20.5.2005   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 120/47


Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Gesundheitssicherstellung: eine kollektive Verpflichtung, ein neues Recht“

(2005/C 120/10)

Verfahren

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss am 28. Januar 2004 gemäß Artikel 29 Absatz 2 der Geschäftsordnung, eine Initiativstellungnahme zu folgendem Thema zu erarbeiten: „Gesundheitssicherstellung: eine kollektive Verpflichtung, ein neues Recht“.

Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Beschäftigung, Sozialfragen, Unionsbürgerschaft nahm ihre Stellungnahme am 22. September 2004 an. Berichterstatter war Herr BEDOSSA.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 412. Plenartagung am 27./28. Oktober 2004 (Sitzung vom 27. Oktober) mit 164 gegen 3 Stimmen bei 7 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme:

1.   Einleitung

1.1

Die Sicherstellung der Gesundheit der europäischen Bürger, die einen der grundlegenden Teilbereiche des Gesundheitswesens ausmacht, bedeutet für diese, dass den zuständigen Behörden eine größere kollektive Verantwortung auferlegt wird (auch im Fall von Bioterrorismus) und die Bürger ausgehend davon ihr neues Recht ausüben, auf transparente Weise über die Entscheidungen dieser Aufsichtsbehörden informiert zu werden.

1.2

Sicherheit und Gesundheitssystem: zwei Begriffe, die zwar für gewöhnlich miteinander verbunden werden, deren Zusammenhang jedoch nicht sichtbar ist, wohingegen das Konzept der öffentlichen Gesundheit immer noch mit einem soziologischen Überbau und medizinischen Gewohnheiten einhergeht, die an Diagnoseleistung und Einzelbehandlung geknüpft sind.

1.3

Zu einer Zeit, wo die Erschütterungen, die Europa durchlebt hat, deutlich zeigen, dass das Gesundheitsrisiko den rein medizinischen Bereich verlassen und vehement in den sozialen und politischen Bereich Eingang gefunden hat, ist es die Verantwortung aller – insbesondere der Politiker – geworden, eine Gesundheitssicherstellungsstrategie zu definieren: Es muss künftig gewährleistet sein, dass die Bürger über diese Garantien verfügen.

1.4

Doch Gesundheitssicherstellung beginnt nicht bei Null – sie bereichert und vervollständigt die herkömmlichen Bereiche des Gesundheitswesens, insbesondere die Epidemiologie, stützt sich auf die Reflexion und die um das Thema Arzneimittel herum entwickelten Kontrollsysteme und wird in dem Maße zur Verpflichtung, wie die iatrogenen Wirkungen aller medizinischen Handlungen offenkundig werden.

1.5

Die Gesundheitssicherstellung unterscheidet sich von ihrem Ansatz her nicht von dem der Medizin. Sie erfolgt in Etappen als eine von der Bewertung der Nutzen und Kosten der einhergehenden Risiken bestimmte Abfolge von Wahrscheinlichkeitsentscheidungen zu einem gegebenen Zeitpunkt. Die Qualität der Gesundheitssicherstellung spiegelt die Qualität des Gesundheitssystems wider.

1.6

Die Gesundheitssicherstellung beruht auf einem medizinischen Ansatz und benötigt dringend auch eine entsprechende Methodik, eine regelrechte Selbstverpflichtung des öffentlichen Handelns. Natürlich ist der Bereich der Gesundheitssicherstellung viel weiter gefasst, da er auf der Höhe der Zeit ist, was die fortwährenden medizinischen Neuerungen betrifft.

1.7

Das Konzept der Gesundheitssicherstellung ist zwangsläufig ein wandlungsfähiges – insbesondere dann, wenn etwa bioterroristische Aktionen zu befürchten sind –, dem nicht mit festen Rezepten gedient ist: Es muss ein Gleichgewicht gefunden werden zwischen dem Streben nach einer unerreichbaren absoluten Sicherheit einerseits und Unachtsamkeit bzw. Unterlassung andererseits. Die zunehmende Wirksamkeit des Gesundheitssystems bedingt das Erfordernis der Gesundheitssicherstellung, wobei allerdings auch der Vergleich mit den ärmsten Ländern nicht fehlen sollte, die heute vor das eine große Problem gestellt sind, sich zunächst die grundlegenden Elemente eines öffentlichen Gesundheitssystems aneignen zu müssen.

1.8

In der – wohlhabenderen und dem Risikoschutz auf Gegenseitigkeit verbundenen – Europäischen Union steht als nächstes die institutionelle Übernahme der Gesundheitssicherstellung an. Um gesundheitspolitische Entscheidungen zu diskutieren und sie insbesondere publik zu machen, gilt es, alle verfügbaren Mittel zu nutzen, um den Bürgern der Europäischen Union andere Alternativen als Panikmache einerseits und Verschleierungstaktik andererseits anzubieten. Dadurch wird die Europäische Union im Bereich des Gesundheitswesens zu einer reifen Demokratie.

