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Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Europäischen Union - Jahresbericht 2002 /* KOM/2003/0098 endg. */


Bericht der Kommission an den Rat, das europäische Parlament, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Europäischen Union - Jahresbericht 2002 -

Zusammenfassung

Der vorliegende Bericht - der siebte Jahresbericht zur Chancengleichheit für Frauen und Männer in der Europäischen Union - gibt einen Überblick über die wichtigsten Entwicklungen und Fortschritte im Bereich der Geschlechtergleichstellung, die im Jahr 2002 auf der Ebene der Mitgliedstaaten und auf europäischer Ebene erzielt wurden.

Das Jahr 2002 war ein bedeutsames Jahr, das einen historischen Meilenstein im Erweiterungsprozess markierte mit dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern. Die Union sieht nun erwartungsvoll der Aufnahme der neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 entgegen. Die bis zum Beitritt verbleibende Zeit kann genutzt werden, um diese Länder in der letzten Phase ihrer Vorbereitungen auf die volle Mitgliedschaft durch Monitoring und Zusammenarbeit noch stärker zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund wurde das Aktionsprogramm zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Jahr 2002 für die Teilnahme der Beitrittsländer geöffnet.

2002 haben auch die Arbeiten des Konvents zur Zukunft Europas begonnen. Es wurde kritisiert, dass die Frauen im Konvent zu schwach vertreten seien. Um hier einen Ausgleich zu schaffen, wurde ein konsequenteres Gender-Mainstreaming gefordert. Will man all den Herausforderungen, vor denen die Europäische Union steht, erfolgreich begegnen, muss ein künftiger Verfassungsvertrag der Europäischen Union selbstverständlich den Anliegen der Frauen und der Männer in einem erweiterten Europa Rechnung tragen und den Grundsatz der Gleichbehandlung von Frauen und Männern bekräftigen. Will die Union eine Gesellschaft schaffen, in der die Gleichstellung der Geschlechter Realität ist, muss sie weiter darauf hinarbeiten, Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen in allen ihren Politiken und Maßnahmen zu fördern (Gender-Mainstreaming).

Den Rahmen für die Implementierung des Gender-Mainstreaming in allen Politikbereichen bildete weiterhin die Rahmenstrategie zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern. So wurden im Jahr 2002 beispielsweise die europäische Beschäftigungsstrategie einschließlich der Auswirkungen des Gender-Mainstreaming bewertet und die Einbeziehung der Gender-Dimension in den Strukturfonds analysiert. Große Fortschritte wurden in Bezug auf die Sensibilisierung und den Austausch von Good Practice im Kontext des Koordinierungsprozesses im Bereich soziale Eingliederung und im Kontext des Rentenberichts erzielt.

Die Änderung der Gleichbehandlungsrichtlinie - Ergebnis einer engen Zusammenarbeit mit dem Rat und dem Europäischen Parlament im Rahmen des Mitentscheidungsverfahrens - brachte die Gleichstellungsagenda im Bereich Beschäftigung ein gutes Stück voran. Große Aufmerksamkeit galt auch dem Thema ,häusliche Gewalt gegen Frauen" und der Festlegung einschlägiger Indikatoren; die Anstrengungen zur Verhütung und Beseitigung dieses nicht hinnehmbaren Übels wurden verstärkt.

Geschlechtergleichstellung ist ein universelles Menschenrecht. Eine deutlich sichtbare internationale Solidarität und Unterstützung für Frauen, denen dieses Recht verwehrt wird, ist von fundamentaler Bedeutung. Im Jahr 2002 wurden einige wichtige Schritte unternommen, doch bleibt noch viel zu tun, so dass dies auch in Zukunft ein wichtiges Handlungsfeld bleiben wird.

Umfassende statistische Daten finden sich in einem ausführlichen statistischen Porträt, das im Jahr 2002 unter dem Titel ,Das Leben von Frauen und Männern in Europa" von Eurostat veröffentlicht wurde (ISBN 92-894-3567-4).

Kapitel I

Geschlechtergleichstellung in einer erweiterten EU

1. Herausforderungen und Chancen der Erweiterung

Nach dem Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakischen Republik, Slowenien, der Tschechischen Republik, Ungarn und Zypern [1] sieht die Union nun erwartungsvoll der Aufnahme der neuen Mitgliedstaaten am 1. Mai 2004 entgegen.

[1] Die Modalitäten des Beitritts Zyperns zur EU werden, was die Volksgruppe der türkischen Zyprer anbelangt, im Beitrittsvertrag geregelt - in Übereinstimmung mit den Grundsätzen, auf denen die EU beruht.

Bei den während des gesamten Erweiterungsprozesses geführten Gesprächen und Verhandlungen über die Gleichstellung der Geschlechter ging es um mehr als nur um die Übernahme der EU-Rechtsvorschriften und -Prozesse durch die Beitrittsländer. Mit dem Aufbau einer immer engeren Union der Völker Europas und der Aufnahme dieser Länder in die Europäische Union werden ein reicher Erfahrungsschatz und wichtige Errungenschaften eingebracht, von denen die derzeitigen Mitgliedstaaten ihrerseits profitieren können. Es ist davon auszugehen, dass dieser Prozess der wechselseitigen Aneignung dessen, was in so vielen Ländern realisiert wurde, der Geschlechtergleichstellungspolitik in Europa eine neue Ausrichtung und neue, positive Impulse geben wird auf dem Weg zu einer Gesellschaft, in der die Gleichstellung von Frauen und Männern Realität ist.

Die Gleichstellung der Geschlechter ist seit langem als fundamentaler Grundsatz und als Grundrecht anerkannt und ist eines der im Vertrag über die Europäische Union festgeschriebenen Ziele. Geschlechtergleichstellung geht alle Bürgerinnen und Bürger an, denn demokratische Gesellschaften können nur dann ihr volles Potenzial ausschöpfen, wenn alle in vollem Umfang partizipieren und alle einen Beitrag leisten. Es kann nicht deutlich genug unterstrichen werden, dass wir es hier nicht mit einem Minderheitenproblem zu tun haben: betroffen ist die gesamte Bevölkerung. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass Rechts- und Verwaltungsvorschriften und -praktiken zur Verwirklichung der Gleichstellung von Männern und Frauen auf dieses Ziel hin ausgerichtet werden und dass das Thema nicht als Problem einer Minderheit abgetan wird.

Für alle Beitrittsländer kommt es in erster Linie darauf an, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um das Bewusstsein der Bürgerinnen und Bürger für ihre neuen Rechte zu schärfen. Um das Recht fest in der Gesellschaft zu verankern, ist es unverzichtbar, die Bürgerinnen und Bürger über ihre Rechte aufzuklären und sie zu ermutigen, diese Rechte auch wahrzunehmen - in einer Kultur der offenen Diskussion und untermauert durch die zur effizienten Beilegung von Streitigkeiten erforderlichen Justizkapazitäten.

Legislative Umsetzung

Im Bereich Chancengleichheit für Frauen und Männer galt es, neun Gleichstellungsrichtlinien umzusetzen. Wie im Regelmäßigen Bericht [2] dargelegt, ist der Prozess der Übernahme des gemeinschaftlichen Besitzstands in vielen Beitrittsländern gut vorangekommen, insbesondere in Zypern, in der Tschechischen Republik, in Lettland, Litauen, Ungarn, der Slowakei und Slowenien, wo im Jahr 2002 eine Reihe weiterer Schritte getan wurden. Estland, Malta und - wenn auch in geringerem Umfang - Polen hinken ein wenig hinterher. In allen Ländern sind weitere Fortschritte bei der Rechtsangleichung erforderlich. Die Kommission wird - entsprechend dem ihr vom Europäischen Rat in Kopenhagen erteilten klaren Auftrag - das Monitoring der einschlägigen Entwicklungen in allen Beitrittsländern verstärken.

[2] KOM(2002)XXX, Oktober 2002.

Eine vom Parlament im April 2000 gebilligte Änderung des tschechischen Beschäftigungsgesetzes präzisiert die Definition der Begriffe ,unmittelbare Diskriminierung" und ,mittelbare Diskriminierung" beim Zugang zur Beschäftigung. In Litauen wurde im Juni 2002 eine Änderung des Chancengleichheitsgesetzes verabschiedet, die ebenfalls die Begriffe unmittelbare und mittelbare Diskriminierung betraf; außerdem werden künftig beide Elternteile, die sich um die Erziehung von Kindern im Alter bis 8 Jahre kümmern, stärker unterstützt. In Slowenien wurde im Juni 2002 das Chancengleichheitsgesetz verabschiedet - ein Rahmengesetz, das eine gemeinsame Basis schafft für die Verwirklichung der Chancengleichheit für Frauen und Männer im öffentlichen Leben. In Lettland traten am 1. Januar 2002 das Arbeitsschutzgesetz und am 1. Juni 2002 das neue Arbeitsgesetzbuch in Kraft. In der Slowakei wurde im Mai 2002 das neue Sozialversicherungsgesetz verabschiedet, womit die Umsetzung der Richtlinie zur Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit abgeschlossen wurde. Im September 2002 wurde in Zypern der Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bei gleichwertiger Arbeit gesetzlich verankert.

Die Zusammenarbeit mit Bulgarien und Rumänien - die beide beträchtliche Fortschritte gemacht haben, wovon das fortgeschrittene Stadium der Beitrittsverhandlungen zeugt - ebenso wie mit der Türkei wird fortgesetzt.

Durchführungsstrukturen

Die Umsetzung der einschlägigen Rechtsvorschriften allein reicht aber nicht aus. Die Erfahrung hat gezeigt, dass geeignete Unterstützungsmechanismen erforderlich sind, unter anderem Strukturen wie Gleichstellungsstellen, Ombudsleute für Gleichstellungsfragen sowie engagierte und kompetente unabhängige Beratungsstellen. Die Herausforderung besteht nun darin, die neu eingeführten Rechtsvorschriften zur effektiven Anwendung zu bringen, sowie darin, sicherzustellen, dass die zuständigen Institutionen über die erforderlichen Verwaltungskapazitäten verfügen und in der Lage sind, die sich aus den neuen Rechtsvorschriften ergebenden Verpflichtungen zu erfuellen.

In der Tschechischen Republik dürfen die Arbeitsämter nunmehr positive Maßnahmen treffen, um Ungleichheiten am Arbeitsmarkt zu beseitigen oder zumindest abzubauen. Im April 2002 ist zum ersten Mal der Rat für die Chancengleichheit für Männer und Frauen zusammengetreten - ein interministerielles Konsultations- und Beratungsgremium, dessen Aufgabe es ist, die Geschlechtergleichstellungspolitik voranzubringen. Seit Januar 2002 ist in jedem Ministerium eine Planstelle für einen Beamten bzw. eine Beamtin vorgesehen, der bzw. die ausschließlich für die Agenda im Bereich Chancengleichheit für Männer und Frauen zuständig ist. Die ungarische Regierung hat im Juni 2002 die Einrichtung eines Antidiskriminierungsbüros angekündigt, dessen Aufgabe es sein soll, Diskriminierungen in der Arbeitswelt zu bekämpfen, die sich gegen Menschen mit Behinderungen, Roma und andere Minderheiten oder gegen Frauen richten. In Lettland wurde im Februar 2002 mit dem Beschluss über die Einrichtung des Geschlechtergleichstellungsrates ein Koordinierungs- und Beratungsgremium geschaffen. In Litauen engagiert sich weiterhin die Ombudsstelle für Chancengleichheit aktiv im Kampf gegen unmittelbare und mittelbare Diskriminierung. Im Jahr 2002 wurden die Ressourcen der Stelle weiter aufgestockt. In Slowenien sieht das neue Gesetz über die Beschäftigungsverhältnisse die Verabschiedung eines speziellen nationalen Programms für Chancengleichheit vor sowie die Möglichkeit, dass das Regierungsbüro für Chancengleichheit eine Ombudsperson ernennt, die für Fälle von Ungleichbehandlungen zuständig ist. Im Oktober 2001 wurde in Polen ein Regierungsbevollmächtigter für die Gleichstellung von Mann und Frau eingesetzt. In Zypern bedürfen die Strukturen und Mechanismen für die praktische Durchführung der Rechtsvorschriften, insbesondere unabhängige Beratungsstrukturen, einer weiteren Verstärkung. In Malta sind zwar bereits die erforderlichen Verwaltungskapazitäten für die Umsetzung des Acquis communautaire vorhanden, doch müssen sie weiter ausgebaut werden.

