolgung der Beschwerde begründen(45).

- Ferner kann die Kommission die Behandlung einer Beschwerde als nicht angebracht ansehen, wenn die betreffenden Unternehmen bereit sind, ihr Verhalten so zu ändern, dass die Kommission daraus schließen kann, dass kein ausreichendes Gemeinschaftsinteresse mehr besteht, in dieser Sache tätig zu werden(46).

45. Gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass das mit einem Fall verbundene Gemeinschaftsinteresse nicht ausreicht, um eine (weitere) Untersuchung zu rechtfertigen, kann sie die Beschwerde aus diesem Grund zurückweisen. Eine solche Entscheidung kann entweder vor Beginn der Untersuchung oder nach Einleitung von Untersuchungsmaßnahmen getroffen werden(47). Allerdings kann die Kommission nicht verpflichtet werden, von der Verfolgung einer Beschwerde aufgrund fehlenden Gemeinschaftsinteresses abzusehen(48).

b) Prüfung auf der Grundlage der Artikel 81 und 82

46. Die Prüfung einer Beschwerde nach Artikel 81 und 82 umfasst zwei Aspekte: einerseits die Feststellung des Sachverhalts im Hinblick auf den Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82, andererseits die rechtliche Würdigung des beanstandeten Verhaltens.

47. Eine Beschwerde kann zurückgewiesen werden, wenn sie zwar die Anforderungen des Artikels 5 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 und des Formblatts C erfuellt, die behauptete Zuwiderhandlung aber nicht hinreichend belegt wird(49). Bei der Zurückweisung einer Beschwerde mit der Begründung, dass das beanstandete Verhalten keinen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln darstellt oder nicht in deren Anwendungsbereich fällt, ist die Kommission nicht verpflichtet, Umstände zu berücksichtigen, die ihr vom Beschwerdeführer nicht angezeigt wurden und die sie nur durch eine Untersuchung des Falls hätte herausfinden können(50).

48. Im Rahmen der vorliegenden Bekanntmachung ist es nicht möglich, die Kriterien für die rechtliche Würdigung von Vereinbarungen oder Verhaltensweisen nach Artikel 81 und 82 erschöpfend darzulegen. Potenzielle Beschwerdeführer sollten, neben anderen Quellen, wie insbesondere der Rechtsprechung der Gemeinschaftsgerichte und der Entscheidungspraxis der Kommission, die umfassenden Orientierungshilfen der Kommission in Anspruch nehmen(51). Im Folgenden werden vier konkrete Fragen angesprochen und Hinweise gegeben, wo weiterführende Erläuterungen erhältlich sind.

49. In den Geltungsbereich von Artikel 81 und 82 des Vertrages fallen Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Erfuellt eine Vereinbarung oder Verhaltensweise diese Bedingung nicht, ist das EG-Wettbewerbsrecht nicht anwendbar, wohl aber kann einzelstaatliches Wettbewerbsrecht Anwendung finden. Umfassende Hinweise zu dieser Frage finden sich in der Bekanntmachung über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels(52).

50. Unter den Vereinbarungen im Geltungsbereich von Artikel 81 des Vertrages befinden sich auch Vereinbarungen von geringer Bedeutung, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie den Wettbewerb nicht spürbar beschränken. Hinweise zu dieser Frage finden sich in der De-minimis-Bekanntmachung der Kommission(53).

51. Von Vereinbarungen, die die Voraussetzungen einer Gruppenfreistellungsverordnung erfuellen, wird vermutet, dass sie die Voraussetzungen des Artikels 81 Absatz 3 des Vertrages erfuellen(54). Um den Rechtsvorteil einer Gruppenfreistellung nach Artikel 29 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 entziehen zu können, muss die Kommission feststellen, dass in dem betreffenden Fall eine Vereinbarung, für die die Gruppenfreistellungsverordnung gilt, Wirkungen hat, die mit Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages unvereinbar sind.

52. Vereinbarungen, die den Wettbewerb im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 des Vertrages beschränken, können möglicherweise die in Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages festgelegten Voraussetzungen erfuellen. Nach Maßgabe von Artikel 1 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 sind solche Vereinbarungen nicht verboten, ohne dass dies einer vorherigen behördlichen Entscheidung bedarf. Hinweise zu den Voraussetzungen, die eine Vereinbarung gemäß Artikel 81 Absatz 3 des Vertrages erfuellen muss, enthält die Bekanntmachung zu Artikel 81 Absatz 3(55).