2.   Hintergrund der Vorgehensweise der Europäischen Union

2.1

Vor dem Vertrag über die Europäische Union (Vertrag von Maastricht) vom 7. Februar 1992 wurde die Gesundheitspolitik in den Gemeinschaftsakten nur am Rande erwähnt. Der Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) vom 25. März 1957 enthielt besondere Bestimmungen zur Sicherstellung der Gesundheit der Bevölkerung gegen die Gefahren ionisierender Strahlungen.

2.2

Im Vertrag von Rom vom 25. März 1957 wurde der „Schutz der Gesundheit“ hingegen nur im Rahmen seines Artikels 36 erwähnt; dort heißt es:

2.2.1

„Die Bestimmungen der Artikel 30 bis 34 stehen Einfuhr-, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder -beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.“

2.3

Durch die Aufnahme von Artikel 118 a in die Einheitliche Europäische Akte von 1986 wurden die Zuständigkeiten der Gemeinschaftsorgane erweitert, indem die Europäische Kommission dazu ermächtigt wurde, Vorschläge im Bereich der Gesundheit auf der Grundlage eines „hohen Gesundheitsschutzniveaus“ zu machen.

2.4

Ein weiterer indirekter Hinweis auf den Schutz der Gesundheit fand sich in dem durch die Einheitliche Europäische Akte eingeführten Artikel 130 r des EU-Vertrags. Dieser legte fest, dass die Umweltpolitik der Gemeinschaft das Ziel verfolgen soll, zum „Schutz der menschlichen Gesundheit“ beizutragen.

2.5

Der Vertrag über die Europäische Union hat die Perspektiven der europäischen Integration im Gesundheitsbereich tief greifend verändert, da mit ihm ein Titel X „Gesundheitswesen“ eingefügt wurde, in dem es u.a. heißt: „Die Gemeinschaft leistet ... einen Beitrag zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzniveaus.“ Absatz 4 dieses Artikels 129 sieht vor, dass der Rat zur Verwirklichung der Ziele entweder Fördermaßnahmen gemäß Artikel 189 b oder Empfehlungen erlässt.

2.6

Das Konzept des Gesundheitsschutzes kommt auch durch andere Artikel des Vertrags über die Europäische Union zum Ausdruck, insofern als Artikel 129 a, der dem Verbraucherschutz gewidmet ist, insbesondere den Schutz der Gesundheit und die Sicherheit der Verbraucher erwähnt.

2.7

Ein klarer Rechtsrahmen, der in Artikel 179 der vorläufigen Fassung des Vertrags über eine Verfassung für Europa verbessert würde, ermöglicht den europäischen Organen die Durchführung ihres gesamten Maßnahmenbündels im Bereich des Gesundheitswesens.

„(1)

Bei der Festlegung und Durchführung der Politik und Maßnahmen der Union in allen Bereichen wird ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt.

(2)

Die Tätigkeit der Union ergänzt die Politik der Mitgliedstaaten und ist auf die Verbesserung der Gesundheit der Bevölkerung, die Verhütung von Humankrankheiten und die Beseitigung von Ursachen für die Gefährdung der körperlichen und geistigen Gesundheit gerichtet. Sie umfasst die Bekämpfung weit verbreiteter schwerer Krankheiten; dabei werden die Erforschung der Ursachen, der Übertragung und der Verhütung dieser Krankheiten sowie die Gesundheitsinformation und -erziehung gefördert […].“

2.8

Die neu eingerichteten Strukturen (Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln etc.) können umso größere Auswirkungen haben, als die europäischen Organe in eine verstärkte Politik der Zusammenarbeit mit Drittländern und großen internationalen Organisationen – insbesondere der Weltgesundheitsorganisation, dem Europarat, der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, der Internationalen Atomenergiebehörde für Strahlenschutz und dem Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung – eingebunden sind, die es fortzuführen gilt.

3.   Grundsätze der Gesundheitssicherstellung

3.1   Gesundheitsentscheidung

3.1.1

Die medizinische Entscheidung findet vor einem durch Ungewissheit gekennzeichneten Hintergrund statt: Unsicherheit in Bezug auf die Erkennung der Leiden, der Auswirkungen der Behandlungen und ihrer jeweiligen Risiken; Unzulänglichkeit der medizinischen Informationen über den Patienten, der Auswahl der Zusatzuntersuchungen, der medizinischen Ausrüstung; Ungenauigkeit des von Emotionen oder Besorgnis geprägten Anamnesegesprächs und der – naturgemäß summarischen – klinischen Untersuchung.

3.1.2

Eine medizinische Handlung ist häufig das Ergebnis einer Reihe von Wahrscheinlichkeitsentscheidungen, die in einer Situation der Ungewissheit getroffen werden: Je mehr Entscheidungsmöglichkeiten eine Diagnose oder Behandlung zulässt, desto größer wird das Risiko, ja die Wahrscheinlichkeit, einen Fehler zu begehen, ohne dass es sich dabei um einen schuldhaften Irrtum handeln muss.