In Rumänien und Bulgarien sind lediglich geringe oder gar keine Fortschritte im Ausbau der für die Umsetzung und Durchsetzung der Gleichstellungsrechte erforderlichen institutionellen und administrativen Strukturen zu verzeichnen.

Darüber hinaus wurden noch weitere Gender-Mainstreaming-Initiativen in den Beitrittsländern eingeleitet. In Ungarn wird das Mainstreaming vorangebracht mit entsprechenden Schulungen für Angehörige der Rechtsberufe, mit Sensibilisierungsmaßnahmen und mit der Beseitigung von Ungleichheiten, insbesondere am Arbeitsmarkt. In Lettland konzentrieren sich die Anstrengungen darauf, die Durchsetzung des Konzepts der Geschlechtergleichstellung zu fördern. Im März 2002 wurde der begleitende Aktionsplan für die Durchsetzung des Konzepts im Jahr 2002 verabschiedet. Darin ist eine nationale Strategie für Geschlechtergleichstellung 2003-2007 vorgesehen, einschließlich Gender-Schulungen für Staatsbedienstete.

2. Die sozioökonomische Dimension

2.1. Beschäftigung

Die Zusammenarbeit mit den Beitrittsländern hat bereits in Form von sozioökonomischen Koordinierungsprozessen begonnen. Im Bereich der Beschäftigung wurde mit den so genannten ,Joint Assessment Papers" (JAP) (Gemeinsame Bewertungen) ein Verfahren der Zusammenarbeit auf den Weg gebracht. Ziel ist es, die Beitrittsländer auf ihre künftige Teilnahme an der EU-Beschäftigungsstrategie vorzubereiten und im Rahmen der Vorbereitungen auf künftige ESF-Fördermaßnahmen beschäftigungspolitische Prioritäten zu identifizieren.

Ganz im Gegensatz zu den Erfahrungen der 15 jetzigen Mitgliedstaaten war die Arbeitsmarktbeteiligung der Frauen in den Beitrittsländern früher üblicherweise hoch (eine Ausnahme bildet hier Malta mit einer extrem niedrigen Frauenerwerbsquote), bevor sie dann in den ersten Jahren des Übergangsprozesses dramatisch zurückging. Besonders in Lettland, Litauen, Malta, Polen und der Slowakischen Republik ist eine hohe Arbeitslosigkeit - bei Frauen wie Männern - zu beklagen. Andererseits liegt die Erwerbsbeteiligung der Männer unter dem EU-Durchschnitt, so dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede sowohl bei den Beschäftigtenzahlen als auch bei den Arbeitslosenzahlen weniger stark ausgeprägt sind als in der EU. Wie die Arbeitsmärkte in der EU weisen auch die Arbeitsmärkte in den Beitrittsländern eine starke geschlechtsspezifische Segregation auf. Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist sogar noch größer als in der EU.

In den meisten Beitrittsländern ist man sich durchaus der Notwendigkeit einer Gender-Mainstreaming-Politik und einer geeigneten Strategie bewusst, wenngleich es an den hierfür erforderlichen Instrumenten fehlt. Abgesehen von den grundlegenden Vorschriften über Mutterschaftsurlaub und Urlaub aus familiären Gründen sind familienfreundliche Arbeitszeitregelungen nur selten anzutreffen. Auch müssen die meisten Beitrittsländer für die Bereitstellung erschwinglicher Kinderbetreuungseinrichtungen sorgen. Insbesondere gilt dies für diejenigen mittel- und osteuropäischen Staaten, in denen entsprechende Einrichtungen mit dem Zusammenbruch der alten Systeme verschwanden.

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Mit der Aufnahme der zehn Beitrittsländer werden sich die in Lissabon festgelegten Ziele für die Beschäftigungsquoten etwas verschieben. Die Gesamtbeschäftigungsquote dürfte um etwa anderthalb Prozentpunkte auf 62,4 % zurückgehen, wobei die Auswirkungen bei den Männern deutlicher zu Buche schlagen werden als bei den Frauen.

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Im Rahmen einer ständigen Zusammenarbeit wurden in den gemeinsam mit den Beitrittsländern im Jahr 2002 organisierten Strukturfondsseminaren ausdrücklich Geschlechtergleichstellung und Gender-Mainstreaming thematisiert. Denn im Rahmen der Implementierung der Strukturfonds werden die neuen Mitgliedstaaten die auf der Kombination des Gender-Mainstreamings mit spezifischen Maßnahmen beruhende Doppelstrategie übernehmen. Auch wird es wesentlich darauf ankommen, dafür zu sorgen, dass in den neuen Mitgliedstaaten die NRO in die Programme einbezogen werden, und zwar sowohl als Partner bei der Programmplanung und bei der Durchführung der Strukturfondsmaßnahmen als auch als Empfänger von Fördermitteln.

2.2. Soziale Eingliederung

Im Bereich soziale Eingliederung besteht die Zusammenarbeit im Wesentlichen in der Ausarbeitung von Joint Inclusion Memoranda (JIM, Gemeinsame Memoranden zur Eingliederung). Ziel ist es, die Beitrittsländer auf eine volle Einbindung in den europäischen Koordinierungsprozess im Bereich soziale Eingliederung vorzubereiten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Beitritts. Die gemeinsame Ausarbeitung der Memoranden ist Teil eines Prozesses des gegenseitigen Lernens, an dem die Kommission und die nationalen Behörden in den einzelnen Beitrittsländern beteiligt sind. Letztere sind aufgefordert, die soziale Situation von Frauen und Männern in Niedrigeinkommensgruppen zu beschreiben, geschlechtsspezifische Probleme aufzuzeigen und darzulegen, wie Geschlechterfragen im Rahmen der Politik zur Förderung der sozialen Integration berücksichtigt werden und welche spezifischen Maßnahmen erforderlich sein könnten. Die Memoranden werden bis Ende 2003 fertiggestellt sein. Sie sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Erstellung der ersten nationalen Aktionspläne zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung durch die Beitrittsländer im Jahre 2005.

2.3. Frauen in Entscheidungsprozessen

Ziel des Erweiterungsprozesses ist ein Europa, in dem Frauen eine neue Rolle übernehmen können, ohne dass sie in irgendeiner Form ausgegrenzt werden. Frauenrechte sind untrennbar verbunden mit sozialem Fortschritt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Frauen in den Beitrittsländern die ihnen durch die bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften garantierten Gleichstellungsrechte in Anspruch nehmen können. Bei den im Jahr 2004 anstehenden Wahlen zum Europäischen Parlament müssen Frauen in vollem Umfang an den Entscheidungsprozessen und am politischen Leben teilhaben können. Die Frauen in den Beitrittsländern sollten die sich hier bietenden Chancen nutzen, um sich eine stärkere Präsenz in der Politik zu verschaffen.

Im Rahmen der Unterstützung der Beitrittsländer wurde das Aktionsprogramm zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Jahr 2002 für diese geöffnet. Dabei hat man sich für einen stufenweise Ansatz entschieden: in einer ersten Phase können die Beitrittsländer im Jahr 2003 auf lokaler Ebene Sensibilisierungsseminare durchführen, zu denen lokale und nationale Stakeholder eingeladen werden; in einer zweiten Phase ist eine Beteiligung an Projekten mit Partnern aus anderen Mitgliedstaaten oder Beitrittsländern vorgesehen.

Im Jahr 2003 wird die Kommission ihre Aktivitäten auf die Förderung des Geschlechtergleichgewichts in Entscheidungsprozessen konzentrieren. Dies ist auch Schwerpunktthema der im November 2002 veröffentlichten Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen (Frist für die Einreichung von Vorschlägen ist der 14. März 2003). Damit wird ein solides Fundament für einschlägige Maßnahmen und für den Austausch zwischen Beitrittsländern und Mitgliedstaaten gelegt.

Schließlich kann nur in einem Dialog von Angesicht zu Angesicht ein echtes gegenseitiges Verstehen erreicht und damit das Fundament für eine Partnerschaft gelegt werden. Daher wurden die Beitrittsländer auch als Beobachter zu den Sitzungen des Beratenden Ausschusses und des Programmausschusses im Oktober 2002 eingeladen. In Anknüpfung an diese positive Erfahrung wird dies ab April 2003 systematisch geschehen, um auf diese Weise eine solide Grundlage für die künftige Zusammenarbeit zu schaffen.

Kapitel II

Rahmenstrategie zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und MÄnnern

3. Der duale Ansatz

Die seit der UN-Weltfrauenkonferenz in Peking (1995) international anerkannte Gender-Mainstreaming-Strategie hat sich als effektives Instrument zur Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen erwiesen. Gender mainstreaming in Verbindung mit spezifischen Aktionen in Form von Gesetzgebung und Finanzierungsprogrammen, bilden den doppelten Ansatz, wie in der Rahmenstrategie zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Mannern beschrieben. Das Jahr 2002 war das dritte Jahr der Umsetzung derStrategie, in deren Rahmen alljährlich ein sämtliche Kommissionsdienststellen abdeckendes Arbeitsprogramm festgelegt wird.

Die Erfahrungen mit der Ausarbeitung und Überwachung der vorangegangenen beiden Arbeitsprogramme zeigt, dass es sich um ein wirkungsvolles Vorgehen handelt, das konkrete Ergebnisse liefert. Mit dem diesjährigen Arbeitsprogramm [3] gehen wir in die Halbzeit der Umsetzung der insgesamt auf fünf Jahre angelegten Rahmenstrategie. In diesem Stadium steht eine eingehendere Analyse der Fortschritte an, die in den verschiedenen Dienststellen der Europäischen Kommission erzielt wurden, unter anderem auch eine Bewertung der Auswirkungen auf die Ressourcen (personelle Mittel und Finanzmittel).

[3] Arbeitsprogramm KOM(2003)47, SEK(2003)137.

Die Kommission hat zwischenzeitlich ein globales Konzept für die Folgenabschätzung eingeführt. [4] Ab 2003 wird nach und nach für alle größeren neuen Initiativen - also für alle in der jährlichen Strategieplanung oder später im Arbeitsprogramm der Kommission vorgesehenen Initiativen - eine Folgenabschätzung unter den drei Aspekten soziale, wirtschaftliche und ökologische Nachhaltigkeit vorgenommen. Diese Folgenabschätzung tritt an die Stelle der derzeit geforderten Bewertungen der Auswirkungen auf Unternehmen, auf die Geschlechtergleichstellung, auf die Umwelt, auf die kleinen und mittleren Unternehmen, auf den Handel oder der Auswirkungen der Regelungstätigkeit. Die neue integrierte Folgenabschätzung knüpft an diese bestehenden Praktiken an und integriert sie in das neue Instrumentarium. Es bleibt jedoch Aufgabe der einzelnen Generaldirektionen, dafür zu sorgen, dass die von ihnen vorgenommenen Folgenabschätzungen die geschlechtsspezifischen Auswirkungen angemessen berücksichtigen. Hier wird auch künftig ständige Wachsamkeit geboten sein.

