52004SC0658

Bericht der Kommission - Erster Teil - XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik - 2003 /* SEK/2004/0658 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION - Erster Teil - XXXIII. Bericht über die Wettbewerbspolitik - 2003

EINLEITUNG

1. Der diesjährige Bericht soll nicht nur bedeutsame Änderungen in der internen Organisation und Arbeitsweise der Kommission auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik widerspiegeln, sondern auch verdeutlichen, wie die Kommission mit ihrer Balance zwischen Kontinuität und dem Bedarf an neuen Ansätzen zu einem kohärenten wirtschaftlichen Ordnungsrahmen in Europa beiträgt.

2. Zum einen sieht die derzeitige Kommission dem Ende ihrer Amtszeit entgegen, während schon bald 10 neue Mitgliedstaaten in der dann erweiterten Union willkommen geheißen werden. Damit sie ,weich landen", ist die fortgesetzte und noch breitere Durchsetzung einheitlicher Wettbewerbsregeln unbedingt notwendig. Die Vorbereitungen auf die praktische Umsetzung des modernisierten verfahrensrechtlichen Rahmens zur Durchsetzung des Kartellrechts verläuft genau nach Plan. Auch soll die Überprüfung der derzeitigen Fusionskontrollverordnung bis zum Beitritt der neuen Mitgliedstaaten abgeschlossen sein. Zwar ist seit langem klar, dass die Reformen im Bereich der Kontrolle staatlicher Beihilfen verstärkt werden müssen, doch ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, die Zielvorstellungen in die Praxis umzusetzen. Dass die Kommission in diesem Jahr konsequent für die einheitliche Anwendung der Regeln für staatliche Beihilfen auf alle Mitgliedstaaten - große wie kleine - eingetreten ist, unterstreicht, wie wichtig es ist, die Frage der wettbewerbsverfälschenden staatlichen Maßnahmen mit dem gleichen Nachdruck anzugehen wie die Durchsetzung der für Unternehmen geltenden Regeln.

3. Andererseits erfordern branchenspezifische Entwicklungen ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Energie, sowohl seitens der Wirtschaft als auch seitens der Kommission. Es ist eine zwar schwierige, aber durchaus erfuellbare Aufgabe, die Bereiche elektronische Kommunikation, Energie und Verkehr in Europa zu liberalisieren, ohne die effektive Erbringung von Dienstleistungen für alle zu gefährden. Die gesunde wirtschaftliche Entwicklung des Mediensektors - um nur ein Beispiel zu nennen - mit anderen öffentlichen Zielen wie Gewährleistung eines vielfältigen Angebots an verlässlichen Informationen in Einklang zu bringen erfordert eine sorgfältige Anwendung der geeigneten Instrumente.

4. Für die Verwirklichung der Wettbewerbsfähigkeitsziele der so genannten Lissabonner Agenda spielt die Wettbewerbspolitik der EU eine maßgebliche Rolle, denn sie beinhaltet nicht nur kartell- und fusionsrechtliche Regelungen, die für jede funktionierende Marktwirtschaft von grundlegender Bedeutung sind, sondern auch die Anwendung effektiver und strenger Vorschriften für staatlichen Beihilfen. Angesichts der weltwirtschaftlichen Gesamtsituation und insbesondere der europäischen Wachstumsbemühungen kommt es in besonderem Maße darauf an, dass die verschiedenen Politikinstrumente, die der Kommission zu Gebote stehen, bestens genutzt werden, und dass die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit auch in Zukunft einen vorderen Platz in der Kommissionspolitik einnimmt.

Statistische Angaben zur Tätigkeit der Kommission auf dem Gebiet der Anwendung des Wettbewerbsrechts im Jahre 2003

5. 2003 wurden insgesamt 815 neue Fälle registriert, davon 262 Kartellsachen (Ari. 81, 82 und 86 EGV), 212 Fusionssachen und 377 Beihilfefälle (ausgenommen Beschwerden). Die Zahle der neuen Fälle nahm in allen Bereichen erheblich ab, bei Kartell- und Fusionssachen um rund ein Fünftel, bei Beihilfen um rund ein Siebtel.

6. Die Zahl der Neuanmeldungen im Kartellrechtsbereich ging weiter (um etwa ein Viertel) zurück; das Anmeldesystem wird im Mai 2004 endgültig wegfallen. Dementsprechend verzeichnen von Amts wegen aufgenommene Untersuchungen (97 neue Fälle) einen leichten Zuwachs. Ähnlich hoch liegt mit 94 die Zahl der Fälle, die auf Beschwerden zurückgehen, wenn sie auch deutlich (um etwa ein Viertel) hinter den Zahlen des letzten Jahres zurückbleiben. Die Zahl der Zusammenschlüsse nahm weiter ab und erreichte wieder das (auch schon hohe) Niveau der späten 90er Jahre. In der Beihilfenkontrolle nahm die Zahl der angemeldeten und nicht angemeldeten neuen Fälle ab, während sich die Zahl der neuen Fälle zu bestehenden Beihilfen (nach einem steilen Rückgang 2002) fast vervierfachte. 203 Fälle wurden von den Mitgliedstaaten gemäß der Gruppenfreistellungsverordnung angegeben.

7. Im Jahr 2003 wurden 831 Fälle abgeschlossen, davon 319 Kartellsachen, 230 Fusionssachen und 282 Beihilfefälle (ohne Beschwerden) [1]. In 24 Kartellsachen erging eine förmliche Entscheidung, und der Rückstau an alten Fällen wurde weiter verringert. Ferner ergingen in Fusionsfällen 231 förmliche Entscheidungen, wobei die Zahl der vertieften Untersuchungen (9) stabil blieb. Die ablehnenden Entscheidungen in Beihilfesachen (29) gingen fast um die Hälfte zurück, die Genehmigungen (18) um mehr als ein Drittel. Auch die Zahl der neu eingeleiteten förmlichen Verfahren (55) lag unter der des Vorjahres.

[1] Zahl der Beihilfesachen mit abschließender Entscheidung, d.h. keine Einwände, Genehmigung, Ablehnung oder Genehmigung mit Auflagen.

Kasten 1: Die Wettbewerbspolitik und die Verbraucher

Das Jahr 2003 sah beutende Fortschritte bei der Verzahnung von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzpolitik der Kommission. Auch für 2004 ist mit weiteren Verbesserungen zu rechnen.

Anlässlich des zweiten diesjährigen Wettbewerbstags, der am 9. Dezember in Rom stattfand, gab Kommissionsmitglied Monti die Einsetzung von Juan Rivière y Martí [2] in die neu geschaffene Funktion des Verbindungsbeauftragten für Verbraucherfragen in der Generaldirektion Wettbewerb (GD Wettbewerb oder GD COMP) der Kommission bekannt. Diese Stelle wurde eingerichtet, um einen ständigen Dialog mit den europäischen Verbrauchern zu gewährleisten, deren Belange bei der Wettbewerbspolitik im Vordergrund stehen, aber deren Stimme bei der Klärung einzelner Fälle oder bei der Erörterung von Grundsatzfragen nicht ausreichend Gehör findet. Sie soll auch für engere Kontakte zwischen der GD Wettbewerb und anderen Generaldirektionen (GD) der Kommission sorgen, insbesondere mit der GD Gesundheit und Verbraucherschutz (GD SANCO).

[2] Rivière y Martí ist seit 1989 in der GD Wettbewerb tätig. Zuvor war er Berater der Direktion Politische Planung und Koordinierung.

Der Verbindungsbeauftragte für Verbraucherfragen soll u. a.

als erste Anlaufstelle für Verbraucherverbände, aber auch für einzelne Verbraucher fungieren,

und dazu regelmäßigere und umfassendere Kontakte zu den Verbraucherverbänden herstellen, insbesondere zur Europäischen Beratenden Verbrauchergruppe [3],

[3] Die Europäische Beratende Verbrauchergruppe setzt sich zusammen aus 18 Mitgliedern; davon je einem von Verbraucherorganisationen der Mitgliedstaaten, je einem Vertreter der drei europäischen Verbraucherverbände AEC, ANEC und BEUC. Aus den Verbraucherverbänden der neuen Mitgliedstaaten wirken Vertreter bereits als Beobachter mit.

Verbraucherverbände auf Wettbewerbsverfahren aufmerksam machen, bei denen ihr Beitrag von Nutzen sein könnte, und ihnen Ratschläge dazu erteilen, wie sie Zuarbeit leisten und ihren Standpunkt zum Ausdruck bringen können,

in Fragen des Verbraucherschutzes Kontakte zu den nationalen Wettbewerbsbehörden unterhalten.

Wie bei dem für Wettbewerbsfragen zuständigen Chefökonomen beschränkt sich das Aufgabengebiet des Verbindungsbeauftragten für Verbraucherfragen nicht auf die Fusionskontrolle, sondern erstreckt sich auch auf kartellrechtliche Fragen - Bildung von Kartellen und Missbrauch marktbeherrschender Stellungen - sowie weitere wettbewerbsrechtliche Verfahren und Maßnahmen [4].

[4] Die Pläne zur Einrichtung dieser Funktion wurden bei der Verabschiedung eines Reformpakets zur Fusionskontrolle in der EU im Dezember 2002 bekannt gegeben.

ber die folgende E-Mail-Adresse können Verbraucherverbände ebenso wie einzelne Verbraucher wettbewerbsrechtliche Probleme direkt an den Verbindungsbeauftragten herantragen:

Ferner hat die Kommission erstmalig eine gemeinsame Sitzung leitender Beamter aus den Wettbewerbs- und den Verbraucherschutzbehörden der 15 Mitgliedstaaten, der künftigen Mitgliedstaaten und der EFTA-Länder ausgerichtet, die am 19. November in Brüssel stattfand. Die bessere Verzahnung von Wettbewerbs- und Verbraucherschutzpolitik fand dort einmütige Unterstützung. Die Teilnehmer betonten insbesondere, dass gemeinsame Methoden für die Erhebung und Analyse von einschlägigen Daten wie Verbraucherbeschwerden, entwickelt werden müssten, um Nachteile oder Verluste für die Verbraucher in bestimmten Branchen zu identifizieren. Einvernehmlich wurde festgestellt, dass Wettbewerb kein Selbstzweck ist, sondern dass das Ergebnis dieses Wettbewerbs in Form von niedrigeren Preisen und/oder mehr Wahlmöglichkeiten für die Verbraucher von gleichrangiger Bedeutung sei.

Abgesehen von dieser für die Verbraucher bedeutsamen Entwicklung hat die Kommission eine Reihe von Fällen bearbeitet, die die Verbraucher tangieren oder für sie von besonderem Interesse sind. Es ist sicher nicht möglich, aber auch nicht notwendig, in diesem Kasten auf all diese Fälle einzugehen. Viele der in diesem Bericht dargelegten Massnahmen - ob es sich um formelle individuelle Entscheidungen (wie etwa im den Bereichen Mobilfunk, Fernsehrechte und Luftfahrt) oder um sektorbezogene Initiativen (wie im Transportwesen, bei den freien Berufen, im Automobilsektor oder im Bereich Medien) handelt - wirken sich direkt auf das tägliche Leben der Verbraucher aus.

Es bestehen aber auch informelle Möglichkeiten, um mögliche negative Folgen des Verhaltens von Marktteilnehmern abzuwenden, die von der Kommission auch genutzt werden. Der nachfolgend beschriebene Fall soll als Beispiel für derartige Maßnahmen im Interesse der Verbraucher dienen.

Regelung für die Olympischen Spiele in Athen [5]

[5] Sache COMP/D3/38.468.

Das Organisationskomitee der Olympischen Spiele in Athen, ATHOC, wollte sich bei der Kommission vergewissern, dass die Kartenvorverkaufsregelung für die Spiele 2004 mit den Wettbewerbsregeln der Europäischen Union in Einklang steht.

Nach dieser Regelung sind verschiedene Vertriebswege für Personen mit Wohnsitz im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) vorgesehen. Erstmals können Interessenten im EWR Eintrittskarten über das Internet direkt beim Organisationskomitee bestellen. Daneben sind Karten über die Nationalen Olympischen Komitees oder die von ihnen beauftragten Vertriebshändler erhältlich. Dadurch ist sichergestellt, dass alle im EWR ansässigen Personen Karten zu gleichen Bedingungen und ohne Diskriminierung aufgrund ihrer Nationalität erwerben können. Überdies können die Karten getrennt von Beförderungs- oder Beherbergungsleistungen bestellt werden.

Nachdem Diskussionen zwischen ATHOC und der Kommission stattgefunden hatten, um die Verbraucherinteressen zu schützen und die Einhaltung der Wettbewerbsregeln zu gewährleisten, veränderte ATHOC die Vorverkaufsregelung in bestimmten Punkten des Internet-Vertriebs und des Vertriebs durch die Nationalen Olympischen Komitees im EWR dahingehend, dass kein Mindestpreis vorgegeben, sondern der Verkauf auch unter dem Nennwert gestattet wurde. Aufgrund dieser Änderungen gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass die Vorverkaufsregelung nach dem vorliegenden Kenntnisstand nicht im Widerspruch zu den EU-Wettbewerbsregeln steht.

I - Kartellverbot - Artikel 81 und 82 EG-Vertrag; Staatliche Monopole und Monopolrechte - Artikel 31 und 86 EG-Vertrag

A - Modernisierung des Rechts- und Auslegungsrahmens

1. Neue Wettbewerbsregeln der Kommission

Überprüfung der Gruppenfreistellungsverordnung zum Technologietransfer

8. Die Europäische Kommission veröffentlichte im Oktober den Entwurf einer Verordnung und den Entwurf von Leitlinien für Technologietransfer-Vereinbarungen [6]. Die Vergabe von Lizenzen für bestimmte Technologien in Form von Patenten, Know-how und Urheberrechten für Software nimmt ständig an Bedeutung zu und ist für die umfassende Verbreitung von Innovationen unbedingt notwendig. Der Zweck der vorgeschlagenen neuen Regeln besteht darin, die Anwendung der Wettbewerbsregeln in diesem Bereich zu präzisieren und sicherzustellen, dass sie unter den sich wandelnden wirtschaftlichen Gegebenheiten unserer Zeit nicht an Aktualität verlieren.

[6] ABl. C 235 vom 1.10.2003.

9. Die neuen Regeln sollen sich an den Gruppenfreistellungsverordnungen der neuen Generation und an den Leitlinien für Vertriebsvereinbarungen und horizontale Kooperationsvereinbarungen orientieren, dabei aber die Besonderheiten von Lizenzvereinbarungen berücksichtigen. Dies wurde auch in zahlreichen Stellungnahmen zum Evaluierungsbericht vom Dezember 2001 gefordert. Daraus ergeben sich folgende Vorteile:

- Die Gruppenfreistellungsverordnung enthält nur eine ,schwarze Liste", d.h. was nicht ausdrücklich von der Gruppenfreistellung ausgeschlossen ist, gilt alsq freigestellt. Durch den Wegfall der weißen Liste und des grauen Bereichs der derzeitigen Verordnung wird eine übermäßige Einengung vermieden. Damit haben die Unternehmen mehr Möglichkeiten, die kommerziell tragfähigste Form der Lizenzvereinbarung zu finden. Gleichzeitig werden der freie Wettbewerb gewahrt und die Rechtssicherheit für Unternehmen verbessert.

- Der Anwendungsbereich der neuen Regeln wird auf alle Arten von Technologietransfer-Vereinbarungen zur Herstellung von Waren oder Dienstleistungen erweitert. Die neue Verordnung soll nicht nur die Lizenzvergabe bei Patenten und Know-how regeln, sondern auch Softwarelizenzvereinbarungen, wie dies in vielen Stellungnahmen zum Evaluierungsbericht gefordert wurde. Sofern die Kommission nicht befugt ist, eine Gruppenfreistellungsverordnung zu erlassen, etwa bei Patentpools oder der Lizenzierung von Urheberrechten im Allgemeinen, geben die Leitlinien eine klare Orientierung für die künftige Politik zur Durchsetzung des Kartellrechts.

- Bei den neuen Regeln werden Lizenzvereinbarungen zwischen Wettbewerbern deutlich von Lizenzvereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern abgegrenzt. Eine solche Unterscheidung in der Wettbewerbspolitik liegt auf der Hand, da insbesondere jeweils andere Kernbeschränkungen gelten sollten. Wettbewerbsrechtliche Probleme dürften eher bei Vereinbarungen zwischen Wettbewerbern auftreten als bei Vereinbarungen zwischen Nicht-Wettbewerbern.

10. Bei Veröffentlichung des Entwurfs der Verordnung und des Entwurfs der Leitlinien forderte die Kommission alle interessierten Seiten auf, bis Ende November zu den vorgeschlagenen neuen Regeln Stellung zu nehmen. Der Kommission gingen 79 Stellungnahmen zu. Nach Durchsicht dieser Stellungnahmen wird die Kommission die Entwürfe überarbeiten und die neuen Regeln beschließen. Nach ihren Vorstellungen sollen die überarbeiteten Regeln vor Anwendung des neuen Regimes zur Modernisierung des Kartellrechts im Mai 2004 in Kraft sein.

2. Modernisierung der Regeln zur Durchführung von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag

11. Um die Modernisierung der Durchsetzung des EG-Kartellrechts zu vervollständigen, muss die Kommission eine Reihe von Maßnahmen beschließen, die gemeinhin als Modernisierungspaket bezeichnet werden. Diese Maßnahmen sollen in erster Linie die Durchsetzungsbefugnisse der Wettbewerbsbehörden leichter anwendbar machen und die in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kooperationsmechanismen zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten präzisieren.

12. Im September verabschiedete die Kommission Textentwürfe für eine öffentliche Konsultation zu allen Bestandteilen des Modernisierungspakets [7]. Die öffentliche Konsultation erbrachte ca. 50 Stellungnahmen. Nach Durchsicht dieser Stellungnahmen wird die Kommission die Entwürfe überarbeiten und die neuen Texte Anfang nächsten Jahres verabschieden, damit sie am 1. Mai 2004 in Kraft treten können, dem Tag, ab dem auch die Verordnung Nr. 1/2003 zur Anwendung kommt .

[7] Die Textentwürfe wurden zum Zwecke der öffentlichen Konsultation im ABl. C 243/3ff. vom 10.10.2003 veröffentlicht.

13. Das Paket umfasst eine Verordnung der Kommission zur Durchführung der Verordnung Nr. 1/2003 des Rates und sechs Mitteilungen. Die Durchführungsverordnung der Kommission betrifft hauptsächlich die Modalitäten für die Anhörung der beteiligtenParteien, von Beschwerdeführern und Dritten sowie eine Reihe anderer Verfahrensfragen wie Akteneinsicht und Umgang mit vertraulichen Informationen. Die im Entwurf vorgelegten Mitteilungen lassen sich in drei Kategorien unterteilen:

(a) In den beiden ersten Mitteilungen geht es um den aktuellen Stand der Rechtsprechung des Gerichtshofs und um die Praxis der Kommission bei zwei für die Anwendung von Artikel 81 EG-Vertrag maßgeblichen Konzepten, nämlich der Beeinträchtigung des Handels zwischen Mitgliedstaaten und den Grundsätzen, die Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag zugrunde liegen. Durch die Darlegung der Methodik für die Anwendung dieser Vertragsbestimmungen und die Zusammenfassung der bisherigen Rechtsprechung erleichtern diese Mitteilungen den nationalen Wettbewerbsbehörden und Gerichten die Anwendung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrages.

(b) Ein zweites Paar von Mitteilungen gilt den Kooperationsmechanismen zwischen den verschiedenen für die Durchsetzung der EG-Wettbewerbsregeln zuständigen Stellen - der Kommission, den nationalen Wettbewerbsbehörden und den nationalen Gerichten - und soll vor allem die in der Verordnung Nr. 1/2003 vorgesehenen Kooperationsmechanismen präzisieren, um eine wirksame und einheitliche Anwendung von Artikel 81 und 82 EG-Vertrag in der gesamten Europäischen Union zu gewährleisten. Im Vordergrund stehen dabei die Frage der Arbeitsteilung, Koordinierung und Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden innerhalb des Europäischen Wettbewerbsnetzes (EWN) und die der Kommission eingeräumte Möglichkeit, vor nationalen Gerichten schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen.

(c) Die letzten beiden Mitteilungen betreffen die Beziehungen zwischen der Kommission und einigen wichtigen Akteuren im Bereich der Wettbewerbspolitik: den Verbrauchern und der Wirtschaft. In diesem Zusammenhang plant die Kommission eine Mitteilung zur Behandlung von Beschwerden und eine Mitteilung zu Beratungsschreiben, mit denen die Kommission Unternehmen bei der Bewertung neuer oder ungelöster Rechtsfragen unterstützen will.

3. Überprüfung der Verfahrensregeln

3.1. Einsetzung eines Chefökonomen für Wettbewerbsfragen

14. Die Europäische Kommission hat Prof. Lars-Hendrik Röller mit Wirkung vom 1. September für drei Jahre zum Chefökonomen für Wettbewerbsfragen ernannt. Ihm steht ein Mitarbeiterstab von etwa zehn Wirtschaftsfachleuten zur Seite.

15. Prof. Röller ist Inhaber des Lehrstuhls für Industrieökonomik an der Berliner Humboldt-Universität. Zugleich ist er Direktor der Abteilung ,Wettbewerbsfähigkeit und industrieller Wandel" am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Seit 1996 fungiert er als Programmdirektor für ,Industrial Organization" am Londoner Centre for Economic Policy Research (CEPR). Nachdem er das Studium der Informatik an der Texas A&M University mit einem Bachelor of Science abgeschlossen hatte, setzte er sein Studium an der University of Pennsylvania mit dem Erwerb weiterer akademischer Grade fort (M.S. in Informatik, M.A. in Volkswirtschaftslehre, Ph.D. in Volkswirtschaftslehre). Anschließend bekleidete er Positionen an einer Reihe von wissenschaftlichen Einrichtungen und Hochschulen, so am European Institute of Business Management INSEAD in Frankreich, an der Stanford University, der New York University und der Universitat Autonoma de Barcelona. Er hat verschiedene staatliche Stellen sowie private Unternehmen in Wettbewerbssachen beraten. Prof. Röller hat zahlreiche Beiträge zur Wettbewerbsfragen veröffentlicht und ist Mitglied der Redaktion einer Reihe von Zeitschriften, darunter des International Journal of Industrial Economics (Herausgeber seit 1999).

16. ,Ich bin davon überzeugt, dass Prof. Röllers hoher wissenschaftlicher Rang und seine Erfahrungen auf diesem Gebiet für die Kommission von unschätzbarem Wert sein werden, nicht nur bei der Vorbereitung von Entscheidungen in komplizierten Fusionsfällen, sondern auch bei Ermittlungen im Bereich des Kartellrechts und der staatlichen Beihilfen", meinte dazu Wettbewerbskommissar Mario Monti.

17. Der Chefökonom hat drei Aufgaben zu erfuellen:

- wirtschaftspolitische und ökonometrische Beratung und Lenkung bei der Anwendung des EU-Wettbewerbsrechts, wozu die Mitwirkung an der Ausarbeitung allgemeiner Leitlinien gehören kann;

- allgemeine Beratung und Lenkung bereits im Anfangstadium von Wettbewerbsverfahren;

- und

- detaillierte Beratung und Lenkung in den bedeutendsten und mit komplexen wirtschaftlichen Fragen verbundenen Wettbewerbsfällen, insbesondere wenn sie einer gründlichen quantitativen Analyse bedürfen.

18. Der Chefökonom ist auch für die Aufrechterhaltung der Kontakte zur Wissenschaft verantwortlich und wird Zusammenkünfte der Academic Advisory Group for Competition Policy, einer Gruppe führender Fachleute für Industrieorganisation und staatliche Beihilfen, organisieren und leiten.

3.2. Tätigkeiten des Anhörungsbeauftragten

3.2.1. Das zweite Jahr im Zeichen des neuen Mandats

19. Die Kommission fasste 2001 einen neuen Beschluss, um die Rolle des Anhörungsbeauftragten in Wettbewerbsverfahren nach Artikel 81 und 82 EV-Vertrag und nach der Fusionskontrollverordnung weiter zu stärken [8]. In der Präambel des Kommissionsbeschlusses 462/2001 EG, EGKS vom 23. Mai 2001 über das Mandat von Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren [9] heißt es, dass die Kommission für die Gewährleistung des Anhörungsrechts sorgen muss und deshalb die Durchführung der Verwaltungsverfahren einer in Wettbewerbsfragen erfahrenen, unabhängigen Person übertragen werden muss, die über die nötige Integrität verfügt, um ein möglichst objektives, transparentes und effizientes Verfahren zu gewährleisten [10]. Dies war das zweite Jahr, in dem die Anhörungsbeauftragten [11] die mit dem neuen Mandat verliehene höhere Verantwortung und Unabhängigkeit wahrnehmen konnten. In diesem ersten Beitrag zum Jahresbericht möchten die Anhörungsbeauftragten die Gelegenheit nutzen, kurz ihre Aufgaben zu skizzieren.

[8] Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21.12.1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen.

[9] ABl. L 162 vom 19.6.2001, S. 21; im Folgenden kurz ,Mandat" genannt.

[10] Mandat des Anhörungsbeauftragten, Präambel, Erwägungsgründe 1-3.

[11] Derzeit sind zwei Anhörungsbeauftragte tätig: Serge Durande und Karen Williams.

3.2.2. Transparenz zur Gewährleistung der Unabhängigkeit

20. Damit die Unabhängigkeit des Anhörungsbeauftragten gewährleistet ist, muss die Ernennung ebenso wie die mit Gründen versehene Entscheidung zur Abberufung oder Versetzung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften bekannt gegeben werden [12]. Darüber hinaus ist er direkt dem für Wettbewerb zuständigen Mitglied der Kommission unterstellt [13] and nimmt von der GD Wettbewerb keinerlei Weisungen entgegen.

[12] Artikel 2 Absatz 1 des Mandats.

[13] Artikel 2 Absatz 2 des Mandats.

3.2.3. Der Anhörungsbeauftragte als Garant eines ordnungsgemäßen Verfahrens

21. Zwar besteht die Hauptaufgabe des Anhörungsbeauftragten darin, für die Wahrung des Rechts auf Anhörung zu sorgen, doch kann er sich jederzeit einschalten, wenn es um begründete Fragen verfahrensrechtlicher Art geht. Dazu kann er jederzeit Bemerkungen machen, damit alle für den jeweiligen Fall erheblichen Gesichtspunkte gründlich und objektiv geprüft werden [14].

[14] Nach Artikel 3 Absatz 3 des Mandats kann der Anhörungsbeauftragte an das zuständige Kommissionsmitglied Bemerkungen zu Fragen aller Art im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverfahren der Kommission richten. Er will dadurch vor allem sicherstellen, dass alle für die Beurteilung des Falles erheblichen Umstände tatsächlicher Art, gleichgültig ob sie für die Beteiligten günstig oder ungünstig sind, einschließlich solcher, die über die Schwere eines Verstoßes Auskunft geben, bei der Ausarbeitung von Entwürfen zu Entscheidungen der Kommission angemessen berücksichtigt werden (Artikel 5 des Mandats). Dies erfordert im Einklang mit Artikel 3 Absatz 2 des Mandats, dass der Anhörungsbeauftragte von dem Direktor, in dessen Zuständigkeit die Bearbeitung der Sache fällt, über den Ablauf des Verfahrens auf dem Laufenden gehalten wird.

22. Die Anhörungsbeauftragten befassen sich nicht nur mit konkreten Fällen, sondern werden auch häufig von der GD Wettbewerb [15] zu Fragen konsultiert, die mit dem Recht auf Verteidigung zusammenhängen, und beteiligen sich an Diskussionen zu zahlreichen Themen, die den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens betreffen.

[15] Die französische Bezeichnung ,Conseiller Auditeur" gibt den eigentlichen Aufgabenbereich zutreffender wieder als die Bezeichnungen ,Anhörungsbeauftragter" oder ,Hearing officer".

3.2.4. Die Durchführung der mündlichen Anhörung

23. Im konkreten Wettbewerbsverfahren besteht die Aufgabe des Anhörungsbeauftragten traditionell darin, die mündlichen Anhörungen zu organisieren und objektiv durchzuführen [16]. Die mündliche Anhörung ist ein Forum, das den betroffenen Unternehmen die Möglichkeit gibt, ihre Argumente einem größeren Personenkreis als den für die Ermittlung zuständigen Beamten vorzutragen. In einer Reihe von Fällen wurden die Orientierungen, wie sie in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Ausdruck kamen, nach der mündlichen Anhörung geändert. Der Wert, der mündlichen Anhörungen beigemessen wird, ist auch daran abzulesen, dass 2003 die große Mehrheit der Unternehmen ihr Recht in Anspruch nahmen, ihre Argumente in einer mündlichen Anhörung vorzubringen [17]. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet, ob andere Parteien als der Adressat der Mitteilung der Beschwerdepunkte ein ausreichendes Interesse nachweisen können, um als Dritte gehört zu werden [18]. Überdies dürfen neue Unterlagen nur mit Zustimmung des Anhörungsbeauftragten vorgelegt werden [19]. Nach der Anhörung erstattet der Anhörungsbeauftragte dem zuständigen Mitglied der Kommission über die Anhörung und seine Schlussfolgerungen in Bezug auf die Ausübung des Anhörungsrechts Bericht [20]. Die im so genannten Zwischenbericht enthaltenen Bemerkungen betreffen zwar in erster Linie Verfahrensfragen [21], doch kann es sich dabei auch um die Einholung weiterer Auskünfte oder um Empfehlungen zum Verzicht auf bestimmte Beschwerdepunkte oder die Mitteilung zusätzlicher Beschwerdepunkte handeln [22].

[16] Nach Artikel 12 Absatz 2 des Mandats regelt der Anhörungsbeauftragte den Ablauf der Anhörung in eigener Verantwortung. Bei der Vorbereitung bittet der Anhörungsbeauftragte in der Regel die für den Fall zuständigen Mitarbeiter, eine ausführliche Übersicht vorzulegen, aus der eindeutig alle Argumente, die von den Parteien als Erwiderung auf die Beschwerdepunkte der Kommission vorgebracht wurden, sowie die darauf gegebenen Antworten hervorgehen.

[17] Nur etwa ein Fünftel der Adressaten einer Mitteilung der Beschwerdepunkte verzichtete auf das Recht einer mündlichen Anhörung.

[18] Artikel 6 des Mandats.

[19] Artikel 12 Absatz 3 des Mandats. Dabei ist aber zu beachten, dass die Anhörung keinen Ersatz für eine Mitteilung der Beschwerdepunkte darstellen kann. Wenn die Kommission neue Behauptungen über Zuwiderhandlungen oder neue wesentliche Tatsachen vorlegt, die von denen in der Mitteilung der Beschwerdepunkte abweichen, muss sie eine Mitteilung zusätzlicher Beschwerdepunkte übermitteln und eine neue Anhörung durchführen.

[20] Artikel 13 Absatz 1 des Mandats. Eine Kopie des Berichts erhalten der zuständige Direktor und der Generaldirektor für Wettbewerb.

[21] z. B. Akteneinsicht, Fristen für die Antwort auf die Mitteilung der Beschwerdepunkte und ordnungsgemäßer Ablauf der mündlichen Anhörung.

[22] In diesem Punkt unterscheidet sich der Zwischenbericht vom Abschlussbericht des Anhörungsbeauftragten nach Artikel 15 des Mandats, der ausschließlich die Wahrung des Rechts auf Anhörung und die damit verbundene Frage betrifft, ob der Entscheidungsentwurf ausschließlich Beschwerdepunkte behandelt, zu denen sich die Parteien haben äußern können. Der Abschlussbericht wird anhand des Entscheidungsentwurfs erstellt, der dem beratenden Ausschuss in der fraglichen Sache vorzulegen ist. Anders als der Zwischenbericht wird er auch zusammen mit der Entscheidung dem Adressaten der Entscheidung übermittelt und im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht.

3.2.5. Fristverlängerung und Anträge auf Vertraulichkeit

24. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet über Anträge auf Fristverlängerung, um sicherzustellen, dass die Parteien ausreichend Zeit haben, sich angemessen zu den inhaltlichen und verfahrensrechtlichen Fragen ihres Falles zu äußern [23]. Des Weiteren befindet er über Anträge auf Einsicht in die Unterlagen, wobei er das Interesse an Geheimhaltung und das Recht des Unternehmens auf Zugang zu allen während des Verfahrens gesammelten Informationen gegeneinander abwägen muss [24]. Der Anhörungsbeauftragte entscheidet zudem über die Offenlegung von mutmaßlich vertraulichen Informationen, wenn eine Entscheidung der Kommission im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wird. Besteht die Absicht, Informationen offen zu legen, die Geschäftsgeheimnisse enthalten könnten, muss das betroffene Unternehmen die Möglichkeit erhalten, die Entscheidung des Anhörungsbeauftragten vor dem Gericht erster Instanz anzufechten [25]. An dieser Stelle sei vermerkt, dass die förmlichen Entscheidungen zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen, die der Anhörungsbeauftragte im Namen der Kommission trifft, nur in einer sehr kleinen Zahl von Fällen gerichtlich angefochten wurden [26].

[23] Artikel 10 des Mandats.

[24] Die Kommission kann sich in ihrer abschließenden Entscheidung nur auf dem Unternehmen offengelegte Informationen stützen. Deshalb muss der Anhörungsbeauftragte auch berücksichtigen, dass die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts durch Anträge Dritter auf Vertraulichkeit in unzulässiger Weise beeinträchtigt werden kann.

[25] So ist laut Artikel 9 des Mandats zu verfahren. Das Vorgehen entspricht der vom Gericht in der Rechtsache AKZO II (Rechtsache 53/85, AKZO / Kommission [1986] Slg. 1965) beschriebenen Verfahrensweise.

[26] In diesem Zusammenhang befasst sich das Gericht erster Instanz derzeit mit einer interessanten Frage. In der unlängst ergangenen Entscheidung in der Rechtssache Bank Austria Creditanstalt wurde auf die mangelnde Klarheit von Artikel 9 Absatz 3 des Mandats hingewiesen (Entscheidung vom 7.11.2003, Rechtssache T-198/03) und in Zweifel gezogen, ob der Anhörungsbeauftragte auch darüber zu entscheiden hat, ob Teile einer Kommissionsentscheidung gemäß Artikel 21 der Verordnung 17 nicht zu veröffentlichen sind, weil sie nicht Bestandteil des ,Hauptinhalts" der Entscheidung sind.

B - Anwendung der Artikel 81, 82 und 86

1. Artikel 81

1.1. Überblick über die Entwicklung bei der Kartellbekämpfung

25. Im Jahre 2003 verfolgte die Kommission weiter den kartellrechtlichen Kurs, den sie zwei Jahren zuvor eingeschlagen hatte, und erließ fünf weitere Entscheidungen gegen unzulässige horizontale Absprachen, an denen etwa 27 einzelne Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen beteiligt waren. Sie betrafen folgende Bereiche: französisches Rindfleisch, Sorbate, elektrische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte, organische Peroxide and Kupferindustrierohre.

26. Die mit diesen Entscheidungen verhängten Geldbußen beliefen sich auf 404 Mio. EUR, womit sich die Gesamthöhe der seit 2001 gegen Kernkartelle verhängten Geldbußen auf über 3,2 Mrd. EUR erhöhte. In den letzten drei Jahren konnte die Kommission im Durchschnitt mehr als acht Entscheidungen jährlich treffen. Damit war sie wesentlich aktiver als in den dreißig Jahren vor 2001, denn in diesem Zeitraum lag die durchschnittliche Zahl der Entscheidungen bei 1,5 im Jahr. Da derzeit noch weit über 30 kartellrechtliche Ermittlungen laufen, dürfte sich der Trend der letzten drei Jahre fortsetzen.

27. Mit über 400 Mio. EUR entsprach die Höhe der 2003 verhängten Geldbußen sowohl der Größe der Märkte, auf denen die Kartelle operierten, als auch der Größe der rechtswidrig handelnden Unternehmen. Im Einklang mit der gängigen Praxis der Kommission waren die Geldbußen jeweils so bemessen, dass sie eine abschreckende Wirkung entfalteten.

28. Aufgrund der zahlreichen neuen Fälle, die in der zweiten Hälfte des Jahres 2002 und Anfang 2003 hinzukamen, musste die GD Wettbewerb Ressourcen von einer Reihe laufender Ermittlungen auf die neuen Fälle umlenken, bei denen Anträge auf Erlass der Geldbuße zu prüfen und Inspektionen vorzunehmen waren. Im Laufe des Jahres führte die Kommission kartellrechtliche Nachprüfungen in Fällen durch, die nicht weniger als 21 Waren oder Dienstleistungen betrafen. (Dabei ist zu beachten, dass in jedem Fall/bei jeder Inspektion zumeist eine Reihe verschiedener Unternehmen aufzusuchen sind). Die Durchführung von Inspektionen ist nicht nur zur Aufdeckung von Rechtsverstößen geeignet, sondern auch deshalb non Nutzen, weil die Unternehmen gewöhnlich ihre rechtswidrigen Handlungen einstellen, sobald die Kommissioneinschreitet.

29. Die überarbeitete Kronzeugenregelung, die 2002 verabschiedet wurde [27], löste eine ganze Reihe neuer Fälle aus. Die Eckpunkte der neuen Regelung seien hier kurz skizziert [28]. Erstens wird dem Unternehmen die Geldbuße vollständig erlassen, das als erstes aussagt. Zweitens müssen die vorgelegten Beweismittel zumindest ausreichen, um der Kommission die Anordnung einer Inspektionzu ermöglichen. Drittens erlaubt die Kommission hypothetisch abgefasste Anträge, wobei die eigentlichen Beweismittel erst zu einem späteren Zeitpunkt vorzulegen sind. Viertens wird dem Antragsteller durch eine innerhalb weniger Wochen getroffene Entscheidung über die Gewährung eines bedingten Erlasses der Geldbuße bereits im Voraus Rechtssicherheit gewährt. Fünftens ist ein vollständiger Erlass auch dann noch unter bestimmten Bedingungen möglich, wenn die Kommission bereits eine Inspektion vorgenommen hat. Sechstens kann die Geldbuße dann, wenn der vollständige Erlass bereits gewährt wurde oder die Kommission über genügend Beweismittel verfügt, um eine Zuwiderhandlung feststellen zu können, immer noch um bis zu 50 % ermäßigt werden, wenn mit dem Beitrag des Unternehmens zu dem von der Kommission untersuchten Fall ein erheblicher Mehrwert verbunden ist. Nicht zuletzt teilt die Kommission aus Gründen der Rechtsicherheit dem Unternehmen spätestens zum Zeitpunkt der Zustellung der Mitteilung der Beschwerdepunkte ihre Absicht mit, die Geldbuße innerhalb einer bestimmten Bandbreite zu ermäßigen.

[27] Mitteilung über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen, ABl. C 45 vom 19.2.2002, S. 3 bis 5.

[28] Näheres dazu im XXXII. Jahresbericht.

30. Seit dem Inkrafttreten der neuen Kronzeugenregelung im Februar 2002 sind bei der Kommission 34 Anträge auf Geldbußenerlass eingegangen, bei denen es um mindestens 30 mutmaßliche Zuwiderhandlungen ging. In 27 Fällen wurde ein bedingter Geldbußenerlass gewährt. Fast alle Sachverhalte wurden von der Kommission geprüft, überwiegend durch Inspektionen. In den meisten Fällen werden derzeit Mitteilungen der Beschwerdepunkte vorbereitet. Die in nicht einmal zwei Jahren erreichten Zahlen deuten darauf hin, dass die 2002 verabschiedete neue Regelung greift. Im Vergleich dazu wurde im Rahmen der Kronzeugenregelung von 1996 bislang nur in 11 Fällen ein vollständiger Erlass der Geldbuße gewährt [29].

[29] In Fällen, die 2003 entschieden wurden, sowie in einer Reihe noch laufender Ermittlungen kommt weiterhin die Regelung von 1996 zur Anwendung, da die betreffenden Unternehmen den Antrag auf Geldbußenerlass vor dem Inkrafttreten der Regelung von 2002 gestellt hatten.

31. Die Informationen zur Einleitung neuer Fälle stammen aber nicht nur aus Anträgen auf Geldbußenerlass. Untersuchungen zu mutmaßlichen rechtswidrigen Absprachen erfolgen auch von Amts wegen auf der Grundlage von Informationen, die durch Auswertung der (Fach-)Presse und von branchenspezifischen Daten gewonnen werden, aber auch von Privatpersonen übermittelt werden, die Missstände aufdecken (dazu gehören auch unzufriedene Mitarbeiter oder ehemalige Beschäftigte) oder Beschwerden vorbringen (Privat- oder Geschäftskunden, bisweilen auch Mitbewerber).

32. Die Wahl des Zeitpunkts für kartellrechtliche Nachprüfungen wird in einer wachsenden Zahl von Fällen internationalen Ausmaßes durch die weltweite Zusammenarbeit der Kartellbehörden beeinflusst. Das beste Beispiel dafür war das vermutete Kartell auf dem Gebiet der Wärmestabilisatoren und Schlagzähmodifikatoren, bei dem die Kommission und die Kartellbehörden in den USA, in Kanada und Japan ihre Ermittlungstätigkeit sorgfältig abstimmten und im Februar nahezu zeitgleich Inspektionen oder ähnliche Maßnahmen durchführten. Ein weiteres Beispiel betraf das Vorgehen im Bereich der Kupferindustrierohre (Entscheidung im Dezember), denn das Gros der Beweismittel für die Entscheidung stammte aus Inspektionen, die mit den Kartellbehörden in den USA koordiniert wurden.

33. Drei Gesichtspunkte der inhaltlichen Fragestellungen, die sich aus den kartellrechtlichen Entscheidungen und Ermittlungen der Kommission ergaben, verdienen besondere Erwähnung:

- Erstens die Verhängung einer Geldbuße gegen eine juristische Person, die nicht als Unternehmen auf dem fraglichen Markt agierte. In der Kartellsache Organische Peroxide wurde die schweizerische Beratungsfirma AC Treuhand mit einer Geldbuße belegt, weil sie bei der Gründung und Aufrechterhaltung des Kartells eine maßgebliche Rolle gespielt hatte. Die verhängte Geldbuße war eher symbolischer Art, weil es noch kaum Präzedenzfälle gibt. Die Kommission machte aber in ihrer Presseerklärung deutlich, dass sie künftig in ähnlichen Fällen härter durchgreifen wird.

- Zweitens die Frage der Vertraulichkeit des Schriftwechsels zwischen Mandant und Anwalt (,Schutz als Berufsgeheimnis"), die sich bei einer Reihe von Inspektionen im Jahre 2003, vor allem aber im Februar in der Sache Wärmestabilisatoren und Schlagzähmodifikatoren stellte. Ein Rechtsstreit, der den von Unternehmen beantragten Schutz von Abschriften als Berufsgeheimnis betrifft, ist derzeit vor dem Gericht erster Instanz anhängig [30].

[30] Rechtssachen T-125/03 und T-253/03 Akzo Nobel Chemicals Ltd. und Akcros Chemicals Ltd. / Kommission. Der Präsident des Gerichts erster Instanz hat am 30.10.2003 den Antrag auf einstweilige Anordnung abgewiesen, doch in der Hauptsache muss das Gericht noch entscheiden.

- Drittens die Bemühungen der Kommission, ihre Kronzeugenregelung nicht durch die in den USA geltenden zivilrechtlichen Bestimmungen zur Beweisermittlung (,discovery") beeinträchtigen zu lassen. Nach den Vorschriften des US-amerikanischen Zivilrechts zur Offenlegung (,open discovery") können bei Schadenersatzklagen vor US-amerikanischen Gerichten Informationen, die Unternehmen freiwillig den Kartellbehörden zur Verfügung stellen, der Gegenseite zugänglich gemacht werden. Niederrangige US-amerikanische Gerichte haben mehrfach Schriftsätze von Unternehmen, die im Rahmen von Anträgen auf Geldbußenerlass oder -ermäßigung an die Kommission gerichtet wurden, als vorlagepflichtig eingestuft. Da derartige Klagen weit reichende Folgen - dreimal so hohe Schadenersatzsummen - nach sich ziehen können, wären die betroffenen Unternehmen eventuell nur bedingt oder gar nicht zur Selbstanzeige bereit, was die Wirksamkeit der Kronzeugenregelung untergraben würde. Die Kommission ist nicht nur vor US-amerikanischen Gerichten als ,Amicus curiae" oder in anderer Form aufgetreten, um die ausschließliche Verwendung dieser Schriftstücke im Verfahren der Kommission sicherzustellen [31], sondern begann auch mit der Modifizierung ihrer eigenen Verfahren. Die Kommission führt ihren Dialog mit Rechts- und Wirtschaftskreisen zur weiteren Verbesserung ihrer Verfahren fort, um das Risiko der Offenlegung von Unternehmenserklärungen zu senken. Sie will damit lediglich eine größere Wirksamkeit der Kronzeugenregelung erreichen und gewährleisten, dass Unternehmen, die einen Antrag auf Geldbußenerlass oder -ermäßigung stellen, bei etwaigen Zivilklagen nicht gegenüber Unternehmen im Nachteil sind, die nicht mit der Kommission zusammenarbeiten.

[31] Zur Klarstellung ihrer Rechtsposition intervenierte die Kommission bei einer Reihe US-amerikanischer Gerichte durch die Einreichung von Amicus-Curiae-Schriftsätzen. Beim US District Court for the District of Columbia schaltete sie sich in den noch anhängigen Rechtsstreit über Preisabsprachen von Vitaminherstellern ein, beim US District Court for the District of Northern California in den Rechtsstreit zum Thema Methionin. In diesem Falle wurde die Position der Kommission, wonach Erklärungen von Unternehmen, die der Kommission im Rahmen ihrer Kronzeugenregelung zugehen, nicht offen zu legen sind, letztinstanzlich bestätigt. Vor dem Obersten Gericht der USA wurde sie in der Rechtssache AMD/Intel tätig. Dieser Fall betrifft zwar nicht direkt die Offenlegungsproblematik, hat aber möglicherweise Auswirkungen auf die Effektivität der EU-Kronzeugenregelung und somit auf die Frage, ob Erklärungen von Unternehmen vorlagepflichtig sind.

34. Verwaltungstechnisch haben sich aufgrund einer internen Reorganisation der GD Wettbewerb bedeutende Veränderungen in der kartellrechtlichen Ermittlungspraxis vollzogen. Die Kommission hatte 1998 ein spezielles Referat für Kartellsachen eingerichtet, das die meisten Kartellsachen in der Zuständigkeit der GD Wettbewerb bearbeitete. Im Zuge der schrittweisen Aufstockung der Mittel wurde 2002 ein zweites Referat aufgebaut. Seitdem diese Referate ihre Arbeit aufnahmen, konnte die Kommission durch Änderungen im Management die Zeitspanne zwischen dem Beginn und dem Abschluss von Kartellverfahren deutlich verkürzen. Als Folge der internen Reorganisation richten alle mit Kartellfragen befassten Referate der GD Wettbewerb im Vorfeld des Inkrafttretens der Verordnung 1/2003 ihre Kräfte und Mittel noch stärker darauf, Kartelle in ihrem Verantwortungsbereich aufzudecken und zu verfolgen.

35. Abschließend zu diesem Thema sei noch erwähnt, dass die Kommission im Oktober den 5. Internationalen Workshop zu Kartellfragen veranstaltete. Der Sinn derartiger Workshops besteht darin, Erfahrungen zur Ermittlung, Verfolgung und Zerschlagung von Kartellen auszutauschen. An dem Workshop nahmen 160 Vertreter von Kartellbehörden aus über 35 Ländern teil. Vertreten waren auch eine Reihe internationaler Organisationen, die mit Wettbewerbsfragen befasst sind, darunter die OECD.

1.2. Kartellentscheidungen

Französisches Rindfleisch [32]

[32] Sache COMP/F3/38.279; ABl. L 209 vom 19.8.2003.

36. Mit Entscheidung vom 2. April hat die Kommission Geldbußen in einer Gesamthöhe von 16,68 Mio. EUR gegen sechs französische Berufsverbände im Rindfleischsektor verhängt, von denen vier die Züchter vertreten (darunter die Fédération Nationale des Syndicats d'Exploitants Agricoles, der größte französische Bauernverband) und zwei die Betreiber von Schlachthöfen. Damit wird der Abschluss einer schriftlichen Vereinbarung vom 24. Oktober 2001 geahndet, die ab Ende November/Anfang Dezember 2001 mündlich weitergeführt wurde. Vor dem Hintergrund des durch die BSE-Krise ausgelösten Verfalls der Rindfleischpreise sah die Vereinbarung vor, die Einfuhr von Rindfleisch zeitweilig auszusetzen und beim Kauf bestimmter Rinderkategorien Mindestpreise anzuwenden.

37. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass diese Vereinbarung den Bestimmungen des Artikels 81 zuwiderlief und dafür keine der in Artikel 2 der Verordnung Nr. 26/62 aufgeführten Ausnahmeregelungen in Anspruch genommen werden konnte [33]. Angesichts der besonderen Lage auf dem Rindfleischmarkt hat die Kommission die Höhe der verhängten Geldbußen deutlich niedriger angesetzt. Die verschiedenen Parteien haben vor dem Gericht erster Instanz Rechtsmittel gegen diese Entscheidung eingelegt und eine Aussetzung der Geldbußen beantragt [34].

[33] Verordnung Nr. 26 des Rates vom 4.4.1962 zur Anwendung bestimmter Wettbewerbsregeln auf die Produktion landwirtschaftlicher Erzeugnisse und den Handel mit diesen Erzeugnissen (ABl. 30 vom 20.4.1962, S. 993/62).

[34] Rechtssachen T-217/03, T-245/03, T-252/03. [ggf. überprüfen und ergänzen].

Sorbate [35]

[35] Sache COMP/E1/37.370.

38. Am 1. Oktober verhängte die Kommission gegen die Hoechst AG (Deutschland), Daicel Chemical Industries, Ltd. (Japan), Ueno Fine Chemicals Industry, Ltd. (Japan) und The Nippon Synthetic Chemical Industry Co., Ltd. (Japan) Geldbußen in Höhe von 99,0 Mio. EUR, 16,6 Mio. EUR, 12,3 Mio. EUR bzw. 10,5 Mio. EUR, weil sie sich zusammen mit der Chisso Corporation (Japan) an einem Kartell zur Aufteilung des Sorbatmarktes und zur Festsetzung der Preise beteiligt hatten. Sorbate sind chemische Konservierungsmittel, die zur Hemmung oder Verhinderung des Wachstums von Mikroorganismen eingesetzt werden. Sie kommen vor allem in der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zur Anwendung. Wie eine 1998 eingeleitete Untersuchung ergab, waren diese Unternehmen im Zeitraum 1979-1996 an einem weltweiten Kartell beteiligt. Die Geldbuße gegen die Hoechst AG wurde wegen des erschwerenden Umstands erhöht, dass das Unternehmen nicht zum ersten Mal in einer Kartellsache sanktioniert wurde. Es sei hier vermerkt, dass die Chisso Corporation (Japan) aufgrund der Kronzeugenregelung völlig straffrei ausging, weil sie als erste entscheidendes Beweismaterial zum Bestehen des Kartells vorlegte.

Elektrische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte [36]

[36] Sache COMP/E2/38.359.

39. Am 3. Dezember verhängte die Kommission Geldbußen in Höhe von insgesamt 101,44 Mio. EUR gegen die C. Conradty Nürnberg GmbH (1,06 Mio. EUR), die Hoffmann & Co. Elektrokohle AG (2,82 Mio. EUR), Le Carbone Lorraine S.A. (43,05 Mio. EUR), die Schunk GmbH und Schunk Kohlenstofftechnik GmbH (gesamtschuldnerisch 30,87 Mio. EUR) und die SGL Carbon AG (23,64 Mio. EUR) wegen Teilnahme an Preisabsprachen und Maßnahmen zur Aufteilung des EWR-Marktes für elektrische und mechanische Kohlenstoff- und Graphitprodukte. Das Kartell bestand vom Oktober 1988 bis zum Dezember 1999. Der Morgan Crucible Company plc wurde eine Geldbuße erlassen, weil sie als erstes Unternehmen Informationen zur Aufdeckung des Kartells vorlegte.

Organische Peroxide [37]

[37] Sache COMP/E2/37.857.

40. Am 10. Dezember belegte die Kommission die Atofina S.A., die Peroxid Chemie GmbH & Co KG, die gesamtschuldnerisch haftenden Unternehmen Degussa UK Holdings Ltd. und Peroxid Chemie GmbH & Co KG (Deutschland), die Peroxidos Organicos S.A und die AC Treuhand AG (Schweiz) mit Geldbußen in einer Höhe von 43,47 Mio. EUR, 8,83 Mio. EUR, 16,73 Mio. EUR, 0,5 Mio. EUR bzw. 1000 EUR. Der Firma Akzo (Akzo Nobel Polymer Chemicals B.V, Akzo Nobel N.V, Akzo Nobel Chemicals International B.V) wurde die Geldbuße vollständig erlassen, weil sie das Kartell aufgedeckt hatte. Wie die 2000 eingeleiteten Ermittlungen ergaben, beteiligten sich die Unternehmen von 1971 bis 1999 (z. T. auch über einen kürzeren Zeitraum) an einem EWR-weiten Kartell auf dem Gebiet der organischen Peroxide [38].

[38] Organische Peroxide sind organische chemische Erzeugnisse mit Sauerstoffdoppelbindung zur Herstellung von Kunststoff und Gummi.

41. Zur Bemessung der Geldbuße sei angemerkt, dass die Beratungsfirma AC Treuhand gegen EU-Recht verstieß, indem sie an der Organisation des Kartells mitwirkte, doch beschränkte sich die Höhe ihrer Geldbusse aufgrund der eher neuartigen Vorgangsweise auf einen geringfügigen Betrag. Bei drei Adressaten der Entscheidung - Peroxid Chemie, Atofina und Degussa UK Holdings - wurden die Geldbußen erhöht, weil es sich um Wiederholungstäter handelte.

Industriekupferrohre [39]

[39] Sache COMP/E1/38.240.

42. Am 16. Dezember verhängte die Kommission Geldbußen gegen die führenden europäischen Kupferrohrhersteller KM Europa Metal AG (zusammen mit ihren 100%igen Tochtergesellschaften Europa Metalli SpA und Tréfimétaux SA), Wieland Werke AG und Outokumpu Oyj (zusammen mit ihrer 100%igen Tochtergesellschaft Outokumpu Copper Products Oy) wegen Verstoßes gegen die EU-Wettbewerbsregeln. Die 2001 eingeleiteten Ermittlungen ergaben, dass die fraglichen Unternehmen zwischen 1988 und Anfang 2001 im Rahmen der in der Schweiz gegründeten Cuproclima Gütegemeinschaft für ACR-Rohre (Klima- und Kältetechnik) Absprachen zur Preisfestsetzung und Marktaufteilung bei Industriekupferrohren in gespulten Ringen (LWS) getroffen hatten.

43. Sämtliche Adressaten der Entscheidung kooperierten bei den Ermittlungen mit der Kommission im Rahmen der Kronzeugenregelung von 1996. Aufgrund dieser Zusammenarbeit verringerte die Kommission die Geldbuße bei Outokumpu um 50%, bei der KMU-Gruppe um 30 % und bei den Wieland Werken um 20%. Die höchste Geldbuße wurde gegen die Unternehmen der KME-Gruppe mit einem Gesamtbetrag von 39,81 Mio. EUR verhängt, während den Wieland Werken 20,79 Mio. EUR auferlegt wurden. Bei Outokumpu wurde die Zusammenarbeit außerhalb der Kronzeugenregelung von 1996 als strafmildernder Umstand gewertet, denn es enthüllte als erstes Unternehmen, dass das Kartell über 12 Jahre bestanden hatte. Allerdings spiegelt der Endbetrag auch eine Erhöhung infolge wiederholten rechtswidrigen Verhaltens wider, denn in einer anderen Entscheidung der Kommission wurde Outokampu bereits 1990 der Beteiligung an einem Kartell im Edelstahlsektor überführt. Dadurch ergab sich letztendlich eine Geldbuße von 18,13 Mio. EUR. Der Gesamtbetrag der in diesem Fall verhängten Geldbußen belief sich auf 78,73 Mio. EUR.

1.3. Gerichtsurteile

Aminosäuren [40]

[40] Rechtssachen T-220/00, T-223/00, T-224/00, T-230/00.

44. In den Urteilen zur Rechtssache Aminosäuren [41] wies das Gericht erster Instanz das Argument der Klägerinnen zurück, die Kommission müsse die Höhe der Geldbuße unter Berücksichtigung von bereits in Drittstaaten verhängten Geldbußen festsetzen. Nach Ansicht der Klägerinnen hatte die Kommission gegen den Grundsatz verstoßen, dass derselbe Verstoß nicht zweimal geahndet werden dürfte, und die abschreckende Wirkung bereits festgesetzter Geldbußen außer Acht gelassen. Das Gericht befand, dass derzeit kein völkerrechtlicher Grundsatz die Behörden oder Gerichte verschiedener Staaten daran hindere, eine Person wegen der gleichen Tat zu verfolgen und zu verurteilen.

[41] Rechtssache T-224/00.

45. Das Gericht erster Instanz formulierte auch den Grundsatz, dass die Lieferung von Informationen, die nicht als Zusammenarbeit im Rahmen der Kronzeugenregelung angesehen werden kann, aber dennoch die Kommission in ihren Ermittlungen unterstützt, eine effektive Zusammenarbeit außerhalb des Anwendungsbereichs der Kronzeugenregelung (im Sinne von Nummer 3 sechster Gedankenstrich der Leitlinien) darstellt. Die Lieferung solcher Informationen begründet den Anspruch auf eine zusätzliche Herabsetzung der Geldbußen aufgrund mildernder Umstände.

46. Es traf zudem die Feststellung, dass jede prozentuale Erhöhung oder Herabsetzung zur Berücksichtigung erschwerender oder mildernder Umstände am Grundbetrag der nach Maßgabe der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung ermittelten Geldbuße vorzunehmen ist.

Griechische Fähren [42]

[42] Sache COMP/D-2/34.466, Entscheidung 1999/271/EG der Kommission vom 9.12.1998 in einem Verfahren nach Artikel 81 EGV, ABl. L 109 v. 27.4.1999, S. 24; EuGeI, Rs. T-56/99 Marlines/Kommission, T- 59/99 Ventouris Group/Kommission, T-61/99 Adriatica/Kommission, T-65/99 Strintzis/Kommission und T-66/99 Minoan/Kommission.

47. 1992 leitete die Kommission aus Anlass einer Fahrgastbeschwerde über sehr ähnliche Preise der Fährgesellschaften auf den Strecken zwischen Griechenland und Italien ein Verfahren zur Untersuchung des Verhaltens einiger der dort tätigen Personen- und Frachtverkehrsunternehmen ein. 1999 kam sie zu dem Ergebnis, dass sieben Unternehmen mittels Preisfestsetzungsvereinbarungen und -praktiken gegen die EU-Wettbewerbsregeln verstoßen hatten, und verhängte Geldbußen von insgesamt 9 Mio. EUR.

48. In den Urteilen des Gerichts erster Instanz vom Dezember 2003 wurden Tenor und Geldbußen der Kommissionsentscheidungen weitgehend bestätigt; lediglich für zwei Unternehmen wurde die Geldbuße herabgesetzt.

49. In inhaltlicher Hinsicht bestätigte das EuGeI u.a., dass Nachprüfungen in den Geschäftsräumen eines Vermittlers mit eigener Rechtspersönlichkeit unter bestimmten Umständen auch dann rechtmäßig sind, wenn die Nachprüfungsentscheidung lediglich an den Vertretenen gerichtet ist. Ferner könnten auch Handlungen eines Vermittlers mit eigener Rechtspersönlichkeit dem Vertretenen zugerechnet werden, wenn beide eine wirtschaftliche Einheit bzw. ein Unternehmen im Sinne von Artikel 81 EGV bilden. Zur Rolle der Behörden merkte das EuGeI an, dass sogar in hochgradig regulierten Wirtschaftszweigen wie dem Seeverkehr, in dem Behörden eine bestimmte Preispolitik empfehlen, die Unternehmen für ihre Mitwirkung an einem Preiskartell verantwortlich bleiben, solange die Behörden sich nicht mittels übermächtigen Drucks zu solchen Preisvereinbarungen zwingen. Schließlich bestätigte das Gericht die Kommissionsmethode zur Berechnung der Geldbußen auch im Hinblick auf die Berücksichtigung mildernder und erschwerender Umstände, reduzierte jedoch die Geldbußen gegen Adriatica und Ventouris, zwei Unternehmen von mittlerer Größe, weil sie lediglich auf den "südlichen" Strecken nach Bari und Brindisi tätig waren und in dem Kartell nur eine geringere Rolle spielten.

1.4. Andere Fälle

Allianz der Luftverkehrsgesellschaften BA und SN [43]

[43] Sache COMP/D2/38.477.

50. Am 25. Juli 2002 meldeten British Airways (BA) und die SN Brussels Airlines (SN) der Kommission gemäß Verordnung 3975/87 [44] eine Reihe von Kooperationsvereinbarungen, die sie in die Lage versetzten, Tarife, Flugpläne und Kapazitäten ihres jeweiligen Streckennetzes aufeinander abzustimmen. Die Parteien beantragten eine Freistellung nach Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag. Die Frist von 90 Tagen verstrich am 10. März, ohne dass die Kommission ernsthafte Bedenken geäußert hatte.

[44] Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 des Rates (ABl. L 374 vom 31.12.87, S.1) über die Einzelheiten der Anwendung der Wettbewerbsregeln auf Luftfahrtunternehmen, zuletzt geändert durch Verordnung (EWG) Nr. 1284/91 des Rates vom 14.5.1991 (ABl. L 122 vom 17.05.91, S. 2) und Verordnung (EWG) Nr. 2410/92 des Rates vom 23.7.1992 (ABl. L 240 vom 24.8.92, S. 18). Diese Verordnung sieht vor, dass angemeldete Vereinbarungen automatisch für eine Hoechstdauer von sechs Jahren freigstellt werden, sofern die Kommission nicht innerhalb einer Frist von 90 Tagen, beginnend mit der Veröffentlichung der Hauptbestandteile der Vereinbarung im Amtsblatt, ernsthafte Zweifel vorbringt. Im vorliegenden Falle erfolgte die Veröffentlichung im ABl. C 306 vom 10.12.2002.

51. Die Prüfung der Kommission ergab, dass sich die Streckennetze der Parteien weitgehend ergänzen und dass die Verbraucher von der Kooperationsvereinbarung profitieren. Insbesondere erhalten SN-Passagiere durch die Vereinbarung Zugang zu einem weltweiten Langstreckennetz, während BA-Passagiere leichter zu den SN-Zielorten in Afrika gelangen können.

52. Um sicherzustellen, dass die Allianz nicht zur Ausschaltung des Wettbewerbs auf bestimmten betroffenen Märkten führt, untersuchte die Kommission die Auswirkungen der Allianz auf Strecken, bei denen es zu Überschneidungen kommt, insbesondere Brüssel-London und Brüssel-Manchester.

53. Im Hinblick auf die Strecke Brüssel-London gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass der Wettbewerb durch die Kooperationsvereinbarung nicht ausgeschaltet wird, da sich BA und SN weiterhin zwei starken Konkurrenten gegenübersehen: bmi und Eurostar. Auf der Strecke Brüssel-Manchester wirkt sich die Allianz am stärksten wettbewerbshemmend aus, denn dort kommen die Parteien zusammen auf einen Marktanteil von nahezu 100 %. Zudem treten auf dem Flughafen Brüssel in Spitzenzeiten Kapazitätsengpässe auf, die einem neuen Anbieter den Einstieg in diesen Markt unmöglich machen könnten. Um die von der Kommission bei der ersten Prüfung geäußerten Bedenken auszuräumen, verpflichteten sich die Fluggesellschaften, auf dem Flughafen Brüssel eine ausreichende Zahl von Zeitnischen für Starts und Landungen freizugeben, damit ein neuer Marktteilnehmer dreimal täglich einen Flug nach Manchester anbieten kann, sofern diese Zeitnischen nicht über das normale Verfahren für die Zuweisung von Zeitnischen erhältlich sind.

ARA, ARGEV, ARO [45]

[45] Sachen COMP/D3/35470 - COMP/D3/35473.

54. Am 16. Oktober traf die Kommission eine positive Entscheidung zum österreichischen Verpackungsrücknahmesystem ARA. Mit der Entscheidung wurde ein Negativattest gemäß Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag für alle gemeldeten Vereinbarungen erteilt. Für die Verträge zwischen dem ARA-System und den mit der Sammlung und Sortierung befassten Unternehmen wuqrde hingegen eine Einzelfreistellung nach Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag gewährt. Um für Konkurrenten des ARA-Systems den uneingeschränkten Zugang zur Sammelinfrastruktur zu gewährleisten, ist die Freistellung mit Auflagen verknüpft.

55. Die Altstoff Recycling Austria AG (ARA) betreibt als einziges Unternehmen in Österreich ein flächendeckendes System zur Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen aus Haushalt, Gewerbe und Industrie. ARA erteilt Lizenzen zur Verwendung des Grünen Punkts und bietet seine Entpflichtungsleistungen allen Unternehmen an, die von der österreichischen VerpackVO unmittelbar betroffen sind. Die Branchenrecyclinggesellschaften (BRG, darunter ARGEV für die Sammlung und Sortierung von Kunststoffverpackungen und ARO für Papierverpackungen) arbeiten mit ARA bei der Organisation der Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen zusammen. Gemeinsam mit ARA bilden sie das ARA-System. Die eigentliche Sammlung, Sortierung und Verwertung erfolgt durch Entsorgungsunternehmen, die im Auftrag der BRG tätig werden.

56. Mit ihrer Entscheidung zum ARA-System in Österreich hat die Kommission ihre Grundkonzeption im Bereich umweltfreundlicher Verpackungsrücknahmesysteme, wie sie in den 2001 getroffenen Entscheidungen zum Dualen System Deutschland und zu Eco-Emballages in Frankreich zum Ausdruck kommt, bestätigt und präzisiert [46]. Sie will insbesondere sicherstellen, dass das ARA-System nicht mit zwingenden ungerechtfertigten Ausschließlichkeitsklauseln oder sonstigen ungerechtfertigten Einschränkungen in den Vertragsbeziehungen zu den Partnern verbunden ist, die Konkurrenten am Markteintritt hindern könnten. Die Einschaltung der Kommission hatte zur Folge, dass seitens des ARA-Systems weit gehende Zusagen zur Verwendung des Grünen Punkts und zur Dauer der Vereinbarungen mit den Sammel- und Sortierpartnern gemacht wurden.

[46] DSD: Entscheidungen der Kommission vom 20.4.2001 (ABl. L 166 vom 21.6.2001, S. 1) und vom 17.9.2001 (ABl. L 319 vom 4.12.2001, S. 1); Eco Emballages : Entscheidung der Kommission vom 15.6.2001 (ABl. L 233 vom 31.8.2001, S. 37).

57. ARA verlangt keine Lizenzgebühren für nicht in das System einbezogene Verpackungen, die den Grünen Punkt tragen. Dies entspricht dem Grundsatz ,Keine Gebühr ohne Gegenleistung". Überdies hat ARA zugesagt, die Verwendung des Grünen Punktes bei sämtlichen auf den österreichischen Markt gelangenden Verpackungen zuzulassen, selbst wenn die Hersteller und Importeure (teilweise) die Dienste eines ARA-Konkurrenten in Anspruch nehmen. Wichtig ist dies vor allem für Unternehmen, die ihre Erzeugnisse in Mitgliedstaaten vertreiben, in denen der Grüne Punkt vorgeschrieben ist. Diese Unternehmen können nun ihre Produkte auf dem österreichischen Markt anbieten, ohne zwei getrennte Produktionslinien einführen zu müssen.

58. Nach den Vereinbarungen mit den Sammel- und Sortierpartnern ist je Region und Material jeweils nur ein Unternehmen für die Sammlung und Sortierung zuständig. Das Vertragsverhältnis kann nach drei Jahren gekündigt werden, und seitens des ARA-Systems wurde zugesagt, dass die Aufträge spätestens nach fünf Jahren im Rahmen eines offenen, transparenten und objektiven Verfahrens neu ausgeschrieben werden. Eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren ist bei diesen Vereinbarungen mit Ausschließlichkeitsbindung vertretbar, damit sich die zum Aufbau der Sammelinfrastruktur erforderlichen Investitionen der Entsorgungsgesellschaften amortisieren.

59. Aufgrund der spezifischen angebotsseitigen Verhältnisse, die auf dem Markt für die Sammlung und Sortierung von haushaltsnahen Verpackungsabfällen herrschen, ist die Errichtung einer weiteren Erfassungsinfrastruktur unmöglich oder unrentabel. Aus diesem Grunde musste die Freistellungsentscheidung mit Auflagen verknüpft werden, wonach ARGEV die Sammel- und Sortierpartner nicht daran hindern darf, Wettbewerbern des ARA-Systems die Mitbenutzung ihrer Infrastruktur zu ermöglichen.

Vereinigtes Königreich und Deutschland, gemeinsame Nutzung von Netzen [47]

[47] Sache COMP/C1/38.370, O2 UK Limited/T-Mobile UK Limited - UK Network Sharing Agreement; ABl. L 200 vom 7.8.2003 und Pressemitteilung IP/03/589 vom 30.4.2003; Sache COMP/C-1/38.369, T-Mobile Deutschland/O2 Deutschland - Network Sharing Rahmenvertrag, Pressemitteilung IP/03/1026, 16.7.2003.

60. Am 30. April und am 16. Juli erließ die Kommission zwei Freistellungsentscheidungen, in denen dargelegt wird, in welchem Umfang Mobilfunkbetreiber durch die gemeinsame Nutzung von Netzen (,network-sharing") miteinander kooperieren dürfen. Im Februar 2002 hatten T-Mobile und mmO2 zwei Vereinbarungen gemeldet, wonach die Parteien durch ,network-sharing" beim Ausbau ihrer Mobilfunknetze der dritten Generation (,3G") im Vereinigten Königreich und Deutschland zusammenarbeiten wollten.

61. Die Standortmitbenutzung durch Mobilfunkbetreiber wurde in keinem der Fälle als wettbewerbsbeschränkend eingestuft. Die Zusammenarbeit beschränkt sich auf Basiselemente der Infrastruktur, und die Parteien behalten die vollständige Kontrolle über ihre Kernnetze. Eine Standortmitbenutzung wurde auch aus umwelt- und gesundheitspolitischen Gründen als positiv erachtet.

62. Es zeigte sich, dass die Zusammenarbeit der Mobilfunkbetreiber beim nationalen Roaming den Wettbewerb auf Großhandelsebene beschränkt und sich schädlich auf die nachgelagerten Endkundenmärkte auswirken kann. Allerdings ermöglicht das nationalen Roaming den Anbietern einen höheren Versorgungsgrad, eine bessere Qualität und höhere Übertragungsraten sowie eine Beschleunigung des Netzausbaus und eine schnellere Bereitstellung von Leistungen. In den beiden Entscheidungen befristete die Kommission die Freistellung für das Roaming in ländlichen Gebieten bis zum 31. Dezember 2008, während die Freistellung für das Roaming in städtischen Gebieten nach einem strengen Zeitplan bis zum 31. Dezember 2008 stufenweise ausläuft.

Yamaha [48]

[48] Sache COMP/F1/37.975.

63. Am 16. Juli traf die Kommission die Entscheidung [49], gegen die Yamaha Corporation Japan, Yamaha Europa GmbH, Yamaha Musica Italia S.p.A, Yamaha Musique France S.A. und Yamaha Scandinavia AB wegen Beschränkung des Handels und Festsetzung von Weiterverkaufspreisen eine Geldbuße in Höhe von 2,56 Mio. EUR zu verhängen. Yamaha ist in Europa bei den meisten Musikinstrumenten Marktführer.

[49] Entscheidung der Kommission vom 16.7.2003; Pressemitteilung IP/03/1028 vom 16.7.2003.

64. Die europäischen Tochtergesellschaften von Yamaha und deren Vertriebshändler verfolgten durch verschiedene Vereinbarungen und/oder abgestimmte Verhaltsweisen das Ziel, den Wettbewerb in verschiedenen Mitgliedstaaten und EWR-Vertragspartnern (Deutschland, Italien, Frankreich, Österreich, Belgien, Niederlande, Dänemark und Island) im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 53 Absatz 1 EWR-Abkommen zu beschränken. Die fraglichen Maßnahmen, die hauptsächlich in den Vertriebsvereinbarungen enthalten waren, bestanden in räumlichen Beschränkungen (zumeist dem Verbot von Lieferungen an andere Händler des selektiven Vertriebsnetzes) und Beschränkungen des Rechts der Händler, die Weiterverkaufspreise selbst festzusetzen.

Kasten 2: Wettbewerb und Übertragungsrechte für internationale Sportereignisse - Rahmensetzung: Die Entscheidung zur Champions League der UEFA [50]

[50] Freistellungsentscheidung mit Auflagen vom 23.7.2003 in der Sache COMP/C2/37.398; IP/03/1105, 24.7.2003.

Bestimmte Übertragungsrechte für Sportveranstaltungen - insbesondere Fußballspiele - und erstmals gezeigte publikumsträchtige Spielfilme sind Programmbestandteile, die über die Fähigkeit einer Fernsehanstalt entscheiden, Werbekunden bzw. Abonnenten zu gewinnen, die für frei empfangbare Sender und Pay-TV-Anbieter die wichtigsten Einnahmequellen darstellen. Befindet sich eine Mehrzahl dieser Rechte im ausschließlichen Besitz einer alteingesessenen Fernsehanstalt, so verfügt diese über eine Marktstellung, die den erfolgreichen Einstieg neuer Konkurrenten sehr erschwert.

Die Wettbewerbsprobleme auf den Märkten für Sportübertragungsrechte sind oft die Folge von Regelungen zur gemeinsamen Vermarktung und von Exklusivverträgen mit großem Geltungsbereich und/oder langer Laufzeit. Durch die Förderung eines effektiven Wettbewerbs bei Sportübertragungsrechten dürfte sich generell der Wettbewerb auf dem Fernsehmarkt verstärken, wodurch die Zuschauer in den Genuss hochwertiger Fernsehangebote kommen, die ebenso preiswert wie innovativ und breit gestreut sind. Die Kommission will deshalb sicherstellen, dass die Fernsehrechte regelmäßig auf eine Art und Weise ausgeschrieben werden, die potenziellen Bietern eine reale Chance auf die Erteilung des Zuschlags eröffnet.

Vermutlich wird die Entwicklung der neuen Internet- und Mobilfunkmärkte insofern parallel zur Entwicklung der Pay-TV-Märkte verlaufen, als Sportprogramme ein wesentliches Antriebsmoment für die neuen Dienste darstellen werden. Die Inhaber der Rechte neigen aber gegenwärtig dazu, die Verwertung der Rechte durch neue Medien zu blockieren, weil sie eine Entwertung der Fernsehrechte befürchten. Die Kommission kann aber keine wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen hinnehmen, die zu einer derartigen Blockierung führen.

Die Entscheidung der Kommission vom 23. Juli in der Sache Champions League ist ein Beispiel für eine Regelung zur gemeinsamen Vermarktung von Medienrechten auf Ausschließlichkeitsbasis, die dem Verbraucher nützt und unnötige Einschränkungen des Wettbewerbs im Sinne einer Einschränkung der Produktion und des Preiswettbewerbs vermeidet.

Verdeutlicht wird dies durch die Vermarktungsregelung, die vor dem Eingreifen der Kommission galt. Die UEFA verkaufte alle Rechte für vier Jahre als Exklusivpaket an lediglich einen Fernsehanbieter pro Mitgliedstaat. Viele Rechte blieben dabei ungenutzt, weil von maximal 16 Spielen im Allgemeinen nur ein bis zwei live im Fernsehen gesendet wurden. Es wurden keine neuen Medienrechte verwertet, und die Vereine hatten keine Möglichkeit zur individuellen Vermarktung von Medienrechten.

Dieser Sachverhalt beeinträchtigte den Wettbewerb auf dem Fernsehrechtemarkt für regelmäßig (und nicht nur in größeren Abständen) ausgetragene Fußballspiele, an dem die Champions League der UEFA im EU-Durchschnitt einen Anteil von ungefähr 20 % hält.

Dabei erkennt die Kommission an, dass eine zentrale Vermarktung die Möglichkeit eröffnet, Produktion und Vertrieb zum Vorteil der Vereine, Programmanbieter und Zuschauer zu verbessern. Eine derartige Regelung schafft eine einheitliche Anlaufstelle für den Kauf eines als Paket angebotenen mediengerechten Markenprodukts. Dies kann zu einer deutlichen Absenkung der Transaktionskosten führen. Natürlich sollte eine Vermarktungsregelung keine Wettbewerbseinschränkungen beinhalten, die zur Erreichung dieser Effizienzgewinne und Vorteile für den Verbraucher nicht unbedingt notwendig sind.

Die Kommission ist der Auffassung, dass sie dies mit der neuen Vermarktungsregelung, die die UEFA 2002 nach intensiven Verhandlungen anmeldete, erreicht hat. Diese Vereinbarungen stellen sicher, dass alle Medienrechte in 14 getrennten Paketen über ein Ausschreibungsverfahren für maximal drei Jahre verkauft werden. Darüber hinaus verliert die UEFA das Recht, allein über den Verkauf von Fernsehrechten zu entscheiden, wenn diese nicht innerhalb einer bestimmten Frist verkauft wurden. Sowohl die UEFA als auch die einzelnen Vereine können bestimmte Rechte für Live-Übertragungen, für zeitversetzte Übertragungen, für die Verwertung von Archivmaterial und nicht zuletzt für die Nutzung durch neue Medien parallel vermarkten. Dies ermöglicht ein umfangreicheres und vielfältigeres Angebot. Zusätzlich zu den Champions-League-Produkten der UEFA können nun über Websites, Mobilfunkdienste, DVD u. ä. völlig neue eigene Markenprodukte der Vereine angeboten werden.

Durch das Eingreifen der Kommission ist es gelungen, den Markt zu öffnen. Im Vergleich zu früher werden zweimal so viele Fernsehanstalten Spiele der UEFA-Champions League übertragen. Die neue Regelung hat auf den Medienmärkten für mehr Wettbewerb gesorgt, denn Programmanbieter und neue Medien konkurrieren um die Gunst der Verbraucher.

