52004DC0443

Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Erster Bericht über die Überwachung der Umstrukturierung der Stahlindustrie in der Tschechischen Republik und in Polen {SEC(2004)891} /* KOM/2004/0443 endg. */


BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT - Erster Bericht über die Überwachung der Umstrukturierung der Stahlindustrie in der Tschechischen Republik und in Polen {SEC(2004)891}

1. EINFÜHRUNG

Sowohl in der Tschechischen Republik als auch in Polen ist die Stahlindustrie ein wichtiger Wirtschaftsbereich, was sich nicht zuletzt in der Zahl der Arbeitsplätze und der von den Stahlproduzenten in beiden Ländern erwirtschafteten Wertschöpfung widerspiegelt.

Im Laufe der letzten zehn Jahre wurde die Stahlindustrie in beiden Ländern erheblich umstrukturiert und somit die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors gesteigert. Viele unrentable Anlagen wurden endgültig stillgelegt. Die übrigen Betriebe wurden modernisiert, so dass sie den von den Märkten geforderten Sorten und Qualitäten Rechnung tragen konnten. Parallel zum laufenden Privatisierungs- und Konzentrationsprozess wurden neue Managementstrukturen eingeführt. Der Wechsel von der produktorientierten zu einer marktorientierten Kultur lässt sich an der Verbesserung der operativen Ergebnisse der meisten Betriebe ablesen.

Der umfangreiche Stellenabbau führte zu einem deutlichen Produktivitätsanstieg, machte aber Sozialmaßnahmen notwendig, um die Auswirkungen der Umstrukturierung zu mildern. Durch die technische Modernisierung der tschechischen und polnischen Stahlunternehmen wurden nicht nur die Inputkosten sondern auch die Umweltemissionen gesenkt.

Trotz all dieser Anstrengungen ist der Umstrukturierungsprozess der tschechischen und polnischen Stahlindustrie noch nicht abgeschlossen. Weitere Maßnahmen sind nötig, damit die betroffenen Unternehmen die Rentabilität erreichen und unter normalen Marktbedingungen dem Wettbewerb standhalten können.

Bis jetzt konnten viele Unternehmen in beiden Ländern nur mit staatlicher Unterstützung überleben. Aus diesem Grund wurden mit der Tschechischen Republik und mit Polen Übergangsfristen ausgehandelt, während deren noch an bestimmte Unternehmen staatliche Beihilfen gezahlt werden dürfen (vgl. entsprechende Protokolle der Europa-Abkommen [1]). Die Hoechstgrenze für staatliche Beihilfen wurde entsprechend den finanziellen Prognosen in den nationalen Umstrukturierungsprogrammen und den Geschäftsplänen der einzelnen Unternehmen festgelegt, die von der tschechischen und polnischen Regierung verabschiedet wurden und denen die Kommission 2002 und 2003 zugestimmt hat.

[1] ABl. L 360 vom 31.12.1994 S. 79-80 und ABl. L 348, vom 31.12.1993 S. 70.

Die Gewährung der Ausnahmeregelung von der EU-Vorschriften über staatliche Beihilfen ist an die Erfuellung bestimmter Auflagen gebunden, die zwischen der EU und der Tschechischen Republik und Polen ausgehandelt wurden. Diese Auflagen, und zwar sowohl die Pflichten der einzelnen Regierungen als auch diejenigen der einzelnen Unternehmen, sind in den Protokollen zum Beitrittsvertrag niedergelegt, der am 16. April 2003 von den Staats- und Regierungschefs der erweiterten Union in Athen unterzeichnet wurde. Das Protokoll Nr. 2 [2] betrifft die Umstrukturierung der tschechischen Stahlindustrie und das Protokoll Nr. 8 [3] die Umstrukturierung der polnischen Stahlindustrie.

[2] ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 934.

[3] ABl. L 236 vom 23.9.2003, S. 948.

Darüber hinaus enthalten diese Protokolle auch ausführliche Bestimmungen betreffend die Überwachung der Einhaltung der Auflagen und der Berichterstattung darüber:

* Jedes Land legt der Kommission halbjährlich Berichte über die Umstrukturierung der begünstigen Unternehmen sowie über die Erfuellung der Auflagen und Pflichten des Protokolls vor.

* 2003, 2004, 2005 und 2006 wird eine unabhängige Bewertung durchgeführt.

* Die Kommission erstattet dem Rat Bericht.

Der vorliegende Bericht beschreibt die Fortschritte im Jahr 2003, dem ersten Jahr der Umstrukturierung, und enthält:

* eine Beschreibung des weltweiten Stahlmarkts, vor dessen Hintergrund die Umstrukturierung stattfindet, sowie eine Erläuterung der wichtigsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Umstrukturierungsprogramm in jedem Land;

* eine länderspezifische Bewertung der staatlichen Beihilfen und der wichtigsten Benchmarks für die Umstrukturierung, die in den Anhängen zu den Protokollen definiert sind: Produktivität und Beschäftigung, Kostensenkung, Kapazitätsabbau und Rentabilität;

* Schlussfolgerungen bezüglich der Maßnahmen, die erforderlich sind, damit die begünstigten Unternehmen bis zum Ende des Umstrukturierungszeitraums rentabel sind.