3.1.3

Jeder Entscheidung bzw. medizinischen Handlung wohnt ein Teil an Unwägbarkeit inne – der im gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht beherrschbare Zufall, das untrennbar mit der medizinischen Wissenschaft verbundene, unabwendbare statistische Risiko.

3.1.4

Die Ursachen der Unsicherheit im Gesundheitsbereich sind sowohl menschlichen Ursprungs – der nicht schuldhafte Fehler oder Irrtum des Arztes – als auch faktischer Art – die bekannten, aber im gegenwärtigen Stand der Wissenschaft statistisch unvermeidbaren Risiken und die unbekannten, jederzeit möglichen Risiken.

3.1.5

Man kann nicht von Gesundheitssicherstellung sprechen, ohne dabei auf die grundlegenden Merkmale der medizinischen Entscheidung zu verweisen. Wenn die Gesundheit oder das Leben auf dem Spiel stehen, fällt es häufig schwer, einzig und allein nur das Mögliche zu fordern. Doch eine medizinische Handlung ohne Risiken gibt es nicht, denn es gibt auch kein Leben ohne Risiken.

3.2   Nutzen-Risiko-Verhältnis

3.2.1

Mit jeder Entscheidung im Gesundheitswesen verhält es sich wie mit der medizinischen Entscheidung, wobei die Unterlassung ebenso eine Entscheidung ist wie die Handlung, denn auch die Unterlassung kann schuldhaft sein.

3.2.2

Es geht darum, das Behandlungsrisiko und die spontan auftretenden Risiken gegeneinander abzuwägen. Die irrationale Ablehnung des Risikos ist im Bereich der Gesundheit ebenso unverantwortlich wie dessen Missachtung.

3.2.3

Dieses Nutzen-Risiko-Konzept ist weit entfernt von den Sorgen einer europäischen Gesellschaft, der es gelungen ist, die natürlichen Risiken erheblich zu reduzieren.

3.2.4

Um die gesundheitliche Unbedenklichkeit einer Handlung oder eines Produkts einschätzen zu können, muss anhand einer Risikoskala das geringste Risiko, nicht aber das Nullrisiko, bestimmt werden. Bei einer solchen Nutzen-Risiko-Bilanz sind fünf Kriterien zu berücksichtigen:

Grad

Ausprägung

Häufigkeit

Dauer

Notwendigkeit.

3.2.5

Somit obliegt es den staatlichen Behörden, die dem Druck der einhelligen oder widersprüchlichen Meinung der Öffentlichkeit und der Erbringer medizinischer Versorgungsleistungen ausgesetzt sind, sich aus Unsicherheit entweder für die pessimistischere – und damit konservativere – Hypothese hinsichtlich des Gesundheitswesens zu entscheiden oder sich der plausibleren Einschätzung anzuschließen.

3.2.6

Zudem muss die Gesundheitsentscheidung bisweilen in einer Krisensituation getroffen werden. Die Behörden sind dann gleichzeitig einer Flut von Problemen, Fehlfunktionen bestimmter Systeme und tief greifenden Meinungsverschiedenheiten bezüglich der anstehenden Entscheidungen ausgesetzt.

3.2.7

Um angesichts der Dringlichkeit nicht in die Improvisation zu verfallen, muss auf zuvor festgelegte und bewährte Bewertungs-, Kontroll- und Interventionsverfahren zurückgegriffen werden können; daher die Notwendigkeit einer Analyse bewältigter Krisen und einer Methodik der Gesundheitssicherstellung.

3.2.8

Welche wissenschaftlichen und medizinischen Garantien auch vorhanden sein mögen – in die Einschätzung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses spielt häufig letztendlich auch ein Teil innerster Überzeugung mit hinein.

4.   Medizinische Faktoren der Gesundheitssicherstellung

Zur Definition der Gesundheitssicherstellung sind fünf wesentliche Faktoren erforderlich.

4.1   Gesundheitsüberwachung

4.1.1

Da die epidemiologische Überwachung wesentlicher Bestandteil des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung ist, muss für die Gesundheitssicherstellung eine spezifische Gesundheitsüberwachung durch ein Europäisches Zentrum gewährleistet sein (s. Ziffer 6.3).

4.1.2

Aufgabe der Gesundheitsüberwachung ist es, medizinische Unfälle und iatrogene Leiden zu ermitteln, die mit der Verwendung von therapeutischen Protokollen einhergehenden unvorhergesehenen oder unerwünschten Wirkungen zu erforschen, Kontrollen durchzuführen, deren Schlussfolgerungen zu untersuchen sowie die Wirksamkeit von Gesundheitsinterventionssystemen zu bewerten – alles für die Gesundheitssicherstellung wesentliche Funktionen.