[4] Mitteilung der Kommission über Folgenabschätzung, KOM(2002)276 endgültig, siehe: http://europa.eu.int/comm/press_room/ presspacks/pdf/276-4de.pdf

4. Die europäische Beschäftigungsstrategie

Seit seinen Anfängen war die Gleichstellung der Geschlechter eine zentrale Komponente des Luxemburg-Prozesses. Dies schlägt sich entsprechend in der europäischen Beschäftigungsstrategie nieder. Im Jahr 2002 hat die Kommission eine Bewertung der europäischen Beschäftigungsstrategie vorgenommen. Eines der wichtigsten Ergebnisse war, dass sich die Doppelstrategie zur Verwirklichung der Geschlechtergleichstellung, also die Kombination von Mainstreaming und spezifischen Maßnahmen, als erfolgreich erwiesen hat. Die Dimension der Geschlechtergleichstellung ist selbst in den ,hinterherhinkenden" Mitgliedstaaten deutlicher sichtbar geworden, und die geschlechtsspezifischen Unterschiede - insbesondere bei Beschäftigungsquoten und Arbeitslosenquoten - konnten reduziert werden.

Trotz der in den vergangenen fünf Jahren erzielten Verbesserungen bleibt noch viel zu tun, um die in Lissabon und in Stockholm gemachten Zielvorgaben zu erfuellen und die nach wie vor zu großen geschlechtsspezifischen Diskrepanzen zu beseitigen. Ein nachhaltiges Engagement wird erforderlich sein, um die von der EU angestrebten Beschäftigungsquoten zu erreichen, insbesondere was die für die älteren Arbeitskräfte anvisierte Zielmarke anbelangt. Im gemeinsamen Bericht zur Erhöhung der Erwerbsbeteiligung wurde der erforderliche Beschäftigungszuwachs mit 15,4 Millionen zwischen 2002 und 2010 veranschlagt, wovon 9,6 auf die Frauen und 7,4 auf ältere Arbeitskräfte entfallen. Geht man von den derzeitigen Szenarien aus, ist die Lissabonner Zielvorgabe einer Gesamtbeschäftigungsquote von 70 % nur dann realisierbar, wenn es gelingt, an die in jüngster Zeit erzielten strukturellen Verbesserungen der Funktionsweise der europäischen Arbeitsmärkte anzuknüpfen und die Erwerbsbeteiligung der Frauen bis 2010 weiter zu erhöhen.

Die Zielvorgaben (Lissabon und Stockholm) betreffen die Beschäftigungsquoten. Zwar liegt es auf der Hand, dass die Erhöhung der Beschäftigung unmittelbar mit der Anhebung der Erwerbsbeteiligung zusammenhängt, doch wird auch der Abbau der Arbeitslosigkeit eine Rolle spielen. Die Erwerbsbeteiligung anzuheben wird kein leichtes Unterfangen sein, unter anderem deshalb, weil dies Änderungen bei bestimmten kulturellen und soziopsychologischen Faktoren voraussetzt. Die Hauptgründe für Nichterwerbstätigkeit bei den 15- bis 64-Jährigen sind persönliche oder familiäre Verpflichtungen (fast 20 % aller Nichterwerbstätigen und 29,2 % der nichterwerbstätigen Frauen), eigene Krankheit oder Behinderung (9 %), Aus- und Weiterbildung (27 %, aber fast 90 % in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen) und Ruhestand (16 %, aber etwa 90 % in der Altersgruppe der 55- bis 64-Jährigen). Dabei bestehen erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede, was die Gründe der Nichterwerbstätigkeit betrifft. Wenn Männer nicht erwerbstätig sind, hat dies seinen Grund zumeist darin, dass sie eine Ausbildung absolvieren oder bereits im Ruhestand sind. Bei fast der Hälfte der Frauen im Alter von 25 bis 54 Jahren hingegen sind familiäre und häusliche Verpflichtungen der Grund. Negative Steueranreize beeinflussen die Entscheidung der Frauen für oder gegen eine Erwerbsbeteiligung, insbesondere dann, wenn dieser Faktor in Kombination mit dem Faktor Betreuungsaufgaben und dem nach wie vor bestehenden geschlechtsspezifischen Lohngefälle zum Tragen kommen, das lediglich die Aussicht auf ein geringeres Einkommen eröffnet.

Man wird sich in zunehmendem Maße dessen bewusst, dass eine höhere Frauenerwerbsquote nicht zwangsläufig mit einem Abbau des geschlechtsspezifischen Lohngefälles einhergeht, da letzteres aus strukturellen geschlechtsspezifischen Ungleichheiten am Arbeitsmarkt resultiert. Darüber hinaus müssen die Ergebnisse mittel- und langfristig - und im Kontext der Geschlechtersegregation - überwacht und bewertet werden.

Auf der Tagung des Europäischen Rates in Barcelona haben sich die Mitgliedstaaten auf Zielvorgaben für die Bereitstellung von Kinderbetreuungseinrichtungen geeinigt: bis 2010 sollen für mindestens 90 % der Kinder zwischen 3 Jahren und dem Schulpflichtalter und für mindestens 33 % der Kinder unter 3 Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Zwar werden immer mehr Mitgliedstaaten tätig, um für eine Verbesserung der Situation zu sorgen, wobei quantitative Zielvorgaben gemacht und konkrete Fristen gesetzt werden, doch ist das Angebot an hochwertigen und erschwinglichen Betreuungsplätzen immer noch nicht ausreichend, um den Bedarf zu decken bzw. die in Barcelona gemachten Zielvorgaben zu erfuellen. Der Frage der Verbesserung der Betreuungsangebote für andere abhängige Personen wurde - wie auch im vorangegangenen Jahr - lediglich geringe Aufmerksamkeit zuteil.

Viele Mitgliedstaaten bauen ihre Urlaubsregelungen aus (Dänemark, Frankreich, Finnland, Spanien, Schweden, Vereinigtes Königreich, Irland, Österreich und Niederlande). Dies ist zwar als positive Entwicklung zu werten - angesichts des bestehenden Geschlechterungleichgewichts bei der Übernahme von Betreuungsaufgaben, die nach wie vor in erster Linie von Frauen wahrgenommen werden -, doch besteht die Gefahr, dass längere Berufspausen sich negativ auf die Frauenerwerbsquote auswirken, das geschlechtsspezifische Lohngefälle noch weiter vergrößern und zu einer noch größeren Geschlechtersegregation führen könnten.

Die Geschlechtergleichstellungspolitik im Allgemeinen und der duale Ansatz im Besonderen sind der Schlüssel zur Anhebung der Beschäftigungsquoten, zur Verbesserung der Arbeitsplatzqualität und zur Förderung eines integrativen Arbeitsmarktes. Die künftigen Herausforderungen im Bereich der Chancengleichheit lauten weiterhin: die Lissabonner Zielvorgaben erfuellen, das Monitoring der Auswirkungen einschlägiger Maßnahmen verstärken, die Kinderbetreuungsangebote ausbauen (Zielvorgaben von Barcelona) und die Sozialpartner in stärkerem Maße einbinden, insbesondere in den Bereichen geschlechtsspezifisches Lohngefälle und Elternurlaub.

5. Die Strukturfonds

Die Strukturfonds der Europäischen Union stellen beträchtliche Finanzhilfen zur Verfügung für die Qualifikationsentwicklung, Beschäftigungsförderung und Unterstützung bedürftiger Regionen. Geschlechtergleichstellung ist eines der zentralen Ziele. Auch im Rahmen der Strukturfonds wird der duale Ansatz verfolgt, der auf eine Verknüpfung spezifischer Chancengleichheitsmaßnahmen mit einer umfassenden Verpflichtung zur durchgängigen Berücksichtigung der Geschlechterproblematik bei allen Strukturfondsinterventionen setzt.

Am weitesten entwickelt ist dieser duale Ansatz beim Europäischen Sozialfonds (ESF), dem wichtigsten Finanzinstrument zur Unterstützung der europäischen Beschäftigungsstrategie. Die meisten Initiativen zum Abbau geschlechtsspezifischer Ungleichheiten stellen auf die Beschäftigung ab und werden vom ESF finanziert. In anderen von den Strukturfonds abgedeckten Bereichen, zum Beispiel Verkehr, Umwelt oder ländliche Entwicklung erwies sich die Umsetzung des Gender mainstreaming als schwieriger..

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Auf der dritten Konferenz über Gender-Mainstreaming in den Strukturfonds (14./15. Juni 2002, Santander, Spanien) wurde unterstrichen, dass lediglich einige wenige Strukturfondsprogramme in den Mitgliedstaaten eine umfassende Gender-Mainstreaming-Strategie vorsehen. Viele Programme enthalten zwar eine allgemeine Verpflichtung, die unterschiedlichen Auswirkungen der Fondsinterventionen auf Frauen und Männer zu berücksichtigen, doch lassen die meisten - was die Gleichstellungskomponente anbelangt - klare Zielvorgaben und geeignete Überwachungsmechanismen vermissen.

Italien ist einer der ersten Mitgliedstaaten, die ein umfassendes Evaluierungsinstrumentarium eingeführt haben, das es ermöglicht, die mit Hilfe der Strukturfonds erzielten Fortschritte im Bereich der Geschlechtergleichstellung zu messen. Mit diesem Instrumentarium hoffen die für die Fonds zuständigen italienischen Behörden, sicherstellen zu können, dass diejenigen, die die geförderten Projekte planen, auswählen und durchführen, der Geschlechterdimension in vollem Umfang Rechnung tragen.

Ein weiteres Good-Practice-Beispiel sind die von acht Regionen in Spanien unternommenen gemeinsamen Anstrengungen, einen bestimmten Teil der Strukturfondsgelder einzusetzen für die Förderung der Beschäftigungsfähigkeit von Frauen, für die Beseitigung der Geschlechtersegregation und für die Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten. Zu den in diesem Kontext vorgesehenen Maßnahmen zählen Ausbildungsmaßnahmen (insbesondere in Bereichen, in den Frauen unterrepräsentiert sind), Finanzhilfen für Unternehmen, die arbeitslose Frauen einstellen, die Unterstützung von Frauenunternehmen, Kampagnen, Forschungsarbeiten und Maßnahmen zur Förderung des Aufstiegs von Frauen in Führungspositionen.

Gestützt auf die Ergebnisse der Konferenz von Santander, arbeitete die Kommission Ende 2002 eine Mitteilung [5] aus. Darin stellte sie Beispiele für eine gute Gender-Mainstreaming-Praxis vor und formulierte Empfehlungen für eine weitere Stärkung des Gender-Mainstreaming. Die Mitteilung, die die Grundlage für die im Jahr 2003 anstehende Halbzeitüberprüfung des sechsjährigen Strukturfonds-Programmplanungszeitraums bilden wird, enthält mehrere klare Aussagen:

[5] KOM(2002)748.

- Spezifische Fördermaßnahmen für die Angehörigen des unterrepräsentierten Geschlechts sind von zentraler Bedeutung. Hierfür sind in deutlich sichtbarer Form entsprechende Finanzmittel bereitzustellen. Insbesondere sollte bereits bei der Festlegung der Kriterien für die Projektauswahl die Vergabe zusätzlicher Punkte für Projekte vorgesehen werden, die zur Gleichstellung der Geschlechter beitragen.

- Die Mittelzuweisungen für spezifische Maßnahmen im Bereich Geschlechtergleichstellung, insbesondere für Gender-Mainstreaming-Maßnahmen, müssen deutlich als solche ausgewiesen und in vielen Fällen aufgestockt werden.