D. VERFAHREN DER KOMMISSION ZUR BEHANDLUNG VON BESCHWERDEN

a) Überblick

53. Wie oben erwähnt, ist die Kommission nicht verpflichtet, zu jeder Beschwerde eine Untersuchung durchzuführen, um festzustellen, ob eine Zuwiderhandlung vorliegt. Sie hat allerdings die Pflicht, die ihr vom Beschwerdeführer zur Kenntnis gebrachten sachlichen und rechtlichen Gesichtspunkte aufmerksam zu prüfen, um festzustellen, ob sie ein Verhalten erkennen lassen, das einen Verstoß gegen Artikel 81 und 82 EG-Vertrag darstellt(56).

54. Im Verfahren der Kommission zur Behandlung von Beschwerden können mehrere Verfahrensschritte unterschieden werden(57).

55. In der ersten Phase, die sich an die Einreichung der Beschwerde anschließt, prüft die Kommission die Beschwerde und holt gegebenenfalls weitere Informationen ein, um zu entscheiden, wie mit der Beschwerde zu verfahren ist. In dieser Phase kann es zu einem informellen Meinungsaustausch zwischen der Kommission und dem Beschwerdeführer kommen, um die sachlichen und rechtlichen Fragen der Beschwerde abzuklären. Die Kommission kann dem Beschwerdeführer eine erste Reaktion zukommen lassen, um ihm die Möglichkeit einzuräumen, sein Vorbringen unter Berücksichtigung dieser Reaktion zu präzisieren.

56. In einer zweiten Phase kann die Kommission den Fall einer eingehenderen Prüfung zu unterziehen, um gegebenenfalls ein Verfahren nach Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gegen die betreffenden Unternehmen einzuleiten. Ist die Kommission der Ansicht, dass keine ausreichenden Gründe für die Verfolgung der Beschwerde gegeben sind, teilt sie dem Beschwerdeführer ihre Gründe hierfür mit, und gibt ihm Gelegenheit zu einer schriftlichen Stellungnahme innerhalb der von ihr gesetzten Frist (Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004).

57. Äußert sich der Beschwerdeführer innerhalb der von der Kommission vorgegebenen Frist nicht, so gilt die Beschwerde als zurückgezogen (Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004). In allen anderen Fällen nimmt die Kommission, in einer dritten Phase des Verfahrens, die vom Beschwerdeführer unterbreiteten Ausführungen zur Kenntnis und leitet entweder ein Verfahren gegen die Unternehmen ein, die zu der Beschwerde Anlass gegeben haben, oder weist die Beschwerde im Wege einer Entscheidung zurück(58).

58. Weist die Kommission eine Beschwerde gemäß Artikel 13 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 aus dem Grunde zurück, dass bereits eine andere Behörde mit dem Fall befasst ist, so verfährt sie nach Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004.

59. Während des gesamten Verfahrens verfügen die Beschwerdeführer über bestimmte Rechte, die insbesondere in den Artikeln 6 bis 8 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 festgelegt sind. Bei dem Verfahren der Kommission in diesen Fällen handelt es sich jedoch nicht um ein kontradiktorisches Verfahren im Verhältnis zwischen dem Beschwerdeführer auf der einen Seite und den Unternehmen, die Gegenstand der Untersuchung sind, auf der anderen Seite. Die verfahrensmäßigen Rechte der Beschwerdeführer gehen dementsprechend weniger weit als der Anspruch auf rechtliches Gehör der Unternehmen, gegen die sich die Untersuchung der Kommission richtet(59).

b) Regelfrist für die Information des Beschwerdeführers über das beabsichtigte Vorgehen der Kommission

60. Die Kommission ist verpflichtet, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes über eine Beschwerde zu befinden(60). Was ein angemessener Zeitraum ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und insbesondere von dessen Kontext ab, den verschiedenen Verfahrensabschnitten, die die Kommission abgeschlossen hat, dem Verhalten der Beteiligten im Laufe des Verfahrens, der Komplexität der Angelegenheit sowie ihrer Bedeutung für die verschiedenen Beteiligten(61).