4.1.3

Diese Überwachungsfunktion kennt eine internationale Entwicklung, da unter der Schirmherrschaft der WHO und der Europäischen Union Systeme zum Informationsaustausch und zur gegenseitigen Warnung eingerichtet wurden.

4.1.4

Im Rahmen multilateraler Vereinbarungen wird die Zusammenarbeit auf allen Ebenen, allen Fachgebieten und allen Kontinenten geregelt. So können umgehend die geeigneten Gesundheitsmaßnahmen ergriffen werden, um die Gesundheitssicherstellung bestmöglich zu gewährleisten.

4.2   Auswahl der Behandlungsstrategien

4.2.1

Die Qualität und Sicherheit der Auswahl einer Behandlungsstrategie hängen in erster Linie vom Stand der Wissenschaft und somit von den einschlägigen Kenntnissen des Arztes ab.

Der erste Faktor, der zur Verbesserung des Kenntnisstands beiträgt, ist natürlich die medizinisch-pharmazeutische Forschung sowie die sich daraus ergebenden Fortschritte auf dem Gebiet der Behandlung und Diagnose.

Der zweite wichtige Faktor, der bei der Auswahl der Strategien für die Gesundheitssicherstellung eine Rolle spielt, ist die an die Weiterentwicklung der Wissenschaft wie auch der Organisation des Gesundheitssystems angepasste medizinische Grundausbildung.

Der dritte Faktor ist die medizinische Fortbildung: Wie in allen Risiko- und Hightech-Sektoren ist die Assimilierung der aktuellsten Daten einer der entscheidenden Faktoren der Gesundheitssicherstellung.

Der vierte Faktor, der zur Unbedenklichkeit der Behandlungsauswahl beiträgt, ist schließlich die zum Bindeglied zwischen Forschung, Ausbildung und täglicher Praxis der Angehörigen der Heilberufe gewordene medizinische Bewertung.

„Medizinische Bewertung“ kann definiert werden als die Gesamtheit aller Verfahren zur Kontrolle der Qualität des Gesundheitssystems.

Die Bewertung von Diagnose- und Behandlungstechniken und -strategien besteht aus einer Bewertung der den Angehörigen der Heilberufe zur Verfügung gestellten Hilfsmittel, d.h. von Medizintechnologie, Diagnosemethoden und Arzneimitteln sowie sämtlicher Verfahren und Dienstleistungen.

Zur Bewertung der Qualität und somit der Qualität der Gesundheitsdienstleistungen wird die einschlägige WHO-Definition herangezogen:

„Zu gewährleisten, dass jedem Patienten die Bandbreite an diagnostischen und therapeutischen Handlungen zur Verfügung steht, die ihm das beste gesundheitliche Ergebnis gewährleisten, und zwar entsprechend dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft, zum günstigsten Preis für dasselbe Ergebnis, beim geringsten iatrogenen Risiko sowie zu seiner größtmöglichen Zufriedenheit, was die Verfahren, Ergebnisse und menschlichen Kontakte innerhalb des Gesundheitssystems angeht.“

Schließlich müssen im Rahmen dieser Bewertung Bezugsgrößen festgelegt, d.h. Empfehlungen ausgearbeitet werden, die auf einem mehr oder weniger breiten Konsens innerhalb eines Ärztekollegs oder wissenschaftlicher Gesellschaften/Vereinigungen – den „Konsenskonferenzen“ – beruhen, um in Leitlinien zu münden.

4.3   Ausführung der Gesundheitsdienstleistungen und medizinischen Handlungen

4.3.1

Die Einhaltung der Verpflichtungen wird von sämtlichen Behörden kontrolliert, und im Rahmen einer umfangreichen und kontinuierlichen Rechtsprechung wird die den Angehörigen der Heilberufe obliegende Handlungspflicht sowie das Konzept der mit Sorgfalt und Bedacht und entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft erbrachten Gesundheitsdienstleistungen spezifiziert.

4.3.2

Die Ausführung dieser Handlungen ist natürlich Aufgabe der Systeme der Gesundheitssicherstellung, die sich je nachdem, um welche Handlungen es dabei geht und ob „natürliche“ Risiken vorhanden sind, stark voneinander unterscheiden.

4.3.3

Die Bedingungen, die es im Bereich der Gesundheitssicherstellung einzuhalten gilt, lassen sich nur dadurch festlegen, indem die der Ausführung dieser Handlungen innewohnenden Schwierigkeiten, d.h. zum Teil die statistisch vermeidbaren Risiken, auch wenn sie geringfügig sind, miteinander verglichen werden. Es handelt sich hierbei um eine Art Nutzen-Risiko-Verhältnis, das die Festlegung des normalen, akzeptierten und erwarteten Gesundheitssicherstellungsniveaus ermöglicht.