- Gender-Mainstreaming ist eine anspruchsvolle Aufgabe, und ein effektives Gender-Mainstreaming erfordert eine spezifische Fachkompetenz und eine spezifische Schulung. Nach Geschlecht aufgeschlüsselte Statistiken sind hier von zentraler Bedeutung.

Bei allen künftigen Fördermaßnahmen der Strukturfonds wird es darauf ankommen, die Doppelstrategie eines mit spezifischen Maßnahmen verknüpften Gender-Mainstreaming weiterzuverfolgen, um Ungleichheiten abzubauen und das Ziel einer auf dem Prinzip der Gleichheit basierenden Gesellschaft zu verwirklichen.

6. Der Koordinierungsprozess im Bereich soziale Eingliederung

Der europäische Koordinierungsprozess im Bereich soziale Eingliederung soll die Mitgliedstaaten in ihren Anstrengungen zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung unterstützen. Der Rat legt gemeinsame Ziele fest, auf deren Grundlage die Mitgliedstaaten nationale Aktionspläne erstellen. Der Rat forderte die Mitgliedstaaten auf, in all ihren Strategien zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung durchgängig der Geschlechterperspektive Rechnung zu tragen.

Im Jahr 1999 waren 16 % der Frauen und 15 % der Männer in der EU von Armut bedroht. 10 % der Frauen und 8 % der Männer sind einem ständigen Armutsrisiko ausgesetzt. [6] Bei einer Kreuzklassifikation des Faktors Geschlecht mit anderen Faktoren, treten erhebliche geschlechtsspezifische Diskrepanzen zu Tage. So sind beispielsweise unter den Einpersonenhaushalten 24 % der Frauen gegenüber 19 % der Männer von Armut bedroht, und das Armutsrisiko allein erziehender Eltern, bei denen es sich größtenteils um Frauen handelt, liegt bei etwa 38 %. [7]

[6] Eurostat, ECHP-UDB Dez. 2002.

[7] Gemeinsamer Bericht über die soziale Eingliederung, Daten 1997, Tabelle 3c.

In den ersten nationalen Aktionsplänen, die im Jahr 2001 vorgelegt wurden, war die geschlechtsspezifische Dimension noch nicht sehr deutlich zu erkennen. Im Juli 2002 erzielten die zuständigen Ministerinnen und Minister Einigung darüber, dass die geschlechtsspezifische Dimension stärker berücksichtigt werden muss. Mit der auf Ministerebene eingegangenen politischen Verpflichtung wurden wichtige Impulse gegeben für ein erfolgreiches Gender-Mainstreaming. Die Ausarbeitung der im Juli 2003 im Rahmen des zweiten Turnus vorzulegenden nationalen Aktionspläne ist bereits im Gange.

Im September 2002 fand auf europäischer Ebene ein Treffen der für die Aktionspläne zuständigen nationalen Koordinatoren sowie nationaler Gender-Experten statt, das Gelegenheit bot, untereinander Erfahrungen mit dem Gender-Mainstreaming auszutauschen und über Erfolge und Schwierigkeiten zu sprechen sowie darüber, wie man diese Schwierigkeiten zu überwinden gedenkt. Auch im Kontext des Europäischen Rundtischgesprächs über soziale Eingliederung, das im Oktober 2002 in Aarhus stattfand, wurde eine Sondersitzung zum Thema Gender-Mainstreaming abgehalten. An dem Rundtischgespräch nahmen Mitglieder des Europäischen Parlaments, Vertreterinnen und Vertreter der nationalen Verwaltungen, der lokalen und regionalen Behörden, der Wissenschaft, der Sozialpartner und der NRO teil.

Ergebnis war die Anpassung des Textes über die gemeinsamen Ziele für die Aktionspläne 2003 durch den Rat. Ziel war es, deutlich herauszustellen, dass die Geschlechterdimension in sämtliche Phasen der Pläne integriert werden sollte. Näher ausgeführt wurde dies in dem von den nationalen Koordinatoren erarbeiteten gemeinsamen Konzept. Somit ist davon auszugehen, dass in den Plänen für das Jahr 2003 spezifische Gender-Aktionen einen größeren Stellenwert haben werden und dass das Gender-Mainstreaming als durchgängige Komponente deutlicher erkennbar sein wird.

7. Die Geschlechterdimension in den nationalen Rentenstrategien

Im Dezember 2001 einigten sich die Mitgliedstaaten darauf, Berichte auszuarbeiten, in denen sie darlegen, wie sie den kommenden Generationen von Rentnerinnen und Rentnern ein angemessenes Einkommen zu sichern gedenken, ohne die künftigen Generationen von Arbeitnehmern übermäßig zu belasten. Grundlage der Berichte sind gemeinsam festgelegte Ziele hinsichtlich der Angemessenheit der Rentensysteme, ihrer finanziellen Tragfähigkeit und ihrer Fähigkeit, auf sich verändernde Bedürfnisse zu reagieren. Unter Ziel 10 werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, darzulegen, wie ihre Rentensysteme den Bestrebungen nach Gleichbehandlung von Frauen und Männern nachkommen können.

Frauen stellen die Mehrheit der älteren Menschen - mit einem Anteil von etwa 60 % an den über 65-Jährigen und einem Anteil von fast zwei Dritteln an den über 75-Jährigen. Traditionell waren die meisten Rentensysteme jedoch auf den männlichen Alleinverdiener zugeschnitten, der vollzeitbeschäftigt ist und ohne Unterbrechung einer Erwerbstätigkeit nachgeht. Die ersten nationalen Berichte, die im September 2002 vorgelegt wurden, zeigen, dass sich viele Rentensysteme nach wie vor an diesem Grundmuster orientieren.

Das durchschnittliche Rentenniveau der Frauen liegt in vielen Ländern immer noch deutlich unter dem der Männer, was seine Ursache in erster Linie in den unterschiedlichen Erwerbsbiografien von Männern und Frauen hat. [8] In Finnland beträgt die durchschnittliche Gesamtrente der Frauen im Jahr 2000 841 EUR und liegt damit 27 % unter der Durchschnittsrente der Männer. In Spanien beträgt die Differenz 37 %. Die durchschnittliche beitragsabhängige Rente betrug im Jahr 2001 405 EUR für Frauen und 650 EUR für Männer. Das ent spricht einer Differenz von 45%. In Österreich lag die durchschnittliche gesetzliche Rente im Jahr 2000 bei 734 EUR für Frauen und bei 1 334 EUR für Männer. In Frankreich betrug die durchschnittliche monatliche Rente der Männer im Jahr 1997 1342 EUR und die der Frauen 767 EUR; dies entspricht einem Unterschied von 43 %. Im Vereinigten Königreich belief sich die Differenz im Jahr 2001 auf 16 %: Männer bezogen eine durchschnittliche wöchentliche Rente von 183 £, Frauen eine durchschnittliche wöchentliche Rente von 153 £.

[8] Mitteilung der Kommission: Entwurf zum Gemeinsamen Bericht der Kommission und des Rates über angemessene und nachhaltige Renten, KOM(2002)737 endgültig.

Die von der Kommission vorgenommene Bewertung der Berichte zeigt jedoch, dass die Mitgliedstaaten ihre Systeme Zug um Zug an die sich wandelnden sozialen und wirtschaftlichen Rollen von Frauen und Männern anpassen, der wachsenden Erwerbsbeteiligung der Frauen Rechnung tragen und zunehmend neue Vorschriften einführen, die es erleichtern, berufliche und familiäre Verpflichtungen miteinander in Einklang zu bringen. Die Auswirkungen werden jedoch nicht unmittelbar spürbar werden, und die erheblichen Differenzen zwischen den Rentenansprüchen von Frauen und Männern werden noch lange Zeit fortbestehen.

8. Sonstige Politikbereiche

8.1. Außenbeziehungen

Innerhalb der interdirektionalen Gruppe ,Geschlechtergleichstellung" wurde eine Untergruppe zum Thema ,Außenbeziehungen" eingerichtet, der Vertreterinnen und Vertreter der Generaldirektionen Entwicklung, Erweiterung, Amt für Zusammenarbeit EuropeAid, Außenbeziehungen, Amt für humanitäre Hilfe, Handel und Beschäftigung angehören. Im Jahr 2002 nahm die Untergruppe ,Außenbeziehungen" eine Überprüfung der derzeitigen Politiken vor, insbesondere des Stands der Umsetzung der drei einschlägigen Mitteilungen [9]. Grundlage war ein von einem Gender-Experten erarbeiteter Bericht.

[9] Zu den Themen Gleichstellung der Geschlechter in der Entwicklungszusammenarbeit, Frauen in der Konfliktprävention und Rolle der Europäischen Union bei der Förderung der Menschenrechte und der Demokratisierung in Drittländern.

Schwerpunkt der Arbeiten der Gruppe ist die effektive Umsetzung des Aktionsprogramms vom Juni 2001 zur Gleichstellung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe für die Entwicklungszusammenarbeit der Gemeinschaft. Außerdem untersucht die Gruppe die bisherigen Auswirkungen der Handels-, Entwicklungs- und sonstigen Außenpolitiken der EU auf die Frauen. Darüber hinaus geht sie der Frage nach, welchen zusätzlichen Nutzen die Kommission in ihren Verhandlungen und bilateralen Kontakten mit Partnern außerhalb der EU in Aussicht stellen kann, sowie der Frage, was die Kommission für das Empowerment der Frauen und für die Einbeziehung der Frauen in humanitäre und politische Prozesse tun kann.

8.2. Forschung und Entwicklung

Die Kommission hat ihre Aktivitäten im Bereich "Frauen und Wissenschaft" mit unterschiedlichen Ansätzen weiter verfolgt.

Im Januar 2002 wurde eine Expertengruppe unter Beteiligung von Frauen in der industriellen Forschung eingerichtet. Sie gab ihren Bericht im Januar 2003 ab.

Die Kommission plant ferner die Schaffung einer Europäischen Plattform der Frauen in der Wissenschaft, die Aktivitäten mit dem Ziel Förderung von Wissenschaftlerinnen entwickeln wird und sie plant auch, diese Frauen aktiver in die Gestaltung der wissenschaftspolitischen Debatte auf nationaler und Europäischer Ebene einzubeziehen. Um dies vorzubereiten wurde im November 2002 eine Studie über Netzwerke von Wissenschaftlerinnen in Angriff genommen. Diese Studie wird den Zeitraum von November 2002 bis Juni 2003 abdecken.

Ende Oktober 2002 hat die Kommission die Expertengruppe ENWISE eingerichtet deren Aufgabe es ist, die Situation von Wissenschaftlerinnen in den mittel- und osteuropäischen Ländern und in den baltischen Staaten zu untersuchen und darüber Bericht zu erstatten. Die Gruppe wird Empfehlungen formulieren, wie Rolle und Stellung der Frauen in der wissenschaftlichen Forschung in Europa (Ziel des Europäischen Forschungsraums) verbessert und die Zahl der weiblichen Teilnehmer aus den Zielländern im Rahmen des Sechsten Forschungsrahmenprogramms der Gemeinschaft (2002-2006) erhöht werden kann.

Am 17. Dezember 2002 hat die Kommission die ersten Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Sechsten Rahmenprogramms veröffentlicht, darunter eine offene Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Aktivitäten zum Thema ,Frauen und Wissenschaft". Der Fokus wird auf der Schaffung von Synergien zwischen nationalen und regionalen Politiken und Maßnahmen liegen, auf der Erhöhung der Frauenbeteiligung an der industriellen Forschung und auf der Implementierung des Gender-Mainstreamings in wissenschaftlichen Einrichtungen.

Außerdem werden die Integrierten Projekte und Exzellenz-Netze, die durch das Rahmenprogramm finanziert werden, einen Aktionsplan für Geschlechtergleichstellung vorzulegen haben. Darüber hinaus werden die Bewerter festzustellen haben, ob die betreffenden Projekte eine Gender-Dimension aufweisen, und, wenn dies der Fall ist, wie diese Dimension konkret realisiert wird.