Entsprechend den Grundsätzen, die in der Sache Champions League aufgestellt wurden, prüft die Kommission auch die zentrale Vermarktung des Fußballs durch bestimmte nationale Ligen, doch ist in diesem Falle die Marktposition wesentlich stärker und die Gefahr eines Marktausschlusses deutlich höher. Die Kommission wird der Untersuchung dieser Gesichtspunkte besondere Aufmerksamkeit schenken.

Philips/Sony [51]

[51] Sachen COMP/C3/37.228 Ingman Disc + VDC / Philips und Sony, COMP/C3/37.561 Pollydisc / Philips and Sony, COMP/C3/37.707 Broadcrest u.a. / Philips und Sony und COMP/C3/38.787 Philips und Sony: Anmeldung des Standardvertrags.

65. Am 25. Juli genehmigte die Kommission per Verwaltungsschreiben zweiseitige Vereinbarungen von Philips und Sony zur Schaffung eines gemeinsamen weltweiten CD-Lizenzprogramms sowie den Standardvertrag (Fassung 2003), mit dem Philips Patente von Philips und Sony sowie Patente über gemeinsame Erfindungen beider Unternehmen im Bereich der CD-Technologie dritten Unternehmen zugänglich machen will.

66. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass die Vereinbarungen über das gemeinsame CD-Lizenzprogramm unter die Gruppenfreistellungsverordnung für bestimmte Kategorien von Technologietransfer-Vereinbarungen fallen. Zwar sind Vereinbarungen zwischen Mitgliedern eines Patentpools normalerweise von dieser Regelung ausgenommen, doch erstreckt sich Artikel 5 Absatz 2 Nummer 2 der Verordnung auch auf Patentpools, die zwischen lediglich zwei Parteien ohne jegliche räumliche Beschränkungen im EWR geschlossen werden.

67. Der neue Standardvertrag (Fassung 2003) stellt zudem in den Augen der Kommission keine nennenswerte Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag dar, zumal in der jetzigen Fassung nur wirklich unerlässliche Patente aufgeführt sind. Darüber hinaus können die Lizenznehmer zwischen der gemeinsamen Lizenz und getrennten Lizenzen von Philips oder Sony wählen und sie unabhängig davon nutzen, ob es sich um Standardspezifikationen handelt oder nicht. Die Rücklizenzpflicht gilt nur für Patente, die für die vom jeweiligen Lizenznehmer gewählte(n) CD-Kategorie(n) unerlässlich sind.

REIMS-II [52]

[52] Sache COMP/C1/38.170.

68. Mit ihrer Entscheidung vom 23. Oktober hat die Kommission die REIMS-II Vereinbarung für weitere fünf Jahre freigestellt [53]. Dabei geht es um die so genannte Endvergütung, die sich Postunternehmen gegenseitig für die Zustellung von aus anderen Ländern eingehenden Postsendungen zahlen. Siebzehn öffentliche Postbetreiber, darunter jene aller EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme der Niederlande sowie jene Norwegen, Islands und der Schweiz haben die REIMS-II-Vereinbarung unterzeichnet.

[53] IP/03/1438, 23.10.2003.

69. Die Vereinbarung, die bereits 1999 bis zum 31. Dezember 2001 freigestellt worden war, wurde von den Parteien am 18. Juni 2001 erneut angemeldet, um eine Verlängerung der Freistellung zu erreichen. Nach Ansicht der Kommission stellte sie eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Artikel 81 Absatz 1 dar, da sie die Freiheit der Parteien einschränkt, eine andere als die in der Vereinbarung festgelegte Endvergütung festzulegen.

70. Angesichts der Vorteile, die bereits in der Freistellungsentscheidung von 1999 genannt wurden, insbesondere der höheren Qualität des grenzüberschreitenden Postverkehrs, beschloss die Kommission, die Vereinbarung für weitere fünf Jahre freizustellen. Sie verband dies allerdings mit strengen neuen Auflagen, die einerseits den diskriminierungsfreien Zugang privater Postbetreiber zu den Zustellungskonditionen von REIMS II und andererseits die Bereitstellung kostengünstiger Alternativen zur Endvergütung betreffen.

2. Artikel 82 und 86

2.1. Artikel 82

Deutsche Telekom AG [54]

[54] Sache COMP/C1/37.451.

71. Am 21. Mai traf die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 82 zur Preisstrategie der Deutschen Telekom AG (DT) für den Zugang zu den Telefonortsnetzen und belegte das Unternehmen mit einer Geldbuße in Höhe von 12,6 Mio. EUR [55]. In der Entscheidung stellte die Kommission fest, dass bei der DT eine Preis-Kosten-Schere vorgenommen hatte, da sie von neuen Anbietern höhere Gebühren für den entbündelten Zugang zum Ortsnetz verlangt wurde, als die eigenen Endkunden für ihren Anschluss zu zahlen hatten. Dadurch wurden neue Anbieter vom Markt ferngehalten und verringerte sich für die Endverbraucher sowohl die Auswahl an Anbietern von Telekommunikationsdiensten als auch der Preiswettbewerb . Die Kommission war 1999 aufgrund von Beschwerden 15 neuer Anbieter auf dem deutschen Festnetzmarkt tätig geworden.

[55] Pressemitteilung IP/03/717, 21.5.2003.

72. Die Kommission stellte eine missbräuchliche Preis-Kosten-Schere fest, da der Unterschied zwischen den Endkundenentgelten und den Vorleistungsentgelten entweder im negativen oder nur knapp im positiven Bereich lag, aber in jedem Falle nicht ausreichte, um die produktspezifischen Kosten der DT für die Erbringung eigener Endkundendienste zu decken. Aufgrund der unzureichenden Marge waren neue Anbieter seit Beginn der Entbündelung des Ortsnetzes und noch zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht in der Lage, beim Endkundenzugang über die Ortsnetze mit der DT zu konkurrieren.

73. Die Kommission stellte fest, dass DT die Preis-Kosten-Schere hätte vermeiden können, beispielsweise durch Anhebung der Endkundenentgelte für Analog-, ISDN- und ADSL-Anschlüsse im Rahmen des deutschen Price-Cap-Systems. Nach dem von 1998 bis 2001 geltenden Price-Cap-System hätte die DT die Preis-Kosten-Schere durch Umgestaltung ihres Tarifsystems im Endkundenbereich vermeiden können. Es wäre möglich gewesen, die Anhebung der Zugangsentgelte durch eine Senkung der Anrufgebühren auszugleichen. Ab 2002 hätte die DT die Preis-Kosten-Schere wenigstens durch Erhöhung der Tarife für den ADSL-Zugang verringern können. Folglich war die unzureichende Marge der DT nicht durch Entscheidungen der deutschen Regulierungsbehörde aufgezwungen worden.

Wanadoo Interactive [56]

[56] Sache COMP/C1/38.233.

74. Am 16. Juli nahm die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 82 zur Preispolitik der Firma Wanadoo bei ihren ADSL-Diensten an [57]. Sie stellte fest, dass sich Wanadoo, eine zu 72 % von France Télécom kontrollierte Tochtergesellschaft, im Zeitraum von März 2001 bis Oktober 2002 einer Kampfpreisstrategie bedient hatte, und verhängte daher gegen Wanadoo eine Geldbuße in Höhe von 10,35 Mio. EUR.

[57] Pressemitteilung IP/03/1025, 16.7.2003.

75. ADSL ist die wichtigste in Frankreich verfügbare Technologie zur Bereitstellung eines schnellen Internetzugangs für Privatkunden und kleine Unternehmen. Damit können Breitbanddienste über die herkömmliche Telefonleitung angeboten werden. Im Zeitraum, auf den sich die Entscheidung bezieht, wurden nahezu alle ADSL-Leitungen in Frankreich vom etablierten Anbieter, France Télécom, betrieben. Die ersten Breitbanddienste wurden 1998 vermarktet, doch erst 1999 kam das Geschäft in punkto Umfang und Tempo richtig in Gang. Da Wanadoo erst im März 2001 mit der Vermarktung seiner ADSL-Dienste begann, hat die Kommission den Beginn des Missbrauchs auf diesen Zeitpunkt festgesetzt.

76. Die Kommission stellte fest, dass Wanadoo von Ende 1999 bis Oktober 2002 seine ADSL-Dienste zu Preisen anbot, die unter den durchschnittlichen Gesamtkosten lagen. Bis August 2001 waren die Preise deutlich niedriger als die durchschnittlichen variablen Kosten. In der Folgezeit entsprachen sie etwa den variablen Kosten, lagen aber spürbar unter den durchschnittlichen Gesamtkosten. Aufgrund dieser Preispolitik verzeichnete Wanadoo bis Ende 2002 beträchtliche Verluste. Die anfänglichen Verluste innerhalb eines bestimmten Zeitraums wieder wettzumachen war ein wahrscheinliches Ziel, aber die Kampfpreisstrategie von Wanadoo mag auf anderen Beweggründen beruht haben. Aus Schriftstücken, die bei einer Inspektion der Geschäftsräume von Wanadoo gefunden wurden, zog die Kommission den Schluss, dass Wanadoo die Absicht verfolgte, sich den strategisch wichtigen Markt für den schnellen Internetzugang zu sichern [58].

[58] Wanadoo reichte Klage beim Gericht erster Instanz ein, um die Aufhebung dieser Entscheidung zu erwirken: Rechtssache T-340/03.

Kasten 3: Preismissbrauch im Telekommunikationssektor

Im ersten Halbjahr sprach die Kommission in ihren Entscheidungen zwei formelle Verbote nach Artikel 82 EG-Vertrag aus, die einen Behinderungsmissbrauch bei den Preisen für Telekommunikationsleistungen betrafen. Es handelt sich dabei um die ersten Entscheidungen dieser Art seit der Liberalisierung des Telekommunikationssektors im Jahre 1998, ja sogar seit 1982, als das damalige staatliche Monopolunternehmen British Telecommunications für schuldig befunden wurde, seine marktbeherrschende Stellung durch Einschränkung der Nutzung von Fernschreib- und Telefoneinrichtungen missbraucht zu haben [59].

[59] ABl. L 360 vom 21.12.1982.

Diese beiden Entscheidungen sind besonders bemerkenswert, denn sie betreffen einen Wirtschaftsbereich mit Ex-ante-Regulierung, bei der die Mitgliedstaaten über die Entscheidungsbefugnisse der nationalen Regulierungsinstanzen eine wesentliche Rolle spielen. Der Rechtsrahmen wurde 2002 durch die neuen EU-Richtlinien zur elektronischen Kommunikation umgestaltet, und nähert sich damit dem Wettbewerbsrecht entlehnten Konzepten an.

Die Kommission wird auch weiterhin konsequent gegen Preismissbrauch vorgehen, selbst wenn die betreffenden Preise branchenspezifischen Regelungen unterliegen. In den beiden Entscheidungen sind die Bedingungen der anzuwendenden Testmethode dargelegt. Kampfpreise lassen sich durch einen direkten Vergleich zwischen den Preisen und den ihnen zugrunde liegenden Kosten aufdecken und ziehen die Verpflichtung nach sich, die Preise über das wettbewerbswidrige Niveau anzuheben. Zur Ermittlung einer Preis-Kosten-Schere müssen zunächst die Großhandels- und die Endkundenpreise miteinander verglichen werden. Nur wenn Endkundenpreise höher ausfallen, werden auch die anfallenden Kosten im nachgelagerten Bereich überprüft. Beide Arten von Tests schaffen wichtige Präzedenzfälle für künftigen Preismissbrauch in netzgebundenen Wirtschaftszweigen, und zwar nicht nur für die Kommission und die nationalen Regulierungsinstanzen, sondern auch für die nationalen Wettbewerbsbehörden.

IMS Health [60]

[60] Sache COMP/D3/38.044.

77. Im Bereich der Informationsdienste beschloss die Kommission, eine 2001 erlassene vorläufige Anordnung wieder zurückzuziehen [61]. Damals hatte die Kommission der Firma IMS Health, dem weltweit größten Anbieter von Daten über die Verschreibung und den Verkauf von Arzneimitteln, die Auflage erteilt, ihren Konkurrenten auf dem Markt für regionale pharmazeutische Absatzdatendienste Lizenzen für die ,Struktur 1860 Bausteine" [62] zu erteilen. Hierfür konnte IMS Gebühren erheben. Diese Entscheidung wurde vom Präsidenten des Gerichts erster Instanz ausgesetzt [63]. In einem Urteil vom 17. September 2002 gestattete ein deutsches Gericht [64] dem Unternehmen NDC Health, dem wichtigsten Konkurrenten von IMS auf dem deutschen Markt, eine den Kundenanforderungen entsprechende Struktur anzubieten. Das Gericht erkannte zwar an, dass die ,Struktur 1860 Bausteine" von IMS durch das deutsche Urheberrecht geschützt ist, befand aber, dass andere Unternehmen nicht daran gehindert werden dürfen, eine andere Struktur zu entwickeln, der staatliche und postalische Untergliederungen zugrunde liegen, selbst wenn die sich daraus ergebende Struktur eine ähnliche Anzahl von Bausteinen wie die Struktur 1860 ergeben und als von dieser Struktur abgeleitet angesehen werden könnte. Deshalb könnten andere der Struktur 1860 sehr ähnliche Strukturen zur Erfassung pharmazeutischer Absatzdaten entwickelt und zur Erstellung und Vermarktung pharmazeutischer Absatzberichte rechtmäßig verwendet werden. Zugleich verbesserte NDC seine Marktposition. Überdies zog sich ein anderer Wettbewerber, der sonst von der vorläufigen Anordnung der Kommission profitiert hätte, vom deutschen Markt zurück.

[61] Sache COMP/D3/38.044 NDC Health/IMS Health, Entscheidung vom 3.7.2001 (ABl. L 59 vom 28.2.2002).

[62] Bei der ,Struktur 1860 Bausteine" wird Deutschland in 1860 Vertriebszonen bzw. ,Bausteine" aufgeteilt.

[63] Beschluss vom 26.10.2001, Rechtssache T-184/01R und Beschluss vom 11.4.2002, Rechtssache C-481/01P(R), mit dem der Präsident des Gerichtshofs das Rechtsmittel von NDC gegen den Beschluss des Präsidenten des Gerichts erster Instanz zurückwies.

[64] Urteil des Frankfurter Oberlandesgerichts vom 17.9.2002 in der Sache 11 U 67/2000.

78. Angesichts der veränderten Sachlage bestand kein dringender Grund für ein Eingreifen der Kommission mehr, sodass diese ihre vorläufige Anordnung von 2001 zurückzog.

79. Innerstaatliche Gerichtsverfahren und ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof waren aber noch anhängig. Im letztgenannten Verfahren hielt Generalanwalt Tizzano am 2. Oktober seinen Schlussantrag [65]. Nach seiner Ansicht stellt die Verweigerung einer Lizenz für die Nutzung eines urheberrechtlich geschützten immateriellen Gutes (in diesem Falle die ,Struktur 1860") den Missbrauch einer beherrschenden Stellung dar, wenn die Verweigerung objektiv nicht gerechtfertigt ist und die Nutzung des immateriellen Gutes für die Tätigkeit auf einem abgeleiteten Markt unerlässlich ist, sodass der Inhaber durch diese Verweigerung letztlich jeden Wettbewerb auf diesem Markt ausschaltet. Dies gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, dass das um die Lizenz ersuchende Unternehmen beabsichtigt, Waren oder Dienstleistungen mit anderen Merkmalen herzustellen bzw. zu erbringen, die besondere Bedürfnisse der Verbraucher erfuellen, die von den existieren Waren oder Dienstleistungen nicht befriedigt werden.

[65] Schlussantrag des Generalanwalts Tizzano vom 2.10.2003 in der Rechtssache C-418/01 IMS Health GmbH & Co.KG/NDC Health GmbH &Co.KG.

GVG/FS [66]

[66] Sache COMP/D1/C.37.685, ABl..

80. Am 28. August erließ die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 82 gegen den staatlichen italienischen Eisenbahnbetreiber Ferrovie dello Stato S.p.A (FS) wegen Missbrauchs seiner beherrschenden Stellung auf dem italienischen Eisenbahnmarkt. Nach ihrer Ansicht hatte FS das private deutsche Eisenbahnunternehmen Georg Verkehrsorganisation GmbH (GVG) daran gehindert, ein Angebot für den internationalen Schienenpersonenverkehr von Basel nach Mailand bereitzustellen.

81. Seit 1995 hatte die GVG bei FS die Bildung einer internationalen Gruppierung [67] beantragt, um Informationen über die Verfügbarkeit von Zugtrassen und die dazugehörigen Preise sowie Traktionsleistungen, d. h. Lokomotive samt Führer, zu erhalten. Die GVG wollte Reisende aus verschiedenen deutschen Städten nach Basel befördern. Sie schlug dann einen ohne Zwischenhalt verkehrenden Direktzug (,Sprinter") vor, der zweimal täglich von Basel über Domodossola nach Mailand fahren sollte. Damit würde sie insbesondere mit dem Cisalpino in Wettbewerb treten, einem Gemeinschaftsunternehmen von FS und der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB). Der Cisalpino bietet eine Tagesverbindung zwischen Basel und Mailand an.

[67] Die Richtlinie 91/440/EWG verlangt die Bildung einer ,internationalen Gruppierung", einer Verbindung von mindestens zwei Eisenbahnunternehmen mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Zwecke der Erbringung grenzüberschreitender Verkehrsleistungen im Personen- oder Güterverkehr ABl. L 237 vom 24.8.91.

82. Als vertikal integriertes Unternehmen hat FS für den Betrieb der italienischen Eisenbahninfrastruktur ein gesetzliches Monopol. Darüber hinaus ist FS in seiner Rolle als Infrastrukturbetreiber und Zuweisungsstelle für den Bau und die Instandhaltung der italienischen Eisenbahninfrastruktur sowie für die entgeltliche Zuweisung von Zugtrassen an Bahnbetreiber in Italien zuständig. Als Infrastrukturbetreiber obliegt ihm auch die Ausstellung von Sicherheitsbescheinigungen an Eisenbahnunternehmen.

83. Es zeigte sich, dass FS eine beherrschende Stellung auf dem Markt für den Zugang zum nationalen Schienennetz innehat, das als wesentliche Anlage (,essential facility") betrachtet wird. Bei den Traktionsleistungen stellte die Kommission auf der Grundlage einer detaillierten Marktuntersuchung fest, dass FS auch in diesem Bereich marktbeherrschend ist. Derzeit verfügt kein anderes italienisches Eisenbahnunternehmen über die Voraussetzungen, um der GVG die beantragten Traktionsleistungen zur Verfügung zu stellen [68]. Auch auf dem nachgelagerten Markt erwies sich FS als beherrschend, da es als einziges Unternehmen Personenverkehrsverbindungen auf dem italienischen Abschnitt der Strecke Basel - Mailand anbietet. Abgesehen vom Cisalpino betreibt FS in Zusammenarbeit mit SBB eine Reihe täglicher Personenverkehrsverbindungen zwischen Basel und Mailand. Darüber hinaus ist der Zugang zum nachgelagerten Markt auf internationale Gruppierungen beschränkt. Nach Ansicht der Kommission war nur FS in der Lage, mit der GV eine derartige internationale Gruppierung zu bilden.

[68] Im Ergebnis ihrer Marktanalyse gelangte die Kommission zudem aus einer Reihe von Gründen zu dem Schluss, dass die GVG auf dem italienischen Markt nicht selbst Traktionsleistungen erbringen konnte.

84. In ihrer Entscheidung stellte die Kommission fest, dass FS in dreifacher Hinsicht seine marktbeherrschende Stellung unter Verstoß gegen Artikel 82 missbraucht habe: Erstens habe es durch die faktische Weigerung, die Anträge der GVG auf Zugang zur Eisenbahninfrastruktur zu bearbeiten, den Zugang zu diesem Netz verweigert, das als wesentliche Anlage anzusehen sei. Zweitens habe es sich durch die Nichtbehandlung der Anträge von GVG auf Traktionsleistungen faktisch geweigert, für diese konkrete Zugverbindung Traktionsleistungen zu erbringen. Dies stelle einen Missbrauch dar, da die Weigerung von FS zur Ausschaltung eines potenziellen Wettbewerbers geführt habe und objektiv nicht gerechtfertigt gewesen sei. Drittens habe FS keine objektive Begründung für seine Weigerung gegeben, mit der GVG über die Bildung einer internationalen Gruppierung zu verhandeln. Dadurch sei die GVG am Eintritt in den nachgelagerten Markt für den Eisenbahnpersonenverkehr nach Italien gehindert worden.

85. Zur Abstellung der Zuwiderhandlungen machte FS eine Reihe wichtiger Zusagen. Insbesondere verpflichtete sich das Unternehmen, mit allen ordnungsgemäß zugelassenen Eisenbahnbetreibern Vereinbarungen über internationale Gruppierungen zu schließen, wenn diese konkrete Vorschläge zur Einrichtung einer internationalen Zugverbindung vorlegten. Des Weiteren sagte FS für einen Zeitraum von fünf Jahren zu, Traktionsleistungen für andere Eisenbahnunternehmen zu erbringen, die grenzüberschreitende Personenverkehrsverbindungen anbieten wollen. Auf dieser Grundlage schloss FS Vereinbarungen mit der GVG. Es verpflichtete sich zudem, der GVG geeignete Zugtrassen zur Verfügung zu stellen, sobald von der SBB entsprechende Zugtrassen im Schweizer Netz bereitgestellt werden. Angesichts der andauernden Liberalisierung des Eisenbahnsektors hielt es die Kommission für zweckmäßig, trotzdem in diesem Falle eine formelle Entscheidung zu erlassen, verzichtete aber wegen der Neuartigkeit des Falls darauf, eine Geldbuße zu verhängen.

2.2. Artikel 86

In diesem Jahr wurde keine formelle Entscheidung nach Artikel 86 erlassen.

C - Wettbewerbsentwicklung in einzelnen Wirtschaftszweigen

1. Energie

86. Im Jahr 2003 waren spürbare Fortschritte beim Liberalisierungsprozess im Energiesektor (Strom und Gas) zu verzeichnen. Das wichtigste Ergebnis war die am 26. Juni erfolgte Annahme eines Pakets von Rechtsvorschriften, wonach alle europäischen Strom- und Gaskunden spätestens am 1. Juli 2007 ihren Anbieter frei wählen können. Diese Rechtsetzungsinitiativen gingen mit fortgesetzten Aktivitäten der Kommission in Wettbewerbssachen einher. Die Diskussionen im Rat über die Versorgungssicherheit im Gassektor führten am 15. Dezember zu einer politischen Einigung.

87. Das Paket besteht aus einer Reihe von Rechtsvorschriften zur vollständigen Liberalisierung der europäischen Gas- und Stromindustrie. Der Rat und das Europäische Parlament haben dazu folgende Rechtsakte verabschiedet (1) Richtlinie 2003/54/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG [69] (Elektrizitätsrichtlinie), (2) Richtlinie 2003/55/EG über gemeinsame Vorschriften für den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 98/30/EG [70] (Erdgasrichtlinie) und (3) Verordnung (EG) Nr. 1228/2003 über die Netzzugangsbedingungen für den grenzüberschreitenden Stromhandel [71] (Stromhandelsverordnung). Die Gas- und die Stromrichtlinie treten an die Stelle früherer Fassungen, die eine schrittweise Marktöffnung vorsahen.

[69] ABl. L 176 vom 15.7.2003, S. 37.

[70] ABl. L 176 vom 15.7.2003, S. 57.

[71] ABl. L 176 vom 15.7.2003, S. 1.

88. Nach der neuen Erdgas- und Elektrizitätsrichtlinie soll der Markt bis zum 1. Juli 2004 für alle Nicht-Haushalts-Kunden und bis zum 1. Juli 2007 für alle Haushalts-Kunden geöffnet werden. Die Richtlinien sehen auch die Einführung des regulierten Zugangs Dritter zu den Netzen sowie zu den Terminals für Flüssiggas (LNG) vor. Nur beim Zugang zu Speicheranlagen haben die Mitgliedstaaten weiterhin die Wahl zwischen dem regulierten Zugang und dem Zugang auf Vertragsbasis. Darüber hinaus ist die Schaffung einer Regulierungsbehörde vorgesehen, deren Aufgabe u. a. darin besteht, die Zugangstarife oder zumindest die zuderen Berechnung verwendeten Methoden vorab festzulegen oder zu genehmigen. Im Übrigen wird auf die von den Dienststellen der Kommission veröffentlichen Interpretationsmitteilungen verwiesen.

89. Die Stromhandelsverordnung fördert gerechte Regeln für den grenzüberschreitenden Stromhandel und damit für den Wettbewerb auf dem Elektrizitätsbinnenmarkt. Sie beinhaltet die Schaffung eines Ausgleichsmechanismus zugunsten vonFernleitungsnetzbetreibern, um diese für die durch grenzüberschreitende Stromfluesse entstehenden Kosten zu entschädigen; ferner enthält sie harmonisierte Grundsätze für grenzüberschreitendeDurchleitungsentgelte, insbesondere diskriminierungsfreie, transparente und entfernungsunabhängige Entgelte und Regeln zur Maximierung der verfügbaren Durchleitungskapazität sowie Grundsätze für die Bewältigung von Engpässen.

90. Zu den umstrittensten Punkten der Erdgasrichtlinie sowie der Stromhandelsverordnung gehören die Ausnahmen von den verschiedenen Regeln für den Netzzugang Dritter , die größeren neuen Infrastrukturen (Verbindungsleitungen oder LNG-Terminals) gewährt werden können. Mit diesen Bestimmungen soll das richtige Verhältnis zwischen der Schaffung von Anreizen für neue Infrastrukturen und der Herbeiführung eines Binnenmarktes hergestellt werden. Natürlich können Ausnahmen nur gewährt werden, wenn sämtliche in der Richtlinie/Verordnung aufgeführten Voraussetzungen erfuellt sind. Vor allem muss das mit der Investition verbundene Risiko so hoch sein, dass die Investition ohne die Gewährung einer Ausnahme nicht getätigt würde. Eine andere wichtige Voraussetzung ist der Beitrag der betreffenden Investition zur mehr Wettbewerb. Die Freistellung darf weder dem Wettbewerb noch dem (Gas- oder Strom-) Binnenmarkt schaden. Ebenso wenig darf sie das Funktionieren des regulierten Systems beeinträchtigen, mit dem die Infrastruktur verbunden ist. Die Freistellung soll Anreize für die Ausnutzung von Kapazitätsreserven schaffen, wobei gegebenenfalls das ,use-it-or-lose-it"-Prinzip zur Anwendung kommen könnte. Ferner wäre der Nachweis, dass die Freistellung den Anforderungen des Wettbewerbs gerecht wird, einfacher, wenn der betreffende Entwickler belegen kann, dass er bei der Konzeption der Infrastruktur dritten Unternehmen Zugang z.B. im Rahmen eines ,open-season"-Verfahrens gewährt hat. Schließlich ergibt sich aus dem Sinn der Vorschrift, dass Ausnahmen in Umfang und Zeit auf ein Mindestmaß beschränkt sein müssen [72].

[72] Näheres dazu in den Richtlinien 54 und 55/2003 und der Verordnung Nr. 1228/2003, ausgearbeitet von der GD Energie und Verkehr.

91. Außerdem nahm die Kommission im Dezember einen Verordnungsvorschlag über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungen an [73]. Damit sollen einheitliche Wettbewerbsvoraussetzungen für den Zugang Dritter zum europäischen Erdgasnetz geschaffen und eine bessere Einhaltung der auf dem Madrid Forum beschlossenen Leitlinien durch alle Betreiber gewährleistet werden. In der Verordnung werden die Grundsätze für Zugangsentgelte, Transparenzbestimmungen, Mindestanforderungen an Drittzugangs-Leistungen, Kapazitätszuweisung, Engpassmanagement, Ausgleich von Mengenabweichungen, Ausgleichsentgelte und Kapazitätsrechtehandel festgelegt. Zudem enthält der Entwurf Mindestnormen für den Zugang zu den Gas-Fernleitungsnetzen, wobei die Mitgliedstaaten jedoch befugt sind, genauere Regelungen einzuführen oder beizubehalten.

[73] KOM (2003) 741, Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen

92. Bedeutende Impulse in Richtung Liberalisierung gehen auch vom Madrid-Forum und vom Florenzer Forum aus, auf dem die Kommission, die nationalen Regulierungsbehörden und die Wirtschaft ein-oder zweimal jährlich zusammenkommen, um den Liberalisierungsprozess zu erörtern. Im September verabschiedete das Madrid-Forum für Erdgasregulierung neue Leitlinien für bewährte Verfahren zur Verbesserung der Bedingungen für den Zugang Dritter zu den europäischen Erdgasnetzen. Die wichtigsten Ergebnisse sind größere Transparenz und bessere Systeme zur Bewältigung von Engpässen.

93. Die Versorgungssicherheit rangierte 2003 ebenfalls ganz oben auf der Tagesordnung. Im Elektrizitätssektor kam es zu einer Reihe von Stromausfällen. Sie waren zumindest teilweise auf unzureichende Investitionen in das Stromnetz zurückzuführen. Es ist damit zu rechnen, dass die Kommission darauf in absehbarer Zeit mit einer Richtlinie zur Versorgungssicherheit im Elektrizitätssektor reagiert. Für den Erdgassektor hatte die Kommission bereits im September 2002 eine Richtlinie vorgeschlagen, über die wie erwähnt eine politische Einigung erzielt wurde.

94. Der Liberalisierungspprozess ging - wie in den vorangegangenen Jahren - mit einer Reihe von Wettbewerbsverfahren im Energiesektor einher, bei denen die Kommission alle wettbewerbsrechtlichen Instrumente nutzte, d. h. Fusionskontrolle, Überwachung staatlicher Beihilfen und Kartellaufsicht.

95. Auf dem Gebiet der Kartellaufsicht war 2003 vor allem die Tendenz zu einer engen Kooperation erkennbar, mit den nationalen Regulierungs und Wettbewerbsbehörden zu beobachten. Eine derartige Zusammenarbeit ist zweckmäßig, um eine einheitliche Anwendung des Rechts in ganz Europa und eine optimale Allokation der Ressourcen zu gewährleisten. Ein gelungenes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit ist die Kartellsache Dong/DUC [74], in der die Verhandlungen zur einvernehmlichen Beilegung gemeinsam mit der dänischen Wettbewerbsbehörde geführt wurden und die nationale Behörde darüber wachen wird, dass die von den betreffenden Marktakteuren abgegebenen Verpflichtungen auch eingehalten werden.

[74] Pressemitteilung IP 03/566 vom 24.4.2003.

96. Bemerkenswert ist zudem, dass bei der Kartellaufsicht im Erdgassektor eine Akzentverschiebung von vorgelagerten zu nachgelagerten Aktivitäten zu verzeichnen ist. Während die Wettbewerbsverfahren früher in erster Linie die Gaserzeugung betrafen (Corrib [75], GFU [76], Dong/DUC [77]), gelten die derzeit laufenden Ermittlungen in stärkerem Maße den nachgelagerten Märkten. Dabei geht es beispielsweise um die Frage langfristiger exklusiver Lieferverträge, die zum Ausschluss von Marktneulingen führen könnten, oder um Gebietsschutzklauseln in Lieferverträgen, die zwischen europäischen Unternehmen geschlossen werden.

[75] Sache COMP/E3/37.708; Pressemitteilung IP/01/578 vom 20.4.2001.

[76] Sache COMP/E3/36.702; Pressemitteilung IP/02/1084 vom 17.7.2002.

[77] Pressemitteilung IP/03/566 vom 24.4.2003.

97. In der Vergangenheit kam es in einer ganzen Reihe von Fällen zu einer einvernehmlichen Einigung, doch ist künftig mit mehrformellen Entscheidungen zu rechnen. Dies wird zusätzliche Rechtssicherheit schaffen und die Kommission in die Lage versetzen, ihre Politik in gebührender Form zu präzisieren. Dennoch wird die Kommission auch künftig Anträge auf eine einvernehmliche Beilegung entgegennehmen, wenn sie davon ausgeht, dass sich reale Veränderungen am Markt durch eine Einigung eher erreichen lassen.

98. Das wichtigste Ergebnis im Bereich der Kartellaufsicht war 2003 die in der Sache ENI/Gasprom [78] erzielte Einigung. Dieser Fall fügt sich ein in die andauernden Ermittlungen zu territorialen Absatzbeschränkungen in Gaslieferverträgen zwischen Gasproduzenten und europäischen Großhandelsunternehmen/Importeuren. Der Fall wurde beigelegt, nachdem die Unternehmen die wettbewerbswidrige Klausel aus ihren Gaslieferverträgen strichen und sich ENI verpflichtete, eine Reihe flankierender Maßnahmen zu ergreifen, darunter das Angebot, erhebliche Gasmengen für Abnehmer außerhalb Italiens bereitzustellen. Die Einigung verschaffte auch den langfristigen Gaslieferverträgen, die von der Gasindustrie zur Entwicklung bestimmter neuer Gasfelder für notwendig erachtet werden, eine größere Rechtssicherheit.

[78] Sache COMP/E3/37.811; Pressemitteilung IP 03/1345 vom 6.10.2003.

99. Andere Fälle betrafen die Verbesserung des Netzzugangs Dritter in Deutschland [79] und den Niederlanden [80]. Die vom deutschen Gasunternehmen BEB gemachten Zusagen führten zur Einführung eines Entry/Exit-Modells für den deutschen Gasmarkt. Entry/Exit-Modelle sind der bisher in Deutschland praktizierten Netzzugangs-Regelung überlegen. Zu wichtigen Klarstellungen kam es auch im Fall Dong/DUC [81], der deutlich machte, dass Nutzungsbeschränkungen und Reduktionsklauseln nicht mit dem europäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sind. Nutzungsbeschränkungen sind Klauseln, die den Käufer daran hindern, das Gas für andere als die zwischen dem Käufer und Verkäufer vereinbarten Zwecke zu verwenden. Reduktionsklauseln gestatten dem Käufer, die vom Verkäufer abgenommenen Gasmengen zu verringern, wenn dieser beginnt, Gas auf dem Markt des Käufers abzusetzen.

[79] Pressemitteilung IP/03/1129 vom 29.7.2003.

[80] Pressemittelung IP/03/547 vom 16.4.2003.

[81] Pressemitteilung IP/03/566 vom 24.4.2003.

100. Der wichtigste Fall des Jahres im Fusionsbereich betraf den Zusammenschluss des österreichischen Stromversorgungsunternehmens Verbund mit fünf österreichischen Regionalversorgern (Energie-Allianz) [82]. Die Kommission gab grünes Licht fürden Zusammenschluss, nachdem sich die Unternehmen bereit erklärt hatten, die Schaffung eines stärkeren Konkurrenten auf dem österreichischen Markt zuunterstützen und angeboten hatten, bestimmte Strommengen für kleinere Wettbewerber im Auktionsverfahren anzubieten.

[82] Sache COMP/M.2947; Pressemitteilung IP/03/825 vom 11.6.2003.

2. Postdienste

2.1. Umsetzung der neuen Postrichtlinie (Richtlinie 2002/39/EG)

101. Die im Jahr 2002 verabschiedete neue Postrichtlinie [83] stellt eindeutig die Weichen für die Vollendung des Binnenmarktes für Postdienste, insbesondere durch einen schrittweisen Abbau des reservierten Bereichs und durch die Liberalisierung des Marktes für abgehende grenzüberschreitende Postsendungen. Die Umsetzung dieser Bestimmungen, die einen größeren Teil des Marktes für den Wettbewerb öffnen sollen, dürfte die Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln im Postsektor beeinflussen. Die Richtlinie hätte spätestens bis zum 31. Dezember 2002 umgesetzt werden müssen.

[83] Richtlinie 2002/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10.6.2002 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die weitere Liberalisierung des Marktes für Postdienste in der Gemeinschaft, ABl. L 176 vom 5.7.2002, S. 21.

102. Im Januar leitete die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen jene Mitgliedstaaten ein, die bis dato die Richtlinie nicht in nationales Recht umgesetzt (oder die Umsetzung nicht gemeldet) hatten. Bis zum 14. Oktober hab sämtliche Mitgliedstaaten bis auf Frankreich sodann die Umsetzung der Richtlinie abgeschlossen.

103. Nach Artikel 7 der Richtlinie 97/67/EG, geändert durch Artikel 1 der Richtlinie 2002/39, werden abgehende grenzüberschreitende Postsendungen in allen Mitgliedstaaten liberalisiert, sofern nicht die Einnahmen für die Aufrechterhaltung des Universaldienstes für notwendig erachtet werden. Für die Anwendung der Wettbewerbsregeln spielt daher die Frage eine wichtige Rolle, ob die Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie beschlossen haben, den Markt für abgehende grenzüberschreitende Postsendungen im Monopolbereich zu belassen. Bis zum 14. Oktober hab sich von den vierzehn Mitgliedstaaten, in denen die Umsetzung bereits erfolgt war, sechs (Griechenland, Spanien, Irland, Italien, Luxemburg und Portugal) dafür entschieden, den betreffenden Markt nicht zu liberalisieren.

104. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die Lage in den Mitgliedstaaten:

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

3. Elektronische Kommunikation und die Informationsgesellschaft

3.1. Umsetzung des neuen Regulierungsrahmens

105. Am 25. Juli lief die Frist für die Umsetzung des neuen Regulierungsrahmens für die elektronische Kommunikation in nationales Recht ab. Der Rat und das Europäische Parlament hatten am 7. März 2002 vier Richtlinien angenommen [84], die Kommission parallel dazu eine Richtlinie gemäss Artikel 86 [85]. Diese Richtlinien lösten die Rechtsvorschriften ab, die bis dahin für Regulierungseingriffe in diesem Bereich maßgeblich gewesen waren.

[84] ABl. L 108 vom 24.4.2002.

[85] ABl. L 249 vom 17.9.2002.

106. Am 6. Oktober leitete die Kommission Verfahren gegen jene Mitgliedstaaten ein, die der Kommission keine Umsetzungsmaßnahmen gemeldet bzw. keinen Nachweis über die Einhaltung der entsprechenden Verpflichtungen erbracht hatten. Belgien, Deutschland, Griechenland, Spanien, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Portugal waren bei allen fünf Richtlinien betroffen, Schweden nur bei der Richtlinie 2002/77/EG. Am 17. Dezember richtete die Kommission mit Gründen versehene Stellungnahmen an alle diese Mitgliedstaaten mit Ausnahme Spaniens, das die Richtlinien inzwischen umgesetzt hatte. Das Verfahren gegen Schweden wurde im Dezember abgeschlossen Am 19. November verabschiedete die Kommission ihren 9. Bericht [86] über die Umsetzung des EU- Regulierungsrahmens für elektronische Kommunikation. In diesem Bericht wird hervorgehoben, dass sich die Zahl der Breitband-Festnetzverbindungen im letzten Jahr nahezu verdoppelt hat, aber eine weitere Verbesserung der Wettbewerbssituation vonnöten ist, damit der Breitbandsektor wirklich floriert. Es wird dort prognostiziert, dass die Zahl der Mobilfunkteilnehmer 2003 schneller steigen wird als 2002, obwohl der Versorgungsgrad in einer Reihe von EU-Ländern bereits nahe bei 90 % liegt. Wie im Bericht vermerkt, hatten erst acht Mitgliedstaaten die neuen EU-Rechtsvorschriften vollständig in innerstaatliches Recht umgesetzt.

[86] KOM (2003) 715 endg.

107. Angesichts dieser Sachlage wurde im 9. Bericht bewusst der Schwerpunkt auf Schlüsselfragen gelegt, die im Umsetzungsprozess zu bewältigen sind, und nicht auf eine Bewertung der Situation in den einzelnen Mitgliedstaaten. Zu diesen Schlüsselfragen gehören die Übertragung der Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden (NRB) an sachkundige nationale Stellen und die eindeutige Zuweisung dieser Aufgaben, wenn sie auf verschiedene Stellen aufgeteilt werden. Im Bericht wird auch die Notwendigkeit betont, den NRB größere Befugnisse und Ermessensspielräume sowie das ganze Spektrum der im neuen Rahmen vorgesehenen Abhilfemaßnahmen zu übertragen.

108. Der Bericht enthält die Feststellung, dass die Zahl der miteinander konkurrierenden Betreiber auf den einzelnen nationalen Märkten mehr oder weniger unverändert geblieben ist, wobei sich eine Reihe von Betreibern erneut auf ihre jeweiligen Inlandsmärkte konzentrieren. Der Wettbewerbsdruck hat sich anscheinend vom Markt für Fern- und Auslandsgespräche auf den Markt für Ortsgespräche verlagert, wo der Marktanteil der etablierten Betreiber weiter gesunken ist, während die Verbraucher weiter von Preissenkungen für Sprachtelefondienste profitierten. Zwar gingen die Preise 2003 weiter zurück, doch in deutlich geringerem Maße als in den Vorjahren und nicht einmal halb so stark wie 2002 [87].

[87] Pressemitteilung IP/03/1572 vom 19.11.2003.

109. Eine zügige Umsetzung ist umso bedeutsamer, als der neue Rechtsrahmen wesentliche Änderungen im Umfang und in der Aufgabenstellung der Regulierungs- und Wettbewerbspolitik im Telekommunikationssektor in Europa mit sich bringt. Für den neuen Rahmen sind drei Grundsätze kennzeichnend: Erstens müssen Grad und Intensität des Ex-ante-Eingriffs im richtigen Verhältnis zum jeweiligen wettbewerbsrechtlichen Problem stehen. Sofern auf den Märkten einwirksamer Wettbewerb herrscht, müssen bestehende Regulierungsmaßnahmen aufgehoben werden. Zweitens müssen die Märkte anhand der für Wettbewerbsrecht und -praxis geltenden Grundsätze analysiert werden. Dabei geht es um dieMarktdefinition, die Bestimmung der Marktmacht und die Auswahl der Abhilfemaßnahmen. Dem neuen Rahmen zufolge sind Regulierungsmaßnahmen gegen einen Betreiber nur dann zu ergreifen, wenn er eine beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 82 innehat. Drittens sind alle elektronischen Kommunikationsdienste und -netze gleich (,technologieneutral") zu behandeln, was z. B. bedeutet, dass für Fernsehkabelnetze jetzt die gleichen Vorschriften gelten wie für andere Telekommunikationsnetze.

110. Nach der Rahmenrichtlinie sind alle nationalen Regulierungsbehörden gehalten, Marktanalysen durchzuführen, um den Stand des Wettbewerbs auf den relevanten Kommunikationsmärkten festzustellen und Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht zu ermitteln. Sobald sich zeigt, dass ein Unternehmen über beträchtliche Marktmacht verfügt, müssen die Regulierungsbehörden festlegen, welche Verpflichtungen ihm aufzuerlegen sind. Die Verpflichtungen können je nach Art und Ursprung des wettbewerbsrechtlichen Problems differieren, was ein Hoechstmaß an Flexibilität für die Berücksichtigung der konkreten Umstände bei der Gestaltung der Abhilfemaßnahmen gestattet.

111. In ihrer Empfehlung über die relevanten [88]Märkte für die ex ante-Regulierung hat die Kommission 18 Märkte aufgeführt die für eine solche Vorabregulierung in Frage kommen. Die Entscheidung zur Aufnahme dieser Märkte erfolgte anhand ihrer strukturellen Merkmale und anhand der Informationen, die der Kommission damals zur Situation dieser Märkte in allen Mitgliedstaaten vorlagen. Es wurde ein Konsultationsmechanismus (,Verfahren nach Artikel 7") eingeführt, um für eine engere Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Regulierungsbehörden zu sorgen und damit eine einheitliche Anwendung des neuen Rechtsrahmens zu gewährleisten.

[88] Empfehlung 2003/311/EG der Kommission vom 11.2.2003 über relevante Produkt- und Dienstmärkte des elektronischen Kommunikationssektors, die für eine Vorabregulierung in Betracht kommen, ABl. L 114 vom 8.5.2003.

Kasten 4: Der Konsultationsmechanismus nach Artikel 7

Nach Artikel 7 der Rahmenrichtlinie müssen die nationalen Regulierungsbehörden die Entwürfe geplanter regulatorischer Maßnahmen unter bestimmten Umständen der Kommission mitteilen. Innerhalb eines Monats kann die Kommission zu den geplanten Maßnahmen formelle Stellungnahmen abgeben, welche von den nationalen Regulierungsbehörden weitestgehend zu berücksichtigen sind. Wenn eine geplante Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten hat und eine Marktdefinition enthält, welche von der Empfehlung der Kommission anweicht, oder die Bestimmung bzw. Verneinung von beträchtlicher Marktmacht eines Unternehmens vorsieht, kann die Kommission innerhalb zweier weiterer Monate von der nationalen Regulierungsbehörde verlangen, dass sie die geplante Maßnahme zurückzieht (,Vetorecht" der Kommission).

Nach Annahme der Empfehlung der Kommission zu verfahrensrechtlichen Fragen am 23. Juli [89] und der Anfang August einsetzenden Anmeldung geplanter Maßnahmen durch die nationalen Regulierungsbehörden wurde der Rechtsrahmen praktisch anwendbar. Zur Bewältigung des Konsultationsprozesses hat die Kommission zwei Taskforces eingerichtet, die in der GD Wettbewerb bzw. der GD Informationsgesellschaft angesiedelt sind. Diese Stellen überprüfen und analysieren die von den Regulierungsbehörden gemäß Artikel 7 mitgeteilten geplanten Maßnahmen (,Fälle"). Es wird davon ausgegangen, dass die Taskforces eine maßgebliche Rolle bei den von den nationalen Regulierungsbehörden durchgeführten Marktanalysen spielen werden. Sie sind insbesondere für die Entgegennahme der Mitteilungen über geplante Maßnahmen, deren Bewertung (d. h. die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht), die Abfassung von Kommissionsentscheidungen und die Kontakte zu nationalen Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden sowie anderen interessierten Kreisen zuständig.

[89] Empfehlung 2003/561/EG der Kommission vom 23.7.2003 zu den Notifizierungen, Fristen und Anhörungen gemäß Artikel 7 der Richtlinie 2002/21/EG, ABl. L 190 vom 30.7.2003; Pressemitteilung IP/03/1089, vom 23.7.2003.

In der Regel finden vor der Anmeldung Besprechungen mit den nationalen Regulierungsbehörden statt, um den formellen Konsultationsprozess zu erleichtern. Bis Ende Dezember 2003 hatten sich die Taskforces mit 40 Fällen befasst (davon 28 abgeschlossen, 12 noch anhängig).

3.2. Überwachung der Umsetzung der Richtlinien

3.2.1. Nichtunterrichtung der Kommission über die Umsetzung der Richtlinie 2002/77/EG

112. Am 17. Dezember beschloss die Kommission, begründete Stellungnahmen an Belgien, Deutschland, Griechenland, Frankreich, Luxemburg, die Niederlande und Portugal zu richten. Diese Mitgliedstaaten hatten bis zu diesem Zeitpunkt der Kommission nicht die Informationen übermittelt, die ihr gestattet hätten, sich von der Einhaltung der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Wettbewerbsrichtlinie) zu überzeugen. Nach Artikel 9 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten diese Informationen spätestens am 25. Juli 2003 übermitteln müssen. Die Kommission hatte diese Mitgliedstaaten am 10. Oktober aufgefordert, die entsprechenden Informationen zur Verfügung zu stellen.

113. Dagegen hat die Kommission die ebenfalls im Oktober gegen Schweden und Spanien eingeleiteten Verfahren eingestellt, weil die betreffenden Staaten inzwischen innerstaatliche Umsetzungsmaßnahmen gemeldet haben. Die Kommission prüft derzeit, ob die gemeldeten Maßnahmen den Anforderungen der Wettbewerbsrichtlinie genügen.

3.2.2. Kabelnetze in Frankreich

114. Am 8. April richtete die Kommission eine begründete Stellungnahme an Frankreich, weil unter Missachtung der Kabelrichtlinie und der Richtlinie über den vollständigen Wettbewerb [90] eine Sonderregelung für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten per Kabel beibehaltenwurde. Nach den Bestimmungen der genannten Richtlinien müssen die Mitgliedstaaten den Betreibern von Kabelfernsehnetzen gestatten, Telekommunikationsdienste zu den gleichen Bedingungen anzubieten wie jeder andere Akteur im Telekommunikationsbereich. Frankreich praktiziert aber in zwei wichtigen Punkten eine abweichende gesetzliche Regelung für die Aktivitäten von Kabelnetzbetreibern. Die Bereitstellung von Diensten durch Letztere setzt eine systematische vorherige Konsultation aller betroffenen Gemeinden voraus. Einem Kabelnetzbetreiber wurde sogar in mehreren Orten die Möglichkeit verwehrt, Telefondienste anzubieten, nachdem sich die Kommunen ablehnend geäußert hatten. Des Weiteren genießen Kabelnetzbetreiber nicht die gleichen Wegerechte im öffentlichen Bereich wie die Betreiber anderer Telekommunikationsnetze. Insbesondere gilt für die Nutzungsentgelte nicht die gleiche Obergrenze.

[90] Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28.6.1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, geändert durch die Richtlinie 95/51/EG der Kommission vom 18.10.1995 hinsichtlich der Aufhebung der Einschränkungen bei der Nutzung von Kabelfernsehnetzen für die Erbringung bereits liberalisierter Telekommunikationsdienste und die Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13.4.1996 hinsichtlich der Einführung des vollständigen Wettbewerbs auf den Telekommunikationsmärkten.

115. Diese Vorschriften bedeuten für die wirtschaftliche Entwicklung und Handlungsfähigkeit der Kabelnetzbetreiber eine schwere Belastung und behindern die Herausbildung von Kabelnetzen als alternative Infrastruktur für die Bereitstellung von Telekommunikationsdiensten. Die Untersuchung der Kommission erfolgte aufgrund einer im Oktober 2001 eingereichten Beschwerde des französischen Verbands der Netzbetreiber (AFORM).

3.2.3. Wegerechte in Luxemburg

116. Am 12. Juni befand der Gerichtshof (EuGH), dass das Großherzogtum Luxemburg durch die unterbliebene effektive Umsetzung von Artikel 4 Buchstabe der Richtlinie 90/388/EWG der Kommission vom 28. Juni 1990 über den Wettbewerb auf dem Markt für Telekommunikationsdienste, geändert durch die Richtlinie 96/19/EG der Kommission vom 13. März 1996, seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist [91]. Die Kommission hatte ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Luxemburg eingeleitet, weil nach ihrer Ansicht der Regelung für die Erteilung von Wegerechten auf öffentlichem Grundbesitz die Transparenz fehlte. Dadurch wäre das staatliche Telekommunikationsunternehmen EPT gegenüber neuen Marktakteuren im Vorteil, die ihre öffentlichen Telekommunikationsnetze erst aufbauen müssten. Das Gericht bestätigte, dass die innerstaatlichen Verwaltungsverfahren als Ganzes nicht transparent sind und die Situation daher Interessenten davon abhalten kann, Anträge auf Erteilung von Wegerechten zu stellen.

[91] Rechtssache C-97/01.

3.2.4. Wegerechte in Portugal

117. Am 30.Juli reichte die Kommission beim Gerichtshof (EuGH) Klage gegen die Republik Portugal wegen Verletzung des Gemeinschaftsrechts im Zusammenhang mit der Umsetzung der Richtlinie 1990/388/EWG, geändert durch die Richtlinie 1996/19/EG, ein. Dabei geht es um die Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung bei der Erteilung von Wegerechten. Nach Ansicht der Kommission führen die portugiesischen Rechtsvorschriften zu einer unterschiedlichen Behandlung des etablierten Anbieters, PT Comunicações, und der Marktneulinge im Hinblick auf die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Erteilung der benötigten Wegerechte, ohne dass dafür ein objektiver Grund vorliegt, was einen Verstoß gegen Artikel 4 Buchstabe d der genannten Richtlinie darstellt.

3.3. Einzelne Fälle

T-Mobile Deutschland/O2 Deutschland - Rahmenvertrag über die gemeinsame Nutzung von Netzen und O2 UK Limited/T-Mobile UK Limited - UK Network Sharing Agreement

118. Am 30 April und 16 Juli erließ die Kommission zwei Freistellungsentscheidungen, in denen sie darlegte, inwieweit Mobilfunkbetreiber durch die gemeinsame Nutzung von Netzen miteinander konkurrieren können [92]. Die Standortmitbenutzung durch einen anderen Mobilfunkanbieter wurde nicht als Wettbewerbsbeschränkung eingestuft. Dagegen heißt es, dass das nationale Roaming auf Großhandelsebene den Wettbewerb beschränkt und sich nachteilig auf die nachgelagerten Endkundenmärkte auswirken kann. Dennoch wurde das nationale Roaming bis zum 31 Dezember 2008 freigestellt, doch muss es in städtischen Gebieten nach einem strengen Zeitplan schon früher auslaufen. Näheres dazu unter Punkt 62ff.

[92] Vereinbarung UK: ABl. L 200 vom 7.8.2003, Pressemitteilung IP/03/589, vom 30.4.2003; Vereinbarung Deutschland: Entscheidung noch nicht veröffentlicht, Pressemitteilung IP/03/1026, vom 16.7.2003,

Deutsche Telekom AG

119. Am 21. Mai traf die Kommission eine Entscheidung nach Artikel82 zur Preisstrategie der Deutsche Telekom AG (DT) für den Zugang zu den Telefonortsnetzen [93]. In der Entscheidung stellte die Kommission fest, dass bei der DT eine Preis-Kosten-Schere vorgenommen hat, da von neuen Anbietern höhere Gebühren für den entbündelten Zugang zum Ortsnetz verlangt wurden als die eigenen Endkunden für ihren Anschluss zu zahlen hatten. Die Kommission verhängte daraufhin gegen DT eine Geldbuße in Höhe von 12,6 Mio. EUR. Näheres dazu unter Punkt 71ff.

[93] Pressemitteilung IP/03/717, vom 21.5.2003 und AB1. L 263 vom 14.10.2003, S. 9.

Wanadoo Interactive

120. Am 16. Juli nahm die Kommission eine Entscheidung nach Artikel 82 zur Preispolitik der Firma Wanadoo bei ihren ADSL-Diensten an [94]. Sie stellte fest, dass sich Wanadoo, eine zu 72 % von France Télécom kontrollierte Tochtergesellschaft, im Zeitraum von März 2001 bis Oktober 2002 einer Kampfpreisstrategie bedient hatte, und verhängte daher gegen Wanadoo eine Geldbuße in Höhe von 10,35 Mio. Näheres dazu unter Punkt 74ff.

[94] Presseerklärung IP/03/1025, vom 16.7.2003.

3.4. Informationsgesellschaft

121. Beachtliche Fortschritte wurden in einer Reihe von Fällen erzielt, die auf Beschwerden gegen Registerverwalter von Internet-Bereichsnamen zurückgingen. In diesen Beschwerden, die von Inhabern und Wiederverkäufern von Bereichsnamen eingereicht wurden, hieß es, dass bestimmte EU-Registerstellen für länderspezifische Bereichsnamen (dot + Länderkürzel) ihre beherrschende Stellung im Sinne von Artikel 82 missbraucht hätten. Sie hätten beispielsweise verlangt, dass sich der Wohnsitz oder eine gesetzliche Niederlassung des Anmelders in dem Land befinden müsse, dem der länderspezifische Bereichsname zugewiesen worden sei, die Zahl der je Anmelder verfügbaren Bereichsnamen begrenzt oder die Auswahl an Namen auf die Geschäftstätigkeit des Nutzungsberechtigten beschränkt. In vier dieser Fälle wurden die Registrierungsvorschriften daraufhin gelockert, sodass die Beschwerden zurückgezogen und die Verfahren eingestellt wurden. Zwei Verfahren sind noch anhängig.

4. Verkehr

4.1. Luftverkehr

Dialog mit der Branche

122. Entsprechend ihren politischen Zielsetzungen für den Luftverkehrssektor im Jahre 2003 beschloss die Kommission, in einen umfassenden und nicht einzelfallbezogenen Dialog mit den einschlägigen Akteuren der Luftfahrtindustrie einzutreten. Damit soll eine transparente und einheitliche politische Orientierung zu wichtigen Fragen der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts im Bereich der Allianzen/Fusionen im Luftverkehrsbereich vorbereitet werden. Dazu zählen die Festlegung des Marktes, die Markteintrittsbedingungen und bewährte Abhilfemaßnahmen.

123. Zunächst wurde allen wichtigen Akteuren der Luftverkehrsbranche und den nationalen Wettbewerbsbehörden im April ein umfangreicher Fragebogen übermittelt. Als nächstes ist die Abfassung eines Konsultationspapiers auf der Grundlage der eingegangenen Antworten vorgesehen.

Änderungen der Verordnungen 3975/87 und 3976/87

124. Die Verordnung 3975/87 des Rates regelt das Verfahren für die Anwendung der EU-Wettbewerbsregeln im Luftverkehrsbereich. Derzeit ist der Geltungsbereich auf den Luftverkehr zwischen Flughäfen der Gemeinschaft beschränkt. Dies bedeutet, dass die Kommission nur bedingt die Möglichkeit hat, die Wettbewerbsregeln im Verkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittländern durchzusetzen. Sie kann beispielsweise Unternehmen nicht auffordern, Verstöße zu unterlassen, oder Abhilfemaßnahmen bzw. Geldbußen festsetzen. Die Erfahrungen der Kommission beim Umgang mit transatlantischen Allianzen haben gezeigt, dass dies ein beträchtlicher Nachteil ist.

125. Aus diesem Grunde nahm die Kommission am 24. Februar einen Vorschlag für eine Verordnung des Rates an, die einen effektiven Rahmen für die Behandlung von den Luftverkehr zwischen der Gemeinschaft und Drittstaaten betreffenden Fällen schaffen soll. Vor allem soll dadurch der Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auf den Luftverkehr zwischen EU-Ländern und Drittstaaten ausgedehnt werden. Folglich wird die Verordnung (EWG) Nr. 3975/87 in Gänze aufgehoben, wenn man von den Übergangsbestimmungen von Artikel 6 Absatz 3 absieht. Überdies wird der Geltungsbereich der Gruppenfreistellungs-Verordnung (EWG) Nr. 3976/87 erweitert, um Gruppenfreistellungen auch für Strecken zwischen der EU und Drittstaaten zu ermöglichen.

126. Der Vorschlag wurde dem Rat und dem Europäischen Parlament (Konsultationsverfahren) zugeleitet.

,Open Skies"-Verhandlungen

127. Nachdem die Kommission am 5. Juni vom Rat einen entsprechenden Auftrag erhalten hatte, nahm sie Verhandlungen mit den USA zum Abschluss eines Abkommens über einen offenen Luftverkehrsbereich auf. Die erste Verhandlungsrunde fand am 1. und 2. Oktober in Washington statt. Im Hinblick auf den Wettbewerb beabsichtigen die Parteien die Aushandlung eines institutionellen Rahmens für die Zusammenarbeit zwischen der GD Wettbewerb und dem US-amerikanischen Verkehrsministerium bei der Prüfung von transatlantischen Vereinbarungen und Aktivitäten im Luftfahrtbereich, namentlich von Allianzen zwischen Luftverkehrsgesellschaften.

Allianzen/Vereinbarungen zwischen Luftverkehrsunternehmen Einzelne Fälle

128. Am 10. März genehmigte die Kommission für einen Zeitraum von sechs Jahren die Allianz zwischen British Airways und SN Brussels Airlines. Per Verwaltungsschreiben beendete die Kommission im Jahre 2003 auch ihre Ermittlungen zu drei Kooperationsvereinbarungen, an denen Spanair und Portugalia (im März), Aer Lingus und British Airways (im August) bzw. Finnair und American Airlines (im September) beteiligt waren.

129. Am 1. Juli 2002 hatte die Kommission Air France und Alitalia ein Schreiben übermittelt, in dem sie ernsthafte wettbewerbsrechtliche Bedenken äußerte und mitteilte, dass die im November 2001 angemeldete weit gehende Kooperationsvereinbarung in der vorliegenden Form nicht gebilligt werden könne. Die Kommission führte 2003 eine intensive Untersuchung der Marktnachfrage nach Luftverkehrsleistungen zwischen Frankreich und Italien durch, und es fanden intensive Erörterungen statt, um Möglichkeiten zur Ausräumung der in dem Schreiben aufgeführten wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu erkunden. Um die von den Parteien vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen zu prüfen, wurde am 9. Dezember eine Mitteilung veröffentlicht. Betroffene Dritte konnten bis zum 23. Januar 2004 zu den vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen Stellung nehmen.

130. Eine ähnliche Marktanalyse erfolgte im Zusammenhang mit den Kooperationsvereinbarungen zwischen British Airways und Iberia. Eine Mitteilung mit einer zusammenfassenden Darstellung der Vereinbarungen und der von den Parteien gemachten Zusagen wurde am 12. September veröffentlicht [95]. Am 10. Dezember billigte die Kommission die Allianz für die Dauer von sechs Jahren.

[95] ABl. C 217 vom 12.9.2003.

131. Im April einigten sich SAS und Austrian Airlines auf eine ,geänderte Kooperationsvereinbarung", die anschließend der Kommission gemeldet wurde. Die Diskussion über ein Paket von Abhilfemaßnahmen zur Ausräumung der damit verbundenen wettbewerbsrechtlichen Bedenken ist noch im Gange.

Prämienregelungen für Reisevermittler

132. Anlässlich der Entscheidung im Verfahren Virgin-BA von 1999 [96] legte die Kommission eine Reihe von Grundsätzen fest, die Provisionszahlungen an Reisevermittler betreffen. Auf dieser Grundlage ergriff sie die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die besagten Grundsätze in vergleichbaren Situationen auch auf andere EU-Luftverkehrsunternehmen Anwendung finden. Im Jahre 2003 konnte die Kommission ihre Ermittlungen zu den von mehreren EU-Luftverkehrsunternehmen praktizierten Prämienregelungen für Reisevermittler abschließen. Sie musste sich vergewissern, dass diese Prämienregelungen nicht von marktbeherrschenden Unternehmen genutzt werden, um Reisevermittler für ihre Treue zu honorieren und damit rechtswidrige Markteintrittsschranken für ihre Wettbewerber aufzurichten. In mehreren Fällen führten die Untersuchungen der Kommission zu einer gründlichen Überarbeitung oder gar Ersetzung der bisherigen Prämienregelungen, um sie mit den EU-Wettbewerbsregeln in Einklang zu bringen.

[96] Entscheidung 2000/74/EG der Kommission vom 14.7.1999, Virgin/British Airways, ABl. L 30 vom 4.2.2000, S. 1, bestätigt durch Urteil des EuGeI vom 17.12.2003 in Rs T-219/99 British Airways/Kommission.

IATA

133. Die Kommission setzte 2003 ihre Ermittlungen zum Passenger Agency Programme der IATA fort. Dieses Programm, das die Bedingungen für die Akkreditierung von Reisevermittlern bei der IATA und für den Verkauf von Flugscheinen durch diese Vermittler regelt, war im Zeitraum 1991-1998 Gegenstand einer Gruppenfreistellung. Anlass für die Überprüfung war eine im Oktober 2002 von der ECTAA, dem europäischen Verband der Reisebüros, eingereichte Beschwerde. Sie soll vor allem klären, ob diese IATA-Regelung eine künstliche Aufspaltung des Binnenmarktes bewirkt.

134. Auch die Ermittlungen der Kommission zu einer Cargo Resolution der IATA (Frachtgut geringer Dichte betreffend) liefen weiter. Ende Mai 2002 beschlossen die Frachtmitglieder der IATA, den Umrechnungsfaktor für Frachtgut geringer Dichte von derzeit 6 000 cm³ auf 5 000 cm³ umzustellen. Diese Änderung zog mehrere formelle und informelle Beschwerden nach sich, in denen vor allem moniert wird, dass dies mit erheblichen Kosten für die Absender und die Spediteure verbunden ist.

4.2. Eisenbahn

135. Am 14. März 2003 lief die vorgeschriebene Frist für die Umsetzung des ersten Eisenbahnpakets ab. Dieses Richtlinienpaket dient der Liberalisierung des grenzüberschreitenden Schienengüterverkehrs und bietet einen Rahmen für die Zugangsbedingungen für Fracht- und Passagierdienstleistungen zum Eisenbahnnetz, indem folgende Fragen beantwortet werden: wie wird die Fahrwegkapazität zugewiesen, wie hoch sollen die Wegeentgelte sei, wer soll für die Zuweisung der Fahrwegkapazität und die Berechnung der Wegeentgelte zuständig sein und wie sollen die neu geschaffenen nationalen Regulierungsstellen das Verfahren überwachen? Inzwischen wurde im Juni ein gemeinsamer Standpunkt zu einem zweiten Eisanbahnpaket angenommen, das die Liberalisierung der nationalen Güterverkehrsmärkte einschließt.

136. Am 14. Januar hat das Parlament in erster Lesung mit großer Mehrheit für den Vorschlag der Kommission gestimmt, nicht nur die nationalen Güterverkehrsmärkte zu öffnen, sondern auch die nationale und internationale Personenbeförderung im zu liberalisieren. Der Rat nahm seinen gemeinsamen Standpunkt über das Paket am 26. Juni an. Die Kommission hat beschlossen, die Änderungsanträge des Parlaments nicht in ihren überarbeiteten Vorschlag aufzunehmen, da bereits ein gesonderter Vorschlag vorliegt, den öffentlichen Verkehr im Wege des ,kontrollierten Wettbewerbs" zu öffnen (d. h. den Eisenbahnunternehmen das Recht zu geben, Gebote für zeitlich begrenzte Exklusivverträge abzugeben). Die Kommission erklärte ferner, dass weitere Vorschläge zur Öffnung grenzüberschreitender Personenbeförderungsdienste Anfang 2004 folgen, wenn die Ergebnisse der ausführlichen Folgenabschätzung vorliegen, die zur Zeit durchgeführt wird.

137. Am 28. August nahm die Kommission eine förmliche Entscheidung in der Sache GVG/FS [97] an, in der festgestsellt wurde, dass Ferrovie dello Stato (FS), die staatliche italienische Eisenbahngesellschaft, ihre beherrschende Stellung missbraucht hatte, indem sie sich weigerte, einer so genannten Internationalen Gruppierung beizutreten [98], die Bedingungen für den Zugang zum Schienennetz zu erörtern und Traktionsleistungen zu erbringen (d. h. Lokomotiven und Begleitpersonal bereitzustellen), die von der FS angemietet werden mussten. Im Anschluss an die Gespräche mit der Kommission hat sich FS zur Lösung dieser Frage mit GVG über die entsprechenden Bedingungen geeinigt und zudem die Verpflichtung übernommen, internationale Gruppierungsvereinbarungen mit Eisenbahnbetreibern mit entsprechender Lizenz einzugehen, die konkrete Pläne haben, um Eisenbahndienste in Italien zu erbringen. Ferner hat FS zugesagt, für einen Zeitraum von fünf Jahren auch anderen Eisenbahnunternehmen Traktionslesitungen zu erbringen. Die Kommission kam daher zu dem Schluss, dass die Zuwiderhandlung beendet wurde und dass, weil es sich um einen neuartigen Fall handelt und FS umfangreiche Zusagen gemacht hat, keine Geldbuße festzusetzen ist.

[97] Sache COMP/D2/C.37.685.

[98] Dies ist zurzeit nach den EU-Rechtsvorschriften erforderlich, um grenzüberschreitende Personenbeförderungsdienste zu erbringen.

138. Die Verordnung (EG) Nr. 1/2003 wird den nationalen Wettbewerbsbehörden die Zuständigkeit zur uneingeschränkten Durchsetzung der kartellrechtlichen Bestimmungen im Schienenverkehrssektor übertragen. Ein neues Netz von Eisenbahnsachverständigen der nationalen Wettbewerbsbehörden und der GD Wettbewerb trat erstmals am 8. Oktober zusammen. Seine Aufgabe wird darin bestehen, in Zusammenarbeit mit der GD Energie und Verkehr aktuelle Themen von gemeinsamem Interesse im Zusammenhang mit der begonnenen Liberalisierung der Eisenbahn aufzeigen, wichtige Fragen zu erörtern, die sich aus Einzelfällen ergeben, und nachahmenswerte Verfahren der Zusammenarbeit der nationalen Wettbewerbsbehörden und zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden und den neuen nationalen Regulierungsstellen zu entwickeln, die gemäß dem ersten Eisenbahnpaket eingerichtet wurden. Das übergeordnete Ziel ist es, ein gemeinsames Konzept für die Anwendung der kartellrechtlichen Bestimmungen im Schienenverkehrssektor zu erstellen, um einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden.

4.3. Seeverkehr

4.3.1. Rechtsvorschriften

Überarbeitung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates

139. Die Kommission hat mit einer Überprüfung der Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates begonnen, deren Kernstück die Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen ist. Im Verlauf dieser Überprüfung veröffentlichte sie zunächst am 27. März ein Konsultationspapier. Darin wurden Regierungen und Wirtschaft zur Übermittlung von Stellungnahmen und Informationen zu Problemen aufgefordert, die für die Beantwortung der Frage, ob eine Gruppenfreistellung von Linienkonferenzen nach wie vor gerechtfertigt ist, von Bedeutung sind. Ferner wurden Stellungnahmen zu der Notwendigkeit erbeten, die Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 in anderen materiellrechtlichen Fragen zu vereinfachen und zu modernisieren.

140. Die Kommission erhielt insgesamt 34 Antworten, die sie mit Unterstützung unabhängiger Sachverständiger analysierte. Die Analyse ergab, dass es erforderlich ist, einige Fragen eingehender zu untersuchen. Zu diesem Zweck wurde am 27. November eine öffentliche Anhörung durchgeführt.

Modernisierung der Verordnung (EG) Nr 823/2000 der Kommission

141. Am 30. September veröffentlichte die Kommission einen Vorentwurf [99] für eine Kommissionsentscheidung zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 823/2000 zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien) und gab den Betroffenen Gelegenheit, innerhalb von sechs Wochen Stellung zu nehmen.

[99] ABl. C 233 vom 30.9.2003, S. 8.

142. Die Verordnung (EG) Nr.823/2000 der Kommission [100] enthält eine Gruppenfreistellung für Seeschifffahrtskonsortien. Sie ermöglicht es Konsortien mit einem Marktanteil, der über der Hoechstgrenze für Gruppenfreistellungen liegt, jedoch 50 % nicht erreichen darf, die betreffende Vereinbarung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens bei der Kommission anzumelden und eine Genehmigung zu erhalten. Da die Verordnung (EG) Nr.1/2003 [101] des Rates dieses Notifizierungssystem ab 1. Mai 2004 abschafft, zielt der Vorschlag der Kommission darauf ab, die Verordnung der bevorstehenden Änderung anzupassen.

[100] Verordnung (EG) Nr. 823/2000 der Kommission vom 19.4.2000 zur Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf bestimmte Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen zwischen Seeschifffahrtsunternehmen (Konsortien), ABl. L 100 vom 20.4.2000, S. 24.

[101] Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16.12.2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln, ABl. L 1 vom 4.1.2003, S. 1.

143. Die vorgeschlagenen Änderungen betreffen nicht die maßgeblichen Bestimmungen der Gruppenfreistellung, die bis zum 25. April 2005 in Kraft bleiben.

4.3.2. Fälle

144. Die Kommission hatte im Jahr 2002 den Zusammenschluss von Wallenius/Wilhelmsen/Hyundai geprüft und unter Auflagen genehmigt. An der Transaktion waren zwei auf den Hochseetransport von Kraftfahrzeugen spezialisierte Unternehmen, das norwegisch/schwedische Unternehmen Wallenius Wilhelmsen Lines (WWL) und das koreanische Unternehmen Hyundai Merchant Marine, beteiligt. Bei der Prüfung des Zusammenschlusses wurde die Kommission erstmals auf horizontale Preisabsprachen zwischen den im Bereich des Hochseetransports von Kraftfahrzeugen auf der Route Fernost - Europa tätigen Unternehmen aufmerksam. An diesen Preisabsprachen waren drei japanische Unternehmen (NYK, MOL und K-Line) und die oben genannte WWL - alle derzeitige oder ehemalige Mitglieder der Far Eastern Freight Conference (FEFC) - beteiligt. Diese vier Unternehmen erbringen spezielle Seetransportleistungen für die Ausfuhr von Neuwagen von japanischen Automobilwerken zu Vertriebszentren in Europa. Ihre wichtigsten Kunden sind japanische Automobilhersteller.

145. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass diese Preisfestsetzung nicht durch die Gruppenfreistellung für Linienkonferenzen abgedeckt war (Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates) und wahrscheinlich nicht für eine Einzelfreistellung in Frage kam. Nachdem die in der Kraftfahrzeugbeförderung tätigen Schifffahrtsunternehmen Kenntnis von der Auffassung der Kommission erlangt hatten, stellten sie ihre Preisfestsetzungsmaßnahmen mit sofortiger Wirkung ein.

146. Anschließend traten die Unternehmen an die Kommission mit der Bitte um informelle Beratung bezüglich der neuen Abmachungen heran, die an die Stelle der vorherigen rechtswidrigen Zusammenarbeit treten sollten. Die Kommission äußerte Vorbehalte zu bestimmten Aspekten der geplanten Zusammenarbeit, und die vier Schifffahrtsunternehmen haben sich nunmehr darauf eingestellt, ihre Zusammenarbeit entsprechend den informellen Hinweisen der Kommission einzuschränken.

4.3.3. Entwicklungen bei der Rechtsprechung

147. Am 19.März entschied das Gericht erster Instanz (EuGeI) über eine Berufung gegen die Kommissionsentscheidung in der Rechtssache FETTCSA [102]. Dabei ging es um eine Absprache zwischen sechzehn Schifffahrtsgesellschaften, die Dienste zwischen Fernost und Europa betreiben, mit dem Inhalt, ihren Kunden keine Preisnachlässe auf die veröffentlichten Sätze für Gebühren und Zuschläge. Das EuGeI schloss sich der Entscheidung der Kommission in der Sache an, hob jedoch die Geldbußen mit der Begründung auf, dass die Verjährungsfrist verstrichen sei [103].

[102] Entscheidung der Kommission vom 19.3.2000 in der Sache IV/34.018 - Far East Trade Tariff Charges and Surcharges Agreement (FETTCSA), (ABl. L 268 vom 20.10.2000, S. 1).

[103] Die Europäische Kommission hat gegen das Urteil des Europäischen Gerichtshofs Berufung eingelegt.

148. Am 30. September erließ das EuGeI ein Urteil in der Rechtssache TACA [104] über eine Berufung gegen die Entscheidung der Kommission von 1998, nach der bestimmte Maßnahmen der Mitglieder einer Linienkonferenz, die Dienste zwischen Nordeuropa und den USA erbringen, gegen Artikel 81 und 82 EG-Vertrag verstoßen. Für Linienkonferenzen gilt eine Gruppenfreistellung gemäß Verordnung (EWG) Nr. 4056/86 des Rates (das Gegenstück zur Verordnung Nr. 17 für den Seeverkehr), die es ihnen unter anderem gestattet, gemeinsame Beförderungspreise festzusetzen und die von den einzelnen Mitgliedern angebotenen Transportkapazitäten zu regulieren.

[104] Entscheidung der Kommission vom 16.9.1998 in der Sache IV/35.134 - Trans-Atlantic Conference Agreement (TACA), ABl. L 95 vom 9.4.1999, S. 1.

149. Das EuGeI bestätigte die Entscheidung der Kommission im Hinblick auf vier von insgesamt fünf Verstößen, hob jedoch die Geldbußen, die wegen zwei Verstößen gegen Artikel 82 verhängt worden waren, auf. Das EuGeI stellte fest, dass die TACA-Mitglieder gegen Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag verstossen hatten, indem sie Vereinbarungen über Preise für Transportleistungen innerhalb der Gemeinschaft, über die Festlegung von Sätzen oder Tarifen für Schiffsmakler und Provisionen für Spediteure und über die Bedingungen, unter denen sie Servicekontrakte mit Verladern schließen können, geschlossen haben. Das EuGeI bestätigte die Feststellung der Kommission, dass diese Maßnahmen nicht von der Gruppenfreistellung gedeckt waren und nicht für eine Einzelfreistellung in Frage kamen.

150. Darüber hinaus entschied das EuGeI, dass die Mitglieder der TACA-Konferenz durch Einschränkung der Verfügbarkeit und des Inhalts von Servicekontrakten gegen Artikel 82 EG-Vertrag verstoßen hatten (der erste Missbrauchstatbestand). Im Zusammenhang mit dieser Schlussfolgerung bestätigte das EuGeI, dass die TACA-Mitglieder eine kollektiv beherrschende Stellung innehatten, und wies die Rechtfertigungen auf der Grundlage angeblicher Vorteile, die sich aus diesem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten ergeben würden, zurück.

151. Darüber hinaus war in der Kommissionsentscheidung festgestellt worden, dass die TACA durch Veränderung der Wettbewerbsstruktur des Marktes zwecks Stärkung ihrer beherrschenden Stellung gegen Artikel 82 EG-Vertrag verstoßen hatte (der zweite Missbrauchstatbestand). Das EuGeI gelangte zu dem Schluss, dass bestimmte Beweise für die Feststellung, die Parteien hätten spezielle Maßnahmen zur Veränderung der Wettbewerbsstruktur des Marktes getroffen, unzulässig waren, da die Parteien keine Gelegenheit erhalten hatten, zu diesen Beweisen Stellung zu nehmen. Ferner hatte die Kommission nach Einschätzung des EuGeI jedenfalls nicht hinreichend dargetan, dass die Parteien spezielle und allgemeine Maßnahmen zur Veränderung der Wettbewerbsstruktur des Marktes getroffen haben. Aus diesen Gründen erklärte das EuGeI die Entscheidung hinsichtlich des zweiten Missbrauchstatbestands für nichtig und hob den diesbezüglichen Teil der Geldbußen auf. Auch auf der Grundlage des ersten Missbrauchstatbestands wurden Geldbußen verhängt. Obwohl das Gericht die Feststellungen der Kommission über alle wesentlichen Bestandteile dieses Missbrauchstatbestands bestätigte, hob es auch die hierfür verhängten Geldbußen auf, teils aus Gründen bestehenden Schutzes vor Geldbußen und teils wegen mildernder Umstände.