61. Die Kommission wird sich grundsätzlich bemühen, dem Beschwerdeführer innerhalb von vier Monaten nach Eingang der Beschwerde mitzuteilen, wie sie auf der Grundlage der Beschwerde weiter vorzugehen beabsichtigt. Die Kommission wird demnach dem Beschwerdeführer im Regelfall und soweit die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Notwendigkeit weitere Auskünfte von dem Beschwerdeführer oder Dritten anzufordern, nicht entgegenstehen, innerhalb von vier Monaten mitteilen, ob sie beabsichtigt, der Beschwerde weiter nachzugehen oder nicht. Diese Frist ist rechtlich nicht verbindlich.

62. Im Rahmen der genannten vier Monate kann die Kommission den Beschwerdeführer in Form einer ersten Reaktion im Rahmen der ersten Verfahrensphase informieren (vgl. Rdnr. 55), wie sie zu verfahren gedenkt. Ist ihre Prüfung entsprechend fortgeschritten, kann sie auch, als Teil der zweiten Verfahrensphase (vgl. Rdnr. 56), dem Beschwerdeführer direkt ihre vorläufige Würdigung gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 übermitteln.

63. Damit eine Beschwerde so schnell wie möglich bearbeitet werden kann, ist der Beschwerdeführer gehalten, sorgfältig im Verfahren mitzuarbeiten(62), indem er die Kommission beispielsweise über neue Entwicklungen auf dem Laufenden hält.

c) Verfahrensrechte des Beschwerdeführers

64. Wenn die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gemäß Artikel 10 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 an die Unternehmen richtet, die Gegenstand der Beschwerde waren, hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine Kopie dieser Mitteilung, in der die Geschäftsgeheimnisse und andere vertrauliche Angaben der betreffenden Unternehmen unkenntlich gemacht worden sind (nicht vertrauliche Fassung der Mitteilung der Beschwerdepunkte, vgl. Artikel 6 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004). Der Beschwerdeführer kann schriftlich zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte Stellung nehmen. Für die Einreichung der schriftlichen Stellungnahme wird eine Frist gesetzt.

65. Zudem kann die Kommission dem Beschwerdeführer gegebenenfalls Gelegenheit geben, seine Argumente anlässlich der Anhörung der Beteiligten vorzubringen, wenn der Beschwerdeführer dies in seinen schriftlichen Ausführungen beantragt hat(63).

66. Der Beschwerdeführer kann von sich aus oder auf Verlangen der Kommission Unterlagen mit Geschäftsgeheimnissen oder sonstigen vertraulichen Informationen vorlegen. Vertrauliche Informationen werden von der Kommission geschützt(64). Nach Artikel 16 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 ist der Beschwerdeführer gehalten, wenn er sich gemäß den Artikeln 6 und 7 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 äußert oder wenn er anschließend im selben Verfahren weitere Informationen vorlegt, vertrauliche Informationen kenntlich zu machen, die Vertraulichkeit der Informationen zu begründen und eine getrennte nicht vertrauliche Fassung vorzulegen. In allen anderen Fällen kann die Kommission den Beschwerdeführer auffordern, die von ihm vorgelegten Unterlagen oder Erklärungen oder Teile davon, die seiner Ansicht nach vertraulich sind, kenntlich zu machen. Insbesondere kann sie dem Beschwerdeführer eine Frist setzen, innerhalb deren er erklären muss, weshalb er eine bestimmte Information für vertraulich erachtet, und innerhalb deren er der Kommission eine nicht vertrauliche Fassung einschließlich einer knappen Beschreibung jeder Angabe, die entfernt worden ist, zukommen lassen muss.

67. Die Einstufung von Informationen als vertraulich hindert die Kommission nicht daran, von Informationen Gebrauch zu machen und diese offen zu legen, wenn dies zum Nachweis einer Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages erforderlich ist(65). Sind Geschäftsgeheimnisse und vertrauliche Informationen zum Nachweis einer Zuwiderhandlung erforderlich, wird die Kommission bei jeder einzelnen Unterlage prüfen, ob das Bedürfnis sie offen zu legen größer ist als der Schaden, der aus dieser Offenlegung entstehen könnte.

68. Beabsichtigt die Kommission, eine Beschwerde mangels ausreichenden Gemeinschaftsinteresses an einer Weiterverfolgung des Falls oder aus anderen Gründen nicht weiter zu prüfen, so teilt sie dies dem Beschwerdeführer in einem Schreiben unter Angabe der entsprechenden Rechtsgrundlage (Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004) und der Gründe mit, die sie zu dieser vorläufigen Würdigung veranlasst haben. Sie gibt dem Beschwerdeführer Gelegenheit, innerhalb einer von ihr gesetzten Frist ergänzende Angaben oder Ausführungen vorzulegen. Die Kommission wird überdies auf die Folgen hinweisen, die sich aus einer Nichtbeantwortung des Schreibens gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 ergeben (siehe unten).

69. Nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 hat der Beschwerdeführer das Recht auf Einsichtnahme in die Unterlagen, die der vorläufigen Würdigung der Kommission zugrunde liegen. In der Regel erfolgt diese Einsichtnahme, indem dem Schreiben eine Kopie der relevanten Unterlagen als Anlage beigefügt wird.

70. Die Frist, innerhalb deren sich der Beschwerdeführer zu dem Schreiben gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 äußern muss, wird entsprechend den Umständen des Falls festgelegt. Sie muss jedoch mindestens vier Wochen betragen (Artikel 17 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004). Äußert sich der Beschwerdeführer nicht innerhalb der gesetzten Frist, gilt die Beschwerde gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 als zurückgezogen. Der Beschwerdeführer kann seine Beschwerde überdies jederzeit auf eigenen Wunsch zurückziehen.

71. Der Beschwerdeführer kann eine Fristverlängerung beantragen. Die Kommission kann die Frist je nach den Umständen des Falles verlängern.

72. Werden vom Beschwerdeführer ergänzende Ausführungen unterbreitet, so nimmt die Kommission diese zur Kenntnis. Sieht sich die Kommission aufgrund dieser Ausführungen zur Änderung ihres bisherigen Vorgehens veranlasst, kann sie ein Verfahren gegen die Unternehmen, gegen die die Beschwerde gerichtet ist, einleiten. In diesem Verfahren stehen dem Beschwerdeführer die vorstehend erläuterten Verfahrensrechte zu.

73. Veranlassen die Ausführungen des Beschwerdeführers die Kommission nicht zu einer Änderung ihres beabsichtigten Vorgehens, weist sie die Beschwerde durch Entscheidung zurück(66).

d) Entscheidung der Kommission zur Abweisung einer Beschwerde

74. Weist die Kommission gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 eine Beschwerde durch Entscheidung ab, muss sie nach Maßgabe von Artikel 253 des Vertrages die Gründe dafür angeben, d. h. auf eine Weise, die dem betreffenden Rechtsakt entspricht und den Umständen des jeweiligen Falls Rechnung trägt.

75. Aus der Begründung muss die Argumentation der Kommission klar und eindeutig hervorgehen, so dass der Beschwerdeführer die Gründe für die Entscheidung nachvollziehen und das zuständige Gemeinschaftsgericht seiner Nachprüfungsfunktion nachkommen kann. Die Kommission ist allerdings nicht verpflichtet, auf alle Argumente des Beschwerdeführers einzugehen. Es genügt, wenn sie die sachlichen und rechtlichen Überlegungen darlegt, die für ihre Entscheidung maßgebend sind(67).

76. Weist die Kommission eine Beschwerde in einer Sache ab, in der darüber hinaus eine Entscheidung nach Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (Feststellung der Nichtanwendbarkeit von Artikel 81 oder 82 EG-Vertrag) oder Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 (Verpflichtungszusagen) ergangen ist, kann die Entscheidung zur Abweisung einer Beschwerde auf diese andere Entscheidung, die auf der Grundlage der vorgenannten Bestimmungen erlassen worden ist, Bezug nehmen.

77. Gegen die Entscheidung zur Abweisung einer Beschwerde können Rechtsmittel bei den Gemeinschaftsgerichten eingelegt werden(68).

78. Ist eine Beschwerde abgewiesen worden, können die Beschwerdeführer nur dann eine erneute Prüfung verlangen, wenn sie neue wesentliche Beweise beibringen. Dementsprechend gelten weitere Eingaben früherer Beschwerdeführer in derselben Sache nur dann als neue Beschwerde, wenn der Kommission neue wesentliche Beweise zur Kenntnis gebracht werden. Die Kommission kann das Verfahren allerdings unter bestimmten Voraussetzungen wieder aufnehmen.

