52002DC0027

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Wirtschafts- und Sozialausschuß und den Ausschuß der Regionen - Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa /* KOM/2002/0027 endg. */

Amtsblatt Nr. C 055 vom 02/03/2002 S. 0003 - 0032


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN - Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

INHALTSVERZEICHNIS

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

Teil I: Eine Strategie für Europa

1. Die strategischen Herausforderungen

1.1. Technologische Revolution und Antwort der Politik

1.2. Eine europäische Strategie

2. Das Potential von Biowissenschaften und Biotechnologie

3. Das Potenzial ausschöpfen

3.1. Die Wissensbasis

3.2. Die Fähigkeit Europas, wissenschaftliche und technologische Lösungen zu liefern

4. Schlüsselelement für eine verantwortungsvolle Politik: Ein ordnungspolitischer Rahmen für Biowissenschaften und Biotechnologie

4.1. Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog

4.2. Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie in Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen

4.3. Bedarfsorientierte Anwendungen aufgrund fundierter Entscheidungen

4.4. Vertrauen in wissenschaftlich untermauerte staatliche Kontrolle

4.5. Ordnungspolitische Grundsätze

5. Europa in der Welt - auf die globalen Herausforderungen reagieren

5.1. Eine europäische Agenda für die internationale Zusammenarbeit

5.2. Die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt

6. Praktische Umsetzung und Kohärenz für alle Politikbereiche, Sektoren und Akteure

7. Ein Rahmen für Dialog und Aktion

Teil II: Aktionsplan

1. Die strategischen Herausforderungen

Nach der Informationstechnologie bilden Biowissenschaften und Biotechnologie nach allgemeiner Einschätzung die nächste Phase der wissensbasierten Wirtschaft, sie werden neue Möglichkeiten für Gesellschaften und Volkswirtschaften eröffnen.

Sie werfen aber auch wichtige politische und gesellschaftliche Fragen auf und haben eine breite öffentliche Debatte ausgelöst, dies wurde auch anlässlich der umfassenden öffentlichen Konsultation deutlich, die die Kommission im Herbst 2001 durchführte [1]. Diesen Fragen müssen wir uns mit großer Aufmerksamkeit und Sensibilität nähern. In Europa verteilt sich hier allerdings die Zuständigkeit auf zahlreiche Politikbereiche und Akteure. Ohne gemeinsame Vision der Sache selbst und ohne gemeinsame Ziele und eine wirksame Koordinierung konnte sich Europa bislang nur langsam und mühsam den Herausforderungen und Möglichkeiten dieser neuen Technologien stellen.

[1] Mitteilung der Kommission ,Zu einer strategischen Vision vom Biowissenschaften und Biotechnologie: Konsultationspapier", KOM(2001) 454 vom 4.9.2001. Die Mitteilungen, Kommentare der Öffentlichkeit via Internet und Ergebnisse der von der Kommission veranstalteten Konferenz der Interessenvertreter vom 27./28. September 2001 sind zu finden unter http://europa.eu.int/comm/biotechnology .

Unsere demokratischen Gesellschaften sollten die notwendigen Sicherungen und Dialogkanäle schaffen, damit die Entwicklung und Nutzung der Biowissenschaften und Biotechnologie unter Wahrung der Grundwerte ablaufen kann, die die EU in der Grundrechtecharta anerkannt hat.

Europa steht vor einer wichtigen politischen Entscheidung: entweder eine passive und reagierende Rolle zu spielen und diese Technologien so zu akzeptieren, wie sie von anderen gestaltet werden, oder selbst politische Konzepte zu ihrer verantwortungsbewussten Nutzung zu entwickeln, die mit europäischen Werten und Normen in Einklang stehen. Je länger Europa zögert, um so weniger erscheint die zweite Option realistisch.

In wichtigen politischen Fragen ist die Gemeinschaft - und im Besonderen die Kommission - gefordert, zur Suche nach neuen Wegen beizutragen. Diese Initiative soll den Rahmen hierfür abstecken.