5. Kraftfahrzeugvertrieb

152. Das Jahr 2003 war das Übergangsjahr vor dem Inkrafttreten der neuen Vorschriften für den Kraftfahrzeugvertrieb am 1. Oktober [105]. Die Tätigkeit der Kommission konzentrierte sich in diesem Jahr auf die Unterrichtung und Aufklärung aller beteiligten Akteure (Teilnahme an Konferenzen, Anhörung der Marktteilnehmer und Verbraucher, Beantwortung ihrer Fragen zur Umsetzung der Verordnung). Im Zuge dieser Informationsmaßnahmen wurden als Ergänzung zu dem Leitfaden, der 2002 nach dem Erlass der neuen Verordnung herausgegeben wurde, wichtige Klarstellungen zu bestimmten Fragen der Auslegung der neuen Verordnung veröffentlicht. Ferner erließ die Kommission Entscheidungen in zwei Sachen im Zusammenhang mit der Umsetzung der neuen Verordnung, bei denen es um die Aufnahme unabhängiger Werkstätten in das Kundendienstnetz bzw. um Schmierstoffe ging.

[105] Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 der Kommission vom 31.7.2002 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 des Vertrags auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Kraftfahrzeugsektor, ABl. L 203 vom 1.8.2002, S. 30.

Übergangszeitraum

153. Die neue Gruppenfreistellungsverordnung stellt gegenüber der alten Verordnung (EG) Nr. 1475/95 eine bedeutsame Weiterentwicklung dar. Aus diesem Grund waren die Aktivitäten der Kommissionsdienststellen vor allem darauf gerichtet, die Veränderungen im Laufe dieses Übergangsjahres durch Informations-, Anhörungs- und Aufklärungsmaßnahmen zu begleiten. Dies war aufgrund zahlreicher Anfragen, die von allen betroffenen Marktbeteiligten, d. h. von Kfz- und Teileherstellern, Konzessionshändlern, unabhängigen Werkstätten und natürlich Verbrauchern, eingingen, erforderlich.

154. In diesem Zusammenhang seien insbesondere drei wichtige Maßnahmen hervorgehoben, die die Auslegung der neuen Verordnung betreffen: Aufnahme unabhängiger Werkstätten in das Kundendienstnetz von Volkswagen und Audi, vertikale Vereinbarungen über die Lieferung von Schmierstoffen an Werkstätten und Veröffentlichung von Fragen und Antworten als Ergänzung zu dem Leitfaden von 2002.

Das Werkstättennetz von Audi

155. Für Reparatur- und Wartungsdienstleistungen betreibt Audi ein Netz zugelassener Händler, die sowohl Neufahrzeuge verkaufen als auch Kundendienstleistungen erbringen. Außerdem hat Audi Vereinbarungen mit zugelassenen Werkstätten geschlossen, die ausschließlich Kundendienstleistungen erbringen.

156. Die Regelung über den Übergangszeitraum kann nicht auf die Vereinbarungen zwischen Audi und den zugelassenen Werkstätten angewandt werden. Diese Vereinbarungen beziehen sich ausschließlich auf den Kundendienst und waren von der vorangehenden Gruppenfreistellungsverordnung nicht erfasst, da sie keine Verbindung zwischen dem Verkauf von Neufahrzeugen und dem Kundendienst herstellen, was nach der alten Verordnung jedoch Freistellungsvoraussetzung war..

157. Daher galt die neue Gruppenfreistellungsverordnung im Fall von Audi ab dem Inkrafttreten im Oktober 2002 für den Kundendienst. Da der Marktanteil von Audi im Bereich des Kundendienstes über 30 % beträgt, musste das Unternehmen ab diesem Zeitpunkt ein System des qualitativen Selektivvertriebs für Kundendienstleistungen errichten. Der Volkswagen-Konzern hat darüber hinaus bestätigt, dass er diesen Verpflichtungen für all seine Modelle nachkommen wird (VW, Audi, Seat und Skoda) [106].

[106] Pressemitteilung IP/03/80 vom 20.1.2003.

Schmierstoffe

158. Die Prüfung einer notifizierten vertikalen Vereinbarung über die Lieferung von Schmierstoffen an Kfz-Werkstätten bot der Kommission Gelegenheit, ihren Standpunkt zu vertikalen Beschränkungen, insbesondere zu Wettbewerbsverboten, die nicht durch die Freistellungsverordnung 1400/2002 gedeckt sind, zu bekräftigen. Solche Wettbewerbsverbote sind durch die Verordnung 2790/1999 über vertikale Beschränkungen bis zu einer Marktanteilsschwelle von 30 % freigestellt. In dieser Sache vertrat die Kommission die Auffassung, dass Schmierstofflieferanten in den Mitgliedstaaten, in denen der Marktanteil mehr als 30 % beträgt, den Werkstätten einen flexibleren Wechsel des Lieferanten ermöglichen müssen [107].

[107] Sache COMP/F-2/38.730 BP Lubricants, in Teil II eingehend dargelegt.

Häufig gestellte Fragen

159. Ausgehend von den Fragen und Problemen, mit denen viele der Betroffenen konfrontiert sind, veröffentlichten die Kommissionsdienststellen eine Reihe von Fragen und Antworten, um die Auslegung der Verordnung in einigen Bereichen klarzustellen, insbesondere was den Mehrmarkenvertrieb, den grenzüberschreitenden Kfz-Handel, die Garantie sowie die Art der qualitativen Kriterien für die Auswahl der Händler und Werkstätten betrifft [108]. Diese Fragen und Antworten ergänzen den Leitfaden vom 30. September 2002 zur Verordnung (EG) 1400/2002 und haben einen ebenso pragmatischen Ansatz wie dieser [109].

[108] Online abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/competition/ car_sector/distribution/faq_de.pdf.

[109] Der Leitfaden der Generaldirektion Wettbewerb liegt in gedruckter Form in den elf Amtssprachen vor und kann darüber hinaus unter http://europa.eu.int/comm/competition/ car_sector/ von der Internetseite der Generaldirektion Wettbewerb abgerufen werden. Er ist nicht rechtsverbindlich. Siehe auch Pressemitteilung der Kommission IP/02/1392 vom 30.9.2002.

5.1. Entwicklung der Preise für Neufahrzeuge

160. Die Kommission vergleicht auch weiterhin die Pkw-Preise vor Steuern in der Gemeinschaft. Das geschieht zweimal jährlich (jeweils im Mai und November) für die einzelnen EU-Mitgliedstaaten auf der Grundlage der von den Herstellern empfohlenen Endverbraucherpreise (vor Steuern) [110].

[110] Pressemitteilung IP/03/290 vom 27.2.2002 und IP/03/1117 vom 25.7.2002.

161. Der Preisvergleich vom 1. November 2002 zeigt, dass es nicht zu einer signifikanten Preisentwicklung gegenüber den Preisen vor Steuern am 1. Mai 2002 gekommen ist. Die durchschnittliche Preisspanne zwischen den nationalen Märkten betrug am 1. November 2002 etwa 10 % bei einem generellen Rückgang der Kfz-Preise um 0,2 %. Innerhalb des Euroraums bleiben die Fahrzeuge in Deutschland und Österreich am teuersten, während die niedrigsten Preise in Finnland, Griechenland und den Niederlanden verlangt werden. Die Preisunterschiede zwischen den nationalen Märkten sind nach wie vor beträchtlich und betragen innerhalb des Euroraums je nach Modell zwischen 10 % und 30 %. Das Vereinigte Königreich bleibt für einen erheblichen Anteil der untersuchten Modelle EU-weit der teuerste Markt.

162. Im Gegensatz zu dem Bericht über die Kfz-Preise vom 1. Mai 2001 [111] hat sich der durchschnittliche Preisunterschied in den Segmenten A bis C, die den höchsten Umsatz und die größte Zahl an Modellen aufweisen und bei denen der Preisunterschied meist mehr als 20 % betrug, dem Preisgefälle der anderen Segmente angenähert [112].

[111] Pressemitteilung IP/01/1051 vom 23.7.2001.

[112] Segment A und B (Kleinwagen), C (Mittelklasse), D (gehobene Mittelklasse), E (Großraumlimousinen), F (Luxusklasse) und G (Geländewagen/Sportwagen).

163. Die wichtigste Entwicklung bei den Preisen vor Steuern am 1. Mai 2003 betrifft die Verringerung des durchschnittlichen Preisgefälles zwischen den nationalen Märkten, das bei stabilen Kfz-Preisen von 10 % auf 8,6 % zurückging. Im Vergleich zum 1. November 2002 hat sich an den beträchtlichen Preisunterschieden zwischen den Mitgliedstaaten nichts geändert. Bemerkenswert ist die Entwicklung im Vereinigten Königreich, wo die Kfz-Preise in Euro nach der jüngsten Abwertung des Britischen Pfundes nicht mehr EU-weit die höchsten sind.

5.2. Urteile der Gemeinschaftsgerichte

Volkswagen I

164. Mit seinem Urteil [113] vom 18 September 2003 bestätigte der Gerichtshof in allen Punkten das Urteil [114] des Gerichts erster Instanz, das die Entscheidung der Kommission [115] im Wesentlichen bestätigte, nach der VW mit seinen Vertragshändlern eine Reihe von Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Behinderung von Parallelexporten aus Italien nach Deutschland und Österreich vereinbart hatte.

[113] Rechtssache C-338/00P - Volkswagen AG / Kommission.

[114] Urteil vom 6.7.2000 in der Rechtssache T-62/98; Slg. 2000, II-02707.

[115] Entscheidung der Kommission vom 28.1.1998 (ABl. L 124 vom 25.4.98, S. 60), mit der ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht festgestellt und eine Geldbuße verhängt wurde; Sache COMP/F2/35.733 - Volkswagen.

Opel

165. Mit Urteil [116] vom 21. Oktober 2003 bestätigt das Gericht erster Instanz weitgehend die Entscheidung [117] der Kommission zur Verurteilung der von Opel in den Niederlanden verhängten Exportbeschränkungen. Dagegen ist das EuGeI der Auffassung, dass die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die Maßnahme restriktiver Belieferung den Vertragshändlern mitgeteilt wurde und sie in die Vertragsbeziehungen zwischen Opel und seinen Vertragshändlern einbezogen wurde. Daher wurde die Geldbuße von 43 Mio. EUR auf 35,475 Mio. EUR herabgesetzt.

[116] Rechtssache T-368/00 General Motors Nederland BV, Opel Nederland BV / Kommission.

[117] Entscheidung der Kommission vom 20.9.2000 (ABl. L 59 vom 28.2.2001, S. 1); Sache COMP/F2/36.653 - Opel.

Volkswagen II

166. Das Gericht erster Instanz [118] (EuGeI) hat die Entscheidung [119] der Kommission in der Sache Volkswagen II, in der die Kommission einen Verstoß gegen die Wettbewerbsregeln im Zusammenhang mit der Festsetzung des Preises für ein Fahrzeugmodell in Deutschland festgestellt hatte, für nichtig erklärt. Das EuGeI vertritt die Auffassung, dass die Kommission nicht hinreichend nachgewiesen hat, dass die von VW erteilten Aufforderungen zur Preisfestsetzung Teil einer Vereinbarung mit den Vertragshändlern waren. Dem EuGeI zufolge kann die Kommission nicht davon ausgehen, dass die Aufforderung eines Herstellers im Rahmen seiner vertraglichen Beziehungen zu seinen Händlern eine Vereinbarung zwischen Unternehmen darstellt, wenn sie die tatsächliche Zustimmung der Händler zu dieser Aufforderung nicht nachweist. Ferner war das EuGeI der Ansicht, dass die Kommission nicht nachgewiesen hat, dass die Händler diesen Aufforderungen nachgekommen sind, und dass sie unzutreffend behauptet, dass der Abschluss eines Vertriebsvertrages die Zustimmung zu allen späteren Aufforderungen des Herstellers umfasst.

[118] Urteil vom 3.12.2003 in der Rechtssache T-208/01.

[119] Entscheidung vom 29.6.2001 (ABl. L 262 vom 2.10.2001) in der Sache COMP/F2/36.693 Volkswagen.

5.3. Fazit

167. In den Berichten über die Entwicklung der Kfz-Preise werden nach wie vor erhebliche Preisunterschiede in der Europäischen Union festgestellt. Diese Unterschiede belegen, dass der Wettbewerb zwischen den Händlern aus verschiedenen Mitgliedstaaten und der grenzüberschreitende Kfz-Handel bislang keinen Wettbewerbsdruck auf die Hersteller ausüben und die Märkte fragmentiert bleiben. Nachdem die neue Gruppenfreistellungsverordnung nunmehr am 1. Oktober 2003 vollständig in Kraft getreten ist, müssten die neuen Regeln den Wettbewerbsdruck erhöhen, zu einer stärkeren Integration der Märkte führen und den Automobilkauf im Ausland vereinfachen. Ein weiterer entscheidender Schritt zu einer stärkeren Integration der Märkte erfolgt am 1. Oktober 2005. Nach diesem Datum werden Hersteller Händler nicht länger daran hindern können, zusätzliche Verkaufsstellen an Standorten ihrer Wahl, einschließlich in anderen Mitgliedstaaten, zu eröffnen.

6. Finanzdienstleistungen

6.1. Rechtsvorschriften

Neue Verordnung über die Gruppenfreistellung im Versicherungssektor [120]

[120] Verordnung (EG) Nr. 358/2003 der Kommission vom 27.2.2003 über die Anwendung von Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüssen und aufeinander abgestimmten Verhaltensweisen im Versicherungssektor, ABl. L 53 vom 28.2.2003, S. 8.

168. Am 27. Februar nahm die Kommission eine neue Verordnung über die Gruppenfreistellung für den Versicherungssektor an, die die Verordnung Nr. 3932/92, deren Gültigkeit Ende März ausläuft, ersetzt. Der Annahme der Verordnung ging eine eingehende Konsultation voraus, in deren Verlauf Beiträge von Einrichtungen der Versicherungswirtschaft, Verbraucherverbänden und staatlichen Stellen eingingen. Durch die Verordnung wird für bestimmte Arten von Vereinbarungen im Versicherungssektor eine Freistellung gewährt, insbesondere für Vereinbarungen über:

- gemeinsame Berechnungen und Studien über Risiken;

- unverbindliche Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen;

- die gemeinsame Deckung bestimmter Arten von Risiken und

- die Prüfung und Anerkennung von Sicherheitsvorkehrungen.

Kapitel II: Gemeinsame Berechnung und Studien über Risiken

169. Für Versicherer ist es wichtig, genaue Informationen über die von ihnen versicherten Risiken zu haben, einschließlich möglicher künftiger Entwicklungen. Mit den Informationen, die ihnen aufgrund der Angaben ihrer Kunden intern zur Verfügung stehen, ist dies nicht immer möglich. Aus diesem Grund sind der Austausch statistischer Informationen und gemeinsame Risikoberechnungen unter bestimmten Voraussetzungen durch die Gruppenfreistellung gestattet.

Kapitel III: Unverbindliche Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen

170. Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen für viele Arten von Versicherungspolicen werden von nationalen Verbänden von Versicherungsunternehmen für viele Arten von Versicherungsverträgen erstellt. Der grundlegende Anwendungsbereich der Gruppenfreistellung ist in der neuen Verordnung gegenüber der Verordnung Nr. 3932/92 unverändert, es wurden jedoch einige zusätzliche Voraussetzungen für die Freistellung festgelegt. Der Versicherungssektor brachte eine Reihe stichhaltiger Argumente, gestützt durch konkrete Beispiele, vor, denen zufolge unverbindliche Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen alle Voraussetzungen für die Freistellung nach Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag erfuellen. Insbesondere bringen Muster allgemeiner Versicherungsbedingungen Effizienzvorteile für die Versicherungsunternehmen und können auch für Verbraucherverbände und Makler von Vorteil sein.

Kapitel IV: Versicherungsgemeinschaften

171. Aus mehreren Versicherungsunternehmen bestehende Versicherungsgemeinschaften werden häufig zur Deckung großer bzw. außergewöhnlicher Risiken, wie z. B. Luftfahrt-, Nuklear- und Umweltrisiken gebildet, bei denen einzelne Versicherungsunternehmen die gesamte Deckung nicht alleine übernehmen wollen. In diesem Bereich wurde der Anwendungsbereich der Gruppenfreistellung gegenüber der Verordnung Nr. 3932/92 erweitert. Erstens wurden die Marktanteilschwellen für freizustellende Versicherungspools leicht erhöht (von 10 % auf 20 % im Falle von Mitversicherungsgemeinschaften und von 15 % auf 25 % im Falle von Mit-Rückversicherungsgemeinschaften). Zweitens werden neu gegründete Versicherungsgemeinschaften zur Deckung ,neuartiger Risiken", die völlig neuartige Versicherungsprodukte erfordern - nunmehr unabhängig von ihrem Martkanteil für die Dauer von drei Jahren freigestellt.

172. Als Ausgleich für den erweiterten Anwendungsbereich der Freistellung werden einige zusätzliche Bedingungen für die Freistellung eingeführt. Insbesondere gilt die Gruppenfreistellung nicht, wenn ein Unternehmen in zwei auf dem gleichen relevanten Markt tätigen Versicherungsgemeinschaften Mitglied ist oder auf ihre Geschäftspolitik einen bestimmenden Einfluss ausübt.

Kapitel V: Sicherheitsvorkehrungen

173. In den meisten Mitgliedstaaten gibt es Vereinbarungen zwischen Versicherungsunternehmen über technische Spezifikationen für Sicherheitsausrüstungen (z. B. Alarmeinrichtungen, Diebstahlsicherungen und Brandschutzeinrichtungen), auf deren Grundlage die Sicherheitsvorkehrungen geprüft und Listen spezifikationskonformer Sicherheitsvorkehrungen erstellt werden. Der Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 3932/92 der Kommission erstreckte sich auf alle Vereinbarungen dieser Art, während der Anwendungsbereich der neuen Verordnung eingeschränkt wurde, um sie mit den harmonisierten Binnenmarktvorschriften für Sicherheitsvorkehrungen in Einklang zu bringen. Vereinbarungen werden nur dann freigestellt, wenn keine Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene erfolgt ist.

174. Die neue Verordnung bleibt sieben Jahre in Kraft und gilt bis 31.März 2010.

6.2. Fälle

Clearstream [121]

[121] Sache COMP/D1/38.096.

175. Am 28. März hat die Kommission der deutschen Wertpapiersammelbank Clearstream Banking AG sowie deren Muttergesellschaft, Clearstream International S.A., eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zugesandt. Die Einwände der Kommission richten sich gegen die Weigerung von Clearstream Banking AG, einem ihrer Kunden bestimmte grenzüberschreitende Clearing- und Abrechnungsdienste zur Verfügung zu stellen, sowie gegen die Diskriminierung im Verhältnis zu anderen Kunden.

176. Die Clearstream-Gruppe ist im Bereich der Wertpapierabwicklung und -verwahrung tätig. Clearing und Abrechnung bilden den Abschluss eines Wertpapiergeschäfts. Für die Entwicklung eines effizienten europäischen Kapitalmarktes ist das reibungslose Funktionieren dieser Vorgänge im gesamten EU-Raum von zentraler Bedeutung.

177. In der Mitteilung der Beschwerdepunkte vertritt die Kommission die Ansicht, dass die Clearstream Banking AG beim Clearing und bei der Abrechnung von nach deutschem Recht emittierten Wertpapieren eine beherrschende Stellung innehat. Die beherrschende Stellung rührt daher, dass die meisten der nach deutschem Recht ausgegebenen Wertpapiere nur dann handelsfähig sind, wenn sie bei der Clearstream Banking AG verwahrt werden. Die Clearing- und Abrechnungsdienste, die die Home-CSD für von ihr verwahrte Wertpapiere anbietet, sind von sekundären Clearing- und Abrechnungsdiensten, die von Finanzintermediären, etwa Banken, erbracht werden, zu unterscheiden. Eine klar auszumachende Gruppe großer Finanzintermediäre kann ihre Geschäfte nicht über andere Finanzintermediäre abwickeln, sondern ist auf die Wertpapiersammelbank angewiesen.

178. Die Einwände der Kommission richten sich gegen die Weigerung der Clearstream Banking AG, Clearing- und Abrechnungsdienste bereitzustellen, sowie gegen diskriminierende Entgelte.

179. Nach Ansicht der Kommission verweigerte Clearstream der Euroclear Bank SA das Clearing und die Abrechnung von Namensaktien, die seit 1997 in Deutschland stark an Bedeutung gewonnen haben, indem der Bank insbesondere über zwei Jahre lang kein Zugang zur Abwicklungsplattform für Namensaktien in Deutschland gewährt wurde. Das zögerliche Verhalten der Clearstream Banking AG steht im Widerspruch zu den kurzen Fristen, innerhalb derer die übrigen Kunden Zugang zu den betreffenden Diensten erhielten. Nach Auffassung der Kommission sind diese kurzen Fristen branchenüblich.

180. Der Beschwerdepunkt in Bezug auf diskriminierende Entgelte beruht auf der Tatsache, dass die Clearstream Banking AG der Euroclear Bank bis Januar 2002 ein höheres Bearbeitungsentgelt pro Transaktion in Rechnung stellte als anderen Zentralverwahrern außerhalb Deutschlands. Nach der vorläufigen Auffassung der Kommission ist diese Ungleichbehandlung nicht gerechtfertigt, da sowohl die Handelsvolumina als auch der Automatisierungsgrad bei Euroclear höher sind als bei nationalen Zentralverwahrern.

181. Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde das förmliche Verfahren eingeleitet, ohne dem Ergebnis vorzugreifen. Am 24. Juli fand eine Anhörung statt.

MasterCard Europe / International (multilaterale Abwicklungsgebühr) [122]

[122] Sachen COMP/D1/34.324, COMP/D1/34.579, COMP/D1/35.578, COMP/D1/36.518, COMP/D1/38.580.

182. Am 24. September hat die Kommission MasterCard wegen der multilateralen Abwicklungsgebühr (MIF) [123] für grenzüberschreitende Kartenzahlungen in der EU und im EWR eine Mitteilung der Beschwerdepunkte zugesandt. Im Rahmen des MasterCard-Systems wird die Gebühr von der Bank des Einzelhändlers an die Bank des Kartenbesitzers gezahlt. Die Bank des Händlers gibt die Kosten an die Einzelhändler weiter, die sie ihrerseits auf die Einzelhandelpreise aufschlagen. Die MIF ist in den MasterCard-Regeln niedergelegt, die bei der Kommission angemeldet wurden.

[123] Bei der MIF handelt es sich um ein Interbankenentgelt, das für jede mit einer Bezahlungskarte ausgeführte Transaktion zu entrichten ist.

183. Den vorläufigen Schlussfolgerungen der Kommission in der Mitteilung der Beschwerdepunkte zufolge schränkt die MIF den Wettbewerb zwischen den MasterCard-Mitgliederbanken ein und kommt für eine Freistellung nicht in Frage. Die Kommission wies darauf hin, dass die MIF von MasterCard nicht mit den Grundsätzen im Einklang steht, die in der Kommissionsentscheidung vom Juli 2002 [124] über die von VISA erhobene MIF dargelegt sind. Einzelhändler sind gezwungen, MasterCard-Karten zu akzeptieren. Um zu verhindern, dass MasterCard die MIF unabhängig von damit verbundenen Vorteilen für die Einzelhändler und Verbraucher auf eine erlösmaximierende Höhe festlegt, muss die Gebühr transparent sein und auf den Kosten beruhen.

[124] Sache COMP/D1/29.373, Visa International, ABl. L 318 vom 22.11.2002.

184. Mit der Mitteilung der Beschwerdepunkte wurde das förmliche Verfahren eingeleitet, ohne dem Ergebnis vorzugreifen.

7. Medien

Kasten 5: Zentrale Vermarktung im TV-Sektor - nationale Fälle im Fussballbreich

Die Kommission hat sich mit mehreren Fällen im Zusammenhang mit dem nationalen Ligafußball befasst. Die Prüfung des Modells zur zentralen Vermarktung von Übertragungsrechten für die Bundesliga durch die Kommission warf wettbewerbsrechtliche Bedenken auf, die viele Parallelen zu den Bedenken aufweisen, die in der Entscheidung vom 23. Juli über die UEFA Champions League geltend gemacht wurden. Vor diesem Hintergrund legten die deutschen Fußballverbände der Kommission einen neuen Plan vor, der erhebliche Änderungen der ursprünglich angemeldeten Regelung beinhaltet. Hierzu wurde das in der Entscheidung zur UEFA Champions League dargelegte Modell auf die speziellen deutschen Gegebenheiten zugeschnitten. Die Kommission beabsichtigt, das neue Vermarktungsmodell für die Übertragungsrechte der 1 und 2 Fußball-Bundesliga vom Kartellverbot freizustellen. Die neue Vermarktungspolitik wurde in einer Pressemitteilung und in einer im Oktober erschienenen Veröffentlichung gemäß Artikel 19 Absatz 3 der Verordnung Nr. 17/1962 erläutert.

Einer vorläufigen Einschätzung zufolge verspricht der vorgelegte Plan mehr Vielfalt und Wettbewerb bei der Übertragung der Spiele der 1. und 2. Bundesliga. Auch wird ein Anschub für die neuen Medien UMTS und Breitband-Internet erwartet. Im Rahmen des neuen Modells werden Übertragungsrechte nicht mehr in einem Paket an einen einzigen Rundfunkveranstalter verkauft. Erstmalig werden die Übertragungsrechte entbündelt und in einem transparenten Verfahren in einzelnen Paketen angeboten. Künftig werden sämtliche Spiele für Live-Übertragungen im Internet und Mobilfunk verfügbar sein. Die Vereine der Ersten und Zweiten Bundesliga können zudem einen Teil der Übertragungsrechte eigenständig vermarkten.

Das Vermarktungsmodell und die Freistellung erstrecken sich nicht auf künftige Lizenzvereinbarungen, die nach einer Übergangszeit von der Bundesliga abgeschlossen werden.

Die Kommission behält sich das Recht vor, Vereinbarungen dieser Art gesondert anhand der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften zu prüfen, insbesondere wenn mehrere zentral vermarktete Pakete, die Exklusivrechte umfassen, zusammen von einem einzelnen Betreiber erworben werden. Im Dezember 2002 hatte die Kommission eine Mitteilung der Beschwerdepunkte an den englischen Ligaverband FA Premier League (FAPL) gerichtet. Der FAPL legte eine überarbeitete Fassung seines Vermarktungsmodells vor, das trotz der Verbesserungen die Bedenken der Kommission nicht vollständig ausräumen konnte. So enthielt der Vorschlag offenbar ungerechtfertigte Produktionsbeschränkungen und führte zu Wettbewerbsverzerrungen auf den Märkten für die Verwertung der FAPL-Rechte. Im Dezember gab die Kommission bekannt, dass mit dem FAPL und mit dem Fernsehsender BSkyB - dem Inhaber der TV-Live-Übertragungsrechte [125] - eine vorläufige Einigung erzielt wurde. Dank der Einigung wurde die Zahl der angebotenen Rechte erhöht, und es wird eine größere Vielfalt bei den Lizenznehmern geben, die den Zuschauern FAPL-Inhalte bereitstellen. Anfang 2004 sollte eine öffentliche Anhörung zu der vorläufigen Vereinbarung stattfinden.

[125] Pressemitteilung IP/03/1748 vom 16.12.2003.

Eine im Dezember 2001 von mehreren französischen Fußballvereinen eingereichte Beschwerde stellte unter anderem die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften über die Vermarktung von Fernsehübertragungsrechten mit den EG-Wettbewerbsvorschriften in Frage. Die Beschwerde stellte insbesondere auf die horizontalen Aspekte der Vermarktung dieser Rechte ab. Darüber hinaus reichte ein Pay-TV-Betreiber im Zusammenhang mit einer Ausschreibung der Übertragungsrechte für nationale Fußballmeisterschaften eine Beschwerde auf nationaler Ebene ein. Aufgrund dieser Beschwerde erließ die französische Wettbewerbsbehörde Anfang 2003 einstweilige Maßnahmen gegen die ,Ligue du Football Professionnel". Bei diesem Verfahren ging es um die vertikalen Aspekte der Vermarktung von Fußball-Übertragungsrechten. Der bei der Kommission eingereichte Teil der Beschwerde wurde im Juni zurückgezogen, weil die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften im Rahmen einer Rechtsreform geändert worden waren.

Umstrukturierung und Konsolidierung der europäischen Bezahlfernsehmärkte - Erarbeitung von Grundsätzen

185. Im Laufe des Jahres 2003 standen die kommerziellen Vereinbarungen über die Umstrukturierung und Konsolidierung einer Reihe von europäischen Bezahlfernsehmärkten, einschließlich der Märkte in der nordischen Region und in Italien im Mittelpunkt der Maßnahmen der Kommission zur Umsetzung des Wettbewerbsrechts im Mediensektor. In der Nordeuropa hat der Bezahlfernsehbetreiber Canal+ seine 50%ige Beteiligung an der nordischen Satelliten-Bezahlfernsehplattform für den Direktempfang durch Privathaushalte (Direct-to-Home, DTH) Canal Digital abgegegeben und an den bisherigen Miteigentümer Telenor übertragen. Zugleich haben Canal+ und Telenor langfristige wechselseitige Ausschließlichkeitsvereinbarungen bezüglich des Vertriebs von Bezahlfernseh- und Pay-per-View-Programmen von Canal+ in Nordeuropa geschlossen, um die Kontinuität der wirtschaftlichen Vorteile zu gewährleisten, die sich zuvor aus der vertikalen Integration von Canal Digital und Canal+ ergeben hatten. Die Kommission ist der Ansicht, dass ,Entfusionierungs"-Transaktionen dieser Art in Verbindung mit vertikalen Ausschließlichkeits- und Wettbewerbsverbotsvereinbarungen zwischen wirtschaftlich voneinander getrennten Unternehmen in den Anwendungsbereich von Artikel 81 Absatz 1 EG-Vertrag fallen. In diesem Zusammenhang obliegt es der Kommission, eine langfristige Abschottung der vor- und nachgelagerten Bezahlfernsehmärkte insbesondere zu Lasten potenzieller neuer Marktteilnehmer zu verhindern, um so mehr, wenn die betreffenden Märkte einen hohen Konzentrationsgrad aufweisen. Daher ist die Kommission bestrebt, Umfang und Dauer der Ausschließlichkeits- und Wettbewerbsverbotsvereinbarungen zu begrenzen, um die Schranken für einen potenziellen Markteintritt abzusenken. Dies gestattet es der Kommission schließlich, für die betreffenden Vereinbarungen für einen begrenzten Zeitraum eine Freistellung gemäß Artikel 81 Absatz 3 EG-Vertrag zu gewähren, wobei sie die dadurch hervorgebrachten Effizienzgewinne in vollem Umfang und insbesondere das legitime Anliegen der Vertragsparteien berücksichtigt, vertragsspezifische Investitionen in ihre bisherigen Bezahlfernsehaktivitäten abzuschreiben. Mit diesen Maßnahmen machte die Kommission - in der Sache Telenor/Canal+/Canal Digital case [126] - in diesem Sektor erstmals Gebrauch von den im Oktober 2000 veröffentlichten Leitlinien der Kommission über vertikale Beschränkungen [127]. Dies entspricht im Wesentlichen dem Ansatz, der bei dem Unternehmenszusammenschluss Newscorp/Telepiù [128] in Bezug auf die italienischen Bezahlfernsehmärkte angewandt wurde. In diesem Fall wurden mehrere Auflagen erteilt, wie z. B. der Zugang Dritter zu der im Eigentum des fusionierten Unternehmens befindlichen Plattform sowie eine erhebliche Begrenzung von Umfang und Dauer der Lizenzvereinbarungen für Premiuminhalte, um sicherzustellen, dass potenzielle Wettbewerber weiterhin Zugang zum Markt haben.

[126] Sache COMP/C2/38.287.

[127] Mitteilung der Kommission - Leitlinien für vertikale Beschränkungen. ABl. C 291 vom 13.10.2000, S. 1.

[128] Sache COMP/M.2876.

Printmediensektor - Zeitschriftenvertrieb

186. Im Printmediensektor, insbesondere auf den Märkten für periodisch erscheinende Zeitschriften, beobachtet die Kommission weiterhin aufmerksam die Entwicklung der Preisunterschiede zwischen den einzelnen Ländern, die für die Verbraucher seit der Einführung des Euro am 1.Januar 2002 deutlicher erkennbar sind. Aufgrund einer Beschwerde der Bundesarbeitskammer, die in Österreich die Interessen der Verbraucher vertritt, führt die Kommission eine eingehende Prüfung des Preisanstiegs bei deutschsprachigen Magazinen in Deutschland und Österreich durch.

Box 6: ,Medienvielfalt und Wettbewerbsrecht"

Die Aufrechterhaltung und der weitere Ausbau der Medienvielfalt sind neben der Bewahrung der kulturellen Vielfalt und des freien Zugangs der Unionsbürger zu allen Arten von Medienplattformen ein grundlegendes allgemeines Ziel der Europäischen Union.

Dies entspricht der festen Entschlossenheit der Europäischen Union, die Pluralität der Medien und die Freiheit, Informationen weiterzugeben und zu empfangen, als Werte zu schützen, die für den demokratischen Prozess von entscheidender Bedeutung sind [129], wie in Artikel 11 der Charta der Grundrechte, Artikel 10 der Europäischen Konvention der Menschenrechte und im Entwurf einer Europäischen Verfassung [130] verankert.

[129] Vgl. Artikel 6 Absatz 1 EG-Vertrag und Artikel 2 des Entwurfs einer Europäischen Verfassung.

[130] Titel II, Artikel 11 des Entwurfs einer Europäischen Verfassung.

Die Kommission hat mehrfach klargestellt, dass sie der Pluralität der Medien grundlegende Bedeutung für das Funktionieren der Europäischen Union und die kulturelle Identität der Mitgliedstaaten [131] beimisst, die Kontrolle der Konzentration der Medien jedoch in erster Linie Sache der Mitgliedstaaten ist. Den Mitgliedstaaten steht es weiterhin frei, nationale Rechtsvorschriften über die Kontrolle des Eigentums an den Medien zu erlassen, so wie dies beispielsweise in Artikel 21 Absatz 3 der EU-Fusionskontrollverordnung ausdrücklich anerkannt wird. [132]

[131] Vgl. das Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in den Mitgliedstaaten im Anhang zum Vertrag von Amsterdam.

[132] Die Mitgliedstaaten können ,geeignete Maßnahmen zum Schutz anderer berechtigter Interessen als derjenigen treffen, welche in dieser Verordnung berücksichtigt werden, sofern diese Interessen mit den allgemeinen Grundsätzen und den übrigen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts vereinbar sind. Im Sinne des Unterabsatzes 1 gelten als berechtigte Interessen die öffentliche Sicherheit, die Medienvielfalt und die Aufsichtsregeln."

Einige Mitgliedstaaten haben Kontrollen für das Eigentum an Einzelmedien sowie für das medienübergreifende Eigentum eingeführt und dabei unterschiedliche Konzepte bzw. eine Kombination von Beschränkungen für den Zuschauermarktanteil, die Höhe der Kapitalbeteiligung und die Zahl der Lizenzen gewählt.

Das Europäische Parlament hat sich in einer Reihe von Initiativen und Entschließungen mit der Frage der Medienvielfalt befasst.

Die Anwendung der Instrumente der Wettbewerbspolitik im Mediensektor beschränkt sich auf die zugrunde liegende Marktstruktur, die wirtschaftlichen Auswirkungen des Verhaltens von Medienunternehmen und die Kontrolle staatlicher Beihilfen. Sie kann und will die Kontrolle der Medienkonzentration sowie Maßnahmen zur Sicherung der Medienvielfalt auf nationaler Ebene nicht ersetzen. Die Anwendung der Wettbewerbsvorschriften dient ausschließlich der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung in den betreffenden Märkten und der Kontrolle des Marktausschlusses von Wettbewerbern.

Durch die Anwendung der Grundsätze des Kartellverbots und der Fusionskontrolle kann die Wettbewerbspolitik jedoch sowohl auf den herkömmlichen Fernsehmärkten als auch den anderen Rundfunkmärkten und im Bereich der neuen Medien einen wesentlichen Beitrag zur Bewahrung und zum weiteren Ausbau der Medienvielfalt leisten. Durch die Öffnung der Märkte wird ein geeignetes Umfeld zur Förderung der Vielfalt des Fernsehens, der Printmedien und der neuen Medien geschaffen.

Die strikte Anwendung der Regeln des Kartellverbots und der Fusionskontrolle dient diesem Zweck vor allem in zweierlei Hinsicht: durch die Kontrolle der Akkumulation von Marktmacht gemäß der Fusionskontrollverordnung, so wie es in der Vergangenheit in einer Reihe von Fällen durchweg unter Beweis gestellt wurde [133]; und indem die Märkte der wesentlichen Produktionsfaktoren konkurrierenden Rundfunkanstalten und Marktneulinge offengehalten werden, um eine solide wirtschaftliche Basis für eine Vielzahl von Marktteilnehmern zu gewährleisten, die eine wichtige Voraussetzung zur Sicherung der Meinungsvielfalt darstellt. Ein Beispiel hierfür sind die Auflagen, die im Zusammenhang mit den jüngsten Fusionsfällen [134] und zur Gewährleistung des Zugangs von Marktteilnehmern zu Premium-Sportinhalten [135] und Premium-Filmen erteilt wurden.

[133] Siehe z. B. die Sachen Comp/M.469, MSG Media, ABl. L 364 vom 31.12.1994, Comp/M.553, RTL/Veronica, ABl. L 294 vom 19.11.1996, Comp/M.993, Bertelsmann/Kirch/Premiere, ABl. L 53 vom 31.7.1999.

[134] Siehe z. B. die Sache Comp/M.2876, Newscorp/Telepiu.

[135] Siehe die Entscheidung in der Sache UEFA Champions League, COMP/C2/37.398.

Durch die strenge Anwendung der Wettbewerbsregeln auf den Mediensektor im Rahmen ihres Mandats senkt die Kommission die Markteintrittsschranken für Rundfunkanstalten und neue Marktteilnehmer ab und verhindert so eine Marktabschottung und unerwünschte Konzentrationen.

Dementsprechend leistet die Anwendung der Regeln des Kartellverbots und der Fusionskontrolle parallel zur Anwendung der Beihilfekontrolle in diesem Sektor einen maßgeblichen Beitrag zur Sicherstellung des freien Zugangs der Unionsbürger zu allen Arten von Medienplattformen.

8. Freie Berufe

187. Im Jahr 2003 waren die einzelstaatlichen Regelungen für die von den freien Berufen erbrachten Dienstleistungen weiterhin Gegenstand eingehender Untersuchungen [136]. Diese ,Bestandsaufnahme" zielte darauf ab, ein gründliches Verständnis der Regulierung der freien Berufe und ihrer Auswirkungen zu erlangen.

[136] Siehe auch Randnr. 197 bis 209 des XXXII. Berichts über die Wettbewerbspolitik 2002.

188. Am 21. März brachte EU-Kommissar Monti die Bestandsaufnahme mit seiner Rede vor der Bundesanwaltskammer auf den Weg [137]. Er erklärte, dass dieser Sektor einen wichtigen Beitrag zur Verwirklichung der Lissabon-Strategie leisten könne, die darauf abzielt, die Union bis 2010 zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Anschließend fragte er, was der Entwicklung innovativer und wettbewerbsfähigerer Dienstleistungen entgegensteht. Er forderte alle interessierten Parteien auf, Stellungnahmen abzugeben.

[137] ,Competition in Professional Services: New Light and New Challenges", Bundesanwaltskammer - Berlin, Deutschland, 21.3.2003.

189. Um die Debatte anzuregen, machte die GD Wettbewerb die im Auftrag der Kommission durchgeführte unabhängige Studie des Instituts für Höhere Studien (IHS) in Wien der Öffentlichkeit zugänglich. Sie zeigte, dass das Ausmaß der Reglementierung sowohl zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten als auch zwischen den verschiedenen Berufen stark voneinander abweicht. Des Weiteren stellte sie fest, dass es keine Anzeichen für ein Marktversagen in den weniger stark reglementierten Ländern gibt. Im Gegenteil kommt die Studie zu dem Schluss, dass mehr Freiheit bei der Berufsausübung eine höhere Wertschöpfung ermöglicht.

Die verschiedenen Regulierungsdichten können wie folgt dargestellt werden:

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Quelle: IHS-Studie.

Hinweis: Griechenland und Portugal werden nicht berücksichtigt, da für bestimmte Berufe keine Angaben vorliegen.

190. Auf den Fragebogen zur Bestandsaufnahme hin gingen fast 250 Antworten interessierter Parteien ein. Ein Überblick findet sich im Internet auf der Website der GD Wettbewerb. Ein weiterer Überblick - die geltenden Regelungen betreffend - wurde auf der Grundlage der Studie und der Stellungnahmen der interessierten Parteien erstellt. [138]

[138] Diese und andere Dokumente sind unter folgender Adresse zugänglich: http://europa.eu.int/comm/competition/ liberalization/conference/libprofconference.htm.

191. An der Konferenz über die Reglementierung freiberuflicher Dienstleistungen am 28. Oktober in Brüssel nahmen 260 Vertreter der freien Berufe, ihrer Klienten, Verbraucherorganisationen, Wettbewerbsbehörden, politische Entscheidungsträger sowie Vertreter aus Hochschulkreisen teil. Zweck der Konferenz war es, eine offene Debatte über die Berechtigung sowie über das Für und Wider verschiedener Regelungen für die freiberuflichen Dienstleistungen von Rechtsanwälten, Notaren, Architekten, Ingenieuren, Wirtschaftsprüfern und Apothekern zu ermöglichen. Im Mittelpunkt der Redebeiträge standen die Auswirkungen der Vorschriften und Regelungen auf die Unternehmensstruktur und den Verbraucherschutz. Auch die Erfahrungen aus den Reformen in einigen Mitgliedstaaten wurden erörtert.

192. Wie die Redebeiträge zeigten, wäre eine sorgfältig erwogene Modernisierung der herkömmlichen Regeln hilfreich. Die Verbraucherverbände wiesen insbesondere darauf hin, dass die Regeln transparent und begründet sein müssen und auch den Preisbestandteilen Rechnung getragen werden muss.

193. Kommissionsmitglied Monti erklärte in seiner Rede zum Abschluss der Konferenz, dass er beabsichtige, Anfang 2004 einen Bericht über den Wettbewerb bei freiberuflichen Dienstleistungen herauszugeben. In diesem Bericht soll dargelegt werden, inwieweit es aus wirtschaftlicher Sicht gerechtfertigt ist, einige der bestehenden Regeln und Vorschriften sowie den Rechtsrahmen für die Bewertung ihrer Vereinbarkeit mit den gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften zu reformieren.

194. Die Kommission hat die Absicht, sich weiterhin dafür einzusetzen, dass qualifizierte Berufsangehörige gleiche Ausgangsbedingungen haben, um im Interessse der freien Berufe und der Verbraucher die grenzüberschreitende Mobilität und einen gesunden Wettbewerb zu fördern. Gleichzeitig bekräftigt die Kommission ihre Entschlossenheit, diejenigen restriktiven Regelungen sowie die Selbstregulierung der freien Berufe zu respektieren, die im allgemeinen Interesse gerechtfertigt erscheinen. [139]

[139] Siehe Antwort auf eine mündliche Anfrage im Europäischen Parlament zum Thema ,Marktregulierung und Wettbewerbsregeln für freie Berufe" (O-63/03).

195. Die Zusammenarbeit mit anderen Wettbewerbsbehörden ist fortgesetzt und intensiviert worden. So wurde die Reglementierung freiberuflicher Dienstleistungen in der Sitzung der Generaldirektoren der nationalen Wettbewerbsbehörden am 18. Juni und am 19. November erörtert. Ferner fand am 26. November ein Sachverständigentreffen statt, um über die Ergebnisse der Bestandsaufnahme zu diskutieren.

196. Das Urteil des Gerichtshofs vom 9. September in der Rechtssache Consorzio Industrie Fiammiferi [140] scheint für diesen Sektor, in dem wettbewerbswidrige Regeln von den Mitgliedstaaten oftmals unterstützt werden, relevant zu sein. Um den gemeinschaftlichen Wettbewerbsvorschriften volle Wirkung zu verleihen, ist eine nationale Wettbewerbsbehörde verpflichtet, nationale Rechtsvorschriften, die Unternehmen Verhaltensweisen vorschreiben, welche gegen Artikel 81 EG-Vertrag verstoßen, nicht anzuwenden, und sie muss den betroffenen Unternehmen aufgeben, das fragliche Verhalten einzustellen und davon Abstand zu nehmen.

[140] Rechtssache C-198/2001.

197. Schließlich führte die Kommission ihre traditionelle Fallarbeit in diesem Sektor weiter. So übermittelte sie Belgien am 3. November eine Mitteilung der Beschwerdepunkte in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren wegen der Honorarordnung der belgischen Architektenkammer [141].

[141] Sache COMP/D3/38.549

9. Statistischer Überblick

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II - Fusionskontrolle

1. Einleitung

198. Die Zahl der 2003 bei der Kommission angemeldeten Fusionen und Übernahmen ging auf den Stand der späten 90er-Jahre zurück. Wurden 2002 noch 279 Zusammenschlüsse angemeldet, was gegenüber dem Vorjahr bereits einen leichten Rückgang bedeutete (335 Anmeldungen), so belief sich ihre Zahl 2003 auf lediglich 212 (siehe Tabelle).

199. Neben dem Rückgang der Gesamtzahl der Anmeldungen verringerte sich auch der Anteil der Fälle, die Anlass zu ernsthaften Bedenken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf den Wettbewerb gaben und daher eine vertiefte Prüfung (Phase II) erforderten, welche eine Entscheidung gemäß Artikel 8 FKVO nach sich zog, geringfügig von 9 im Jahr 2002 auf 8 im Jahr 2003. Alle 8 Vorhaben wurden letztlich genehmigt, weil die beteiligten Unternehmen entweder Zusagen machten, die die ursprünglichen wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausräumten (6 Fälle), oder weil die vertiefte Prüfung die ursprünglichen wettbewerbsrechtlichen Bedenken nicht bestätigte (2 Fälle).

200. 2003 wurden von der Kommission insgesamt 231 abschließende Entscheidungen getroffen, 2 davon im Anschluss an eine vertiefte Prüfung ohne Auflagen und 6 mit Auflagen genehmigt; 9 weitere Genehmigungen wurden von der Einhaltung von Verpflichtungen nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase (Phase I) abhängig gemacht. In der ersten Phase wurden von der Kommission weitere 203 Vorhaben genehmigt. Davon beruhten 110 (51%) auf dem seit September 2000 gültigen vereinfachten Verfahren. Zudem traf die Kommission 9 Entscheidungen über Verweisungen nach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung und eröffnete in 9 Fällen vertiefte Prüfverfahren.

2. Reform der Fusionskontrolle

2.1. Eine neue Fusionskontrollverordnung

201. Am 27. November erzielte der Rat eine politische Einigung über die Neufassung der Fusionskontrolle unter weit gehender Einbeziehung der von der Kommission im Dezember 2002 vorgeschlagenen Reformen. Diese Reformen betreffen die materiellrechtliche Prüfung gemäß Artikel 2, verfahrensrechtliche Fragen wie zeitliche Vorgaben für Anmeldungen und Fristen für die Untersuchung, die Entscheidungsbefugnisse der Kommission und die Frage der Zuteilung von Fällen zwischen den nationalen Behörden in der EU.

202. Die Fusionskontrollverordnung wurde 1989 angenommen und trat am 21. September 1990 in Kraft. Gemäß einer Klausel, die die regelmäßige Revision vorsieht, leitete die Kommission im Dezember 2001 ein Konsultationsverfahren ein, als dessen Ergebnis ein Jahr später ein Paket weit reichender Vorschläge zur Verbesserung des Fusionskontrollregimes angenommen wurde. Neben dem Vorschlag zur Änderung der Fusionskontrolle beinhaltete dieses Reformpaket nicht legislative Maßnahmen, die auf eine Straffung des Entscheidungsverfahrens, insbesondere eine Aufwertung des Instruments der wirtschaftlichen Analyse und eine wirksamere Wahrung der Verteidigungsrechte abzielten. Ein Großteil dieser Neuerungen ist inzwischen umgesetzt worden; so wurde beispielsweise ein Chefökonom ernannt, und es wurden Kontrollforen eingesetzt, deren Aufgabe darin besteht, die Schlussfolgerungen der mit dem Fall befassten Bediensteten unvoreingenommen noch einmal zu überprüfen. Die wichtigsten Elemente des Reformpakets werden im Folgenden dargelegt.

2.1.1. Materiellrechtliche Prüfung

203. Die von der Kommission vorgeschlagene Reform sollte gewährleisten, dass mit der in der Fusionskontrollverordnung vorgesehenen materiellrechtlichen Prüfung wirksam alle wettbewerbswidrigen Zusammenschlüsse erfasst werden; zugleich sollte weiterhin Rechtssicherheit garantiert werden. Mit ihrem Grünbuch hatte die Kommission eine Debatte über die materiellrechtliche Prüfung gemäß Artikel 2 der Fusionskontrollverordnung (Marktbeherrschungstest) und insbesondere über die Frage eröffnet, wie dieser Test im Vergleich zur Prüfung auf eine ,wesentliche Verminderung des Wettbewerbs" (SLC-Test) abschneidet, die in mehreren anderen Rechtssystemen angewendet wird. Diejenigen, die sich für einen Übergang zum SLC-Test aussprachen, führten als Hauptargument unter anderem an, dass ein solcher Test angesichts der Vielfalt und Komplexität der durch Zusammenschlüsse gegebenenfalls aufgeworfenen wettbewerbsrechtlichen Probleme grundsätzlich besser geeignet sei. Vor allem weise der Anwendungsbereich des derzeitigen Tests eine ,Lücke" bzw. ,Lücken" auf. Andererseits wurde zu bedenken gegeben, dass die Annahme eines vollkommen neuen Tests die Gültigkeit der auf der Verordnung beruhenden Rechtsprechung und damit auch der im Laufe der Jahre von den Gerichten entwickelten Rechtsauffassung gefährden könnte, was wiederum eine Schwächung der Rechtssicherheit bedeuten würde. Daher schlug die Kommission eine Klarstellung des Anwendungsbereichs des Tests vor.

204. Der vom Rat zum neuen Test angenommene Text hat folgenden Wortlaut: ,Zusammenschlüsse, durch die wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde, insbesondere durch Begründung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung, sind für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar zu erklären." Dieser neue Test entspricht den ursprünglichen Absichten der Kommission. Die Rechtssicherheit wird durch die Schließung möglicher Lücken im bisherigen Test erhöht; zugleich hat die frühere Rechtsprechung und damit auch die Rechtsauffassung des Gerichtshofs Bestand. Zudem ist hervorzuheben, dass sich der neue Test auf einen soliden wirtschaftlichen Rahmen für die Beurteilung von Zusammenschlüssen stützt, der in den im Dezember angenommenen Leitlinien für die Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse (siehe unten) festgelegt wurde. Ferner plant die Kommission die Erarbeitung weiterer Leitlinien für die Prüfung nicht horizontaler (vertikaler und konglomerater) Zusammenschlüsse.

2.1.2. Verfahrensrechtliche Fragen

205. Die neue Verordnung umfasst etliche Änderungen, die auf eine Erhöhung der Flexibilität des Systems bei Beibehaltung des Grundsatzes der Ex-ante-Kontrolle mit eindeutigen und rechtsverbindlichen Fristen abzielen. Die Regelung der Anmeldepflicht mit aufschiebender Wirkung wird beibehalten, jedoch wird eine flexiblere Handhabung der Anmeldefristen eingeführt und die Bestimmung des Begriffs ,auslösendes Ereignis" geändert. Gleichzeitig gelten für die Untersuchungen weiterhin enge, wenngleich etwas flexiblere Fristen.

Fristen für Untersuchungen

206. Bei den Fristen für Untersuchungen weicht die neue Verordnung in einer Reihe von wichtigen Punkten von den bisherigen Bestimmungen ab. Erstens werden bei der Berechnung aller Fristen künftig ,Arbeitstage" zugrunde gelegt, so dass sich punktuell geringfügige Veränderungen ergeben. Demnach gelten anstelle der bisherigen Frist von einem Monat für die erste Phase ab 1. Mai 2004 25 Arbeitstage. Zweitens treten an die Stelle der früher für die erste Phase geltenden Sechs-Wochen-Frist in Fällen, in denen Verpflichtungszusagen geleistet wurden oder ein Antrag auf Verweisung gestellt wurde, 35 Arbeitstage. Drittens verlängert sich die Frist für die zweite Untersuchungsphase gemäß der neuen Verordnung automatisch um 15 Arbeitstage, so dass in den Fällen, in denen die Parteien Verpflichtungszusagen vorgelegt haben, dafür nicht mehr 90, sondern 105 Arbeitstage zur Verfügung stehen. Mit dieser Regelung soll erreicht werden, dass mehr Zeit für die Konsultation von Dritten und der Mitgliedstaaten bleibt. Diese Fristverlängerung gilt jedoch nicht, wenn Verpflichtungszusagen schon frühzeitig geleistet werden, d. h. weniger als 55 Arbeitstage nach Einleitung der zweiten Untersuchungsphase. Viertens kann in komplizierten Fällen die Frist für die zweite Phase um 20 Arbeitstage verlängert werden. Eine solche Fristverlängerung wird allerdings nur auf Antrag der beteiligten Unternehmen bzw. mit deren Zustimmung gewährt.

Zeitliche Vorgaben für Anmeldungen

207. Die neue Verordnung sorgt auch für mehr Flexibilität bei den zeitlichen Vorgaben für Anmeldungen bei der Kommission. Nach Maßgabe der neuen Rechtsvorschrift besteht die Möglichkeit, ein Vorhaben bereits vor Abschluss einer verbindlichen Vereinbarung anzumelden, sofern die glaubhafte Absicht besteht, eine solche Vereinbarung abzuschließen. Die derzeitige Anmeldefrist von einer Woche nach Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung wird ebenfalls aufgehoben, sofern keine Schritte zu deren Umsetzung unternommen werden. Diese flexibleren Bestimmungen dürften es den Unternehmen gestatten, Zusammenschlüsse besser zu organisieren, ohne ihre Planung auf unnötig starre Regelungen auszurichten. Gleichzeitig dürften sie die internationale Zusammenarbeit bei der Prüfung von Zusammenschlüssen erleichtern, vor allem in Fällen, in denen Untersuchungen durch unterschiedliche Behörden zeitlich aufeinander abgestimmt werden müssen.

Stärkung der Untersuchungsbefugnisse

208. Hinsichtlich der Vorschriften zur Durchführung von Untersuchungen sieht die neue Fusionskontrollverordnung die Anpassung der Untersuchungsbefugnisse der Kommission, einschließlich der Befugnisse zur Verhängung von Geldstrafen, unter Berücksichtigung einiger Ausnahmen, an die in der neuen Verordnung zur Durchführung der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag vorgesehenen Regelungen vor. Insbesondere können gemäß der neuen Verordnung im Falle unrichtiger oder irreführender Auskünfte höhere Geldstrafen als bisher festgesetzt werden. Außerdem können bei Nichterteilung angefragter Auskünfte höhere Zwangsgelder verhängt werden. Dadurch dürfte die Kommission in der Lage sein, leichter Informationen einzuholen und die Effizienz und Wirksamkeit ihrer Untersuchungen zu steigern.

Verfahren nach Nichtigerklärung der Kommissionsentscheidung durch den Gerichtshof

209. Das Verfahren, das im Falle der Nichtigerklärung einer Entscheidung der Kommission gemäß Artikel 10 Absatz 5 anzuwenden ist, wurde eindeutiger geregelt, um die Praxis der Kommission in früheren Fällen zu kodifizieren. Die neue Bestimmung beruht auf dem Grundsatz, dass ein Zusammenschluss auf der Grundlage einer neuen Anmeldung und unter Berücksichtigung der aktuellen Marktverhältnisse erneut geprüft wird, und zwar beginnend mit dem Verfahren für Phase I.

Entscheidungsbefugnisse gemäß Artikel 8

210. In der neuen Verordnung ist konkret festgelegt, wie untersagte Zusammenschlüsse durch Veräußerung erworbener Anteile oder Vermögenswerte rückgängig zu machen sind (Artikel 8 Absatz 4). Gemäß der neuen Verordnung ist die Kommission auch befugt, einstweilige Maßnahmen in Fällen des nicht zulässigen Vollzugs von Zusammenschlüssen bzw. bei Verstößen gegen die Bestimmungen von Artikel 8 Absatz 2 anzuordnen.

2.1.3. Fragen der Zuständigkeit

Vereinfachung und flexiblere Gestaltung der Verweisung

211. Ein Hauptanliegen der von der Kommission vorgeschlagenen Reformen war die Optimierung der Verweisung von Fällen zwischen der Kommission und den einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip. Gleichzeitig sollte auf diese Weise das hartnäckige und gehäuft auftretende Problem der so genannten Mehrfachanmeldungen (d. h. ein und derselbe Zusammenschluss ist bei mehreren einzelstaatlichen Wettbewerbsbehörden in der EU anzumelden) gelöst werden. Die neue Verordnung sieht folgende Veränderungen vor: (1) eine Straffung der Verweisungsregelung einschließlich Vereinfachung der diesbezüglichen Kriterien, und (2) die Einführung der Möglichkeit, dass die Anmelder Anträge auf Verweisung bereits vor der eigentlichen Anmeldung stellen können. Mit diesen Änderungen soll im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip erreicht werden, dass sich die Behörde, die hierfür die besten Voraussetzungen hat, mit dem Fall befasst. Zugleich soll die Zahl der Zusammenschlüsse, die eine Mehrfachanmeldung erfordern, verringert werden.

Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung

212. Im Falle eines Zusammenschlusses von gemeinschaftsweiter Bedeutung, bei dem die Parteien davon ausgehen, dass er in einem gesonderten Markt eines Mitgliedstaats ,den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnte", können diese einen Antrag auf Verweisung an den betroffenen Mitgliedstaat stellen. Vor der eigentlichen Anmeldung haben die Anmelder das ausschließliche Initiativrecht. Begründeten Anträgen auf Verweisung müssen sowohl die Kommission als auch die entsprechende einzelstaatliche Wettbewerbsbehörde innerhalb einer kurzer Frist stattgeben, um einen möglichen Stillstand des Verfahrens zu verhindern.

213. Nach der derzeit geltenden Regelung können die Mitgliedstaaten im Falle von Zusammenschlüssen von gemeinschaftsweiter Bedeutung Anträge auf Verweisung erst nach erfolgter Anmeldung stellen. Jedoch wird in solchen Fällen ein modifizierter ,Test" angewandt; danach ist eine Verweisung möglich, wenn der angemeldete Zusammenschluss den Wettbewerb in einem gesonderten Markt eines Mitgliedstaats ,erheblich zu beeinträchtigen droht". Die Frist für das Stellen von Anträgen auf Verweisung bleibt im Wesentlichen unverändert bei 15 Arbeitstagen.

Zusammenschlüsse ohne gemeinschaftsweite Bedeutung

214. Gemäß der neuen Verordnung können Zusammenschlüsse ohne gemeinschaftsweite Bedeutung, die in mindestens drei Mitgliedstaaten angemeldet werden müssen, auf Antrag der beteiligten Unternehmen an die Kommission verwiesen werden. Erhebt keiner der Mitgliedstaaten, die gemäß ihrem nationalen Recht für die Prüfung des Zusammenschlusses zuständig sind, innerhalb von 15 Arbeitstagen ab Eingang des begründeten Antrags der beteiligten Unternehmen Widerspruch gegen die Verweisung, erlangt die Fusion gemeinschaftsweite Bedeutung und muss entsprechend angemeldet werden. Erhebt ein zuständiger Mitgliedstaat innerhalb der genannten Frist Widerspruch, erfolgt hingegen keine Verweisung.

215. In der neuen Verordnung werden auch die Bestimmungen des Artikels 22 geändert, die die Verweisung von Fällen ohne gemeinschaftsweite Bedeutung an Mitgliedstaaten betreffen. Der Antrag muss innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei dem betreffenden Mitgliedstaat angemeldet oder, falls eine Anmeldung nicht erforderlich ist, ihm anderweitig zur Kenntnis gebracht worden ist, gestellt werden. Jeder andere Mitgliedstaat kann sich dem ersten Antrag innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem er von der Kommission über diesen informiert wurde, anschließen. Damit die Kommission entscheiden kann, ob sie der Verweisung zustimmt, muss geprüft werden, ob der Zusammenschluss den Wettbewerb im Hoheitsgebiet des beziehungsweise der antragstellenden Mitgliedstaaten erheblich zu beeinträchtigen droht oder den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.

216. Ergänzend zu diesen Änderungen in der Fusionskontrollverordnung wird wohl eine neue Mitteilung zu den Grundsätzen und Kriterien sowie zur Methodik veröffentlicht werden, auf denen bzw. der Entscheidungen über Verweisungen beruhen sollten.

Weitere Maßnahmen

217. Ferner ist geplant, eine geänderte Durchführungsverordnung und eine überarbeitete Fassung des Formblatts CO noch vor dem 1. Mai 2004, d. h. dem Tag, ab dem die neue Verordnung gilt, anzunehmen. Entsprechend der gängigen Praxis der Kommission und den Empfehlungen des Internationalen Wettbewerbsnetzes (ICN) soll über diese ergänzenden Maßnahmen vor ihrer Annahme im Rahmen einer öffentlichen Anhörung beraten werden.

2.2. Leitlinien für die Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse

218. Am 16. Dezember verabschiedete die Kommission Leitlinien, in denen im Einzelnen der analytische Ansatz beschrieben ist, den die Kommission bei der Prüfung möglicher Auswirkungen ,horizontaler" Zusammenschlüsse (d. h. von Zusammenschlüssen zwischen Konkurrenzunternehmen oder potentiellen Konkurrenzunternehmen) gemäß Fusionskontrollverordnung anwendet. In den Leitlinien ist eindeutig geregelt, dass Fusionen und Übernahmen nur insoweit unzulässig sind, als sie die Marktmacht von Unternehmen in einer Weise stärken, die negative Folgen für die Verbraucher, insbesondere in Form höherer Preise, schlechterer Produktqualität und geringerer Auswahl, haben dürfte. Die Leitlinien sollen die vom Ministerrat vereinbarte und am 20. Januar 2004 angenommene Neufassung der Bestimmungen zur materiellrechtlichen Prüfung in der Fusionskontrollverordnung, die zur Bewertung von Zusammenschlüssen herangezogen werden, ergänzen.

219. Darin ist eindeutig geregelt, dass sämtliche Fusionen, die den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen könnten, für unzulässig zu erklären sind, und zwar unabhängig davon, ob die wettbewerbswidrigen Wirkungen aus der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung oder daraus resultieren, dass ein Oligopol vorliegt. In den neuen Leitlinien wird ausgeführt, dass Fusionen den Wettbewerb dann beeinträchtigen können, wenn der Zusammenschluss entweder zur Ausschaltung eines Wettbewerbers und in der Folge auch zur Beseitigung eines beträchtlichen Wettbewerbsdrucks führt oder wenn damit die Wahrscheinlichkeit einer Koordinierung zwischen den verbleibenden Unternehmen wächst. Es werden also die Sachverhalte erläutern, die der Kommission Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken geben könnten.

220. Hinweise werden auch zu den Sachverhalten gegeben, bei denen die Kommission wahrscheinlich nicht tätig werden würde. Mit einem Tätigwerden dürfte nur dann zu rechnen sein, wenn der Zusammenschluss zu einer Marktkonzentration führt, deren Ausmaß bestimmte Vorgaben überschreitet, die anhand des ,Marktanteils" der Unternehmen oder mithilfe des so genannten HHI-Index [142] ermittelt werden.

[142] Der HHI- bzw. Herfindahl-Hirschman-Index ist ein international anerkanntes Maß der Marktkonzentration.

221. In den Leitlinien ist zudem festgelegt, dass die Kommission im Zuge der Gesamtwürdigung der möglichen wettbewerblichen Auswirkungen einer Fusion alle begründeten Effizienzargumente prüfen wird. Voraussetzung für die Berücksichtigung von Effizienzvorteilen ist jedoch, dass sie den Verbrauchern zugute kommen, ihre Umsetzung nur durch die Fusion erreichbar ist, sie realisierbar und nachprüfbar sind.

222. In den Leitlinien wird ferner ausgeführt, dass bestimmte Faktoren eine zunächst festgestellte Wettbewerbsgefährdung neutralisieren können. Dies kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn die Kunden der beteiligten Unternehmen über eine signifikante Nachfragemacht verfügen, die ihnen den problemlosen Wechsel zu anderen Anbietern ermöglicht. Berücksichtigt wird auch, mit welchem Aufwand Konkurrenzunternehmen gewinnbringend den Eintritt in den Markt bewerkstelligen könnten, in dem die beteiligten Unternehmen tätig sind. Bei der Beurteilung möglicher Auswirkungen eines Zusammenschlusses auf den Wettbewerb wird zudem geprüft, wie sich der Markt ansonsten entwickelt hätte. Dies kann zum Beispiel bedeuten, dass der Erwerb eines ,konkursbedrohten Unternehmens" ein Tätigwerden der Kommission nicht rechtfertigen würde.

223. Die neuen Leitlinien gelten ab 1. Mai 2004; am selben Tag tritt auch die neue Fusionskontrollverordnung in Kraft. Überdies beabsichtigt die Kommission, im Laufe des Jahres 2004 auch einen Leitlinienentwurf zur Prüfung von Zusammenschlüssen zwischen nicht konkurrierenden Unternehmen (so genannten vertikalen und konglomeraten Zusammenschlüssen) zu veröffentlichen.

2.3. Neue beispielhafte Verfahrensweisen

224. Im Zusammenhang mit dem Reformpaket vom Dezember 2002 initiierte die Kommission eine öffentliche Anhörung zu einer überarbeiteten Fassung der Leitlinien für beispielhafte Verfahrensweisen in Fusionskontrollverfahren, die 1999 erstmalig angenommen wurden. Im Ergebnis der Anhörung, die offiziell am 28. Februar 2003 endete, gingen bei der GD Wettbewerb etwa 40 Antworten ein, von denen 20 von auf internationales Recht spezialisierten Anwaltsbüros sowie auf dem Gebiet des einzelstaatlichen und internationalen Rechts tätigen Gesellschaften und Verbänden stammten; dazu gehörten auch Bemerkungen der für den Wettbewerb zuständigen OECD-Abteilung. Neun Antworten kamen aus der Wirtschaft (Wirtschaftsverbände und einzelne Unternehmen) und drei Beiträge von Verbraucherorganisationen. Neben vier Mitgliedstaaten (Frankreich, Deutschland, Irland und das Vereinigte Königreich) übermittelten auch die Wettbewerbsbehörden Norwegens und Polens Stellungnahmen. Mit Ausnahme von zwei Beiträgen wurden die während der öffentlichen Anhörung eingegangenen Stellungnahmen ungekürzt auf der Website der GD Wettbewerb [143] veröffentlicht. Der endgültige Wortlaut der Leitlinien für beispielhafte Verfahrensweisen kann ebenfalls auf der Website der GD Wettbewerb abgerufen werden.

[143] Siehe auch: http://europa.eu.int/comm/competition/ mergers/review/merger_control_comments.html.

2.3.1. Der Zweck beispielhafter Verfahrensweisen

225. Mit beispielhaften Verfahrensweisen sollen interessierte Parteien über den Ablauf von Fusionskontrollverfahren in der Europäischen Kommission informiert werden. Sie zielen auf die Herausbildung und Förderung des Geistes der Zusammenarbeit und des Verständnisses zwischen der GD Wettbewerb einerseits sowie Vertretern aus Recht und Wirtschaft andererseits ab. Das Untersuchungsverfahren soll verständlicher werden, die Untersuchung effizienter geführt und ein hohes Maß an Transparenz und Berechenbarkeit gewährleistet werden. Insbesondere soll die kurze Zeit, die für Fusionskontrollverfahren zur Verfügung steht, so produktiv und effizient wie möglich für alle Beteiligten genutzt werden. Die beispielhaften Verfahrensweisen sollen überdies als flexibles Instrument fungieren, das auf die konkreten Gegebenheiten des jeweiligen Falls zugeschnitten werden kann.

2.3.2. Wichtige Bestimmungen

226. Die neuen Leitlinien enthalten ausführlichere Empfehlungen für die Phase vor der Anmeldung, die flexibel gehandhabt und der Komplexität des Falls entsprechend angepasst wird, um die anmeldenden Parteien in unproblematischen Fällen nicht unverhältnismäßig zu belasten. Ferner wird eindeutig festgelegt, dass die Kommission ohne Zustimmung der anmeldenden Parteien vor der Anmeldung keine Untersuchung einleiten wird.

227. In den Leitlinien für beispielhafte Verfahrensweisen wird die Nutzung des Instruments der Verfahrensstands-Zusammenkünfte zwischen der Kommission und den anmeldenden Parteien an zentralen Punkten des Verfahrens systematisch dargestellt; so ist gewährleistet, dass die beteiligten Unternehmen über den Stand der Untersuchung auf dem Laufenden gehalten werden und ihren Fall regelmäßig mit höherrangigen Kommissionsbediensteten erörtern können.

228. Die Leitlinien für beispielhafte Verfahrensweisen sehen die Möglichkeit vor, dass die beteiligten Unternehmen Bedenken gegen den Zusammenschluss direkt mit der Kommission und Beschwerde führenden Dritten noch vor Zugang der Mitteilung der Beschwerdepunkte in ,Triangular Meetings" erörtern können. Diese freiwilligen Besprechungen finden dann statt, wenn es mindestens zwei gegensätzliche Meinungen zu wichtigen Marktdaten und -merkmalen und zu den Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Wettbewerb in den betroffenen Märkten gibt. Diese Zusammenkünfte sollen der Kommission helfen, sich über die strittigen Punkte zu informieren, bevor sie ihre Mitteilung der Beschwerdepunkte abfasst. Damit diese Zusammenkünfte einen möglichst großen Nutzen erbringen, wird in der Regel die gegenseitige Offenlegung nichtvertraulicher Fassungen von Schlüsseldokumenten durch die beteiligten Unternehmen einschließlich der anmeldenden Parteien verlangt.

229. Zudem sehen die Leitlinien für beispielhafte Verfahrensweise vor, dass die Kommission im Interesse der Untersuchung und der Transparenz den Parteien Gelegenheit gibt, nichtvertrauliche Fassungen von ,Schlüsseldokumenten", die der Kommission vorliegen, zu prüfen, bevor Einwände erhoben werden. Zu diesen ,Schlüsseldokumenten" gehören von Dritten eingereichte Unterlagen, die den in der ersten Phase und später geäußerten Ansichten der anmeldenden Parteien zuwiderlaufen, einschließlich Marktstudien.

3. Entscheidungen der Kommission

3.1. Entscheidungen nach Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 1 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung

Tetra Laval/Sidel II [144]

[144] Sache COMP/M.2416 - Tetra Laval / Sidel, 13.1.2003.

230. Am 13. Januar beschloss die Kommission, die Übernahme des französischen Verpackungsanlagenherstellers Sidel S.A. durch Tetra Laval B.V., das zum schweizerischen Tetra-Laval-Konzern, dem Eigentümer der Tetra-Pak-Verpackungsgeschäfte, gehört, vorbehaltlich der Einhaltung einer Verpflichtungszusage und anderer Auflagen zu genehmigen.

231. Nach dem Urteil des Gerichts erster Instanz (EuGeI) vom 25. Oktober 2002, mit dem die Verbotsentscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2001 aufgehoben wurde, nahm die Kommission eine Neubewertung des Zusammenschlusses vor. Das Vorhaben betraf den Verpackungsmarkt für Flüssignahrungsmittel. Bei der Untersuchung konzentrierte sich die Kommission auf die Punkte, in denen laut Urteil des EuGeI noch weiterer Klärungsbedarf bestand. Laut Urteil des EuGeI galt es, die Auswirkungen der Maßnahme auf die Märkte für Streckblasmaschinen im weiteren Sinne und nicht so sehr auf die nach deren Verwendungszweck eingegrenzten Märkte zu untersuchen.

232. Allerdings erhielt die Kommission auch Kenntnis von einer neuen von Tetra entwickelten Streckblastechnik mit der Bezeichnung ,Tetra Fast", die nicht Gegenstand des ersten Prüfverfahrens gewesen war. Die Technik befand sich seinerzeit zwar noch in der Entwicklung, hatte aber inzwischen die Erprobungsphase erreicht, so dass Bedenken berechtigt waren, wonach auf dem weiter gefassten Markt für Streckblasmaschinen eine beherrschende Stellung begründet werden könnte. Diese Bedenken ergaben sich aus der Tatsache, dass die Technik in Verbindung mit dem technologischen Vorsprung und anderen Vorteilen Sidels entscheidenden Einfluss auf die künftige Marktposition des fusionierten Unternehmens bei Streckblasmaschinen haben könnte. Die Bedenken wurden jedoch durch die Zusage von Tetra ausgeräumt, Lizenzen für die Tetra-Fast-Technologie zu vergeben.

233. Am 8. Januar legte die Kommission gegen die vom EuGeI verfügte Aufhebung ihrer Verbotsentscheidung vom 30. Oktober 2001 und der nachfolgenden Entscheidung über die Entflechtung beider Unternehmen vom 30. Januar 2002 Berufung ein [145]. Die Entscheidung der Kommission zur Genehmigung des Zusammenschlusses, mit der dem Urteil des EuGeI Rechnung getragen wird, könnte vom Ausgang des Berufungsverfahrens und einer möglichen erneuten rechtlichen Würdigung der früheren Kommissionsentscheidung durch den Gerichtshof oder - bei Rückverweisung der Sache - durch das EuGeI noch beeinflusst werden.

[145] Pressemitteilung IP/02/1952.

Pfizer/Pharmacia [146]

[146] Sache COMP/M.2922 - Pfizer/Pharmacia, 27.2.2003.

234. Am 27. Februar genehmigte die Kommission mit Auflagen den Erwerb der Pharmacia Corporation durch Pfizer Inc., mit dem, gemessen am Umsatz und an den Aufwendungen für FuE, das weltweit größte Pharmazeutik-Unternehmen entstand. Durch den Zusammenschluss ergaben sich bei Humanarzneimitteln (einschließlich vorhandener und marktreifer Produkte) und Tierarzneimitteln zahlreiche horizontale Überschneidungen.

235. Vorausgegangen war eine Untersuchung einer Reihe von Anwendungsgebieten sowohl von Human- als auch Tierarzneimitteln, in denen der Erwerb ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt aufgeworfen hatte. Um die von der Kommission geäußerten wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen, machten die Parteien Zusagen.

236. Bei der Untersuchung mehrerer Fragen, insbesondere in den Bereichen Harninkontinenz und erektile Dysfunktion, in denen die Parteien Zusagen über weltweite Veräußerungen angeboten hatten, arbeitete die Kommission eng mit der amerikanischen Bundesbehörde zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) zusammen.

Konica/Minolta [147]

[147] Sache COMP/M.3091 - Konica/Minolta, 11.7.2003.

237. Am 11. Juli entschied die Kommission, die geplante Übernahme von Konica durch Minolta, beides japanische Unternehmen, die Kameras, Fotokopiergeräte und sonstige bildverarbeitende Erzeugnisse herstellen, zu genehmigen. Sowohl Konica als auch Minolta entwickeln und fertigen bildverarbeitende Produkte und Geräte wie Kameras, Fotokopierer und Belichtungsmesser. Im letztgenannten Geschäftsfeld war Konica vor allem durch die Beteiligung an der japanischen Firma Sekonic tätig.

238. Die Untersuchung der Kommission zeigte, dass die Tätigkeiten von Konica und Minolta weitgehend komplementär waren, auch wenn es auf mehreren sachlich relevanten Märkten, insbesondere bei Fotokopiergeräten, Kompakt- und Digitalkameras sowie Fotometern zu Überschneidungen kam. Bedenken hatte die Kommission hinsichtlich der Auswirkungen der Fusion auf den Markt für Belichtungsmesser. Konica bot jedoch an, etwa 40 % seiner Beteiligung an Sekonic, dem japanischen Hersteller von Belichtungsmessern, zu veräußern.

239. Die Kommission untersuchte das Vorhaben in enger Zusammenarbeit mit dem Justizministerium der USA.

Caemi/CVRD [148]

[148] Sache COMP/M.3161 - CVRD/CAEMI, 18.7.2003.

240. Am 18. Juli genehmigte die Kommission den vorgesehenen Erwerb der alleinigen Kontrolle über Caemi, das von dem japanischen Eisenerzhandelsunternehmen Mitsui kontrolliert wurde, durch die Companhia Vale do Rio Doce (CVRD). CVRD und Caemi sind brasilianische Bergbauunternehmen, die in der Förderung und im Verkauf von Eisenerz, Kaolin und Bauxit tätig sind. CVRD hatte bereits zuvor im Zuge eines Vorhabens, das die Kommission im Oktober 2001 mit Auflagen genehmigt hatte, die gemeinsame Kontrolle über Caemi erworben. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass der Übergang von der gemeinsamen zur alleinigen Kontrolle keine neuen wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwirft.

241. Analog zu ihrem Vorgehen bei der Zustimmung zu dem ersten Vorhaben konzentrierte die Kommission auch in diesem Fall ihre Untersuchungen auf die allein betroffenen Märkte, nämlich Förderung und Verkauf von Eisenerz. Die Ergebnisse der Kommissionsuntersuchung zeigten, dass sich die Marktgepflogenheiten wie Vertragspraxis, Preiseinigung und Rabatte seit der Zustimmung zu dem ersten Vorhaben kaum geändert hatten und dass die Wettbewerbsstellung von CVRD in den vergangenen 18 Monaten im Wesentlichen unverändert geblieben war. Die Kommission kam deshalb zu dem Schluss, dass der angemeldete Zusammenschluss keine spürbaren Auswirkungen auf die relevanten Märkte haben und auch an der mit dem ersten Vorhaben entstandenen Wettbewerbslage nichts ändern würde; weitere wettbewerbsrechtliche Bedenken konnten nicht ausgemacht werden.

242. Da die mit der Genehmigung des ersten Vorhabens verbundene Auflage, den Anteil von Caemi an der Québec Cartier Mining Company (QCM) zu veräußern, noch nicht vollzogen worden war, sagte CVRD zu, die Verantwortung für die Umsetzung dieser Zusage zu übernehmen. Dies steht im Einklang mit dem Vorgehen der Kommission in vorangegangenen Fällen.

Procter & Gamble/Wella [149]

[149] Sache COMP/M.3149 - Procter&Gamble/Wella, 30.7.2003.

243. Am 30. Juli genehmigte die Kommission die geplante Übernahme der alleinigen Kontrolle über die deutsche Wella AG durch das amerikanische Unternehmen Procter & Gamble (P&G) unter einer Reihe von Bedingungen.