4.4   Aufbau und Funktionsweise der Gesundheitsstrukturen

Die Gesundheitssicherstellung wird großenteils durch die Qualität des Aufbaus und der Funktionsweise des Gesundheitssystems beeinflusst.

Durch die Gesundheitssicherstellung erwächst allen öffentlichen und privaten Einrichtungen eine Handlungsverpflichtung, die in entsprechenden Regelungen festgeschrieben ist und besonderen Genehmigungen unterliegt. Das Gesundheitssystem muss in der Lage sein, den Anforderungen der Bevölkerung gerecht zu werden und die Gesundheitsversorgung unter den bestmöglichen Bedingungen zu gewährleisten.

4.5   Verwendung der Gesundheitsgüter

4.5.1

Die für die Prävention, Diagnose und Behandlung verwendeten Gesundheitsprodukte und -güter unterliegen strengen rechtlichen Vorschriften, den „einschlägigen Regelungen“ in Bezug auf:

Arzneimittel

in der Medizin verwendete medizinische Geräte

Produkte menschlicher Herkunft

Laborreagenzien

die rechtliche Grundlage für Produkte und Elemente des menschlichen Körpers, die zu therapeutischen Zwecken verwendet werden.

4.5.2

Die auf diese Produkte und Güter anwendbaren Gesundheitssicherstellungsvorschriften bilden einen regelrechten Sicherheitsgürtel.

5.   Vorschläge und Empfehlungen des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

5.1   Administrative Faktoren der Gesundheitssicherstellung

5.1.1

Die Grundsätze der Gesundheitssicherstellung sind im Rahmen des Gesundheitswesens in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union bisher noch nicht berücksichtigt worden.

5.1.2

Die Gesundheitssicherstellung ist weder das Ergebnis einer Gleichung noch der Anwendung von Rezepten, sondern beruht auf dem Prinzip der Vorsorge und des Widerspruchs.

5.1.3

Sie erfordert eine grenzübergreifende Sensibilisierung und Koordinierung. Man muss sich davor hüten, der Illusion eines Schutzwalls zu erliegen, den die nächste Epidemie mühelos überwinden würde. Die Gesundheitsrisiken sind vielgestaltig, unendlich mannigfach und generell unerwartet. Verhaltensweisen gegenüber einer Krankheit entwickeln sich weiter, Viren mutieren, Infektionserreger erneuern oder verbergen sich.

5.2   Klar anerkannte Kompetenzen

5.2.1

Aufgrund des Fehlens spezifischer Rechtsinstrumente für den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung ist es in bestimmten Mitgliedstaaten der Europäischen Union bisweilen Usus geworden, auf indirekte oder fragwürdige Mittel zurückzugreifen, vor allem auf die missbräuchliche Verwendung der Sozialversicherungsvorschriften. So werden gesundheitliche und wirtschaftliche Herausforderungen in einen Topf geworfen: Es ist zwar legitim, die Gesundheitskosten zu bewerten und eine möglichst rationelle Nutzung der begrenzten gesundheitsspezifischen Mittel anzustreben, doch ist es andererseits gefährlich, beide Problemkreise zu vermischen.

5.2.2

Es ist eine Sache, die Wirksamkeit, Qualität und Unbedenklichkeit eines Produkts oder einer Behandlung zu bewerten, und eine andere, über die jeweilige Erstattung durch die Sozialversicherung zu befinden. Die Schwierigkeiten mit der Entscheidungsfindung im Gesundheitswesen werden durch die Konkurrenz mehrerer zuständiger Stellen noch verstärkt.

5.2.3

Die Zuständigkeiten zu definieren bedeutet, Verantwortlichkeiten festzulegen und davon ausgehend zu ermitteln, wer die Autorität im Gesundheitsbereich ausübt und deren moralische, administrative und/oder gerichtliche Bürde trägt. Diese Verantwortung kann nur dann voll übernommen werden, wenn die Vorschriften – aufgrund ihrer Lücken oder Zweideutigkeiten – nicht Konflikte und Interventionen begünstigen, die die Gefahr bergen, die anstehenden Entscheidungen zu verzerren.

5.3   Anerkannte Gesundheitsverwaltung

5.3.1

Die Verwaltung des Gesundheitswesens auf europäischer Ebene ist unzulänglich und steht rechtlich gesehen auf sehr schwachen Füßen. Aufgrund der spärlichen Mittelausstattung fehlt es ihr zudem an medizinischer Legitimität. Dies alles muss verbessert werden.

5.3.2

Öffentliches Handeln ist nur dann wirksam, wenn es auch tatsächlich legitimiert wird, und die Gesundheitsverwaltung kann ihren Auftrag zur Gesundheitssicherstellung nur dann in vollem Umfang erfüllen, wenn sie diese doppelte Legitimation besitzt, d.h. wenn sie von den Aufsichtsbehörden jedes der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und natürlich von der öffentlichen Meinung – den Verbrauchern – anerkannt wird.