1.1. Technologische Revolution und Antwort der Politik

Biowissenschaften und Biotechnologie erleben derzeit eine Revolution, die neue Anwendungsmöglichkeiten in Gesundheitswesen, Landwirtschaft, Nahrungsmittelproduktion und Umweltschutz eröffnet und neue wissenschaftliche Entdeckungen mit sich bringt. Diese Entwicklung ist weltweit festzustellen. Die gemeinsame Basis an Wissen über lebende Organismen und Ökosysteme bringt neue Wissenschaftssparten wie Genomik und Bioinformatik und neue Einsatzmöglichkeiten wie Gentests und Regeneration von menschlichen Organen und Geweben hervor. Diese wiederum lassen Anwendungen erwarten, die tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft haben werden, weit hinausgehend etwa über die Nutzung genetisch veränderter Kulturpflanzen.

Die Ausweitung der Wissensbasis geht einher mit einer beispiellosen Schnelligkeit bei der Umsetzung neuester wissenschaftlicher Erfindungen in praktische Anwendungen und Produkte, sie bietet damit auch ein Potenzial für die Schaffung neuen Wohlstandes: alte Industriezweige werden wiederbelebt, neuartige Unternehmen entstehen, die genau die Art von qualifizierten Arbeitsplätzen bieten, die als Grundlage für die wissensbasierte Wirtschaft benötigt werden. Biowissenschaften und Biotechnologie können als vielleicht vielversprechendste Spitzentechnologien einen wesentlichen Beitrag zu dem Ziel der Europäischen Gemeinschaft leisten, zum führenden wissensbasierten Wirtschaftsraum zu werden, so wie es der Europäische Rat von Lissabon formuliert hat. Der Europäische Rat von Stockholm vom März 2001 hat dies bestätigt und die Kommission aufgefordert, gemeinsam mit dem Rat Maßnahmen zu prüfen, um das Potenzial der Biotechnologie umfassend zu nutzen und die Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Biotechnologiesektors zu stärken und so mit den führenden Konkurrenten mitzuhalten, gleichzeitig aber dafür Sorge zu tragen, dass diese Entwicklungen so ablaufen, dass Gesundheit und Sicherheit der Verbraucher und der Schutz der Umwelt gewährleistet sind und die gemeinsamen Grundwerte und ethischen Grundsätze eingehalten werden.

Der aktuelle Leistungsstand Europas in den Biowissenschaften und der Biotechnologie macht es nicht einfach, dieses Ziel zu erreichen.

In Europa hat sich wie anderswo auch eine intensive öffentliche Debatte entwickelt. Auch wenn diese Debatte zu Bewusstseinsbildung und konkreten Verbesserungen in wichtigen Aspekten beitragen konnte, hat sie sich doch zu einseitig auf genetisch veränderte Organismen und spezifische ethische Fragen konzentriert, in denen die öffentliche Meinung polarisiert ist. In der Gemeinschaft wie in anderen Regionen und Ländern wirft der wissenschaftliche und technologische Fortschritt in diesen Bereichen komplexe Grundsatzfragen auf und stellt uns vor ordnungspolitische Herausforderungen. Unsicherheit hinsichtlich der gesellschaftlichen Akzeptanz lenkt in Europa von den Faktoren ab, die unsere Fähigkeit zu Innovation, technologischer Entwicklung und Umsetzung bestimmen. Dies schwächt unsere Wettbewerbsposition und unsere Forschungskapazitäten und schränkt langfristig auch unsere politischen Optionen ein.

Europa steht an einem Scheideweg: wir müssen aktiv eine verantwortungsbewusste Politik entwickeln, zukunftsorientiert und global denken, oder wir werden mit einem politischen Rahmen konfrontiert werden, der von anderen - in Europa und weltweit - gestaltet wurde. Die Technologie und ihre Einsatzmöglichkeiten entwickeln sich rasch; nach Auffassung der Kommission steht Europa somit nicht vor der Entscheidung, ob es die Herausforderung dieses neuen Wissens und seiner Nutzung annimmt, sondern wie es sich dieser Herausforderung stellen kann.