244. Sowohl P&G als auch Wella sind auf den Märkten für Haarpflegeprodukte, Parfüms und Farbkosmetik aktiv. Die Kommission hatte Bedenken, dass der Zusammenschluss in der angemeldeten Form eine beherrschende Stellung bei der gesamten Palette von Haarpflegemitteln (Shampoos, Haarspülungen, Kurpackungen, Stylingprodukte und Haarfärbemittel) in Irland und im Bezug auf einige Haarpflegeprodukt auch auf den norwegischen und schwedischen Märkten begründen würde.

245. Um auf den Märkten für Haarpflegemittel wirksamen Wettbewerb wiederherzustellen, verpflichtete sich P&G, für einen Zeitraum von fünf Jahren für die folgenden Produkte eine Exklusivlizenz mit der Zusage zu erteilen, diese Marken anschließend für weitere drei Jahre nicht zu gebrauchen: die Haarpflegemarke ,Herbal Essences" für die gesamte Palette der Haarpflegeprodukte in Irland, Norwegen und Schweden, die Marken für Haarfärbemittel ,Loving Care", ,Lasting Color", ,Glints", ,Borne Blonde" und ,Highlights" sowie die Wella-Styling-Marke ,Silvikrin" in Irland und die Wella-Styling-Marke ,Catzy" in Norwegen. Mit der Lizenzierung dieser Marken sowie weiteren Verpflichtungszusagen der Parteien wurden die wettbewerbsrechtlichen Bedenken in Bezug auf die Haarpflegmärkte in Irland, Norwegen und Schweden ausgeräumt.

Candover/Cinven/BertelsmannSpringer [150]

[150] Sache COMP/M.3197 - Candover/Cinven/Bertelsmann, 29.7.2003.

246. Am 29. Juli entschied die Kommission, die Übernahme der gemeinsamen Kontrolle über den deutschen Fachverleger BertelsmannSpringer durch die Investmentgesellschaften Candover und Cinven zu genehmigen. Das Vorhaben führte zur Fusion von BertelsmannSpringer mit dem von Candover und Cinven 2002 übernommenen niederländischen Verlagshaus Kluwer Academic Publishers. Außerdem wurde BertelmannSpringer so mit dem unter anderem von Cinven kontrollierten französischen Fachverleger MediMedia zusammengelegt.

247. Sowohl BertelsmannSpringer als auch Kluwer Academic Publishers sind auf dem Weltmarkt für wissenschaftliche Fachliteratur tätig und verlegten insbesondere wissenschaftliche, technische und medizinische Fachzeitschriften (,STM-Zeitschriften"), die nahezu ausschließlich in englischer Sprache veröffentlicht werden. Wie die Untersuchung der Kommission ergab, wären BertelsmannSpringer und Kluwer Academic Publishers durch die Fusion zur Nummer 2 auf dem Markt - allerdings weiterhin mit großem Abstand zum Branchenprimus Elsevier Science - avanciert. Die Kommission fand keinerlei Hinweise auf eine gemeinsame marktbeherrschende Stellung infolge der Fusion.

248. BertelsmannSpringer und MediMedia waren beide auf dem französischen und deutschen Markt für medizinische Fachliteratur tätig. Die Prüfung der Kommission ergab, dass der Zusammenschluss zu einer marktbeherrschenden Stellung auf dem französischen Markt geführt hätte. Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, boten Candover und Cinven an, die Sparte ,Groupe Impact Médicine" zu veräußern, mit der BertelsmannSpringer auf dem französischen Markt für medizinische Fachliteratur tätig war. Die Kommission war überzeugt, dass mit dieser Verpflichtungszusage die wettbewerbsrechtlichen Bedenken ausgeräumt wären.

Teijin/Zeon [151]

[151] Sache COMP/M.3235 - Teijin/Zeon, 12.8.2003.

249. Am 13. August genehmigte die Kommission die geplante Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, das die DCPD/RIM-Aktivitäten (Reaktionsspritzgussverfahren auf Basis von Dicyclopentadien) von Zeon und Teijin bündeln sollte.

250. Zeon, ein japanisches Unternehmen, betätigt sich in der Entwicklung und Herstellung sowie im Vertrieb von synthetischen Kautschuken, synthetischem Latex, Chemikalien, medizinischen Geräten sowie Umwelt- und Baumaterialien. Im Geschäftsbereich DCPD/RIM ist Zeon durch Tochterunternehmen in der Formherstellung und auf dem Gebiet der DCPD/RIM-Technik tätig. Teijin, ebenfalls ein japanisches Unternehmen, ist die Muttergesellschaft einer Gruppe von Unternehmen, die in der Faserentwicklung und -vermarktung tätig sind. Im Geschäftsbereich DCPD/RIM ist Teijin über die hundertprozentige Tochter Teijin Metton präsent.

251. Zeon und Teijin waren die einzigen Anbieter auf dem DCPD/RIM-Markt in Europa. Die Zusammenlegung ihrer Aktivitäten warf daher ernsthafte wettbewerbsrechtliche Bedenken auf. Die betroffenen Unternehmen verpflichteten sich jedoch, die Mehrheitsbeteiligung von Teijin an Metton America Incorporated an einen unabhängigen und wettbewerbsfähigen Dritten zu veräußern. Da somit eine aus dem Zusammenschluss resultierende Steigerung des Marktanteils ausgeschlossen war, entschied die Kommission, den Zusammenschluss vorbehaltlich der Umsetzung dieser Verpflichtung zu genehmigen.

252. Die japanische Wettbewerbsbehörde hatte die Transaktion schon vorher genehmigt.

Alcan/Pechiney II [152]

[152] Sache COMP/M.3225 - Alcan/Pechiney (II), 29.9.2003.

253. Am 29. September genehmigte die Kommission die geplante Übernahme des französischen Aluminiumproduzenten Pechiney durch das kanadische Unternehmen Alcan. Die Tätigkeiten beider Unternehmen reichen vom Bauxitabbau über die Raffination von Aluminiumoxid und die Stromerzeugung bis zum Schmelzen, Formen und Recycling von Aluminium. Zudem verfügen beide Unternehmen über Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und stellen Fertigerzeugnisse her, vor allem starre Verpackungen wie Sprühdosen und Kartuschen sowie flexible Verpackungen.

254. Im Zuge der Transaktion wäre der nach dem Gesamtumsatz weltweit führende Aluminiumanbieter knapp vor dem bisher größten Anbieter Alcoa entstanden. Die Kommission hatte bei ihrer Marktuntersuchung wettbewerbsrechtliche Bedenken auf dem Gesamtmarkt für flachgewalzte Aluminiumprodukte (FRP), insbesondere für Getränke- und Nahrungsmitteldosenband sowie Getränkedosen-Deckelband, festgestellt. Ferner wurden Bedenken auf den Märkten für starre Verpackungen (Sprühdosen und Kartuschen aus Aluminium) festgestellt. Schließlich hegte die Kommission ernsthafte Bedenken in Bezug auf drei Technologiemärkte, auf denen der Zusammenschluss zur Verbindung der beiden führenden aktiven Lizenzgeber in der Aluminiummetallproduktion geführt hätte: Aluminiumoxidraffination, Schmelzzellentechnologie und Anodenofentechnologie.

255. Um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen, bot Alcan ein umfangreiches Paket von Verpflichtungszusagen an. Erstens: Verkauf seiner 50%igen Beteiligung am Walzwerk AluNorf und seiner Walzwerke in Göttingen und Nachterstedt oder der Walzwerke Neuf-Brisach, Rugles und, auf Wunsch des Käufers, Annecy von Pechiney. Beide Angebotspakete umfassten modernste Anlagen. Auch die Gießhalle von Alcan in Latchford könnte auf Verlangen des Käufers dem AluNorf- oder dem Neuf-Brisach-Paket hinzugefügt werden. Außerdem würde Alcan Forschungs- und Entwicklungskapazitäten an den Käufer abgeben. Damit würde der potenzielle Käufer in die Lage versetzt, in der FRP-Sparte als aktiver Wettbewerber aufzutreten. Zweitens bot Alcan die Beseitigung der Überschneidung bei Sprühdosen und Kartuschen aus Aluminium an. Drittens verpflichtet sich Alcan zur Fortführung der Lizenzvergabe für die o. g. Technologien zu Konditionen, die denen vor dem Zusammenschluss vergleichbar sind, und zum kompletten Verkauf der Eigentumsrechte an der Anodenofentechnologie von Alcan.

256. Dadurch war gewährleistet, dass auf den betroffenen Märkten weiterhin in ausreichendem Maße starke, lieferfähige Anbieter vertreten sind, wovon die gewerblichen Abnehmer und letztlich auch die Verbraucher profitieren. Ein potenzieller Käufer müsste der Kommission nachweisen, dass er in der Lage ist, die übernommenen Anlagewerte in der Aluminiumbranche als aktive Wettbewerbskraft zu erhalten und zu entwickeln [153].

[153] Bereits 1999 hatten Alcan und Pechiney eine freundliche Fusion zur Genehmigung angemeldet. Das Vorhaben löste zahlreiche wettbewerbsrechtliche Bedenken aus und war Gegenstand einer förmlichen Prüfung. Im März 2000 nahmen die Unternehmen Abstand von ihrem Vorhaben, nachdem sie sich geweigert hatten, der Kommission gegenüber Zusagen zu leisten.

3.2. Entscheidungen nach Artikel 8 der Fusionskontrollverordnung

3.2.1. Entscheidungen ohne Bedingungen oder Auflagen

Celanese/Degussa [154]

[154] Sache COMP/M.3056 - Celanese/Degussa, 11.6.2003.

257. Am 11. Juni genehmigte die Kommission die geplante Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens zwischen den deutschen Chemieherstellern Celanese und Degussa. Die Parteien wollten den überwiegenden Teil ihres Oxo-Chemikalien-Geschäfts in das Gemeinschaftsunternehmen einbringen.

258. Die Kommission hatte eine eingehende Prüfung eingeleitet, weil der Zusammenschluss zu hohen Marktanteilen in mehreren Märkten geführt hätte. Die Untersuchung ergab jedoch, dass die Gründung des Gemeinschaftsunternehmens nicht zur Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung führen würde. Die Kommission stellte fest, dass die entsprechenden Marktanteile kein verlässlicher Indikator der Marktstärke sind und dass durch das Vorhandensein von Wettbewerbern mit erheblichen Kapazitätsreserven genügend Wettbewerbsdruck auf das Gemeinschaftsunternehmen ausgeübt würde. Für zusätzlichen Wettbewerbsdruck würden Hersteller aus Ländern außerhalb des EWR sorgen.

SEB/Moulinex II [155]

[155] COMP/M.2621-SEB/Moulinex II, 11.11.2003.

259. Am 11. November bestätigte die Kommission, dass die Übernahme von Moulinex durch SEB, die beide elektrische Haushaltskleingeräte herstellen, in Spanien, Finnland, Irland, Italien und dem Vereinigten Königreich keine wettbewerbsrechtlichen Probleme aufwirft.

260. Erforderlich war diese erneute Prüfung wegen des Urteils des Gerichts erster Instanz vom April, das die Entscheidung der Kommission aus dem Jahr 2002 in Bezug auf die Verweisung der Frankreich betreffenden Aspekte an die französischen Behörden und die in einigen europäischen Ländern auferlegten Bedingungen bestätigte, aber die Genehmigung ohne Auflagen für die fünf anderen Mitgliedstaaten aufhob.

261. Die Kommission untersuchte die Lage in diesen fünf Ländern erneut, um die Auswirkungen der Übernahme unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu bewerten. Dabei wurde insbesondere die Position eines jeden Wettbewerbers auf den einzelnen Märkten in Bezug auf Umsatz, Angebotspalette und Markenwert der Produkte analysiert. Die erneute eingehende Analyse hat gezeigt, dass für Verbraucher im Vereinigten Königreich, Italien, Finnland, Spanien und Irland selbst nach dem Zusammenschluss ein hinreichender Wettbewerb bestand.

262. Die von SEB 2002 eingegangenen Verpflichtungen in den neun anderen Ländern wurden von der neuen Entscheidung nicht berührt.

3.2.2 Entscheidungen nach Artikel 8 mit Bedingungen und Auflagen

Siemens/Drägerwerk/JV [156]

[156] Sache COMP/M.2861 - Siemens/Drägerwerk/JV.

263. Am 30. April genehmigte die Europäische Kommission mit Auflagen ein unter dem Namen Dräger Medical bekanntes Gemeinschaftsunternehmen der beiden deutschen Unternehmen Siemens AG und Drägerwerk AG, in dem diese ihre Geschäftsbereiche Beatmungs- und Anästhesiegeräte sowie Patientenmonitore zusammenlegten.

264. Die Untersuchungen der Kommission konzentrierten sich auf die Auswirkungen des Gemeinschaftsunternehmens auf die Märkte für Anästhesie- und Beatmungsgeräte sowie Patientenmonitore. In den vergangenen Jahren vollzog sich auf diesen Märkte eine starke Unternehmenskonzentration, da führende Anbieter durch Übernahme kleinerer Hersteller in erheblichem Maße expandierten. Die Kommission hatte Bedenken, dass sich der hohe Marktanteil, den Siemens und Drägerwerk in dem Gemeinschaftsunternehmen Dräger Medical auf sich vereinigen, zum Nachteil der Krankenhäuser auswirken würde. Durch den Zusammenschluss entfiel auch einer der wichtigsten Wettbewerber bei Beatmungsgeräten.

265. Als Reaktion auf die von der Kommission vorgebrachten wettbewerbsrechtlichen Bedenken verpflichteten sich die beteiligten Unternehmen, den Siemens-Unternehmensbereich Anästhesie- und Beatmungsgeräte zu veräußern. Dadurch entfielen die horizontalen Überschneidungen in diesem Bereich. Darüber hinaus wurde die Zusage gemacht, die Daten offen zu legen, die die Wettbewerber benötigen, um die eigenen Patientenmonitore und klinischen Informationssysteme mit den Geräten des Gemeinschaftsunternehmens vernetzen zu können.

266. Die Kommission arbeitete dabei eng mit der amerikanischen Bundesbehörde zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) zusammen. Da das Gemeinschaftsunternehmen Siemens/Dräger in Nordamerika erheblich geringere Marktanteile hatte als in Europa, erhoben die Wettbewerbsbehörden der USA keinerlei Einwände gegen den Zusammenschluss.

Newscorp/Telepiu [157]

[157] Sache COMP/M.2876 - Newscorp/Telepiu, 2.4.2003.

267. Am 2. April genehmigte die Kommission den Zusammenschluss der beiden italienischen Bezahlfernsehplattformen mit umfangreichen Auflagen, die bis 2011 gelten. Das Zusammenschlussvorhaben umfasste den Erwerb der alleinigen Kontrolle über das zur Vivendi-Gruppe gehörende Unternehmen Telepiu durch die News Corporation und die anschließende Zusammenlegung von Telepiu mit Stream, der von der News Corporation kontrollierten Bezahlfernsehplattform.

268. Seit ihrem Markteintritt (Telepiu: 1991, Stream: 1998) hatten die italienischen Bezahlfernsehbetreiber mit gravierenden finanziellen Problemen zu kämpfen. Zwei ähnliche geplante Vorhaben wurden bereits früher von der italienischen Kartellbehörde untersucht.

269. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss zu einem Beinahemonopol auf dem italienischen Bezahlfernsehmarkt führen, höhere Zutrittsschranken zum Satelliten-Bezahlfernsehmarkt bedeuten und in Bezug auf den Erwerb bestimmter Premiumprogramminhalte (insbesondere der Exklusivrechte für die Übertragung bestimmter Fußballspiele, die alljährlich stattfinden und an denen Nationalmannschaften teilnehmen, sowie beliebter Filme) in Italien eine Monopolstellung begründen würde. Damit hätten Dritte keinen Zugang zu Premiuminhalten, die aus Verbrauchern Bezahlfernsehabonnenten machen und der Schlüssel für den Erfolg des Bezahlfernsehens sind. Die Untersuchung ergab auch, dass der Fortbestand von zwei Anbietern auf dem Bezahlfernsehmarkt in Italien sehr unwahrscheinlich gewesen wäre.

270. Die Kommission trug den chronischen Finanzschwierigkeiten beider Unternehmen, den besonderen Merkmalen des italienischen Marktes und den Folgen einer möglichen Schließung von Stream für die italienischen Bezahlfernsehabonnenten gebührend Rechnung. Insgesamt wurde eingeschätzt, dass die Genehmigung des Zusammenschlusses mit entsprechenden Auflagen den Verbrauchern mehr nutzen würde als eine Verbotsentscheidung, die höchstwahrscheinlich die Schließung von Stream durch die Eigentümer bedeutet hätte.

271. Mit den von der Kommission akzeptierten Verpflichtungszusagen sollten langfristig (bis 2011) der Zugang Dritter zu Premiuminhalten, die technische Plattform und das Zugangsberechtigungssystem gesichert werden. Ferner sollte gewährleistet werden, dass sich die gemeinsame Plattform nicht im Bereich alternativer Übertragungstätigkeiten betätigt. Zugleich wurde ein wirksames Umsetzungssystem installiert, in dem die italienische Regulierungsbehörde für das Telekommunikationswesen eine Schlüsselrolle übernimmt.

DaimlerChrysler/Deutsche Telekom/GU [158]

[158] Sache COMP/M.2903 - DaimlerChrysler/Deutche Telekom/JV, 30.4.2003.

272. Am 30. April genehmigte die Kommission den Erwerb der gemeinsamen Kontrolle über das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen Toll Collect durch die DaimlerChrysler AG und die Deutsche Telekom AG. Toll Collect soll ein System zur Erhebung der Maut für schwere Lkw auf den deutschen Autobahnen einführen und betreiben, das auch als Plattform für Telematikdienste dienen kann.

273. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass die Errichtung des Gemeinschaftsunternehmens eine beherrschende Stellung von DaimlerChrysler auf dem im Aufbau befindlichen Markt der Telematiksysteme für Transport- und Logistikunternehmen in Deutschland begründen würde, da auf diesem Markt mit einem raschen Wachstum zu rechnen ist.

274. Der DaimlerChrysler-Konzern, der größte deutsche Lkw-Hersteller und einer der Hauptanbieter von Telematiksystemen für Transport- und Logistikunternehmen, hätte dann über seine Mitkontrolle über Toll Collect die Kontrolle über den Zugang dritter Telematikdiensteanbieter zu den Fahrzeuggeräten des Gemeinschaftsunternehmens. Toll Collect hätte die Möglichkeit, das Angebot von Telematikdiensten über diese Plattform zu kontrollieren, und DaimlerChrysler könnte die Marktbedingungen diktieren. Gleichzeitig würden in dem Fall, dass sich der Onboard-Unit-Standard durchsetzt, bestehende Systemanbieter aus dem Markt gedrängt.

275. Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, machten die Parteien folgende Verpflichtungszusagen: Gründung der unabhängigen Gesellschaft ,Telematics Gateway" und Entwicklung einer GPS-Schnittstelle für die Fahrzeuggeräte von Toll Collect, die den Anschluss von Endgeräten dritter Anbieter ermöglicht.

276. Die Verpflichtungszusagen der beteiligten Unternehmen räumten nicht nur die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission aus und verschafften der Konkurrenz gleiche Zugangsbedingungen, sondern bilden auch die Grundlage für die weitere Expansion des sich herausbildenden Markts für Telematiksysteme und kommen insbesondere den Interessen der Verbraucher entgegen.

Verbund/EnergieAllianz [159]

[159] Sache COMP/M.2947 - Verbund/EnergieAllianz, 11.6.2003.

277. Am 11. Juni genehmigte die Kommission den Zusammenschluss der Österreichischen Elektrizitätswirtschafts-AG (Verbund) und von fünf österreichischen Regionalversorgern (EnergieAllianz) mit Bedingungen und Auflagen.

278. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung von EnergieAllianz und Verbund auf den österreichischen Elektrizitätsmärkten für die Belieferung von Großkunden, kleinen Verteilern und Kleinkunden begründet oder verstärkt hätte.

279. Der gemeinsame Marktanteil der Parteien in den betreffenden Märkten war hoch und bewegte sich je nach Kundengruppe im Bereich von ungefähr 50 % bis 75 %. Die Situation hätte sich durch den Wegfall von Verbund als wichtigstem aktiven und potenziellen Wettbewerber von EnergieAllianz, durch die führende Stellung der Unternehmen bei der Stromerzeugung sowie bestehende Verflechtungen mit Wettbewerbern weiter verschärft.

280. Um die Bedenken der Kommission auszuräumen, machten die beteiligten Unternehmen Verpflichtungszusagen. Eine dieser Zusagen, d. h. die Veräußerung der Kontrollbeteiligung von Verbund an seiner Großkundengesellschaft APC, musste noch vor dem Vollzug der Fusion erfuellt werden.

281. Die Kommission hat bei der Würdigung die Tatsache berücksichtigt, dass auf der Grundlage der in Österreich gegebenen Voraussetzungen hinsichtlich Marktöffnungsgrad und ausreichender Kuppelkapazitäten von und nach Deutschland durch das geplante Inkrafttreten der neuen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie sowie der Verordnung über grenzüberschreitenden Energieaustausch mittelfristig eine Senkung der Markteintrittsschwellen in Österreich zu erwarten ist. Die Kommission nahm zur Kenntnis, dass der österreichische Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit seine Bereitschaft zur unverzüglichen Umsetzung der Bestimmungen der neuen Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie zur Entflechtung zusagte.

282. Die Kommission stand in diesem Fall in engem und fruchtbarem Kontakt zur österreichischen Bundeswettbewerbsbehörde und zur österreichischen Energieregulierungsbehörde E-Control. Der Regulierungsbehörde obliegt auch die Überwachung der Umsetzung von Teilen des Zusagenpakets. Die Entscheidung wurde von der Wirtschaftskammer Kärnten und dem Best connect Ampere-Strompool vor dem EuGeI angefochten [160].

[160] Rs. T-350/03.

DSM/Roche [161]

[161] Sache COMP/M.2972 - DSM/Roche, 23.7.2003.

283. Am 23. Juli genehmigte die Kommission die geplante Übernahme des Unternehmensbereichs Vitamine und Feinchemikalien des schweizerischen Unternehmens Roche (RV&FC) durch die niederländische DSM. DSM und RV&FC sind in vielen verschiedenen Produktbereichen tätig, wobei sich Überschneidungen lediglich bei Futtermittelenzymen, insbesondere Nicht-Stärke-Polysaccharid-spaltenden Enzymen (NSP-spaltende Enzyme) und Phytase ergeben. NSP-spaltende Enzyme bewirken, dass Tiere Nährstoffe in ihrem Futter besser aufschließen können. Das Enzym Phytase dient der Erhöhung der Menge an verdaulichem Phosphor in den Futtermitteln und führt dank der Reduzierung des Phosphatanteils in Tierdünger zu weniger Bodenverschmutzung. DSM und RV&FC gehören zwei getrennten vertikal strukturierten Allianzen an. Während DSM eine Allianz mit der BASF bildet, ist RV&FC mit Novozymes, dem dänischen Hersteller von Industrieenzymen, verbunden.

284. Die Kommission hatte wettbewerbsrechtliche Bedenken in Bezug auf den Phytase-Markt. Mit dem Erwerb von RV&FC durch DSM wäre eine strukturelle Verbindung zwischen den beiden Allianzen entstanden, die zu Beinahmonopolen sowohl auf der Produktions- als auch auf der Vertriebsebene geführt hätte.

285. DSM bot Zusagen an, die die Beendigung der Allianz mit BASF bei der Produktion und dem Vertrieb von Futtermittelenzymen und die Veräußerung seiner Aktivitäten im Bereich der Herstellung von Futtermittelenzymen an einen von der Kommission gutgeheißenen Käufer betrafen. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass ihre Bedenken damit ausgeräumt sind und wirksamer Wettbewerb wiederhergestellt ist.

286. Die Kommission arbeitete eng mit der US-Bundesbehörde zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) zusammen, die das Vorhaben ebenfalls untersuchte.

GE/Instrumentarium [162]

[162] Sache COMP/M.3083 - GE/Instrumentarium, 2.9.2003.

287. Am 2. September genehmigte die Kommission die Übernahme des finnischen Unternehmens Instrumentarium durch GE Medical Systems mit Auflagen. General Electric (GE) ist weltweit in verschiedenen Geschäftsbereichen tätig und vermarktet über GE Medical Systems eine breite Palette medizintechnischer Geräte, die von bildgebenden Diagnosegeräten (z. B. Röntgenapparate) über elektromedizinische Systeme (z. B. Patientenmonitore) bis hin zu IT-Lösungen für Krankenhäuser reichen. Instrumentarium betätigt sich unter den Markennamen Datex-Ohmeda, Ziehm und Spacelabs, einem amerikanischen Hersteller von Patientenmonitoren, der im vergangenen Jahr erworben wurde, in den Bereichen Anästhesie, Intensivversorgung und Bilddiagnostik.

288. Die Kommission hatte Bedenken, dass sich der zu hohe Marktanteil von GE und Instrumentarium im Bereich Patientenmonitoring zum Nachteil der Krankenhäuser auswirken könnte.

289. In den letzten Jahren hatte auf den einschlägigen Märkten eine starke Konsolidierung stattgefunden; die großen Anbieter hatten durch die Übernahme kleinerer Hersteller weiter expandiert. Die Fusion hätte diesen Trend weiter verstärkt, da sich zwei der vier führenden Hersteller von Patientenmonitoren in Europa zusammenschließen wollten. Durch die Fusion wäre ein ernst zu nehmender Wettbewerber entfallen, und die Marktmacht von GE/Instrumentarium bei perioperativen Patientenmonitoren gegenüber seinen Kunden, d. h. den Krankenhäusern, hätte erheblich zugenommen.

290. Zudem wurden Bedenken geäußert, dass GE künftig eigene Monitore bei der Intensiv- und perioperativen Patientenversorgung sowie das eigene klinische Informationssystem bevorzugen und Schnittstellendaten zurückhalten könnte, die Wettbewerber benötigen, um die Kompatibilität eigener Systeme mit den Anästhesie- und sonstigen Geräten zu gewährleisten, die von dem fusionierten Unternehmen angeboten werden. Dies wäre nicht im Interesse der Krankenhäuser, da sie weniger Auswahl hätten und möglicherweise höhere Preise zahlen müssten.

291. GE verpflichtete sich, die Instrumentarium-Sparte Spacelabs zu veräußern. Ferner sagte GE zu, mit dem Käufer eine Reihe von Liefervereinbarungen einzugehen und die Kompatibilität seiner Anästhesiegeräte, Patientenmonitore und klinischen Informationssysteme mit den Geräten anderer Anbieter zu gewährleisten.

292. Der geplante Zusammenschluss von GE und Instrumentarium wurde in enger Zusammenarbeit mit dem Justizministerium der USA geprüft.

3.4. Entscheidungen nach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung

Electrabel/Intercommunales [163]

[163] Sache COMP/M.3075 - ECS/Intercommuncale Iveka, 13.2.2003, Sache COMP/M.3076 - ECS/Intercommunale IGAO, 13.2.2003, Sache COMP/M.3077 - ECS/Intercommunale Intergem, 13.2.2003, Sache COMP/M.3078 - ECS/Intercommuncale Gaselwest, 13.2.2003, Sache COMP/M.3079 - ECS/Intercommunale Imewo, 13.2.2003, Sache COMP/M.3080 - ECS/Intercommunale Iverlek, 13.2.2003.

293. Anfang 2003 meldete Electrabel eine Reihe von Zusammenschlussvorhaben mit gemeinschaftsweiter Bedeutung an. In der Anmeldung teilte das Unternehmen mit, dass es die Übernahme der Strom- und Gasversorgungsaktivitäten der regionalen Zweckverbände (Intercommunales) plane.

294. Im Zuge der Liberalisierung der belgischen Strom- und Gasmärkte mussten die Zweckverbände ihre Tätigkeiten im Bereich der Gas- und Stromversorgung zugelassener Kunden von ihrer Vertriebsaktivitäten trennen. Electrabel Customer Solutions (,ECS"), eine Tochter der zum Suez-Konzern gehörenden Energiesparte Tractebel, hatte vorgeschlagen, bestehende Lieferverträge mit zugelassenen Kunden zu übernehmen, die nicht von ihrem Recht auf freie Lieferantenwahl Gebrauch machen. Damit wäre ECS das Standard-Versorgungsunternehmen gewesen. Im Gegenzug hätten die Intercommunales eine Beteiligung an ECS erworben. In Flandern betrafen die Zusammenschlussvorhaben sowohl die Gas- als auch die Stromversorgung, während sich die Wallonien betreffenden Vereinbarungen auf die Stromversorgung beschränkten. Da die Verträge mit den verschiedenen Zweckverbänden jeweils als gesonderte Vorhaben angemeldet wurden, fielen etliche dieser Transaktionen unmittelbar in die Zuständigkeit der belgischen Wettbewerbsbehörden, die im Hinblick auf drei der geplanten Vorhaben zu dem Ergebnis kamen, dass daraus eine Verstärkung der marktbeherrschenden Stellung von Electrabel resultieren würde.

295. Um die Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen zu gewährleisten, beantragten die belgischen Wettbewerbsbehörden die Verweisung der bei der Kommission angemeldeten Vorhaben. In allen Fällen mit gemeinschaftsweiter Bedeutung gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass Electrabel seine bereits beherrschende Stellung auf dem Markt für die Stromversorgung zugelassener Kunden und bei sechs der sieben geplanten Vorhaben auch auf dem Gasmarkt weiter ausbauen könnte. Bei beiden Märkten handelt es sich um nationale Märkte. Die Kommission stellte auch fest, dass diese Transaktionen dazu führen würden, dass die ohnehin schon hohen Eintrittschranken für Konkurrenten von Electrabel auf dem belgischen Strom- und Gasmarkt noch erheblich wachsen. Ferner hätten Wettbewerber keine Möglichkeit mehr, als Standardversorger tätig zu werden, obwohl dies eine Voraussetzung für die Verbesserung der Glaubwürdigkeit der Versorger sei. Die Kommission entschied daher, diese Fälle an die zuständigen belgischen Behörden zu verweisen. Diese haben am 4. Juli sämtliche Vorhaben (einschließlich der von der Kommission an sie verwiesenen) mit Auflagen genehmigt.

Arla/Express Dairies [164]

[164] Sache COMP/M.3130-Arla/Express Dairies.

296. Am 10. Juni entschied die Kommission, einen Teil der vorgesehenen Fusion zwischen dem dänischen Molkereiunternehmen Arla Foods und dem britischen Unternehmen Express Dairies an die Wettbewerbsbehörden des Vereinigten Königreichs zu verweisen. Diese sollten die wettbewerblichen Auswirkungen auf den Märkten der verarbeiteten Frischmilch- und -sahneerzeugnisse im Vereinigten Königreich untersuchen. Zu den übrigen sachlich und räumlich relevanten Märkten dieses Vorhabens erteilte die Kommission am selben Tag ihre Zustimmung.

297. Das Vereinigte Königreich ersuchte die Kommission um die Verweisung der Prüfung bestimmter Teile dieses Vorhabens an die britischen Wettbewerbsbehörden: Markt für den Einkauf von Rohmilch im Vereinigten Königreich, Markt für die Lieferung von verarbeiteter Frischmilch in Großbritannien und Markt für die Lieferung frischer Sahne (in Einzelaufmachungen) im Vereinigten Königreich. Außerdem beantragten die britischen Behörden die Verweisung der Bestandteile betreffend die Lieferung von Flaschenmilch (vor allem an den Einzelhandel) in einigen Teilen Englands, wo dieses Vorhaben den Wettbewerb beeinträchtigen könnte.

298. Nach Einschätzung der Kommission hätten sich auf dem Markt für die Lieferung von Frischmilch und -sahne in Einzelportionen Wettbewerbsbedenken ergeben, die von den britischen Behörden besser beurteilt werden konnten. Das Gleiche galt für die Lieferung von Flaschenmilch. Die Kommission konnte keine Bedenken auf dem Markt für die Beschaffung von Rohmilch in Form einer alleinigen oder gemeinsamen Marktbeherrschung ausmachen. Deshalb wies sie diesen Teil des Antrags zurück und genehmigte das Vorhaben in Bezug auf diesen Markt und die nichtverwiesenen Märkte.

Lagardère/Natexis/VUP [165]

[165] Sache COMP/M.2978 - Lagardère/Natexis / VUP.

299. Am 14. Mai beantragten die französischen Behörden die Verweisung des geplanten Erwerbs von Vivendi Universal Publishing (VUP) durch die französische Unternehmensgruppe Lagardère. An dem Vorhaben waren die beiden größten französischen Verlage beteiligt.

300. Die französischen Behörden vertraten die Auffassung, dass dieses Vorhaben beherrschende Stellungen auf bestimmten Märkten der Bücherkette (Erwerb und Verkauf von Verlagsrechten, Verteilungs- und Vertriebseinrichtungen und Verkauf von Büchern durch die Verlage an den Buchhandel) in Frankreich zu begründen drohte. Daher beantragten sie die Teilverweisung des Vorhabens, um die Bewertung seiner Auswirkungen auf diese verschiedenen Märkte in Frankreich selbst vornehmen zu können.

301. Die Kommission gelangte zu dem Ergebnis, dass sich die räumlich relevanten Märkte auf den gesamten französischsprachigen Raum in Europa erstrecken und das Vorhaben daher nicht Gegenstand einer Verweisung sein kann.

302. Im Fall der Absatzmärkte für Schul- und sonstige Lehrbücher gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die französischen Behörden zu Recht geltend gemacht hatten, dass es sich bei Schulbüchern vor allem wegen des Bestehens national organisierter Erziehungsprogramme um einen gesonderten nationalen Markt handelt; im Falle der sonstigen Lehrbücher konnte die Kommission den räumlich relevanten Markt jedoch nicht eingrenzen. Angesichts der engen Verzahnung zwischen diesen beiden Märkten und den übrigen Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Bücherkette hielt es die Kommission jedoch für erforderlich, dass die Auswirkungen dieses Vorhabens auf sämtliche betroffenen Märkte von einer einzigen Behörde untersucht werden. Dabei hat die Kommission auch das Anliegen der Lagardère-Gruppe berücksichtigt, nur mit einer Wettbewerbsbehörde zu tun zu haben, und nur den Absatzmarkt für Schulbücher an die französischen Behörden verwiesen. Schließlich teilten auch die belgischen Behörden der Kommission mit, dass sie eine Untersuchung des Vorgangs auf Gemeinschaftsebene vorziehen würden. Am 23. Juli entschied die Kommission daher, dem Antrag der französischen Behörden auf Teilverweisung nicht stattzugeben.

BAT/Tabacchi Italiani [166]

[166] Sache COMP/M.3248 - BAT/Tabacchi Italiani, 23.10.2003.

303. Am 23. Oktober beschloss die Kommission, die geplante Übernahme des italienischen Tabakkonzerns Ente Tabacchi Italiani (ETI) durch British American Tobacco (BAT) zur Prüfung an die italienischen Wettbewerbsbehörden zu verweisen.

304. BAT ist ein internationaler Tabakkonzern, der weltweit Zigaretten und andere Tabakwaren herstellt und vertreibt. Die Aktiengesellschaft ETI ist in der Produktion und Vermarktung sowie im Absatz von Tabakwaren tätig, die von ihrer 100%igen Tochter Etínera S.p.A. (Etínera) in Italien vertrieben werden.

305. Mit der Übernahme wurde die von der italienischen Regierung veranlasste Privatisierung der ETI abgeschlossen. BAT wurde zusammen mit zwei Partnern - Axiter S.p.A. und FB Group S.r.l. - als bevorzugter Bieter für ETI ausgewählt.

306. ETI ist nach Philip Morris Italiens zweitgrößtes Tabakunternehmen. Nach dem Zusammenschluss wäre BAT Marktführer im Niedrigpreissegment.

307. Die italienische Wettbewerbsbehörde ersuchte die Kommission um Verweisung des Falls. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass der Antrag begründet ist und mit dem vorläufigen Untersuchungsergebnis der Kommission übereinstimmt, wonach durch das Ausscheiden eines einflussreichen Wettbewerbers aus dem Markt in Verbindung mit dem hohen Konzentrationsgrad der Tabakwirtschaft in Italien eine beherrschende Stellung auf dem italienischen Tabakmarkt begründet oder verstärkt werden könnte.

4. Gerichtsurteile 2003

Philips und Babyliss/Kommission [167]

[167] Rechtssache T-114/02 Babyliss / Kommission, Rechtssache T-119/02 Royal Philips Electronics N.V. / Kommission.

308. Am 3. April fällte das Gericht erster Instanz (EuGeI) Urteile über zwei Parallelanträge von Babyliss und Philips auf Nichtigerklärung der Entscheidungen der Kommission vom 8. Januar 2002, zum einen den Erwerb von Moulinex, seines direkten Konkurrenten, durch SEB, einen französischen Hersteller von Elektrohaushaltsgeräten, mit Auflagen gemäß Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung zu genehmigen und zum anderen die Prüfung dieses Zusammenschlusses gemäß Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a der Fusionskontrollverordnung teilweise an die französischen Behörden zu verweisen. In den Urteilen wurde die Begründetheit der beiden Kommissionsentscheidungen im Wesentlichen bestätigt und die Genehmigungsentscheidung nur in den Punkten für nichtig erklärt, die fünf Mitgliedstaaten (Spanien, Finnland, Irland, Italien und das Vereinigte Königreich) betrafen.

309. Philips hatte die Nichtigerklärung der bedingten Genehmigungsentscheidung und der Verweisungsentscheidung beantragt, Babyliss hingegen nur die Nichtigerklärung der bedingten Genehmigungsentscheidung. Das EuGeI wies die Klage von Philips ab und gab der Klage von Babyliss lediglich in den Spanien, Finnland, Irland, Italien und das Vereinigte Königreich betreffenden Punkten statt.

Zustimmung zur geänderten Fassung der Verpflichtungen nach Ablauf der Dreiwochenfrist

310. Das EuGeI wies den Antrag der Klägerinnen auf Feststellung der Tatsache ab, dass die Kommission nicht berechtigt war, Änderungen an dem ursprünglichen Verpflichtungsangebot der Parteien nach Ablauf der für Verpflichtungen geltenden Frist von drei Wochen zu akzeptieren. Das EuGeI entschied, dass es sich bei den fraglichen Änderungen lediglich um Verbesserungen der ursprünglichen Verpflichtungen handelte. Wenn die Kommission der Ansicht sei, dass sie über die nötige Zeit verfügt, um verspätet vorgelegte Verpflichtungen zu prüfen und die notwendigen Untersuchungen durchzuführen, müsse sie die Möglichkeit haben, den Zusammenschluss selbst dann zu genehmigen, wenn derartige Änderungsvorschläge erst nach Fristablauf übermittelt werden. Gleichwohl stellte das EuGeI fest, dass die Kommission die Bestimmungen ihrer Mitteilung über die im Rahmen der Fusionskontrollverordnung zulässigen Abhilfemaßnahmen beachten muss, indem sie sicherstellt, dass etwaige Änderungen an den verschiedenen Fassungen des Verpflichtungsangebots auf kleine Änderungen beschränkt bleiben.

Zulänglichkeit der Verpflichtungen im Hinblick auf die räumlich relevanten Märkte

311. Die Klägerinnen fochten die Verpflichtung, eine Lizenz für den Vertrieb der Marke Moulinex für einen befristeten Zeitraum zu vergeben, mit der Begründung an, dass sie nicht geeignet sei, die festgestellten Wettbewerbsbedenken auszuräumen. Das EuGeI entschied, dass nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, dass verhaltensorientierte Maßnahmen wie etwa eine Verpflichtung zur Markenlizenzvergabe ausreichen, um die durch einen Zusammenschluss hervorgerufenen wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Angesichts der Bedeutung von Handelsmarken auf den betroffenen Märkten folgte das EuGeI der Argumentation der Kommission, dass die Verpflichtung geeignet und verhältnismäßig sei. Das EuGeI schloss sich auch der Argumentation an, dass die Lizenzdauer von fünf Jahren und die anschließende Marktenthaltungsphase von weiteren drei Jahren bis zur Wiedereinführung der Marke Moulinex ausreiche. Ferner urteilte das EuGeI, dass die Kommission die Lizenz für den Vertrieb der Marke Moulinex zu Recht auf alle Gruppen von Elektrokleingeräten ausgedehnt hatte, obwohl ernste Bedenken nur im Hinblick auf eine Warengruppe bestanden. Damit bestätigte das EuGeI die Gültigkeit der Untersuchung der Portfolioeffekte des Zusammenschlusses auf die relevanten Märkte durch die Kommission, auf denen die Marke das wichtigste Wettbewerbselement ist und alle Erzeugnisse vom Ansehen der Marke profitieren.

Ernste Bedenken konnten im Hinblick auf räumliche Märkte, für die keine Verpflichtungen vorgeschlagen wurden, nicht ausgeräumt werden

312. Babybliss führte als Klagegrund an, dass die Kommission für einige Märkte (Italien, Spanien, Finnland, Vereinigtes Königreich und Irland), auf denen der Zusammenschluss Anlass zu ernsten Wettbewerbsbedenken gab, keine Verpflichtungszusagen verlangt hatte.

313. Das EuGeI erinnerte daran, dass die Entscheidung der Kommission auf einer vier Schritte umfassenden Untersuchung beruhte. Zunächst prüfte die Kommission, ob der gemeinsame Marktanteil des aus dem Zusammenschluss hervorgehenden Unternehmens auf dem jeweiligen sachlich relevanten Markt 40 % übersteigen würde. In einem zweiten bzw. dritten Schritt stellte sie fest, dass ernste Bedenken ausgeschlossen werden können, wenn keine wesentlichen Überschneidungen bestehen bzw. starke Wettbewerber vorhanden sind. Viertens konnten nach Ansicht der Kommission ernste Bedenken auch ausgeschlossen werden, wenn dem betreffenden sachlich relevanten Markt im Verhältnis zu den Haushaltskleingeräten, die das durch den Zusammenschluss entstehende neue Unternehmen insgesamt anbietet, nur geringe Bedeutung zukommt, weil der Einzelhandel in diesem Fall über eine entgegenwirkende Nachfragemacht verfügen würde (inverser Portfolioeffekt).

314. Was den ersten Schritt anbelangt, so schloss sich das EuGeI der Argumentation der Kommission an, dass ein gemeinsamer Marktanteil von 40 % zwar ein Hinweis auf ernste Bedenken in den einzelnen betroffenen Märkten sein kann, aber auch andere Faktoren zu untersuchen wären. Bezüglich des zweiten Schritts bestätigte das EuGeI, dass ernste Bedenken zwar ausgeschlossen werden könnten, wenn nur unwesentliche Überschneidungen bestehen, dass aber Märkte mit unwesentlichen Überschneidungen, auf denen die Parteien bereits vor der Fusion über hohe Marktanteile verfügten, gleichwohl bei der Würdigung etwaiger Portfolioeffekte berücksichtigt werden müssen. Zum dritten Schritt führte das EuGeI aus, dass auf den Märkten, auf denen ernste Bedenken festgestellt wurden, diese durch das Vorhandensein von Wettbewerbern nur ausgeräumt werden können, wenn diese über eine entsprechend starke Marktstellung verfügen, die es ihnen ermöglicht, als echte Gegenspieler der fusionierenden Unternehmen aufzutreten.

315. Das EuGeI stimmte den im vierten Schritt ermittelten Ergebnissen der Kommission nicht zu. Es folgt nicht der Schlussfolgerung der Kommission, dass dann, wenn die sachlich relevanten Märkte, auf denen die Parteien starke Positionen haben, für die elektrischen Haushaltskleingeräte des fusionierten Unternehmens nur von geringer Bedeutung sind, jedes etwaige missbräuchliche Verhalten auf einem der Märkte, in dem die Parteien eine beherrschende Stellung haben, dadurch bestraft wird, dass weniger SEB/Moulinex-Erzeugnisse auf anderen Märkten abgesetzt werden. Das EuGeI stellte fest, dass die Kommission nicht nachgewiesen hatte, dass sich der Einzelhandel auch tatsächlich so verhalten und die Preiserhöhungen nicht einfach an die Endverbraucher weitergeben würde. Das EuGeI wies auch darauf hin, dass die Bestrafung eines etwaigen missbräuchlichen Verhaltens des neuen Unternehmens durch den Handel lediglich zeige, dass dieser in der Lage sei, SEB-Moulinex an der Ausnutzung seiner Stellung zu hindern. Der Zweck der Fusionskontrollverordnung bestehe jedoch nicht darin, den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verbieten, vielmehr solle die Erlangung oder Verstärkung einer beherrschenden Stellung verhindert werden. Das EuGeI befand daher, dass die Kommission mit ihrer der Entscheidung vorangegangenen Untersuchung nicht schlüssig nachweisen konnte, dass ernsthafte Bedenken in Finnland, Spanien, Italien, dem Vereinigten Königreich und Irland auszuschließen sind.

Verweisung nach Artikel 9

316. In seinem Urteil stelle das EuGeI fest, dass die Klage von Philips zulässig ist und begründete seine Entscheidung damit, dass die Verweisungsentscheidung gemäß Artikel 9 eine unmittelbare und automatische rechtliche Wirkung für Philips, den wichtigsten Konkurrenten von SEB-Moulinex in Frankreich, entfalten dürfte. Die Verweisungsentscheidung berühre die Rechtstellung von Philips, denn dadurch werde das Unternehmen der Möglichkeit beraubt, gemäß Artikel 18 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung seine Verfahrensrechte für den Fall wahrzunehmen, dass die zweite Untersuchungsphase eröffnet wird. Damit verlieren Dritte ihr gemäß EG-Vertrag bestehendes Recht auf Anfechtung von Entscheidungen der Kommission vor dem EuGeI.

Teilverweisung an die französischen Behörden

317. Philips machte geltend, dass die Kommission mit der Verweisung gegen die Grundsätze von Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung verstoßen habe und von ihrer früheren Verweisungspraxis abgewichen sei.

318. Das EuGeI entschied, dass die beiden in Artikel 9 Absatz 2 Buchstabe a genannten Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben sind, und erinnerte daran, dass die Voraussetzungen des Artikels gleichzeitig erfuellt, rechtlicher Art sein und unter Zugrundelegung objektiver Kriterien beurteilt werden müssen. Hohe Marktanteile, erhebliche Eintrittsschranken und die Vorrangstellung der wichtigen Vertriebskanäle reichten als Nachweis aus, dass der französische Markt strukturelle Unterschiede gegenüber anderen Märkten aufweist und ein gesonderter Markt ist. Das EuGeI prüfte anschließend die Rechtmäßigkeit der partiellen Verweisung des Falls an die französischen Behörden durch die Kommission. Das Gericht betonte, dass Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Fusionskontrollerordnung der Kommission zwar einen breiten, jedoch endlichen Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage verleiht, ob ein Zusammenschluss zu verweisen ist. So kann die Kommission eine Verweisung nicht beschließen, wenn bei der Prüfung des Verweisungsantrags des Mitgliedstaats aufgrund einer Gesamtheit genauer und übereinstimmender Hinweise deutlich wird, dass die Verweisung nicht geeignet ist, auf den relevanten Märkten einen wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Im vorliegenden Fall stellte das EuGeI fest, dass die Kommission davon ausgehen konnte, dass die französischen Behörden Maßnahmen treffen würden, durch die auf den relevanten Märkten ein wirksamer Wettbewerb aufrechterhalten oder wiederhergestellt werden kann, und dass sie demzufolge im Einklang mit den Bestimmungen des Artikels 9 Absatz 3 gehandelt hatte.

319. Das EuGeI wies den Klagegrund, dass sich die Kommission nicht an ihre Entscheidungspraxis in früheren Fällen gehalten habe, mit der Begründung zurück, dass dies im vorliegenden Fall entscheidungsunerheblich sei, da die fragliche Verweisung entsprechend den Bestimmungen des Artikels 9 erfolgte.

320. Nachdem das EuGeI sein Urteil gefällt hatte, führte die Kommission dem Urteil folgend eine umfassende Untersuchung der einzelnen relevanten Märkte durch. Danach warf der Zusammenschluss keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken, insbesondere hinsichtlich des Portfolioeffekts, auf. Am 11. November wurde der Zusammenschluss ohne Auflagen genehmigt.

Petrolessence SA, Société de gestion de restauration Routière SA gegen die Kommission [168]

[168] Rechtssache T-342/00 Petrolessence SA, Société de gestion de restauration Routière SA / Kommission.

321. Am 3. April 2003 wies das Gericht erster Instanz eine Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 13. September 2000 ab, Mirabellier als geeigneten Erwerber von sechs französischen Autobahntankstellen abzulehnen. Diese Tankstellen mussten von TotalFina/Elf (,TFE") aufgrund von Verpflichtungen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Kontrolle über Elf durch Total Fina [169] veräußert werden, den die Kommission am 9. Februar 2000 gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung genehmigt hatte. Die Kommission stellte fest, dass der Zusammenschluss ohne diese Verpflichtungen ernsthafte Wettbewerbsbedenken unter anderem auf dem Markt des Kraftstoffeinzelhandels an den Autobahnen in Frankreich aufgeworfen hätte.

[169] Sache COMP/M.1628 - TotalFina/Elf Acquitaine, 9.2.2002.

322. In der umstrittenen Ablehnungsentscheidung hatte die Kommission festgestellt, dass Mirabellier - einer der von den fusionierenden Unternehmen vorgeschlagenen Käufer - die in den Verpflichtungen aufgeführten Kriterien insbesondere im Hinblick auf die Aufrechterhaltung und Förderung eines wirksamen Wettbewerbs nicht erfuellt. In der daraufhin von den an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vorgelegten Vorschlagsliste potenzieller Erwerber war Mirabellier nicht aufgeführt; dieser Vorschlag wurde von der Kommission akzeptiert.

Zulässigkeit

323. Die Klägerinnen (Petrolessence, SG2R, die Mutterunternehmen) fochten die Entscheidung an, mit der Mirabellier als geeigneter Käufer abgelehnt wurde. Das EuGeI entschied, dass die Entscheidung, einen Vorschlag der fusionierenden Unternehmen mit einer Liste von Käufern abzulehnen, einen Eingriff in die Rechtsstellung der Erwerber darstellt.

324. Das EuGeI wies den Vortrag der Klägerinnen ab und bestätigte, dass die Kommission die Kriterien betreffend den Erwerber korrekt angewandt hatte. Die Kommission habe zu Recht berücksichtigt, dass es sich bei dem vorgeschlagenen Erwerber um einen Neuling auf dem Markt des Kraftstoffeinzelhandels handelt. Das Vorbringen der Klägerinnen, dieses Kriterium sei in der Verpflichtungserklärung nicht vorgesehen gewesen, wurde zurückgewiesen. Das Gericht bestätigte auch die übrigen Wertungen der Kommission.

325. Das EuGeI wies darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung die materiellrechtlichen Bestimmungen der Fusionskontrollverordnung (insbesondere Artikel 2) der Kommission ein bestimmtes Ermessen namentlich bei wirtschaftlichen Beurteilungen einräumen. Daher müsse die vom Gemeinschaftsrichter vorzunehmende Kontrolle der Ausübung dieses Ermessens, die bei der Anwendung der Regeln für Zusammenschlüsse wesentlich ist, unter Berücksichtigung des Spielraums erfolgen, der für die wirtschaftliche Beurteilung von Zusammenschlüssen erforderlich ist. Demgemäß habe sich die vom Gemeinschaftsrichter ausgeübte Kontrolle der komplexen wirtschaftlichen Beurteilungen, die die Kommission im Rahmen der Ausübung des ihr durch die Fusionskontrollverordnung eingeräumten Ermessens vornimmt, auf die Prüfung zu beschränken, ob die Verfahrensvorschriften und Begründungs eingehalten und das Ergebnis angemessen begründet worden sind, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt worden ist und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler vorliegen.

Verband der freien Rohrwerke/Kommission [170]

[170] Rechtssache T-374/00 Verband der freien Rohrwerke e.V. / Kommission.

326. Am 8. Juli wies das Gericht erster Instanz (EuGeI) die Klage eines Dritten wegen Nichtigerklärung der Entscheidungen ab, mit denen die Kommission den Erwerb der Kontrolle über die Mannesmannröhren-Werke (,MRW") durch die Salzgitter AG (,Salzgitter") genehmigt hatte.

Die Entscheidungen der Kommission

327. Mit zwei Entscheidungen vom 5. September 2000 gemäß Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe b der Fusionskontrolle (,EG-Entscheidung") und vom 14. September 2000 gemäß Artikel 66 EGKS-Vertrag (,EGKS-Entscheidung") [171] genehmigte die Kommission die Übernahme von MRW durch Salzgitter. Der integrierte Stahlhersteller Salzgitter fertigt und vertreibt eine große Bandbreite von Produkten, u. a. spiralnahtgeschweißte Großrohre. MRW produziert u. a. Stahlrohre und -röhren sowie zugehöriges Einsatzmaterial.

[171] Sache COMP/M.2045 - Salzgitter/Mannesmannroehren-Werke, 5.9.2000, und Sache EGKS 1336 Salzgitter/Mannesmannröhren-Werke, 14.9.2000.

328. Obwohl Überschneidungen bei der Produktion von Halbzeugen bestanden, ergaben sich nach Feststellung der Kommission aufgrund der vergleichsweise geringen Marktanteile der fusionierenden Unternehmen auf den EWR-weiten Märkten für Stahl und Rohre und bestehender Überkapazitäten in der Branche keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken. Mehrere kleinere Hersteller von Großrohren, die ihr Rohmaterial von Salzgitter bezogen, befürchteten, dass sie das fusionierte Unternehmen nicht mehr zu wettbewerbsfähigen Bedingungen beliefern könnten. Um diese Befürchtungen auszuräumen, sicherte Salzgitter in einer Erklärung zu, Bleche und Warmbreitband (für die Herstellung von Rohren erforderliche Rohmaterialien) weiterhin zu nicht diskriminierenden Konditionen zu verkaufen. In der EGKS-Entscheidung wird auf diese Erklärung hingewiesen.

329. Die Klage wurden von zwei kleinen deutschen Rohrherstellern und einem Branchenverband eingereicht. Im Wesentlichen machten die Kläger geltend, dass die horizontalen und vertikalen Aspekte des Zusammenschlusses, insbesondere die Fähigkeit von Salzgitter und der für das Unternehmen bestehende Anreiz, unabhängige Rohrproduzenten zu diskriminieren und die Röhrenproduktion von MRW zu bevorzugen, in den Entscheidungen der Kommission nicht gebührend berücksichtigt worden seien.

330. Das EuGeI bestätigte die Richtigkeit der Schlussfolgerungen der Kommission im Bezug auf die sachlich und räumlich relevanten Märkte für Warmbreitband und stellte fest, dass der Kommission bei der Beurteilung der Auswirkungen des Zusammenschlusses auf den Markt für Großrohre keine offenkundigen Fehler unterlaufen seien. Im Hinblick auf den Markt für Kleinrohre wies das EuGeI das Vorbringen der Kläger, die Kommission habe die Auswirkungen des Zusammenschlusses auf diesen Markt nicht hinlänglich untersucht, mit der Begründung zurück, dass weder eine horizontale Überschneidung noch eine bedeutsame Stellung des fusionierten Unternehmens auf dem vorgelagerten Markt für Warmbreitband vorliege.

331. Das EuGeI wies auch das Vorbringen der Kläger ab, dass die Kommission die Tatsache hätte würdigen müssen, dass Salzgitter nach dem Zusammenschluss gemeinsam mit Usinor/DH das Unternehmen Europipe, einen Hersteller von Großrohren aus Quartoblech und Warmband, kontrollieren und gemeinsam mit TKS die Kontrolle über HKM, einen Produzenten von Rohstahl, Brammen und Quartoblechen, ausüben würde. Das EuGeI stellte fest, dass die Kommission nicht verpflicht war, derartige Wirkungen gemäß Artikel 81 EG-Vertrag zu prüfen, da das Vorhaben bei der Kommission gemäß Fusionskontrollverordnung angemeldet wurde und es keinerlei Anhaltspunkte für eine mögliche Koordinierung zwischen den Muttergesellschaften von Europipe und HKM gegeben habe.

Schlüsselverlag J. S. Moser/Kommission [172]

[172] Rechtssache C-170/02 P, Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH u. a . / Kommission.

332. Am 25. September verkündete das Gericht erster Instanz (EuGeI) sein Urteil betreffend ein Rechtsmittel von Schlüsselverlag J. S. Moser und andere (,Moser") gegen den Beschluss des Gerichts erster Instanz (EuGeI) betreffend die Abweisung einer Klage auf Feststellung der Untätigkeit der Kommission, einen Zusammenschluss ohne gemeinschaftsweite Bedeutung zu prüfen [173].

[173] Rechtssache T-3/02, Schlüsselverlag J. S. Moser GmbH u. a. / Kommission.

333. Die Rechtsmittelführerinnen sind auf dem österreichischen Pressesektor tätig und direkte Konkurrenten der fusionierenden Unternehmen. 2001 hatten sie bei der Kommission Beschwerde gegen die Übernahme der Kurier-Magazine Verlags GmbH durch die Verlagsgruppe News GmbH (Bertelsmann-Konzern) eingereicht und geltend gemacht, dass die Kommission diesen Zusammenschluss [174] wegen seiner angeblichen gemeinschaftsweiten Bedeutung hätte prüfen müssen.

[174] Genehmigt vom zuständigen einzelstaatlichen Gericht (OLG Wien) am 26.1.2001.

334. Mit Schreiben vom 12. Juli 2001 teilte der Direktor der zur Generaldirektion Wettbewerb gehörenden Taskforce ,Fusionskontrolle" den Rechtsmittelführerinnen mit, dass die einschlägige Umsatzschwelle nicht erreicht werde, so dass der fragliche Zusammenschluss keine gemeinschaftsweite Bedeutung habe. In einem weiteren Schreiben vom 3. September 2001 bekräftigte er seine Auffassung. In beiden Schreiben hatte es geheißen, dass diese Schreiben die Auffassung der Taskforce ,Fusionskontrolle" wiedergeben und die Kommission nicht binden. In seinem dritten Schreiben bekräftigte der Direktor nochmals seinen Standpunkt, allerdings fehlte der betreffende Hinweis. Das EuGeI hatte festgestellt, dass aufseiten der Klägerinnen kein Interesse mehr an einer Untätigkeitsklage bestand, und zur Begründung angeführt, dass die Kommission in dem letzten Schreiben ihre endgültige Stellungnahme zu der Beschwerde dargelegt hatte. Damit sei die Untätigkeitsklage unzulässig.

Pflichten der Kommission im Zusammenhang mit Beschwerden in Fusionsverfahren

335. Das EuGeI bestätigte den Beschluss des EuGeI und stellte bei dieser Gelegenheit klar, welche Pflichten die Kommission im Hinblick auf Beschwerden in Fusionsverfahren hat. Zunächst könne die Kommission nicht davon absehen, die Beschwerden von Unternehmen zu berücksichtigen, die an einem Zusammenschluss von möglicherweise gemeinschaftsweiter Bedeutung nicht beteiligt sind. Ein solcher Zusammenschluss von Unternehmen, die Konkurrenten der beschwerdeführenden Unternehmen sind, könne nämlich zu einer direkten Veränderung der Lage der beschwerdeführenden Unternehmen auf dem oder den betroffenen Märkten führen. Aus diesem Grund sehe Artikel 18 der Fusionskontrollverordnung vor, dass interessierte Dritte von der Kommission angehört werden können.

336. Sodann könne die Kommission nicht geltend machen, dass sie nicht verpflichtet sei, über ihre Zuständigkeit als Kontrollbehörde im Grundsatz zu entscheiden, obwohl sie nach Artikel 21 der Fusionskontrollverordnung ausschließlich dafür zuständig ist, die in dieser Verordnung vorgesehenen Entscheidungen zu erlassen. Lehne die Kommission es ab, auf einen Antrag dritter Unternehmen förmlich dazu Stellung zu nehmen, ob ein Zusammenschluss, der nicht bei ihr angemeldet wurde, in den Anwendungsbereich dieser Bestimmung fällt, könnten diese Unternehmen die Verfahrensgarantien nicht nutzen, die ihnen das Gemeinschaftsrecht eröffnet. Sie würde sich gleichzeitig eines Mittels begeben, nachzuprüfen, ob die Unternehmen, die Beteiligte eines Zusammenschlusses von gemeinschaftsweiter Bedeutung sind, tatsächlich ihrer Anmeldepflicht nachkommen. Außerdem könnten die beschwerdeführenden Unternehmen eine Weigerung der Kommission, tätig zu werden, die geeignet ist, sie zu beschweren, nicht anfechten.

337. Schließlich sei die Kommission verpflichtet, im Interesse einer ordnungsgemäßen Verwaltung eine sorgfältige und unparteiische Prüfung von Beschwerden vorzunehmen. Dass die Beschwerdeführer nach der Fusionskontrollverordnung nicht das Recht auf eine Untersuchung ihrer Beschwerden unter Bedingungen haben, die mit denen für Beschwerden im Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 17/62 vergleichbar sind, bedeute nicht, dass die Kommission ihre Zuständigkeit für einen Zusammenschluss nicht zu prüfen und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen nicht zu ziehen braucht.

338. Das EuGeI befand, dass Parteien, die die Zuständigkeit nationaler Behörden für die Prüfung eines Zusammenschlusses aufgrund seiner gemeinschaftsweiten Bedeutung nicht für gegeben halten, dagegen bei der Kommission innerhalb einer angemessenen Frist Beschwerde einlegen müssen. Das EuGeI begründete diese Forderung mit der Notwendigkeit, Rechtssicherheit für die Unternehmen und Verfahrenssicherheit gemäß der Fusionskontrollverordnung zu gewährleisten. Das EuGeI stellte fest, dass die Beschwerde im vorliegenden Fall nicht fristgerecht eingereicht wurde.

Sogecable/Canalsatéllite Digital/Vía Digital/Kommission [175]

[175] Verbundene Rechtssachen T-346 und T-347/02 Sogecable/Canalsatéllite digital/Via digital / Kommission.

339. Am 30. September wies das Gericht erster Instanz (EuGeI) zwei Klagen spanischer Kabelnetzbetreiber (Aunacable und andere) wegen Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 14. August 2002 über die Verweisung der Prüfung des Zusammenschlusses, mit dem die Sogecable SA und Vía Digital integriert werden sollen, nach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung an die spanischen Wettbewerbsbehörden (,Verweisungsentscheidung") ab.

340. Sogecable ist ein Pay-TV-Betreiber (Canal+ und Canalsatélite Digital), der gemeinsam von Prisa (spanischer Medienkonzern) und Groupe Canal+ (Vivendi) kontrolliert wird. Das Unternehmen betreibt einen analogen Pay-TV-Kanal (Canal+) und eine Plattform für digitales Satellitenfernsehen (Canalsatélite Digital). Es erbringt technische Dienstleistungen und betätigt sich im Bereich der Produktion, des Verkaufs und des Vertriebs von Themenkanälen und von Filmen sowie im Erwerb und Verkauf von Sportrechten. Vía Digital ist der zweitgrößte spanische Pay-TV-Betreiber mit mehreren Kanälen und wird von Telefónica (dem etablierten spanischen Telekommunikations-Unternehmen) kontrolliert. Als Reaktion auf einen dahin gehenden Antrag verwies die Kommission den Fall in seiner Gesamtheit an Spanien.

Zulässigkeit

341. Das EuGeI entschied, dass die Klägerinnen von der Verweisungsentscheidung unmittelbar und individuell betroffen waren, obwohl diese ihre wettbewerbliche Stellung nicht berührte, da nur die Entscheidung der spanischen Wettbewerbsbehörde eine solche Wirkung entfalten könne. Dies sei darin begründet, dass sich die angefochtene Entscheidung so auswirkt, dass Dritten die Verfahrensrechte und das Recht, beim EuGeI Rechtsmittel einzulegen, die ihnen Artikel 18 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung gewährt, genommen werden.

Gesonderter Markt/Räumlich gesonderter Markt

342. Die Klägerinnen machten geltend, dass die Voraussetzung von Artikel 9 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung nicht erfuellt war, weil die in der angefochtenen Entscheidung genannten sachlich relevanten Märkte keine Märkte in einem Mitgliedstaat, die die Merkmale eines gesonderten Marktes aufweisen, bildeten. Die Klägerinnen brachten vor, dass ein Markt nur dann als ,gesonderter Markt" betrachtet werden könne, wenn er sich von anderen Märkten nicht nur dadurch unterscheide, dass er ein räumlich gesonderter Markt sei, sondern auch dadurch, dass für ihn eine andere Wettbewerbsstruktur als in anderen Mitgliedstaaten kennzeichnend sei. Die Klägerinnen brachten vor, dass der Pay-TV-Markt, der Markt für Fernsehrechte und der Telekommunikationsmarkt über die nationalen Grenzen hinausreichen. Dies ergebe sich unter anderem daraus, dass Canal+ in mehreren Mitgliedstaaten präsent und die Wettbewerbsstruktur in verschiedenen geografischen Gebieten sehr ähnlich sei.

343. Das EuGeI wies diese Auslegung von Artikel 9 Absatz 2 zurück und führte dazu aus, das der Begriff ,gesonderter Markt" als gesonderter sachlich und räumlich relevanter Markt im Sinne von Artikel 9 Absatz 7 der Fusionskontrollverordnung zu verstehen ist. Das EuGeI stellte demzufolge fest, dass es nicht relevant sei, ob bestimmte Strukturen der betroffenen Märkte auch auf anderen räumlich relevanten Märkten vorhanden sind. Für eine Verweisung reiche der Nachweis aus, dass die Wettbewerbsbedingungen in dem Gebiet, in dem die betroffenen Unternehmen als Anbieter von Waren oder Dienstleistungen auftreten, nicht homogen sind und dass insbesondere Verbrauchergewohnheiten und bestimmte Eintrittsschranken eine Eingrenzung dieses Marktes auf das Hoheitsgebiet eines bestimmten Mitgliedstaates bewirken. Der Umstand, dass ein Unternehmen in verschiedenen Mitgliedstaaten tätig ist, bedeute noch nicht automatisch, dass die Märkte, auf denen dieses Unternehmen aktiv ist, eine das Hoheitsgebiet der betreffenden Mitgliedstaaten überschreitende Bedeutung haben.

344. Das EuGeI wies auch die Klage auf Feststellung ab, dass die Kommission in ihrer Verweisungsentscheidung sämtliche in der Anmeldung und im Verweisungsantrag des Mitgliedstaates aufgeführten Märkte hätte untersuchen müssen. Das EuGeI stellte fest, dass einige der in der Anmeldung erwähnten Märkte keine betroffenen Märkte waren und dass die Kommission in der Verweisungsentscheidung ausgeführt hatte, dass bei bestimmten im Verweisungsantrag genannten Märkten die Gefahr der Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschenden Stellung nicht ausgeschlossen werden könne.

345. Das EuGeI bestätigte, dass die Befugnis der Kommission zur Verweisung eines Zusammenschlusses gemäß Artikel 9 Absatz 3 Buchstabe a der Fusionskontrollverordnung nur eingeschränkt ist, wenn sich zum Zeitpunkt der Prüfung des von dem fraglichen Mitgliedstaat gestellten Verweisungsantrags auf der Grundlage einer Reihe genauer und übereinstimmender Anhaltspunkte ergibt, dass die Verweisung nicht geeignet wäre, auf den betreffenden Märkten wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten oder wiederherzustellen. Demnach konnte die Kommission annehmen, dass die spanischen Wettbewerbsbehörden in ihrer auf die Verweisung hin zu erlassenden Entscheidung geeignete Maßnahmen ergreifen würden, um auf den betreffenden Märkten wirksamen Wettbewerb aufrechtzuerhalten und nicht zu behindern.

346. Das EuGeI wies auch den Vortrag der Klägerinnen ab, dass die Kommission mit der Verweisung von ihrer vorherigen Entscheidungspraxis im Mediensektor abgewichen sei. Diese Fälle seien für die fragliche Verweisung rechtsunerheblich gewesen, denn jede Verweisung müsse auf der Grundlage von Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung anhand der Umstände des Einzelfalls für sich betrachtet geprüft werden.

,Blankoverweisung"

347. Unter Verweis auf die Rechtsprechung erinnerte das EuGeI daran, dass der Tenor einer Entscheidung untrennbar mit ihrer Begründung verbunden ist. Da die Kommission in der Entscheidung bereits begründet hatte, warum der Zusammenschluss ihrer Auffassung nach auf den relevanten (spanischen) Märkten eine beherrschende Stellung zu begründen oder zu verstärken drohte, durch die wirksamer Wettbewerb behindert würde, war sie nicht verpflichtet, die Gründe im Tenor nochmals anzuführen, zumal hier eine Verweisung der gesamten Sache ausgesprochen wurde. Im Falle einer Teilverweisung hätten möglicherweise im Tenor genau die Märkte bezeichnet werden müssen, die zu prüfen sind.

348. Zu dem Vorbringen, es sei eine Anweisung an die spanischen Behörden versäumt worden, stellte das EuGeI fest, dass diese in Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung und Artikel 1 der Verweisungsentscheidung mit inbegriffen ist. Laut Artikel 9 Absatz 8 kann der betreffende Mitgliedstaat nur die Maßnahmen ergreifen, die zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung wirksamen Wettbewerbs auf dem betreffenden Markt unbedingt erforderlich sind.

ARD/Kommission [176]

[176] Rechtssache T-158/00 vom 30.9.2003 ARD / Kommission.

349. Am 30. September erließ das Gericht erster Instanz (EuGeI) ein Urteil, mit dem es die Entscheidung der Kommission bestätigte, den Wechsel von der alleinigen Kontrolle über den ehemaligen deutschen Pay-TV-Betreiber KirchPayTV (durch die Kirch Holding) zur gemeinsamen Kontrolle (durch die Kirch Holding und den britischen Pay-TV-Sender BSkyB) zu genehmigen. Diese nach Abschluss der ersten Untersuchungsphase gefällte Entscheidung war mit Auflagen verbunden [177].

[177] Sache COMP/JV.37 - BSkyB/KirchPayTV, 21.3.2000.

Die Entscheidung der Kommission

350. Die Kommission hatte wettbewerbsrechtliche Bedenken im Hinblick auf den deutschen Pay-TV-Markt und den neuen Markt für digitale interaktive Bildschirmdienste. Nach Ansicht der Kommission war mit einem Einstieg von BSkyB in den deutschen Pay-TV-Markt kurz- oder mittelfristig nicht zu rechnen, so dass die Beseitigung potenziellen Wettbewerbs, den BSkyB hätte darstellen können, nicht zu berücksichtigen war. Gleichwohl hielt es die Kommission für möglich, dass durch das Vorhaben die beherrschende Stellung von KirchPayTV auf dem Pay-TV-Markt verstärkt wird, weil BSkyB neues Kapital und zusätzliches Know-how einbringen würde, was den Markteintritt für Dritte weiter erschwert hätte. Der Zusammenschluss hätte zur Begründung einer marktbeherrschenden Stellung von KirchPayTV auf dem neuen Markt für digitale interaktive Bildschirmdienste oder sogar zu einer Monopolsituation führen können.

351. Die Anmelder legten ein Zusagenpaket vor, mit dem die wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission im Hinblick auf den Pay-TV-Markt und den Markt für digitale interaktive Bildschirmdienste in Deutschland ausgeräumt wurden. Danach sollten Dritte Zugang zur technischen Plattform von Kirch, insbesondere zu Kirchs d-Box-Decodern, erhalten und die Errichtung von Plattformen durch Konkurrenten von Kirch erleichtert werden, indem Dritten der Zugang zu den Pay-TV-Diensten von Kirch gewährt wird. Damit wurden die Eintrittsschranken zum Pay-TV-Markt abgebaut und zugleich verhindert, dass KirchPayTV seine beherrschende Stellung auf diesem Markt auch auf den Markt für digitale interaktive Bildschirmdienste ausdehnt.

Das Urteil des EuGeI

352. Die ARD, d. h. die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland, focht die Entscheidung der Kommission und die damit verbundene Annahme von Verpflichtungen aus fünf Gründen an. Erstens machte die ARD geltend, dass der Kommission bei der Würdigung des Sachverhalts gemäß Artikel 2 Absatz 3 und 4 der Fusionskontrollverordnung Fehler insofern unterlaufen seien, als sie zu dem Ergebnis gekommen war, dass der Zusammenschluss nicht zur Beseitigung potenziellen Wettbewerbs führen würde, weil nicht damit gerechnet werden könne, dass BSkyB kurz- oder mittelfristig auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt Fuß fasst. Zweitens lag nach Auffassung der ARD eine Verletzung von Artikel 6 Absatz 2 der Fusionskontrollverordnung vor, weil, wie aus der achten Begründungserwägung der Verordnung 1310/97 hervorgehe, nur Zusammenschlüsse, bei denen das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann, in der Phase I genehmigt werden können. In diesem Zusammenhang machte die ARD geltend, dass die Kommission in jüngerer Zeit drei andere Zusammenschlussvorhaben auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt untersagt hatte, an denen KirchPayTV beteiligt war, was belege, dass die wettbewerbsrechtliche Problematik weder begrenzt noch leicht zu lösen war. Drittens brachte die ARD vor, dass die Verpflichtungszusagen nicht ausreichten, um die wettbewerbsrechtlichen Bedenken auszuräumen. Dazu führte die ARD aus, dass die Zusagen rein verhaltensbezogener Art waren und lediglich die Wiederholung einer ohnehin gemäß der Rechtsprechung zu Artikel 82 EG-Vertrag geltenden Rechtspflicht marktbeherrschender Unternehmen darstellten. Viertens machte die ARD geltend, dass die nicht erfolgte Einleitung der zweiten Untersuchungsphase einen Verfahrensfehler darstelle, weil Zusammenschlüsse nur dann in der ersten Phase genehmigt werden können, wenn die Wettbewerbsprobleme klar umrissen sind und leicht gelöst werden können. Fünftens wurde vorgebracht, dass die Beteiligungsrechte der ARD in ihrer Eigenschaft als Dritte verletzt wurden, indem veränderte Zusagen angenommen wurden, die von den am Zusammenschluss Beteiligten so spät angeboten worden seien, dass die ARD dazu nicht mehr rechtzeitig habe Stellung nehmen können.

353. Das EuGeI wies den ersten Klagegrund mit der Begründung ab, dass BSkyB trotz der Finanzschwäche von KirchPayTV auch ohne den geplanten Zusammenschluss wegen der Einstiegshürden nicht als potenzieller Wettbewerber auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt angesehen werden konnte.

354. Zum zweiten Klagegrund der ARD stellte das EuGeI fest, dass er zwei Fragen aufwerfe. Die erste gehe dahin, ob die Kommission Zusammenschlüsse in der ersten Phase nur genehmigen kann, wenn, wie aus der achten Begründungserwägung der Verordnung 1310/97 hervorgehe, das Wettbewerbsproblem klar umrissen ist und leicht gelöst werden kann. Die zweite Frage gehe dahin, ob das durch das fragliche Zusammenschlussvorhaben aufgeworfene Wettbewerbsproblem als klar umrissen und leicht zu lösen angesehen werden kann. Das EuGeI befasste sich nur mit der zweiten Frage und erklärte, der Umstand, dass die Kommission bereits drei andere Zusammenschlussvorhaben auf dem deutschen Bezahlfernsehmarkt untersagt hatte, an denen KirchPayTV beteiligt war, reiche nicht aus, um darzutun, dass die mit dem fraglichen Zusammenschluss verbundenen Wettbewerbsproblemen weder begrenzt noch leicht zu lösen seien. In diesem Zusammenhang betonte das EuGeI, dass die vorherigen Untersagungsentscheidungen andere Beteiligte betrafen und die aufgeworfenen Wettbewerbsprobleme nicht vergleichbar waren.

355. Was den dritten Klagegrund der ARD betraf, so vertrat das EuGeI die Auffassung, dass die Zusagen, obzwar sie eher verhaltensbezogener Natur waren, einen strukturorientierten Charakter aufwiesen, da sie ein Strukturproblem lösen sollten, nämlich das des Marktzutritts Dritter. Folglich könnten die Zusagen nicht als bloße verhaltensbezogene Zusagen angesehen werden, die die von der Kommission festgestellten Wettbewerbsprobleme nicht lösen können. Zudem war das EuGeI der Auffassung, dass die Zusagen gegenüber einer bloßen Verpflichtung nach Artikel 82 EG-Vertrag, eine marktbeherrschende Stellung nicht zu missbrauchen, einen Mehrwert bieten.

356. Bei der Abweisung des vierten Klagegrunds stützte sich das EuGeI auf die Begründungen zur Abweisung des zweiten und dritten Klagegrunds. Hinsichtlich des fünften Klagegrunds vertrat das EuGeI die Auffassung, dass die ARD ihre Beteiligungsrechte in ausreichendem Maße wahrnehmen konnte. Die ARD hatte im Rahmen eines Auskunftsersuchens ihre Ansichten zu dem Vorhaben dargelegt. Ein Treffen der ARD und der mit dem Fall befassten Bediensteten hatte in Brüssel stattgefunden. Die ARD war außerdem in die ersten Markttests zum ursprünglichen Vorschlag und zum ersten geänderten Vorschlag einbezogen. Was den zweiten geänderten (endgültigen) Vorschlag betraf, vertrat das EuGeI die Auffassung, dass er lediglich kleine Änderungen beinhaltete, die von der Kommission auch nach Ablauf der Dreiwochenfrist akzeptiert werden konnten.

5. Internationale Zusammenarbeit

5.1. Internationales Wettbewerbsnetz (ICN)

357. Die Kommission arbeitet aktiv in der Arbeitsgruppe ,Fusionskontrolle" des ICN mit, die Ende 2001 eingesetzt wurde und sich mit multijurisdiktionellen, d. h. in die Zuständigkeit mehrerer Länder bzw. Ländergruppen fallenden Fusionen befasst. Die Arbeitsgruppe ist in drei Untergruppen unterteilt, deren Arbeit folgenden Themen gewidmet ist: Untersuchungsmethoden bei Fusionsprüfungen, der Fusionskontrolle zugrunde liegender analytischer Rahmen sowie Anmeldung und Verfahrensweise in Fusionskontrollsystemen. Mehrere Organisationen des privaten Sektors sowie Einzelpersonen tragen zur Arbeit der Untergruppen bei. Die Kommission arbeitet in allen drei Untergruppen aktiv mit. Das wichtigste Anliegen besteht darin, die Bereiche der Fusionskontrolltätigkeit zu ermitteln, in denen die Anwendung nachahmenswerter Verfahrensweisen gefördert werden kann, um so die durch die Fusionskontrolle verursachten Kosten zu senken und Hürden abzubauen, die die Verständigung über die Fusionspolitik zwischen den verschiedenen Rechtssystemen erschweren.