5.3.3

Wissenschaftliche und medizinisch-technische Glaubwürdigkeit setzt sowohl eine Aufstockung der Mittel und die Einstellung von hochqualifiziertem Fachpersonal als auch eine Zusammenarbeit aller europäischen und nationalen Einrichtungen voraus.

5.3.4

Es werden fünf grundlegende Funktionen ermittelt: empfehlen, überwachen, kontrollieren, begutachten und bewerten.

5.3.5

Durch die Einrichtung des Europäischen Netzes der öffentlichen Gesundheit kommt der Wille aller staatlichen europäischen Behörden zum Ausdruck, die Akteure des Gesundheitswesens zusammenzuschließen und den in jedem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union vorhandenen Instrumenten zur Gesundheitsüberwachung neue Kohärenz und Wirksamkeit zu verleihen.

5.4   Notwendigkeit an verwaltungsexternem Sachverstand

5.4.1

Ungeachtet der fachlichen und wissenschaftlichen Kompetenz der Gesundheitssicherstellungsdienste muss das allseits geachtete traditionelle Widerspruchsprinzip unbedingt auf Aufgaben im Zusammenhang mit der Gesundheitssicherstellung angewandt werden.

5.4.2

Das Hinzuziehen unabhängiger Sachverständiger kommt dem Anliegen entgegen, die europäischen Behörden von besonders herausragenden oder spezialisierten Qualifikationen profitieren zu lassen, wodurch es mithilfe des Dialogs möglich wird, die der Entscheidungsfindung zugrunde liegende Information passgerecht zuzuschneiden und zu ergänzen.

5.4.3

Auf besonders heiklen oder sehr spezifischen Gebieten erscheint es sogar unverzichtbar, den externen Sachverstand auf außenstehende Persönlichkeiten von Weltrang auszuweiten. Eine solche internationale Öffnung kann die Herausbildung eines Konsenses für alle betroffenen Länder ermöglichen, wodurch zeitliche Verschiebungen vermieden werden können, die allen (Patienten und Akteuren aller Art) abträglich sind.

5.4.4

Mithilfe dieses externen Sachverstands lassen sich auch die Eigenheiten überwinden, mit denen die kulturellen Gewohnheiten innerhalb der Gesundheitsverwaltung und die Bedingungen der medizinischen Ausbildung in den verschiedenen Ländern behaftet sind.

5.5   Trennung der Aufgaben des Sachverständigen, Entscheidungsträgers und Managers

5.5.1

Die gesundheitspolizeilichen Befugnisse, die de facto in die Zuständigkeit der politisch Verantwortlichen fallen (d.h. Genehmigungen erteilen oder Verbote erlassen), können nur dann auf legitime Weise ausgeübt werden, wenn dabei sämtliche Aspekte des fraglichen Problems Berücksichtigung finden.

5.5.2

Es geht dabei stets darum, das Nutzen-Risiko-Verhältnis abzuwägen. Diese Bewertung sollte nicht ausschließlich wissenschaftlich orientiert sein oder von den Managern oder Akteuren auferlegt werden, die ein materielles oder intellektuelles Interesse an ihrer Verbreitung haben.

5.5.3

Im Ergebnis dieser Klärung der Rolle des Sachverständigen und des Entscheidungsträgers muss auch die Transparenz der Beziehungen zwischen Sachverständigen und Managern gewährleistet werden. Es gilt, eine strikte Ethik in Bezug auf den Sachverstand festzulegen und zu befolgen. Dies ist nicht immer eine Selbstverständlichkeit, vor allem, wenn es sich um ein sehr spezifisches Problem handelt, die Zahl der Sachverständigen folglich begrenzt ist und diese häufig über Verbindungen zu den betroffenen Einrichtungen oder Unternehmen verfügen.

5.5.4

Im Sinne der Transparenz, mit der die Entscheidungsfindung im Bereich der Gesundheitssicherstellung gekennzeichnet sein muss, muss jeder Sachverständige bei den Gesundheitsbehörden eine Erklärung über mögliche Beziehungen zu den von den Gutachten betroffenen Organisationen, Unternehmen oder Privatpersonen abgeben.

5.5.5

Die Europäische Gemeinschaft hat mit der Festlegung entsprechender Verfahren bereits begonnen: Durch die Verallgemeinerung der Transparenzverfahren, die von den Sachverständigen selbst gewünscht wird, kann die Objektivität dieser Gutachten bestmöglich gewährleistet werden.

5.6   Transparenz der Entscheidungsfindungsstrukturen

5.6.1

Im Bereich der Gesundheit, wie generell der Neuerung, entstehen neue Gefahren, durch die Gewissheiten und Gewohnheiten erschüttert und in Frage gestellt werden.

5.6.2

Die geistige Einstellung muss hierbei die gleiche sein, nämlich „auf die Stille zu hören“.