Die Fortschrittsberichte für den Rat werden jährlich erstellt. Der letzte Bericht über die Fortschritte im Jahr 2006 wird dementsprechend 2007 vorgelegt. Er wird auch eine umfassende Bewertung der während des gesamten Umstrukturierungsprozesses 2003-2006 erzielten Ergebnisse enthalten.

2. ENTWICKLUNGEN AUF DEM WELTWEITEN STAHLMARKT

Die Umstrukturierung wird nicht nur von den Maßnahmen der einzelnen Unternehmen und staatlichen Stellen beeinflusst, sondern auch von den allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklungen und der Situation auf den Märkten. Um die Leistung der Stahlunternehmen in der Tschechischen Republik und in Polen beurteilen zu können müssen daher auch die Entwicklungen auf dem weltweiten Stahlmarkt berücksichtigt werden.

Die Erholung der Weltwirtschaft in der zweiten Jahreshälfte 2003 nach einer zweijährigen Rückwärtsentwicklung hat sich positiv auf die Stahlnachfrage und den Stahlhandel ausgewirkt. Der Wirtschaftsaufschwung ließ den Stahlverbrauch im Jahr 2003 auf die neue Rekordhöhe von 960 Mio. t steigen, und es gibt Anzeichen dafür, dass die Nachfrage weltweit steigt. Dieser Aufwärtstrend dürfte sich 2004 fortsetzen.

Trotz der deutlichen Wachstumssteigerung auf den Weltmärkten ist die Nachfrage in der EU, dem wichtigsten Exportmarkt für die Tschechische Republik und Polen, 2003 unverändert geblieben. Auch für 2004 ist lediglich ein geringer Anstieg zu erwarten (zwischen 1,4 % und 1,7 % für die größeren Länder).

Während sich in der zweiten Jahreshälfte 2003 die Preise weltweit erholten, fiel der Preisanstieg in der EU moderater aus als in anderen Regionen. Im gleichen Zeitraum wurden die Einkommensgewinne der Stahlproduzenten teilweise ausgeglichen durch einen erheblichen Kostenanstieg bei Rohstoffen, Transport und Energie. Diese Entwicklung beschleunigte sich gegen Ende 2003.

3. RESULTATE DER UBERWACHUNGSPROGRAMME FÜR DIE TSCHECHISCHE REPUBLIK UND POLEN

3.1. Tschechische Republik

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen erfuellt die Tschechische Republik im Hinblick auf die in Anhang 1 des Protokolls aufgeführten Unternehmen im Allgemeinen ihre Verpflichtungen aus dem Protokoll.

Die bis Ende 2003 gewährten staatlichen Beihilfen liegen unter dem vereinbarten Hoechstbetrag. Zwischen 1997 und 2003 hat die Tschechische Republik Beihilfen in einer Gesamthöhe von 12 Mrd. CZK (371 Mio. EUR [4]) gewährt, was annähernd 85 % der im Protokoll vereinbarten Hoechstsumme entspricht. Die begünstigten Unternehmen, die gemäß dem Protokoll staatliche Beihilfen erhalten dürfen, sind: Ispat Nova Hut a.s., Vitkovice Steel a.s. und Valcovny Plechu Fridek-Mystek a.s.

[4] CZK/EUR-Wechselkurs: 32,329 (Durchschnitt Dezember 2003).

Für 2003 war zwar kein Kapazitätsabbau vorgesehen, die Unternehmen betonen aber, dass sie ihrer Verpflichtung zur Stilllegung wirtschaftlich unrentabler Anlagen in den nächsten Jahren nachkommen werden, wie es im nationalen Umstrukturierungsprogramm vorgesehen ist.

Die Überwachung im ersten Jahr der Umstrukturierung der tschechischen Stahlindustrie zeigt weitgehend zufrieden stellende Ergebnisse. Positive Marktentwicklungen haben natürlich dazu beigetragen, aber die begünstigten Unternehmen zeigen gute Fortschritte auf ihrem Weg zur Erreichung des Umstrukturierungsziels, nämlich bis zum Ende der Umstrukturierungsphase rentabel zu sein.

Ungeachtet der guten Ergebnisse des Jahres 2003 fordert die Kommission die Tschechische Republik auf, den Umstrukturierungsprozess in den nächsten Jahren zu beschleunigen. Besonders bei zwei begünstigten Unternehmen sind weitere Anstrengungen notwendig, um die Umstrukturierung zu vollenden. Damit diese Unternehmen bis zum Ende des Umstrukturierungszeitraums rentabel sind, sind vor allem solche Investitionen erforderlich, die auf Kostensenkungen und auf die Produktion höherwertiger Fertigerzeugnisse abzielen.