1.2. Eine europäische Strategie

Die Europäische Kommission möchte aktiv zum Nachdenken über diese Fragen und zur Bewältigung der Herausforderung beitragen. Im September 2001 leitete sie eine umfassende öffentliche Konsultation zu einer großen Bandbreite relevanter Aspekte ein [2]. Nur bei einem Teil dieser Fragen kann die Gemeinschaft unmittelbar handeln - die meisten sind von einer Vielzahl öffentlicher und privater Akteure abhängig. In einigen Bereichen wie Produktzulassung, Schutz des Binnenmarktes, Agrar- und Handelspolitik verfügt die Gemeinschaft über die ausschließliche Zuständigkeit. Auf anderen Gebieten ist sie nicht oder nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten zuständig. Letztendlich ruht also die Verantwortung für Erfolg oder Scheitern auf vielen Schultern.

[2] KOM(2001) 454, 4.9.2001.

Die Wahrung des Subsidiaritätsprinzips sollte die Europäer jedoch nicht davon abhalten, gemeinsame Ziele auch gemeinsam zu verfolgen. Innerhalb einer von allen geteilten Vision langfristiger und globaler Chancen und Herausforderungen können wir klare strategische Ziele und kohärente, ganzheitliche Konzepte ausarbeiten und dabei auf neue Formen der Zusammenarbeit und Überwachung zurückgreifen, insbesondere auf die offene Koordination und das Benchmarking, die Stützpfeiler der Strategie von Lissabon.

Mit dieser Initiative regt die Europäische Kommission eine Strategie für Europa an, um nachhaltige und verantwortungsbewusste politische Konzepte für folgende drei Fragenkomplexe zu entwickeln:

* Biowissenschaften und Biotechnologie bieten die Chance, zahlreiche globale Probleme im Zusammenhang mit Gesundheit, Alter, Ernährung und Umwelt sowie nachhaltiger Entwicklung in den Griff zu bekommen. Wie kann Europa die notwendigen Humanressourcen, Industriekapazitäten und Finanzen anziehen, um diese Technologien optimal zu gestalten und zu nutzen, den Bedürfnissen der Gesellschaft gerecht zu werden und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu steigern-

* Breiter Rückhalt in der Öffentlichkeit ist entscheidend, und die ethischen und gesellschaftlichen Aspekte und Bedenken müssen ernst genommen werden. Wie kann Europa wirksame, glaubwürdige und verantwortliche Politikkonzepte hervorbringen, die das Vertrauen und die Unterstützung der Bürger finden-

* Wissenschaftliche und technologische Revolution sind eine globale Realität, die neue Chancen und Herausforderungen für alle Länder der Welt - ob reich oder arm - schafft. Wie kann Europa am besten auf die globalen Herausforderungen reagieren, seine politischen Konzepte mit einer klaren internationalen Perspektive entwickeln und global handeln, um seine Interessen wahrzunehmen-

Die Kommission schlägt eine politische Strategie vor, die verantwortliche, wissenschaftlich fundierte und am Menschen orientierte Konzepte auf ethischer Grundlage beinhaltet. Diese Strategie soll es Europa ermöglichen, das positive Potenzial von Biowissenschaften und Biotechnologie (Abschnitte 2 und 3) zu nutzen, einen angemessenen ordnungspolitischen Rahmen (,Governance", Abschnitt 4) zu schaffen und der globalen Verantwortung Europas (Abschnitt 5) gerecht zu werden. Es ist dies ein Vorschlag für eine integrierte Strategie - die verschiedenen Elemente bedingen und verstärken sich gegenseitig.

Die Umsetzung dieser Strategie erfordert eine offene und kontinuierliche Zusammenarbeit, die auf kohärente und glaubwürdige politische Konzepte abzielt (Abschnitt 6). Die Kommission schlägt weiter einen Aktionsplan vor, der konkrete Maßnahmen der Kommission und der Gemeinschaft beschreibt sowie Empfehlungen ausspricht für andere öffentliche und private Akteure - stets unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips.