Untergruppe ,Anmeldung und Verfahrensweisen"

358. Diese Untergruppe verfolgt folgende drei Ziele: Erhöhung der Wirksamkeit der jeweils zuständigen Stellen, Verbesserung der Konvergenz und Verringerung der öffentlichen und privaten Belastung durch die multijurisdiktionelle Fusionskontrolle. Zu diesem Zweck hat die Untergruppe in Zusammenarbeit mit Beratern aus dem privaten Sektor ein Bestandsverzeichnis von Fusionskontrollregelungen erstellt und erfasst Informationen über die durch die Fusionskontrolle verursachten Kosten und Belastungen. Die Untergruppe hat ferner Leitlinien für die Anmeldung und Prüfung von Zusammenschlüssen erarbeitet, die von der Mehrzahl der ICN-Mitglieder auf der ersten Konferenz des ICN im Oktober 2002 in Neapel gebilligt wurden.

359. Des Weiteren ist beabsichtigt, die Leitlinien im Rahmen eines umfassenden Pakets von Empfehlungen für beispielhafte Verfahrensweisen (,Recommended Practices") weiter auszugestalten. Während der ersten Konferenz des ICN, die im vergangenen Jahr in Neapel stattfand, billigten die ICN-Mitglieder bereits sieben Empfehlungen für beispielhafte Verfahrensweisen, die sich auf die folgenden drei Themen konzentrieren: (1) Verbindung mit dem Rechtssystem, in dessen Zuständigkeit die Prüfung erfolgt; (2) Anmeldeschwellen; (3) zeitliche Vorgaben für die Anmeldung einer Fusion. Vier weitere Empfehlungen wurden im Juni 2003 während der ICN-Konferenz in Merida gebilligt. Sie betreffen Folgendes: (4) Überprüfungszeiträume (d. h. der Untersuchungen); (5) Anforderungen, die bei der Erstanmeldung zu beachten sind (d. h. die Informationen, die die anmeldende Partei der Behörde ,vorab" zu übermitteln hat); (6) Transparenz (d. h. Umfang, in dem eine Behörde die Gründe für die von ihr ergriffenen oder nicht ergriffenen Maßnahmen zur Kartellrechtsumsetzung bekannt gibt); (7) Überprüfung von Fusionskontrollbestimmungen (d. h. regelmäßige Überprüfung des Fusionskontrollrechts, der Verfahrensweisen usw.).

360. Die Untergruppe befasst sich derzeit intensiv mit vier weiteren Empfehlungen für beispielhafte Verfahrensweisen, die die Vertraulichkeit, die Verfahrensgerechtigkeit, die Prüfung von Zusammenschlüssen und die Zusammenarbeit zwischen den Behörden betreffen. Zudem sucht die Untergruppe nach Wegen, um die Durchsetzung bzw. Einhaltung der (2002 in Neapel gebilligten) Leitlinien und der Empfehlungen für beispielhafte Verfahrensweisen zu fördern.

Untergruppe ,Untersuchungsmethoden"

361. Im Mittelpunkt der Arbeit dieser Gruppe steht die Erarbeitung beispielhafter Verfahrensweisen für die Untersuchung von Zusammenschlüssen. Dazu zählen insbesondere (i) Methoden für die Erfassung von zuverlässigem Beweismaterial; (ii) die wirksame Planung einer Fusionsuntersuchung; (iii) die Hinzuziehung von Wirtschaftsfachleuten bzw. die Evaluierung von wirtschaftlichem Beweismaterial. Das Arbeitsprogramm für das kommende Jahr sieht die Erarbeitung eines Kompendiums für Untersuchungsmethoden (Investigative Techniques Compendium) vor, das Beispiele für in unterschiedlichen Rechtssystemen übliche Untersuchungsmethoden enthält.

362. Die Untergruppe ,Untersuchungsmethoden" legte während der ICN-Konferenz 2003 drei Berichte zu folgenden Themen vor: Analyse der in verschiedenen Rechtssystemen üblichen Untersuchungsmethoden, Erarbeitung von zuverlässigem Beweismaterial, die Rolle von Wirtschaftsfachleuten und ökonometrischen Daten bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen. Die GD Wettbewerb war für die Erarbeitung des ersten Berichts verantwortlich und hatte auch an den beiden anderen Projekten erheblichen Anteil.

Untergruppe ,Analytischer Rahmen"

363. Diese Untergruppe richtet ihre Bemühungen besonders auf den allgemeinen analytischen Rahmen für die Fusionskontrolle, einschließlich der materiellrechtlichen Standards für die Analyse von Fusionen und der Kriterien für die Anwendung dieser Standards. Dazu werden Informationen über den im Rechtssystem eines jeden Mitglieds geltenden materiellrechtlichen Standard erfasst, einschließlich von Informationen über die Durchsetzungsleitlinien oder sonstiges erläuterndes Material. Im Rahmen einer eingehenden Studie wurden die Auswirkungen der unterschiedlichen Rechtsnormen in vier verschiedenen Ländern (Australien, Südafrika, Deutschland, USA) untersucht.

364. In diesem Jahr analysierte die Untergruppe mit Unterstützung von Beratern aus dem privaten Sektor die in verschiedenen Rechtssystemen angewandten Fusionskontroll-Leitlinien (einschließlich des Leitlinienentwurfs der EU zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse). Es wurden fünf Themenpapiere zu folgenden Themen erarbeitet: (i) Marktdefinition, (ii) unilaterale Effekte, (iii) koordinierte Effekte, (iv) Zutrittsschranken und Expansion sowie (v) Effizienzvorteile. Eine Zusammenfassung und einige Schlussfolgerungen wurden auf der diesjährigen ICN-Konferenz vorgestellt. Die GD Wettbewerb war an der Erarbeitung aller Themenpapiere beteiligt.

6. Statistischer Überblick

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

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III - Staatliche Beihilfen

A - Allgemeine Politik

Einleitung

365. Die Kontrolle staatlicher Beihilfen dient dazu, die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten an Unternehmen gewährte Beihilfemaßnahmen auf den Wettbewerb zu ermitteln. Es muss sichergestellt sein, dass staatliche Eingriffe das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes nicht gefährden, dass Wettbewerb und Wettbewerbsmärkte in der Gemeinschaft gefördert und Strukturreformen vorangebracht werden. Besonderes Augenmerk wird darauf gerichtet, dass die staatlichen Beihilfemaßnahmen nicht die erwiesenen Nutzeffekte der Liberalisierung zunichte machen. Entsprechend den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Stockholm haben die Mitgliedstaaten die Aufgabe, das als Anteil am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessene Gesamtniveau staatlicher Beihilfen zu verringern und die Beihilfen auf horizontale Ziele von gemeinsamem Interesse, wie z. B. Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts, Beschäftigung, Umweltschutz, Förderung von FuE und Entwicklung der KMU, auszurichten. Das Niveau der gewährten Beihilfen muss in einem angemessenen Verhältnis zum Beihilfeziel stehen.

366. Die Ausübung der Beihilfenkontrolle erfolgt mithilfe von Regulierungsinstrumenten. Dabei kann es sich um Rechtsinstrumente handeln, die für die Kommission und die Mitgliedstaaten verbindlich sind, aber auch um Instrumente faktischen Rechts wie Leitlinien, Rahmenvorgaben oder Mitteilungen. Die Verfahren für die Anmeldung und Bewertung von Beihilfen werden durch Verordnungen geregelt, wobei bestimmte unproblematische Arten von Beihilfen von der Anmeldepflicht ausgenommen sind. Es gibt auch spezifische Beihilferegelungen für einzelne Sektoren (z. B. den Schiffbau). Die Instrumente des faktischen Rechts dienen der Klärung der Kriterien, auf die sich die Kommission bei ihren Beurteilungen in den jeweiligen Bereichen stützt.

367. Darüber hinaus überwacht die Kommission auf der Grundlage spezifischer Rechtsakte die Rückzahlung rechtswidriger Beihilfen an die Mitgliedstaaten sowie die Gewährung nicht anmeldepflichtiger Beihilfen. Außerdem soll die Überwachung schrittweise auf all jene Beihilfeentscheidungen ausgedehnt werden, die mit bestimmten Auflagen an die Mitgliedstaaten verknüpft sind.

1. Modernisierung der Beihilfenkontrolle

1.1. Allgemeiner Ansatz

368. Die umfassende Reform und Modernisierung der Beihilferegeln, die sowohl die verfahrens- als auch die materiellrechtliche Seite betrifft, ist gut vorangekommen und dürfte noch vor der EU-Erweiterung abgeschlossen werden, so dass die neuen Bestimmungen spätestens ab dem Erweiterungstermin in allen 25 Staaten angewandt werden können.

369. Auf der verfahrensrechtlichen Seite besteht eines der Hauptanliegen der Modernisierung darin, die Verfahren der Anmeldung und Berichterstattung durch die Mitgliedstaaten zu straffen und zu vereinfachen und dabei zugleich Transparenz und Rechtssicherheit zu verbessern. Ziel ist es, unnötigen verfahrensrechtlichen Aufwand bei der Prüfung staatlicher Beihilfen zu vermeiden, damit die Entscheidungen möglichst rasch getroffen werden können. Zudem sollte für die Mitgliedstaaten aus den Anmeldeformularen deutlicher hervorgehen, welche Art von Informationen die Kommission benötigt, um die verschiedenen Beihilfemaßnahmen richtig beurteilen zu können. Da zusätzliche Auskunftsersuchen entfallen, dürfte sich das Prüfverfahren somit beschleunigen.

370. Ferner soll die Reform spürbare Verbesserungen bei der Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ermöglichen, indem sie einen intensiveren Dialog und Informationsaustausch fördert und die regionalen, lokalen und nationalen Behörden sowie die Justizorgane der Mitgliedstaaten stärker für die Beihilfeproblematik sensibilisiert. Zugleich soll die Beihilfekontrolle so gestaltet werden, dass sie einen Beitrag zu Gemeinschaftsmaßnahmen, insbesondere zur Agenda der Wirtschaftsreform leistet. Das Ergebnis der Reform sollten schlanke, übersichtliche und transparente Verfahren sowie solide wirtschaftliche und verlässliche Kriterien für die Beurteilung von staatlichen Beihilfemaßnahmen sein.

Kasten 7: Prüfung auf erhebliche Auswirkungen

Im Verlaufe des Jahres 2003 setzte sich die GD Wettbewerb eingehend mit der Frage auseinander, wie es möglich ist, Beihilfen, bei denen nicht mit erheblichen Auswirkungen auf den Wettbewerb gerechnet wird, zu definieren, gleichzeitig aber eine strenge Kontrolle über Beihilfen auszuüben, die verzerrend wirken können. Vorrang sollte offenkundig den Fällen Vorrang gegeben werden, in denen eher davon auszugehen ist, dass andere Mitgliedstaaten negativ betroffen sind.

Im Ergebnis dieser Analyse wurden zwei einander ergänzende Instrumente geplant. Das erste zieht besonders die begrenzte Höhe der betreffenden Beihilfe und deren Zielsetzungen heran. Ausgangspunkt dafür ist die Annahme, dass bei ansonsten gleichen Bedingungen die Wettbewerbsverzerrung in dem Maße abnimmt, wie auch der Beihilfebetrag sinkt. Ist der Beihilfebetrag klein genug, kann dies ausreichen, um eine Beihilfe als ,weniger bedenklich" einzustufen. Das zweite Instrument beruht stärker auf sektorbezogenen Erwägungen, wobei versucht wird, Aktivitäten zu bestimmen, bei denen der Handel zwischen Mitgliedstaaten weniger ausgeprägt ist. In der Tat würden Sektoren, die nicht handelsfähige Güter und Dienstleistungen herstellen, keine Verlagerung der Produktion aus anderen Mitgliedstaaten bewirken. Allerdings könnte die Niederlassung ausländischer Wettbewerber verhindert werden. Diese Gefahr lässt sich verringern, indem sichergestellt wird, dass die Beihilfe zu nicht diskriminierenden Bedingungen gewährt wird. Um zu vermeiden, dass einzelne Akteure innerhalb eines Sektors über Gebühr von der Beihilfe profitieren, werden zusätzliche Auflagen festgelegt.

Transparenz

371. Angesichts der starken Verflechtungen im Binnenmarkt kann das vereinbarte Ziel der Wirtschaftsmodernisierung nur auf der Grundlage konzertierter Aktionen und des Austausches von Informationen über optimale Verfahren verwirklicht werden. Die grundlegenden Instrumente für diesen Austausch sind das Register der staatlichen Beihilfen und der Beihilfenanzeiger. Beide gibt es seit 2001, doch wurden sie inzwischen weiterentwickelt.

Entwicklung statistischer Instrumente

372. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, statistische Angaben und ausführliche Informationen über ihre Beihilferegelungen vorzulegen. Im Zuge der Reform der Verfahrensverordnung wird derzeit ein Vorschlag der Kommission für ein standardisiertes Format für die jährliche Berichterstattung über aller bestehenden Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen angenommen. Dank dieses Berichterstattungsformats kann die Kommission dann von den Mitgliedstaaten genaue Informationen über die Art und Höhe der gewährten Beihilfen erhalten und sich so einen allgemeinen Überblick über die Auswirkungen der verschiedenen Beihilfearten auf den Wettbewerb verschaffen.

Beihilfenanzeiger

373. Vor dem Hintergrund des Ziels, die EU zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen, rief der Rat von Lissabon im März 2000 den Rat, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, ihre Anstrengungen zur Verringerung der allgemeinen Höhe staatlicher Beihilfen fortzusetzen. Wie sich zeigt, haben die meisten Mitgliedstaaten Schritte unternommen, um diese Verpflichtungen zur Reduzierung und Neuausrichtung der Beihilfen zu erfuellen. Der Gesamtumfang der staatlichen Beihilfen in den 15 Mitgliedstaaten als Anteil am BIP geht weiter zurück: 2002 wurden insgesamt 49 Mrd. EUR gewährt, was 0,56% des BIP entspricht, während es 1998 noch 60 Mrd. EUR waren.

374. Im November 2002 verabschiedete der Rat ,Wettbewerbsfähigkeit" weitere Schlussfolgerungen zu einem wirtschaftlichen Ansatz für weniger und bessere staatliche Beihilfen. Im Mittelpunkt steht dabei die Entwicklung einer breiteren Analyse der Auswirkungen staatlicher Beihilfen durch die Förderung eines umfassenderen Dialogs und Erfahrungsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten. Sie wurden u. a. aufgefordert zu prüfen, ob ein Eingriff in Form staatlicher Beihilfen die am besten geeignete und wirksamste Maßnahme bei Fehlentwicklungen des Marktes ist. Der Fortschrittsbericht von 2002 an den Rat über die Reduzierung staatlicher Beihilfen beinhaltete eine formelle Bitte an die Mitgliedstaaten, eine Beschreibung ihrer Maßnahmen vorzulegen, die sie zur Umsetzung der verschiedenen Schlussfolgerungen zu staatlichen Beihilfen unternommen haben.

375. Die Herbstausgabe 2003 des Beihilfenanzeigers enthält eine Zusammenfassung der von 13 Mitgliedstaaten eingegangenen Beiträge. Betrachtet werden darin außerdem einige der den Wettbewerb am stärksten verzerrenden Arten staatlicher Beihilfen, die Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten, sowie jüngste Entwicklungen im Reformprogramm der Kommission zu staatlichen Beihilfen. Die Frühjahrsausgabe 2004 vermittelt einen Überblick über die Beihilfesituation in der Union und untersucht anhand aktueller Daten (2002) die grundlegenden Tendenzen. Zusätzlich besteht seit 2002 eine ständige Online-Ausgabe mit Informationen über Schlüsselindikatoren, mit statistischen Angaben und einem Forum der Mitgliedstaaten.

376. Bei der Bearbeitung der einzelnen Fälle verfolgt die Kommission in ihrer Beihilfepolitik seit einiger Zeit einen eher wirtschaftlichen Ansatz. Sie hat ihre Beihilfepolitik auf Fälle und Themen ausgerichtet, die für die künftige Entwicklung des Binnenmarktes von Bedeutung sind. Darum standen Fälle wie die staatlichen Bürgschaften für deutsche, österreichische und französische staatliche Banken, Kapitalübertragungen an Landesbanken in Deutschland, Deutsche Post, die unbegrenzte staatliche Bürgschaft für EdF oder auch der ,Aktionärsvorschuss" zugunsten von France Télécom im Jahre 2003 an vorrangiger Stelle auf der Tagesordnung der Kommission.

377. Eine andere wichtige Problematik sind die steuerlichen Beihilfen, bei denen die Messung der staatlichen Beihilfen am Verhaltenskodex zur Bekämpfung des schädlichen Steuerwettbewerbs mehrere potenziell schädliche Steuermaßnahmen ans Licht gebracht hat, die anschließend als staatliche Beihilfen geprüft wurden. Eine Reihe von Fällen sind in diesem Zusammenhang entschieden worden, teilweise mit Übergangsfristen für die Mitgliedstaaten zur Anpassung ihrer Systeme.

1.2 Legislative Tätigkeit

1.2.1. Staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten

378. Im Rahmen der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten von 1999 [178] können staatliche Beihilfen, die es Unternehmen in Schwierigkeiten ermöglichen, den Konkurs zu vermeiden, und ihre Umstrukturierung erleichtern, nur unter bestimmten strengen Auflagen für den Beihilfeempfänger und die Mitgliedstaaten als vereinbar angesehen werden. Eine derzeit stattfindende Überprüfung dieser Leitlinien, die noch bis Oktober 2004 gelten, dient dem Ziel, die Auflagen zu straffen und zugleich die Vorschriften zu vereinfachen und Schlupflöcher zu schließen. Derzeit werden hauptsächlich folgende Möglichkeiten erwogen:

[178] ABl. L 288 vom 9.10.1999, S. 2-18.

- Beschränkung der Rettungsbeihilfen auf widerrufliche, befristete Finanzhilfen, die nur so lange gewährt werden, bis ein umfassender Umstrukturierungsplan in Kraft gesetzt werden kann.

- Beihilfenkontrolle vorrangig bei großen Unternehmen mit EU-weitem Warenverkehr. Diese Unternehmen verfügen meist über einen größeren Marktanteil und ihnen gewährte staatliche Beihilfen haben einen größeren Einfluss auf Wettbewerb und Handel.

- Stärkung des Grundsatzes (vor allem bei großem Unternehmen), nach dem der Beihilfeempfänger verpflichtet ist, einen großen Teil der Umstrukturierungskosten ohne Beihilfen zu finanzieren.

379. Außerdem sind technische Aspekte zu prüfen, z. B. die Anwendung des Grundsatzes der ,einmaligen Beihilfe" im Zusammenhang mit kurzfristigen Rettungsmaßnahmen, oder die Möglichkeit, zur Ermittlung der Höhe einer Rettungsbeihilfe automatisch anwendbare Kriterien aufzustellen.

380. Diese derzeit laufende Überprüfung ist ein komplizierter Prozess mit umfangreichen internen und externen Beratungen. Angestrebt wird, dass die neuen Leitlinien vorliegen, bevor die Geltungsdauer der jetzigen endet.

1.2.2. Rahmenbestimmungen für den Schiffbau

381. Am 26. November verabschiedete die Kommission neue Rahmenbestimmungen für Beihilfen an den Schiffbau [179] zur Ablösung der Verordnung (EG) Nr. 1540/98 des Rates vom 29. Juni 1998 zur Neuregelung der Beihilfen für den Schiffbau [180], die am 31. Dezember 2003 auslaufen sollte. Oberstes Prinzip war die Vereinfachung und Vereinheitlichung der Beihilferegelungen für den Schiffbau sowohl formell aus auch inhaltlich. Damit wird auch der mit der Verordnung von 1998 eingeleitete ,Normalisierungsprozess" abgeschlossen, in der ein Auslaufen von Betriebsbeihilfen vorgesehen war [181].

[179] ABl.C 317 vom 30.12.2003, S. 11.

[180] ABl. L 202 vom 18.7.1998, S.1-10.

[181] Der befristete Schutzmechanismus war eine außergewöhnliche und begrenzte Maßnahme, deren Einführung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht ohnehin bedenklich war. Aus der Verordnung ging eindeutig hervor, dass Beihilfen nur genehmigt werden durften, wenn eine koreanische Werft um den gleichen Auftrag konkurrierte und einen niedrigeren Preis bot. In praktischer Hinsicht war bei der Prüfung der entsprechenden Beihilfevorhaben vor allem der Nachweis eines solchen Konkurrenzangebots von Relevanz. Die Beweispflicht durfte dabei nicht mit so hohen Hürden verbunden werden, dass die Verordnung in der Praxis unwirksam geworden wäre. Bisher hat die Kommission befristete Schutzmaßnahmen in Dänemark, Deutschland, den Niederlanden und Frankreich genehmigt.

382. Die neuen Regeln wurden in Form eines Gemeinschaftsrahmens erlassen. Dabei wurden horizontale Beihilferegeln so umfassend wie möglich auch auf diesen Wirtschaftszweig ausgeweitet, vor allem was "Gruppenfreistellungen" für Ausbildungs-, KMU-, Beschäftigungs- und De Minimis-Beihilfen anbetrifft, die vorher nicht für den Schiffbau galten. Ferner wurden die Anmeldebestimmungen vereinfacht.

383. Dessen ungeachtet wurden einige sektorspezifische Bestimmungen wegen bestimmter Besonderheiten beibehalten, die den Schiffbau von anderen Industriezweigen unterscheiden und in sektorspezifischen Maßnahmen wie Innovations- und Schließungsbeihilfen, Ausfuhrdarlehen, Entwicklungshilfe und Regionalbeihilfen zum Ausdruck kommen.

384. Die neuen Rahmenbestimmungen zu Innovationsbeihilfen bilden wohl den bemerkenswertesten Abschnitt der neuen Rahmenregelung. Diese Beihilfen waren wegen der besonderen Erfordernisse der Schiffbauindustrie - kurze Produktionsreihen, Größe, Wert und Komplexität der Produkte - in der Schiffbau-Verordnung von 1998 eingeführt worden und können nur in diesem Wirtschaftszweig gewährt werden. Die Anwendung der einschlägigen Vorschrift verlief jedoch nicht völlig zufrieden stellend. Die neuen Rahmenbestimmungen sollen die Unterstützung der Innovationstätigkeit mittels zweier wesentlicher Änderungen verbessern und stärken [182]. Zum einen wurde die Definition des Innovationsbegriffs besser auf die Natur und die besonderen Bedürfnisse der Branche zugeschnitten. Zweitens wurde die zulässige Beihilfeintensität von 10% auf 20% erhöht. Damit soll diese Vorschrift praktikabler und für die Branche attraktiver werden. Der Nachweise spezifischer Anreizeffekte ist jedoch auch weiterhin erforderlich; so dürfen nur Vorhaben gefördert werden, die das Risiko eines technischen oder industriellen Fehlschlags in sich bergen.

[182] Ziff. 15 des Gemeinschaftsrahmens.

385. Um die Schließung nicht überlebensfähiger Kapazitäten und den Übergang zu spezialisierten Hich-Tech-Marktsegmenten zu erleichtern, können weiterhin ganze oder teilweise Schließungen mit Beihilfen gefördert werden. Schließlich verweist die neue Rahmenregelung wie die Verordnung von 1998 auf die OECD-Regeln für Exportkredite und Entwicklungshilfe und enthält Sonderbestimmungen für Regionalbeihilfen.

1.2.3. Neue Leitlinien für den Seeverkehrssektor

386. Am 30. Oktober veröffentlichte die Kommission die neuen Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr, mit denen beabsichtigt ist, die Überwachung der Auswirkungen staatlicher Beihilfen zu verstärken, neue Bestimmungen über Steuerbefreiungen zu erlassen und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb im Binnenmarkt zu gewährleisten.

1.2.4. Durchführungsverordnung

387. Die Kommission hat eine neue Verordnung vorgeschlagen, mit der bestimmte Teile der Verfahrensverordnung 659/99 durchgeführt und präzisiert werden sollen, insbesondere die Vereinfachung und Bündelung der Anmeldeverfahren. Dazu werden Berechnungsmethoden für Fristen und Zinsen in Rückforderungsverfahren erläutert. Mit einer Annahme ist im ersten Quartal 2004 zu rechnen.

1.2.5. Multisektoraler Rahmen

388. Nach intensiven Beratungen mit den Mitgliedstaaten hat die Kommission den ,multisektoralen Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben" geändert, der 2002 angenommen worden war, und die Kontrolle der staatlichen Beihilfen für Großvorhaben schneller, einfacher und transparenter zu gestalten [183].

[183] XXXII. Bericht über die Wettbewerbspolitik 2002, S. 112.

389. Um schwerwiegende Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, gelten für Wirtschaftszweige mit strukturellen Schwierigkeiten strenge Regeln. Eine Liste dieser Wirtschaftszweige sollte bis Ende 2003 vorliegen. Wegen methodischer und technischer Schwierigkeiten, und um die Forderungen mehrerer Mitgliedstaaten zu berücksichtigen, hat die Kommission die Annahme der Liste verschoben.

390. Deswegen hat die Kommission am 30. Oktober 2003 den Mitgliedstaaten als zweckdienliche Maßnahme gemäß Artikel 88 Absatz 1 EGV die Verlängerung der bestehenden Übergangsregeln für ,sensible" Sektoren bis 31.12.2006 vorgeschlagen gelten wird. Demnach sind in der Kunstfaserindustrie überhaupt keine und in der Kraftfahrzeugindustrie nur begrenzte Beihilfen für Großvorhaben zulässig. Für regionale Investitionsvorhaben im Schiffbau wurde eine Verfahrensanforderung vorgeschlagen

391. Die Mitgliedstaaten haben die Kommissionsvorschläge angenommen; der Beihilferahmen von 2002 wurde entsprechend modifiziert [184].

[184] ABl. C 263 v. 1.11.2003.

1.2.6. FuE-Beihilfen für KMU

392. Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen können zu mehr Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung beitragen. Für KMU sind sie von besonderer Bedeutung, da gerade diese strukturell beim Zugang zu neuen technologischen Entwicklungen und zu Technologietransfer benachteiligt sind. Die Kommission sieht in FuE-Beihilfen einen Anreiz für KMU, stärker in Forschung und Entwicklung tätig zu werden, für die sie in der Regel nur einen geringen Anteil ihres Umsatzes aufwenden. Deswegen hat sie am 12. August eine Änderung der Verordnung Nr. 70/2001 vorgeschlagen, durch die FuE-Beihilfen einbezogen werden sollen [185]. Die Änderung wurde am 28. Februar 2004 angenommen.

[185] ABl. C 190 v. 12.8.2003, S. 3.

1.2.7. Vorläufiger Beitrag zu staatlichen Beihilfen für eine Breitbandinfrastruktur für ARCP

393. Am 28. Juli nahmen die Kommissionsdienststellen ein Arbeitsdokument mit ,Leitlinien für die Kriterien und Modalitäten des Einsatzes der Strukturfonds zur Förderung der elektronischen Kommunikation" an. Diese Leitlinien betreffen in erster Linie Kriterien für die Gewährung von Gemeinschaftsfördermitteln für Initiativen zur Bereitstellung einer Breitbandinfrastruktur, enthalten aber auch Erwägungen zu damit verbundenen Beihilfeaspekten. Im Zusammenhang mit den Wettbewerbsregeln ist zu beachten, dass Gemeinschaftsförderung keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 darstellt, sondern denselben Regeln unterliegt. Bei der Ermittlung der mit dem Gemeinsamen Markt vereinbaren Beihilfehöhe ist die Finanzierung durch die Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Folgende Aspekte werden in den Leitlinien behandelt:

Infrastruktur im öffentlichen Eigentum

394. Die Finanzierung einer im öffentlichen Eigentum befindlichen Breitbandinfrastruktur stellt keine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 dar. Die Vergabe der Aufträge für die Arbeiten zur Errichtung einer solchen Infrastruktur muss in Übereinstimmung mit den einschlägigen Rechtsvorschriften erfolgen. Wird die Infrastruktur Privatunternehmen zugänglich gemacht, so hat dies in nicht diskriminierender Weise und gegen Zahlung angemessener Gebühren zu erfolgen. In Fällen, in denen der Markt keine gleichwertigen Dienste gewährleisten kann, müssen diese Gebühren nicht die gesamten Investitionskosten decken, aber sie sollten den Nutzern der Infrastruktur keine zusätzlichen Einnahmen bringen.

395. Wird auf dem Markt bereits ein Dienst angeboten, der dem durch die Infrastruktur bereitgestellten Dienst gleichwertig ist, so ist die Infrastruktur zu Gebühren zu vermieten, die eine Deckung der Kosten und eine angemessene Rentabilität der Investition gewährleisten. Wird der Betrieb der Anlagen an Dritte übertragen, so sollte dies zeitlich befristet sein und im Wege eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahrens (vorzugsweise Wettbewerbsverfahrens) und gegen Entrichtung eines marktgerechten Ausgleichs durch den Lizenzinhaber erfolgen. Dieses Verfahren sollte in der Regel auf der geeigneten Ebene (national, regional oder lokal) unter Aufsicht der zuständigen Behörde durchgeführt werden, die die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften und die Übereinstimmung mit den nationalen und regionalen Politiken im Bereich der Informationsgesellschaft sicherzustellen hat. Dem Betreiber der Infrastruktur soll zur Auflage gemacht werden, die Infrastruktur so zu betreiben, dass alle Betreiber von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten weiterhin unter nicht diskriminierenden Bedingungen Zugang zu dieser Infrastruktur haben.

Infrastruktur im Eigentum von Privatunternehmen

396. Im Falle der (Ko-)Finanzierung einer Infrastruktureinrichtung, die sich im Eigentum eines Privatunternehmens befindet, ist die staatliche Beteiligung an die Auflage zu knüpfen, dass die Infrastruktur so zu betreiben ist, dass weiterhin alle Betreiber von elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten unter nicht diskriminierenden Bedingungen Zugang zu dieser Infrastruktur haben.

397. Die staatliche Finanzierung sollte nachweislich dem Mindestbetrag entsprechen, der für das Fortschreiten des Projekts erforderlich ist, um sicherzustellen, dass der Betreiber der Infrastruktur für seine Tätigkeit nicht mehr erhält als unter normalen Marktbedingungen. Der staatliche Beitrag sollte daher im Wege einer offenen Ausschreibung vergeben werden. Dieses Verfahren sollte in der Regel auf der geeigneten Ebene (national, regional oder lokal) unter Aufsicht der zuständigen Behörde durchgeführt werden, die die Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften und die Übereinstimmung mit den nationalen und regionalen Politiken im Bereich der Informationsgesellschaft sicherzustellen hat. Die Bewerber werden aufgefordert, ihr technisches und finanzielles Angebot zu unterbreiten. Den Zuschlag sollten der oder die Betreiber erhalten, die elektronische Kommunikationsnetze, die den für den Dienst erforderlichen Mindestanforderungen (Qualität der Dienste, Verbesserungsmöglichkeiten usw.) entsprechen, zu den niedrigsten Kosten anbieten.

Der Fall von Infrastrukturprojekten mit kontrolliertem Zugriff

398. Die direkte Finanzierung von Anlagen und Ausrüstungen, die nicht generell zugänglich, sondern einem oder mehreren Betreibern vorbehalten sind, stellt keine Finanzierung eines Infrastrukturprojekts mit ,offenem Zugriff" dar. Dies ist beispielsweise bei Anlagen der Fall, die aufgrund einer Vereinbarung mit der Regulierungsbehörde einem spezifischen Betreiber vorbehalten sind.

399. Die Finanzierung von Anlagen und Geräten, die einem spezifischen Endnutzer vorbehalten sind, kann eine staatliche Beihilfe darstellen, wenn es sich bei dem Nutzer um ein Unternehmen handelt. In bestimmten Fällen gilt eine solche Finanzierung nicht als staatliche Beihilfe, wenn sie für die Erbringung einer Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erforderlich ist. In Fällen, in denen die Finanzierung eine staatliche Beihilfe darstellt, könnte sie unter Umständen als mit den Regeln für Beihilfen an kleine und mittlere Unternehmen, Beihilfen mit regionaler Zielsetzung oder ,De-minimis"-Beihilfen vereinbar angesehen werden.

400. Bei der Erbringung der Dienste sind die Grundsätze der Transparenz, Nichtdiskriminierung, Verhältnismäßigkeit und geringstmöglichen Marktverfälschung einzuhalten. Wird der Dienstleistungsauftrag nicht als Ergebnis eines offenen, transparenten und nicht diskriminierenden Verfahrens vergeben, so muss der Betreiber für den betreffenden Dienst ein separates Kostenrechnungssystem führen, anhand dessen der Betrag der öffentlichen Ausgleichszahlungen bzw. der jährlich anzupassenden Gebühren für die Nutzung des Dienstes ermittelt werden kann.

1.2.8. Überprüfung der Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung für den Zeitraum ab Januar 2007

401. In den Leitlinien von 1998 für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung ist festgelegt, dass die Kommission sie innerhalb von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt ihrer Anwendbarkeit, überprüfen wird [186]. Die Kommission hat eine solche Überprüfung im Frühjahr 2003 durchgeführt und ist zu dem Schluss gekommen, dass eine Überarbeitung der Leitlinien noch nicht erforderlich ist. Am 2.April 2003 [187] beschloss sie, innerhalb eines angemessenen Zeitraums eine umfassende Überprüfung vorzunehmen, damit die Mitgliedstaaten und die Kommission die Fördergebietskarten für den Zeitraum ab dem 1.Januar 2007 festlegen, anmelden und genehmigen lassen können.

[186] ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9-31 (98/C 74/06)

[187] ABl.C 74 vom 10.3.1998.

402. Um den mit der Erweiterung, der Konjunkturentwicklung und der politischen Betonung der Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit Europas einhergehenden Strukturveränderungen Rechnung zu tragen, hat die Kommission begonnen, sich umfassend mit der Zukunft ihrer Regionalbeihilfepolitik auseinanderzusetzen. Dieser Prozess vollzieht sich in enger Zusammenarbeit mit alten und neuen Mitgliedstaaten und in jeder Hinsicht transparent. So wurden die alten und neuen Mitgliedstaaten aufgefordert, Anmerkungen zu übermitteln, die sie bezüglich einer Überprüfung der Regionalbeihilfen für relevant halten.

2. Erweiterung [188]

[188] Siehe auch Kapitel V über Internationale Tätigkeiten.

403. Am 16.April 2003 wurden in einem feierlichen Akt die Beitrittsverträge mit zehn Ländern unterzeichnet. Die Vorbereitungen auf die Einbindung der zehn Länder in die Europäische Union haben zu einer ersten Aufstellung bestehender Beihilfemaßnahmen geführt, die in den Beitrittsvertrag der zehn neuen Mitgliedstaaten aufzunehmen sind. Diese Arbeit wurde im Rahmen des so genannten Interimsverfahrens, dem Rechtsrahmen für die Bewertung der in den neuen Mitgliedstaaten vor dem Beitrittstermin in Kraft gesetzten Beihilferegelungen und Einzelbeihilfen, die über den Zeitpunkt des Beitritts hinaus gelten, fortgesetzt. Es gilt für jene Beihilfen, die nicht bereits als ,bestehende Beihilfen" im Anhang IV zur Beitrittsakte aufgeführt sind. Dieses Verfahren wird bis zum 30. April 2004 angewandt und verlangt von den künftigen Mitgliedstaaten, geplante Beihilfemaßnahmen bei der Kommission anzumelden.

404. So müssen die künftigen Mitgliedstaaten der Kommission regelmäßig eine Aufstellung der laufenden Beihilfemaßnahmen, die von den nationalen Behörden für die Beihilfekontrolle bewertet und für vereinbar mit dem Besitzstand befunden wurden, sowie alle sonstigen Angaben übermitteln, die für die Beurteilung der Vereinbarkeit der zu prüfenden Beihilfemaßnahme von Bedeutung sind. Auf ihre Anmeldung hin wird die Kommission die Vereinbarkeit der nach der Erweiterung anwendbaren angemeldeten Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt untersuchen. Eventuelle Einwände gegen eine bestimmte angemeldete Beihilfemaßnahme muss die Kommission innerhalb von drei Monaten nach Erhalt aller dazugehörigen Angaben erheben und mit ernsthaften Zweifeln an deren Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt begründen. Beschließt die Kommission, Einwände gegen eine bestimmte Maßnahme zu erheben, dann geschieht das in Form einer Entscheidung zur Einleitung des Prüfverfahrens nach Artikel 88 Absatz 2. Vor dem Beitrittsdatum getroffene Entscheidungen treten erst am Beitrittstag in Kraft.

B - Der Begriff der staatlichen Beihilfe

1. Herkunft der Mittel

405. Am 19. März genehmigte die Kommission zwei niederländische Maßnahmen mit der Bezeichnung MEP (Milieukwaliteit van de ElektriciteitsProductie - Umweltqualität der Stromgewinnung) zur Förderung erneuerbarer Energieträger [189] bzw. der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) [190]. Mit dieser Förderregelung soll die Angebotsseite unterstützt werden. Bereitgestellt wird für einen festen Zeitraum von höchstens zehn Jahren eine Betriebsbeihilfe von insgesamt 2,503 Mrd. EUR. Die Finanzierung der angemeldeten Regelung erfolgt durch einen Pflichtbeitrag der Stromverbraucher in Form einer erhöhten Anschlussgebühr, die in einen Fonds fließt. Dieser Fonds wird niederländische Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energieträgern und von KWK-Strom fördern, die ihren Strom in das Hochspannungsnetz einspeisen.

[189] Sache N 707/2002.

[190] Sache N 708/2002.

406. Drei Beihilfekriterien, nämlich Selektivität, Vorteil und Beeinträchtigung des Handels, waren in diesem Fall offenkundig erfuellt. Die Finanzierung mit staatlichen Mitteln erfolgt aus einem Fonds. In der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind drei kumulative Kriterien für die Bewertung der Einbeziehung staatlicher Mittel aufgestellt worden, wenn dieses Geld aus einem Fonds gezahlt werden soll [191]: Der Fonds muss vom Staat errichtet werden, er muss durch vom Staat vorgeschriebene oder verwaltete Abgaben gespeist werden und er muss zur Begünstigung konkreter Unternehmen eingesetzt werden. Die Kommission stellte fest, dass der Fonds vom Staat errichtet wurde, von dem staatlichen Unternehmen TenneT verwaltet wird und nur die niederländischen Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energieträgern und von KWK-Strom unterstützt. Deshalb gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die Regelung eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag darstellte. Die Kommission bewertete die Maßnahmen anhand des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen [192].

[191] Urteil des EuGH vom 2.7.1974, C-173/73 Italien / Kommission und Urteil vom 22.3.1997, C-78/76 Steinike/Deutschland.

[192] ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

407. Die Regelung wird durch eine Pflichtabgabe aller Stromverbraucher in Form einer erhöhten Anschlussgebühr finanziert, die für alle Verbraucher gleich hoch ist (also unabhängig davon, ob es sich um einen Groß- oder Kleinabnehmer handelt). Die Erhöhung wird sich 2003 auf 34 EUR belaufen. Aus energie- und umweltpolitischer Sicht befürwortet die Kommission ein solches System nicht, da es nicht dem Verursacherprinzip folgt. Zudem könnte es auch dem Grundsatz des ,Universaldienstes" zuwiderlaufen: Der für Qualitätsstrom zu zahlende Preis könnte für Kleinabnehmer unverhältnismäßig hoch erscheinen. Gleichwohl bleibt es nach dem derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts den Mitgliedstaaten überlassen, ihre steuerlichen und sonstigen Regelungen selbst zu gestalten.

408. Am 24. Juni genehmigte die Kommission direkt nach Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag einen niederländischen Rechtsrahmen für ein System für den Emissionshandel mit den Luftschadstoffen NOx [193], das von privaten Unternehmen genutzt werden kann. Die Kommission hat bereits mehrere ähnlich gelagerte Entscheidungen zu Emissions- bzw. Schadstoffhandelssystemen erlassen, die im Zusammenhang mit der angemeldeten Regelung stehen. In diesen Systemen kommen viele unterschiedliche handelbare Emissions- bzw. Verschmutzungsberechtigungen zum Einsatz, wie etwa in Form von Quoten, Anteilen, Zertifikaten und Gutschriften. Die Kommission betrachtet handelbare Emissionsberechtigungen als immaterielle Werte, die den Empfängern von den Behörden zur Verfügung gestellt werden. Ein Bewertung der Beihilfen ergibt, dass zwei Arten von Handelssystemen bestehen: ein System fällt in den Anwendungsbereich von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag [194], das andere nicht.

[193] N 35/2003, ABI C 227 vom 27.9.2003.

[194] Siehe z. B. Entscheidung der Kommission vom 29.3.2000, Sache N 653/1999, Dänemark - CO2-Quotensystem (ABl. C 322 vom 11.11.2000, S. 9) und Entscheidung der Kommission vom 28.11.2001, Sache N 416/2001, Vereinigtes Königreich - Regelung für den Emissionshandel (ABl. C 88 vom 12.4.2002, S. 16)

409. Die beiden Systeme unterscheiden sich danach, ob den öffentlichen Behörden eine andere Möglichkeit zur Verfügung steht, als den immateriellen Wert an den Empfänger zu verkaufen oder zu versteigern. Beim ersten System gibt es einen Grund dafür, warum die öffentlichen Behörden die Emissions- bzw. Verschmutzungsberechtigung an den Verursacher der Emission bzw. des Schadstoffausstoßes verkaufen oder versteigern, erlangt er doch über diese Bescheinigung das Recht auf Emission bzw. Schadstoffausstoß (in direkter oder indirekter Form). Bei der zweiten Form hat die handelbare Bescheinigung für den Empfänger gegenüber dem Staat keinen Wert und dient lediglich als amtlicher Beleg für eine bestimmte Produktion oder Emission.

410. Wenn es einen Markt für den Handel mit Emissions- bzw. Verschmutzungsberechtigungen gibt, so ist das ein Hinweis darauf, dass dem immateriellen Wert ein Preis zugeordnet wird. Die Tatsache, dass Unternehmen Ausgaben tätigen müssen, um handelbare Emissions- bzw. Verschmutzungsrechte verwerten zu können, ändert nichts daran, dass hier ein Vorteil besteht, kann aber als positiver Faktor bei der Bewertung der Vereinbarkeit der betreffenden Regelung mit dem Gemeinsamen Markt berücksichtigt werden.

411. Erstens tragen handelbare NOx-Gutschriften direkt zum absoluten Emissionsniveau bei, das vom Staat für jedes Unternehmen vorgegeben wird. Dadurch kann das angemeldete NOx-Emissionshandelssystem mit der direkten Vergabe eines NOx-Emissionsanteils verglichen werden. Zweitens ist der Erzeuger selbst verpflichtet, das ihm zugewiesene Emissionsniveau einzuhalten. Drittens haben die niederländischen Behörden die Möglichkeit, Emissionsrechte zu verkaufen oder zu versteigern. Somit stellen diese privaten Systeme staatliche Mittel im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar.

412. Am 17. September schloss die Kommission ihr förmliches Prüfverfahren ab, mit dem ermittelt werden sollte, ob im Zusammenhang mit dem Projekt Space Park Bremen in Deutschland staatliche Beihilfen gewährt wurden [195]. Die Kommission gelangte zu dem Schluss, dass die Beteiligung von Bremen an der Köllmann AG, dem Hauptinvestor des Projekts, gegenstandslos geworden war, da es nicht zu der Beteiligung kam. Da Deutschland argumentiert hatte, es seien keine staatlichen Mittel geflossen und die Gewährung des Darlehens könne nicht dem Staat zugeschrieben werden, da es von einem öffentlichen Unternehmen gewährt worden sei, legte die Kommission die vom EuGH im so genannten Stardust-Urteil [196] aufgestellten Vorschriften zugrunde und folgerte, dass staatliche Mittel beteiligt waren und die Gewährung des Darlehens den deutschen Behörden zuzurechnen war.

[195] Rechtssache C 53/2002.

[196] Rechtsssache C-482/99; siehe auch Frankreich / Kommission (,Stardust Marine"), EuGH, Slg. 2002, I-04397.

413. Nach eingehender Prüfung der Bedingungen des Darlehens und seines Beihilfeelements unter Marktbedingungen beschloss die Kommission, eine teilweise -Negativentscheidung zu erlassen. Sie stellte fest, dass das Darlehen eine unrechtmäßige und unvereinbare staatliche Beihilfe enthielt, die ausgehend von der Differenz zwischen dem tatsächlichen erhobenen Zinssatz und dem eigentlich hier anwendbaren Referenzzinssatz zu berechnen war, der zum 1. April 2002 um 400 Basispunkte angehoben wurde, um dem angenommenen erhöhten Risiko für den Darlehensgeber Rechnung zu tragen. Weiterhin stellte die Kommission fest, dass Deutschland unverzüglich alle erforderlichen Maßnahmen treffen müsse, um das in dem Darlehen enthaltene Element der unrechtmäßigen und unvereinbaren staatlichen Beihilfe mit sofortiger Wirkung zu beseitigen. Sollte das Darlehen weiter bestehen, muss Deutschland die Maßnahme umgehend ändern und einen Zinssatz in Höhe des Referenzzinssatzes zuzüglich 400 Basispunkte verlangen sowie eine Bestimmung dahingehend einfügen, dass das Darlehen kurzfristig zurückzuzahlen ist.

2. Einem oder mehreren Unternehmen gewährter Vorteil

414. In ihrer Entscheidung vom 17. September 2003 über eine von Italien notifizierte Beihilferegelung [197] vertrat die Kommission die Ansicht, dass keine Begünstigung im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag vorliegt, da die Regelung den Investoren, dem Fonds und den Unternehmen, in denen Investitionen getätigt werden, keine Vorteile bringt. Daher gelangte sie zu dem Schluss, dass die fragliche Maßnahme keine staatliche Beihilfe darstellt.

[197] Sache N 511/2002.

415. Die Kommission stützte sich bei ihrer Einschätzung auf die Mitteilung ,Staatliche Beihilfen und Risikokapital" [198]. Gemäß dieser Mitteilung ist, wenn staatliche Mittel zu denselben Bedingungen bereitgestellt werden, wie es bei privaten Kapitalgebern der Fall wäre (,pari passu"), in der Regel darauf zu schließen, dass die Maßnahme keinen Vorteil mit sich bringt. Bei dieser Regelung hat die Kommission aufgrund mehrerer Faktoren festgestellt, dass keine staatliche Beihilfe vorliegt. Erwähnenswert sind die zwei nachfolgend genannten Faktoren: Der Manager des Risikokapitalfonds, der auch sein eigenes Kapital in den Fonds einbringen muss, ist im Rahmen einer Ausschreibung nach dem niedrigsten Gebot auszuwählen; durch die Regelung wird dem Investor keinerlei Vorzugsbedingung eingeräumt.

[198] ABl. C 235 vom 21.8.2001.

416. Im Fall der Neugründung von Unternehmen in Italien (Sardinien) beschlossdie Kommission die Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt [199]. Aufgrund einiger Abweichungen, die die Regelung aufwies, war es nicht möglich, das Nichtvorliegen einer staatlichen Beihilfe festzustellen. Eine dieser Abweichungen betraf die Vergütung des Fondsmanagers, der zugleich Investor ist, da er sein Kapital in den Fonds einbringt. Die Regelung sieht eine Grundvergütung in Höhe von 5 % des im Jahresdurchschnitt in den Fonds eingezahlten Kapitals vor. Zusätzlich zu dieser Grundvergütung erhält der Fondsmanager/Investor eine Prämie in Höhe von 35 % der Differenz zwischen dem tatsächlichen Ertrag der Beteiligung und dem ,objektiven Mindestertrag". Aufgrund dieser Prämie, die nicht wie bei der anderen Regelung auf 5 % begrenzt ist, konnte die Kommission eine Begünstigung des Fondsmanagers/Investors nicht ausschließen. Da auch die übrigen Voraussetzungen für das Vorliegen einer staatlichen Beihilfe erfuellt waren, kam die Kommission zu dem Schluss, dass die Intervention als staatliche Beihilfe einzustufen ist.

[199] Sache N 597/2002.

417. In einer Entscheidung vom 27. November über eine von Italien angemeldete Regelung [200] hat die Kommission zur Einrichtung von drei Fonds für Beteiligungen, Investitionsbürgschaften und Kapitalvorschüsse für Investoren und Wandeldarlehen Stellung genommen.

[200] Sache N 152/2003.

418. Nach dieser Regelung muss der per Ausschreibung ausgewählte Verwalter des Wagniskapitalfonds sein eigenes Kapital in die Fonds einbringen. Die Auswahl durch Ausschreibung erlaubt u.a. die genaue Bestimmung der Verwaltungskosten, d.h. die maximale Vergütung für den gewählten Verwalter. Die Auswahlkriterien sind technischer (80 von 100 möglichen Punkten) und wirtschaftlicher (20 von 100 Punkten) Natur. Der Preis ist hier folglich nur eines von zwei Zuschlagskriterien. Die Punkteverteilung von 80:20 verschafft den Qualitätskriterien erheblich größeres Gewicht als dem streng objektiven Kriterium der geringsten Kosten für die öffentliche Hand. Wegen dieser augenscheinlich unverhältnismäßigen Gewichtung von technischen und wirtschaftlichen Kriterien besteht die Möglichkeit, dass das öffentliche Vergabeverfahren nicht mit Sicherheit zu der Auswahl derjenigen Anbieter führt, der die ausgeschriebene Leistung zu den geringsten Kosten erbringt [201]. Die Kommission hat aber ferner darauf hingewiesen, dass bestimmte in der Regelung vorgesehene Interventionen notwendigerweise die Verwendung des vom Verwalter/Investor eingezahlten Kapitals zur Folge haben. Ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber würde keine Beihilfen gewähren wollen, die seine Eigenmittel belasten. Aus diesen Gründen ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass eine Beihilfe an den Investor nicht ausgeschlossen werden konnte.

[201] Im Urteil in der Rs. Altmark vom 24.7.2003 (Rs. C-280/00, Rdnr. 93) hat der Gerichtshof die Bedeutung eines ,Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge" hervorgehoben, ,das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann", um exakt zu bestimmen, in welcher Höhe ein Ausgleich für eine Dienstleistung im öffentlichen Interesse zu zahlen ist. Dieser Grundsatz dürfte analog auch auf die hier in Rede stehende Regelung anzuwenden sein.

419. Im Februar 2003 eröffnete die Kommission das Prüfverfahren für neue Maßnahmen zugunsten der Fairchild Dornier GmbH, eines deutschen Flugzeugherstellers, der sich seit März 2002 in Insolvenz befand. Diese neuen Maßnahmen kamen noch zu der 50%igen Ausfallbürgschaft der Bundesregierung und des Freistaats Bayern für ein Darlehen in Höhe von 90 Mio. USD (etwa 85 Mio. EUR) hinzu, die von der Kommission im Juni 2003 genehmigt worden war. Die neue Maßnahme besteht in der Verlängerung der genehmigten Bürgschaft und in Zuschüssen in Höhe von 19,2 Mio. EUR von der Bundesanstalt für Arbeit für die Deckung von 65 % der Kosten eines Sozialplans für die Hälfte der Belegschaft von Dornier. Bei der Untersuchung ging es in erster Linie darum zu klären, ob die Maßnahmen staatliche Beihilfen darstellen. So macht die Bundesregierung geltend, die Maßnahmen fielen wegen des Einzelanspruchs der Beschäftigten nicht in den Anwendungsbereich der Beihilfenkontrolle.

420. Am 13. Mai entschied die Kommission, keine Einwände gegen die Einführung einer Risikoausgleichsregelung auf dem irischen Krankenversicherungsmarkt zu erheben [202]. Mit dieser verfolgen die irischen Behörden das Ziel, Neueinsteiger auf dem Markt daran zu hindern, unter den Versicherungsrisiken Rosinenpickerei zu betreiben. Die Untersuchung der Kommission ergab, dass diese Risikoausgleichsregelung für die Stabilität des Krankenversicherungssystems, für das sich die irischen Behörden entschieden haben, notwendig ist. Dementsprechend ist der Markt für verschiedene Versicherungsprodukte auf einheitliche Tarife angewiesen. Ferner wurde die Regelung so gestaltet, dass die geplanten Ausgleichszahlungen, die von der irischen Krankenversicherungsbehörde (Irish Health Insurance Authority) verwaltet werden, auf den Mindestbetrag begrenzt sind, der notwendig ist, um Unterschiede bei den Risikoprofilen der Krankenversicherungsträger zu neutralisieren. Somit gewährt die Risikoausgleichsregelung den Begünstigten keine Vorteile und steht im Einklang mit den EU-Vorschriften für staatliche Beihilfen.

[202] Sache N 46/2003.

3. Selektivität

421. Am 24. Juni genehmigte die Kommission gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag eine schwedische Investitionsbeihilfe-Regelung, mit der Kosten für den Bau bestimmter Arten von Wohnungen in den Wachstumsregionen Schwedens vorübergehend gesenkt wurden [203]. Gemäß dieser Regelung erhalten Eigentümer kleiner Mietwohnungen Zuschüsse. Im Hinblick auf die Herkunft der Investitionen ist die Regelung neutral, da sie sowohl in- als auch ausländischen Eigentümern/Investoren offen steht.

[203] Sache N 40/2003.

422. Am 30. April eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag zum Energieabgabenvergütungsgesetz in Österreich [204]. Nach diesem Gesetz, das vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2002 galt, haben alle Unternehmen einen Anspruch auf Vergütung der Energieabgaben auf Erdgas und elektrische Energie, wenn diese insgesamt 0,35 % ihres Nettoproduktionswerts übersteigen. Das Energieabgabenvergütungsgesetz von 2000 hat den ursprünglichen Kreis der Begünstigten, insbesondere der Hersteller von Gütern, erweitert, um dem Urteil des EuGH in der Rechtssache Adria-Wien-Pipeline [205] zu entsprechen. Österreich machte geltend, dass die Maßnahme seit dieser Änderung eine allgemeine Maßnahme darstellt. Die Kommission räumt ein, dass mit der Änderung des Gesetzes in der Tat die vorherige Einschränkung auf bestimmte Wirtschaftssektoren beseitigt ist. Dennoch ist sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Meinung, dass auch die abgeänderte Abgabenvergütung noch selektiv ist. Der Schwellenwert von 0,35 % habe nach wie vor die Wirkung, dass von dieser Regelung Unternehmen mit einem gemessen an ihrem Nettoproduktionswert hohen Energieverbrauch begünstigt werden. Diese Unternehmen müssten als selektive Gruppe von Unternehmen im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag angesehen werden.

[204] Sache NN 34/2003.

[205] Rs. C 143/99.

423. Da alle anderen Elemente einer staatlichen Beihilfe vorliegen, würdigte die Kommission die Vereinbarkeit in Bezug auf zwei Gruppen von Begünstigten: die Hersteller von Gütern, für die die Vergütung weiterlief, und den Dienstleistungssektor, für den die Vergütung erst seit 2002 auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen von 2001 gewährt wird [206].

[206] ABl. C 37 vom 3.2.2001.

4. Verfälschung des Wettbewerbs

424. Am 19. März entschied die Kommission, dass der Zuschuss von 4,6 Mio. EUR (9 Mio. DEM), den Deutschland 1997 der Linde AG gewährt hatte, keine Beihilfe im Sinne des EG-Vertrags darstellt [207]. Mit dieser Entscheidung kommt sie einem Urteil des Gerichts erster Instanz vom 17. Oktober 2002 in der Rechtssache T-98/00 nach. Die Linde AG gehört zur Linde-Unternehmensgruppe, die international im Bereich der Technologie tätig ist und weltweit 46 000 Mitarbeiter beschäftigt. Im Jahre 1993 verkaufte die Treuhandanstalt (THA) eine Amin-Produktionsstätte in Leuna (Sachsen-Anhalt) an die Union Chimique Belge (UCB). Gleichzeitig ging die THA eine langfristige Verpflichtung zur Lieferung von Kohlenmonoxid an UCB zu einem Festpreis ein.

[207] ABl. L 250 v. 4.10.2003

425. Allerdings lagen die Herstellungskosten für das Kohlenmonoxid weit oberhalb dessen, was die THA erwartet hatte. Eine Fortführung des Vertrags mit dem darin vereinbarten Preis hätte zu hohen Verlusten für die THA geführt. Um diese Einbußen zu verringern, suchte die THA nach einem Investor, der ihre Verlust bringende Lieferverpflichtung übernehmen würde. Der einzige Investor, der interessiert und objektiv geeignet war, die CO-Lieferverpflichtung der THA zu übernehmen, war die Linde AG, da diese bereits seit 1994 am Standort Leuna Gase herstellte. Die Baukosten für die neue Anlage betrugen 6,4 Mio. EUR (12,5 Mio. DEM). Davon trugen die Linde AG 1,8 Mio. EUR (3,5 Mio. EUR) aus eigenen Mitteln und die BvS (THA-Nachfolgerin) 4,6 Mio. EUR (9 Mio. DEM) (der ,Zuschuss"). Der Zuschuss lag unter den Kosten für eine vollständig neue Anlage, die rund 10,3 Mio. EUR (20 Mio. DEM) gekostet hätte.

426. Im Juli 1999 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren ein, da sie ernsthafte Bedenken hatte, ob es sich bei dem zugunsten von Linde gewährten Zuschuss nicht um eine Beihilfe handelte. Im Januar 2000 beendete die Kommission das Verfahren mit einer teilweise ablehnenden Entscheidung, in der sie befand, dass - gemäß den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung - der Teil, der 35 % der förderbaren Investitionskosten für die Anlage (ca. 2,3 Mio. EUR bzw. 4,4 Mio. DEM) übertraf, mit dem Gemeinsamen Markt nicht zu vereinbaren war. Am 17. Oktober 2002 erklärte das Gericht erster Instanz die Entscheidung der Kommission für nichtig und stellte fest, dass die Linde AG keine Beihilfen erhalten hatte.

427. Ausgehend von diesem Urteil des EuGeI nahm die Kommission eine Neubewertung der Maßnahme vor und befand, dass der Zuschuss keine Beihilfe darstellte, da die Maßnahme offenbar weder den Handel beeinträchtigte noch den Wettbewerb verzerrte. Linde war als einziges Unternehmen objektiv geeignet, das Kohlenmonoxid an UCB zu liefern, und lieferte seine gesamte Erzeugung ausschließlich an UCB. Für die deutsche Regierung bot Linde nur die Gewähr, ihrer Verpflichtung zur Belieferung von UCB mit Kohlenmonoxid weiter nachzukommen. Der Zuschuss beschränkte sich auf den hierfür erforderlichen Mindestbetrag.

5. Beeinträchtigung des Handels

428. Am 2. Juli 2002 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren zur individuellen Anwendung einer Beihilferegelung zugunsten des portugiesischen Unternehmens Vila Galé für den Erwerb und die Renovierung eines Hotels in Brasilien ein [208]. Die geplante Beihilfemaßnahme umfasst sowohl nationale Mittel als auch Gemeinschaftsmittel aus dem EFRE. Im Ergebnis ihrer Untersuchung gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die EFRE-Mittel nicht für eine Investition außerhalb der EU verwendet werden dürfen.

[208] Rs. C 47/2002.

429. Darüber hinaus hatte die Kommission, da es keine Leitlinien der Gemeinschaft für den Tourismus gibt, diese Beihilfe direkt auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c zu prüfen. Insbesondere untersuchte sie, ob die Beihilfe zur Entwicklung des Tourismus in Portugal beitragen würde, ohne dabei den Handel in einem dem gemeinsamen Interesse abträglichen Umfang zu beeinflussen. Aus einer Reihe von Gründen, insbesondere der relativ kleinen Größe des begünstigten Unternehmens und der geringen Höhe der Beihilfe und da dies die erste Internationalisierungserfahrung des Unternehmens war, befand die Kommission, dass die Beihilfe eine sehr begrenzte Wirkung auf den EU-Handel und in gewissem Umfang eine positive Wirkung auf die portugiesische Wirtschaft haben würde. Am 15. Oktober 2003 erließ die Kommission eine abschließende, mit Auflagen verbundene Entscheidung zu dieser Maßnahme. Die Beihilfe wurde unter der Bedingung als vereinbar mit dem EG-Vertrag eingestuft, dass keine Gemeinschaftsmittel aus dem EFRE zum Einsatz kommen.

C - Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt

1. Horizontale Beihilfen

1.1. Rettungsbeihilfen

430. Am 17. September eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren zu allen Beihilfeverfahren, die Frankreich im August gemeldet hatte. Die Untersuchung betraf auch Maßnahmen, von denen die Kommission aus anderen Quellen erfahren hatte und bei denen die Möglichkeit bestand, dass sie Beihilfeelemente enthielten.

431. Zeitgleich mit der Einleitung dieses förmlichen Prüfverfahrens stellte die Kommission fest, dass die Voraussetzungen vorlagen, um bei zwei Maßnahmen aus dem Paket eine Anordnung zur Zahlungsaussetzung zu erlassen, bis die Kommission über ihre Vereinbarkeit entschieden hätte. Dies betraf Frankreichs Beteiligung an der Kapitalerhöhung von Alstom und die Zahlung eines nachrangigen Darlehens.

432. Die Kommission beschloss, vor Erlass der Anordnung Frankreich zur Abänderung des Pakets aufzufordern. Sie gewährte Frankreich fünf Tage, um alle Maßnahmen rückgängig zu machen, die eine unumkehrbare Beteiligung am Eigenkapital von Alstom beinhalten würden. Andernfalls würde das für Wettbewerb zuständige Kommissionsmitglied entsprechend seiner Ermächtigung, zusammen mit dem Kommissionspräsidenten , die Aussetzungsanordnung erlassen und übermitteln. Frankreich stimmte zu, das Beihilfenpaket innerhalb der genannten Frist abzuändern und hierzu seinen direkten Beitrag zum Kapital von Alstom durch Schuldtitel zu ersetzen, die keine unumkehrbaren Auswirkungen auf den Markt haben würden. Frankreich war ferner damit einverstanden, seinen künftigen Kapitalanteil an Alstom von der Genehmigung durch die Kommission abhängig zu machen. Daraufhin verzichtete die Kommission auf den Erlass der Aussetzungsanordnung, da die neuen Maßnahmen umkehrbar waren, was jedoch nicht hieß, dass sie damit von der Kommission genehmigt waren. Über eine Genehmigung wird die Kommission erst nach Abschluss ihrer laufenden Untersuchung entscheiden.

433. Die Veränderungen waren nicht nur rein formeller, sondern auch inhaltlicher Natur (eine kurzfristige Liquiditätserhöhung um 1,1 Mrd. EUR führte dazu, dass die Kommission ihre laufende Untersuchung mit Beschluss vom 15. Oktober 2003 verlängerte). Das abgeänderte Paket hat jetzt einen Wert von rund 8,2 Mrd. EUR, wovon etwa 4,275 Mrd. EUR auf staatliche Beihilfen Frankreichs entfallen [209]. Durch die Verlängerung des Verfahrens kann die Kommission nun die Vereinbarkeit des gesamten Pakets prüfen. Bei ihrer Untersuchung auf der Grundlage der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten wird sich die Kommission zuerst eingehend mit der Eignung des Umstrukturierungsplans für die Wiederherstellung der Rentabilität von Alstom beschäftigen. Danach wird sie die Märkte in Augenschein nehmen, in denen Alstom tätig ist, sowie die Notwendigkeit von Maßnahmen zum Ausgleich von Wettbewerbsverzerrungen untersuchen, die durch die Beihilfe hervorgerufen würden. Abschließend wird die Kommission ermitteln, ob sich die Höhe der Beihilfe auf das zur Wiederherstellung der Unternehmensrentabilität unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt. Die Kommission kann keine Beihilfen genehmigen, die den für die Umstrukturierung notwendigen Mindestbetrag überschreiten.

[209] Rs. C 58/2003.

434. Am 19. März genehmigte die Kommission eine Rettungsbeihilfe zugunsten der Babcock Borsig Power Service GmbH (,BBP Service") [210] in Form einer 90%igen Ausfallbürgschaft für zwei Kreditlinien in Höhe von insgesamt 52,5 Mio. EUR. Die Avale sollten über einen Zeitraum von sechs Monaten gestellt werden. Die entsprechenden Kreditlinien würden von einem Konsortium von Banken bereitgestellt werden. Die Bürgschaft und die Kreditlinien würden dem Unternehmen helfen, seine Tätigkeit sechs Monate lang fortzuführen, und ihm so Zeit verschaffen, über seine Zukunft zu entscheiden. BBP Service war eine Tochtergesellschaft der insolventen Babcock Borsig AG und ist im Bereich der Kraftwerksdienstleistungen tätig. BBP Service befand sich seit September 2002 in einem Insolvenzverfahren. Das Unternehmen war aufgrund der Insolvenz der Babcock-Borsig-Gruppe in Schwierigkeiten geraten, durch die Zahlungen in erheblichem Umfang ausfielen.

[210] N 703/b/2002.

435. Die Kommission beurteilte die Bürgschaft auf der Grundlage der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten [211]. Danach kann die Kommission Rettungsbeihilfen als einmaligen Liquiditätszuschuss für ein Unternehmen in Schwierigkeiten genehmigen, damit es so lange weitergeführt werden kann, wie dies zur Aufstellung eines Umstrukturierungs- oder Liquidationsplans notwendig ist. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Bürgschaft für die Kreditlinien die in diesen Leitlinien festgelegten Voraussetzungen erfuellte. Sie war aus akuten sozialen Gründen gerechtfertigt, wurde in Form rückzahlbarer Kreditlinien zu marktüblichen Bedingungen bzw. in Form staatlicher Bürgschaften für diese Kreditlinien gewährt, war auf das unbedingt notwendige Mindestmaß beschränkt und hatte keine gravierenden Wirkungen in anderen Mitgliedstaaten.

[211] ABl. C 288 vom 8.9.1999, S.2-18.

1.2. Umstrukturierungsbeihilfen

436. Am 23. Juli beschloss die Kommission, ein förmliches Prüfverfahren zur eingehenden Untersuchung der Umstrukturierungsbeihilfe der britischen Regierung an die British Energy plc. einzuleiten. [212] British Energy plc. (,BE") ist eines der wichtigsten Unternehmen auf dem britischen Strommarkt und betreibt vor allem Kernkraftwerke. Mit den rückläufigen Großhandelspreisen für Strom im Zuge der Einführung eines neuen Stromvermarktungssystems in England und Wales hatte sich der Cashflow, der von den Kernkraftwerken der Unternehmensgruppe generiert wird, erheblich reduziert. Am 11. November 2002 beschloss die Kommission, gegen die Rettungsbeihilfe der britischen Regierung keine Einwände zu erheben. [213]

[212] Sache C 52/2003.

[213] Siehe Zusammenfassung der Sache NN 101/02 im Jahresbericht 2002.

437. Am 7.März meldeten die britischen Behörden einen Umstrukturierungsplan zur Wiederherstellung der langfristigen Rentabilität von BE an. Die britische Regierung sagte zu, die Finanzierung der Entsorgung nuklearer Altlasten, insbesondere der Entsorgung der Brennstäbe, die vor der Umstrukturierung und Stilllegung der Kernkraftwerke von BE geladen wurden, zu übernehmen. Außerdem sah der Plan ein Neuverhandlung von Lieferverträgen für Brennstäbe und von Verträgen über die Entsorgung abgebrannter Brennstäbe mit der staatlichen British Nuclear Fuel Limited (,BNFL") vor, die zu einer Senkung der Preise führte, die BNFL BE für diese Dienstleistungen berechnet. British Energy plc. handelte ferner eine Vereinbarung über ein Moratorium und eine Reihe von Umschuldungsvereinbarungen mit seinen Hauptgläubigern aus. Überdies hat BE eine neue Geschäftsstrategie konzipiert und seine Anlagen in Nordamerika verkauft. Darüber hinaus erhielt es einen dreimonatigen Aufschub auf die Körperschaftsteuern durch die lokalen Behörden.

438. Die Kommission hat die angemeldete Beihilfe vorläufig auf der Grundlage des EG-Vertrags geprüft. Da ein Teil der fraglichen Maßnahmen Bereiche betrifft, die in den Anwendungsbereich des Euratom-Vertrags fallen, müssen diese anhand der entsprechenden Zielsetzungen gewürdigt werden. Ausgehend von den bisher übermittelten Unterlagen ist die Kommission zu dem Schluss gelangt, dass sie ernsthafte Zweifel hinsichtlich der Art und der Vereinbarkeit der Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt hegt. Insbesondere bezweifelt sie, dass der Plan innerhalb eines angemessenen Zeitraums zur Wiederherstellung der Rentabilität von BE führen wird, der Beitrag des Unternehmens ausreichend hoch ist und die Beihilfe ohne Ausgleichsmaßnahmen genehmigt werden kann. Es hat den Anschein, dass der Plan die Voraussetzungen der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten nicht erfuellt.

439. Die Kommission entschied, dass fehlender ausreichender Maßnahmen seitens der spanischen Behörden zur Einforderung einer Steuerschuld und ausstehender Sozialversicherungsbeiträge von Hilados y Tejidos Puigneró S.A. [214], einem großen spanischen Textil- und Bekleidungsherstellers, zur Entstehung einer Beihilfe zugunsten des Unternehmens geführt haben. Das Unternehmen befand sich Anfang der 90er-Jahre in finanziellen Schwierigkeiten. Im Jahre 2000 beliefen sich seine Steuerschulden und Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung auf 44 Mio. EUR bzw. 60 Mio. EUR. Ferner kam das Unternehmen in den Genuss von Beihilfen des katalanischen Finanzinstituts in Form mehrerer Darlehen und Bürgschaften, insbesondere eines Kredits über 12 Mio. EUR im Jahre 2000. Die Kommission befand, dass diese Maßnahmen nicht angemeldete staatliche Beihilfen darstellten.

[214] Sache C 70/2001/C 518/2003.

440. Die Kommission würdigte die Beihilfen insbesondere anhand der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten [215]. Die Beihilfen konnten nicht als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar eingestuft werden, weil zum Zeitpunkt ihrer Gewährung keine ausreichenden Garantien für die Wiederherstellung der Rentabilität des Unternehmens bestanden und unnötige Wettbewerbsverzerrungen nicht vermieden wurden. Vielmehr halfen die Beihilfen dem Unternehmen, seine Produktion trotz wachsender Verbindlichkeiten fortzuführen, ohne die erforderlichen Umstrukturierungsmaßnahmen zu treffen, und dabei den Wettbewerb mit einer Niedrigpreisstrategie für einen Teil seiner Erzeugnisse zu verfälschen. Spanien muss die unvereinbaren Beihilfen mit Zinsen vom Empfänger zurückfordern.

[215] ABl. C 37 v. 3.2.2001, S. 3-15.

1.3. Haftung zugunsten staatlicher Banken

441. Österreich ,notifizierte" zwei Garantievereinbarungen des Landes Burgenland zugunsten der Bank Burgenland AG (,BB") [216], einer österreichischen regional tätigen Bank, deren Hauptaktionär das Land Burgenland ist. Für die BB wird eine Ausfallhaftung des Landes bereitgestellt: Das Land hätte im Falle der Liquidation oder Zahlungsunfähigkeit einzutreten, wenn die Vermögenswerte der Bank nicht ausreichen, um die Verbindlichkeiten abzudecken. Im Zusammenhang mit einem Betrugsfall musste die BB für Forderungen aufkommen, die ihre Insolvenz zur Folge gehabt hätte. Um den Konkurs und Zahlungen aufgrund der Ausfallhaftung zu vermeiden, gewährte das Land eine beschränkte ausdrückliche Garantie, die die uneinbringlichen Forderungen abdeckte. Eine im Anschluss durchgeführte Debitorenprüfung zeigte, dass ein weiterer Wertberichtigungsbedarf bestand. Um die Geschäftstätigkeit der Bank aufrechtzuerhalten, vereinbarten das Land und die Bank Austria, dass letztere einen Forderungsverzicht in einer bestimmten Höhe mit Besserungsanspruch gegenüber der Bank abgeben und ihre Aktien an der Bank Burgenland (34 %) für 1 ATS an das Land übertragen würde. Das Land übernahm eine zusätzliche Garantie für die uneinbringlichen Kredite.

[216] Sache C 44/2003 (ex NN 158/2001).

442. Die Kommission stufte diese Maßnahmen als staatliche Beihilfen ein, da die Bank ihre Geschäftstätigkeit weiterführen und den Konkurs abwenden konnte. Außerdem wurden diese Maßnahmen als neue Beihilfen angesehen, da die bestehende Ausfallhaftung erst nach Zahlungsunfähigkeit eingelöst werden kann und nicht schon früher, um der Bank die Weiterführung der Geschäftstätigkeit zu gestatten. Die neuen Maßnahmen gingen darüber hinaus.

443. Dementsprechend nahm die Kommission eine erste Bewertung des Umstrukturierungsplans anhand der Bedingungen in den Rettungs- und Umstrukturierungsleitlinien vor. Die Kommission bezweifelte jedoch, dass der Umstrukturierungsplan wirklich die Rentabilität wiederherstellen könnte. Außerdem erbrachte Österreich nicht den Nachweis, dass mit den vorgelegten Ausgleichsmaßnahmen eine unnötige Wettbewerbsverzerrung vermieden werden könnte. Zudem konnte die Kommission nicht beurteilen, ob die Beihilfe tatsächlich auf das notwendige Mindestmaß beschränkt war. Ausgehend von diesen offenen Fragen traf die Kommission am 26.6.2003 ddie Entscheidung, das Verfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten [217].

[217] ABl. C 189 v. 9.8.2003.

444. Im Frühjahr 2003 nahmen die französischen Behörden den Vorschlag der Kommission an, die Bürgschaft für CDC IXIS, eine Tochtergesellschaft der französischen staatlichen Bank Caisse des Dépôts et Consignations (,CDC") auslaufen zu lassen [218]. Die CDC übertrug ihre Geschäftsbanktätigkeiten zum Ende des Jahres 2000 auf die CDC IXIS. Die CDC hatte beschlossen, ihre Tochtergesellschaft zu unterstützen, indem sie ihr eine Bürgschaft gewährte, die sich auf einen großen Teil ihrer Geschäftstätigkeit erstreckte. Anders als bei dem vorstehend angeführten Fall (Bank Burgenland) handelt es sich bei der Tochtergesellschaft nicht um eine staatliche, sondern eine Geschäftsbank.

[218] E 50/2201

445. Die Kommission stellte fest, dass die Bürgschaft für die CDC IXIS nach den Bestimmungen für staatliche Beihilfen als staatliche Bürgschaft einzustufen war. So konnte CDC der CDC IXIS keine Bürgschaft gewähren, ohne die Anforderungen der staatlichen Behörden zu berücksichtigen, und es wäre höchst unwahrscheinlich, dass eine solche Entscheidung ohne deren Wissen getroffen werden konnte. Die Kommission prüfte, ob die Bürgschaft auf der Grundlage der entsprechenden Mitteilung der Kommission freigestellt werden konnte. Wie sich jedoch zeigte, konnte bei der CDC-Bürgschaft nicht von einer begrenzten Anwendung oder Laufzeit ausgegangen werden. Der Natur der Sache folgend verfügt eine Finanzinstitution, die auf Finanzmärkten Handel treibt, über ein Geschäftsportefeuille, dessen Wert von Tag zu Tag schwankt. Zudem bestehen tatsächliche und potenzielle Risiken, die im Falle der CDC IXIS wegen ihrer umfangreichen Tätigkeiten bei Derivaten und anderen bilanzneutralen Geschäften eine besonders wichtige Rolle spielen. Eine Bürgschaft für einen ständig schwankenden Umfang und Wert von Geschäften und daher potenziellen Ausgaben für den Bürgen kann nicht als begrenzt betrachtet werden. Schließlich war es auch unmöglich, den Marktpreis der Prämie für eine solche Art offener Bürgschaft zu errechnen.

446. Die Schlussfolgerung der Kommission lautete deshalb, dass diese Bürgschaft eine staatliche Beihilfe darstellte, die nicht für eine Freistellung in Betracht kam. Darum schlug die Kommission im Januar 2003 die Aufhebung dieser Bürgschaft vor, was von der französischen Regierung akzeptiert wurde [219]. Hierfür ist ein Übergangszeitraum vorgesehen, während dessen sich die CDC IXIS an das operative und rechtliche Umfeld anpassen und unter gleichen Bedingungen wie ihre Wettbewerber agieren kann. Außerdem wissen Partner auf diese Weise genau, wann ihre Geschäfte mit der CDC IXIS von der Bürgschaft erfasst sind und wann nicht. Dann wird auf dem Markt uneingeschränkte Transparenz herrschen.

[219] C/2003/42/3.

1.4. Umweltschutzbeihilfen

447. Am 9. Juli genehmigte die Kommission eine deutsche Regelung zur Förderung von Isoliermaterial aus erneuerbaren Rohstoffen [220]. Diese Regelung sieht Zuschüsse in Höhe von 30 EUR bis 40 EUR je m³ für die Käufer von Isolierungen vor, die aus erneuerbaren Stoffen wie Flachs und Hanf oder Getreide und Schafwolle hergestellt sind. Mit den Zuschüssen soll ein Anreiz zum Kauf umweltfreundlicher Dämmplatten gegeben werden, die mehr kosten als herkömmliche Isolierungen aus fossilen Materialien.

[220] ABl. C 197 v. 28.8.2003 (N 694/2002).

448. Einer der Hauptgründe für die Genehmigung durch die Kommission war, dass umweltfreundliche Dämmplatten erheblich teurer sind als die herkömmlichen Isolierungen aus fossilen Materialien. Dämmplatten aus erneuerbaren Materialien bieten ökologische Vorteile gegenüber herkömmlichen Isolierungen. Sie sparen Naturressourcen, da stattdessen erneuerbare Stoffe verwendet werden. Diese sind im Allgemeinen CO2-neutral, so dass ihre Verwendung hilft, die Atmosphäre zu schützen, und dazu beiträgt, die Ziele des Kyoto-Protokolls zu erreichen. Zuschüsse, die zum Kauf umweltfreundlicher Isolierungen anregen sollen, können als Umweltschutzbeihilfen genehmigt werden. In der Regel sind diese Zuschüsse immer noch niedriger als die Mehrkosten für umweltfreundliches Isoliermaterial.