3.2. Polen

Bei der Beurteilung des polnischen Umstrukturierungsprozesses ist zu beachten, dass das nationale Umstrukturierungsprogramm erst Mitte 2003 verabschiedet wurde und dass die Verhandlungen über die Privatisierung des größten polnischen Stahlproduzenten, PHS, in der zweiten Jahreshälfte 2003 noch nicht abgeschlossen waren. Beide Faktoren hatten einen Einfluss auf die bisherigen Ergebnisse.

Nach den der Kommission vorliegenden Informationen erfuellt Polen im Hinblick auf die in Anhang 1 des Protokolls aufgeführten Unternehmen seine Verpflichtungen aus dem Protokoll. Die bis jetzt gewährten staatlichen Beihilfen liegen unter dem vereinbarten Hoechstbetrag. Zwischen 1997 und 2003 hat Polen staatliche Beihilfen in der Gesamthöhe von 2,750 Mrd. PLN ( 590 Mio. EUR [5]) gezahlt, was annähernd 80 % des im Protokoll genannten Hoechstwertes entspricht. Die begünstigten Unternehmen, denen staatliche Beihilfen gewährt werden dürfen, sind: PHS, Huta Andrzej, Huta Bankowa, Huta Batory, Huta Buczek, Huta Lucchini-Warszawa (HLW), Huta Lab?dy und Huta Pok?j.

[5] PLN/EUR-Wechselkurs: 4,6595 (Durchschnitt Dezember 2003).

Soweit bekannt wurden 2003 auch die Verpflichtungen hinsichtlich des Kapazitätsabbaus erfuellt. Bei gewalzten Flacherzeugnissen wurden 2002 und 2003 die Kapazitäten insgesamt um 901 000 t abgebaut.

Gleichwohl sind im ersten Jahr der Umstrukturierung in Polen erhebliche Verzögerungen zu beobachten. Zum einen haben die begünstigten Unternehmen bis jetzt die Chancen, die sich aus der Erholung der Stahlmärkte ergaben, nicht vollständig genutzt und ihre Verkaufszahlen entsprechend erhöht. Zum anderen verhinderte der starke Preisanstieg bei Rohstoffen, dass die Unternehmen ihre Kostensenkungsstrategie wie geplant vollständig umsetzen konnten.

Die Verzögerungen bei der Umstrukturierung sind im Wesentlichen auf die langen Privatisierungsverhandlungen mit dem größten polnischen Stahlproduzenten, PHS, zurückzuführen, die erst im Jahr 2004 zum Abschluss kamen. Es wird jedoch erwartet, dass sich der Abschluss der Privatisierung positiv auf die Umstrukturierung auswirkt. Nach Ansicht der Sachverständigen, die die Kommission beim Umstrukturierungsprozess beraten, können die Verzögerungen vom neuen Eigentümer rasch wieder aufgeholt werden.

Die Kommission stellt fest, dass alle Unternehmen ihre Umstrukturierungsanstrengungen in den nächsten Jahren verstärken müssen, damit sie bis zum Ende des Umstrukturierungszeitraums die Schwelle der Rentabilität erreichen. Es wird weiterhin mit einer guten Marktsituation gerechnet, so dass die begünstigten Unternehmen davon profitieren sollten, um ihren Umsatz zu maximieren. Auf diese Weise könnten sie die nötigen Investitionen finanzieren und weitere Umstrukturierungsmaßnahmen durchführen.

4. FOLGEMASSNAHMEN

Bei der Überwachung des Umstrukturierungsprozesses der tschechischen und polnischen Stahlindustrie im Jahr 2003 hat die Kommission zum Teil erhebliche Verzögerungen bei der Erfuellung der in den jeweiligen Protokollen festgehaltenen Auflagen und Anforderungen festgestellt. Nach Auffassung der Kommission muss die Umstrukturierung im Jahr 2004 verstärkt werden, damit die begünstigten Unternehmen bis zum Ende der Umstrukturierungsphase rentabel sind. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei auf Investitionen zum Abbau der Produktionskosten und zur Absatzsteigerung höherwertiger Produkte liegen, um auf diese Weise die Erträge zu erhöhen.

Die Kommission wird die Bereiche, in denen Verzögerungen festgestellt wurden eingehend überwachen und in den kommenden Fortschrittsberichten darüber berichten.

Die Kommission weist noch einmal darauf hin, dass in den Protokollen eindeutig festgelegt ist, dass die Tschechische Republik und Polen ihrer Stahlindustrie neben den in den Protokollen vorgesehenen staatlichen Beihilfen keine weiteren staatlichen Beihilfen gewähren dürfen. Alle zusätzlichen Umstrukturierungsbeihilfen würden einen Verstoß gegen den Beitrittsvertrag darstellen. Die Kommission würde in diesem Fall die erforderlichen Schritte unternehmen, um die Rückzahlung solcher eventuell gewährten Beihilfen zu erwirken [6].

[6] Am 19. Mai 2004 beschloss die Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 2 EG-Vertrag die Einleitung eines förmlichen Verfahrens betreffend die Umstrukturierungshilfen für Huta Czestochowa, einen Stahlproduzenten, der nicht in Anhang 1 des Protokolls aufgeführt ist (Rechtssache C20/04 ex NN 25/2004).