2. Das Potential von Biowissenschaften und Biotechnologie

Biowissenschaften und Biotechnologie gelten allgemein als einer der Bereiche mit den weitreichendsten Perspektiven für die nächsten Jahrzehnte. Biowissenschaften und Biotechnologie sind Grundlagentechnologien - wie die Informationstechnologie lassen sie sich in einer Vielzahl von Bereichen einsetzen, zum Nutzen des Einzelnen wie der Allgemeinheit. Dank wissenschaftlicher Erfolge in den letzten Jahren wird das explosionsartige Wachstum unseres Wissens über lebende Systeme zwangsläufig einen kontinuierlichen Strom neuer Anwendungen hervorbringen.

In der Gesundheitsfürsorge besteht weltweit ein enormer Bedarf an innovativen Konzepten, die den Bedürfnissen einer alternden Bevölkerung und der armen Länder gerecht werden. Noch immer gibt es für die Hälfte aller Krankheiten in der Welt keine Heilung, und selbst bekannte Behandlungsmethoden wie Antibiotika verlieren aufgrund zunehmender Resistenz der Erreger an Wirkung. Die Biotechnologie erlaubt bereits heute eine billigere, sicherere und ethisch eher vertretbare Entwicklung von immer mehr traditionellen wie auch neuartigen Medikamenten und medizinischen Diensten (etwa Wachstumshormone für den Menschen, die nicht das Risiko einer Creutzfeldt-Jacobs-Erkrankung mit sich bringen, Behandlung von Blutern mit einem unbegrenzten Angebot an AIDS- und Hepatitis-C-freien Koagulationsfaktoren, Humaninsulin und Impfstoffe gegen Hepatitis B und gegen Tollwut). Biotechnologie steht hinter dem Paradigmenwechsel im Umgang mit Krankheit, hin zu einer auf die Person ausgerichteten und präventiven Medizin, die sich auf die Feststellung genetischer Veranlagung, gezielte Untersuchungen und Diagnosen sowie Behandlung mit innovativen Medikamenten stützt. Die Pharmakogenomik, die Informationen über das Humangenom für die Entwicklung neuer Medikamente einsetzt, wird diesen radikalen Wandel weiter fördern. Stammzellenforschung und Xenotransplantation bieten die Aussicht auf Ersatzgewebe und -organe zur Behandlung degenerativer Krankheiten und der Folgen von Schlaganfällen, Alzheimer und Parkinson, Verbrennungen und Rückenmarksverletzungen.

In der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung hat die Biotechnologie das Potenzial, für eine verbesserte Lebensmittelqualität und ökologische Vorteile durch agronomisch verbesserte Nutzpflanzen zu sorgen. Seit 1998 hat sich die Anbaufläche für genetisch veränderte Kulturpflanzen weltweit nahezu verdoppelt und erreichte 2001 rund 50 Millionen Hektar (im Vergleich dazu etwa 12 000 Hektar in Europa). Die Qualität von Lebens- und Futtermitteln lässt sich auch im Zusammenhang mit Krankheitsvorsorge und der Verringerung von Gesundheitsrisiken sehen. Lebensmittel mit verbesserten Eigenschaften (,funktionelle Lebensmittel") dürften unter den Aspekten ,Lifestyle" und Nährwert zunehmend an Bedeutung gewinnen. Die Genomanalyse bei Pflanzen, unterstützt durch ein FAIR-Forschungsprojekt, hat bereits zur genetischen Verbesserung einer traditionellen europäischen Getreidepflanze (Dinkel) mit gesteigertem Proteingehalt (18 %) geführt, die als alternativer Proteinlieferant für Tierfutter dienen kann [3]. Bei Pflanzen mit veränderter Resistenz konnte eine erhebliche Verringerung des Pestizidbedarfs verzeichnet werden. Die Steigerung der natürlichen Widerstandsfähigkeit von Pflanzen und Tieren gegen Krankheiten und andere Belastungen kann zu einem verringerten Einsatz von Schädlingsbekämpfungsmitteln, Dünger und Medikamenten sowie zu verstärkter Boden erhaltender Bewirtschaftung führen - und damit zu einer nachhaltigeren Landwirtschaft, die die Bodenerosion verringert und die Umwelt schützt, unter anderem durch die Erhaltung der biologischen Vielfalt. Biowissenschaften und Biotechnologie dürften eines der wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Hunger und Mangelernährung sein und zur Ernährung einer stetig wachsenden Weltbevölkerung bei gleichbleibender Nutzfläche und verringerten Umweltauswirkungen beitragen.