79. Eine Entscheidung zur Abweisung einer Beschwerde stellt auch dann, wenn die Kommission den Sachverhalt auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag geprüft hat, keine endgültige Entscheidung darüber dar, ob eine Zuwiderhandlung gegen Artikel 81 oder 82 vorliegt. Somit hindern die Beurteilungen, die die Kommission in einer Entscheidung zur Abweisung einer Beschwerde vorgenommen hat, die Gerichte oder Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten nicht bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 auf die ihnen zur Kenntnis gebrachten Vereinbarungen und Verhaltensweisen. Die Beurteilungen der Kommission in einer solchen Entscheidung stellen tatsächliche Gesichtspunkte dar, die die Gerichte oder Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten bei der Prüfung, ob die fraglichen Vereinbarungen oder Verhaltensweisen mit Artikel 81 oder 82 des Vertrages vereinbar sind, berücksichtigen können(69).

e) Besondere Situationen

80. Nach Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 kann die Kommission bei Gefahr eines ernsten, nicht wieder gutzumachenden Schadens für den Wettbewerb von Amts wegen einstweilige Maßnahmen anordnen. Aus Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 geht klar hervor, dass Beschwerdeführer keinen Antrag auf einstweilige Maßnahmen gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 stellen können. Einstweiliger Rechtsschutz kann bei den Gerichten der Mitgliedstaaten beantragt werden, die für solche Entscheidungen die besseren Voraussetzungen mitbringen(70).

81. Manche Personen möchten die Kommission über mutmaßliche Verstöße gegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages informieren, ohne dass ihre Identität den Unternehmen, gegen die sich die Hinweise richten, bekannt wird. Diese Personen können sich an die Kommission wenden. Die Kommission ist verpflichtet, Ersuchen um Anonymität zu respektieren(71), soweit der Antrag nicht offensichtlich unbegründet ist.

(1) Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1-25).

(2) Vgl. insbesondere Erwägungsgründe 3 bis 7 und 35 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(3) Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über Verfahren der Kommission nach den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag (ABl. L 123 vom 27.4.2004).

(4) Bei der Behandlung derartiger Eingaben legt die Kommission die Prinzipien des Kodex für gute Verwaltungspraxis zugrunde.

(5) Bekanntmachung der Kommission über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (S. 43).

(6) Zur Behandlung derartiger Beschwerden siehe Mitteilung der Kommission KOM(2002) 141 vom 10. Oktober 2002.

(7) Rs. C-344/98, Masterfoods/HB Ice Cream, Slg. 2000, I-11369, Rdnr. 46; Rs. C-119/97 P, Union Française de l'express (Ufex) u.a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnr. 88; Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnrn. 73-77.

(8) Vgl. insbesondere Artikel 5, 6, 11, 12, 15, 22, 29, 35 und Erwägungsgründe 2 bis 4 und 6 bis 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(9) Vgl. Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, Ziff. 5ff.

(10) Vgl. Erwägungsgrund 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(11) Ständige Rechtsprechung vgl. Rs. 127/73, Belgische Radio en Televisie/SV SABAM und NV Fonior, Slg. 1974, 51, Rdnr. 16; Rs. C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Rdnr. 39; Rs. C-453/99, Courage, Slg. 2001, I-6297, Rdnr. 23.

(12) Rs. C-453/99, Courage/Bernhard Crehan, Slg. 2001, I-6297, Rdnrn. 26 f.; ferner wird die Befugnis der einzelstaatlichen Gerichte zur Zuerkennung von Schadenersatz auch in Erwägungsgrund 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 unterstrichen.

(13) Vgl. Artikel 1, 6 und 15 sowie Erwägung 7 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(14) Verordnung Nr. 17 - Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln 85 und 86 des EWG-Vertrags; ABl. Nr. 13 vom 21. Februar 1962, S. 204-211; die Verordnung Nr. 17 wird durch Artikel 43 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 mit Wirkung vom 1. Mai 2004 aufgehoben.

(15) Siehe hierzu im Einzelnen die Bekanntmachung über die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Gerichten der EU-Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag ...

(16) Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 93.

(17) Rs. C-230/96, Cabour SA und Nord Distribution Automobile SA gegen Arnor "SOCO" SARL, Slg. 1998, I-2055, Rdnr. 51; Verb. Rs. T-185/96, T-189/96 und T-190/96, Dalmasso u.a./Kommission, Slg. 1999, II-93, Rdnr. 50.

(18) Vgl. Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und Ziffer 80. Je nach Lage des Sachverhalts können auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten gut geeignet sein für den Erlass einstweiliger Maßnahmen.