449. Am 30. April schloss die Kommission das förmliche Prüfverfahren wegen einer Regelung zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen [221] in der Toskana (Italien) ab. Das Ziel des Beihilfevorhabens sollte durch die Förderung erneuerbarer Energiequellen und Energieeinsparungen erreicht werden. Es wurde im Lichte von Abschnitt E.1.3 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen [222] bewertet, der Investitionen im Energiesektor betrifft.

[221] Sache C 60/2002 (ex N 747/2001).

[222] ABl. C 37 vom 3.2.2001, S. 3.

450. Ausgehend von den Daten, die die italienischen Behörden nach der Verfahrenseinleitung übermittelten, wurde die Notwendigkeit eines Beihilfesatzes von 75 % gegenüber photovoltaischen Anlagen als nachgewiesen betrachtet. Erstmals konnte auf Investitionen dieser Art Ziffer 32 Absatz 3 des Gemeinschaftsrahmens angewandt werden, der die Möglichkeit vorsieht, Investitionsbeihilfen von bis zu 100 % der förderbaren Kosten zu gewähren, sofern dargelegt wird, dass dies unerlässlich ist. Dies stellt einen Präzedenzfall für andere Regionen und Mitgliedstaaten, die Programme zur Förderung der Solarenergie auf den Weg bringen, dar [223].

[223] Siehe auch Entscheidung vom 9.7.2003 in der Sache N 762/02 - Italien (Marken) Maßnahmen zur Senkung des Schadstoffausstoßes und des Energieverbrauchs und zur Nutzung erneuerbarer Energieträger. Hinweis: 75 % für photovoltaische Sonnenenergieanlagen.

451. Mit ihren Entscheidungen vom 19. Februar 2003, 4. Februar 2003, 22. April 2003 bzw. 5. Februar 2003 stellte die Kommission fest, dass die Beihilferegelungen im Bereich der Wasserwirtschaft mit dem Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen (und im Hinblick auf die Studien mit dem Gemeinschaftsrahmen für Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen) in Einklang stehen [224]. Es handelt sich um Regelungen der französischen Wasserwirtschaftsämter, denen es als staatlichen Behörden obliegt, die Trinkwasserqualität zu überwachen. Zweck der Regelungen ist die Durchführung von Untersuchungen über die Wasserverschmutzung, die Verringerung des Wasserverbrauchs von Unternehmen, Maßnahmen zur Verhütung bzw. Begrenzung der Grundwasserverschmutzung sowie die Bekämpfung der Trinkwasserverschmutzung.

[224] Sache N492, N493, 494/B und 497/03.

452. Am 11. November beschloss die Kommission, das britische Abfallverwertungsprogramm (Waste and Resources Action Programme - WRAP) zur Förderung der Abfallverwertung und Entwicklung eines Markts für Recycling-Produkte nach den EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen zu genehmigen, gegen das am 19. März ein Beihilfeverfahren eingeleitet worden war.

453. Zum WRAP gehören als Beihilfemaßnahmen ein Zuschussprogramm und ein Garantiefonds. Mit dem WRAP sollen Projekte finanziert werden, deren Zweck es ist, durch Förderung von Investitionen in Verwertungsanlagen eine Nachfrage nach Abfallprodukten wie Holz, Kunststoff, Glas, Zuschlagstoffen und Kompost zu schaffen. Dies wiederum soll die kommunalen Behörden dazu anhalten, sie getrennt zu erfassen. Die britischen Behörden erwarten, dass ein Markt für Abfallprodukte entsteht und die Wiederverwertung zunimmt. Das Vereinigte Königreich hat diese beiden Beihilfemaßnahmen auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens der Kommission für staatliche Umweltschutzbeihilfen angemeldet. Die Kommission kam jedoch zu dem Schluss, dass dieser Gemeinschaftsrahmen nicht anwendbar war, da er eigentlich für Investitionen zur Verringerung der Umweltverschmutzung durch den Begünstigten gilt. Er ist nicht für Fälle gedacht, in denen die gesamte Wirtschaftstätigkeit des begünstigten Unternehmens (d. h. im vorliegenden Fall Abfall-Recycling) umweltfreundlich ist.

454. Da die Beihilfe nicht unter den Gemeinschaftsrahmen für Umweltschutzbeihilfen fiel, hat die Kommission geprüft, ob sie unmittelbar mit Artikel 87 Absatz 3 EGV vereinbar sind, und eingangs festgestellt, dass durch die Beihilfemaßnahmen eines der vorrangigen Umweltschutzziele der Gemeinschaft - die Verwertung von Abfällen - gefördert wird. Die Beihilfe ist notwendig, um die Mehrkosten für das Recycling bestimmter Abfallprodukte, die kaum wiederaufbereitet werden, oder für die Entwicklung neuer, noch nicht markterprobter Recycling-Techniken auszugleichen. Zudem sind die Beihilfebeträge relativ klein, und sowohl die Begünstigten als auch die Höhe der Beihilfe werden in einem offenen Ausschreibungsverfahren ermittelt. Demnach stehen die Beihilfemaßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zu den verfolgten Zielen, verursachen keine unzumutbaren Wettbewerbsbeschränkungen und beeinträchtigen nicht den Handel zwischen Mitgliedstaaten. Aus diesen Gründen hat die Kommission die WRAP-Regelung genehmigt.

455. Im März 2002 meldete das Vereinigte Königreich einen Beihilfebetrag von insgesamt 35 Mio. EUR (23 Mio. GBP) zugunsten von Shotton an, einem UPM-Kymmene gehörenden Hersteller von Zeitungspapier in Nordwales. Die Gesamtkosten des Projekts belaufen sich auf 200 Mio. EUR. Shotton war im Rahmen eines offenen Ausschreibungsverfahrens ausgewählt worden, dennoch stellte die Maßnahme eine staatliche Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag dar. Da die Beihilfe dazu eingesetzt werden soll, die Anlagen von Shotton auf die Herstellung von Zeitungspapier mit Altpapier anstelle von Zellstoff umzurüsten, und zu einem Anstieg des Altpapierverbrauchs von rund 321 000 t/Jahr führen wird, entschied das Vereinigte Königreich, sie auf der Grundlage des Gemeinschaftsrahmens für Umweltschutzbeihilfen anzumelden. Die Beihilfe würde im Rahmen des WRAP gewährt, mit dem die nachhaltige Abfallwirtschaft gefördert werden soll. Am 2. Oktober 2002 beschloss die Kommission, ein förmliches Prüfverfahren gegen die Beihilfe einzuleiten [225], da sie Zweifel hatte, ob die Beihilfe auf Grundlage der Umweltschutz- und Regionalbeihilfeleitlinien genehmigt werden konnte. Offenbar handelte es sich um eine normale Investition, da die Herstellung von Zeitungspapier aus Altpapier gängige Praxis ist und die Beihilfeintensität deutlich über der Obergrenze für Regionalbeihilfen lag.

[225] C/2002/3569.

456. Am 23. Juli [226] entschied die Kommission, die Beihilfe zu genehmigen. Sie erkannte an, dass die Wiederverwendung von Altpapier umweltfreundlicher ist als seine Entsorgung auf Deponien, stellte jedoch fest, dass die Investition nicht in vollem Umfang als mit Umweltschutzbeihilfen förderfähig eingestuft werden konnte. Gemäß dem Umweltschutzbeihilferahmen dürfen Beihilfen nur für Investitionen gewährt werden, mit denen die eigene Umweltbilanz eines Unternehmens verbessert wird. Zweck der Beihilfe im vorliegenden Fall war es jedoch, die Umweltbilanz des Vereinigten Königreichs allgemein zu verbessern und das Land bei der Erfuellung seiner Verpflichtungen im Rahmen der Richtlinie über Abfalldeponien und der Verpackungsrichtlinie zu unterstützen.

[226] Sache C 61/2002, ABl. L 314 v. 8.11.2003.

457. Da ein Teil der Beihilfe den Bau einer Anlage für die Verbrennung von Papierschlamm betraf, mit dem die von Shotton selbst verursachte Umweltverschmutzung verringert werden sollte, wandte die Kommission den Umweltschutzbeihilferahmen auf diesen Teil der Investitionen an. Das Ergebnis war die Genehmigung von 13 Mio. EUR als Beihilfe, weil Shotton den Papierschlamm ansonsten auch in größeren Mengen weiter auf Agrarland ausgebracht hätte. Entsprechend dem Beihilferahmen wurden die wirtschaftlichen Vorteile über einen Zeitraum von fünf Jahren von den förderfähigen Investitionskosten abgezogen. Dazu gehörten der Wert der Strom- und Dampferzeugung der Verbrennungsanlage, aber auch die eingesparten Kosten für die Ausbringung des Schlamms. Die eigentliche Verbrennungsanlage wäre recht groß, da sie auch für die Verbrennung von vorbehandelten Haushaltsabfällen benutzt werden sollte. Die Kommission überprüfte, ob die beihilfefähigen Kosten auf die zur Erfuellung der Umweltziele unbedingt notwendigen Zusatzinvestitionen beschränkt waren, indem sie die förderfähigen Kosten auch für den Fall berechnete, dass Shotton nur eine kleinere, mit Gas betriebene Verbrennungsanlage bauen würde. Aufgrund von Unterschieden bei den wirtschaftlichen Vorteilen in den ersten fünf Jahren waren die förderfähigen Kosten aber auch bei dieser geringeren Investition nicht niedriger.

458. Die Investitionen wurden auch auf der Grundlage des Multisektoralen Regionalbeihilferahmens für große Investitionsvorhaben bewertet. Danach und unter Berücksichtigung der Bestimmungen für die Kumulierung von Regional- und Umweltschutzbeihilfen genehmigte die Kommission die Gewährung von weiteren 11 Mio. EUR. Insgesamt konnten also 24 Mio. EUR zugunsten von Shotton genehmigt werden.

459. Am 7. September genehmigte die Kommission nach eingehender Untersuchung gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag eine Regelung zur Freistellung von Lieferungen von Strom aus in stillgelegten Bergwerken gewonnenem Bergwerksmethan (Coal Mine Methane, CMM) von der Klimaänderungsabgabe (Climate Change Levy, CCL) [227]. Die Kommission bewertete die Erfuellung der Voraussetzungen von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag durch die staatliche Beihilfe auf der Basis des Umweltschutzbeihilferahmens (insbesondere Abschnitt E.3.1). Sie gelangte zu der Ansicht, dass die Gewinnung von Methan aus stillgelegten Bergwerken zur Erzeugung von Strom eine Form der verantwortungsbewussten Abfallbewirtschaftung im Sinne von Ziffer 42 Buchstabe a des Gemeinschaftsrahmens ist.

[227] Sache C 12/2003 (ex N 778/2002).

460. Die Nutzung von Bergwerksmethan zur Stromerzeugung führt zu Energieeinsparungen. Da Energieeinsparungen die nachhaltige Nutzung von Energiequellen und die Verringerung des Treibhausgasausstoßes zum Ziel haben, kann davon ausgegangen werden, dass die Maßnahme zu Energieeinsparungen im Sinne von Ziffer 42 Buchstabe b) des Gemeinschaftsrahmens beiträgt [228]. Die Beihilfe wird für fünf Jahre gewährt und weder auf der Ebene der Bergwerksmethanlieferanten noch auf der Ebene der Stromerzeuger 50 % der Mehrkosten überschreiten.

[228] Gleiche Begründung siehe Entscheidung der Kommission zur staatlichen Beihilfe N74/B/2002 - Finnland; ABl. C 59 vom 14.3.2003, S. 23, insbesondere Punkt 3.2.2.

461. Am 11. Juni fasste die Kommission einen weitreichenden Beschluss zu einer Beihilfemaßnahme für die Sanierung von kontaminierten Flächen und Industriebrachen [229]. Ziel der britischen Maßnahme ist die Wiederverwendung solcher Flächen nach der Sanierung, um die Nachfrage nach Flächen auf der grünen Wiese zu dämpfen. Diejenigen Teilmaßnahmen im Rahmen der Regelung, die der Sanierung von Industriealtlasten dienen, wurden für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar befunden, da sie die Voraussetzungen von Ziffer 38 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen erfuellen.

[229] Sache N 385/2002.

462. Die Teilmaßnahmen, die zur Sanierung von Grundstücken mit ungenutzten Gebäuden, Hallen oder sonstigen Anlagen dienen, wurden direkt auf der Grundlage von Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag bewertet. Die Kommission stellte fest, dass sie mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar waren, da sie die Gemeinschaftsziele des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung fördern, ohne unnötige Auswirkungen auf den Wettbewerb und das Wirtschaftswachstum zu haben.

1.5. Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen

463. Am 23. Juli beschloss die Europäische Kommission, ein zinsgünstiges Darlehen der baskischen Regierung an die Gesellschaft GAMESA für ihre Teilnahme an der Entwicklung von zwei Regionalflugzeugtypen der brasilianischen Gesellschaft EMBRAER [230]. zu genehmigen. Am 12. März 2002 hatte die Kommission eine eingehende Prüfung eingeleitet, um die Vereinbarkeit des von den spanischen Behörden angemeldeten Darlehensvorhabens mit den gemeinschaftlichen Regeln für staatliche Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen [231] zu prüfen. Dabei hatte sie Bedenken hinsichtlich der Anreizwirkung der Beihilfe sowie hinsichtlich der Förderbarkeit bestimmter Tätigkeiten im Bereich Zertifizierung und Wartungsstudien geäußert.

[230] Sache C 20/02.

[231] ABl. C 45 vom 17.2.1996, S. 5.

464. Im Ergebnis der Auswertung der Informationen, die ihr nach der Einleitung des eingehenden Prüfverfahrens vorgelegt wurden, stellte die Kommission fest, dass die Anreizwirkung der Beihilfe erwiesen ist, dass aber ihre Bedenken hinsichtlich der Marktnähe der Tätigkeiten im Bereich Zertifizierung und Wartungsstudien fortbestehen. Daher ist die Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beihilfe mit Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe c EG-Vertrag vereinbar ist, sofern die Kosten für die Tätigkeiten im Bereich Zertifizierung und Wartungsstudien aus den förderbaren Kosten herausgenommen werden und das Bruttosubventionsäquivalent 30 % der förderbaren Kosten nach diesem Abzug nicht überschreitet.

465. Am 13.Mai hat die Kommission festgestellt, dass die einzelne Beihilfe an das Unternehmen Latécoère (Frankreich) mit dem Gemeinschaftsrahmen für Forschungs- und Entwicklungsbeihilfen [232] in Einklang steht. Es handelt sich um eine einzelne Beihilfe zugunsten des Unternehmens Latécoère für seine Beteiligung an dem neuen Projekt des Unternehmens Dassault Aviation zum Bau des Geschäftsflugzeugs F7X. Das Unternehmen Latécoère wird die Entwicklung des gesamten hinteren Flugzeugsegments übernehmen, in dem sich die drei Flugzeugmotoren befinden und das daher besonders sensibel ist. Die Beihilfe wird in Form eines Vorschusses von 26 Mio. EUR gewährt, der zurückgezahlt werden muss, wenn das Programm erfolgreich ist.

[232] Sache N 453/02.

466. Am 7. Februar beschloss die Kommission, wegen eines Teils der Beihilfen, die dem Unternehmen IFS SpA für ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt gewährt wurden, ein Verfahren einzuleiten. Die Kommission hatte jedoch ernsthafte Zweifel an der Einstufung der vorklinischen Erprobung (,Schritt 5" des Vorhabens) als industrielle Forschung anstatt als vorwettbewerbliche Entwicklung und der damit einhergehenden - höheren Beihilfeintensität von 50 %. Die vorklinische Erprobung erfolgt im Regelfall vor der klinischen Erprobung der Phase I. Wirkstoffe werden im Labor an verschiedenen Tierspezies getestet, deren Eigenheiten denen des Menschen zunehmend ähnlich werden. Obwohl diese vorklinischen Tests an verschiedenen Tierspezies vorgenommen und die Ergebnisse anschließend mit kritischem Auge analysiert werden, um zu prüfen, ob die erste klinische Erprobung verantwortbar ist, werden sie wie die klinische Erprobung in Phase I mit einer ,Prototypversion" des neuen Produkts - wenn auch im Rohformat - vorgenommen. Daher könnten sie als der klinischen Erprobung in Phase I sehr ähnlich angesehen werden, selbst wenn sie wegen des weniger ausgereiften Produktstadiums keine größere Marktnähe aufweisen als Phase I-Tests.

467. Deswegen konnte die Kommission nicht ausschließen, dass zumindest Teile der vorklinischen Erprobung als ,vorwettbewerbliche Entwicklung" einzustufen waren. Unter Berücksichtigung der vom Empfänger vorgelegten Unterlagen und insbesondere der sehr hohen Misserfolgsquote (60-70%) der Tests während der Arzneimittelentwicklungsphase in der vorklinischen Erprobung kam die Kommission am 26. November zu dem Schluss, dass die erworbenen Kenntnisse erst in einer späteren Phase der Entwicklung große Bedeutung erlangen. Die Erfolgsquote von 10% entspricht dem Branchendurchschnitt und zeigt, dass die in dieser Phase der Arzneientwicklung erzielten Ergebnisse noch weit von der Produktion eines Arzneimittels und seiner Vermarktung entfernt sind. Deswegen konnte die vorklinische Erprobung im vorliegenden Fall als industrielle Forschung im Sinne des FuE-Gemeinschaftsrahmens anerkannt werden.

468. Am 10. Dezember beschloss die Kommission, gegen eine Steuerreserve für Investitionen in Portugal keine Einwände zu erheben [233]. Damit sollen Anreize für Produktivinvestitionen geschaffen und FuE-Tätigkeiten gefördert werden. Unternehmen konnten mit 20% ihrer Steuerschuld der Jahre 2003 und 2004 eine Reserve bilden, die allerdings binnen 2 Jahren in Erstinvestitionen oder FuE-Vorhaben fließen musste. Die Regelung gilt im gesamten portugiesischen Hoheitsgebiet und für sämtliche Unternehmen der Grundstoffindustrie, des verarbeitenden Gewerbes, des Hotel- und Gaststättengewerbes und des Fremdenverkehrssektors. Die Gesamthöhe der veranschlagten Mittel beläuft sich auf 318 Mio. EUR für die beiden Jahre der Regelung.

[233] Sache N 247/2003.

469. Die Kommission hat die Bestimmungen betreffend die Erstinvestitionen anhand der Regionalbeihilfeleitlinien und die Bestimmungen betreffend FuE-Vorhaben anhand der Leitlinien für FuE-Beihilfen geprüft. Portugal hat vorgeschlagen, Erstinvestitionen so zu definieren, dass der Begriff die Differenz zwischen den Bruttoinvestitionen des Unternehmens in neues Sachanlagevermögen in einem bestimmten Zeitraum und der Veräußerung, Abschreibung und Reintegration des in der Unternehmensbilanz erfassten Sachanlagevermögens im gleichen Zeitraum bezeichnet. Die Kommission kam zu dem Ergebnis, dass diese technische Begriffsbestimmung mit den Gemeinschaftsleitlinien für Regionalbeihilfen vereinbar ist, da sie Ersatzinvestitionen ausschließt. Da die beihilfefähigen Kosten, Beihilfeintensitäten und sonstigen Konditionen den einschlägigen Beihilfevorschriften entsprachen, erhob die Kommission keine Einwände gegen die Anwendung der Regelung.

470. Am 27. Mai schloss die Kommission die förmliche Prüfung einer geplanten Beihilfe in Höhe von 37,2 Mio. EUR (Kapitalwert) für das BMW-Motorenwerk im österreichischen Steyr mit der Genehmigung eines großen Teils dieses Betrags ab [234]. Das Vorhaben war im April 2002 angemeldet und deshalb hinsichtlich der Regionalbeihilfe noch anhand des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie gewürdigt worden. Die Kommission befand, dass insgesamt 29,9 Mio. EUR als Regional-, Ausbildungs-, Umweltschutz- und FuE-Beihilfe mit den jeweiligen Gemeinschaftsvorschriften vereinbar waren.

[234] Sache C 64/2002.

471. Weitere 7,3 Mio. EUR konnten jedoch nicht mit diesen Bestimmungen in Einklang gebracht und somit nicht gewährt werden. Diese Kürzung betrifft einen Teil der Regional- und der FuE-Beihilfen sowie die Innovationsbeihilfe. Im Hinblick auf die regionale Investitionsbeihilfe war die Kommission der Auffassung, dass der Standortnachteil von Steyr im Vergleich zum Alternativstandort Landshut in Deutschland geringer ausfiel als in der Anmeldung angegeben, und wegen des Kapazitätszuwachses wurde die zulässige Beihilfeintensität reduziert. Bei der Forschungs- und Entwicklungsbeihilfe ging die Kommission davon aus, dass BMW einige FuE-Vorhaben auch ohne Beihilfen durchgeführt hätte, um wettbewerbsfähig zu bleiben. In Ermangelung des Nachweises, dass diese Projekte mit dem erforderlichen Anreizeffekt verbunden sind, wurde dieser Teil der geplanten Beihilfe als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar angesehen. Die betreffenden Vorhaben in Bezug auf die geplante Innovationsbeihilfe wurden nicht als tatsächlich innovativ betrachtet, da es sich nicht um Technologien handelte, die nicht bereits von anderen Unternehmen der Branche auf den Markt gebracht bzw. verwendet worden waren. Überdies wurde die fragliche Beihilfe nicht als Anreiz zur Übernahme technischer oder industrieller Risiken angesehen, da BMW die Investitionen auch ohne staatliche Beihilfen getätigt hätte. Deshalb konnte die geplante Innovationsbeihilfe nicht genehmigt werden.

1.6. Ausbildungsbeihilfe

472. Am 17. September genehmigte die Kommission Italien die Gewährung einer Ausbildungsbeihilfe in Höhe von insgesamt 44 Mio. EUR für Fiat Auto und Comau, zwei Unternehmen der Fiat-Gruppe [235]. Die Beihilfe dient der Unterstützung eines dreijährigen Fortbildungsprogramms im Umfang von 84 Mio. EUR zur Anhebung des Qualifikationsniveaus und Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten von Arbeitnehmern in den italienischen Geschäftsbereichen dieser beiden Unternehmen. Die Kommission beurteilte die Vereinbarkeit der Beihilfe mit den Vorschriften zu staatlichen Beihilfen für Ausbildungsprojekte [236] und gelangte zu der Auffassung, dass die Beihilfe die wesentlichen Anforderungen dieser Vorschriften erfuellte. Sie beschloss daher, die geplante Beihilfe zu genehmigen.

[235] Sache N 322/2003.

[236] Verordnung (EG) Nr. 68/2001 der Kommission, ABl. L 10 vom 13.1.2001, S.20-29.

2. Regionalbeihilfen

473. Am 2. April beschloss die Kommission, keine Einwände gegen die Gewährung einer Beihilfe durch die griechische Regierung für den Bau einer Kerosin-Pipeline zum neuen internationalen Flughafen von Athen zu erheben [237]. Derzeit muss das Benzin täglich mit 120 Lkw-Ladungen zum 60 km entfernt gelegenen Flughafen transportiert werden. Die neue Leitung trägt zur Entwicklung der Region Attika bei, indem sie einen sichereren und umweltfreundlicheren Transport des Flugbenzins ermöglicht. Deshalb wird gemäß Artikel 87 Absatz 3 Buchstabe a EG-Vertrag die geplante Beihilfe, die unter dem nach den Leitlinien für Regionalbeihilfen zulässigen Hoechstsatz liegt, als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen.

[237] Sache N 527/2002.

474. Am 5. Februar eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren wegen einer Maßnahme zur Unterstützung von Gründerzentren für kleine Firmen in ihrer Anlaufphase (SBS Incubation Fund) [238]. Dieser Fonds, der für einen Vierjahreszeitraum mit Mitteln in Höhe von 115 Mio. EUR ausgestattet sein soll, könnte Unternehmen, die Gründerzentren errichten und betreiben wollen, hierfür auf den Kapitalmärkten jedoch keine Mittel erhalten können, zinsgünstige Darlehen bereitstellen. Allerdings könnten auch große Unternehmen in den am stärksten entwickelten Gebieten des Vereinigten Königreichs Beihilfen aus dem Fonds erhalten, was nicht im Einklang mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen mit regionaler Zielsetzung [239] steht, nach denen Investitionsbeihilfen für große Unternehmen auf die ärmsten Regionen zu beschränken sind. Außerdem haben sich die britischen Behörden nicht verpflichtet, die Hoechstgrenzen für die Beihilfeintensität, die nach der Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission über staatliche Beihilfen an KMU gelten [240], oder die Vorschriften zur Kumulierung einzuhalten. Zudem würden die Darlehen einen Teil des Geschäftskapitals der Gründerzentren abdecken, was eine Betriebsbeihilfe darstellen könnte.

[238] C 7/2003 (ex N 107/2001).

[239] ABI C 74 VOM 10.3.1998, S. 9-31

[240] Verordnung (EG) Nr. 70/2001 der Kommission, ABl.

2.1 Staatliche Beihilfen in überseeischen Gebieten

475. Einige Mitgliedstaaten haben die Kommission anlässlich der Konsultation zur Durchführungsverordnung (s. 1.2.4.) dringend gebeten, einige Sonderkonditionen für die überseeischen Gebiete vorzusehen. Die Mitgliedstaaten, die noch über überseeische Gebiete verfügen, haben ein Memorandum angenommen, in dem sie die Berücksichtigung der besonderen Lage dieser Gebiete in Rechtsakten der Gemeinschaft anmahnen. Bis zur Verwirklichung dieser Forderung werden staatliche Beihilfemaßnahmen gemäß den allgemein geltenden Vorschriften geprüft.

476. In den Jahren 2000-2003 ergingen zahlreiche Entscheidungen, die diese Gebiete betrafen. Aus dem Jahr 2003 sind vor allem die Entscheidungen der Kommission über das französische Gesetz "Programm für die überseeischen Gebiete" vom 21. Juli 2003 hervorzuheben [241]. Die Steuerbestimmungen des Gesetzes wurden am 11. November genehmigt, die Sozialbestimmungen am 16. Dezember. Die Kommission war der Auffassung, dass die Betriebsbeihilfen den auszugleichenden Strukturnachteilen der Gebiete angemessen und als Beitrag zur regionalen Entwicklung im Einklang mit Punkt 4.16.2 der Gemeinschaftsleitlinien für Beihilfen mit regionaler Zielsetzung gerechtfertigt sind.

[241] Sachen N/96/a und N/96/b/2003.

2.2 Urbane Problemzonen

477. Am 16. Dezember hat die Kommission die Hinzufügung von 41 neuen städtischen Problemzonen (Zones Franches Urbaines - ZFU) zu den bereits bestehenden 44 ZFU genehmigt [242]. Mit der Regelung soll die Wirtschaftstätigkeit in diesen Zonen gefördert und das örtliche, vor allem aus Kleinunternehmen bestehende Unternehmensnetz durch beschäftigungsfördernde Ausnahmen von bestimmten Steuer- und Sozialabgaben gestärkt werden.

[242] Sache N 211/2003.

478. Die Kommission hat am 23. April 1996 [243] die Einrichtung von ZFU durch das Gesetz Nr. 96-987 vom 14. November 1996 über den Pakt zu Wiederbelebung der Städte sowie am 30. April 2003 [244] die Verlängerung dieser Regelung für bestehende ZFU ab 1. Januar 2003 für neu gegründete oder angesiedelte Kleinunternehmen. für eine Dauer von fünf Jahren genehmigt.

[243] Sache N 159/1996.

[244] Sache N 766/2002.

3. Steuerliche Vergünstigungen

Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen auf steuerliche Maßnahmen

479. Im Laufe des Jahres 2003 sah sich die Kommission veranlasst, ihren Standpunkt in Bezug auf den Begriff der staatlichen Beihilfe im Bereich der Beihilfen in Form steuerlicher Maßnahmen zu präzisieren. Die Kommission musste insbesondere den Begriff des Vorteils im Rahmen der Anwendung alternativer Besteuerungsmethoden wie der Kostenaufschlagsmethode [245] oder der Freistellungsmethode [246] einschätzen. Zweck dieser Methoden ist die bessere Erfassung der Einkünfte, die im Rahmen grenzübergreifender konzerninterner Beziehungen erzielt werden. Ob eine alternative Besteuerungsmethode zur Gewährung einer staatlichen Beihilfe führt, hängt der Kommission zufolge davon ab, ob die hieraus resultierende steuerliche Belastung niedriger ist als die Belastung, die sich aus der Anwendung der ,herkömmlichen" Besteuerungsmethode ergeben hätte.

[245] Die Kostenaufschlagsmethode stellt auf Kosten für Lieferungen (oder Leistungen) ab, die bei Geschäften zwischen verbundenen Unternehmen anfallen. Diese Kosten werden um einen Gewinnaufschlag erhöht, um einen unter Berücksichtigung der ausgeübten Funktionen, der eingesetzten Aktiva, der eingegangenen Risiken und der Marktbedingungen angemessenen Gewinn zu erhalten. Im Laufe des Jahres 2003 musste die Kommission in mehreren Fällen über die Rechtmäßigkeit von auf der Kostenaufschlagsmethode beruhenden Regelungen entscheiden: belgische Regelung für Koordinierungszentren, Entscheidung vom 17.2.2003, ABl. L 282 vom 30.10.2003, Regelung für luxemburgische Finanzierungsgesellschaften, Entscheidung vom 16.10.2002, ABl. L 153 vom 20.6.2003, S.40, Regelung für Koordinierungszentren in der Provinz Vizcaya (Spanien), Entscheidung vom 6.2.2003, ABl. L 31 vom 6.2.2003, S. 26, französische Regelung für internationale Firmenhauptsitze und Logistikzentren (noch nicht veröffentlicht) und Regelung für amerikanische Auslandsvertriebsgesellschaften in Belgien, Entscheidung vom 25.6.2003 (noch nicht veröffentlicht).

[246] Die so genannte Freistellungsmethode stellt auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung ab. Dabei wird von jeglicher Besteuerung im Inland abgesehen, unabhängig von der Höhe der im Ausland entrichteten Steuer. Die Kommission hat in ihrer Entscheidung vom 17.2.2003 über die irische Regelung für die Besteuerung bestimmter Auslandseinkünfte über die Rechtmäßigkeit der Anwendung dieser Methode befunden, ABl. L 204 vom 13.8.2003, S. 51.

480. Darüber hinaus erklärte die Kommission, dass eine Steuerbeihilfe, die einem Unternehmen einer multinationalen Gruppe gewährt wird, auch den anderen, im Ausland niedergelassenen Unternehmen der betreffenden Gruppe direkt zugute kommt und diese Unternehmen daher ebenfalls als Beihilfeempfänger zu betrachten sind. Die Kommission vertrat ferner die Auffassung, dass das Kriterium des Einsatzes staatlicher Mittel nach der Lage des Beihilfeempfängers zu bewerten ist [247].

[247] Vgl. den oben erwähnten Fall der belgischen Koordinierungszentren und den Fall der Beihilfe für internationale Finanzierungstätigkeiten in den Niederlanden, Entscheidung vom 17.2.2003, ABl. L 180 vom 18.7.2003, S. 52, Randnr. 91 ff.

481. In der Frage der materiellen Selektivität erinnerte die Kommission daran, dass Maßnahmen, die praktisch allen Wirtschaftszweigen offen stehen, dennoch als selektiv eingestuft werden können, wenn die Zahl der Begünstigten de facto eingeschränkt wird. Dies ist insbesondere bei Maßnahmen der Fall, die nur für multinationale Unternehmen [248] oder Unternehmen einer gewissen Größe gelten [249].

[248] Entscheidung vom 17.2.2003 über die Maßnahme, die die Niederlande zugunsten von Unternehmen mit internationalen Finanzierungstätigkeiten durchgeführt haben, ABl. L 180 vom 18.7.2003, S. 52, sowie Entscheidung vom 11.10.2002 über die Finanzverwaltungszentralen in Frankreich (noch nicht veröffentlicht).

[249] Entscheidung vom 11.12.2002, ABl. L 150 vom 18.6.2003, S. 52

482. In der Frage der regionalen Selektivität stellte die Kommission fest, dass eine im Rahmen der steuerlichen Autonomie einer lokalen Gebietskörperschaft getroffene steuerliche Maßnahme als selektiv eingestuft werden kann, wenn die betreffende Gebietskörperschaft eine Ausnahme von der Anwendung einer der nationalen Steuerregelung unterliegenden Steuer zulässt [250].

[250] Entscheidung vom 11.12.2002, ABl. L 150 vom 18.6.2003, S. 52.

483. Schließlich ist die Kommission bei Begründungen für differenzierende steuerliche Maßnahmen durch Hinweis auf die Art oder den Sinn und Zweck des Steuersystems weiterhin von einem restriktiven Ansatz ausgegangen. Dabei ging es ihr insbesondere darum zu überprüfen, ob die Kriterien, von denen die Inanspruchnahme einer Regelung durch Unternehmen abhängig gemacht wird, mit den von den Mitgliedstaaten vorgebrachten Begründungen in Einklang stehen [251].

[251] Vgl. den Fall der internationalen Finanzierungstätigkeiten in den Niederlanden.

484. Darüber hinaus hatte die Kommission im Laufe des Jahres 2003 in mehreren Entscheidungen über die Anwendung der Kostenaufschlagsmethode dem Grundsatz des Vertrauensschutzes zu folgen. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz wendet die Kommission diesen Grundsatz in enger Auslegung an. In diesen Fällen hat sie jedoch seine Anwendbarkeit akzeptiert, da die Maßnahmen einer entsprechenden belgischen Regelung vergleichbar sind, bei der festgestellt wurde, dass sie nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fiel.

485. Belgische Regelung für Koordinierungszentren: Im Laufe des Jahres 2003 hatte die Kommission zwei Entscheidungen über belgische Regelungen zugunsten von Koordinierungszentren großer multinationaler Unternehmen zu treffen (Voraussetzungen, von denen die Inanspruchnahme der Regelung abhängig gemacht wird, d. h. die Anzahl der Länder, die Höhe der Eigenmittel und des Umsatzes). Ein Koordinierungszentrum kann man als wirtschaftliche Einrichtung definieren, die in einer Unternehmensgruppe bestimmte Dienstleistungen wie Finanzierung, Verwaltung der Kassenmittel, Buchführung, Personalverwaltung, EDV-Politik bzw. Steuerberatung zum Nutzen der Unternehmen der Gruppe zentralisiert und koordiniert. Diese Zentralisierung führt im Prinzip zu Größenvorteilen.

486. Bei der ersten Entscheidung am 17. Februar 2003 [252] (die am 23. April mit Korrigenda berichtigt wurde) handelte es sich um eine ablehnende abschließende Entscheidung zu der seit 1982 geltenden Regelung. Da es um eine bestehende Beihilfe ging, der die Kommission ursprünglich zugestimmt hatte, wurde nicht verlangt, dass die Beihilfen zurückzufordern sind. Außerdem wurde den zum Zeitpunkt der Entscheidung von der Regelung begünstigten Zentren eine Übergangszeit eingeräumt. Die zweite Entscheidung, die von der Kommission am 23. April [253] angenommen wurde, betrifft die neue Regelung, die Belgien als Ersatz für die Regelung von 1982 ausgearbeitet hat. Es handelt sich um eine teilweise befürwortende Entscheidung, mit der das Prüfverfahren zu drei Aspekten dieser neuen, im Mai 2002 notifizierten Regelung eingeleitet wurde. Die erste Regelung beruhte auf der Königlichen Verordnung Nr. 187 vom 30. Dezember 1982. Die Regelung ist nur nach Einzelanerkennung der Koordinierungsstellen durch Königlichen Erlass anwendbar. Die Anerkennung gilt für zehn Jahre und kann verlängert werden.

[252] ABl. L 282/2003, C 15/2002.

[253] ABl. L 282/2003, C 15/2002.

487. Abweichend vom Gemeinschaftsrecht wird das steuerbare Einkommen der anerkannten Koordinierungszentren pauschal auf der Grundlage eines Prozentsatzes der Ausgaben und der Geschäftsführungskosten (Kostenaufschlagsmethode) bestimmt. Die Bemessungsgrundlage umfasst sämtliche Aufwendungen des Zentrums mit Ausnahme von Personalkosten, Finanzkosten und Steuern, was von der Kommission kritisiert wurde. Die Gewinnspanne muss grundsätzlich in jedem Fall unter Berücksichtigung der tatsächlich von dem Zentrum durchgeführten Tätigkeiten festgesetzt werden. Sie wurde jedoch generell auf 8 % festgelegt, was ebenfalls bemängelt wurde. Schätzungen zufolge würde dieses System zu einem effektiven Steuersatz von 1 % gegenüber einem zu der Zeit in Belgien geltenden Körperschaftsteuersatz von 39 % führen. Darüber hinaus sind die anerkannten Zentren von der Quellensteuer und der Gesellschaftsteuer befreit. Hierbei handelt es sich um Beihilfeelemente, die als mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar eingestuft werden.

488. Fast 250 Zentren, für die zum Zeitpunkt der endgültigen Entscheidung der Kommission eine Anerkennung bestand, werden weiterhin von dieser Regelung begünstigt, einige von ihnen bis Ende 2010. Die neue Regelung ist eine geänderte Fassung der vorangegangenen Regelung. Sie umfasst Grundsätze für eine neuartige Anwendung der Kostenaufschlagsmethode, die nach Ansicht der Kommission per se kein Beihilfeelement mehr enthält. Jedoch wurde in der neuen Regelung die zuvor beanstandete Befreiung von der Quellensteuer und der Gesellschaftsteuer aufrechterhalten, so dass sich die Kommission gezwungen sah, diesbezüglich erneut das förmliche Prüfverfahren einzuleiten.

489. Die Kommission hat versucht, im Rahmen der zwei in diesem Jahr angenommenen Entscheidungen [254] Antworten auf die grundsätzlichen Fragen bzw. die Verfahrensfragen zu finden, die sich bei der Untersuchung dieser Regelungen ergaben. Dies betrifft beispielsweise die Behandlung von Beihilferegelungen, die zuvor nicht als Beihilfen eingestuft und daher genehmigt wurden, die Anerkennung der Tatsache, dass bei den begünstigten Unternehmen aufgrund dieser Genehmigung Vertrauensschutz besteht, die Anwendung von Vorabentscheidungen, mit denen sich die Finanzverwaltung im Hinblick auf die künftige steuerliche Behandlung der von den Steuerpflichtigen angegebenen Investitionen oder Geschäften einseitig festlegt, oder die Anwendung alternativer Methoden zur pauschalen Veranschlagung der steuerbaren Gewinne.

[254] ABl. L 282/2003, C 15/2002.

490. Was den Rechtsstreit in dieser Angelegenheit betrifft, so wurde vom Königreich Belgien und von FORUM 187, dem Branchenverband der Koordinierungszentren, Klage auf Aufhebung der ablehnenden abschließenden Entscheidung vom 17. Februar 2003 erhoben. Am 26. Juni 2003 setzte der Gerichtshof bis zur Verkündung des Urteils in der Hauptsache, die voraussichtlich erst 2004 erfolgen wird, den Punkt in der Entscheidung der Kommission aus, der die Verlängerung der Regelung für Koordinierungsstellen, deren Anerkennung abläuft, untersagte [255]. Parallel dazu forderte Belgien den Rat im Rahmen der Verhandlungen im Zusammenhang mit der Annahme des Steuerpakets (bestehend aus der Richtlinie über die Besteuerung von Kapitalerträgen, der Richtlinie über Zinsen und Lizenzgebühren und dem Verhaltenskodex für die Unternehmensbesteuerung) auf, von Artikel 88 Absatz 2 Unterabsatz 3 EG-Vertrag Gebrauch zu machen und die alte Regelung bis 2005 zu genehmigen. Die Entscheidung des Rates, mit der dieser Forderung im Widerspruch zu der endgültigen Entscheidung der Kommission vom Februar stattgegeben wurde, erging am 16. Juli 2003 [256]. Die Kommission hat ihrerseits die Rechtmäßigkeit dieses Vorgehens angefochten und beim Gerichtshof eine Nichtigkeitsklage, diesmal gegen den Rat, erhoben.

[255] Anordnung des Präsidenten der Gerichtshofs vom 26.6.2003 in den verb. Rs. C-182/03R und C-217/03R.

[256] ABl. L 184 v. 23.7.2003, S. 17f. (2003/531/EG).

491. Internationale Finanzierungstätigkeiten (NL): Am 17. Februar beschloss die Kommission, das am 11. Juli 2001 eingeleitete Verfahren wegen der niederländischen Steuerregelung für internationale Finanzierungstätigkeiten [257] mit einer ablehnenden Entscheidung abzuschließen.

[257] ABl. L 180 v. 18.7.2003, S. 52.

492. Diese Steuerregelung ermöglichte es, steuerfreie Rückstellungen für internationale Finanzierungsrisiken zu bilden. Die Regelung war nicht sektorbezogen und nicht auf bestimmte Regionen der Niederlande begrenzt. Die Kommission vertrat ungeachtet dessen die Auffassung, dass es sich um eine selektive Maßnahme handelte, da sie ausschließlich für Unternehmen galt, die in mindestens vier Ländern oder auf zwei Kontinenten über Tochtergesellschaften verfügen. Die Kommission wies das Argument zurück, die Mindestanforderung - vier Länder oder zwei Kontinente - diene nur dem Zweck, über objektive Kriterien zur verfügen, um festzustellen, ob die Grundvoraussetzungen erfuellt sind. Obgleich es logisch ist, in einem Steuersystem bestimmte Schwellen oder Grenzwerte vorzusehen, um das reibungslose Funktionieren des Systems zu gewährleisten, dürfen diese Grenzwerte nicht dazu führen, dass übertriebene Anforderungen gestellt werden, die nicht im Verhältnis zu den beabsichtigten Zielen stehen. Konzerne mit Geschäftstätigkeit in drei Ländern oder auf nur einem Kontinent sind objektiv gesehen den Risiken internationaler Finanzierungstätigkeiten nicht weniger ausgesetzt.

493. Ferner wies die Kommission das Argument zurück, dass die Bekämpfung der Erosion der Steuerbemessungsgrundlage oder die unzureichende Wettbewerbsfähigkeit, unter der die konzerninternen Finanzierungsaktivitäten in den Niederlanden vor 1997 zu leiden hatten, eine steuerliche Vorzugsbehandlung für eine begrenzte Zahl von Unternehmen rechtfertige. Diese Rechtfertigung ist nicht auf die Zielsetzung des niederländischen Steuersystems zurückzuführen, sondern verfolgt in erster Linie ein Ziel der allgemeinen Wirtschaftspolitik. Soweit die Vorteile dieser Regelung nicht mit Investitionen, der Schaffung von Arbeitsplätzen oder der Verwirklichung spezifischer Projekte verknüpft waren, zielten sie ausschließlich auf eine Verminderung der festen Belastungen ab und wurden daher als Betriebsbeihilfen betrachtet, die nur unter strengen Voraussetzungen genehmigt werden können, welche im vorliegenden Fall nicht erfuellt waren. Daher befand die Kommission die Regelung für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar. Aufgrund des nach ihrer Einschätzung für die Begünstigten bestehenden Vertrauensschutzes verzichtete sie jedoch auf die Rückforderung der bereits bewilligten Beihilfe und genehmigte ausnahmsweise einen Übergangszeitraum, um ein schrittweises Auslaufen der Regelung zu ermöglichen. Diese wies nämlich Ähnlichkeiten mit der belgischen Regelung für Koordinierungszentren auf, die von der Kommission im Jahr 1984 als allgemeine Maßnahme bewertet wurde. Überdies hatte die Kommission in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage erklärt, dass besondere Steuerregelungen für multinationale Unternehmen keine staatlichen Beihilfen darstellen.

494. Irland - Ausländische Einkünfte: Am 17. Februar erließ die Kommission eine endgültige abschlägige Entscheidung zu einer irischen Steuerregelung für ausländische Einkünfte, bei der es sich um eine unrechtmäßige und nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbare Beihilferegelung [258] handelte, ohne jedoch die Rückforderung der gewährten Beihilfe zu verlangen. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass den Mitgliedstaaten die Wahl der allgemeinen Methode (Steuerbefreiung oder Steuergutschrift) zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung der von ausländischen Tochtergesellschaften an die Muttergesellschaft rückgeführten Dividenden zwar freisteht, dass aber jede Abweichung von der einmal getroffenen Wahl eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare staatliche Beihilfe darstellen kann. In Irland erfolgt die Entlastung von der Doppelbesteuerung für Unternehmen in der Regel über eine Steuergutschrift, wobei die irische Steuer auf doppelbesteuerte Einkünfte und Erträge um den Betrag der ausländischen Steuern auf diese Einkünfte oder Erträge vermindert wird. Beim so genannten Foreign Income Scheme erfolgt die Entlastung jedoch durch Befreiung der Einkünfte oder Erträge aus ausländischen Quellen von der irischen Körperschaftsteuer.

[258] ABl. L 240 v. 28.8.2003, Sache C 54/2001.

495. Diese Maßnahmen sind in den Artikel 222 und 847 des Taxes Consolidation Act 1997 (Steuerkonsolidierungsgesetz) geregelt. Gemäß Artikel 222 sind Dividenden, die eine irische Muttergesellschaft von ihren ausländischen Tochtergesellschaften erhält, von der irischen Körperschaftsteuer befreit, sofern diese Dividenden für einen Investitionsplan verwendet werden, der auf die Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen in Irland ausgerichtet ist. Eine ,ausländische Tochtergesellschaft" ist ein Unternehmen, das seinen Sitz in einem Staat hat, mit dem Irland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, und zu 51 % im Besitz der von der Steuer befreiten irischen Muttergesellschaft ist. Der Investitionsplan ist den irischen Behörden im Vorhinein vorzulegen, die den Betrag der befreiten Dividenden festlegen. Hinsichtlich der Anzahl der geschaffenen oder erhaltenen Arbeitsplätze bestehen keine Vorschriften. Gemäß Artikel 847 kann die Befreiung der Gewinne und Erträge auch auf der Grundlage eines Investitionsplans erfolgen, der auf die Schaffung einer ,erheblichen Anzahl neuer Arbeitsplätze" in Irland ausgerichtet ist. Die Einkünfte und Erträge aus ausländischen Geschäftstätigkeiten sind nur dann steuerbefreit, wenn sie in dem in der Befreiungsbescheinigung angegebenen Land erwirtschaftet wurden.

496. In ihrer abschließenden Entscheidung vom 17. Februar 2003 stellte die Kommission fest, dass die betreffende Regelung eine unrechtmäßige und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Betriebsbeihilfe darstellte. Aufgrund des Vertrauensschutzes für die Begünstigten verlangte sie jedoch wegen der positiven Entscheidung über die belgischen Koordinierungszentren vom 2. Mai 1984 nicht die Rückforderung der gewährten Beihilfe [259]. Die wesentlichen Punkte der Entscheidung sind die Feststellung (1) des Vorteils, der sich aus dem Nebeneinanderbestehen der zwei Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ergibt, (2) des besonderen Charakters der Maßnahme aufgrund der ausdrücklichen oder stillschweigenden Beschränkungen, die den Unternehmen auferlegt werden, um von dem Vorteil profitieren zu können, und (3) die Anerkennung des Vertrauensschutzes aufgrund einer vorangegangenen Entscheidung der Kommission. Die spezifische Steuerbefreiung für ausländische Einkünfte bestimmter Unternehmen in einem System, bei dem nach der allgemeinen Regel Gutschriften vorgesehen sind, stellt einen Vorteil dar und verringert die Steuerlast der begünstigten Unternehmen, da im Falle der Gutschrift zusätzliche Steuern anfallen, wenn die Steuerschuld in Irland die im Herkunftsland gezahlten Steuern übersteigt, während bei der Befreiung keine weiteren Steuern zu zahlen sind. Die Maßnahme ist selektiv, da die von der Regelung begünstigten Unternehmen zwangsläufig zu internationalen Konzernen mit Tochtergesellschaften oder Niederlassungen im Ausland gehören, und da nur jene Unternehmen begünstigt werden, die eine Befreiungsbescheinigung gemäß den sehr restriktiven spezifischen Bestimmungen erhalten haben.

[259] S. Fußnote 260.

497. Firmenhauptsitze und Logistikzentren - Frankreich: Am 13. Mai erließ die Kommission eine ablehnende Entscheidung in Bezug auf die besondere Steuerregelung für Firmenhauptsitze und Logistikzentren in Frankreich [260]. Da zum Zeitpunkt der Einführung der Regelung sowohl die französischen Behörden als auch die Begünstigten davon ausgehen konnten, dass es sich hierbei nicht um eine staatliche Beihilfe handelte, hat die Kommission beschlossen, von der Rückforderung eventueller Steuervorteile abzusehen. Durch die Möglichkeit einer Sondervereinbarung über die steuerliche Behandlung bestimmter gruppeninterner Tätigkeiten multinationaler Unternehmensgruppen wollte die französische Regelung für Hauptsitze und Logistikzentren die Einrichtung von Tochterunternehmen oder Filialen solcher Gruppen begünstigen. Die französischen Tochterunternehmen und Filialen multinationaler Unternehmensgruppen können bei den Steuerbehörden beantragen, dass ihre steuerpflichtigen Einnahmen nach der Kostenaufschlagsmethode als fester Prozentsatz ihrer Ausgaben berechnet werden. Dabei werden allerdings bestimmte Ausgaben im Zusammenhang mit der Vergabe von Unteraufträgen bei der Kostenaufschlags-Berechnung nicht berücksichtigt, sofern sie weniger als 50 % der Unternehmenskosten ausmachen. Außerdem sind die Hauptsitze und Logistikzentren teilweise von der Pauschalsteuer IFA befreit.

[260] Sache C 45/2001.

498. Nach den französischen Steuergesetzen werden für die IFA alle Arten von Erwerbstätigkeit und sämtliche Gewinn erwirtschaftenden Unternehmen berücksichtigt. Nach der beanstandeten Regelung können dagegen französische Hauptsitze oder Logistikzentren im Rahmen einer genehmigten Vereinbarung einen erheblichen Teil ihrer Tätigkeiten von der Besteuerung ausnehmen, indem sie entsprechende Unteraufträge an Dritte vergeben. Ferner sind Hauptsitze oder Logistikzentren weitgehend von der bei der IFA vorgeschriebenen Steuervorauszahlung befreit. Folglich gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass die Regelung die steuerpflichtigen Einnahmen der französischen Hauptsitze und Logistikzentren vermindert und ihnen ferner durch die Befreiung von der Vorauszahlung der IFA finanzielle Vorteile verschafft. Die Regelung hatte eine selektive niedrigere Steuerlast zur Folge, was nach den Vorschriften für staatliche Beihilfen unzulässig ist.

499. Die französische Regelung war ursprünglich eingeführt worden, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit multinationaler Unternehmensgruppen und somit deren Niederlassung in Frankreich zu fördern. Nach den Ermittlungen der Kommission stellen die im Rahmen der Regelung gewährten Steuervergünstigungen jedoch einen selektiven Vorteil für ausschließlich französische Tochterunternehmen und Filialen dar. Vor allem bei von der Regelung betroffenen gruppeninternen internationalen Tätigkeiten wie Forschung und Entwicklung, wo lebhafter Wettbewerb besteht, kann dieser durch den Steuervorteil in ganz erheblichem Maße verzerrt werden. Folglich können die negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb und Handel im Binnenmarkt ein beträchtliches Ausmaß annehmen.

500. Am 24. Juni erließ die Kommission eine ablehnende Entscheidung zu einer besonderen Steuerregelung für ausländische Vertriebsgesellschaften US-amerikanischer Unternehmen (Foreign Sales Corporations, FSC) in Belgien [261]. Da zum Zeitpunkt der Durchführung dieser Regelung die belgischen Behörden und die Begünstigten davon ausgehen konnten, dass es sich hierbei nicht um staatliche Beihilfen handelte, beschloss hat die Kommission, die Rückzahlung eventuell empfangener Steuervorteile nicht zu verlangen.

[261] Sache C 30/2002.

501. Nach den früheren (inzwischen im Gefolge mehrerer Entscheidungen der WTO im September 2000 aufgehobenen) Rechtsvorschriften der USA ist eine FSC ein 100%ige Tochtergesellschaft einer amerikanischen Ausfuhrgesellschaft, die sich den FSC-Vorschriften unterwirft und dadurch die Befreiung der Einnahmen aus Tätigkeiten im Ausland von der Besteuerung in den USA erlangen kann. Ein solches Unternehmen muss in einem Land niedergelassen sein oder ein Büro unterhalten, das wie Belgien ein Abkommen über den Austausch von Steuerinformationen mit den USA geschlossen hat. Die Einkünfte einer FSC aus Tätigkeiten im Ausland sind in den USA nur steuerfrei, wenn bestimmte Wirtschaftsvorgänge wie der Verkauf oder die Verpachtung von Ausfuhrerzeugnissen oder die Erbringung der mit einem solchen Verkauf oder einer solchen Verpachtung verbundenen Dienstleistung außerhalb der USA stattfinden. Ein wirtschaftlicher Vorgang gilt als außerhalb der USA erbracht, wenn zumindest ein Teil der direkten Kosten der FSC außerhalb der USA entstehen. Hierzu zählen Werbung, Verkaufsförderung, Bearbeitung von Kundenbestellungen, Liefervorkehrungen, Transport der Waren, Rechnungstellung und Übernahme von Kreditrisiken.

502. Gemäß der belgischen Regelung konnte für die Geschäftstätigkeiten einer FSC in Belgien bei der Ermittlung des Betrages der steuerbaren Gewinne aus Geschäften mit verbundenen Auslandsgesellschaften eine Sonderregelung in Anspruch genommen werden. Die versteuerbaren Gewinne wurden dabei durch Anwendung eines Pauschalbetrages von 8 % auf bestimmte Kosten ermittelt, wobei die direkten Kosten im Zusammenhang mit Werbung, Verkaufsförderung, Beförderung von Waren und Kreditrisiken nicht dazu zählten. Die Regelung galt nur für belgische Tochtergesellschaften oder Niederlassungen einer FSC, die Bestandteil einer multinationalen Unternehmensgruppe war, sofern die FSC eine Sondervereinbarung mit den belgischen Steuerbehörden getroffen hatte.

503. In ihrer Entscheidung vertrat die Kommission die Auffassung, dass es sich bei der belgischen Regelung um staatliche Beihilfen handelte. Sie ging davon aus, dass diese Regelung den FSC und den Unternehmensgruppen, denen sie gehörten, übermäßige Steuervorteile bot, indem die ansonsten übliche Besteuerung verringert wurde. Mit der belgischen Regelung war beabsichtigt, die Ansiedlung von FSC zu fördern und durch Freistellung von der Inlandsbesteuerung ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Binnenmarkt zu erhöhen. Die Untersuchung der Kommission bestätigte, dass es sich bei den Steuervorteilen gemäß dieser Regelung um eine selektive Maßnahme handelte, die nur den Tochtergesellschaften und Niederlassungen einer FSC zugute kam, die im Rahmen der beschriebenen Vereinbarungen tätig waren. Insbesondere bei bestimmten gruppeninternen Dienstleistungen wie Übernahme von Kreditrisiken, Werbung und Verkaufsförderung waren die aus diesem Steuervorteil entstehenden Verzerrungen hoch und die nachteiligen Auswirkungen auf den Wettbewerb und den Handel erheblich.

Steuerähnliche Abgaben

504. Die Kommission hat auch einen Fall steuerähnlicher Abgaben im Sektor der Lichtspielhäuser behandelt: das deutsche Filmförderungsgesetz [262]. Die einschlägigen Beihilfen wurden im Einklang mit der der Rechtsprechung des EuGH und der Haltung der Kommission in einer ähnlich gelagerten französischen Beihilfe für Produktionen der Unterhaltungsindustrie [263] als mit dem Vertrag vereinbar angesehen.

[262] Sache N 261/2003.

[263] Sache N 463/2003

4. Sektorbezogene Beihilfen

4.1. Schiffbau

505. Nach vergeblichen Bemühungen um eine gütliche Einigung mit Korea beschloss die Europäische Union befristete Schutzmaßnahmen gegen den unfairen Wettbewerb im Schiffbausektor [264]. Im Rahmen dieser Schutzmaßnahmen sind mit Zustimmung der Kommission Betriebsbeihilfen zulässig. Direktbeihilfen zur Förderung von Aufträgen für den Bau von Containerschiffen sowie Produkten- und Chemikalientankern werden als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen. Vorbehaltlich der Genehmigung der einzelstaatlichen Regelungen durch die Kommission können Beihilfen für Schiffbauaufträge bis zu einer Hoechstintensität von 6 % des Vertragswertes vor der Beihilfe gewährt werden. Nachdem Untersuchungen bestätigt hatten, dass der Schiffbausektor der Gemeinschaft durch die unlauteren Praktiken Koreas erheblichen Schaden erlitten hatte, wurde auch die Förderung von Aufträgen für den Bau von Flüssiggastankern genehmigt [265].

[264] Verordnung (EG) Nr. 1177/2002 des Rates vom 27.6.2002.

[265] ABl. L 252 v. 4.10.2003, S. 18-22 (2003/691/EG).

506. Diese befristeten Schutzmaßnahmen sind eine begrenzte Ausnahmeregelung, die vorzuschlagen aus wettbewerbsrechtlicher Sicht schwierig war. Was ihre Auslegung anbelangt, so besagt die diesbezügliche Verordnung eindeutig, dass Beihilfen nur dann genehmigt werden dürfen, wenn eine koreanische Werft für denselben Auftrag einen niedrigeren Preis angeboten hat. Aus praktischer Sicht war bei der Bewertung der einzelstaatlichen Regelungen vor allem zu entscheiden, was als Beleg für einen Wettbewerb um einen Auftrag gelten konnte. Die Kommission musste einen Mittelweg finden, um einerseits sicherzustellen, dass diese Anforderung eingehalten wird, ohne andererseits so schwierige Bedingungen aufzustellen, dass die Schutzmaßnahmen nicht greifen können. Bisher hat die Kommission entsprechende einzelstaatliche Regelungen für Dänemark, Deutschland, die Niederlande und Frankreich genehmigt.

507. Am 16. Dezember genehmigte die Kommission neue deutsche Bürgschaftsregelungen zur Schiffbaufinanzierung für die fünf Küstenländer Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.

508. Neu an diesen Regelungen ist der Grundsatz der Risikodifferenzierung. Danach werden für unterschiedliche Risiken, die durch eine Bürgschaft besichert werden sollen, unterschiedliche Prämien gezahlt. Die deutschen Behörden haben ein ausgefeiltes Risikoanalyse-System mit sechs Risikokategorien für die zu fördernden Projekte ausgearbeitet. Vorhaben mit niedrigem Risiko kommen daher in den Genuss einer billigeren Prämie als Vorhaben mit hohem Risiko. Letztere müssen für Bürgschaften künftig Prämien entrichten, die dem besicherten Risiko angemessen sind.

509. Mit den Bürgschaften können Darlehen sämtlicher Kreditinstitute unabhängig von ihrem Standort besichert werden. Zwei Formen von Bürgschaft sind vorgesehen: Bürgschaften zur Vorfinanzierung der Baukosten bis zur Auslieferung durch die Werft und so genannten Endfinanzierungsbürgschaften zur Finanzierung des Erwerbs eines fertig gebauten Schiffs durch den Eigner.

510. Die Regelungen wurden bis Ende 2006 genehmigt. Vor Ablauf dieser Frist wird die Kommission die Funktionsweise des neuen Systems anhand der in den ersten drei Jahren gewonnenen Erfahrungen prüfen.

511. Am 30. April leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren wegen möglicher Beihilfeelemente einer italienischen Bürgschaftsregelung für den Schiffbau ein [266]. Nach einer ersten Bewertung dieser bislang nicht angewendeten Regelung kann die Kommission nicht ausschließen, dass Elemente staatlicher Beihilfen enthalten sind. Insbesondere bezweifelte die Kommission, dass sich eine staatliche Bürgschaftsregelung, die von allen Nutzern unabhängig vom jeweiligen Risiko des finanzierten Projekts ein und dasselbe Entgelt verlangt (und das in einem Sektor, in dem ein Markt besteht, der solche Bürgschaften auf der Basis individueller Risikobewertungen anbietet), angesichts aller zu berücksichtigenden Kostenfaktoren wirklich selbst tragen kann.

[266] Sache N 371/2001.

512. Am 27. Mai 2003 erließ die Kommission zwei Entscheidungen in Verbindung mit staatseigenen Werften in Spanien [267]. In einer Entscheidung (Sache C 40/2000) weitete sie das förmliche Prüfverfahren wegen der möglichen Gewährung weiterer Umstrukturierungsbeihilfen für staatseigene Werften in Spanien aus. Geklärt werden sollte, ob den staatseigenen Werften, die sich heute im Besitz der IZAR-Gruppe befinden, ein Betrag von 515 Mio. EUR gewährt wurde. Offensichtlich erfolgte die vermutete Beihilfe in Form von Kapitalzuführungen und Darlehen. Allem Anschein nach wurde dieser Betrag von der staatlichen Holdinggesellschaft Sociedad Estatal de Participationes Industriales (SEPI) 1999 und 2000 bereitgestellt. Die Kommission hatte Bedenken, ob es sich hierbei nicht um eine weitere staatliche Beihilfe handeln könnte, die nach Genehmigung des Umstrukturierungspakets in Höhe von 1,377 Mrd. EUR im Jahr 1997 nicht mit den EU-Vorschriften über Beihilfen für den Schiffbau vereinbar wäre.

[267] Sache C 40/2000.

513. In einer weiteren Entscheidung beschloss die Kommission ein förmliches Prüfverfahren, das die Kapitalzuführung in Höhe von rund 1,500 Mrd. EUR von SEPI an IZAR in den Jahren 2000 bis 2002 betraf [268]. Ermitteln wollte die Kommission, ob das IZAR von SEPI bereitgestellte Kapital nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil für den zivilen Schiffbau verbunden war, den IZAR durch privatwirtschaftliche Finanzierung nicht erlangt hätte. Das über SEPI oder aus anderen staatlichen Quellen bereitgestellte Kapital konnte daher eine unzulässige staatliche Beihilfe darstellen.

[268] Sache C 38/2003.

4.2. Kraftfahrzeugsektor

514. Der Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen in der Kfz-Industrie lief 2002 aus, jedoch wurden davor angemeldete Fälle auch 2003 noch auf dieser Grundlage gewürdigt. Seit Januar 2003 gilt für den Kraftfahrzeugsektor der neue Multisektorale Regionalbeihilferahmen für große Investitionsvorhaben. Nach diesen neuen, vereinfachten Vorschriften können für Vorhaben in der Kfz-Industrie Beihilfen in Höhe von 30 % des jeweiligen regionalen Förderhöchstsatzes gewährt werden (gegenüber 100 % nach den alten Bestimmungen).

515. Am 11. Juni genehmigte die Kommission einen Teil einer Investitionsbeihilfe für den Kfz-Hersteller Volkswagen bzw. dessen Werk in Arazuri (Pamplona) [269]. Nach eingehender Prüfung kam die Kommission zu dem Schluss, dass nur ein Teil der von Spanien angesetzten 62 Mio. EUR für die Durchführung des Investitionsvorhabens notwendig war. Ausgehend von den (im Dezember 2002 ausgelaufenen) Beihilfevorschriften für die Kfz-Industrie gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass die geplante Beihilfe über dem lag, was zum Ausgleich der Mehrkosten für die Durchführung des Vorhabens in Spanien notwendig war, und kürzte den zulässigen Betrag entsprechend.

[269] Sache C 38/2002.

516. Am 23. Juli beschloss die Kommission, das förmliche Verfahren zur Prüfung einer Beihilfe in Höhe von 178 Mio. EUR für eine in Cutro (Kalabrien, Süditalien) geplante Investition des Kfz-Herstellers De Tomaso in Höhe von 219 Mio. EUR einzuleiten [270]. De Tomaso will an dem genannten Standort eine neues Werk errichten, in dem im Jahre 2009 rund 800 Beschäftigte für die Fertigung von Luxussportwagen und die Montage von Geländefahrzeugen des russischen Kfz-Bauers UAZ beschäftigt sein sollen. Zur Eröffnung des Verfahrens äußerte die Kommission Zweifel, ob die Kosten-Nutzen-Analyse der italienischen Behörden den tatsächlichen Nachteil von Cutro gegenüber den alternativen Standorten für das gleiche Vorhaben wiedergab. Ihre Zweifel betrafen vor allem den Umfang des Vergleichs in der Kosten-Nutzen-Analyse und insbesondere die Investitionen, die in Cutro, nicht aber an den Alternativstandorten getätigt würden.

[270] C 48/2003 (ex N791/2002).

517. Am 30. April eröffnete die Kommission das förmliche Prüfverfahren zu einer Beihilfe von 16 Mio. GBP für Investitionen in Höhe von 165 Mio. GBP des Kfz-Herstellers Peugeot in seinem Werk in Ryton im Vereinigten Königreich [271]. Peugeot plant, dort Investitionen für die Fertigung des Nachfolgemodells des Peugeot 206 zu tätigen. Bei der Einleitung des Verfahrens äußerte die Kommission Zweifel, dass eine wirtschaftliche Alternative zur Durchführung des Vorhabens in Ryton besteht. Zudem bezweifelte sie die Richtigkeit der Kosten-Nutzen-Analyse, die die britischen Behörden zum Nachweis des Kostennachteils von Ryton gegenüber dem Alternativstandort für das Vorhaben durchführten.

[271] Sache C 30/2003.

4.3. Stahl

518. Am 15. Oktober 2003 stellte die Kommission in einer abschließenden Entscheidung fest, dass die Beteiligung der staatlichen belgischen Sogepa am Stahlerzeuger Carsid in Höhe von 9 Mio. EUR eine mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfe darstellte.

519. Unter normalen Marktbedingungen hätte ein Minderheitsaktionär wie Sogepa keine Mittel für eine solche Beteiligung zur Verfügung gestellt, weil die Rentabilität der Investition wegen der hohen mir ihr einher gehenden Risiken nicht gewährleistet war. Unmittelbare und mittelbare Hauptnutznießer wären die Geschäftspartner von Sogepa gewesen. Deswegen stufte die Kommission die Beteiligung von Sogepa an Carsid als staatliche Beihilfe ein und erließt eine Verbotsentscheidung, weil Investitions- und Umstrukturierungsbeihilfen in der Stahlindustrie mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind.

520. Der Konzern Usinor Sacilor hatte im Februar 2001 die Schließung des Warmwalzwerks von Cockerill Sambre in Charleroi angekündigt. Daraufhin begannen Verhandlungen zwischen Usinor-Cockerill Sambre, dem Duferco-Konzern und der (von der wallonischen Regierung kontrollierten) Sogepa, vor allem um ein Gemeinschaftsunternehmen zur Brammenproduktion unter Nutzung der vorhandenen Anlagen von Cockerill Sambre in Charleroi in Verbindung mit den Stranggussanlagen von Duferco in Clabecq zu gründen.

4.4. Telekommunikation

521. Zu Beginn des Jahres 2003 befasste sich die GD-Wettbewerb intensiv mit dem Bereich des Telefonwesens. Im Ergebnis dieser Tätigkeit wurden im Januar 2003 zwei Kommissionsentscheidungen erlassen, die einen privaten deutschen Betreiber bzw. den angestammten französischen Betreiber betrafen. In beiden Fällen sah sich die Kommission gezwungen, ein förmliches Prüfverfahren einzuleiten, da es ihr nicht möglich war, anhand der von den Behörden der beiden Länder übermittelten Angaben jeden Zweifel an der Vereinbarkeit der betreffenden Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt auszuräumen.

522. Am 21. Januar bewilligte die Kommission eine Rettungsbeihilfe von 50 Mio. EUR zugunsten der MobilCom AG und leitete zugleich das förmliche Prüfverfahren wegen einer staatlichen Bürgschaft für ein zusätzliches Darlehen in Höhe von 112 Mio. EUR ein [272]. Am 19. September 2002 übernahm der deutsche Staat eine Bürgschaft für ein Darlehen in Höhe von 50 Mio. EUR (,erste Beihilfe"), das MobilCom durch die bundeseigene Entwicklungsbank KfW gewährt wurde. Am 20. November 2002 erklärte sich der deutsche Staat zu einer Bürgschaft für ein neues Darlehen über 112 Mio. EUR (,zweite Beihilfe") bereit, das von einem Konsortium öffentlicher und privater Banken ausgereicht wurde.

[272] ABl. C 80/2003, Sache NN 115/2002.

523. Die Kommission hatte in der vorläufigen Prüfung festgestellt, dass MobilCom das erste Darlehen aufgrund des Wegfalls der finanziellen Unterstützung durch den wichtigsten Anteilseigner France Télécom (FT) benötigte, durch den es in einen plötzlichen Liquiditätsengpass geraten war. Die Kommission vertrat die Auffassung, dass die erste Beihilfe als Rettungsbeihilfe im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten [273] (die ,Leitlinien") gewährt werden konnte. Die deutschen Behörden haben nachgewiesen, dass der Betrag von 50 Mio. EUR erforderlich ist, um die laufenden Betriebskosten von MobilCom zu decken, und haben sich verpflichtet, der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach Genehmigung der Rettungsbeihilfe einen Umstrukturierungsplan vorzulegen.

[273] ABl. C 288 vom 9.10.1999, S. 2.

524. Im Hinblick auf die weitere Bürgschaft für das Darlehen über 112 Mio. EUR hegt die Kommission ernsthafte Bedenken, ob diese Maßnahme als Rettungsbeihilfe eingestuft werden kann. Aus den von den deutschen Behörden übermittelten Informationen ergibt sich, dass der Betrag von 112 Mio. EUR von MobilCom offenbar nicht nur zur Deckung laufender Betriebskosten, sondern auch für die Finanzierung von Umstrukturierungsmaßnahmen verwendet worden ist. Da der Kommission jedoch kein Umstrukturierungsplan vorgelegt wurde, vermochte sie es in Ermangelung entsprechender Angaben nicht zu beurteilen, ob die zweite Maßnahme im Sinne der Leitlinien der Gemeinschaft als Umstrukturierungsbeihilfe eingestuft werden kann.

525. Die Kommission konnte der Auffassung der deutschen Behörden nicht folgen, dass die beiden Beihilfemaßnahmen als eine einheitliche Rettungsmaßnahme anzusehen sind, und nahm eine eingehende Prüfung der zweiten Maßnahme durch Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens in Angriff. Am 15. März teilten die deutschen Behörden der Kommission mit, dass sie beabsichtigen, die zwei Bürgschaften bis 2007 zu verlängern. Am 9. Juli beschloss die Kommission, das förmliche Prüfverfahren wegen dieser Verlängerung zu erweitern. Im September 2003 veräußerte MobilCom 20 % seiner Beteiligung an dem Internetprovider Freenet.de AG. Diese Transaktion gestattete es dem Unternehmen, die Kredite zu tilgen, was automatisch die Aufhebung der Bürgschaften bewirkte. Im Laufe des förmlichen Prüfverfahrens muss die Kommission untersuchen, ob die Maßnahmen mit dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes, insbesondere mit den oben genannten Leitlinien in Einklang stehen.

526. Am 30. Januar beschloss die Kommission, wegen der am 3. Dezember 2002 angemeldetengeplanten Beihilfe der französischen Regierung an France Télécom [274] das förmliche Prüfverfahren nach Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag einzuleiten. Das Verfahren betrifft auch die auf FT anwendbare Gewerbesteuerregelung, die Gegenstand einer Beschwerde ist. Das von der französischen Regierung angemeldete Vorhaben soll France Télécom die Rückzahlung seiner kurzfristigen Verbindlichkeiten ermöglichen, und zwar durch eine Kapitalerhöhung, die gemäß der Beteiligung an France Télécom vom französischen Staat und den Privataktionären zu zeichnen wäre. Da sie eine kurzfristige Kapitalaufstockung nicht für möglich erachtete, hat die französische Regierung zwecks Vorwegnahme der geplanten Kapitalerhöhung einen Aktionärsvorschuss in Form einer Kreditlinie von höchstens 9 Mrd. EUR bereitgestellt, der über die staatliche Holding ERAP durchgereicht wird. Dieser Vorschuss wird nach Angaben der französischen Regierung zu Marktbedingungen gewährt. Die Kommission hat Zweifel im Hinblick auf die geplante Transaktion, insoweit FT außerhalb der üblichen Marktbedingungen Vorteile gewährt würden. Sie bezweifelt außerdem, dass sich der französische Staat wie ein marktwirtschaftlich handelnder Kapitalgeber verhält. So räumt die französische Regierung selbst ein, dass sich FT vor der Ankündigung des Aktionärsvorschusses in einer Finanzlage befand, die es dem Unternehmen nicht gestattete, zu annehmbaren Bedingungen Kapital auf dem Markt aufzunehmen. Da die französische Regierung anerkannt hat, dass die Kreditlinie eine vorweggenommene Beteiligung des Staates an der Kapitalaufstockung von France Télécom darstellte, kann diese Kapitalaufstockung nicht gleichzeitig als Beteiligung privater Anleger qualifiziert werden. Daher muss im Rahmen des Prüfverfahrens eingeschätzt werden, ob die Kreditlinie dazu beigetragen hat, France Télécom die Mittelbeschaffung auf dem Kapitalmarkt und die Rekapitalisierung zu vorteilhafteren Bedingungen zu ermöglichen.

[274] ABl. C 57/2003, Sache NN 47/2002.

527. So war es France Télécom nach der Ankündigung und der Bereitstellung des Vorschusses sowie der Vorlage des Sanierungsplans durch die Unternehmensleitung möglich, sich ohne Rückgriff auf die Kreditlinie erstmals nach 18 Monaten auf dem Kapitalmarkt wieder umfangreiche Beträge zu beschaffen und darüber hinaus für einen Teil seiner Verbindlichkeiten eine Laufzeitverlängerung auszuhandeln. Dasselbe gilt für die am 24. März 2003 eingeleitete Kapitalerhöhung des Betreibers in Höhe von 15 Mrd. EUR, auf die der Markt wohlwollend reagierte. Diese Ereignisse haben also nach dem Investitionsbeschluss der französischen Regierung stattgefunden, die offenbar zum Zeitpunkt der Anmeldung nicht garantieren konnte, dass das Vertrauen des Marktes und dessen Beteiligung gesichert waren, da die Banken ihre Zustimmung von einer vorherigen Prüfung des Sanierungsplans und ersten Ergebnissen abhängig gemacht hatten. Darüber hinaus kann aufgrund der Modalitäten der Bereitstellung des Vorschusses ein Vorteil zugunsten des Unternehmens nicht ausgeschlossen werden, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte.

528. Die Kommission hat außerdem beanstandet, dass die französische Regierung nicht hinreichend nachgewiesen hatte, dass die Rentabilität des investierten Kapitals für einen privaten Kapitalgeber annehmbar gewesen wäre. Einerseits ist France Télécom ein hochverschuldetes Unternehmen, für das der Staat nach eigenem Bekunden eine außerordentliche Investition tätigen sollte, andererseits hat die französische Regierung der Kommission in der Anlage zu der Notifizierung weder den Sanierungsplan insgesamt noch hinreichende Angaben zum Nachweis einer für einen privaten Kapitalgeber akzeptablen Rentabilität vorgelegt.

4.5. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk

529. Die Kommission hat eine Reihe staatlicher Finanzhilfen für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Portugals (RTP) und Italiens (RAI) am 15. Oktober [275] sowie Frankreichs (France 2 und France 3) am 10. Dezember [276] genehmigt. Es handelt sich um staatliche Ad-hoc-Finanzhilfen nach der Liberalisierung der Fernsehmärkte in diesen Ländern in den 90er Jahren. Gewährt wurden u.a. Kapitalzufuhren, Umschuldungen, Betriebsbeihilfen, Steuerbefreiungen und nachrangige Darlehen. Die Kommission kam zu der Auffassung, dass der mit diesen Maßnahmen gewährte finanzielle Ausgleich der öffentlichen Hand die Kosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags nicht überschritt. Außerdem konnte auf den italienischen und französischen Märkten (z.B. für Fernsehwerbung) keine Wettbewerbsverzerrungen festgestellt werden.

[275] Financiamento de RTP pelo Estado, Entscheidung C (2003) 3526; Misure in favore della RAI, Entscheidung C (2003) 3528.

[276] Aides en faveur de Frankreich 2 et Frankreich 3, Entscheidung C (2203) 4497.

530. Diese Ad-hoc-Maßnahmen sind von den regulären Finanzierungshilfen zu unterscheiden, die die Mitgliedstaaten vor Inkrafttreten des EWG-Vertrags in Kraft gesetzt hatten. Dabei werden in der Regel von den Eigentümern von Radio- und Fernsehgeräten Gebühren erhoben und auf die Anstalten umgelegt oder ein direkter Ausgleich aus den öffentlichen Haushalten gewährt. Diese waren nach Auffassung der GD Wettbewerb in den drei betroffenen Ländern als bestehende Beihilfen zu betrachten und entsprechend zu würdigen. In Bezug auf ein viertes Land, Spanien, hat die Kommission kein Verfahren zu Ad-hoc-Maßnahmen eingeleitet und folglich auch keine förmliche Entscheidung erlassen. Die ständige Finanzierungsregelung war jedoch wie im Falle Portugals, Italiens und Frankreichs als bestehende Beihilfe einzustufen.

531. Das reibungslose Funktionieren des freien Wettbewerbs und des Binnenmarktes machte aber nach Ansicht der Kommission eine Änderung der Rundfunkgebührenvorschriften dieser vier Länder erforderlich. Die GD Wettbewerb schlug Portugal, Italien, Frankreich und Spanien daher einige Änderungen vor, um die Regelungen an die Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk [277] anzupassen. Dabei ging es vor allem um Vorkehrungen gegen eine Überkompensation und die Verpflichtung der Anstalten, ihre kommerziellen Tätigkeiten nach Marktpreisen abzuwickeln.

[277] Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, ABl. C 320 v. 15.11.2001, S. 5.

532. Ein förmliches Verfahren leitete die Kommission auch wegen der staatlichen Finanzierung der dänischen öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt TV2 ein. In einer Voruntersuchung hatte die Kommission den Eindruck gewonnen, dass die Finanzhilfen des dänischen Staates an TV2 im untersuchten Zeitraum (1995-2002) höher waren als die Nettokosten des öffentlich-rechtlichen Auftrags. TV2 wird dual finanziert, d.h. sowohl aus staatlichen Fördermitteln als auch aus gewerblichen (hauptsächlich Werbe-) Einnahmen. Der Kommission lagen Informationen vor, wonach TV2 seine gewerblichen Tätigkeiten mit Einnahmen aus öffentlichen Zuschüssen quersubventioniert hatte. Die Kommission erklärte deswegen, das Preisverhalten von TV2 im Verhältnis zu seinen Konkurrenten in der vertieften Prüfungsphase eingehender zu analysieren, um zu klären, ob es auf dem Markt der Fernsehwerbung zu Wettbewerbsverzerrungen gekommen ist.