[3] http://europa.eu.int/comm/research/agro/fair/en/be1569.html

Die Biotechnologie bietet auch die Möglichkeit, den Einsatz von Kulturpflanzen für andere Zwecke als Lebensmittel zu verbessern, so etwa als Rohstoffe für die Industrie oder als neue Werkstoffe wie biologisch abbaubare Kunststoffe. Pflanzliche Rohstoffe können molekulare Bausteine und komplexe Moleküle für die verarbeitende Industrie, den Energiesektor und die pharmazeutische Industrie liefern. Derzeit in der Entwicklung sind modifizierte Kohlehydrate, Öle, Fette, Proteine und Faserstoffe sowie neuartige Polymere. Unter den entsprechenden wirtschaftlichen und steuerlichen Bedingungen könnte Biomasse zur alternativen Energieerzeugung beitragen, mit festen und fluessigen biologischen Brennstoffen wie Biodiesel und Bioethanol sowie durch Prozesse wie die Bioentschwefelung. Die Pflanzengenomik trägt durch marker-gestützte Züchtung auch zu konventionellen Verbesserungen bei.

Biotechnologie bietet auch neue Wege zum Schutz und zur Verbesserung der Umwelt, beispielsweise durch die Biosanierung von Luft, Boden, Wasser und Abfällen sowie die Entwicklung sauberer Industrieprodukte und -prozesse, beispielsweise mit Hilfe von Enzymen (Biokatalyse).

3. Das Potenzial ausschöpfen

Das Potenzial der Biowissenschaften und Biotechnologie wird immer intensiver genutzt, und es wird einen neuen Wirtschaftszweig hervorbringen, der mehr Wohlstand und qualifizierte Arbeitsplätze schafft. Unsicher sind jedoch der zeitliche Ablauf und die Richtung dieser Entwicklung und die Frage, ob Europa dabei umfassend beteiligt ist.

Einigen Schätzungen zufolge könnte der europäische Markt für Biotechnologie bis zum Jahr 2005 einen Wert von über 100 Milliarden Euro erreichen. Bis zum Ende des Jahrzehnts könnten die weltweiten Märkte - einschließlich der Wirtschaftszweige, in denen Biowissenschaften und Biotechnologie den Hauptteil der eingesetzten neuen Technologien ausmachen - auf über 2000 Milliarden Euro kommen.

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Die Europäer dürften auch wesentlich von Lösungen profitieren, die Biowissenschaften und Biotechnologie bieten - in Form von Produkten und Dienstleistungen für Verbraucher und Öffentlichkeit sowie durch Verbesserungen der Produktionssysteme. Um aber diese Entwicklung steuern zu können, Optionen offen zu halten, unsere Werte und politischen Entscheidungen auch international umzusetzen und Nutzen aus einer neuen Wirtschaftsordnung ziehen zu können, muss Europa auch die Wissensgrundlage und ihre Umsetzung in neue Produkte, Prozesse und Dienstleistungen beherrschen.

3.1. Die Wissensbasis

Motor der Revolution in den Biowissenschaften war und ist die Forschung. Öffentliche Forschungslabors und Hochschuleinrichtungen bilden den Kern der wissenschaftlichen Basis, sie interagieren jedoch auch mit der Forschung in Unternehmen und anderen privaten Einrichtungen.