8.3. Bildung

Am 29. und 30. November 2002 fand in Budapest ein Seminar statt, an dem Vertreterinnen und Vertreter der für die Verwaltung des Sokrates-Programms zuständigen nationalen Agenturen und Bildungsministerien teilnahmen. Im Rahmen des Seminars wurden die Ergebnisse der Studie zur Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der ersten Phase des gemeinschaftlichen Aktionsprogramms und die in der Studie enthaltenen Empfehlungen erörtert und Indikatoren festgelegt, die in der zweite Phase des Programms angewandt werden sollen.

Als Reaktion auf die Mitteilung der Kommission ,Einen Europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen" [10] nahm der Rat im Mai 2002 eine Entschließung an, in der die Chancengleichheit als einer der fundamentalen Grundsätze des Konzepts des lebenslangen Lernens genannt wird. Zur Verwirklichung der angestrebten Ziele kommt den Faktoren Zugang der Frauen zum lebenslangen Lernen und Beteiligung der Frauen am lebenslangen Lernen, insbesondere in den Unternehmen, zentrale Bedeutung zu.

[10] KOM(2001)678 endgültig vom 21. November 2001.

In Anknüpfung an den Kommissionsbericht ,Die konkreten künftigen Ziele der Bildungssysteme" [11] hat der Rat ein Arbeitsprogramm [12] angenommen, dem ein geschlechtsdifferenzierter Ansatz zugrunde liegt. Die beiden Texte bilden die Grundlage für die künftige Entwicklung der Politik im Bereich allgemeine und berufliche Bildung in Europa.

[11] KOM(2001)59 endgültig vom 31. Januar 2001.

[12] Angenommen am 14. Februar 2002, Nr. 6365/02.

8.4. Umwelt

In Zusammenarbeit mit der spanischen Ratspräsidentschaft wurde im Februar 2002 in Segovia ein Seminar zum Thema ,Die Frauen und die europäische Umweltpolitik" veranstaltet. Drei Themen standen auf dem Programm: Notwendigkeit einer eingehenden Analyse von Umweltfragen unter Berücksichtigung der Geschlechterperspektive; konkrete Maßnahmen zur Einbeziehung der Geschlechterperspektive in die Umweltpolitik; Notwendigkeit von Schulungen. Die Ergebnisse wurden dem Rat am 4. März 2002 präsentiert.

Das Gender-Mainstreaming hat im Jahr 2002 Eingang gefunden in den Managementplan der GD Umwelt. Sichtbare Fortschritte wurden insbesondere in den Bereichen Abfallwirtschaft, Gewässerschutz, Schutz des Meeres und Erhaltung der Böden erzielt. Es wurden zwei Studien zur Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen politischer Maßnahmen auf den Weg gebracht:

- Im Bereich Abfallwirtschaft wird eine Analyse der geschlechtsspezifischen Auswirkungen der derzeitigen Politik im Bereich Abfallplanung auf kommunaler Ebene in der EU vorgenommen. Die Ergebnisse der Studie sollen bei der Erarbeitung von Leitlinien für die Abfallwirtschaftsplanung in den Mitgliedstaaten zugrunde gelegt werden.

- Die zweite Studie hat das Gender-Mainstreaming im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie zum Gegenstand. Ziel ist es, zu untersuchen, ob die politischen Maßnahmen auf Frauen und Männer unterschiedliche Auswirkungen haben und wie sich etwaige negative Auswirkungen minimieren lassen.

Die Gender-Mainstreaming-Schulungen wurden auf die Ebene der Koordinatoren ausgeweitet. Auch die Kontaktstellen in sämtlichen Referaten wurden einbezogen.

9. Stakeholder im Bereich der Geschlechtergleichstellung

Am 6. März 2002 führte die Kommissarsgruppe ,Geschlechtergleichstellung" Gespräche mit den zentralen Einrichtungen auf europäischer Ebene, so mit dem Europäischen Parlament, dem spanischen Ratsvorsitz, dem Beratenden Ausschuss für die Chancengleichheit von Frauen und Männern und mit der Europäischen Frauenlobby.

Die interdirektionale Gruppe ,Geschlechtergleichstellung" arbeitete weiter an der Koordinierung der Gender-Mainstreaming-Politik innerhalb der Kommission und unterstützte die Kommissarsgruppe bei der Überwachung der Fortschritte.

Der Beratende Ausschuss für die Chancengleichheit von Frauen und Männern [13] hat seine Arbeiten fortgesetzt und fünf Stellungnahmen abgegeben. Zwei dieser Stellungnahmen waren an den Konvent gerichtet und betrafen die inhaltliche Ausgestaltung einer künftigen EU-Verfassung und/oder des künftigen EU-Vertrags. In den Stellungnahmen wurden grundlegende Prinzipien formuliert, die es nach Auffassung des Ausschusses zu berücksichtigen gilt, wenn in Europa das Ziel einer auf Geschlechtergleichstellung beruhenden Gesellschaft realisiert werden soll.

[13] http://europa.eu.int/comm/ employment_social/equ_opp/ strategy/advcom.html

Um die Zusammenarbeit mit den für Gleichstellungsfragen zuständigen nationalen Behörden in der EU zu intensivieren und die Aktivitäten zu koordinieren, organisiert die Kommission in enger Zusammenarbeit mit der EU-Ratspräsidentschaft zweimal jährlich ein Treffen von für Gleichstellungsbelange zuständigen hochrangigen Beamten aus den Mitgliedstaaten. Ziel ist es, ein Forum für einen Meinungsaustausch über politische und strategische Fragen des Gender-Mainstreamings und der Geschlechtergleichstellung zu schaffen. Der Fokus wurde auf das Follow-up der Pekinger Aktionsplattform im Rat und auf das Gender-Mainstreaming in den verschiedenen Ratsformationen gelegt. Im Jahr 2002 folgte die spanische Ratspräsidentschaft dem Beispiel der vorangegangenen Ratspräsidentschaften, indem sie darauf hinwirkte, dass die Geschlechterperspektive in zwei weiteren Ratsformationen - nämlich im Rat Umwelt und im Rat Landwirtschaft - zu einer festen Größe gemacht wird. Die dänische Ratspräsidentschaft sorgte dafür, dass die Geschlechterdimension bei allen relevanten Tagesordnungspunkten im Rahmen des Rates ,Beschäftigung und Sozialpolitik" noch stärker berücksichtigt wurde; außerdem legte sie einen Leitfaden für die Implementierung des Gender-Mainstreaming in den verschiedenen Ratsformationen vor.

Die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen (Follow-up der Pekinger Aktionsplattform), dem Europarat (Lenkungsausschuss für Chancengleichheit) und der OSZE (neuer Aktionsplan für Geschlechtergleichstellung) wurde fortgesetzt, um die Erfahrungen dieser Organisationen nutzbar zu machen und das Gender-Mainstreaming in relevanten Politikfeldern weiter voranzutreiben.

Nichtregierungsorganisationen spielen eine zentrale Rolle in der Förderung der Geschlechtergleichstellung. Von besonderem Nutzen ist ihr Beitrag bei der Bekämpfung des Menschenhandels und der Unterstützung der Opfer des Menschenhandels. Im Jahr 2002 haben die NRO insbesondere aktiv zur den Arbeiten des Konvents zur Zukunft Europas beigetragen.

Von unschätzbarem Wert war der Beitrag, den der Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments im Jahr 2002 im Bereich Geschlechtergleichstellung geleistet hat. Zu den Aufgaben des Ausschusses gehören die Beobachtung der Entwicklung und der Durchsetzung der Frauenrechte in der Union sowie die Förderung der Frauenrechte in Drittländern, die Implementierung und Weiterentwicklung des Mainstreamings in allen Sektoren, die Förderung der Geschlechtergleichstellung in Bezug auf Arbeitsmarktchancen und Gleichbehandlung am Arbeitsplatz sowie das Überwachung der Ausgaben. Im Jahr 2002 war der Ausschuss der federführende Ausschuss als Mitgesetzgeber bei der Änderung der Richtlinie 76/207/EWG über die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig hatte der Ausschuss Gelegenheit, sich zu verschiedenen anderen Themen zu äußern, wie über die Politik der Europäischen Union gegenüber den Mittelmeerländern hinsichtlich der Förderung der Rechte der Frau und der Chancengleichheit in diesen Ländern, über die Vertretung der Frauen in den Sozialpartnerorganisationen in der Europäischen Union, über die Halbzeitüberprüfung des Programms DAPHNE (2002-2003), über sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, über die Gleichstellung der Geschlechter als Querschnittsaufgabe für die Entwicklungszusammenarbeit und über Frauen und Fundamentalismus.

Kapitel III

Besondere politik und aktionen für die Gleichstellung voN mann und frau

10. Rechtsvorschriften

10.1. Gleichbehandlung

Die Richtlinie 76/207/EWG über die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen wurde im September 2002 [14] nach intensiver und konstruktiver Zusammenarbeit zwischen Ministerrat, Europäischem Parlament und Kommission geändert.

[14] Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen, ABl. L 269 vom 5.10.2002. S. 15-20.

Einer der wichtigsten Aspekte der Überarbeitung betraf die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz. Nunmehr wird erstmals auf EU-Ebene in verbindlichen Rechtsvorschriften definiert, was unter sexueller Belästigung zu verstehen ist, und sexuelle Belästigung als eine Form von Diskriminierung aus Gründen des Geschlechts verboten. Untersagt wird jede Form von unerwünschtem Verhalten sexueller Natur, durch das ein durch Einschüchterungen oder Erniedrigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. Die Arbeitgeber werden aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen, um allen Formen der Diskriminierung vorzubeugen. Ferner sollen sie die Arbeitnehmer regelmäßig über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in ihrem Betrieb informieren.

Dringend empfohlen wird der Abschluss von Tarifverträgen, die Vorschriften zur Beseitigung von Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts beinhalten. Des Weiteren verlangt die Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten Gleichbehandlungsstellen einrichten und diese mit umfassenden Befugnissen ausstatten, die es ihnen ermöglichen, die Fortschritte zu überwachen und Opfer von Diskriminierungen dabei zu unterstützen, ihrer Beschwerde wegen Diskriminierung nachzugehen. Außerdem ist vorgesehen, dass die Arbeitnehmern, die Opfer von Diskriminierungen wurden, gewährte Entschädigung dem erlittenen Schaden angemessen sein muss und nicht durch eine im Voraus festgelegte Hoechstgrenze begrenzt werden darf.

Überdies sieht die Richtlinie vor, dass Frauen nach Ablauf ihres Mutterschaftsurlaubs Anspruch darauf haben, an ihren früheren oder einen gleichwertigen Arbeitsplatz - unter Bedingungen, die für sie nicht weniger günstig sind - zurückzukehren, und darauf, dass ihnen alle Verbesserungen der Arbeitsbedingungen zugute kommen, auf die sie während ihrer Abwesenheit Anspruch gehabt hätten.

Wenngleich die Mitgliedstaaten die Richtlinie erst bis 2005 in nationales Recht umsetzen müssen, haben die meisten dies vorweggenommen und sind bereits tätig geworden, um auf nationaler Ebene gegen sexuelle Belästigung vorzugehen. Das belgische Gesetz gegen Belästigung am Arbeitsplatz [15] wurde im Juni 2002 erlassen. Die einschlägigen französischen Rechtsvorschriften wurden geändert [16], um die Definition des Mobbing mit aufzunehmen und den persönlichen Anwendungsbereich auszuweiten. Die Sozialpartner in Finnland haben erste gemeinsame Leitlinien für die Bekämpfung sexueller Belästigung am Arbeitsplatz ausgearbeitet und veröffentlicht. In Irland wurden schließlich drei neue Verhaltenskodizes zur drei verschiedenen Rechtsakten herausgegeben. Damit soll der großen Zahl von Mobbing-Klagen Rechnung getragen werden. [17]

[15] Moniteur belge/Belgisch Staatsblad, 22. Juni 2002.