(19) Vgl. Ziffern 41 ff.

(20) Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden (S. 43).

(21) Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, Ziffern 8 bis 15.

(22) Artikel 11 Absätze 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003; Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, Ziff. 16 f.

(23) Bekanntmachung über die Zusammenarbeit innerhalb des Netzes der Wettbewerbsbehörden, Ziffer 34.

(24) Vgl. hierzu unten Ziffern 33 ff.

(25) Rs. C-119/97 P, Union française de l'express (Ufex) u.a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnr. 88; Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnrn. 73-77 und 85.

(26) Ständige Rechtsprechung seit Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 85.

(27) Rs. C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Rdnr. 36.

(28) Vgl. Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004.

(29) Rs. T-114/92, Bureau Européen des Médias de l'Industrie Musicale (BEMIM)/Kommission, Slg. 1995, II-147, Rdnr. 28. Auch in den Fällen, die den Rs. 298/83, Comité des industries cinématographiques des Communautés Européennes (CICCE)/Kommission, Slg. 1985, 1105, und T-319/99, Federación Nacional de Empresas de Instrumentación Científica, Médica, Técnica y Dental/Kommission, Slg. 2003 - noch nicht veröffentlicht, zugrunde liegen, waren die Beschwerdeführer Unternehmensverbände.

(30) Verb. Rs. T-133/95 und T-204/95, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 1998, II-3645, Rdnrn. 79-83.

(31) Rs. T-37/92, Bureau Européen des Unions des Comsommateurs (BEUC)/Kommission, Slg. 1994, II-285, Rdnr. 36.

(32) Diese Frage wird zur Zeit in einem beim Gericht erster Instanz anhängigen Verfahren untersucht (Verb. Rs. T-213 und 214/01). In ihrer Entscheidung vom 9. Dezember 1998 in der Sache IV/D-2/34.466, Griechische Fährlinien (ABl. L 109 vom 27.4.1999, S. 24, Rdnr. 1) hat die Kommission auch einen einzelnen Verbraucher als Beschwerdeführer anerkannt.

(33) Verb. Rs. T-133/95 und T-204/95, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 1998, II-3645, Rdnr. 79.

(34) Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 76; Rs. C-91/95 P, Roger Tremblay u. a./Kommission, Slg. 1996, I-5547, Rdnr. 30.

(35) Rs. 125/78, GEMA/Kommission, Slg. 1979, 3173, Rdnr. 17; Rs. C-119/97/P, Union française de l'express (Ufex) u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnr. 87.

(36) Ständige Rechtsprechung seit Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnrn. 77 und 85; in Erwägungsgrund 18 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird diese Möglichkeit ausdrücklich bestätigt.

(37) Ständige Rechtsprechung seit Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 75. Dies dürfte im Rahmen der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 nur im Zusammenhang mit Artikel 29 dieser Verordnung relevant sein.

(38) Rs. 210/81, Oswald Schmidt, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045, Rdnr. 19, Rs. C-119/97 P, Union française de l'express (Ufex) u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnr. 86.

(39) Rs. C-119/97 P, Union française de l'express (Ufex) u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnrn. 79 f.

(40) Rs. C-450/98 P, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 2001, I-3947, Rdnrn. 57-59.

(41) Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnrn. 88 ff.; Rs. T-5/93, Roger Tremblay u. a./Kommission, Slg. 1995, II-185, Rdnrn. 65 ff.; Rs. T-575/93, Casper Koelman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Rdnrn. 75-80. Vgl. im Einzelnen hierzu auch Teil II.

(42) Rs. C-119/97 P, Union française de l'express (Ufex) u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnrn. 92 f.

(43) Ständige Rechtsprechung seit Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 86.

(44) Rs. C-449/98 P, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 2001, I-3875, Rdnr. 37.

(45) Rs. T-77/95, Syndicat français de l'Express International u. a./Kommission, Slg. 1997, II-1, Rdnr. 57; Rs. C-119/97 P, Union française de l'express (Ufex) u. a./Kommission, Slg. 1999, I-1341, Rdnr. 95. Siehe auch Rs. T-37/92, Bureau Européen des Unions des Comsommateurs (BEUC)/Kommission, Slg. 1994, II-285, Rdnr. 113, in dem eine nicht schriftlich fixierte Verpflichtung zwischen einem Mitgliedstaat und einem Drittland außerhalb der gemeinsamen Handelspolitik als unzureichend für die Feststellung der Beendigung des beanstandeten Verhaltens befunden wurde.