5.6.3

Unabhängig davon, wie die Qualität des eingesetzten Überwachungssystems auch beschaffen sein mag – die Möglichkeit einer kollektiven Blindheit muss immer mit berücksichtigt werden.

5.6.4

Die öffentliche Debatte ist eine Notwendigkeit. Sowohl die Patienten als auch die außerhalb des Kreises der Sachverständigen stehenden Ärzte müssen sich Gehör verschaffen, die Fragen, die sie umtreiben, stellen und Warnungen geben dürfen.

5.6.5

Es gilt, diese Meinungsbekundung zu organisieren, um nicht unnötig in Alarmzustand zu geraten.

5.6.6

Dieser „Gesundheitspluralismus“, der wesentlich dazu beiträgt, dass neue Dramen vermieden werden, setzt eine Entwicklung der Entscheidungsverfahren hin zu größerer Transparenz voraus. Die Ergebnisse der Gutachten müssen – unter Gewährleistung der ärztlichen Schweigepflicht und des Betriebsgeheimnisses – öffentlich gemacht werden, ebenso wie die Gründe für die Gesundheitsentscheidungen.

5.7   Deontologie der Kommunikation im Bereich der Gesundheitssicherstellung

5.7.1

Trotz ihrer allgemeinverständlichen Darstellung weist die Kommunikation im Bereich der öffentlichen Gesundheit grundlegende Eigenheiten auf, die im Bereich der Gesundheitssicherstellung noch stärker ausgeprägt sind.

5.7.2

Über diese Themen Informationen zu vermitteln bedeutet häufig, über Krankheit und Tod zu sprechen. Transparenz und Takt müssen bei der Regelung dieser heiklen Aufgabe des Gesundheitssystems Vorrang haben.

5.7.3

Transparenz ist unverzichtbar, um das Vertrauen zu stärken und die Besorgnis zu vermeiden, die bei der Enthüllung einer Information entsteht, die deshalb für Aufsehen sorgt, weil sie zuvor den Eindruck von Heimlichkeit vermittelte.

5.7.4

Transparenz ist für Behörden und Gesundheitseinrichtungen ebenso ein Muss wie der Arzt eine Pflicht zur Aufklärung des Patienten hat. Da es sich um Risiken handelt, die die Gesundheit jedes Einzelnen betreffen, ist die „Pflicht zur Wahrheit“ unabdingbar.

5.7.5

Doch an diese moralische Verpflichtung ist auch ein Taktgefühl gekoppelt. Die – häufig in Notsituationen übermittelte – Information muss verständlich und wissenschaftlich sein und darf nicht der Gefahr des Missklangs, der Sensationslust und Angsthascherei erliegen. Sie setzt Regeln für die gemeinsame Arbeit der Medien, der Angehörigen der Heilberufe, der Patientenvereinigungen und der staatlichen Behörden voraus. Die Alternative reduziert sich nicht darauf, entweder in Bangemachen oder in Geheimniskrämerei zu verfallen.

5.8   Routinemäßige Kommunikation

5.8.1

Im Bereich der Gesundheit besteht immer die Gefahr, dass die Information bei den Patienten auf eine besondere Empfindlichkeit stößt.

5.8.2

Zwischen der für den Arzt und der für die Allgemeinheit bestimmten Information besteht dem Wesen nach ein Unterschied.

5.8.3

Die für Ärzte bestimmte Information kann auf das wissenschaftliche Vorwissen dieser Zielgruppe bauen. Sie hat ihre eigenen Vektoren: Kurse, Konferenzen, Kongresse, Berufsorgane und Industrieverbände.

5.8.4

Andererseits kann bei der für die Allgemeinheit bestimmten Information nicht davon ausgegangen werden, dass die erforderlichen medizinischen Kenntnisse vorhanden sind, um die Tragweite der verbreiteten Information einzuschätzen, ohne Gefahr zu laufen, dass sie falsch verstanden wird oder Angst schürt. Hier muss ein Gleichgewicht zwischen der Notwendigkeit der Aufklärung über neue oder herkömmliche Behandlungsformen einerseits und den mit einer falschen Auslegung dieser Information einhergehenden Risiken andererseits gefunden werden.

5.8.5

Die Information kann unnötige oder übertriebene Angst bei der Bevölkerung hervorrufen bzw. zu unbegründeter Hoffnung bezüglich der Behandlung verleiten. Sie trägt zur Gesundheitserziehung der Bevölkerung bei, die wiederum unmittelbar die Wirksamkeit der politischen Maßnahmen zugunsten der Hygiene, der Risikoprävention und der frühzeitigen Übernahme durch das Gesundheitssystem beeinflusst.

5.9   Kommunikation im Krisenfall

5.9.1

Im Fall eines gesundheitlichen Notfalls oder schwerwiegender Bedrohungen der Gesundheit der Bevölkerung ist die Kommunikation mit dreierlei Erfordernissen konfrontiert:

Zunächst muss die Information strikt auf das fragliche Gesundheitsrisiko beschränkt werden.