[16] Gesetz vom 2. November 2002.

[17] Code of Practice Detailing Procedures for Addressing Bullying in the Workplace under the Industrial Relations Act, 1990; National Authority for Occupational Safety and Health Code of Practice on the Prevention of Workplace Bullying under the Safety, Health and Welfare at Work Act, 1989 and the Safety Health and Welfare at Work (General Application) Regulations, 1993 (Richtlinie 89/391/EG des Rates); Code of Practice issued by the Equality Authority on Sexual Harassment and Harassment at Work under the Employment Equality Act, 1998 - Employment Equality Act, 1998 (Code of Practice)(Harassment) Order 2002.

Auch die nationalen Gerichte haben sich immer häufiger mit dieser Thematik zu befassen. Dabei gehen sie höchst unterschiedliche Wege. In Frankreich beispielsweise bestätigte der Cour de Cassation [18] die Entscheidung eines Arbeitgebers, der den medizinischen Leiter eines Unternehmens wegen sexueller Belästigung entlassen hatte. In Spanien verurteilte das Tribunal de Justicial de Castilla y León [19] einen Bürgermeister wegen sexueller Belästigung einer Stadträtin und verhängte gegen ihn eine hohe Geldstrafe. In Österreich bestätigte der Verfassungsgerichtshof eine Entscheidung des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und soziale Angelegenheiten, aufgrund deren der ehemalige Leiter eines Bundesforschungsinstituts auf einen anderen (geringerwertigen Posten) versetzt wurde, weil er mehrere seiner weiblichen Untergebenen durch verbale Äußerungen sexuell belästigt hatte. [20] In Irland schließlich soll - im Anschluss an den Bericht eines externen beratenden Ausschusses - in den irischen Streitkräften eine neue Strategie verfolgt werden, um der hohen Zahl der Fälle von Belästigungen zu begegnen.

[18] Soc. 5. März 2002 Société Louisiane gegen Alsaz RJS 5/02- no. 528 S. 411.

[19] Oberster Gerichtshof der Autonomen Gemeinschaft Castilia-León, Urteil vom 30. Mai 2002.

[20] Verfassungsgerichtshof 26.11.2002, B 2212/00.

10.2. Gleiches Arbeitsentgelt

Auch mit der Frage des gleichen Arbeitsentgelts hatten sich die nationalen Gerichte zu befassen. In Luxemburg existiert eine gesetzliche Bestimmung, der zufolge einem qualifizierten Arbeitnehmer ein Arbeitsentgelt zu zahlen ist, das 20 % über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, wenn er über eine berufliche Qualifikation verfügt, die üblicherweise durch Aus- oder Weiterbildung erworben und deren Abschluss durch ein offizielles Diplom nachgewiesen wird oder wenn er seinen Beruf seit mindestens zehn Jahren ausübt. Das Kantonrechter in Hilversum in den Niederlanden hat zugunsten einer weiblichen Pflegekraft entschieden, die auf gleiches Arbeitsentgelt geklagt hatte. [21] Der Frau war ein geringeres Entgelt gezahlt worden als ihren Kollegen, weil sie nicht im Besitz eines Diploms war. In jungen Jahren, 1957, hatte sie eine entsprechende Ausbildung absolviert, wurde dann aber nicht zur Prüfung zugelassen, weil sie inzwischen verheiratet war. Der zuständige Richter entschied - in Übereinstimung mit einer Stellungnahme der Gleichbehandlungskommission [22] -, dass der Frau aufgrund ihres Geschlechts die Möglichkeit des Erwerbs des Diploms verwehrt worden sei. In ihrem Fall stelle das Erfordernis eines Diploms für die Einstufung in eine höhere Lohngruppe eine mittelbare Diskriminierung dar. In Dänemark sind am 1. Juli 2002 neue Rechtsvorschriften [23] in Kraft getreten, die die Arbeitgeber verpflichten, geschlechtsspezifische Lohnstatistiken für ihr Unternehmen zu erstellen.

[21] Quelle: www.cgb.nl/cgbrief/11-rechters1.html

[22] Stellungnahme 1998-01.

[23] Gesetz Nr. 445 vom 7. Juni 2001.

10.3. Vereinbarkeit von Familie und Beruf

In mehreren Mitgliedstaaten wurden im Laufe des Jahres 2002 einschlägige Rechtsetzungsinitiativen auf den Weg gebracht. In Österreich wurde eine neues Gesetz über die Familienhospizkarenz [24] in das Arbeitsrecht aufgenommen, mit dem eine bessere Betreuung sterbender Angehöriger oder schwerst erkrankter Kinder ermöglicht wird. Das Gesetz erkennt allen Arbeitnehmern einen Anspruch auf Herabsetzung ihrer Arbeitszeit oder auf Freistellung gegen Entfall ihres Arbeitsentgelts mit Zustimmung des Arbeitgebers zu. Am 21. Januar 2002 hat die niederländische Regierung einen Gesetzentwurf ins Parlament eingebracht, mit dem ein gesetzlicher Langzeitpflegeurlaub eingeführt werden soll. [25] In Finnland legte die Regierung dem Parlament am 11. April 2002 einen Bericht vor über Kinder betreffende politische Maßnahmen sowie über die Bewertung von Ansätzen für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Nun ist geplant, den Anspruch auf Vaterschaftsurlaub von derzeit 18 Tagen auf vier Wochen zu erhöhen. Die spanische Provinz Katalonien hat ihren Beschäftigten per Gesetz das Recht zuerkannt, im Anschluss an den 18-monatigen Mutterschaftsurlaub während einer Dauer von acht Monaten ihre tägliche Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich um ein Drittel zu reduzieren. Ursprünglich war diese Maßnahme nur für Frauen gedacht, doch soll der Geltungsbereich ausgedehnt werden auf sämtliche öffentliche Bedienstete - ungeachtet des Geschlechts. Auch beim Eltern- und Erziehungsurlaub in Dänemark hat sich einiges geändert. Gemäß dem Gesetz Nr. 141 vom 25. März 2002 wird es künftig über den Elternurlaub hinaus keinen zusätzlichen Erziehungsurlaub mehr geben. [26] Das deutsche Job-AQTIV-Gesetz gewährleistet, dass Männer und Frauen ab 1. Januar 2003 bei ihrer Rückkehr aus dem Elternurlaub Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nehmen können. [27]

[24] BGBl. I 89/2002.

[25] Quelle: Pressemitteilung des Ministeriums für soziale und Arbeitsmarktfragen, 21.1.2002. www.minszw.nl

[26] Verfügbar in dänischer Sprache in ,Retsinformation" unter http://www.retsinfo.dk/DELFIN/HTML/A2002/ 0014130.htm

[27] Bundesgesetzblatt Teil I, 2001, Nr. 66 vom 14.12.2001, S. 3443; http://217.160.60.235/BGBL/bgbl1f/ b101066f.pdf

Auch die Entscheidungen der nationalen Gerichte sind sehr ermutigend, was den Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf anbelangt. Das deutsche Bundesverfassungsgericht [28] hat eine Verfassungsbeschwerde gegen die Verlängerung der Unterrichtszeiten in den Grundschulen in Sachsen-Anhalt zurückgewiesen. Dieser Maßnahme lag die Absicht zugrunde, die Schulzeiten besser auf die Arbeitszeiten berufstätiger Eltern abzustimmen. Im Vereinigten Königreich entschied das zuständige Berufungsgericht [29], dass es sich im Falle einer betriebsbedingten Kündigung einer weiblichen Mitarbeitern um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gehandelt habe, als ein Arbeitgeber beschloss, als erste die Beschäftigten mit befristetem Arbeitsvertrag zu entlassen. In Italien schließlich urteilte das zuständige Gericht in Venedig [30], dass nach innerstaatlichem [31] Recht Eltern frei entscheiden können, wann sie den Elternurlaub in Anspruch nehmen wollen - unter der einzigen Bedingung, dass sie dies vorab ankündigen. Arbeitgeber können die Gewährung des Elternurlaubs nicht mit der Begründung ablehnen oder aufschieben, dass dies mit den betrieblichen Erfordernissen unvereinbar sei.

[28] Entscheidung vom 16. April 2002, 1 BvR 279/02; http://www.bundesverfassungsgericht.de/ entscheidungen/rk20020416_1bvr027902.

[29] Whiffen gegen Milham Ford Girls' School [2001] Industrial Relations Law Reports 468.

[30] Il lavoro nella giurisprudenza, 2001, S. 1052 ff.

[31] Artikel 32 der Verordnung Nr. 151 vom 26. März 2001 ist das Konsolidierungsgesetz zum Mutterschutz (veröffentlicht in der Gazzetta Ufficiale vom 26 April 2001, Nr. 96; http://www.parlamento.it/parlam/leggi/ deleghe/01151dl.htm).

11. Aktionsprogramm

Die Kommission fördert transnationale Projekte zum Austausch von Informationen und bewährten Verfahren und zum Networking auf EU-Ebene mit Zuschüssen von 250 000 bis 500 000 EUR bis zur maximalen Höhe von 80 % der Kosten. Die verbleibenden 20 % sind vom Antragsteller oder von anderen Geldgebern aufzubringen - und zwar in Form von Geldleistungen. An den Projekten müssen Partner aus mindestens drei Ländern beteiligt sein. Die Laufzeit der Projekte beträgt im Allgemeinen 15 Monate.

11.1. Schwerpunktthema 2001: gleiches Arbeitsentgelt

,Gleiches Arbeitentgelt für Frauen und Männer in der EU" lautete das Schwerpunktthema im ersten Jahr der Programmdurchführung, denn im geschlechtsspezifischen Lohngefälle kommt die Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt am deutlichsten zum Ausdruck. Im Durchschnitt verdienen die Frauen in der EU nur 84 % dessen, was die Männer verdienen. Die Mehrzahl der 27 Projekte [32], die im Jahr 2001 im Rahmen des Aktionsprogramms ausgewählt und mit insgesamt 8 Mio. EUR bezuschusst wurden, war dem Thema ,gleiches Arbeitsentgelt" gewidmet; die Ergebnisse der Projekte werden für 2003 erwartet. Da die Projektdauer 15 Monate beträgt, fanden im Jahr 2002 jedoch bereits mehrere Konferenzen statt. Auf diesen Konferenzen wurde - wie auch in mehreren Berichten [33] - erneut deutlich gemacht, dass es nach wie vor ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle gibt, und es wurde unterstrichen, wie wichtig hier Kollektivvereinbarungen, gender-sensitive Arbeitsplatzbewertungssysteme, Checklisten für Lohnverhandlungen und Aktionspläne für gleiches Arbeitsentgelt sind.