(46) Rs. T-110/95, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 1998, II-3605, Rdnr. 57, bestätigt durch Rs. C-449/98 P, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 2001, I-3875, Rdnrn. 44-47.

(47) Rs. C-449/98 P, International Express Carriers Conference (IECC)/Kommission, Slg. 2001, I-3875, Rdnr. 37.

(48) Vgl. auch Rs. T-77/92, Parker Pen/Kommission, Slg. 1994, II-549, Rdnrn. 64 f.

(49) EuGH, Urteil vom 28. März 1995, Rs. 298/83, Comité des industries cinématographiques des Communautés Européennes (CICCE)/Kommission, Slg. 1995, 1105, Rdnrn. 21-24; Rs. T-198/98, Micro Leader Business/Kommission, Slg. 1999, II-3989, Rdnrn. 32-39.

(50) Rs. T-319/99, Federación Nacional de Empresas de Instrumentación Científica, Médica, Técnica y Dental (FENIN)/Kommission, Slg. 2003 - noch nicht veröffentlicht, Rdnr. 43.

(51) Umfassende Hinweise dazu bietet die Internetseite der Kommission unter http://europa.eu.int/comm/ competition/index_en.html.

(52) Bekanntmachung über den Begriff der Beeinträchtigung des Handels in den Artikeln 81 und 82 EG-Vertrag (S. 81).

(53) Bekanntmachung der Kommission über Vereinbarungen von geringer Bedeutung, die den Wettbewerb gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft nicht spürbar beeinträchtigen (de minimis), ABl. C 368 vom 22.12.2001, S. 13.

(54) Der Wortlaut aller Gruppenfreistellungsverordnungen ist auf der Internetseite der Kommission unter http://europa.eu.int/comm/ competition/index_en.html veröffentlicht.

(55) Bekanntmachung - Leitlinien zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag (S. 97).

(56) Rs. 210/81, Oswald Schmidt, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045, Rdnr. 19; Rs. T-24/90, Automec/Kommission, Slg. 1992, II-2223, Rdnr. 79.

(57) Vgl. Rs. T-64/89, Automec/Kommission, Slg. 1990, II-367, Rdnrn. 45-47, und Rs. T-37/92, Bureau Européen des Unions des Comsommateurs (BEUC)/Kommission, Slg. 1994, II-285, Rdnr. 29.

(58) Rs. C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Rdnr. 36.

(59) Verb. Rs. 142 und 156/84, British American Tobacco Company und R.J. Reynolds Industries/Kommission, Slg. 1987, 249, Rdnrn. 19 f.

(60) Rs. C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Rdnr. 37.

(61) Rs. T-213/95 und T-18/96, Stichting Certificatie Krannverhuurbedrijf (SCK) und Federatie van Nederlandse Kraanbedrijven (FNK)/Kommission, Slg. 1997, 1739, Rdnr. 57.

(62) Der Begriff der "Sorgfalt" seitens des Beschwerdeführers wird vom Gericht erster Instanz verwendet in der Rs. T-77/94, Vereiniging van Groothandelaren in Bloemkwekerijprodukten u.a./Kommission, Slg. 1997, II-759, Rdnr. 75.

(63) Artikel 6 Absatz 2 der Verordnung der Kommission (EG) Nr. 773/2004.

(64) Artikel 287 EG-Vertrag, Artikel 28 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 und Artikel 15 und 16 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004.

(65) Artikel 27 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003.

(66) Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004; Rs. C-282/95 P, Guérin automobiles/Kommission, Slg. 1997, I-1503, Rdnr. 36.

(67) Ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. Rs. T-114/92, Bureau Européen des Médias et de l'Industrie Musicale(BEMIM)/Kommission, Slg. 1995, II-147, Rdnr. 41.

(68) Ständige Rechtsprechung seit Rs. 210/81, Oswald Schmidt, Demo-Studio Schmidt/Kommission, Slg. 1983, 3045.

(69) Rs. T-575/93, Casper Koelman/Kommission, Slg. 1996, II-1, Rdnrn. 41-43.

(70) Je nach Lage des Sachverhalts können auch die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten gut geeignet sein für den Erlass einstweiliger Maßnahmen.

(71) Rs. 145/83, Stanley George Adams/Kommission, Slg. 1985, 3539.

ANHANG

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