Der Erfolg einer wissensbasierten Wirtschaft beruht auf Schaffung, Verbreitung und Anwendung neuer Kenntnisse. Investitionen in Forschung und Entwicklung, allgemeine und berufliche Bildung und neue Managementkonzepte sind daher von entscheidender Bedeutung, will man den Herausforderungen von Biowissenschaften und Biotechnologie gewachsen sein.

Eine der Hauptstärken Europas ist sein wissenschaftliches Fundament; Zentren wissenschaftlichen Fachwissens in bestimmten Technologiebereichen bilden den Kern für regionale ,Cluster" der Biotechnologieentwicklung. Die Gesamtinvestitionen der Europäer in Forschung und Entwicklung liegen jedoch hinter denen der USA zurück. Zudem leidet Europa unter einer Fragmentierung der öffentlichen Forschungsförderung und unter dem niedrigen Niveau überregionaler Kooperation bei Forschung und Entwicklung, sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Einrichtungen aus verschiedenen Regionen oder Staaten.

Die Kommission strebt an, Europa wieder eine führende Rolle bei der Forschung in Biowissenschaften und Biotechnologie zu verschaffen. Das 6. Rahmenprogramm der Gemeinschaft für Forschung, technologische Entwicklung und Demonstration (2002-2006) präsentiert diesen Bereich als erste Priorität und wird eine solide Plattform für den Aufbau eines Europäischen Forschungsraums - in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten - bieten. Dies sollte die F&E-Kapazitäten stärken und mithelfen, die bestehende Fragmentierung der Forschungspolitik und der Forschung selbst zu überwinden. Wenn wir Europäer zusammenarbeiten, die Kooperation optimieren und Doppelarbeit auf ein Minimum reduzieren, werden wir die großen Herausforderungen wie etwa das stetig wachsende Volumen an Daten und Informationen besser in den Griff bekommen und eine umfassende Beteiligung an weltweiten wissenschaftlichen Initiativen sichern können.

Die europäische Forschung sollte sich auch auf die neuen Perspektiven konzentrieren, die die interdisziplinäre Forschung eröffnet. Entdeckungen stellen sich meist dann ein, wenn die biologische Forschung mit anderen Wissenschaftszweigen und Disziplinen wie etwa Informationstechnologie, Chemie oder Verfahrenstechnik kombiniert wird. So wird etwa die Humangenomanalyse bei der so genannten ,Glutenallergie" möglicherweise zur Entwicklung von Getreidesorten mit geringerer Allergenität führen. Ein erstes umfassend integriertes Gemeinschaftsprojekt, das kürzlich angelaufen ist, soll die Führungsrolle an der Schnittstelle zwischen Genomik und Medizin sichern, wo die Biotechnologie innovative Konzepte für die Behandlung von Krankheiten bei Mensch und Tier liefert.

Die europäische Forschungsagenda für Biowissenschaften sollte sich an den Bedürfnissen der Bürger orientieren und auf unsere besondere Situation zugeschnitten sein. Dies erfordert einen Ansatz, der die Bedürfnisse und Möglichkeiten der europäischen Gesellschaften aktiv ermittelt und durch innovative Forschung abzudecken sucht. Wir müssen die Verbindungen zwischen der Forschung und anderen Politikbereichen der Gemeinschaft weiter verstärken, unter anderem auch die wissenschaftliche Untermauerung von Vorschriften im Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz. Entsprechend ist es auch von entscheidender Bedeutung, Wissenschaftler und Forscher so eng wie möglich in die gesellschaftliche Konsensbildung einzubeziehen. Auch sollten neue Forschungspartnerschaften zwischen Industrie- und Entwicklungsländern angeregt werden, um vielversprechende Technologien und das Potenzial der biologischen Vielfalt umfassend nutzen zu können, die die Grundlage für künftigen Fortschritt bilden.