[32] Web-Adresse

[33] Centraal Bureau voor de Statistiek, www.cbs.nl, Pressemitteilung vom 29. Mai 2002. Siehe Bulletin 2/2002, S. 32. Siehe Bulletin 2/2002, S. 24. Bericht zur Berufs- und Einkommenssituation von Frauen und Männern im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Juli 2001, verfügbar unter http://www.bmfsfj.de/Anlage19920/ Bericht_der_Bundesregierung_zur_ Berufs-_und_Einkommenssituation_ von_Frauen_und_Maennern.pdf.; http://www.destatis.de/presse/deutsch/ pm2002/p2460042.htm

Die dänische Ratspräsidentschaft war am 29. November 2002 Gastgeberin einer Konferenz zum Thema ,Gleichheit des Arbeitsentgelts". Die Konferenz wurde in Zusammenarbeit mit zwei Projekten ausgerichtet, die im Rahmen des Aktionsprogramms der Gemeinschaft betreffend die Gemeinschaftsstrategie für die Gleichstellung von Frauen und Männern gefördert werden. Ziel der Konferenz war es, der Welt der Wirtschaft bewusst zu machen, dass die Gleichheit des Arbeitsentgelts einen Mehrwert darstellt. Eingeladen waren Vertreter öffentlicher und privater Unernehmen, der Sozialpartner, von Regierungsstellen und europäischen Einrichtungen.

11.2. Schwerpunktthema 2002: Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind eine zentrale Komponente der geschlechtsspezifischen Dimension der europäischen Beschäftigungsstrategie und des Koordinierungsprozesses im Bereich soziale Eingliederung. Ziel ist es, günstige Bedingungen zuschaffen, die es Frauen und Männern erleichtern, in den Arbeitsmarkt ein- bzw. wiedereinzutreten und dort zu verbleiben.

Voraussetzungen hierfür sind der Zugang zu erschwinglichen und hochwertigen Betreuungseinrichtungen, eine gerechte Aufteilung von Betreuungsaufgaben und häuslichen Pflichten, die Ermutigung der Väter, von ihrem Recht auf Elternurlaub Gebrauch zu machen und Möglichkeiten für flexible Arbeitsregelungen für Männer und Frauen. Spezielles Augenmerk gilt den Problemen der Frauen in den niedrigen Einkommensgruppen: lediglich 12 % der Frauen in der Altersgruppe der 16- bis 64-Jährigen gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, 8 % arbeiten in Teilzeit, 66 % sind nicht erwerbstätig - gegenüber 35 % der Männer in den niedrigen Einkommensgruppen. [34]

[34] Das Leben von Frauen und Männern in Europa - Ein statistisches Porträt, Eurostat, ECHP-UDB, Dez. 2001, S. 102.

Auch müssen die Mitgliedstaaten den Aspekt Vereinbarkeit von Familie und Beruf berücksichtigen, wenn sie die Reform ihrer Rentensysteme in Angriff nehmen. Hier gilt es zu vermeiden, dass die Rentenansprüche von Frauen und Männern gefährdet werden, die sich zum Zwecke der Kinderbetreuung beurlauben lassen.

Der finnische Ministerpräsident Paavo Lipponen ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man Familie und Beruf miteinander in Einklang bringen kann. Nach der Geburt seiner beiden Töchter nahm der Ministerpräsident jeweils fünf Tage Vaterschaftsurlaub. ,Ein Ministerpräsident ist nie in Urlaub. Ich musste ständig per Telefon erreichbar sein. Dies tat aber dem, was das Wichtigste war, keinen Abbruch: nämlich dem Zusammensein mit der Familie. Für die ganze Familie war dies die beste Zeit überhaupt. Und mein Vaterschaftsurlaub hatte absolut keine negativen Auswirkungen auf meine Karriere: im Gegenteil, die Presse in Spanien, Italien, Belgien und Frankreich - und zum Teil auch die finnischen Zeitungen - berichtete über den Ministerpräsidenten, der es vorzog, zu Hause beim neugeborenen Baby zu bleiben, während in Madrid das Gipfeltreffen stattfand. Das war die beste Werbung für Finnland, die es sich wünschen konnte. Ich habe das gemacht, um die finnischen - wie auch alle anderen Väter in Europa - zu ermutigen, die Möglichkeit des Vaterschaftsurlaubs in Anspruch zu nehmen."

Im Anschluss an die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen im Rahmen des Geschlechtergleichstellungsprogramms wurden im Jahr 2002 18 Projekte ausgewählt, die mit Mitteln in Höhe von 7,5 Mio. EUR bezuschusst werden. Die Projekte sind Ende 2002 angelaufen und haben eine Laufzeit von 15 Monaten.

11.3. Schwerpunktthema 2003: Frauen in Entscheidungsprozessen

Die Geschlechterparität im politischen Leben ist nach wie ein Thema sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf europäischer Ebene. In einigen Mitgliedstaaten zeichnet sich ein Trend ab, die Geschlechterparität im Wege von Rechtsvorschriften durchzusetzen, doch haben die Ergebnisse der jüngsten Wahlen auf nationaler Ebene eher gemischte Gefühle hinterlassen. In Frankreich beispielsweise hatte das Gesetz über die Geschlechterparität nicht die erwarteten Auswirkungen im Sinne einer ausgewogeneren Vertretung der Geschlechter - und zwar weder bei den Kommunalwahlen noch bei den Parlamentswahlen. [35] In Portugal sind die Frauen zwar in Parlament und Regierung nur schwach vertreten, doch ist eine leichte Verbesserung der Situation festzustellen. [36] In den Niederlanden hingegen war - was die Vertretung der Frauen bei den Parlamentswahlen im Mai 2002 betrifft - sogar eine rückläufige Entwicklung im Vergleich zu den letzten Wahlen festzustellen. [37] Der in Deutschland vorgelegte Regierungsbericht über das Geschlechtergleichgewicht in Ausschüssen [38] stimmt durchaus positiv [39].

[35] Siehe Bulletin 2/2002, S. 21.

[36] Siehe Bulletin 2/2002, S. 33.

[37] Siehe Bulletin 2/2002, S. 33.

[38] Siehe http://www.bmfsfj.de/top/sonstige/ Politikbereiche/Gleichstellung/ix4790_htm.

[39] Siehe Bulletin 2/2002, S. 24.

Mehrere Mitgliedstaaten haben sich des Themas der ausgewogenen Vertretung von Frauen und Männern in der Politik angenommen. In Belgien wurde die Verfassung geändert, um die Herstellung der Geschlechterparität auf föderaler Ebene und auf der Ebene der Gemeinschaften und Regionen zu fördern. [40] In Irland hat die Equality Authority (Gleichstellungsbehörde) ein Rahmendokument [41] ausgearbeitet, in dem unter anderem das Ziel der politischen Gleichstellung formuliert wird. [42] Die Parlamente der beiden Autonomen Gemeinschaften Spaniens haben ebenfalls Gesetze zur Gleichstellung bei den Wahlen verabschiedet: die politischen Parteien sind nunmehr verpflichtet, eine gleiche Anzahl von Kandidaten jedes Geschlechts aufzustellen. [43] Im Vereinigten Königreich wurden mit dem Sex Discrimination (Election Candidates) Act 2002 [44] die Rechtsvorschriften über Diskriminierung aufgrund des Geschlechts dahingehend geändert, dass die politischen Parteien nunmehr ihre Kandidaten von einer reinen Frauenliste auswählen dürfen. [45]

[40] Siehe Bulletin 2/2002, S. 17.

[41] National Action Plan for Women (April 2002). Das Dokument ist verfügbar unter: www.equality.ie - go to publications.

[42] Siehe Bulletin 2/2002, S. 30.

[43] Siehe Bulletin 2/2002, S. 35.

[44] Das Gesetz kann eingesehen werden unter: www.hmso.gov.uk/acts/acts2002/ 20020002.htm.

[45] Siehe Bulletin 1/2002, S. 40.

Im Jahr 2003 wird der Schwerpunkt auf dem Thema ,Frauen in Entscheidungsprozessen" liegen. Im Anschluss an die laufende Bewertung der Vertretung der Frauen auf Entscheidungsebenen und im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament im Jahr 2004 wird die Kommission ihre Fördertätigkeit im Jahr 2003 auf die Förderung eines ausgewogenen Geschlechterverhältnisses in Entscheidungsprozessen in Politik und Wirtschaft konzentrieren.

Im Oktober 2002 wurde im Rahmen des Programms zur Förderung der Geschlechtergleichstellung eine offene Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen veröffentlicht. Vorschläge können eingereicht werden von NRO oder Sozialpartnern auf europäischer Ebene sowie von Netzwerken regionaler oder lokaler Behörden und Organisationen, die sich im Bereich der Förderung der Geschlechtergleichstellung engagieren.

11.4. Schwerpunktthemen im Rahmen des Gleichstellungsprogramms für die nächsten Jahre

Damit sämtliche Aktionsbereiche der Rahmenstrategie zur Förderung der Gleichstellung von Frauen und Männern (2001-2005) abgedeckt werden, für die im Rahmen des Programms Finanzmittel bereitgestellt werden können, hat die Kommission folgende Prioritäten definiert:

2001: Gleiches Arbeitsentgelt

2002: Vereinbarkeit von Familie und Beruf

2003: Frauen in Entscheidungsprozessen

2004-2005: Geschlechtsspezifische Stereotype, einschließlich der in der Rahmenstrategie genannten Themen

Kapitel IV

Menschenrechte

12. Menschenhandel

Auch im Jahr 2002 stand die Bekämpfung des Menschenhandels, insbesondere des Frauenhandels zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung, ganz oben auf der politischen Agenda. Zehntausende Frauen und Kinder werden in die E.U. verschleppt, was Anlass zu grosser Sorge gibt.

Die Bekämpfung des Menschenhandels ist eine der politischen Prioritäten der EU. Im Jahr 1996 legte die EU das Programm STOP auf mit dem Ziel, Maßnahmen zur Bekämpfung des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Kindern zu unterstützen. Die Zusammenarbeit im Bereich der Rechtsdurchsetzung und der Strafverfolgung der Menschenhändler wurde ausgebaut, und die Union ist bemüht, die Problematik in ihren Gesprächen mit den Herkunfts-, Transit- und Bestimmungsländern aufzugreifen. Für einschlägige Maßnahmen wurden im Jahr 2002 2 Mio. EUR zur Verfügung gestellt.

Im Rahmen des Gemeinschaftshaushalts 2002 wurde vom Europäischen Parlament eine neue Haushaltlinie A-3046 mit der Bezeichnung ,Frauenorganisationen" eingeführt, die mit Mitteln in Höhe von 300 000 EUR ausgestattet wurde und in deren Rahmen Finanzhilfen für Frauenverbände - außer der Europäischen Frauenlobby (EWL) - gewährt werden. Für die Durchführung ist die Generaldirektion Beschäftigung und Soziales zuständig. Es wurde eine offene Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen veröffentlicht mit dem Ziel, ein ,Konsortium" von Frauenorganisationen zu schaffen, die nicht bereits durch die Europäische Frauenlobby vertreten sind und die Opfer des Menschenhandels in Europa unterstützen.

Vom 18. bis 20. September 2002 fand in Brüssel die ,Europäische Konferenz zur Prävention und zum Kampf gegen den Menschenhandel - Globale Herausforderung für das 21. Jahrhundert" statt. Die Konferenz wurde im Rahmen des STOP II Programms von der Europäischen Kommission initiiert und von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in enger Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und der Kommission organisiert. Die Konferenz brachte mehr als 1000 Teilnehmer aus den Mitgliedsstaaten, Kandidatenländern, Nachbarländern der erweiterten Union, der Vereinigten Staaten und Kanada, von internationalen und intergouvermentalen Institutionen, sowie Nichtregierungsorganisationen und europäischen Institutionen zusammen.

Die ,Brüsseler Erklärung" ist das Hauptresultat der Konferenz. Ziel der Erklärung ist es, die weitere Entwicklung der europäischen und internationalen Zusammenarbeit, konkrete Massnahmen, Standards, gute Praktiken und Mechanismen zu fördern, um den Menschenhandel zu vermeiden und zu bekämpfen. Zu diesem Zweck enthält die Brüsseler Erklärung Empfehlungen zur Prävention des Menschenhandels, für den Opferschutz sowie zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit. Die Kommission mißt der Umsetzung der Brüsseler Erklärung hohe Priorität zu.