533. Die untersuchten Finanzierungsmaßnahmen umfassen Gebühreneinnahmen, zins- und tilgungsfreie Darlehen, Staatsbürgschaften für Betriebsdarlehen und die Übertragung von Mitteln aus dem TV2-Fonds und dem Radio-Fonds. Außerdem müssen sämtliche Netzbetreiber TV2 anbieten, und der Anstalt steht eine kostenlose landesweite Sendefrequenz zur Verfügung.

534. Die Kommission wird die Maßnahmen anhand der Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über Staatliche Beihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk prüfen.

4.5.1 Gewerbesteuer-Regelungen

535. Das französische Gesetz Nr. 90-568 vom 2. Juli 1990 sieht zugunsten von France Télécom Ausnahmeregelungen von den allgemeinen Vorschriften des Code général des impôts (Allgemeine Abgabenordnung) vor. Hierbei sind zwei Regelungen aufeinander gefolgt: eine vom 1. Januar 1991 bis 1. Januar 1994 geltende Übergangsregelung, nach der FT keine Gewerbesteuer zu entrichten hatte, und eine ab 1994 geltende endgültige Regelung, nach der die Gewerbesteuer abweichend von den allgemeinen Rechtsvorschriften zu berechnen und einzutreiben war, d. h. eine Veranlagung nach dem Ort der Hauptniederlassung, Senkung des Grundbetrags der auf France Télécom anwendbaren Gewerbesteuer gegenüber den sonstigen steuerpflichtigen Unternehmen und Anwendung eines anderen Steuersatzes als bei anderen Unternehmen. Die auf France Télécom anwendbare Gewerbesteuerregelung scheint die Kriterien zu erfuellen, um als staatliche Beihilfe im Sinne des Vertrages angesehen zu werden. Offenbar hat diese Regelung France Télécom insofern Vorteile verschafft, als die von FT entrichtete Gewerbesteuer niedriger war als gemäß den allgemeinen steuerlichen Vorschriften. Außerdem hegt die Kommission ernsthafte Zweifel an der Vereinbarkeit einer solchen Beihilfe mit dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes. Nach einer Voruntersuchung, durch die ihre Zweifel nicht ausgeräumt werden konnten, beschloss die Kommission gemäß dem Vertrag, in Bezug auf die zwei fraglichen Bereiche das förmliche Prüfverfahren einzuleiten. Sollte die Kommission im Laufe des förmlichen Prüfverfahrens zu dem Schluss gelangen, dass die fraglichen Maßnahmen Beihilfen darstellen, wird sie entscheiden müssen, ob die Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt, insbesondere mit den oben genannten Leitlinien vereinbar sind.

5. Kohle

536. Seit dem 24. Juli 2002 [278] gilt eine neue Rahmenregelung für Beihilfen im Kohlesektor. Derzeit wird in vier Mitgliedstaaten der EU Kohle gefördert: Deutschland, Frankreich, Vereinigtes Königreich und Spanien. Wegen geologischer Nachteile sind die meisten Kohlegruben nicht wettbewerbsfähig gegenüber eingeführter Kohle.

[278] ABl. L 205 v. 2.8.2002, S. 1.

537. Im Falle Spaniens genehmigte die Kommission eine Beihilfe für private Bergbauunternehmen im Fürstentum Asturien für Forschung, technologische Entwicklung, Umweltschutz und bergbauspezifische Ausbildungsmaßnahmen [279] sowie Beihilfen zur Umstrukturierung des Bergbauunternehmens Hunosa [280]. Wegen verschiedener Beihilfemaßnahmen zugunsten privater Bergbauunternehmen in der Autonomen Gemeinschaft von Kastilien-León wurde jedoch das Verfahren eingeleitet [281].

[279] Entscheidung der Kommission vom 21.1.2003, C(2003)244.

[280] Entscheidung der Kommission vom 19.2.2003, C(2003)526.

[281] Entscheidung der Kommission vom 19.2.2003, C(2003)525.

538. Ferner beschloss die Kommission, das Verfahren gegen das Unternehmen González y Diez S.A. wieder zu eröffnen, um die Entscheidung 2002/827/EGKS vom 2. Juli 2002 durch eine neue Entscheidung zu ersetzen [282]. Die jetzt nach Auslaufen des EGKS-Vertrages geltenden Regeln bieten den Mitgliedstaaten, den geförderten Unternehmen und den betroffenen Dritten eine bessere Gewähr für die Wahrnehmung ihrer Rechte. Am 5. November schloss die Kommission das Verfahren mit der Entscheidung ab, dass die für 1998 und 2000 genehmigten Beihilfen nicht die geltenden Voraussetzungen erfuellt hatten und die Beihilfe für 2001 nur teilweise genehmigungsfähig ist [283].

[282] Entscheidung der Kommission vom 19.2.2003, C(2003)524.

[283] Entscheidung der Kommission vom 5.11.2003, C(2003)3910.

539. Am 7. Mai genehmigte die Kommission den Umstrukturierungsplan und die Beihilfen für die deutsche Kohleindustrie für das Jahr 2003 [284].

[284] Entscheidung der Kommission vom 7.5.2003, C(2003)1295.

540. Am 28. Mai genehmigte die Kommission eine Beihilfe für Abfindungszahlungen im Zusammenhang mit der Schließung des Selby Complex fon UK Coal [285]. Ferner wurde am 25. Juni eine Beihilferegelung zur Deckung von Erstinvestitionskosten in der britischen Kohleindustrie für den Zeitraum 2003-2005 genehmigt [286]. Mit der Regelung sollen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten realistische Investitionsvorhaben gefördert werden, die den Zugang zu zukunftsträchtigen Kohlevorräten erhalten und Arbeitsplätze in sozial und wirtschaftlich benachteiligten Gebieten schaffen oder erhalten.

[285] Entscheidung der Kommission vom 27.5.2003, C(2003)1668.

[286] Entscheidung der Kommission vom 24.6.2003, C(2003)1908.

6.Verkehr

6.1. Schienenverkehr

541. Am 16. Dezember genehmigte die Kommission eine neue Regelung zur Unterstützung der Containerbeförderung auf der Schiene in Großbritannien [287]. Nach dieser Regelung werden für den Seeverkehr bestimmte Container, die über die Schiene transportiert werden, durch feste Beförderungssätze je Container begünstigt. Mit der Beihilferegelung soll das Wachstum in diesem Bereich und im kombinierten Verkehr gesichert werden.

[287] N 464/2003 (UK) Company Neutral Revenue Scheme (CNRS), Entscheidung der Kommission vom 16.12.2003.

6.2. Kombinierter Verkehr

542. Die Kommission hat mehrere Beihilferegelungen genehmigt, mit denen der kombinierte Verkehr als Alternative zur Straßenverkehr durch Ausgleich der Zusatzkosten gefördert werden soll [288]. Eine französische Pauschalraten-Regelung [289]für sämtliche Kategorien des kombinierten Verkehrs und eine italienische Rationalisierungsbeihilferegelung [290] u.a. zur finanziellen Unterstützung von Unternehmen, die eine Mindestzahl von Zügen jährlich für den kombinierten Verkehr oder zur Beförderung gefährlicher Güter nutzen, fanden die Zustimmung der Kommission.

[288] N 64/03 Italien (Trento) - Beihilfe für den kombinierten Verkehr. Entscheidung der Kommission vom 1.10.2003, ABl. C 284, S.3.

[289] N 623/02 Entscheidung der Kommission vom 30.4.2003, ABl. C 248, S. 3.

[290] N 810/02 Entscheidung der Kommission vom 10.12.2003, noch nicht veröffentlicht.

543. Zu den nach der letztgenannten Regelung geförderten Projekten gehört auch die im Teststadium befindliche französisch-italienische ,Schienenautobahn" zwischen Aiton und Orbassano (Lyon-Turin), die zwischen 2003 und 2006 von AFA - Autoroute Ferroviaire Alpine (die wichtigsten Gesellschafter sind SNCF und TRENITALIA [291]) betrieben wird. Während der staatliche Beitrag auf italienischer Seite über die genannte Regelung finanziert wird, wurde der französische Beitrag zu dieser Probephase mit einer anderen Kommissionsentscheidung genehmigt [292].

[291] Genehmigt am 4.8.2003.

[292] NN 155/03 Entscheidung der Kommission vom 10.12.2003, noch nicht veröffentlicht.

544. Ferner schloss die Kommission zwei förmliche Verfahren ab, die sie wegen Zweifel an der Verhältnismäßigkeit der vorgesehenen Beihilfe für zwei Infrastrukturvorhaben eingeleitet hatte. Die Verfahren betrafen die Vergrößerung der Anlegeplätze und der Frachtabfertigungskapazitäten im Hafen Corparch Pier bei Fort William (Schottland) [293] und den Bau eines Containerterminals in Alkmaar (Provinz Noord-Holland) zur Förderung der Umleitung des Hausmülltransports von der Straße auf Binnenwasserstraßen [294].

[293] C 62/2002 (ex N 221/2002) - Vereinigtes Königreich - Ad Hoc-Beihilfe an CLYDEBoyd nach der Regelung Freight Facilities Grant Scheme (FFG). Entscheidung der Kommission vom 5.2.2003.

[294] C 51/2002 (ex 840/01) - Alkmaar Containerterminal. Entscheidung der Kommission vom 24.6.2003, ABl. L 327, S. 3.

545. Schließlich leitete die Kommission ein förmliches Verfahren wegen der Förderung von Unternehmensneugründungen im Bereich der Schienen- und Seeverkehrsdienstleistungen nach und von Friaul-Julisch Venezien ein [295].

[295] N 134/2001 - Italien (Region Friaul-Julisch Venezien) Gesetzesentwurf Nr. 106/1-A - "Beihilfen zur Einrichtung von Infrastruktur und Dienstleistungen im Warenverkehr, zur Umstrukturierung des Kfz-Frachtverkehrs und für die Entwicklung des kombinierten Verkehrs". Entscheidung der Kommission vom 26.9.2003, ABl. C 311/2003.

6.3. Straßenverkehr

546. Im Januar genehmigte die Kommission eine Rettungsbeihilfe zugunsten von "ABX Logistics" [296], einem Unternehmen der belgischen Schienenverkehrsgesellschaft SNCB für integrierte Transportlogistik im Straßen-, See- und Luftverkehr sowie für Vertragslogistik. Wegen des Umstrukturierungsplans leitete sie jedoch das förmliche Verfahren ein ("ABX Logistics") [297].

[296] N 769/02- Belgien- Rettungsbeihilfe für die drei Unternehmen von ABX Logistics (F, D, NL). Entscheidung der Kommission vom 21.1.2003.

[297] NN 62/2003- Belgien - Umstrukturierung von ABX Logistics. Entscheidung der Kommission vom 23.7.2003.

547. Das förmliche Verfahren wurde auch wegen unkorrekter Anwendung der zuvor genehmigten Umstrukturierungsbeihilfe zugunsten des Unternehmens "Sernam" [298], einer Tochter der französischen Schienenverkehrsgesellschaft SNCF, eingeleitet, die Beförderungsleistungen im Straßen- und Schienenverkehr erbringt und als Verfrachter tätig ist.

[298] NN 122/2000 - Frankreich ,SERNAM 2: Änderung der Umstrukturierungsbeihilfe". Entscheidung der Kommission vom 30.4.2003.

548. Am 5. März gab die Kommission den französischen Behörden grünes Licht für eine Beihilferegelung, mit denen der Ausstoß von Treibhausgasen im Verkehr reduziert werden soll. Diese mehrjährige Regelung [299], die von der Agence française de l'Environnement et de la Maîtrise de l'Energie (Ademe) angewendet werden soll, entspricht dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Verpflichtungen, die die EU im Kyoto-Protokoll eingegangen ist.

[299] N 353/2001- Frankreich- Verkehrsbeihilferegelung der ADEME.

549. Der Region Piemont [300] (Italien) hat die Kommission die Erstattung von bis zu 40% der Autobahngebühr für Lkw mit höchstzulässigem Gesamtgewicht von mehr als 7,5 Tonnen genehmigt; die Gebühr fiel bei der nach dem Verbot der Benutzung der Nationalstraße des Lago Maggiore zwischen Juni und September 2003 obligatorischen Benutzung der A 26 an.

[300] C 11/2002 (ex N 382/2001)- Italien. Entscheidung der Kommission vom 9.7.2003.

550. Am 23. Juli leitete die Kommission das Verfahren wegen der geplanten Ausgleichszahlungen der Bundesrepublik Deutschland nach Einführung eines neuen Gebührensystems für den Schwerlastverkehr auf Autobahnen ein [301]. Danach sollten bis zu 2,6 Cents/km zurückgezahlt werden, wenn die Zahlung von Verbrauchssteuern von 8,6 Cents für innerhalb Deutschlands erworbenen Kraftstoff nachgewiesen werden konnte. Die Kommission bezweifelte die Vereinbarkeit dieses Ausgleichs mit dem Beihilferecht und anderen EU-Vorschriften, insbesondere mit der Richtlinie 1999/62/EG ("Eurovignette-Richtlinie").

[301] C 54/03 (ex N 194/2002) - Deutschland- Ausgleichsmaßnahmen bei der Maut-Einführung für den Schwerlastverkehr. Entscheidung der Kommission vom 13.7.2003, ABl. C/2002/2003 v. 27.8.2003, S. .5.

551. Personenverkehr: Am 19. Februar beschloss die Kommission, keine Einwände gegen den jährlichen Zuschuss der britischen Regierung von 12 Mio. GBP (18,7 Mio. EUR) für Betreiber des Omnibus-Fernverkehrs zu erheben, die ältere und behinderten Fahrgäste zum halben Fahrpreis befördern [302]. Mit dem Zuschuss werden die Zusatzkosten dieser Billigtarife ausgeglichen. Nach Auffassung der Kommission dient diese Regelung einer wichtigen öffentlichen Dienstleistung im Allgemeininteresse.

[302] N 588/02 - VK- BSO-Zuschuss für Fernbuslinien. Entscheidung der Kommission vom 19.2.2003.

6.4. Seeverkehr

552. Am 4. Februar beschloss die Kommission, gegen die Beihilferegelung zugunsten des Freigebiets von Madeira für den Zeitraum 2003-2006 [303] keine Einwände zu erheben. Nach der Regelung kommen eingetragene Seeverkehrsunternehmen, die zwischen dem 1.1.2003 und dem 31.12.2003 gegründet wurden, u.a. in den Genuss einer Verringerung der Körperschaftssteuer um 1% 2003-2004, 2% 2005-2006 und 3% 2007-2011.

[303] N 222/B/02 - Portugal - Entscheidung der Kommission vom 4.2.2003, ABl. C 148 vom 25.6.2003, S. 7.

553. Am 19. März hat die Kommission eine Reihe steuerlicher Maßnahmen zugunsten der belgischen Handelsmarine mit wenigen Ausnahmen genehmigt [304]. Danach sollen die Seeverkehrsgesellschaften wie in den meisten übrigen Mitgliedstaaten mit einer Handelsflotte pauschal besteuert werden. Die von der Kommission genehmigten Steuermaßnahmen sollen die Wettbewerbsfähigkeit der belgischen Flotte gegenüber der Konkurrenz aus Drittländern stärken.

[304] C 20/2003 (ex- N 433/2002) - Belgien - Positive Entscheidung und Einleitung des Verfahrens- Steuerliche Maßnahmen zugunsten des Seeverkehrs, 19.3.2003.

554. Am 13. Mai hat die Kommission eine Pauschalsteuer-Regelung für französische Seeverkehrsgesellschaften genehmigt [305]. Frankreich ist der zehnte Mitgliedstaat, der eine solche Pauschalsteuerregelung einführt; die anderen Länder sind Griechenland (Regelung bestand schon vor dem EU-Beitritt), die Niederlande, Dänemark, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Spanien, Finnland, Irland und Belgien.

[305] N 737/2002 - Frankreich - Régime d'imposition forfaitaire sur la base du tonnage en faveur de compagnies de transport maritime, 13.5.2003.

555. Am 9. Juli hat die Kommission die Rekapitalisierung der Société Nationale maritime Corse Méditerranée (SNCM) [306] in Höhe von nur 66 Mio. EUR unter Bedingungen genehmigt, anstelle der ursprünglich vorgesehenen 76 Mio. EUR. Die Kommission hat u.a. gefordert, dass die SNCM während des gesamten Umstrukturierungszeitraums die Gesamtzahl seiner Schiffe begrenzt und den Fahrtakt auf der Strecke zwischen Nizza/Toulon und Korsika reduziert, nicht länger die niedrigsten Fahrpreise praktiziert und seinen Beitrag zur Umstrukturierung durch Verkauf sämtlicher nicht strategischer Beteiligungen aufstockt.

[306] C 58/2002 - Frankreich - SNCM - Umstrukturierungsbeihilfe, Entscheidung vom 9.7.2003.

556. Ferner hat die Kommission die Verlängerung einer seit 1999 bestehenden Ausbildungsbeihilferegelung in Deutschland [307] sowie verschiedene Beihilferegelungen zur Entlastung der Reedereien von Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung genehmigt [308].

[307] NN 126/2003 - Deutschland - Richtlinie zur Förderung des deutschen Seefrachtverkehrs vom 5.5.2003 (Finanzbeiträge für das Jahr 2003)., Entscheidung der Kommission vom 1.10.2003.

[308] N 19/2003 - Italien- Verlängerung der Regelung zur Entlastung von Arbeitgeberbeiträgen im Seekabotageverkehr, Entscheidung der Kommission vom 11.3.2003; NN 135/2003 - Deutschland - Richtlinie zur Verringerung der Arbeitnehmerabgaben im Seeverkehr, Entscheidung der Kommission vom 26.11.2003.

6.5. Luftverkehr

557. Auch 2003 hat die Kommission die Politik fortgesetzt, die sie in der Mitteilung vom 10. Oktober 2001 über die Folgen der Attentate in den Vereinigten Staaten für den Luftverkehr [309] angekündigt hatte. Danach durften die Mitgliedstaaten bei Andauern der Deckungslücke in den Luftverkehrsversicherungen weiterhin Zusatzbürgschaften gewähren oder die Risiken unmittelbar selbst versichern. Dieses Interventionsrecht wurde bis 31. Oktober 2002 verlängert [310]. Die Kommission hatte in der Mitteilung ebenfalls dargelegt, unter welchen Voraussetzungen sie die einschlägigen staatlichen Maßnahmen als mit Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b) des Vertrages vereinbar ansehen würde. Danach sind ,Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch ... außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind", zulässig. Die Kommission hat die von 13 Mitgliedstaaten angemeldeten Maßnahmen auf der Grundlage dieses Artikels geprüft [311].

[309] KOM (2001) 574.

[310] Mitteilung vom 2.7.2002, KOM (2002) 320 endg..

[311] Deutschland: NN 125/2002, Entscheidung vom 20.8.2003, ABl. C 230 vom 26.9.2003. Österreich: NN 124/2002, Entscheidung vom 20.8.2003, ABl. C 230 vom 26.9.2003. Belgien: NN 52/2002, Entscheidung vom 20.8.2003, ABl. C 230 vom 26.9.2003. Dänemark: NN171/2002, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Spanien: NN 169/2001, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Finnland: NN 55/2003, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Frankreich: NN 19/2002 Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Griechenland : NN 145/2001, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Irland: NN 32/2002, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Niederlande: NN 47/2003, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Portugal : NN 173/2001, Entscheidung vom 20.8.2003, ABl. C 230 vom 26.9.2003. VK: NN 123/2002 Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2.9.2003. Schweden: NN 168/2002, Entscheidung vom 9.7.2003, ABl. C 206 vom 2 9.2003.

558. Sie hat ferner die Regelungen mehrerer Mitgliedstaaten zum Ausgleich der Verluste genehmigt, die Luftverkehrsgesellschaften aus der Sperrung bestimmter Teile des Luftraums zwischen dem 11. und dem 14. September 2001 entstanden sind. Allerdings hatte sie das Vorliegen bestimmter Kriterien aus ihrer Mitteilung zur Genehmigungsvoraussetzung erhoben.

559. Auf dieser Grundlage hat die Kommission die Regelungen Irlands und der Niederlande vollständig [312]und die Österreichs im Wesentlichen genehmigt [313]. Gegenüber der geplanten griechischen Regelung, in der auch Kompensationen für nach dem 14. September 2001 oder für nicht gesperrte Teile des Luftraums entstandene Kosten vorgesehen waren, leitete sie hingegen das Verfahren ein [314]. Den befristeten Ausgleich für außergewöhnliche Sicherheitsmaßnahmen für den Luftverkehr in Frankreich nach den Attentaten stufte sie nicht als Beihilfe ein [315].

[312] Irland: NN 38/2002, Entscheidung vom 13.5.2003, ABl. C 148 vom 25.6.2003, S. 7; Niederlande: NN 39/2002, Entscheidung vom 14.9.2003, noch nicht veröffentlicht.

[313] Österreich: C 65/2002 (ex N 262/2002), ABl. L 222 vom 5.9.2003, S.33.

[314] C 39/2003 (ex NN 119/2002), ABl. C 199 vom 23.8.2003, p.3.

[315] Frankreich: N 309/2002, Entscheidung vom 19.3.2003, ABl. C 148 vom 25.6.2003, S.7.

560. Ebenfalls im Zusammenhang mit den Ereignissen des 11. September 2001 und nach Genehmigung einer Rettungsbeihilfe Ende 2001 [316] hat die Kommission eine deutsche Umstrukturierungsbeihilfe [317] für das Charterunternehmen LTU (Lufttransport Unternehmen GmbH) genehmigt. Das Unternehmen beteiligt sich finanziell an der Umstrukturierung und soll schon 2004 wieder rentabel werden.

[316] N 723/01 Entscheidung vom 20.12.2001.

[317] N 428/2002, ABl. C 148 vom 5.6.2003, Entscheidung vom 19.3.2003 auf der Grundlage der Kommissionsmitteilung über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EGV und des Artikels 61 EWRA auf Luftverkehrsbeihilfen, Ziffer 27, ABl. C 350 vom 10.12.1994 und der Leitlinien der Kommission von 1999 über Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen, ABl. C 288 vom 9.10.1999.

561. Am 21. Januar hatte die Kommission das Verfahren wegen einer nicht angemeldeten Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfe Frankreichs zugunsten von Air Lib [318] eingeleitet; danach sollten bereits gewährte Darlehen verlängert, zusätzliche Kredite und Bürgschaften gewährt und die Tilgung erleichtert werden. Die Bemühungen scheiterten jedoch, und am 17. Februar 2003 leiteten französische Gerichte das Konkursverfahren ein.

[318] Frankreich: C 3/2003 (ex NN 42/2002), ABl. C 88 vom 11.4.2003, S. 2.

562. Am 5. März [319] wurden befristete Sozialbeihilfen zur billigeren Beförderung bestimmter Fluggastkategorien zwischen Paris (Orly) und vier korsischen Flughäfen genehmigt [320].

[319] N 309/2002, ABl. C 110 vom 8.5.2003.

[320] Ajaccio, Bastia, Calvi und Figari.

563. Darüber hinaus hat die Kommission eine Reihe von Beihilfen zur Ersetzung oder Neuausstattung von Flugzeugen genehmigt, die im Regionalflugverkehr eingesetzt werden sollen [321]. Die Maßnahmen sind Teil einer allgemeinen Regelung zur Investitionsförderung in den überseeischen Départements Frankreichs (Guyana, Réunion, Martinique, Guadeloupe). Auch eine Verringerung der Sozialabgaben für bestimmte Wirtschaftstätigkeiten in den überseeischen Départements wurde genehmigt [322]. Danach sind dort niedergelassene Luft-, See- und Flussverkehrsunternehmen von den Arbeitgeberbeiträgen befreit.

[321] Aide en faveur de Caraïbes Air Transport (CAT), ABl. C 196 vom 20.8.2003, Entscheidung vom 2.4.2003; Beihilfe zugunsten von Air Caraïbes (ex-CAT), N 474/2003 - Frankreich - Programme d'investissement outre-mer 2003 - Compagnie aérienne Air Caraïbes, Entscheidung vom 16.12.2003; Beihilfe zugunsten von Air Austral, N 427/2003 - Frankreich - Programme d'investissement outre-mer 2003 - Compagnie aérienne Air Austral,.Entscheidung vom 16.12.2003.

[322] N 96a/2003 - Frankreich - Loi Programme pour l'outre-mer - titre I: mesures en faveur de l'emploi, Entscheidung vom 10.12.2003.

564. Ferner hat die Kommission am 11. Dezember 2002 beschlossen, wegen der Begünstigung von Ryanair bei seiner Niederlassung am Flughafen Charleroi im Jahr 2001 das Verfahren einzuleiten; die entsprechende Bekanntmachung wurde inzwischen veröffentlicht [323]. Die Vergünstigungen wurden von der Region Wallonien gewährt (nicht transparente und diskriminierende Verringerung der Flughafensteuer), aber auch vom Flughafenbetreiber, einem von der Region kontrollierten öffentlichen Unternehmen (Zuschüsse für den Linienbetrieb auf neuen Strecken, Hotelkosten für das Personal, Übernahme von Werbe- und Vermarktungskosten usw.). Das Verfahren wurde inzwischen abgeschlossen.

[323] Belgien: C 76/2002 (ex NN 122/2002), ABl. C 18 vom 25.1.2003, S.3.

7. Landwirtschaft

7.1. Verordnung (EG) Nr. 1/2004 der Kommission vom 23. Dezember 2003 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen

565. Am 23. Dezember 2003 hat die Kommission eine neue Verordnung [324] erlassen, mit der bestimmte Kategorien von Beihilfen an Landwirte oder Unternehmen, die in der Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätig sind, bis zu einer bestimmten Höhe freigestellt werden. Eine vorherige Anmeldung bei der Kommission ist für diese Beihilfen nicht länger erforderlich. Die Verordnung gilt bis Ende 2006.

[324] Verordnung (EG) Nr. 1/2004 der Kommission vom 23. Dezember 2003 über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen tätige Unternehmen, ABl. L 1 vom 3.1.2004.

566. Freigestellt werden Beihilfen an in der Landwirtschaft tätige KMU. Angesichts der KMU-Definition im Wettbewerbsrecht (bis 250 Beschäftigte, 40 Mio. EUR Umsatz oder 27 Mio. EUR Bilanzsumme) fallen fast sämtliche landwirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen unter diese Verordnung.

567. Die Kommission schafft zudem ein neues Transparenzinstrument: fünf Tage vor Auszahlungsbeginn werden sämtliche freigestellten Beihilfen, aufgeschlüsselt nach Mitgliedstaat, im Internet in Kurzform veröffentlicht. Jeder Landwirt und sonstige Interessent hat somit Zugang zu vollständigen Informationen über alle Beihilfemaßnehmen, die unter die Gruppenfreistellung fallen. Damit ist die Transparenz der Beihilfen auch ohne das schwerfällige Anmelde- und Genehmigungsverfahren gewährleistet.

568. Folgende Beihilfen sind bei Erfuellung der einschlägigen Voraussetzung von der Anmeldepflicht befreit:

- Investitionsbeihilfen bis 40 % der Investitionssumme für Landwirte und bis 50 % in benachteiligten Gebieten; für junge Landwirte kann dieser Anteil um weitere 10 % erhöht werden. Die Beihilfe darf nicht auf bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse beschränkt werden. Es darf in sämtliche Sektoren investiert werden, solange ein ausreichender wirtschaftlicher Ertrag gesichert ist. Beihilfen zur Kapazitätsaufstockung sind bis zu einer Höhe von 20 % (in Großvieheinheiten oder Anbaufläche) freigestellt. In benachteiligten Gebieten kann die Förderung bei Investitionen zur Verbesserung der Umwelt, der Hygiene der Tierhaltung oder des Tierschutzes, die Mehrkosten verursachen, auf 60 % bzw. 75 % angehoben werden, sofern die Maßnahmen über die geltenden Mindestanforderungen hinausgehen. Mit diesen Beihilfen können auch Einzelprodukte gefördert werden.

- Beihilfen bis zu 100 % können zur Erhaltung von Kulturlandschaften und historischen Gebäuden gewährt werden und eine angemessene Entschädigung für die vom Landwirt selbst oder seinen Arbeitnehmern geleistete Arbeit bis zu einem Hoechstsatz von 10000 EUR jährlich einschließen.

- Gefördert werden darf ferner die Aussiedlung im öffentlichen Interesse.

- Investitionsbeihilfen bis 40 % dürfen Unternehmen gewährt werden, die in der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse tätig sind; in Ziel 1 - Gebieten darf der Fördersatz 50 % betragen. Diese Beihilfen dürfen nicht auf bestimmte einzelne Produkte beschränkt sein. Eine Beihilferegelung, die ausschließlich der Milchwirtschaft zugute käme, würde beispielsweise nicht unter die Gruppenfreistellungsverordnung fallen. Die Unternehmen können frei in Erzeugnisse ihrer Wahl investieren, solange sie normale Absatzmöglichkeiten nachweisen können.

- Beihilfen bis 30 000 EUR können für die Niederlassung junger Landwirte gewährt werden;

- Beihilfen für den Vorruhestand setzen voraus, dass die landwirtschaftliche Tätigkeit dauerhaft und endgültig eingestellt wird.

- Erzeugergemeinschaften oder -vereinigungen können Startbeihilfen gewährt werden, wenn der Gesamtbetrag 100 000 EUR nicht überschreitet und über 5 Jahre hinweg degressiv gestaffelt ist (100 % der im ersten Jahr anfallenden Kosten und Senkung um mindestens 20 Prozentpunkte in jedem weiteren Jahr).

- Beihilfen zur Zahlung von Versicherungsprämien können für bis zu 80 % des Prämienbetrags bei Versicherungspolicen, die ausschließlich zur Deckung von Verlusten aufgrund von Naturkatastrophen gleichzusetzenden widrigen Witterungsverhältnissen bestimmt sind, und bis zu 50 % bei Policen zur Deckung von Verlusten, die durch Witterungsverhältnisse, Tierseuchen oder Pflanzenkrankheiten bedingt werden.

- Beihilfen für die Flurbereinigung bis zu 100 % sind von der Anmeldepflicht befreit, wenn sie ausschließlich für die durch die Flurbereinigung tatsächlich entstandenen Rechts- und Verwaltungskosten, einschließlich Überwachungskosten, gewährt werden.

- Beihilfen zur Förderung der Erzeugung und Vermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen hoher Qualität können über eine Laufzeit von bis zu drei Jahren und einem Gesamtbetrag von 100 000 EUR gewährt werden. Beihilfefähig sind Kosten für Marktforschungs- und ähnliche Tätigkeiten, Qualitätssicherungssysteme, Aus- und Weiterbildung zwecks Anwendung dieser Systeme, Gebühren, die von anerkannten Zertifizierungsstellen für die Erstzertifizierung im Rahmen von Qualitätssicherungs- und ähnlichen Systemen erhoben werden, sowie für Kontrollen durch Dritte.

- Beihilfen für die Bereitstellung technischer Hilfe im Agrarsektor dürfen bis 100 000 EUR je Empfänger über drei Jahre gestaffelt für Aus- und Fortbildung von Landwirten und landwirtschaftlichen Arbeitnehmern, bei bestimmten Vertretungsdiensten, für Beratung sowie für Veranstaltung von und Teilnahme an Wettbewerben, Ausstellungen und Messen gewährt werden.

- Im Tierhaltungssektor sind Beihilfen bis zu 100 % für Verwaltungskosten, die unmittelbar mit dem Anlegen und Führen von Zuchtbüchern zusammenhängen, bis 70 % für Tests zur Bestimmung der genetischen Qualität oder Leistungsmerkmale der Tiere, die von oder im Namen von Dritten durchgeführt werden, bis 40 % für Investitionen in Zuchtstationen und für die Einführung innovativer Zuchtverfahren oder -praktiken sowie bis zu 100 % der Kosten für TSE-Tests möglich; im letzteren Fall dürfen die Kosten nur höchstens 40 EUR je Test betragen, insofern es um verpflichtende BSE-Tests von für den Verzehr geschlachteten Rindern geht.

7.2. Entwurf einer Verordnung für ,De minimis"-Beihilfen in der Landwirtschaft und der Fischerei

569. Am 23. Dezember 2003 hat die Kommission einen Verordnungsentwurf über ,De minimis"-Beihilfen im Landwirtschafts- und im Fischereisektor angenommen. Mit dieser Verordnung sollen Beihilfen bis 3000 EUR je Landwirt oder Fischer von der Anmeldepflicht befreit werden. Um groß angelegte Unterstützungsmaßnahmen zu vermeiden, wurde den Mitgliedstaaten eine Obergrenze von etwa 0,3 % ihrer Produktion im Landwirtschafts- und im Fischereisektor gesetzt.

570. Die Mitgliedstaaten wären zur Anmeldung von Beihilfen, die die Voraussetzungen der Verordnung erfuellen, nicht länger verpflichtet, müssten aber Daten erheben, aus denen hervorgeht, dass die beiden Obergrenzen eingehalten wurden. Derzeit werden die Mitgliedstaaten und sonstigen Betroffenen umfassend zum Verordnungsentwurf konsultiert. Die Verordnung könnte Ende 2004 in Kraft treten.

7.3. Anwendung der neuen Leitlinien

7.3.1. Absatzförderung und Werbung

571. Im Jahr 2003 hat die Kommission zahlreiche Beihilfen für Maßnahmen zur Absatzförderung und Werbung geprüft und dabei eine Fallpraxis bei der Anwendung der neuen einschlägigen Leitlinien für die Absatzförderung und Werbung für landwirtschaftliche Erzeugnisse herausgebildet. Im Einzelnen konnte sie

- a. bestimmte Begriffe der Leitlinien klären, insbesondere die Begriffe Absatzförderung und Werbung [325];

[325] NN 44/03 (ex- N 6/03) et N 389/03 Italien (Toskana)" Toscana promozione"; N 853/01 Spanien; N 727/02 Spanien ( Madrid); N 829/01 Deutschland ( Sachsen); NN 166/02 and N 10/03 Italien (Mantova); N 145/02 Italien (Piemont); N 434/02 Italien (Handelskammer Bologna); N 418/01 Italien (Veneto).

- b. zu Beihilfen im Zusammenhang mit Ursprungsbezeichnungen auf Etiketten Stellung nehmen [326];

[326] N 525/02 Deutschland ( Baden Wüttemberg) " Biolabel B W" .

- c. eine mehr oder weniger erschöpfende Liste der beihilfefähigen Aufwendungen erstellen [327];

[327] NN 44/03 (ex- N 6/03) Italien (Toskana); NN 150/02 ( ex-109/02) Italien ( Toskana).

- d. den Begriff ,Qualität" schärfer fassen [328];

[328] N 260 A/02 Deutschland ( Hessen); Beihilfe 200/03 Deutschland ( Niedersachsen); N 368/03 Deutschland ( Sachsen); Beihilfe 442/02 Deutschland ( Nordrhein-Westfalen) " Absatzförderung"; N 541/ 02 Deutschland (Baden Wüttemberg); N 716/2002 VK (Wales) ,Werbung für Qualitätsfleisch"; N 166/02 Frankreich ,Werbung für Qualitätsweine".

- e. zur Förderung von Werbung außerhalb der EU mit einem Beihilfesatz von 100% Stellung beziehen [329].

[329] N 166/02 Frankreich ,Werbung für Qualitätsweine"; N 658/02 VK "Food from Britain".

7.3.2. TSE und BSE

572. Seit Inkrafttreten des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Rahmen von TSE-Tests, Falltieren und Schlachtabfällen [330] hat die Kommission zahlreiche Anmeldungen geprüft und ihre Fallpraxis weiterentwickelt.

[330] Gemeinschaftsrahmen für staatliche Beihilfen im Rahmen von TSE-Tests, Falltieren und Schlachtabfällen, ABl. C 324 vom 24.12.2002.

573. 2003 hat sie zur Auslegung des Gemeinschaftsrahmens u.a. in folgenden Sachen Stellung bezogen:

- Beihilfe Nr. N 256/03 Deutschland (Baden-Württemberg)-"Ausgleich für Schlachthäuser, die BSE-verseuchte Tierabfälle vernichten";

- Beihilfe Nr. NN 21/02 ( ex-N 730/01) Spanien- ,Maßnahmen gegen BSE"

- Beihilfe Nr. 150/02 Deutschland (Bayern) -"Beihilfen für BSE-Schnelltests";

- Beihilfe Nr. N 371/03-Deutschland (Sachsen) ,Kosten für BSE-Tests"

- Beihilfe Nr. N 129/03 Spanien (Navarra) - ,Kosten für BSE-Tests"

- Beihilfe Nr. 268/03 Italien -(Piemont) "Konsortium zur Beseitigung von Tierabfällen"

- Beihilfe Nr. N 164/03 Schweden ,Kosten für BSE- und TSE-Tests";

- Beihilfe Nr. NN 48/2003 (ex N 157/2003) Belgien (Wallonien)-,Steuerung der Entfernung und Vernichtung von Tierkadavern in der wallonischen Landwirtschaft".

7.3.3. Trockenheit

574. Die Hitzeperiode im Berichtsjahr hat in einigen Mitgliedstaaten Dringlichkeitsmaßnahmen sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf nationaler Ebene erforderlich gemacht, um die erheblichen Verluste der Landwirtschaft auszugleichen.

575. Neben der Annahme von Gemeinschaftsmaßnahmen hat die Kommission auch mehrere Beihilferegelungen der Mitgliedstaaten untersucht [331] und an ihre diesbezügliche Politik erinnert.

[331] Aid N 436/03 Deutschland- "Beihilfe zum Ausgleich der durch Trockenheit entstandenen Schäden"; Aid N 398/2003 Österreich - ,Beihilfe zum Kauf von Futter und Futterersatz"; Aid N 661/01 Italien (Sardinien)- ,Ausgleich für Olivenanbau"; Aid N 353/02 Griechenland- ,Ausgleich für schlechtes Wetter".

576. Bei der Prüfung von Beihilferegelungen zum Ausgleich witterungsbedingter Verluste wendet die Kommission Punkt 11.3 des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen im Landwirtschaftssektor an [332]. Gemäß Punkt 11.3.1 können widrige Wetterbedingungen wie Frost, Hagel, Eis, Regen oder Trockenheit nicht von sich aus als Naturkatastrophen im Sinne von Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b) EGV angesehen werden. Wegen des möglichen Schadens für landwirtschaftliche Produktion oder Produktionsmittel können sie jedoch Naturkatastrophen gleichgestellt werden, wenn die Schäden einen bestimmten Schwellenwert erreichen, der in benachteiligten Gebieten auf 20% und in den übrigen Gebieten auf 30% der normalen Produktion festgesetzt wurde.

[332] ABl. C 232, 12.8.2000, S. 19.

7.4. Arbeitsbelastung insgesamt

577. Bei der Kommission wurden insgesamt 268 staatliche Beihilfevorhaben für die Landwirtschaft und den agroindustriellen Sektor angemeldet. Darüber hinaus begann die Kommission mit der Prüfung von 29 Beihilfemaßnahmen, die nicht nach Artikel 88 Absatz 3 angemeldet worden waren. Zu Prüfungen bestehender Beihilfen nach Art. 88 Abs. 1 kam es im Berichtsjahr nicht. Gegenüber insgesamt 269 Maßnahmen erhob die Kommission keine Einwände. Mehrere dieser Maßnahmen wurden jedoch erst genehmigt, nachdem die Mitgliedstaaten sich zu ihrer Anpassung an die EU-Beihilfevorschriften verpflichtet oder eine solche Anpassung vorgenommen hatten. Das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 wurde in 9 Fällen eingeleitet, in denen erhebliche Zweifel an der Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt bestanden. In 6 Fällen schloss die Kommission das Verfahren nach Art. 88 Abs. 2 ab, davon 4 mit einer ablehnenden Entscheidung. Waren nicht genehmigte Beihilfen vom Mitgliedstaat schon ausgezahlt worden, wurde die Rückforderung angeordnet.

8. Fischerei

8.1. Überblick

578. Der Fischereisektor zeichnet sich wegen seiner sozialen und wirtschaftlichen Merkmale durch umfangreiche Interventionen der öffentlichen Hand sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf einzelstaatlicher Ebene aus.

579. Die Kommission hat zahlreiche Fischereibehilfe-Regelungen anhand der Leitlinien für die Prüfung der einzelstaatlichen Beihilfen im Fischerei- und Aquakultursektor [333] auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht geprüft.

[333] ABl. C 19 vom 20.1.2001, S. 7

580. Die Kommission beabsichtigt eine Überarbeitung der einschlägigen Gemeinschaftsbestimmungen und nahm zu diesem Zwack am 9. Juli 2003 einen ,Entwurf einer Verordnung der Kommission über die Anwendung der Artikel 87 und 88 EG-Vertrag auf staatliche Beihilfen an kleine und mittlere in der Erzeugung, Verarbeitung und Vermarktung von Fischereierzeugnissen tätige Unternehmen" verabschiedet. Mit der Verordnung würden zahlreiche Beihilfen in der Fischereiwirtschaft von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung bei der Kommission freigestellt, wenn die einschlägigen Voraussetzungen erfuellt sind.

581. Der Entwurf wurde mit den Mitgliedstaaten auf der Sitzung des Beratenden Ausschusses für Staatliche Beihilfen am 22. Oktober 2003 erörtert und am 4. November 2003 im Amtsblatt zur Konsultation veröffentlicht [334]. Nach einer zweiten Sitzung mit den Vertretern der Mitgliedstaaten soll er von der Kommission endgültig angenommen werden und noch vor dem Sommer 2004 in Kraft treten.

[334] ABl. C 265 vom 4.11.2003, S. 17.

582. Nicht unter diese Gruppenfreistellungsverordnung fallende Fischereibeihilfen wären weiterhin bei der Kommission anzumelden und müssten den gerade in der Ausarbeitung befindlichen neuen Leitlinien genügen, die zum gleichen Zeitpunkt wie die o.g. Verordnung in Kraft treten sollen.

583. Auf den Fischereisektor anwendbar wäre ferner die Kommissionsverordnung über die Anwendung der Artikel 87 und 88 des EG-Vertrags auf ,De Minimis"-Beihilfen im Landwirtschafts- und im Fischereisektor, die von der Kommission am 10. Dezember 2003 im Entwurf angenommen wurde. Danach wären Beihilfen bis zu 3000 EUR, die sich über 3 Jahre erstrecken, nicht notifizierungspflichtig, wenn die Gesamtsumme der Beihilfen 0,3% der Produktion der Fischereiwirtschaft im betreffenden Mitgliedstaat nicht überschreitet. Der Entwurf wird mit den Mitgliedstaaten im Laufe des Jahres 2004 erörtert und sollte Anfang 2005 in Kraft treten.

8.2. Fälle

584. Mit zwei Negativentscheidungen vom 3. Juni 2003 schloss die Kommission die Untersuchung zweier britischer Beihilferegelungen ab, in denen der Council of North-Scotland in einer Sache (Orkney) und ein vom Council der Region kontrolliertes Unternehmen in einer anderen Sache (Shetland) Fangquoten erworben hatte, die anschließend an die Fischer der betreffenden Gemeinden vermietet wurden.

585. Ein in einem anderen Wahlkreis des Vereinigten Königreichs gewähltes Mitglied des Europäischen Parlaments hat die Kommission auf diese Beihilferegelungen aufmerksam gemacht.

586. Nach gründlicher Prüfung dieser Regelungen waren die vier Kriterien des Beihilfetatbestands erfuellt: Bevorteilung der Begünstigten (der Fischer), Gewährung aus staatlichen Mitteln, Verzerrung oder Gefahr der Verzerrung des Wettbewerbs und Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel.

587. Eine Rückforderung erachtete die Kommission jedoch nicht als notwendig. Die verwendeten Mittel kamen aus der gleichen Quelle wie jene, die auf dem Gebiet der Strukturfonds als private Mittel betrachtet werden. Auch wenn es keinen unbedingten Zusammenhang zwischen den Strukturfonds der Gemeinschaft und staatlichen Beihilfen gibt, konnten die Räte berechtigterweise davon ausgehen, dass diese Fonds auch im Beihilferecht als private Mittel angesehen werden konnten.

D - Verfahren

1. Bestehende Beihilfen in den neuen Mitgliedstaaten

588. Der Beitrittsvertrag sieht vor, dass folgende Beihilfemaßnahmen als zum Tag des Beitritts bestehende Beihilfen im Sinne von Artikel 88 Absatz 1 EG-Vertrag gelten:

(a) Beihilfemaßnahmen, die vor dem 10. Dezember 1994 in Kraft getreten sind;

(b) im Anhang zum Beitrittsvertrag aufgeführte Beihilfemaßnahmen (so genannte Vertragsliste);

(c) Beihilfemaßnahmen, die von der für die Beihilfenkontrolle zuständigen Behörde in den Beitrittsländern vor dem Datum des Beitritts beurteilt und als mit dem Besitzstand vereinbar befunden worden sind und gegen die die Kommission keine Einwände wegen ernsthaft anzunehmender Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt erhoben hat (das so genannte Interimsverfahren)

589. Alle Maßnahmen, die eine staatliche Beihilfe darstellen und nicht die oben genannten Bedingungen erfuellen, gelten als neue Beihilfen nach dem Beitrittsdatum im Sinne von Artikel 88 Artikel 3 EG-Vertrag.

590. Im Verlaufe des Jahres 2003 reichten die neuen Mitgliedstaaten 171 Maßnahmen im Rahmen des Interimsverfahrens ein, von denen 76 als bestehende Beihilfen eingestuft wurden. Die anderen 95 Maßnahmen werden derzeit noch geprüft. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der Kommission steht dabei die Bewertung der uneingeschränkten Vereinbarkeit der Beihilfemaßnahmen, die am kompliziertesten sind, von ihrem Umfang her von Bedeutung sind und die stärksten/längsten Auswirkungen nach dem Beitritt haben dürften, wie etwa Beihilfen im Banksektor in der Tschechischen Republik und Ungarn oder die Fälle, in denen es zu verlorenen Kosten gekommen ist (Polen, Energiesektor). Damit gelangte erstmalig der Interimsmechanismus zur Anwendung. Bei früheren Beitritten waren sämtliche Maßnahmen der Beitrittsländer vor Beitrittstermin als bestehende Beihilfen eingestuft und folglich nicht von der Kommission geprüft worden.

Verlorene Kosten, Polen

591. In den 90er Jahren haben mehrere polnische Stromerzeuger langfristige Stromlieferverträge mit dem polnischen Stromnetzbetreiber geschlossen. In den Verträgen verpflichtete sich der Stromnetzbetreiber, den Strom von diesen Erzeugern für einen sehr langen Zeitraum zu einem Festpreis abzunehmen. Die polnische Regierung plant, diese Verträge per Gesetz aufzuheben und den Stromerzeugern zum Ausgleich für die Verluste, die sie infolgedessen erleiden, Beihilfen zu gewähren. Die polnische Regierung hat dieses Kompensationsvorhaben im Rahmen des Interimsverfahrens angemeldet. Es wird derzeit von der Kommission mittels der Methodik geprüft, die sie dafür konzipiert und in der Vergangenheit bei der Untersuchung von Beihilfen angewandt hat, die von den Mitgliedstaaten an Stromerzeuger gezahlt wurden, um deren verlorene Kosten aufgrund der Liberalisierung des Stromsektors der Gemeinschaft aufzufangen.

Tschechische Banken

592. Zwischen 1994 und 1998 litt der gesamten Bankensektor in der tschechischen Republik unter ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Der Staat unterstützte die Rettung und Umstrukturierung mehrerer Geldinstitute und ihre anschließende Privatisierung. In diesem Zusammenhang verpflichteten sich die tschechischen Behörden, die Kommission von sämtlichen Maßnahmen zugunsten des Bankensektors zu unterrichten.

593. Am 16. Dezember erließ die Kommission ihre erste Entscheidung zur Umstrukturierung der Banken auf der Grundlage des Interimsmechanismus. Dabei kam sie zu dem Ergebnis, dass keine der von den tschechischen Behörden angemeldeten Maßnahmen zugunsten von Komercni banka a.s. ("KB") ,nach dem Beitritt anwendbar" ist.

594. Gemäß Anhang IV.3 der Beitrittsakte war eine Prüfung der Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt daher nicht erforderlich.

2. Rückforderung von Beihilfen

595. Im Juni richtete die GD Wettbewerb im Rahmen ihrer Neuorganisation innerhalb der Direktion H Staatliche Beihilfen ein neues Referat ein. Dieses Referat H 4 ist speziell damit beauftragt, für die Durchsetzung von Entscheidungen zu staatlichen Beihilfen zu sorgen. Mario Monti hat wiederholt erklärt, dass die Durchsetzung von Entscheidungen und Beschlüssen zu staatlichen Beihilfen und insbesondere zu Rückforderungen einen der Schwerpunkte seiner Politik auf diesem Gebiet bildet. Von Nachteil ist dabei der Umstand, dass Kommissionsentscheidungen nicht von den Kommissionsdienststellen, sondern von den Mitgliedstaaten auf der Basis ihrer nationalen Verfahren durchgesetzt werden. Wie die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen, messen die Mitgliedstaaten der Durchführung einer Rückforderungsentscheidung der Kommission nicht immer ausreichend Priorität bei. Das kann auch auf den zwangsläufig bestehenden Interessenskonflikt zurückzuführen sein, da die Mitgliedstaaten gleichzeitig Geber der Beihilfe und rückforderndes Organ sind. Besondere Probleme entstehen dann, wenn der Empfänger in Konkurs gegangen ist (was nahezu ein Drittel aller Rückforderungsfälle betrifft). Dann wird die Rückforderung im Rahmen der nationalen Insolvenzverfahren geregelt, da es kein einheitliches Insolvenzrecht der EU gibt. Um einen ,Neustart" zu ermöglichen, schirmen nationale Konkursgesetze in der Regel die Wirtschaftsaktivitäten des insolventen Unternehmens gegen dessen Gläubiger ab, und dazu gehören auch Rückforderungsansprüche bei staatlichen Beihilfen.

596. Das neue Referat hat drei Hauptaufgaben: Die erste und vordringlichste ist die wirksame Durchsetzung von Rückforderungsentscheidungen. Zweitens soll es für eine geschlossenere Vorgehensweise bei der Überwachung und Kontrolle der Umsetzung sonstiger Entscheidungen und Beschlüsse zu staatlichen Beihilfen in den Mitgliedstaaten (vor allem bei mit Auflagen verbundenen Entscheidungen) und der Anwendung von Regelungen zu Gruppenfreistellungen sorgen. Der dritte Bereich beinhaltet eine Reihe horizontaler Aufgaben. Dazu gehört auch die Entwicklung eines Konzepts für die Durchsetzung auf der Grundlage einer umfassenden und wirksamen Durchsetzungsstrategie. Das Referat H 4 erarbeitet effektive Methoden und (Rechts-)Instrumente für eine zügigere und gründliche Durchsetzung. Parallel dazu wird das Referat nationalen Behörden, Richtern, Anwälten und Unternehmen Rat und Hilfe in Durchsetzungsfragen anbieten.

597. Die Kommission hat Beihilfen für die Reduzierung von Treibhausgasemissionen durch die Nutzung alternativer Energiequellen und Energieeinsparung im italienischen Latium bewertet [335]. Hierbei geht es um zwei Vorhaben mit den Zielsetzungen, (a) die Erzeugung und Nutzung alternativer Energiequellen (Windkraft) zu entwickeln und (b) Energie zu sparen (mittels Energieerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärme). Bei beiden Vorhaben stellte die Kommission fest, dass es sich um vereinbare Beihilfen handelte, da sie in Einklang mit den entsprechenden Bestimmungen des Gemeinschaftsrahmens für staatliche Umweltschutzbeihilfen, namentlich Ziffer 30 (Beihilfeintensität für Energieeinsparungen), 32 (Beihilfeintensität für erneuerbare Energieträger), 36 (beihilfefähige Investitionen) und 37 (beihilfefähige Kosten) standen.

[335] Sache C 35/2003 (ex N 90/2002).

598. Dennoch eröffnete die Kommission in Bezug auf das erste Vorhaben (TLR/ACEA S.p.A.) am 3. Mai das förmliche Prüfverfahren auf der Basis des Urteils in der Rechtssache Deggendorf. Der Beihilfeempfänger ACEA S.p.A. gehört zu den ,Aziende municipalizzate", an die die Entscheidung der Kommission vom 5. Juni 2002 zu staatlichen Beihilfen gerichtet war, die Italien in Form von Steuerbefreiungen und Vorzugsdarlehen für staatliche Versorgungsunternehmen mit öffentlicher Mehrheitsbeteiligung gewährte (C 27/99 (ex NN 69/98)) [336]. Artikel 3 der Entscheidung verfügt, dass Italien alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen hat, um die rechtswidrig gewährte Beihilfe von den Empfängern zurückzufordern. ACEA S.p.A. hat die in der Sache C 27/99 gewährte Beihilfe noch nicht zurückgezahlt. Deshalb fällt die neue Beihilfe, die diesem Unternehmen gewährt werden soll, unter das Deggendorf-Urteil [337].

[336] Entscheidung der Kommission 2003/193/EG, ABl. L 77 vom 24.3.2003, S. 21.

[337] EuGH 15.5.1997, Rechtssache C-335/95 P, Slg. 1997, I-2549.

599. Am 9. Juli 1992 unterzeichneten der Provinzrat von Vizcaya und P&O Ferries eine Vereinbarung über die Errichtung eines Fährdienstes zwischen Bilbao und Portsmouth. Nach dieser Vereinbarung sollten die unterzeichnenden Behörden Reisegutscheine erwerben, die für die Schifffahrtslinie Bilbao-Portsmouth zu verwenden waren. Die Kommission leitete eine förmliche Prüfung gegen diese Vereinbarung ein. Im Verlaufe des Verfahrens legte P&O Ferries einen Entwurf zur Änderung der ursprünglichen Vereinbarungen und Entwürfe für eine neue Vereinbarung vor, die an die Stelle der ursprünglichen Vereinbarung treten sollte. Die Kommission gelangte zu der Auffassung, dass die neue Vereinbarung keine staatliche Beihilfe darstellte, und stellte das Verfahren ein. Mit einer neuen Entscheidung vom 29. November 2000 [338] über die Beihilferegelung Spaniens zugunsten des Schifffahrtsunternehmens Ferries Golfo de Vizcaya [339] schloss die Kommission das Verfahren ab, indem sie die betreffende Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar erklärte und dem Königreich Spanien ihre Rückforderung aufgab.

[338] 2001/247/EG.

[339] ABl. L 89/2001, S. 28.

600. Nach dieser Entscheidung wollte die Provinzverwaltung mit dem Kauf von Reisegutscheinen zum einen Reisen für ältere Bewohner von Vizcaya im Rahmen eines Programms für Pauschalreisen nach Maß mit dem Namen ,Adineko" subventionieren und zum anderen Personen und Institutionen in Vizcaya, die bei Reisen auf Sonderbedingungen angewiesen sind, den Zugang zu Verkehrsdienstleistungen erleichtern.

601. Der Gerichtshof stellte fest, dass im vorliegenden Fall die durch die neue Vereinbarung eingeführte Beihilfe nicht gemäß dem Verfahren des Artikels 88 Absatz 3 EG-Vertrag gewährt worden und somit rechtswidrig war. Aus der angefochtenen Entscheidung gehe klar hervor, dass die ursprüngliche und die neue Vereinbarung eine einzige Beihilfe seien, die 1992 im Rahmen des Abschlusses der ursprünglichen Vereinbarung ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission ein- und durchgeführt wurde.

602. Bei ihrer Würdigung der Beihilfe stellte die Kommission fest, dass die Gesamtzahl der durch die Provinzverwaltung erworbenen Reisegutscheine nicht in Abhängigkeit vom tatsächlichen Bedarf entsprechend den Zielen der Regelung festgelegt wurde. Außerdem befand die Kommission, dass die neue Vereinbarung bei einem normalen Handelsvertrag zum Ankauf von Reisegutscheinen unübliche Bestimmungen enthielt. Deshalb kam sie zu dem Schluss, dass das Geschäft eine Beihilfe an die Reederei darstellte.

603. Die Provinzverwaltung machte geltend, dass die Kommission die streitige Beihilfe auf der Grundlage der in Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe a EG-Vertrag vorgesehenen Ausnahme hätte freistellen müssen, da die erworbenen Gutscheine im Rahmen von durch die Provinzverwaltung verwalteten Sozialprogrammen verteilt worden seien und die Beihilfe somit einzelnen Verbrauchern zugute gekommen sei. Das Gericht stellte fest, dass, um feststellen zu können, ob eine Beihilfe ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt wird, zu prüfen ist, ob den Verbrauchern die fragliche Beihilfe unabhängig davon zugute kommt, welches Unternehmen die Ware liefert oder die Dienstleistung erbringt, mit der sich das von dem betreffenden Mitgliedstaat angeführte soziale Ziel erreichen lässt. Nach der neuen Vereinbarung erhalte P&O Ferries unabhängig davon, wie viele Reisegutscheine von den Endverbrauchern tatsächlich verwendet werden, einen im Voraus festgelegten jährlichen Betrag. Außerdem sei daran zu erinnern, dass die Vereinbarung über den Kauf von Reisegutscheinen im vorliegenden Fall ausschließlich von der Provinzverwaltung und P&O Ferries getroffen wurde. Die neue Vereinbarung sehe unstreitig nicht vor, dass die von P&O Ferries verteilten Reisegutscheine bei anderen Unternehmen, die in der Lage wären, das von der Provinzverwaltung verfolgte Ziel zu erfuellen, verwendet werden können.

604. In Ermangelung jeglicher Beweise dafür, dass die Endverbraucher auch dann in den Genuss der streitigen Beihilfe kommen könnten, wenn sie die Dienste anderer Unternehmen in Anspruch nähmen, die in der Lage wären, das von der Provinzverwaltung verfolgte soziale Ziel zu erfuellen, befand der Gerichtshof, dass die Kommission zu Recht zu dem Schluss gelangt ist, dass diese Beihilfe nicht einzelnen Verbrauchern ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt worden ist und dass die Voraussetzungen des Artikels 87 Absatz 2 Buchstabe a EG-Vertrag somit nicht erfuellt gewesen sind. Spanien machte für den Fall, dass die streitige Beihilfe als rechtswidrig einzustufen sein sollte, geltend, diese dürfe aufgrund des Vorliegens außergewöhnlicher Umstände, die Vertrauensschutz bewirkt hätten, nach Artikel 14 Absatz 1 Satz 2 der Verordnung Nr. 659/1999 nicht zurückgefordert werden.

605. Die Begründung des Gerichts für die Abweisung der Klage lautete wie folgt: Im Bereich der staatlichen Beihilfen besteht aber ein bedeutendes öffentliches Interesse daran, zu verhindern, dass das Funktionieren des Marktes durch wettbewerbswidrige Beihilfen verfälscht wird; deshalb ist es nach ständiger Rechtsprechung erforderlich, dass rechtswidrige Beihilfen zur Wiederherstellung der früheren Lage zurückgezahlt werden. Zwar ist nicht auszuschließen, dass sich der Empfänger einer rechtswidrigen Beihilfe ausnahmsweise auf Umstände berufen kann, aufgrund deren sein Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Beihilfe geschützt ist, so dass er sie nicht zurückzuzahlen braucht [340]. Doch kann sich kein Mitgliedstaat, dessen Behörden eine Beihilfe unter Verletzung des Verfahrens des Artikels 88 EG-Vertrag gewährt haben, unter Berufung auf das geschützte Vertrauen der Begünstigten der Verpflichtung entziehen, die notwendigen Maßnahmen zur Durchführung einer Entscheidung der Kommission zu ergreifen, die ihm die Rückforderung der Beihilfe aufgibt. Nicht der betreffende Mitgliedstaat, sondern der Beihilfeempfänger muss sich somit auf außergewöhnliche Umstände, die bei ihm ein berechtigtes Vertrauen in die Ordnungsgemäßheit der Beihilfe begründen konnten, berufen, wenn er der Rückzahlung einer rechtswidrigen Beihilfe entgegentreten will. Der Umstand, dass die Kommission ursprünglich eine positive Entscheidung erlassen hatte, mit der die streitige Beihilfe genehmigt wurde, konnte bei P&O Ferries kein berechtigtes Vertrauen wecken, da diese Entscheidung fristgemäß auf dem Klageweg angefochten und anschließend vom Gemeinschaftsrichter für nichtig erklärt wurde. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, dass unter den Umständen des vorliegenden Falles bei P&O Ferries kein berechtigtes Vertrauen entstehen konnte.

[340] Rechtssache C-5/89 Kommission/Deutschland, Slg. 1990, I-3437, Randnr. 16.

3. Nichtausführung von Entscheidungen

606. Am 13. November 2002 hatte die Kommission eine Rettungsbeihilfe in Höhe von 450 Mio. EUR genehmigt [341], die Bull im Laufe des ersten Halbjahres 2002 gewährt worden war [342]. Diese Entscheidung war ausdrücklich an die Bedingung geknüpft, dass Bull das Darlehen bis zum 17. Juni 2003 zurückzahlt. Mit dieser Entscheidung wurde das am 9. April 2002 eingeleitete Prüfverfahren abgeschlossen. Die endgültige Entscheidung beruhte auf der Tatsache, dass der Liquiditätsvorschuss den Bedingungen der Leitlinien für staatliche Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten entspricht. Die Kommission hatte bei der Nachprüfung festgestellt, dass der Liquiditätsvorschuss eine Rettungsbeihilfe darstellte und nicht der Finanzierung der Umstrukturierung des Unternehmens diente.

[341] ABl. L 209 vom 19.08.2003.

[342] Sache C 29/2002.

607. Gemäß den Leitlinien für Beihilfen zur Rettung und Umstrukturierung von Unternehmen in Schwierigkeiten muss die Rückzahlung einer Rettungsbeihilfe jedoch spätestens zwölf Monate nach der Auszahlung der letzten Beihilfetranche erfolgen. Da diese Bedingung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht überprüft werden konnte, hatte die Kommission die Genehmigung unter der Voraussetzung erteilt, dass Frankreich ihr einen Beweis für die Rückzahlung bis zum 17. Juni 2003 vorlegt. Die Kommission hat festgestellt, dass Frankreich nicht beabsichtigte, die Rückzahlung der Bull gewährten Beihilfe innerhalb der vorgesehenen Frist zu fordern. Daher vertrat die Kommission die Auffassung, dass Frankreich klar gegen seine Pflichten verstoßen hatte, und beschloss, beim Gerichtshof Klage gegen Frankreich zu erheben, wie dies im Vertrag für den Fall vorgesehen ist, dass ein Mitgliedstaat einer Entscheidung nicht innerhalb der festgesetzten Frist nachkommt.

4. Gerichtsurteile

608. Am 6. März erließ das Gericht erster Instanz (EuGeI) das Urteil in der Rechtssache WestLB [343] betreffend die Übertragung der Wohnungsbauförderungsanstalt (Wfa) an die WestLB und die Beteiligung von staatlichen Beihilfen an diesem Geschäft. WestLB ist die größte deutsche Landesbank (Kreditanstalt des öffentlichen Rechts). Eigentümer sind das Land Nordrhein-Westfalen (rund 43 %) sowie zwei andere öffentliche Einrichtungen und zwei Sparkassenverbände. Im Dezember 1991 übertrug das Land die WfA, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, deren alleiniger Anteilseigner das Land war und deren Aufgabe darin bestand, finanzielle Hilfen für den Wohnungsbau zu gewähren, als Eigenkapital auf die WestLB. Zwar blieben die übertragenen Vermögenswerte den öffentlichen Aufgaben der WfA vorbehalten, aber durch die Mittelzuführung erhöhte sich die Eigenkapitalbasis der WestLB, was es der Bank ermöglichte, ihre Geschäftstätigkeit auszubauen. Dies war besonders angesichts der ab dem 30. Juni 1993 geltenden strengeren Eigenkapitalvorschriften im Gemeinschaftsrecht von Bedeutung (Richtlinien über einen Solvabilitätskoeffizienten für Kreditinstitute bzw. über die Eigenmittel von Kreditinstituten). Die Übertragung führte nicht zu einer entsprechenden Erhöhung der Landesbeteiligung an der WestLB. Per Januar 1992 erhielt das Land NRW jedoch ein jährliches Entgelt von 0,6 % nach Steuern auf seinen Kapitalanteil.

[343] Rechtssache T-233-99, 6.3.2003.

609. Der Bundesverband deutscher Banken, ein Zusammenschluss deutscher Privatbanken, legte Beschwerde ein und machte darin geltend, dass die Übertragung aufgrund einer unangemessenen Vergütung für das vom Land bereitgestellte Kapital rechtswidrige staatliche Beihilfen beinhalte. Nach eingehender Untersuchung des Falls entschied die Kommission am 8. Juli 1999, dass die Vergütung für das Land nicht dem so genannten Grundsatz des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers entsprach und die WestLB deshalb eine rechtswidrige staatliche Beihilfe erhalten hatte, die nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar war. Nach Auffassung der Kommission hätte für einen Teil des auf die WestLB übertragenen Vermögens die jährliche Rendite zum marktüblichen Wert 9,3 % nach Steuern betragen müssen. Diesen Satz berechnete die Kommission ausgehend von einer normalen Rendite von 12 % (durchschnittliche Rendite für als Kernkapital eingebrachtes Vermögen im Banksektor zum Zeitpunkt der Investition) zuzüglich des Aufschlags von 1,5 % für die Besonderheiten der Transaktion abzüglich 4,2 % wegen des Finanzierungsaufwands aufgrund der fehlenden Liquidität des übertragenen Vermögens.

610. Obwohl das EuGeI die Entscheidung wegen unzureichender Begründung für die Berechnung des Beihilfebetrages von rund 808 Mio. EUR aufhob, bestätigte und klärte damit das Urteil wesentliche strategische Punkte, die von der Kommission im Bereich der Beihilfenkontrolle angewendet werden, insbesondere die Anwendung des Grundsatzes des marktwirtschaftlich handelnden Kapitalgebers auf Unternehmen, die sich nicht in Schwierigkeiten befinden. Das EuGeI wies das diesbezügliche Vorbringen der Kläger zurück, die Kommission habe den Begriff der staatliche Beihilfe unzulässig erweitert. Es bestätigte, dass eine staatliche Beihilfe gewährt wird, wenn die vom Staat für eine solche Investition verlangte Rendite unter dem liegt, was ein marktwirtschaftlich handelnder privater Kapitalgeber für eine vergleichbare Investition gefordert hätte. Außerdem war das EuGeI der Auffassung, die Kommission sei dazu berechtigt gewesen, zur Ermittlung der angemessenen Vergütung die Durchschnittsrendite des relevanten Sektors zugrunde zu legen.

611. In den verbundenen Rechtssachen Van Calster und Cleeren [344] wurden ein belgisches Gesetz [345] über die Tiergesundheit, mit dem ein System zur Finanzierung von Leistungen im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Tierkrankheiten und der Verbesserung der Hygiene eingeführt wurde, und seine Beihilferegelungen vor dem EuGeI angefochten. Das Gesetz hat zum Ziel, die Bekämpfung von Tierkrankheiten zur Förderung der Gesundheit der Bevölkerung und des wirtschaftlichen Wohlergehens der Tierhalter zu fördern. Nach diesem Gesetz hatten E. Van Calster und F. Cleeren sowie Openbaar Slachthuis (Fleischhändler) Beiträge an den Fonds von 1987 zu entrichten. In den Ausgangsverfahren verlangten die Berufungsbeklagten die Erstattung eines Teils der Beiträge, weil er ihrer Ansicht nach unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhoben worden war.

[344] Verbundene Rechtssachen C-261/01 und C-262/01.

[345] Belgisches Gesetzblatt vom 17.4.1987.

612. Die Berufungsbeklagten machten geltend, dass die ebenfalls aus dem genannten Urteil hervorgehende Regel, die verhindern solle, dass die Mitgliedstaaten zum Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag verleitet würden, auch auf rückwirkende Beihilfen anzuwenden sei, d. h. auf Beihilfen, die ein Mitgliedstat für einen Zeitraum gewähren wolle, der bei ihrer Anmeldung bereits abgelaufen sei.

613. Das EuGeI stellte zunächst fest, ob die Pflicht, eine staatliche Beihilfe nach Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag anzumelden, und die sich aus einer möglichen Verletzung dieser Vorschrift ergebenden Folgen auch für die Art und Weise der Finanzierung einer solchen Beihilfe gelten. Diese Frage wird in Bezug auf eine Beihilfemaßnahme gestellt, die eine Beitragsregelung vorsieht, die Bestandteil der Maßnahme ist und speziell und ausschließlich zur Finanzierung der Beihilfe dient. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass nach Artikel 87 EG-Vertrag die Kommission die eigentliche Beihilfe nicht von ihrer Finanzierungsweise trennen und diese nicht außer Betracht lassen darf, wenn ihre Verbindung mit der eigentlichen Beihilfe zur Unvereinbarkeit des Ganzen mit dem Gemeinsamen Markt führt [346].

[346] Rechtssache 47/69 Frankreich / Kommission, Slg. 1970, 487, Randnr. 4.

614. Daraus folgt, dass die Finanzierungsweise einer Beihilfe die ganze Beihilferegelung, die damit finanziert werden soll, mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar machen kann. Eine Beihilfe darf daher nicht getrennt von den Auswirkungen ihrer Finanzierungsweise untersucht werden. In einem solchen Fall muss die Anmeldung der Beihilfe nach Artikel 93 Absatz 3 EG-Vertrag sich auch auf die Finanzierungsweise der Beihilfe beziehen, damit die Kommission ihre Prüfung auf der Grundlage umfassender Informationen durchführen kann. Andernfalls wäre nicht auszuschließen, dass die Kommission eine Beihilfe für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt, die sie nicht für vereinbar erklärt hätte, wenn ihr deren Finanzierungsweise bekannt gewesen wäre. Da die Meldepflicht auch die Finanzierungsweise der Beihilfe umfasst, müssen die Folgen der Missachtung von Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag durch die staatlichen Stellen auch für diesen Aspekt der Beihilfe gelten. Der Mitgliedstaat ist grundsätzlich verpflichtet, die unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht erhobenen Abgaben zu erstatten.

615. Die Kommission ist von dem Gesetz von 1998 unterrichtet worden und hat dieses mit der Entscheidung von 1996 für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt. Sowohl die eigentliche Beihilfe als auch die zu ihrer Finanzierung erhobenen Beiträge sind somit rechtmäßig, soweit sie sich auf den Zeitraum beziehen, der genau an dem Tag begann, als diese Entscheidung erlassen wurde, nämlich am 9. August 1996. Das Gesetz von 1998 erlegt jedoch rückwirkend ab dem 1. Januar 1988 eine Beitragspflicht auf. Ein Teil der Beiträge nach dem Gesetz von 1998 wird also für einen vor der Entscheidung von 1996 liegenden Zeitraum erhoben. Soweit das Gesetz von 1998 für den Zeitraum vom 1. Januar 1988 bis zum 8. August 1996 rückwirkend Beiträge auferlegt, ist es also rechtswidrig, weil die Pflicht zur Anmeldung vor der Durchführung der Beihilferegelung insoweit nicht eingehalten worden ist. Die entsprechenden Beiträge sind also unter Verletzung von Artikel 88 Absatz 3 Satz 3 EG-Vertrag erhoben worden.

616. Der EuGH führte ferner aus, dass die Kommission eine Anordnung zur Rückforderung einer Beihilfe nicht ausschließlich auf den Grund stützen könne, dass die Beihilfe nicht gemäß dem EG-Vertrag angemeldet war. Nationale Gerichte hingegen seien dazu befugt und "müssen entsprechend ihrem nationalen Recht daraus alle Folgerungen sowohl für die Gültigkeit der Rechtsakte zur Durchführung der betreffenden Beihilfemaßnahmen als auch für die Wiedereinziehung der gewährten finanziellen Unterstützungen ziehen" [347].

[347] Randnr. 64 der Rs. C-261/01.

617. In seinem Urteil vom 20. November [348] in der Rechtssache Ministre de l'économie, des finances et de l'industrie/S.A. GEMO bestätigte der Gerichtshof die von der Kommission in einem laufenden förmlichen Beihilfeverfahren zum Ausdruck gebrachte Haltung [349], dass die kostenlose Entfernung von Schlachtabfällen durch das staatliche französische System des "équarrissage" (Tierkörperverwertung) als staatliche Beihilfe an Landwirte und Schlachthäuser zu betrachten sei. Der EuGH bestätigte ferner, dass eine kostenlose öffentliche Leistung an Unternehmen zu einer Beihilfe führe, wenn a) der Staat die Kosten für diese Leistung trägt, b) die Unternehmen auf diese Weise von Kosten entlastet werden, die ihnen normalerweise aus ihrer unternehmerischen Tätigkeit entstehen würden und c) die Leistung nur an ausgewählte Unternehmen erbracht wird.

[348] Rs. C-126/01.

[349] Rs. C 49/2002.

618. In seinem Urteil vom 22. Mai in der Rechtssache Freskot [350] musste der Gerichtshof prüfen, ob eine nur auf einheimische Erzeugnisse erhobene steuerähnliche Abgabe als solche mit einer gemeinsamen Marktorganisation unvereinbar war. Die Abgabe wurde auf die Umsätze mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen erhoben und diente der Finanzierung eines (von ELGA) verwalteten Versicherungssystems für griechische Landwirte. Der EuGH stellte fest, dass eine steuerähnliche Abgabe gegen die gemeinsame Marktordnung verstoßen kann, falls sie sich auf den Handel auswirkt, selbst wenn sie nur auf inländische Erzeugnisse erhoben wird und zwischen inländischen Erzeugnissen, die im Inland verarbeitet und vertrieben werden, und solchen, die in andere Mitgliedstaaten ausgeführt werden, nicht unterschieden wird. Der Gerichtshof entwickelte mehrere Kriterien für die Feststellung einer solchen Auswirkung: die Höhe der Abgabe (hohe Abgaben haben größere Auswirkungen als niedrige Abgaben); Dauer (eine unbefristete Abgabe wirkt sich stärker aus als eine über einen kurzen Zeitraum erhobene); Begünstigte und Ausgleich (wenn die Einnahmen aus der Abgabe jenen Produkten zugute kommen, auf die sie erhoben wird, verringert sich die Auswirkung auf den Handel oder entfällt ganz.)

[350] Rs. C-355/00.

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E - Statistischer Überblick

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IV - Leistungen der Daseinsvorsorge

1. Jüngste Entwicklungen

Allgemeine Grundsätze

619. Wichtig ist die Klärung der Voraussetzungen, unter denen die Mitgliedstaaten ihren mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betrauten Unternehmen finanzielle Unterstützung gewähren können. Besonderes Augenmerk verdient dabei der Zusammenhang zwischen dieser finanziellen Unterstützung und den Gemeinschaftsregeln für staatliche Beihilfen. Um die Berechenbarkeit und die Rechtssicherheit für die Mitgliedstaaten zu erhöhen, hatte die Kommission in ihrem Bericht an den Europäischen Rat von Laeken (14./15. Dezember 2001) ein zweistufiges Vorgehen vorgeschlagen:

- Ausarbeitung eines Gemeinschaftsrahmens für staatliche Beihilfen, die als Ausgleich für öffentliche Leistungen gewährt werden.

- Anschließend, soweit durch die Erfahrungen mit diesem Gemeinschaftsrahmen gerechtfertigt, Abfassung einer Gruppenfreistellungsverordnung, wobei der Geltungsbereich äußerst sorgsam zu definieren wäre.

620. Die Arbeiten wurden wegen der Unsicherheit bezüglich der rechtlichen Bewertung der Ausgleichszahlungen für öffentliche Leistungen verzögert. In diesem Zusammenhang hat das Urteil des Gerichtshofs vom 24 Juli in der Rechtssache Altmark [351] erheblich zur Klärung der Frage beigetragen, wie die Artikel 87 und 88 EGV auf Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand an Unternehmen, die mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut wurden, anzuwenden sind.

[351] Rs. C-280/2000.

Die Rechtssache Altmark

621. In der Rechtssache ging es um das Verfahren zur Erteilung einer Lizenz für Linienbus-Verkehrsdienstleistungen im Landkreis Stendal und die öffentlichen Zuwendungen für die Durchführung dieser Leistungen. Die zuständigen deutschen Behörden hatten dem Unternehmen Altmark Trans 1990 entsprechende Betriebsgenehmigungen erteilt und sie 1994 sowie 1996 verlängert. Mit den Genehmigungen werden dem Unternehmen bestimmte Verpflichtungen u.a. im Hinblick auf Beförderungstarife und Fahrpläne auferlegt, die von staatlichen Stellen festgelegt werden. Als Gegenleistung kann für Betriebsdefizite ein finanzieller Ausgleich gewährt werden.

622. Ein Wettbewerber, dem die Lizenzen von den deutschen Behörden verweigert worden waren, hatte vor deutschen Gerichten geklagt, dass Altmark nicht die in den deutschen Vorschriften festgesetzten Voraussetzungen erfuelle. U.a. sei Altmark nicht wirtschaftlich gesund, da es ohne öffentliche Zuschüsse nicht überleben könne. Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt gab dem Konkurrenten in zweiter Instanz Recht und hob die Altmark-Genehmigungen auf. Die Anwendbarkeit von 87 Absatz 1 EGV setzt den Nachweis voraus, dass das betreffende Unternehmen einen Vorteil erhält, den es unter normalen Marktbedingungen nicht erhalten hätte. Die Kommission hatte üblicherweise die Auffassung vertreten, dass dieses Kriterium im Falle von Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen nicht erfuellt war, da diese lediglich eine besondere, vom Staat auferlegte Last ,ausgleichen".

623. Altmark Trans legte gegen diese Entscheidung Revision beim Bundesverwaltungsgericht ein, das sich mit einem Ersuchen um Vorabentscheidung an den EuGH wandte. In seinem Urteil bestätigt der EuGH den Grundsatz der Ausgleichszahlungen, gibt aber strenge Voraussetzungen vor, wenn diese nicht unter den Beihilfebegriff fallen sollen.