Zweitens geht es darum, mithilfe der Information nicht nur die Kenntnisse der Öffentlichkeit zu verbessern, sondern auch Verhaltensänderungen zu bewirken. Die Information muss deshalb ihr Ziel erreichen, d.h. einerseits den Vorfall verhindern bzw. seine Folgen eindämmen, ohne unnötig Besorgnis zu erregen, und andererseits das Recht der Bürger auf Aufklärung und die ethische Verpflichtung der Presse gewährleisten, Angsthascherei und Sensationslust bei der Berichterstattung zu vermeiden.

Drittens muss die entscheidende Information unter Berücksichtigung der jeweiligen Zielgruppen sowie der Reihenfolge, mit der sie erreicht werden müssen, gegeben werden.

5.9.2

Die Rolle der Medien ist für eine erfolgreiche Krisenkommunikation in allen Fällen von maßgeblicher Bedeutung. Die Medien müssen gelegentlich akzeptieren, die Information so lange nicht an die Öffentlichkeit weiterzugeben, bis die Angehörigen der Gesundheitsberufe hinreichend informiert worden sind. Es besteht hier somit auch ein Bedarf, Fachjournalisten auszubilden, die in der Lage sind, Themen im Zusammenhang mit der Gesundheitssicherstellung richtig zu erfassen und darüber Bericht zu erstatten.

5.9.3

Dies ist ein schwieriges Unterfangen, da etwa die Bezifferung der unerwünschten Wirkungen, ihre Zuweisung, der Einfluss der Medien auf die Melderate und die allgemeine Bewertung des Risikos allesamt aufwendige und komplexe Analysen darstellen, während die Öffentlichkeit prompt und in einer einfachen, einfühlsamen Sprache informiert werden möchte.

6.   Fazit

6.1

Angesichts der aufeinanderfolgenden Krisen, die in den letzten zwanzig Jahren weltweit für Aufsehen gesorgt haben (explosionsartige Ausbreitung von Aids, Blutspendenskandal, Gesundheitskrisen aufgrund von SARS und der Legionärskrankheit, Bioterrorismus durch Milzbrand-Bedrohung) schlägt der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss vor, regelmäßig auf höchster Ebene europäische Kongresse zum Thema Gesundheitswesen zu veranstalten.

6.2

Ziel dieser Kongresse soll es sein, kollektive Maßnahmen zu diskutieren, präzise Auskünfte über diese Krisen zu erteilen, koordinierte Antworten zu geben, die Bedrohung durch externe Gefahren zu bewerten, bei der raschen Diagnosestellung zu helfen und angemessene Lösungen bereitzustellen.

6.3

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss empfiehlt, schon jetzt dem künftigen Europäischen Zentrum für Gesundheitsüberwachung in Stockholm ein erweitertes und verstärktes Mandat zur kontinuierlichen Erstellung einschlägiger Berichte im Bereich des Gesundheitswesens zu übertragen und dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union unter Achtung des Subsidiaritätsprinzips die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

6.4

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss ist der Auffassung, dass er das geeignete Forum zur Sensibilisierung und Warnung der europäischen Zivilgesellschaft ist.

6.5

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss wünscht ausdrücklich, dass das Gesundheitswesen ein aktives Eingreifen aller Beteiligten bewirkt: Durch die umfassende Kenntnis der Krisen des Gesundheitswesens muss im Lichte der Globalisierung der Gesundheitskrisen ein umfassender Erfahrungsaustausch möglich sein.

6.6

Nach dem Dafürhalten des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses gilt es, eine breit angelegte Informationspolitik auf europäischer Ebene zu fördern, die zu einer speziellen Ausbildung aller Akteure und Medien führt, die auf diesem Gebiet eine besondere Verantwortung tragen.

6.7

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss erinnert daran, dass seine Empfehlungen miteinander verknüpft sind und ein ausgeprägter Wille aller Mitgliedstaaten der Europäischen Union vonnöten ist, sie umzusetzen; es sind dies

die Verstärkung der administrativen Kapazitäten mit grenzübergreifendem Zusammenwirken und einer allseits anerkannten und gebilligten Verwaltung;

rechtliche Kompetenzen und Instrumente zu ihrer Unterstützung;

die Transparenz der Entscheidungsverfahren und eine von allen geteilte, stärkere Deontologie der Kommunikation im Bereich der Gesundheitssicherstellung;

eine stärkere Zusammenarbeit und weltweite Vernetzung zwischen allen Einrichtungen zur Gesundheitsüberwachung (Europäische Union, Weltgesundheitsorganisation, Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit, Europarat sowie große nationale Einrichtungen wie die Centers for Disease Control and Prevention in Atlanta/USA).

Brüssel, den 27. Oktober 2004

Die Präsidentin

des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses

Anne-Marie SIGMUND