Im Rahmen einer von der Kommission veranstalteten Konferenz zum Thema ,Turning the spotlight on trafficking in women", die am 5. und 6. Dezember 2002 in Syrakus (Sizilien) stattfand, kamen Experten und Expertinnen sowie Politiker und Politikerinnen aus verschiedenen EU-Staaten und Beitrittsländern zusammen, um darüber zu diskutieren, welche Instrumente zur Bekämpfung des Frauenhandels auf nationaler und auf EU-Ebene bestehen und welche Präventions- und Unterstützungsmaßnahmen zu treffen sind, um dieses Übel auszumerzen.

Auf der Konferenz wurde die Schaffung des bereits erwähnten, im Rahmen der neuen Haushaltlinie bezuschussten ,Konsortiums" angekündigt. Die Aktivitäten des Konsortiums werden von einer italienischen Nichtregierungsorganisation - IRENE - koordiniert. Unterstützt werden Schwesterorganisationen in sechs Mitgliedstaaten [46] und in Norwegen, die einigen der geschätzten halben Million von Frauen und Kindern helfen, die in Europa jedes Jahr Opfer des Menschenhandels werden.

[46] Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Italien und Spanien.

13. Häusliche Gewalt

Auf Initiative der spanischen Ratspräsidentschaft wurden im Kontext der Umsetzung der Pekinger Aktionsplattform im ersten Halbjahr 2002 eine Studie und ein Good-Practice-Leitfaden zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen veröffentlicht. Die Ergebnisse wurden im Rat erörtert. Der Rat unterstrich, dass es notwendig sei, einen auf mehreren Ebenen ansetzenden, multidisziplinären Ansatz zur Ausmerzung der Gewalt gegen Frauen zu verfolgen, und dass ein Austausch von Good Practice innerhalb der EU sowie weitere Sensibilisierungskampagnen erforderlich seien. Vor diesem Hintergrund hat der Rat während der dänischen Präsidentschaft im Dezember 2002 einen Satz von Indikatoren festgelegt.

Die Indikatoren machen zum einen deutlich, dass es hier um ein gemeinsames Anliegen geht, und zum anderen, dass man einen gemeinsamen Ansatz zur Bekämpfung häuslicher Gewalt in den Mitgliedstaaten verfolgt. Die Kommission erstellt derzeit eine Mitteilung, in der sie versucht, die gemeinsamen Elemente der verschiedenen Politiken zur Verhütung und Beseitigung häuslicher Gewalt herauszuarbeiten und dabei die neuen Indikatoren zu integrieren. Ziel ist es, die Aktivitäten auf der Ebene der Mitgliedstaaten wie auch auf europäischer Ebene zu verstärken.

Im Dezember 2002 wurde der Vorschlag für die zweite Phase (2004-2008) des Aktionsprogramms der Gemeinschaft zur Verhütung von Gewalt gegen Kinder, Jugendliche und Frauen sowie zum Schutz von Opfern und gefährdeten Gruppen (Programm DAPHNE II) vorgelegt. Der Vorschlag baut auf der im Zuge der Durchführung des ersten Programms gewonnenen Erfahrung auf. In seiner Struktur orientiert er sich an dem ursprünglichen DAPHNE-Programm, das für den Zeitraum 2000-2003 aufgelegt wurde. Das DAPHNE-Programm, die Projekte im Rahmen des Programms und die Projektergebnisse werden in Europa und über die Grenzen Europas hinaus als zentrales Planungsinstrument im Kampf gegen die Gewalt wie auch als Good-Practice-Beispiel für die Verknüpfung regionaler Politiken und Rahmenvorgaben mit regional ausgerichteten Kooperationsmaßnahmen anerkannt.

14. Muslimische Frauen in Europa

Eine weitere Initiative im Jahr 2002 zielte auf die Integration muslimischer Frauen in die europäische Gesellschaft. Den Internationalen Frauentag am 8. März widmete die Kommission diesem Thema, und am 24. Oktober 2002 war Kommissarin Diamantopoulou Gastgeberin einer Web-Konferenz, mit der den in verschiedenen Teilen Europas lebenden muslimischen Frauen Gelegenheit gegeben werden sollte zur Teilnahme an einer interessanten und - technisch gesehen - innovativen Diskussion über die Frage, wie sie ihre Rolle und ihre Einbeziehung in die europäische Gesellschaft sehen und was sie von der EU erwarten.

Die Konferenz fügte sich ein in die EU-Aktivitäten zur Bekämpfung von Diskriminierung und zur Förderung der Gleichstellung. Sie fand statt im Anschluss an die jüngsten Besuche von Kommissarin Diamantopoulou in den Palästinensergebieten und in Israel. Die Botschaft der Europäischen Union lautete wie folgt: ,Die europäische Gesellschaft basiert auf den Grundsätzen der Menschenrechte, der Gleichstellung von Männern und Frauen und der Nichtdiskriminierung. Die Europäer müssen die Lebensweise der Muslime respektieren, genauso aber müssen die in Europa lebenden Muslime die europäischen Grundsätze und Regeln respektieren."

Die Europäische Union hat europäische und nationale Institutionen und Stellen wie auch die islamischen Gemeinschaften selbst aufgefordert, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um Fremdenfeindlichkeit und Islamfeindlichkeit zu bekämpfen und die Bedürfnisse, Prioritäten und Forderungen muslimischer Frauen besser zu verstehen. Es muss mehr getan werden, um die Hindernisse aufzuzeigen, die diesen Frauen den Zugang zum Arbeitsmarkt und zum Bildungswesen erschweren. Ausserdem muss deutlich gemacht werden, welchen Beitrag sie innerhalb ihrer Gemeinde liefern.

15. Steinigung

Die Todesstrafe ist in allen Mitgliedstaaten abgeschafft. Die Todesstrafe als solche und insbesondere die Vollstreckung durch Steinigung wird somit als absolut inakzeptabel angesehen. Das Steinigen ist bedauerlicherweise weiter verbreitet als wir gemeinhin glauben. Nur wird dem Problem weltweit zu geringe Aufmerksamkeit geschenkt. Das schlimme Schicksal trifft in erster Linie Frauen. So waren es Iran im Jahr 2002 12 Frauen, die wegen ,moralischer Vergehen" zu Tode gesteinigt wurden. Männern wird bei vergleichbaren Vergehen ,nur" die Hand abgeschlagen.

In den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Barcelona (15./16. März 2002) brachte die Europäische Union ihre Sorge zum Ausdruck angesichts der Nachricht von der drohenden Steinigung einer Frau in Nigeria. Die Europäische Union forderte die nigerianischen Behörden nachdrücklich auf, Menschenrechte und Menschenwürde, namentlich die der Frauen, zu achten.

Im September 2002 wurden dem nigerianischen Hochkommissar in London 1,3 Millionen Unterschriften übergeben gegen die Verhängung der - durch Steinigung zu vollstreckenden -Todesstrafe wegen Ehebruchs gegen eine Nigerianerin. Amina Lawal, 30, war im März von einem islamischen Berufungsgericht im Staat Katsina schuldig gesprochen worden, nachdem sie ein außereheliches Kind zur Welt gebracht hatte. Am 24. September 2002 ging man in Belgien auf die Straße, um vor der nigerianischen Botschaft in Brüssel für Amina Lawal zu demonstrieren.

16. Afghanische Frauen

Das Elend afghanischer Frauen war ein weiteres Thema, dem sie die Europäische Union im Jahr 2002 zuwandte. In der afghanischen Hauptstadt leben Tausende von Witwen. Frauen werden gezwungen, sich von Kopf bis Fuß zu verhüllen, sie haben keinen Zugang zu Bildung und angemessener Gesundheitsversorgung, es ist ihnen verboten zu arbeiten, um zum Lebensunterhalt ihrer Familien beizutragen, und es erwarten sie brutale Prügelstrafen, wenn sie sich nicht den Regeln unterwerfen, die ihre Unterdrücker ihnen vorgeben.

Am 9. Oktober 2002 traf EU-Kommissarin Diamantopoulou die afghanische Vizepräsidentin und erste Frauenministerin Habiba Sorabi. Man war sich einig, dass man die Situation der Frauen in Afghanistan nicht aus den Augen verlieren dürfe. Beide Seiten erklärten ihre Bereitschaft, die Zusammenarbeit weiter auszubauen, um für eine Verbesserung der Situation der Frauen in Afghanistan zu sorgen. Empowerment, Bildung und EU-Förderprojekte standen im Mittelpunkt der Gespräche. Frau Diamantopoulou unterstrich nachdrücklich, dass die Frauen bei sämtlichen Fragen des Wiederaufbaus und des Aufbaus der staatlichen Strukturen einbezogen werden müssen.

Kapitel V

Perspektiven für 2003

17. Rahmenstrategie

Das Arbeitsprogramm der Kommission für das Jahr 2003 wird folgende bereichsübergreifende - also für sämtliche GDs und Dienststellen geltende - Prioritäten enthalten:

- Bei neuen politischen Initiativen wird im Rahmen der globalen Folgenabschätzung gegebenenfalls eigens eine Bewertung der geschlechtsspezifischen Auswirkungen vorgenommen; gleichzeitig wird das Gender-Mainstreaming weiter vorangetrieben, um es in bestimmten Politikfeldern zu implementieren, in denen bislang kein Gender-Mainstreaming praktiziert wurde.

- Jede Dienststelle wird verstärkte Anstrengungen unternehmen, um nach Geschlecht aufgeschlüsselte Daten zu erheben, sämtliche einschlägigen Statistiken systematisch nach Geschlecht aufzuschlüsseln und Gleichstellungsindikatoren zu entwickeln.

- Alle Generaldirektionen und Dienste werden in ihre Fortbildungspläne für die Mitarbeiter auf allen Ebenen, insbesondere auf Managementebene, Gender-Mainstreaming-Module integrieren.

18. Rechtsetzungsinitiativen

Die neuen Leitlinien für eine Verbesserung der Rechtsetzung und eine Vereinfachung und Aktualisierung der bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften lassen eine Neufassung der bestehenden Gleichbehandlungsrichtlinien erforderlich erscheinen. Die Kommission wird im ersten Quartal 2003 eine offene Anhörung einleiten zur möglichen Ausrichtung der entsprechenden Arbeiten und voraussichtlich Ende des Jahres einen konkreten Vorschlag vorlegen.

Die Kommission beabsichtigt ferner, im Jahr 2003 einen Bericht über die Durchführung der Richtlinie über den Elternurlaub auszuarbeiten, in dem sie unter anderem der Frage nachgehen wird, warum so viele Väter von ihrem Recht auf Elternurlaub keinen Gebrauch machen.

19. Stärkung der Lissabonner Strategie

Wie inder Mitteilung der Kommission [47] zum Gipfel in Barcelona dargelegt, sind im Jahr 2003 Arbeiten zur Analyse der geschlechtsspezifischen Unterschiede, einschließlich des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, geplant.

[47] KOM(2002) 14 endgültig, 15.01.2002.

20. Initiativen der griechischen und der italienischen Ratspräsidentschaft zum Thema ,Frauen in Entscheidungsprozessen"

Mit Blick auf die Ergänzung der in Peking vereinbarten Indikatoren zur Beteiligung der Frauen an Entscheidungsprozessen werden der griechische und der italienische Ratsvorsitz eine Analyse zum Thema ,Frauen in wirtschaftlichen Entscheidungsprozessen" in Angriff nehmen und geeignete Indikatoren vorschlagen. Gleichzeitig soll die Datenbank der Kommission über Entscheidungsträger/-innen eingerichtet werden, die sowohl das politische als auch das wirtschaftliche Leben abdecken wird.