624. Der EuGH erinnert eingangs, dass eine Begünstigung vorliegen muss, damit eine Maßnahme als staatliche Beihilfe eingestuft werden kann. Im Einklang mit seiner früheren Rechtsprechung in den Rechtssachen ADBHU und Ferring folgert der EuGH, ,dass eine staatliche Maßnahme nicht unter Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag fällt, soweit sie als Ausgleich anzusehen ist, der die Gegenleistung für Leistungen bildet, die von den Unternehmen, denen sie zugute kommt, zur Erfuellung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen erbracht werden, so dass diese Unternehmen in Wirklichkeit keinen finanziellen Vorteil erhalten und die genannte Maßnahme somit nicht bewirkt, dass sie gegenüber den mit ihnen im Wettbewerb stehenden Unternehmen in eine günstigere Wettbewerbsstellung gelangen".

625. Eine Beihilfe liegt jedoch nur dann nicht vor, wenn folgende Voraussetzungen erfuellt sind:

- Erstens muss das begünstigte Unternehmen tatsächlich mit der Erfuellung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut sein, und diese Verpflichtungen müssen klar definiert sein.

- Zweitens sind die Parameter, anhand deren der Ausgleich berechnet wird, zuvor objektiv und transparent aufzustellen, um zu verhindern, dass der Ausgleich einen wirtschaftlichen Vorteil mit sich bringt, der das Unternehmen, dem er gewährt wird, gegenüber konkurrierenden Unternehmen begünstigt.

- Drittens darf der Ausgleich nicht über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Kosten der Erfuellung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen unter Berücksichtigung der dabei erzielten Einnahmen und eines angemessenen Gewinns aus der Erfuellung dieser Verpflichtungen ganz oder teilweise zu decken.

- Wenn viertens die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfuellung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im konkreten Fall nicht im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann, so ist die Höhe des erforderlichen Ausgleichs auf der Grundlage einer Analyse der Kosten zu bestimmen, die ein durchschnittliches, gut geführtes Unternehmen, das so angemessen mit Transportmitteln ausgestattet ist, dass es den gestellten gemeinwirtschaftlichen Anforderungen genügen kann, bei der Erfuellung der betreffenden Verpflichtungen hätte, wobei die dabei erzielten Einnahmen und ein angemessener Gewinn aus der Erfuellung dieser Verpflichtungen zu berücksichtigen sind.

626. Wenn diese Kriterien erfuellt sind, stellen die Ausgleichszahlungen keine staatliche Beihilfe dar und sind folglich auch nicht notifizierungspflichtig.

627. Der Gerichtshof bestätigt somit in mehrfacher Hinsicht den üblichen Ansatz der Kommission: Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Aufgaben dürfen nur Unternehmen zu Gute kommen, die tatsächlich mit einer solchen Aufgabe betraut sind. Auch wenn die Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet über einen breiten Ermessensspielraum verfügen, hat die Kommission darauf zu achten, dass bei der Ausübung dieser Befugnis keine offensichtlichen Fehler unterlaufen. Staatliche Subventionen für Unternehmen, deren Tätigkeit eindeutig kein gemeinwirtschaftliches Ziel verfolgt, wären nicht gerechtfertigt. Ferner müssen die Verpflichtungen der mit gemeinwirtschaftlichen Leistungen betrauten Unternehmen eindeutig festgelegt sein. Unbedingte Voraussetzung für die Transparenz der Finanzierung von Leistungen der Daseinsvorsorge ist ein Rechts- oder Verwaltungsakt, in dem die Pflichten des Unternehmens und die Pflichten des Staates insbesondere betreffend einen etwaigen finanziellen Ausgleich festgelegt sind.

628. Die Etablierung und Berechnung des finanziellen Ausgleichs sind dabei die wichtigsten Aspekte. Die vorherige Festlegung der Berechnungsparameter ist eine logische Konsequenz der vertraglichen Gestaltung der Beziehungen zwischen der öffentlichen Hand und dem mit gemeinwirtschaftlichen Aufgaben betrauten Unternehmen. Ohne eine solche vorherige Festlegung stellt die Übernahme etwaiger Betriebsdefizite durch den Staat eine staatliche Beihilfe dar. Die Anforderungen des Gerichtshofs beziehen sich nicht auf die Höhe des Ausgleichs, sondern alleine auf die zugrunde liegenden Berechnungsparameter. Der Begriff ,Parameter" wird im Urteil nicht näher bestimmt. Das vom Gerichtshof erhobene Kriterium entspricht auch der Fallpraxis der Kommission. Mit gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraute Unternehmen haben zwar Anspruch auf die für die Durchführung der Leistung erforderlichen Ressourcen, aber die staatlichen Ausgleichsleistungen dürfen nicht über die tatsächlichen Kosten hinausgehen. Der Gerichtshof bestätigt ferner, dass die betreffenden Unternehmen selbstverständlich Anspruch auf einen angemessenen Gewinn haben.

629. Das Urteil wird Änderungen bei der Berechnung des finanziellen Ausgleichs zur Folge haben. "Wenn die Wahl des Unternehmens, das mit der Erfuellung gemeinwirtschaftlicher Verpflichtungen betraut werden soll, im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt, das die Auswahl desjenigen Bewerbers ermöglicht, der diese Dienste zu den geringsten Kosten für die Allgemeinheit erbringen kann", stellt die Ausgleichsleistung nach Auffassung des Gerichtshofs keine staatliche Beihilfe dar.

Grünbuch zu Dienstleistungen von allgemeinem Interesse

630. Der Europäische Rat und das Europäische Parlament hatten die Kommission aufgefordert, die Zweckmäßigkeit einer Rahmenrichtlinie zu den Leistungen der Daseinsvorsorge zu prüfen.

631. Die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse weisen große Unterschiede von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat auf und erstrecken sich auf sehr unterschiedliche Tätigkeiten. Das liegt vor allem an den politischen Entscheidungen der Mitgliedstaaten. Die Europäische Union respektiert diese Vielfalt und die wichtige Rolle der nationalen, regionalen und kommunalen Behörden. Vor der Erwägung einer Rahmenrichtlinie hat die Kommission es daher für sinnvoll erachtet, in einer groß angelegten Debatte den Platz der Dienstleistungen von allgemeinem Interesse in Europa zu behandeln.

632. Im Grünbuch, das die Kommission im Mai angenommen hat, werden vor allem vier Themen behandelt:

- Umfang möglicher Maßnahmen der Gemeinschaft zur Umsetzung des Vertrags bei voller Respektierung des Subsidiaritätsprinzips.

- Grundsätze, die in eine mögliche Rahmenrichtlinie oder ein anderes allgemeines Instrument zu den Dienstleistungen von allgemeinem Interesse Eingang finden könnten, und zusätzlicher Nutzen (Mehrwert) eines solchen Instruments.

- Definition verantwortungsvollen Regierens bezogen auf Organisation, Regulierung, Finanzierung und Bewertung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse mit dem Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft zu erhöhen und einen effizienten und fairen Zugang zu hochwertigen und bedarfsgerechten Dienstleistungen für jedermann zu gewährleisten.

- Maßnahmen, die zur Schaffung größerer Rechtssicherheit beitragen könnten sowie zur Sicherstellung eines schlüssigen und harmonischen Ausgleichs zwischen dem Ziel, weiterhin hochwertige Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu erbringen, und der strikten Anwendung der Wettbewerbs- und Binnenmarktvorschriften.

633. Das Grünbuch hat zahlreiche Reaktionen aus dem Europäischen Parlament, den Mitgliedstaaten und der Zivilgesellschaft hervorgerufen. Die Kommission wird dieses Echo berücksichtigen, wenn sie im Jahr 2004 über das weitere Vorgehen befindet.

2. Beihilfefälle

Energiesektor

634. In einer ersten Anwendung der Rechtsprechung aus der Rechtssache Altmark hat die Kommission am 18. Dezember eine Maßnahme zur Förderung von Investitionen in neue Kraftwerke in Irland zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit genehmigt [352].

[352] Sache N-475/03.

635. Dabei hat die Kommission die vom Gerichtshof entwickelten Kriterien angewandt und ist auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis gekommen, dass die von den irischen Behörden am 8. Oktober angemeldeten Bestimmungen keine staatliche Beihilfe beinhalteten. Die irischen Behörden hatten einen Mangel an Stromerzeugungskapazitäten auf dem Inlandsmarkt in naher Zukunft festgestellt und ein System eingerichtet, das dieses Angebotsdefizit decken soll.

636. Die irischen Behörden haben in einem transparenten Ausschreibungsverfahren, das allen Anbietern in der Gemeinschaft offen stand, Aufträge vergeben, mit denen die Bereitstellung von Stromerzeugungskapazitäten prämiert wurde. Die Prämien richten sich nach dem Anteil der Investitionen, den die Stromerzeuger auf dem Markt amortisieren können.

637. In seinem Altmark-Urteil hatte der Gerichtshof vier Kriterien erarbeitet, anhand derer festgestellt werden kann, ob öffentliche Ausgleichszahlungen für gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen als Beihilfe im Sinne von Artikel 87 Absatz 1 EGV zu betrachten sind oder nicht.

638. Da die Maßnahme der irischen Behörden alle vier Kriterien erfuellte, hat die Kommission keine Einwände erhoben. Die Entscheidung behandelt insbesondere die Anwendbarkeit des Begriffs der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung im Elektrizitätswesen. Angesichts der Insellage Irlands kann die Bereitstellung von ,Kapazitätsreserven", dank derer die Stromerzeuger den Verbrauchern über das ganze Jahr hinweg genügend Strom liefern können, durchaus als eine solche Leistung der Daseinsvorsorge betrachtet werden.

Postsektor

639. Am 27. Mai und 23. Juli und 11. November beschloss die Kommission, keine Einwände gegen drei von den Regierungen des Vereinigten Königreichs [353] und Belgiens [354] und Griechenlands [355] angemeldete staatlichen Kompensierungsmaßnahmen zu erheben.

[353] Sache N784/2002.

[354] Sache N763/2002.

[355] Sache N183/2003

640. Ein weiteres von der Regierung des Vereinigten Königreichs angemeldetes Maßnahmepaket betrifft Post Office Limited (POL). Es soll deren Rentabilität wieder herstellen, während das umfangreiche, flächendeckende, ländliche Versorgungsnetz für Universaldienstleistungen bestehen bleibt und das Unternehmen in die Lage versetzt wird, spezielle Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse zu erbringen. POL, hinsichtlich der Zahl der Verkaufsstellen das größte europäische Einzelhandelsunternehmen und 100%ige Tochtergesellschaft der Royal Mail Group plc, die sich selbst zu 100 % in staatlichem Eigentum befindet, fungiert als die wichtigste Schnittstelle zwischen der Regierung und den Bürgern, indem das Unternehmen landesweit Schalterleistungen anbietet, vorrangig Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse (90 % des Umsatzes). Die Verluste von POL als Dienstleistungsunternehmen sind vorrangig auf die Verpflichtung zur flächendeckenden Versorgung zurückzuführen, die die Aufrechterhaltung strukturell unrentabler Poststellen verlangt. Ohne das von Royal Mail Group plc gewährte Darlehen könnte POL nicht existieren.

641. Bei den drei angemeldeten Maßnahmen handelt es sich potenziell um Beihilfen, die unter Artikel 87 Absatz 1 fallen. Die vorgesehene Kompensationszahlung in Höhe von maximal 150 Mio. £ für das ländliche Versorgungsnetz deckt jedoch selbst bei Berücksichtigung des sich aus den wettbewerblichen Aktivitäten ergebenden Überschusses die Kosten für die Aufrechterhaltung der 2000 strukturell unrentablen ländlichen Poststellen nicht. Die staatlichen Beihilfezahlungen (Hoechstgrenze 1,3 Mrd.), die POL zunächst in die Lage versetzen sollen, Zahlungsverpflichtungen des Unternehmens gegenüber der Royal Mail Group nachzukommen, und danach alle Schulden bis zum Ende des Geschäftsjahres 2006/2007 zu begleichen, sind lediglich ein Mindestbetrag, der die Fortführung der Unternehmenstätigkeit von POL sichert. Der auf eine obere Grenze von 1 150 Mio. £ festgelegte Betriebsmittelkredit an POL, bei der es sich nicht um eine Bank handelt und die somit über keine Einlagen verfügt, ist ebenfalls als Mindestbetrag zu betrachten, der für die laufenden Barauszahlungen am Schalter, die zu den vom Unternehmen zu erbringenden Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse gehören, erforderlich ist.

642. Auch verhindern geeignete Mechanismen eine Überkompensation und einen doppelten Ausgleich im Rahmen des Gesamtpakets der dem Unternehmen POL gewährten finanziellen Unterstützungsmaßnahmen (von der Kommission wurden im vergangenen Jahr zwei weitere angemeldete, dem gleichen Ziel dienende Maßnahmepakete genehmigt). Zudem hat sich die Regierung des Vereinigten Königreichs verpflichtet, alle durch getrennte Rechnungslegung ausgewiesenen, zuviel gezahlten Beträge zurückzufordern.

643. Da Vorkehrungen getroffen sind, um in jedem Fall eine Überkompensierung zu verhindern, wird POL kein wirklicher Vorteil übertragen. Somit ist festzustellen, dass die Maßnahmen mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind, so dass die Kommission am 27. Mai beschlossen hat, keine Einwände zu erheben.

644. Die Kommission nahm im Postsektor eine Prüfung einer vorgesehenen und vom belgischen Staat angemeldeten Kapitalzuführung in Höhe von 300 Mio. EUR für die belgische Post, La Poste SA, vor.

645. Der Wegfall der Ruhestandsregelung verhalf La Poste nicht zu einem Wettbewerbsvorteil, da sich die Lage des Unternehmens damit nicht von der eines unter marktwirtschaftlichen Bedingungen handelnden Kapitalgebers unterschied. Ebenso wurde die Möglichkeit einer staatlichen Haftungsgarantie nicht in Anspruch genommen, die nur auf Antrag gewährt werden kann, und die Befreiung von der Unternehmensgewinnbesteuerung hatte lediglich einen neutralen Effekt, da die kumulierten Nettoergebnisse im betreffenden Zeitraum im negativen Bereich lagen. Somit führten die beiden Maßnahmen nicht zu einer Übertragung staatlicher Mittel. Keine der drei Maßnahmen stellt eine Beihilfe dar, da in keinem Fall die vier in Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag definierten Bedingungen erfuellt werden.

646. Die beiden früheren nicht angemeldeten Kapitalerhöhungen, die Befreiung von den Kommunalsteuern und die Überkompensierung der Nettomehrkosten für die Erbringung der allgemeinen Versorgungsleistungen im Zeitraum 1993-1995, die aus der getrennten Rechnungslegung ersichtlich ist, sind hingegen möglicherweise als staatliche Beihilfen gemäß Artikel 87 Absatz 1 EG-Vertrag zu werten.

647. Aus der getrennten Rechnungslegung ging ferner eine kumulierte Unterkompensierung der Nettokosten für die Erbringung der allgemeinen Versorgungsleistungen seit 1995 hervor. Da der Gegenwartswert der Überkompensierung und der drei potenziellen staatlichen Beihilfen jedoch unter dem Gegenwartswert der nachfolgenden Unterkompensierungen in Verbindung mit der angemeldeten Kapitalerhöhung lag, beschloss die Kommission, keine Einwände zu erheben. Die neue Maßnahme führte somit nicht zu einer Überkompensierung der Nettomehrkosten für die Erbringung der allgemeinen Versorgungsleistungen und war daher mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar. Dabei ist festzustellen, dass die getrennte Rechnungslegung, die acht Jahre vor der ersten, die Trennung vorschreibenden Postrichtlinie eingeführt wurde, die Arbeit der Kommission erleichterte und zur Rechtssicherheit beitrug.

648. Im April meldete Griechenland eine Beihilfe von 80 Mio. EUR an, mit der die Modernisierung der griechischen Post finanziert werden sollte. Die griechische Post ist mit dem Universal-Postdienst und einigen anderen, nicht dem Postwesen zuzurechnenden gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen betraut, u.a. mit grundlegenden Bankdienstleistungen. Mit der Beihilfe sollen die griechische Postinfrastruktur und der bisher nicht dem EG-Niveau entsprechende Universaldienst verbessert werden. Die Beihilfe beschränkt sich auf die Finanzierung der Modernisierungskosten im Bereich der gemeinwirtschaftlichen Postdienstleistungen und führt nicht zu ungerechtfertigten Wettbewerbsverzerrungen. Daher hat die Kommission die Beihilfe nach Artikel 86 Absatz 2 EGV genehmigt.

649. Mit der gleichen Entscheidung hat sie auch der griechischen Post zwischen 2000 und 2002 gewährte Modernisierungszuschüsse in Höhe von 41,8 Mio. EUR genehmigt, die ebenfalls für die Erreichung notwendiger Mindeststandards bei gemeinwirtschaftlichen Leistungen der Post notwendig waren. Auch Kapitalzufuhren von 293,469 Mio. EUR zwischen 1997 und 2001 wurden als mit den EG-Regeln vereinbar eingestuft, da sie lediglich der Begleichung von Verbindlichkeiten der griechischen Post dienten, die durch die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen entstanden waren.

BBC

650. Die British Broadcasting Corporation (BBC) schlug einen neuen Dienst vor, der Schülern für den Schulgebrauch und zu Hause kostenlos elektronische Lernhilfen zur Verfügung stellt. Finanziert werden sollte dieser Dienst mit staatlichen Mitteln, in diesem Fall den Lizenzgebühreneinnahmen. Vorgesehen ist die Schaffung virtueller Klassenräume, wobei Lehrer und Schüler über das Internet Zugang zum Lernmaterial haben. Dabei könnte das BBC-Material neben den Unterrichtshilfen kommerzieller Anbieter genutzt werden. Bei der Bewertung dieses Falls wurden vor allem die folgenden Aspekte untersucht:

- Inwieweit werden für die Erbringung dieser Leistung staatliche Beihilfen in Anspruch genommen, und handelt es sich dabei um eine Leistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse?

- Wie weit darf sich die BBC bei der Erbringung neuer Grundversorgungsleistungen von ihrem traditionellen Hörfunk- und Fernsehleistungsprofil entfernen?

- Wurden entsprechende Vorkehrungen getroffen, die sichern, dass die Leistung nicht den Interessen der Gemeinschaft widerspricht?

651. Es wurde untersucht, inwieweit sich dieser mit dem Namen, dem Image und den Ressourcen der BBC verbundene Dienst nachteilig auf die etablierten Marktteilnehmer auswirken könnte, und es erfolgte eine Bewertung der Angemessenheit der Vorkehrungen zur Verhinderung dieser Nachteile. Gleichzeitig war sich die Kommission der positiven Rolle bewusst, die die BBC bei der Erbringung einer kostenlos verfügbaren, qualitativ hochwertigen Bildungsleistung spielen kann. Im Rahmen der Untersuchungen stellte sie fest, dass die anmeldenden Behörden die Übermittlung von Informationen unterlassen hatten, , die es erlaubt hätten die Maßnahme nicht als staatliche Beihilfe einzustufen(angesichts der im Urteil zur Rechtssache Altmark Trans dargelegten Kriterien). Nach Erhalt mehrerer klärender Erläuterungen sowohl von den Behörden des Vereinigten Königreichs als auch vom Beschwerdeführer gelangte die Kommission zu dem Schluss, dass die Definition und die mit dem Vorschlag verbundenen Garantien die Leistung mit den unter Artikel 86 Absatz 2 aufgeführten Ausnahmeregelungen vereinbar erscheinen lassen, obgleich die BBC mit der vorgesehenen Leistung in einen Bereich außerhalb ihrer traditionellen Marktsektoren vordringt.

3. Liberalisierung durch legislative Maßnahmen

Erdöl und Erdgas

652. Die Vorschläge der Kommission zur Verbesserung der Versorgungssicherheit bei Erdöl und Erdgas in der EU [356] wurden im Europäischen Parlament und im Rat erörtert. Im Rahmen des Verfahrens der Mitentscheidung bestätigte der EP-Ausschuss für Industrie, Außenhandel, Forschung und Energie am 9.September 2003 in erster Lesung seine Berichte zu den Vorschlägen der Kommission. Die Berichte enthalten eine Vielzahl von Änderungen [357]. Auf der Plenartagung am 22.und 23.September 2003 lehnte das Europäische Parlament den Vorschlag der Kommission zur Versorgungssicherheit bei Erdölprodukten jedoch ab. Auf der Plenartagung vom 17.-20. November wurde diese Entscheidung bekräftigt. Im Bereich Erdgas erzielte der Rat ,Energie" am 15.Dezember 2003 eine politische Einigung über einen neuen Wortlaut, der ebenfalls deutlich vom Vorschlag der Kommission abweicht. Die neue Textfassung lässt den Mitgliedstaaten einen größeren Spielraum bei der Bestimmung eigener Maßstäbe für die Versorgungssicherheit. Auch wird darin die Bedeutung der Gasspeicherung gegenüber dem Vorschlag der Kommission abgeschwächt. Überdies findet der Vorschlag der Kommission, neue Marktteilnehmer und Inhaber kleiner Marktanteile vor Wettbewerbsnachteilen aufgrund der auf nationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit zu schützen, keine Zustimmung. Schließlich wird die Schaffung einer Europäischen Beobachtungsstelle auf diesem Gebiet abgelehnt. Ferner vertrat der Rat die Auffassung, dass die rechtliche Grundlage der Vorschläge Artikel 100 (Versorgungssicherheit) und nicht 95 (Binnenmarkt) sein müsse.

[356] Siehe Abschnitt I.C.1 und IV.4 des XXXII. Berichts über die Wettbewerbspolitik (2002).

[357] Bericht A5-0293/2003 vom 10.9.2003 und Bericht A5-0295/2003 vom 10.9.2003.

V - Internationale Zusammenarbeit

1. Erweiterung und westlicher Balkan

1.1. Einleitung

653. Die Europäische Union bereitet sich derzeit auf ihre bislang größte Erweiterung hinsichtlich Umfang und Vielfalt vor. Nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrags in Athen am 16. April 2003 und Ratifizierung der Verträge werden am 1. Mai 2004 zehn Länder der EU beitreten: Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik, Ungarn und Zypern. Diese Länder werden als ,Beitrittsländer" bezeichnet.

654. Bulgarien und Rumänien streben eine Mitgliedschaft bis 2007 an. Entscheidet der Europäische Rat im Dezember 2004 auf der Grundlage eines Berichts und einer Empfehlung der Kommission, dass die Türkei die politischen Kriterien von Kopenhagen erfuellt, wird die Europäische Union unverzüglich die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aufnehmen. Diese drei Länder gelten gegenwärtig als ,Bewerberländer".

655. Bevor die Beitrittsverhandlungen im Bereich der Wettbewerbspolitik abgeschlossen werden können, müssen die Bewerberländer unter Beweis stellen, dass sie innerstaatliche Wettbewerbsvorschriften erlassen haben, die die Grundsätze des gemeinschaftlichen Besitzstandes widerspiegeln, dass nationale Wettbewerbsbehörden geschaffen wurden, deren Aufgabe die Durchsetzung dieser gesetzlichen Vorschriften ist, und dass diese Behörden in allen Bereichen der Wettbewerbspolitik über eine zufrieden stellende Umsetzungsbilanz verfügen. Diese Forderungen leiten sich aus den in Kopenhagen formulierten Kriterien ab, die die politischen und wirtschaftlichen Maßstäbe für die Erweiterung bestimmen.

656. Die einzelnen Vorschriften und Regeln (gemeinschaftlicher Besitzstand) der EU wurden für den Zweck der Beitrittsverhandlungen in insgesamt 31 Kapitel unterteilt. Mit der Wettbewerbspolitik befasst sich Kapitel 6, das die relevanten Artikel des EG-Vertrags beinhaltet (wie auch das abgeleitete Recht): Artikel 31 (staatliche Handelsmonopole), Artikel 81-85 (für Unternehmen geltende Regeln); Artikel 86 (öffentliche Unternehmen und Unternehmen, für die besondere oder ausschließliche Rechte gewährt werden) und Artikel 87-89 (Regeln für die Gewährung von staatlichen Beihilfen). Ferner erfolgt eine Überwachung von Fusionen auf der Grundlage der Fusionskontrollverordnung.

657. Was die staatlichen Beihilfen anbetrifft, so wird ein Teil des gemeinschaftlichen Besitzstandes aus dem Bereich Wettbewerb in anderen Kapiteln der Verhandlungen mit den Bewerberländern behandelt, so zum Beispiel Verkehr, bestimmte Kohlearten, Landwirtschaft und Fischerei. Hinsichtlich der früheren regulierten Sektoren werden die rechtlichen Bestimmungen für die Liberalisierung zum Beispiel in der Energiewirtschaft, im Verkehrswesen und in der Telekommunikations- und Informationstechnologiebranche ebenfalls in den jeweiligen Verhandlungsthemen erfasst.

658. In den westlichen Balkanländern kommt der Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess allmählich auch im Bereich des Wettbewerbs voran.

1.2. Beitrittsländer

659. Die Beitrittsverhandlungen mit allen Beitrittsländern waren im Dezember 2002 abgeschlossen. 2003 wurde vor der Unterzeichnung des Beitrittsvertrags im April der in den Beitrittsvertrag aufzunehmende genaue Wortlaut zur Wettbewerbspolitik, vor allem für die Übergangsregelungen, zwischen der EU und den Beitrittsländern vereinbart. Der Beitrittsvertrag enthält die folgenden Übergangsregelungen:

Malta

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Vergünstigungen für KMU bis Ende 2011;

- Schrittweiser Abbau der unter dem Wirtschaftsförderungsgesetz gewährten Betriebsbeihilfen bis Ende 2008;

- Umwandlung der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Vergünstigungen für Großunternehmen in regionale Investitionsbeihilfen. Die Beihilfe wird auf einen Hoechstbetrag von 75 % der beihilfefähigen Investitionskosten beschränkt, wenn dem Unternehmen die Steuerbefreiung vor dem 1. Januar 2000 bewilligt wurde, bzw. auf 50 %, wenn dies zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 30. November 2000 erfolgte.

- Beihilfen zur Umstrukturierung des Schiffbausektors in der Umstrukturierungsperiode bis Ende 2008;

- Marktanpassung auf dem Gebiet der Einfuhr, der Bevorratung und des Großhandelsvertriebs von Erdölprodukten gemäß Artikel 31 EG-Vertrag bis Ende 2005.

Polen

- Abschluss der Umstrukturierung der Stahlbranche bis 31. Dezember 2006;

Steuerliche Vergünstigungen (Sonderwirtschaftszonen);

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Vergünstigungen für kleine Unternehmen bis Ende 2011;

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Vergünstigungen für mittlere Unternehmen bis Ende 2010;

- Umwandlung der zum Gemeinschaftsrecht im Widerspruch stehenden steuerlichen Vergünstigungen für Großunternehmen in regionale Investitionsbeihilfen. Die Beihilfe wird auf einen Hoechstbetrag von 75 % der beihilfefähigen Investitionskosten beschränkt, wenn das Unternehmen die Bestätigung, dass es unter die Sonderwirtschaftszonenregelung fällt, vor dem 1. Januar 2000 erhalten hat, bzw. auf 50 %, wenn dies zwischen dem 1. Januar 2000 und dem 31. Dezember 2000 erfolgte. In der Automobilbranche ist die Höhe der Beihilfen weiter begrenzt und entspricht 30 % der beihilfefähigen Kosten.

Staatliche Umweltschutzbeihilfen

- Für Investitionen, die dem Erreichen von Standards dienen, für die bei den Verhandlungen über Umweltfragen eine Übergangszeit gewährt wurde, für die Dauer dieser Übergangszeit, wobei die Beihilfeintensität auf den Hoechstsatz für Regionalbeihilfen (30 %-50 %) plus weitere 15 % für KMU begrenzt ist.

- Für vorhandene IVU-Anlagen, für die bei den Verhandlungen über Umweltfragen eine Übergangszeit gewährt wurde, gilt bis Ende 2010 eine maximal zulässige Beihilfeintensität von 30 %.

- Für IVU-bezogene Investitionen, für die bei den Verhandlungen über Umweltfragen keine Übergangszeit gewährt wurde, gilt bis 31. Oktober 2007 eine maximal zulässige Beihilfeintensität von 30 %.

- Für Großfeuerungsanlagen wurde eine Beihilfeintensität von 50 % für Investitionen vereinbart, die sich auf eine bei den Verhandlungen über Umweltfragen gewährte Übergangszeit beziehen.

Slowakische Republik

- Eine Steuerbeihilfe für ein begünstigtes Unternehmen in der Automobilbranche ist Ende 2008 einzustellen. Die Beihilfe wird auf einen Hoechstbetrag von 30 % der beihilfefähigen Investitionskosten beschränkt.

- Die Gewährung steuerlicher Vergünstigungen für ein Unternehmen in der Stahlbranche ist Ende 2009 bzw. bereits bei Erreichen einer bestimmten Höhe, sollte dieser Fall vor Ablauf der genannten Frist eintreten, einzustellen. Ziel dieser Beihilfemaßnahme ist die Förderung eines geregelten Personalabbaus, wobei die anfallenden Gesamtkosten der Beihilfehöhe entsprechen.

Tschechische Republik

- Abschluss der Umstrukturierung der Stahlbranche bis 31. Dezember 2006.

Ungarn

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Vergünstigungen für KMU bis Ende 2011;

- Umwandlung der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Beihilfen für Großunternehmen in regionale Investitionsbeihilfen. Die Beihilfe wird auf einen Hoechstbetrag von 75 % der beihilfefähigen Investitionskosten beschränkt, wenn das Unternehmen die unter diese Regelung fallende Investitionsmaßnahme vor dem 1. Januar 2000 begonnen hat, bzw. auf 50 %, wenn dies erst nach dem 1. Januar 2000 erfolgte. Im Kraftfahrzeugsektor sind die Beihilfen noch weiter beschränkt und liegen bei 40 % der Beihilfeobergrenze (beträgt z. B. die oben genannte Regionalbeihilfeobergrenze für andere Arten von Investitionen 75 %, so lautet die Rechnung: 40 % x 75 % = 30 %).

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren steuerlichen Beihilfen für Offshore-Unternehmen bis Ende 2005;

- Schrittweises Auslaufen der von den kommunalen Behörden gewährten steuerlichen Beihilfen, die nicht mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, bis Ende 2007.

Zypern

- Schrittweiser Abbau der mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbaren Steuerbeihilfen für Offshore-Unternehmen bis Ende 2005.

660. Für Estland, Lettland, Litauen und Slowenien gibt es keine Übergangsregelungen.

661. Um sicherzustellen, dass die staatlichen Beihilfemaßnahmen der Beitrittsländer rechtzeitig zum Beitritt den Anforderungen des gemeinschaftlichen Besitzstandes entsprechen, wurden die Beitrittsländer aufgefordert, der Kommission eine Aufstellung aller bestehenden Beihilfemaßnahmen (sowohl Beihilferegelungen als auch Ad-hoc-Beihilfen) zu übergeben, die von den für staatliche Beihilfen zuständigen Behörden der jeweiligen Länder geprüft wurden. Seit der Unterzeichnung des Beitrittsvertrages haben die Beitrittsländer entsprechend der Aufforderung der Kommission eine Vielzahl von Maßnahmen gemeldet. Erhebt die Kommission keine Einwände, gelten die aufgeführten Maßnahmen als bestehende Beihilfen. Alle Beihilfemaßnahmen, die entsprechend dem gemeinschaftlichen Besitzstand als staatliche Beihilfen gelten und in der Aufstellung nicht aufgeführt sind, werden nach dem erfolgten Beitritt als neue Beihilfen betrachtet.

662. Die Kommission verfolgte die Entwicklung in den Beitrittsländern aufmerksam, insbesondere hinsichtlich der Durchsetzung der Wettbewerbsregeln. Der umfassende Monitoringbericht der Kommission fasst die wichtigsten Ergebnisse dieses Beobachtungsprozesses zusammen. Dadurch wird den Beitrittsländern die Möglichkeit gegeben, eventuelle Probleme, auf die im Vorfeld des Beitritts hingewiesen wird, zu lösen und, somit bis Mai 2004 alle Voraussetzungen für die Vollmitgliedschaft zu erfuellen.

663. Ferner wurden in den Beitrittsländern Vorbereitungen auf die Anwendung der neuen EU-Verordnung über Verfahrensvorschriften für das Kartellrecht getroffen. Da das Inkrafttreten der neuen Verordnung zeitgleich mit dem Beitritt erfolgt, ist es um so wichtiger, die Verwaltungsstrukturen weiter auszubauen und die Durchsetzungsmaßnahmen der nationalen Wettbewerbsbehörden in den Beitrittsländern zu verstärken. Auch im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes wurden diesbezüglich Anstrengungen unternommen.

1.3. Bewerberländer

664. Was die Erfuellung der Beitrittskriterien betrifft, so haben die Beitrittsländer den Nachweis zu erbringen, dass sie über eine funktionsfähige Marktwirtschaft verfügen und in der Lage sind, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten. Für die Wettbewerbspolitik bedeutet dies, dass die Beitrittsländer schon ausreichend lange vor dem eigentlichen Beitritt unter Beweis stellen müssen, dass ihre Unternehmen und Behörden in einem Umfeld wie dem der EU agieren und somit dem Wettbewerbsdruck des Binnenmarktes widerstehen können. Aus diesem Grund hat die EU in den Verhandlungen drei Forderungen gestellt, welche die Beitrittsländer erfuellen müssen: (i) Vorhandensein des erforderlichen Rechtsrahmens (für Kartelle und staatliche Beihilfen), (ii) Bestehen der erforderlichen Verwaltungsstrukturen und (iii) Umsetzung des gemeinschaftlichen Besitzstandes im Bereich des Wettbewerbs.

665. Während die Beitrittsvorbereitungen mit den zehn Beitrittsländern im Jahre 2003 abgeschlossen werden konnten, dauerten die konstruktiven Verhandlungen mit Bulgarien und Rumänien an. Im Mai 2003 wurden die aktualisierten gemeinsamen Stellungnahmen der EU zum Wettbewerbskapitel mit Blick auf Bulgarien und Rumänien angenommen, die eine Fortsetzung der Verhandlungen über die Wettbewerbspolitik empfahlen. Was die Türkei betrifft, so wird die Erfuellung der politischen Kriterien für die Mitgliedschaft einer Bewertung unterzogen. Ausgehend davon wird dann 2004 eine Entscheidung über die Aufnahme von Verhandlungen getroffen.

666. Bulgarien und Rumänien haben im Allgemeinen auf dem Gebiet des Kartell- und Fusionsrechts deutlichere Fortschritte vorzuweisen als bei der Beihilfenkontrolle. Es bedarf jedoch weiterer Anstrengungen, um Strafmaßnahmen mit größerer Abschreckungswirkung festzulegen und der Verhinderung ernsthafter Wettbewerbsverzerrungen größere Priorität einzuräumen. Darüber hinaus sind ständige Anstrengungen zur Förderung des Wettbewerbs sowie zur Sensibilisierung und zur Ausbildung der Justizbehörden erforderlich.

667. Im Vergleich zum Kartellrecht verläuft die Einführung der Kontrolle staatlicher Beihilfen in den Bewerberländern im Allgemeinen langsamer, ist politisch heikler und wesentlich umstrittener. Bulgarien und Rumänien haben zwar eigene Behörden zur Überwachung staatlicher Beihilfen geschaffen, aber die Verwaltungskapazität dieser Behörden ist noch lange nicht ausreichend. So ist in Bulgarien und Rumänien durchaus eine Umsetzungsbilanz erkennbar, aber diese entspricht noch nicht dem Ziel einer wirksamen Kontrolle neuer und bestehender staatlicher Beihilfemaßnahmen aller Beihilfen gewährenden Stellen.

1.4. Technische Hilfe

668. Technische Hilfe im Bereich Wettbewerb stellte auch im abgelaufenen Jahr ein wesentliches Instrument für die Vorbereitung der Bewerberländer auf den Beitritt dar. Im Rahmen der PHARE-Programme werden konkrete Maßnahmen ergriffen. Im Zusammenhang mit dem Aufbau der erforderlichen Verwaltungsstrukturen (Partnerschaftsvereinbarung) beraten Experten aus den EU-Mitgliedstaaten die mit dem Wettbewerb und staatlichen Beihilfen befassten Behörden in den Beitritts- und Bewerberländern auf langfristiger Basis.

Workshops zu staatlichen Beihilfen

669. Von Juli bis Oktober 2003 führte die Kommission in allen Beitrittsländern ein- bis zweitägige Ausbildungsseminare zu den Vorschriften über staatliche Beihilfen und den entsprechenden Verfahren durch. Die zehn Seminare richteten sich an Mitarbeiter nationaler, regionaler und kommunaler Stellen in den Beitrittsländern, die direkt an der Verwaltung von Strukturfondsmaßnahmen beteiligt sein werden. Daher wurden die Veranstaltungen gemeinsam von den für die Verwaltung der Strukturfonds und den für staatliche Beihilfen zuständigen Stellen der jeweiligen Beitrittsländer sowie von der GD Regionalpolitik und der GD Wettbewerb der Kommission organisiert. Im Mittelpunkt der Seminare standen Themen, die für die Strukturfonds von besonderer Bedeutung sind (Regionalbeihilfen, Beschäftigungs- und Ausbildungsbeihilfen, Beihilfen für KMU, FuE- und Umweltschutzbeihilfen sowie Fragen im Zusammenhang mit Beihilfen für die Erbringung von Leistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse). Vorgesehen waren aber auch spezielle Workshops über Beihilfen im Agrar-, im Fischerei- und im Verkehrssektor.

Beratende Funktion

670. Auch im vergangenen Jahr veranstaltete die Kommission verschiedene bilaterale Treffen mit Vertretern der für Wettbewerbsfragen und staatliche Beihilfen zuständigen Stellen in den Beitrittsländern. Auf Expertenebene fanden technische Gespräche zur Angleichung des Kartellrechts, zum Aufbau der erforderlichen Verwaltungsstrukturen und zur Durchsetzung der Wettbewerbsregeln statt. Gegenstand ähnlicher Treffen waren die folgenden Fragen:

- Angleichung der Rechtsvorschriften bezüglich der staatlichen Beihilfen;

- Schaffung von Behörden zur Überwachung staatlicher Beihilfen;

- Spezielle Fragen wie die Erarbeitung der Jahresberichte über staatliche Beihilfen, Fördergebietskarten, staatliche Beihilfen als Investitionsanreize, Sonderwirtschaftszonen wie auch die Bewertung von Einzelfällen in sensiblen Sektoren.

Seminare über staatliche Beihilfen und Kartellrecht

671. Im Oktober 2003 führte die Kommission zwei viertägige Seminare zur Schulung von insgesamt 80 für wettbewerbsrechtliche Fragen zuständigen Vertretern der Beitritts- und Bewerberländer durch. Bei der ersten Veranstaltung ging es um staatliche Beihilfe, das zweite Seminar betraf kartellrechtliche Fragen. Beide Veranstaltungen standen unter der Leitung führender Experten der Europäischen Kommission auf dem jeweiligen Gebiet. Das Seminar über staatliche Beihilfen umfasste unter anderem einen Beitrag Dänemarks, in dem die Anwendung der Gruppenfreistellungsverordnungen für staatliche Beihilfen aus der Sicht eines Mitgliedstaats dargelegt wurde.

672. Die Seminare, die den Teilnehmern die Möglichkeit gaben, sich mit den jüngsten Entwicklungen der EU-Wettbewerbspolitik vertraut zu machen, wurden gemeinsam von der Generaldirektion Wettbewerb und dem Amt für den Informationsaustausch über technische Hilfe (TAIEX) der Generaldirektion Erweiterung veranstaltet. Sie boten den Teilnehmern aus den Beitrittsländern auch die Gelegenheit, mit den Vertretern der zuständigen Stellen anderer Länder zusammenzutreffen, mit denen sie künftig im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes enger zusammenarbeiten werden.

1.5. Westlicher Balkan

673. Was die westlichen Balkanstaaten betrifft, so konnte die Kommission die Zusammenarbeit und die Diskussion über Wettbewerbsfragen mit Kroatien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien, Serbien und Montenegro vertiefen.

674. Mit Kroatien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien fanden Beratungen in Unterausschüssen wie auch technische Konsultationen statt. In Kroatien, das die Mitgliedschaft in der EU beantragt hat, scheint der Prozess der Angleichung an das europäische Wettbewerbsrecht derzeit weiter fortgeschritten zu sein.

2. Bilaterale zusammenarbeit

2.1. Einleitung

675. Die wachsende Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit zwischen den für die Umsetzung des Wettbewerbsrechts zuständigen Behörden ist weithin anerkannt. Aus diesem Grund zielt die Politik der Kommission darauf ab, die bilaterale Zusammenarbeit mit den wichtigsten Handelspartnern der Europäischen Gemeinschaft zu intensivieren und zugleich die Möglichkeiten zur Erweiterung der multilateralen Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Wettbewerbs zu prüfen.

676. Was die bilaterale Zusammenarbeit betrifft, so hat die Europäische Union spezielle Kooperationsabkommen im Bereich des Wettbewerbs mit den Vereinigten Staaten, Kanada und Japan abgeschlossen, deren wichtigste Elemente die gegenseitige Unterrichtung über die Umsetzungstätigkeit sowie ihre Koordinierung und der Austausch von nichtvertraulichen Informationen sind. Ferner enthalten die Vereinbarungen Bestimmungen, wonach eine Partei die andere ersuchen kann, Anwendungsmaßnahmen zu ergreifen (,Positive-Comity"-Verfahren), und wonach eine Partei im Rahmen der Durchsetzungsmaßnahmen Rücksicht auf wichtige Belange der anderen Partei nimmt (,Comity"-Verfahren). Die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Wettbewerbsbehörden der anderen OECD-Mitgliedstaaten beruht auf einer von der OECD im Jahre 1995 angenommenen Empfehlung. Auch hat die Europäische Union zahlreiche Freihandelsabkommen (insbesondere die EuroMed-Abkommen und Abkommen mit lateinamerikanischen Ländern) abgeschlossen. In diesen Abkommen sind im Allgemeinen grundlegende Bestimmungen über die Zusammenarbeit in Wettbewerbsfragen enthalten.

2.2. Abkommen mit den USA, Kanada und Japan

2.2.1. Vereinigte Staaten von Amerika

Einleitung

677. Das Abkommen über die Zusammenarbeit im Bereich des Wettbewerbs mit den Vereinigten Staaten wurde von der Kommission am 23. September 1991 [358] abgeschlossen (das ,Abkommen von 1991"). Durch gemeinsamen Beschluss des Rates und der Kommission vom 10. April 1995 [359] wurde das Abkommen genehmigt und vom Tag der Unterzeichnung für anwendbar erklärt. Am 4. Juni 1998 trat das Abkommen über entgegenkommendes Verhalten (,Positive Comity"), das die Positive-Comity-Grundsätze des Abkommens von 1991 stärkt, in Kraft [360] (das ,Abkommen von 1998"), nachdem es durch gemeinsamen Beschluss des Rates und der Kommission vom 29. Mai 1998 genehmigt wurde.

[358] Abkommen zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln (ABl. L 95 vom 27.4.1995, S. 47 und 50).

[359] ABl. L 95 vom 27.4.1995, S. 45 und 46.

[360] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika über die Anwendung der ,Positive-Comity"-Grundsätze bei der Durchführung ihrer Wettbewerbsregeln, ABl. L 173 vom 18.6.1998, S. 26-31.

678. Das Abkommen von 1991 sieht insgesamt Folgendes vor: (i) Mitteilung der Fälle, die von den Wettbewerbsbehörden einer Partei bearbeitet werden und wichtige Belange der anderen Partei berühren (Artikel II), und Informationsaustausch über allgemeine Angelegenheiten, die die Anwendung der Wettbewerbsregeln betreffen (Artikel III); (ii) Zusammenarbeit und Abstimmung des Vorgehens der Wettbewerbsbehörden beider Parteien (Artikel IV); (iii) Rücksichtnahme (,Traditional Comity"), wonach sich jede Partei verpflichtet, bei der Durchsetzung ihrer Wettbewerbsregeln die wichtigen Belange der anderen Partei zu berücksichtigen (Artikel VI); (iv) entgegenkommendes Verhalten (,Positive Comity"), wonach jede Partei die andere Partei auffordern kann, geeignete Maßnahmen auf der Grundlage ihres Wettbewerbsrechts zu ergreifen, um gegen wettbewerbswidriges Verhalten auf ihrem Gebiet vorzugehen, das wichtige Belange der ersuchenden Partei beeinträchtigt (Artikel V).

679. Im Abkommen von 1991 heißt es überdies unmissverständlich, dass das Abkommen nicht auf eine Weise ausgelegt werden darf, die mit dem in der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika geltenden Recht unvereinbar ist (Artikel IX). Die Wettbewerbsbehörden bleiben zudem, was die Vertraulichkeit der im Rahmen ihrer jeweiligen Untersuchungen ermittelten Angaben betrifft, an ihr innerstaatliches Recht gebunden (Artikel VIII).

680. Das Abkommen von 1998 präzisiert das Verfahren der ,Positive Comity" und die Voraussetzungen für dessen Inanspruchnahme. Insbesondere werden die Bedingungen aufgeführt, unter denen die ersuchende Partei normalerweise die eigenen Durchsetzungsmaßnahmen aussetzt, wenn die ersuchte Partei sich des Falles angenommen hat.

Fallbezogene Zusammenarbeit zwischen der EU und den USA 2003

681. Auch 2003 setzte die Kommission ihre enge Zusammenarbeit mit der Kartellabteilung des Justizministeriums der USA (DoJ) und der Bundesbehörde zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und zur Durchführung der Kartellgesetze (FTC) fort. Zwischen Bediensteten der Kommission und deren Partnern in den beiden zuständigen Behörden der USA gab es zahlreiche und intensive Kontakte. Diese Kontakte betrafen sowohl konkrete Fälle als auch eher allgemeine Fragen der Wettbewerbspolitik. Bei der fallspezifischen Zusammenarbeit stehen die Sachbearbeiterstäbe meist regelmäßig in telefonischem Kontakt, tauschen E-Mails und Dokumente aus und pflegen den Kontakt auf sonstige erforderliche Weise. Die Zusammenarbeit erweist sich für beide Seiten weiterhin als vorteilhaft. Das betrifft sowohl den Bereich der Durchsetzung, wo auf diese Weise unnötige Konflikte oder Widersprüche vermieden werden, als auch das gegenseitige Verständnis des jeweiligen Wettbewerbssystems.

682. Wenn auch die Gesamtzahl der transnationalen Fusionen 2003 im Vergleich zum Vorjahr rückläufig war, so ist auf diesem Gebiet eine gute und fruchtbare Zusammenarbeit zu verzeichnen. Besonders effizient ist die Zusammenarbeit, wenn durch Verzicht auf Geheimhaltung die beteiligten Unternehmen den Behörden der EU und der USA erlauben, die mit der Anmeldung übermittelten Informationen miteinander auszutauschen, was häufig der Fall ist. Zu den Fusionsfällen gehören der Fall Pfizer/Pharmacia, ein Zusammenschluss, der zum Entstehen des weltweit größten pharmazeutischen Unternehmens geführt hat. Hier arbeitete die Kommission bei der Analyse mehrerer Themenbereiche, insbesondere den Abhilfemaßnahmen, bei denen sich die beteiligten Unternehmen zu weltweiten Veräußerungen verpflichten, eng mit der FTC zusammen. Eine enge Zusammenarbeit mit der FTC war auch im Fall DSM/Roche, einer Fusion in der chemischen Industrie, und bei Siemens/Drägerwerke, einem Gemeinschaftsunternehmen im Sektor Medizintechnik, zu beobachten. Ferner unterhielt die Kommission enge und regelmäßige Kontakte mit dem Justizministerium der USA in den Fällen Konica/Minolta und GE/Instrumentarium, einem Firmenzusammenschluss im Bereich medizintechnischer Geräte.

683. Zu regelmäßigen Kontakten kam es im Laufe des Jahres jedoch auch bei mehreren fusionsunabhängigen Fällen. So war die bilaterale Zusammenarbeit zwischen der Kommission und dem Justizministerium der USA bei den Kartellfällen besonders intensiv: es gab zahlreiche Kontakte zwischen den Mitarbeitern der Kartellbehörden der Kommission und ihren Partnern im amerikanischen Justizministerium. Häufig wurden im Rahmen der geltenden Vertraulichkeitsbestimmungen Informationen zu bestimmten Fällen ausgetauscht, die geführten Gespräche betrafen jedoch auch Grundsatzfragen. Eine Vielzahl der fallbezogenen Kontakte beruhte auf in den USA und der EU gleichzeitig gestellten Anträgen auf kartellrechtliche Freistellung. Ferner führten die USA und die Europäische Union in mehreren Fällen abgestimmte Aktivitäten zur Umsetzung des Kartellrechts durch, wobei die Behörden sich darum bemühten, die Maßnahmen möglichst zeitnah zu beginnen.

684. Ein gutes Beispiel für abgestimmte Maßnahmen ist der Fall Wärmestabilisatoren und Schlagzähmodifikatoren. Hier stimmten die Kommission und die Kartellrechtsbehörden der USA, aber auch Kanadas und Japans ihre Untersuchungen ab und nahmen im Februar 2003 nahezu zeitgleich Inspektionen vor oder führten andere Untersuchungen durch. Ein weiteres Beispiel der Fall die Beförderung von Flüssigmassegütern mit Tankschiffen. In diesem Fall führte die Kommission in einer gemeinsamen Aktion mit der EFTA-Überwachungsbehörde und den norwegischen Behörden zeitgleich mit dem Justizministerium der USA Untersuchungen durch.

Kontakte auf hoher Ebene und Zusammenarbeit in Grundsatzfragen

685. Zwischen der Kommission und den zuständigen Behörden der USA fanden 2003 zahlreiche bilaterale Kontakte und Besuche von Vertretern beider Seiten statt. Anlässlich des Jahrestreffens EU/US am 27. Oktober in Washington traf Kommissionsmitglied Mario Monti mit den Leitern der Kartellbehörden der USA, dem stellvertretenden Justizminister Hew Pate, und dem Vorsitzenden der FTC, Timothy Muris, zusammen.

686. Neben der fallspezifischen Zusammenarbeit gab es enge Kontakte im Rahmen der Erarbeitung der Leitlinien der Kommission zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse. Dazu gehörte ein fruchtbarer Meinungsaustausch zu einer Vielzahl von in den Leitlinien behandelten Fragen, wie Effizienzerwägungen und Marktkonzentration. Im Mittelpunkt der Zusammenarbeit mit US-Behörden werden weiterhin spezielle grundsätzliche Aufgabenstellungen der beiden Behörden stehen.

687. Die Arbeitsgruppe ,Geistige Eigentumsrechte" nahm ihre Tätigkeit im November 2002 auf und setzte diese 2003 fort. Zu den erörterten Themen gehören die Mehrparteienlizenzierung sowie die Standards, die von den für deren Festlegung zuständigen Organisationen erarbeitet wurden.

688. Insgesamt nahm die Kommission im Laufe des Jahres 56 förmliche Notifizierungen vor. Im gleichen Zeitraum erhielt die Kommission von den US-Behörden insgesamt 46 förmliche Notifizierungen.

2.2.2. Kanada

689. Das Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung Kanadas über Zusammenarbeit [361] wurde anlässlich des Gipfels EU/Kanada am 17. Juni 1999 in Bonn unterzeichnet und trat mit der Unterzeichnung in Kraft.

[361] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung Kanadas über die Anwendung ihrer Wettbewerbsregeln, ABl. L 175 vom 10.7.1999, S. 50.

690. Das Abkommen sieht unter anderem Folgendes vor: (i) gegenseitige Mitteilung über Anwendungsmaßnahmen, wenn diese wichtige Interessen der anderen Partei betreffen; (ii) gegenseitige Amtshilfe der Wettbewerbsbehörden bei ihren Anwendungsmaßnahmen; (iii) Abstimmung der Anwendungsmaßnahmen zwischen den beiden Behörden; (iv) Anwendung des ,Positive-Comity-Verfahrens", wonach eine Partei die andere ersuchen kann, Anwendungsmaßnahmen zu ergreifen; (v) Anwendung des herkömmlichen ,Comity-Verfahrens", wonach eine Partei im Rahmen ihrer Durchsetzungsmaßnahmen Rücksicht auf wichtige Belange der anderen Partei nimmt; (vi) Informationsaustausch zwischen den Parteien unter Beachtung der jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Geheimhaltungsschutz.

691. Es finden regelmäßig fruchtbare Kontakte zwischen der Europäischen Kommission und ihrem Partner in Kanada, dem Canadian Competition Bureau, statt. Erörtert werden sowohl fallbezogene Themen als auch eher allgemeine Fragen. Die fallbezogenen Kontakte erstreckten sich auf alle Bereiche der Umsetzung des Wettbewerbsrechts. Bei den kartellrechtlichen Fällen erfolgte auch eine Abstimmung der Untersuchungsmaßnahmen. Ferner setzten die Kommission und das Canadian Competition Bureau ihren Dialog zu generellen wettbewerbspolitischen Themen von gemeinsamem Interesse fort.

692. Am 12. Mai fand ein bilaterales Treffen auf hoher Ebene zwischen dem Generaldirektor Philip Lowe und dem kanadischen Wettbewerbsbeauftragten Konrad von Finckenstein statt. Dabei erörterten die beiden Seiten die jüngsten Entwicklungen wie auch sonstige Fragen von beiderseitigem Interesse.

693. Insgesamt nahm die Kommission im betrachteten Zeitraum sieben förmliche Notifizierungen vor. Die Zahl der von den kanadischen Behörden im gleichen Zeitraum notifizierten Fälle belief sich auf sechs.

2.2.3. Japan

694. Das Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und Japan über Zusammenarbeit wurde am 10. Juli 2003 in Brüssel abgeschlossen. Es trat am 9. August 2003 in Kraft [362].

[362] Abkommen zwischen den Europäischen Gemeinschaften und der Regierung von Japan über Zusammenarbeit bei wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen, ABl. L 183 vom 22.7.2003, S. 12.

695. Das Abkommen sieht im Wesentlichen Folgendes vor: (i) gegenseitige Unterrichtung über laufende Untersuchungen, wenn diese wichtige Belange der anderen Partei berühren; (ii) Möglichkeit der Abstimmung von Durchsetzungsmaßnahmen zwischen den beiden Behörden und der gegenseitigen Amtshilfe; (iii) Möglichkeit der Anwendung des ,Positive-Comity-Verfahrens", wonach eine Partei die andere ersuchen kann, Anwendungsmaßnahmen zu ergreifen, sowie der Anwendung des herkömmlichen ,Comity-Verfahrens", wonach eine Partei im Rahmen ihrer Durchsetzungsmaßnahmen Rücksicht auf wichtige Belange der anderen Partei nimmt; (iv) Informationsaustausch zwischen den Parteien unter Beachtung der jeweiligen Geheimhaltungsverpflichtungen der Parteien hinsichtlich solcher Informationen. Das Abkommen über Zusammenarbeit sieht regelmäßige Treffen vor, auf denen Informationen über die jeweils aktuellen Durchsetzungsmaßnahmen und -prioritäten und über Wirtschaftszweige von gemeinsamem Interesse ausgetauscht sowie von ihnen erwogene Veränderungen an der Vorgehensweise und sonstige Fragen der Anwendung des Wettbewerbsrechts, die von beiderseitigem Interesse sind, erörtert werden können.

696. Das Abkommen wird zu deutlich engeren Beziehungen zwischen den beiden Wettbewerbsbehörden und einem besseren Verständnis ihrer jeweiligen Wettbewerbspolitik beitragen.

697. Zwischen der Kommission und den Behörden Japans fanden zahlreiche Treffen und offizielle Kontakte zu wettbewerbspolitischen Fragen und einzelnen Fällen statt. Dabei umfasste die fallbezogene Zusammenarbeit erstmalig auch die Organisation einer Untersuchung in einem kartellrechtlichen Fall, bei dem es sich um ein mutmaßliches Kartell auf dem Markt der Schlagzähmodifikatoren und Wärmestabilisatoren handelt. Ferner ist zu betonen, dass bei diesem Fall eine Koordination zeitgleicher Inspektionen nicht nur zwischen der japanischen Fair Trade Commission und der Europäischen Kommission, sondern auch erstmalig eine Abstimmung mit dem Justizministerium und dem kanadischen Competition Bureau erfolgte. Anlässlich des bilateralen Jahrestreffens der Kommission und der japanischen Fair Trade Commission traf Kommissionsmitglied Monti am 21. November in Tokio mit dem Vorsitzenden der japanischen Wettbewerbsbehörde, Kazuhiko Takeshima, zusammen. Erörtert wurden von den beiden Seiten jüngste Entwicklungen und die Aussichten auf künftige bilaterale Zusammenarbeit.

3. Zusammenarbeit mit sonstigen Ländern und Regionen

Australien und Neuseeland

698. Im Jahre 2003 arbeitete die Kommission mit den Wettbewerbsbehörden weiterer OECD-Länder zusammen, darunter vor allem mit Australien und Neuseeland. Diese Kontakte betrafen sowohl konkrete Fälle als auch eher wettbewerbspolitische Fragen.

China

699. Das Grundsatzdokument der Kommission zu China aus dem Jahr 2003 beinhaltet eine Initiative zur Aufnahme des Dialogs mit China auf dem Gebiet der Wettbewerbspolitik.

700. Diese neue Initiative erfolgte zum richtigen Zeitpunkt, da nach der Annahme der Leitlinien für Fusionen unter Beteiligung ausländischer Unternehmen und die Verhinderung monopolistischer Preispraktiken in China in der ersten Jahreshälfte 2003 die Aufnahme eines Dialogs zwischen der Europäischen Kommission und China zu Wettbewerbsfragen geboten schien. Die Tatsache, dass China nunmehr über ein eigenes Wettbewerbsrecht verfügt, schafft einen neuen Rahmen für Gespräche zwischen den Wettbewerbsbehörden über die Durchsetzung der Wettbewerbsregeln.

701. Sondierungsgespräche mit den zuständigen chinesischen Behörden über Modalitäten für einen Dialog auf dem Gebiet des Wettbewerbs fanden im Rahmen des Besuchs von Kommissionsmitglied Monti am 24. November 2003 in Beijing statt.

Europäischer Wirtschaftsraum

702. Im vergangenen Jahr 2003 setzte die Kommission ihre enge Zusammenarbeit mit der EFTA-Überwachungsbehörde fort, in deren Zuständigkeit die Umsetzung des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum fällt.

Korea

703. Am 21. Mai fand ein Treffen zwischen Kommissionsmitglied Monti und dem Leiter der koreanischen Wettbewerbsbehörde, Dr. Kang, statt. Die Zusammenarbeit zwischen den Wettbewerbsbehörden der Republik Korea und der Europäischen Kommission ist ausgezeichnet, und in vielen Fällen vertreten sie auf multilateralen Wettbewerbsforen gemeinsame Ansichten. Besonders zu würdigen ist der Beitrag der koreanischen Behörde zum Internationalen Wettbewerbsnetz. So übernimmt sie auch die Organisation der Jahreskonferenz des ICN 2004 in Seoul. Im Rahmen des Internationalen Wettbewerbsnetzes finden regelmäßig Kontakte zwischen den beiden Behörden statt, in deren Mittelpunkt der Meinungsaustausch zu beiderseits interessierenden wettbewerbspolitischen Themen steht.

Lateinamerika

704. In der Andenregion stellte die Kommission für ein im März 2003 begonnenes und auf drei Jahre angelegtes Projekt mehr als 2 Mio. EUR für die Überarbeitung und Harmonisierung des Wettbewerbsrechts in Bolivien, Ekuador, Kolumbien, Peru und Venezuela sowie die Unterstützung der für die Kontrolle und Umsetzung dieser Bestimmungen zuständigen Behörden zur Verfügung. Ziel dieses Projekts ist die Verbesserung des legislativen, administrativen und juristischen Rahmens für das Wettbewerbsrecht, die Unterstützung der in den Andenländern für die Anwendung und Kontrolle der Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen zuständigen Behörden sowie die Förderung der Wettbewerbskultur. Dieser Zielsetzung dient eine Vielzahl von Maßnahmen unter Beteiligung von Experten aus Europa und den Andenländern einschließlich subregionaler und nationaler Seminare, juristischer Beratungsleistungen und sektorbezogener Untersuchungen sowie der Schulung der für die Anwendung und Kontrolle der Umsetzung der Wettbewerbsregeln zuständigen Personen und Richter.

4. Multilaterale Zusammenarbeit

4.1. Internationales Wettbewerbsnetz

705. Das Internationale Wettbewerbsnetz (ICN), zu dessen Gründungsmitgliedern die Kommission gehört, entwickelt sich zu einem führenden Forum für die Erörterung der internationalen Wettbewerbspolitik auf multilateraler Ebene [363]. Eingerichtet wurde das ICN im Oktober 2001 als virtuelles Netz von 14 Wettbewerbsbehörden. Im Zuge des weltweiten Entstehens von Wettbewerbsstrukturen hat sich das ICN die Förderung der internationalen Zusammenarbeit und die Unterbreitung von Vorschlägen für die verfahrens- und materiellrechtliche Konvergenz zur Aufgabe gestellt. Mit seinen mehr als 80 Mitgliedern ist heute die deutliche Mehrheit aller weltweit existierenden Wettbewerbsbehörden im ICN vertreten. Auch hat das ICN Vertreter der Wissenschaft, der Wirtschaft, von Verbrauchergruppen und der Justiz zur Mitarbeit an seinen Arbeitsprojekten aufgefordert.

[363] Weitere Informationen über das ICN sind im Internet abrufbar unter: www.internationalcompetitionnetwork.org.

706. Seit der ersten Konferenz des ICN in Neapel hat die Kommission bei einem der drei großen Projekte des Netzes den Ko-Vorsitz inne. Aufgabe dieses Projekts ist es, Wege zu finden, die den Aufbau glaubwürdiger Wettbewerbsbehörden in den Entwicklungs- und Reformländern unterstützen. Erste Ergebnisse dieser Bemühungen wurden von der Kommission gemeinsam mit der südafrikanischen Wettbewerbsbehörde (South African Competition Tribunal) in einem umfassenden Bericht [364] auf der zweiten Jahreskonferenz des ICN, die vom 23.-25. Juni 2003 im mexikanischen Merida stattfand, vorgestellt. Der Bericht beruht auf den Erfahrungen der Wettbewerbsbehörden in Entwicklungs- wie in entwickelten Ländern und rückt die Aufgaben in den Mittelpunkt, die bei der Schaffung von Wettbewerbsstrukturen in den Entwicklungs- und Reformländern zu lösen sind. Ferner wird beschrieben, wie der Ruf der Behörde bei wichtigen Akteuren - Regierung, Justiz, Zivilgesellschaft, Fachleute für Wettbewerbsfragen, Wirtschaft - verbessert werden kann. Ein weiterer Punkt ist die Steigerung der Effizienz externer Unterstützung. Abschließend werden Aspekte aufgeführt, die bei der Erarbeitung technischer Hilfsprogramme Berücksichtigung finden sollten.

[364] Abrufbar im Internet unter: www.internationalcompetitionnetwork.org/Final%20Report_16.6.2003.pdf.

707. Aktiv beteiligte sich die Kommission auch an der laufenden Tätigkeit des ICN auf dem Gebiet der Fusionen. Zu den Einzelheiten sei auf das Kapitel II.5.1 verwiesen.

708. In Merida schloss das ICN seine Arbeit auf dem Gebiet der wettbewerbsfördernden Tätigkeit ab. So debattierten die Delegierten unter anderem den Einsatz der den Wettbewerb befördernden Befugnisse durch bestimmte Wettbewerbsbehörden als Instrumentarium zur Verbesserung des rechtlichen Umfelds in mehreren regulierten Sektoren. Ferner hat die Kommission eine CD-ROM mit ihren Initiativen zur Wettbewerbsförderung vorgelegt, die Bestandteil eines neuen Toolkits zur Unterstützung der Tätigkeit der Behörden ist. Der Zugriff auf diese und weitere Hilfsmittel ist nunmehr über die Website des ICN gegeben, die den Zugang zu einer Online-Datenbank oder einem ,Informationszentrum" ermöglicht [365].

[365] Siehe unter: www.internationalcompetitionnetwork.org/notification.html.

709. Schließlich beschlossen die ICN-Mitglieder in Merida ein neues Projekt, das sich mit der Durchsetzung des Kartellrechts in den regulierten Sektoren befasst. Dieses Projekt, mit dem das ICN seinen Tätigkeitsbereich auch auf das traditionelle Kartellrecht ausdehnt, steht unter der gemeinsamen Leitung der französischen und italienischen Wettbewerbsbehörden.

4.2. Welthandelsorganisation

710. Was die Wettbewerbsproblematik in der WTO betrifft, so ging die Ministerkonferenz von Cancún im September 2003 zu Ende, ohne dass Beschlüsse gefasst wurden. Folglich kam es auch nicht zur Aufnahme formeller Verhandlungen über ein WTO-Abkommen zum Wettbewerb, obgleich es in der Erklärung von Doha vom November 2001 hieß, dass solche Verhandlungen nach der nächsten WTO-Ministerkonferenz geführt würden, und die in Genf ansässige und sich mit der Interaktion zwischen Handel und Wettbewerbspolitik befassende WTO-Arbeitsgruppe signifikante Fortschritte bei der Klärung einer Vielzahl damit verbundener Fragen erzielt hatte (u. a. bei zwei Zusammenkünften der Arbeitsgruppe vor der Ministerkonferenz in Cancún).

4.3. Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

711. Die Kommission beteiligte sich aktiv an der Arbeit des Wettbewerbsausschusses der OECD, dem ein Präsidium vorsteht (der Generaldirektor der GD Wettbewerb der Europäischen Kommission ist Mitglied dieses Gremiums). Ferner sind mehrere Arbeitsgruppen tätig, die sich mit Fragen des Wettbewerbs und der regulierten Sektoren sowie internationalen Aspekten des Wettbewerbs, Fusionen und dem Kartellrecht befassen.

712. Teilgenommen hat die Kommission ferner an den Wettbewerbsfragen gewidmeten OECD-Tagungen wie dem Globalen Wettbewerbsforum, das einmal im Jahr gemeinsam mit Nicht-OECD-Mitgliedern veranstaltet wird, den gemeinsamen Sitzungen des Wettbewerbsausschusses mit den Ausschüssen für Verbraucherpolitik und Handel, der Sondergruppe Regulierungspolitik und der Amsterdamer Konferenz über Zugangspreise im Infrastrukturbereich, bei der das neu gegründete Kompetenzzentrum für Wirtschaftsregulierung der Niederlande als Ko-Sponsor auftrat.

713. Die Kommission beteiligte sich aktiv an allen Round-Table-Konferenzen zu Fragen des Wettbewerbs sowie an den Peer Reviews, denen Norwegen, Deutschland und Frankreich unterzogen wurden. 2003 reichte die Kommission beim Wettbewerbsausschuss sieben schriftliche Stellungnahmen zu den folgenden Themen ein:

(i) Internationaler Informationsaustausch auf dem Gebiet der Fusionskontrollverfahren

(ii) Regulierung von Zugangsdienstleistungen

(iii) Unternehmenszusammenschlüsse im Medienbereich

(iv) Prozedurale Fairness gegenüber den am Zusammenschluss beteiligten Unternehmen bei der Untersuchung von Zusammenschlüssen

(v) Wettbewerb und Verbraucherpolitik [366]: Komplementarität, Widersprüche und Lücken

[366] In diesem Papier bezieht sich der Verbraucherschutz hauptsächlich auf den Schutz der wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen der Verbraucher, obgleich er ansonsten auch Gesundheitsschutz und Sicherheit umfasst.

(vi) Verpflichtungen zur Erbringung von nicht gewerblichen Dienstleistungen für die Allgemeinheit und Liberalisierung

(vii) Abhilfemaßnahmen bei Fusionen

714. Auch leistete die Kommission einen Beitrag zur Tätigkeit des Economic and Development Review Committee (EDRC) der OECD, das den Bericht über das Eurogebiet für 2003 herausgab.

4.4. UNCTAD

715. Die Kommission war auf der fünften Tagung der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe der UNCTAD vom 2.-4. Juli 2003 vertreten und legte auf dieser Veranstaltung zwei Beiträge vor, von denen sich einer mit dem Wechselspiel zwischen Wettbewerbs- und Industriepolitik befasste und der andere mit der technischen Hilfe beim Aufbau von Verwaltungsstrukturen im Bereich des Wettbewerbsrechts. Während der erste Beitrag unterstrich, dass Widersprüche zwischen der Wettbewerbs- und Industriepolitik in den Entwicklungs- (und entwickelten) Ländern auf vielfältige Weise vermieden werden können, wurde im zweiten Beitrag auf die Bereitschaft der Europäischen Kommission zur technischen Unterstützung der Wettbewerbsbehörden in den Entwicklungsländern im Rahmen der Möglichkeiten und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese technische Hilfe aus dem Entwicklungshaushalt der Europäischen Union und nicht direkt von der GD Wettbewerb der Europäischen Kommission finanziert wird, verwiesen. Neben den offiziellen Veranstaltungen bot die Tagung Gelegenheit, mit Vertretern von Wettbewerbsbehörden der Entwicklungsländer zusammenzutreffen und ihre Erfahrungen und Probleme kennen zu lernen.

4.5. Internationaler Workshop über Kartellrecht

716. Im Oktober 2003 veranstaltete die Kommission einen Workshop über Kartellrecht, an dem etwa 160 für den Wettbewerb verantwortliche Vertreter aus über 35 Ländern, darunter Australien, Brasilien, Indonesien, Israel, Japan, Kanada, Norwegen, Schweiz, Südafrika, Türkei und USA sowie die EU-Mitgliedstaaten und die Beitrittsländer teilnahmen. Vertreten waren zudem internationale Organisationen wie die OECD, die sich mit Fragen des Wettbewerbs befassen.

717. Der Workshop, nunmehr bereits der fünfte auf diesem Gebiet, bot den Teilnehmern Gelegenheit, Erfahrungen auszutauschen und ihre Zusammenarbeit bei der Bekämpfung internationaler Kartelle zu vertiefen. So stellte Kommissionsmitglied Monti fest: ,Kartelle nehmen immer stärker internationalen Charakter an. Um die Herausforderungen durch diese ,Internationalisierung' der Kartelle zu bewältigen, müssen sich die Wettbewerbsbehörden stärker zusammenschließen, indem sie zum Beispiel zeitgleich unangekündigte Inspektionen durchführen und Erfahrungen darüber austauschen, wie dieser Geißel der Wirtschaft am besten beizukommen ist."

718. Kartelle zählen weltweit zu den schwerwiegendsten Verstößen gegen das Wettbewerbsrecht, da sie im Allgemeinen mit höheren Preisen sowohl für die Wirtschaft als auch die Verbraucher verbunden sind. Langfristig fördern sie überdies den Verlust an Wettbewerbsfähigkeit und gefährden Arbeitsplätze, da die am Kartell beteiligten Unternehmen oftmals weniger innovativ sind als Unternehmen in einem Umfeld, in dem sich das Wettbewerbspotenzial voll entfalten kann.

719. Artikel 81 des EG-Vertrages verbietet Absprachen, die unmittelbare oder mittelbare Preisfestsetzungen, eine Einschränkung oder Kontrolle der Produktion und die Aufteilung der Märkte oder Versorgungsquellen umfassen. Aufgabe der Kommission ist es, diese Bestimmungen gemäß Artikel 53 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in den 15 EU-Staaten, die demnächst 25 zählen werden, jedoch auch in Norwegen, Island und Liechtenstein, durchzusetzen.

720. Das generelle Anliegen der Workshops besteht darin, die bei der Untersuchung, Verfolgung und Unterbindung solcher geheimen Absprachen gesammelten Erfahrungen auszutauschen. Auf dem Workshop 2003 wurden insbesondere die von einer zunehmenden Länderzahl verabschiedeten Programme zum Erlass von Geldbußen erörtert, die die Unternehmen ermutigen sollen, als Gegenleistung für den Erlass oder Teilerlass einer Geldbusse Kartelle aufzudecken.

721. Zu den erörterten Fragen gehörten ferner die Mechanismen für einen intensiveren Informationsaustausch zwischen den Behörden unterschiedlicher Länder sowie die Effizienz spezieller rechtlicher und der Untersuchung dienender Mittel bei der Behandlung kartellrechtlicher Fälle.

1.

VI - Vorausschau 2004

Kartellrecht

722. Bei der Tätigkeit der Kommission auf dem Gebiet des Kartellrechts wird die Umsetzung der Kartellvorschriften auch weiterhin oberste Priorität genießen. Ausgehend von den derzeit laufenden Untersuchungen rechnet die Kommission damit, im Jahre 2004 entsprechend der Tendenz in den vergangenen drei Jahren eine nicht unerhebliche Zahl von Entscheidungen zu treffen und Mitteilungen von Beschwerdepunkten herauszugeben.

723. Der Kampf gegen Kernkartelle kann nur gewonnen werden, wenn wirksame Abschreckungsmaßnahmen gegen Unternehmen bestehen, die (potenziell) gegen die Vorschriften verstoßen, was auch eine hohe Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung solcher ,geheimer Absprachen zum Nachteil des Kunden' und das Verhängen ausreichend harter Sanktionen verlangt.

724. Die Wahrscheinlichkeit der Aufdeckung gesetzeswidrigen Verhaltens dürfte 2004 als Folge einer Reihe von Entwicklungen weiter zunehmen. Erstens werden der GD Wettbewerb nach dem Inkrafttreten der Modernisierungsverordnung 1/2003 und dem Abschluss ihrer Umstrukturierungsmaßnahmen umfangreichere Ressourcen für die aktive Verfolgung von Kernkartellen zur Verfügung stehen. Zweitens ist zu erwarten, dass die Wettbewerber unter Anwendung der Kronzeugenregelung weiterhin bestehende Kartelle melden. Drittens sieht die Verordnung 1/2003 eine Stärkung der der Kommission zur Verfügung stehenden Untersuchungsmittel vor. Damit einher geht eine Vertiefung der Zusammenarbeit und Kontakte zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, insbesondere durch den Austausch vertraulicher Informationen im Rahmen des Europäischen Wettbewerbsnetzes. Schließlich wird unabhängig von ihrer Intensität auf den verschiedenen Stufen (fallbezogene Zusammenarbeit oder eher allgemein ausgerichtete Zusammenarbeit bei der Bestimmung bewährter Verfahrensweisen) die internationale Kooperation zwischen den Kartellbehörden auch künftig zunehmen.

725. Was die Höhe der Sanktionen anbetrifft, so wird die Kommission weiterhin Geldbußen in einer Größenordnung verhängen, die garantiert, dass die Unternehmen für gesetzeswidriges Verhalten bestraft werden, und die abschreckend genug ist, um solches Verhalten in Zukunft zu verhindern.

Fusionskontrolle

726. Zu Jahresbeginn steht die Reform des Sekundärrechts an, d.h. Durchführungsverordnung, Formblatt CO und weitere Dokumente, damit die Modernisierung der Fusionskontrolle für Zusammenschlüsse von gemeinschaftsweiter Bedeutung bis 1. Mai 2004 abgeschlossen ist. In der zweiten Jahreshälfte werden dann die ersten Erfahrungen mit der Anwendung der neuen Instrumente einschließlich der Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse und bewährte Praktiken gesammelt werden können. Die Arbeiten an den Leitlinien für nicht horizontale Zusammenschlüsse werden weitergehen.

Staatliche Beihilfen

727. Der Reformprozess wird auch 2004 auf drei Säulen gestützt sein: Verfahrensreform, Verbesserung der Würdigung des wirtschaftlichen Kontexts und Reform der Beihilfenkontrollinstrumente.

728. Am weitesten fortgeschritten sind die Arbeiten bei den Verfahrensreformen. Der mit den Mitgliedstaaten im Beratenden Ausschuss erörterte Entwurf einer Durchführungsverordnung zu den Beihilfeverfahren enthält eine Reihe von Vereinfachungs- und Modernisierungsbestimmungen. Mit der Annahme ist vor Mai 2004 zu rechnen.

729. Bei der Verbesserung der wirtschaftlichen Würdigung liegt der Schwerpunkt auf neuen Instrumenten, die auf einem Erheblichkeitstest beruhen. Mit diesem Test dürfte die Behandlung von Fällen erheblich vereinfacht werden, die zwar den Beihilfentatbestand von Artikel 87 Absatz 1 EGV erfuellen, aber keine nennenswerten Störungen des Wettbewerbs oder des zwischenstaatlichen Handels erwarten lassen.

730. Bei den vorhandenen Instrumenten wird der Schwerpunkt nach erfolgter Änderung der Gruppenfreistellungsverordnungen für KMU- und Ausbildungsbeihilfen auf der Aktualisierung und Vereinfachung der Gemeinschaftsrahmen liegen. Dabei sollen insbesondere die Auswirkungen der Erweiterung und die neuen Prioritäten der Gemeinschaftspolitik berücksichtigt werden. Geplant sind folgende Neuregelungen: überarbeitete Leitlinien für Rettungs- und Umstrukturierungsbeihilfen, Änderung der Mitteilung über den Referenzzins (mit Einführung von Referenzzinssätzen für die neuen Mitgliedstaaten vor dem 1. Mai 2004), Änderung der Mitteilung über Beihilfen für die Filmwirtschaft und der Leitlinien für die Ausfuhrkreditversicherung. Parallel zur Überprüfung der Strukturfondsverordnungen durch die GD REGIO werden insbesondere die Regeln für staatliche Regionalbeihilfen überarbeitet. Ferner stehen die Überwachung der Praxis bei Schiffbaubeihilfen, eine Überprüfung der Leitlinien für FuE-Beihilfen und neue Initiativen auf dem Gebiet der steuerlichen Beihilfen auf der Tagesordnung.

Internationales

731. Die EU-Kommission wird in der Arbeitsgruppe Kartelle des IWN eine führende Rolle übernehmen. Die OECD wird 2004 die EU-Wettbewerbspolitik überprüfen.

732. Die Kommission wird mit den Vereinigten Staaten Möglichkeiten zur Aufnahme von Verhandlungen über eine "Vereinbarung der zweiten Generation" ausloten, die den Austausch rechtlich geschützter Informationen erlauben würde. Die Verhandlungen mit den Beitrittsländern Bulgarien und Rumänien werden fortgeführt; gleichzeitig werden die Wettbewerbsvorschriften in der Türkei, Kroatien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien untersucht

ANHANG - IM BERICHT BEHANDELTE FÄLLE

Artikel 81, 82 und 86

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Staatliche Beihilfen

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