3.2. Die Fähigkeit Europas, wissenschaftliche und technologische Lösungen zu liefern

Die Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie bietet das Potenzial, eine Quelle wachsenden Wohlstandes in der Zukunft zu sein, mit neuen - und zum großen Teil hoch qualifizierten - Arbeitsplätzen und neuen Möglichkeiten zur Investition in weitere Forschung.

Wenn Europa davon profitieren soll, reicht eine hervorragende wissenschaftliche Basis nicht aus: es kommt entscheidend auf die Fähigkeit an, Wissen in Produkte, Prozesse und Dienstleistungen umzusetzen, die ihrerseits wieder der Gesellschaft zu Gute kommen und qualifizierte Arbeitsplätze und Wohlstand schaffen. Der Aufbau neuer Kapazitäten bedingt auch die Umgestaltung des gesamten Forschungs- und Innovationsprozesses im Hinblick auf die Anziehung und Ausbildung von Forschern, das Anlocken von Investitionen und Ressourcen und die Schaffung einer ausgewogenen, verantwortsbewussten juristischen, ordnungspolitischen und allgemeinpolitischen Grundlage.

In den achtziger Jahren entwickelte sich die Biotechnologie in Europa hauptsächlich in Großunternehmen, während - anders als in den USA - kleine Unternehmen kaum eine Rolle spielten. Während die großen Unternehmen der Pharma-Industrie und des Chemiesektors auch weiterhin die Technologien nutzen, um innovative Produkte zu entwickeln, konnten wir auf der anderen Seite in der jüngsten Vergangenheit eine rasche Zunahme der Zahl der Kleinunternehmen in Europa erleben. Heute gibt es in Europa mehr spezialisierte Biotechnologiefirmen (1570) als in den USA (1273). Dies ist eine ermutigender Beweis für das unternehmerische Potenzial in Europa.

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

Anmerkung: die Daten für Europa für 2000 und 2001 sind bereinigt durch Aufnahme der Schweizer Biotechnologiefirma Serono.

Die europäischen KMU sind allerdings relativ kleine Firmen, die biotechnologische Industrie in den USA hat früher begonnen, kann einen mehr als dreimal so hohen Umsatz vorweisen wie ihr europäisches Gegenstück, beschäftigt sehr viel mehr Menschen (162 000 gegenüber 61 000), verfügt über eine höhere Kapitalausstattung und hat vor allem sehr viel mehr Produkte in der Entwicklung.

Der Bericht der Kommission über die Wettbewerbsfähigkeit 2001 (Kapitel V) analysiert detailliert, warum die kommerzielle Entwicklung der EU-Industrie im Biotechnologiesektor derzeit hinter in den USA zurückliegt. Die Frage des geistigen Eigentums wurde dabei als ein relevanter Faktor ermittelt, den es zu berücksichtigen gilt.

Strukturell sind KMU in der Biotechnologie sehr kapitalintensiv, Investitionen haben eine lange Amortisierungsdauer. Zunehmend steht auch Risikokapitalfinanzierung zur Verfügung, diese scheint jedoch nicht in allen Phasen des langen Entwicklungsprozesses eines Unternehmens auszureichen. Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften kann sich zu einem Haupthindernis für die Entwicklung des Industriezweiges ausweiten.

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

Die Beseitigung solcher Engpässe ist für die Schaffung der notwendigen Dynamik genauso wichtig wie die Förderung eines unternehmensorientierten Europas mit ausreichenden Anreizen für Innovation und wirtschaftliche Risikobereitschaft. Die Wettbewerbsfähigkeit Europas sollte in drei Schwerpunktbereichen gefördert werden: Ressourcen, Vernetzung und aktive Rolle öffentlicher Stellen.

* Die Stärkung der Ressourcen ist von zentraler Bedeutung für diesen wissensbasierten Industriezweig; dies erfordert zuallererst verstärkte Bildungsanstrengungen im Bereich Biowissenschaften (lebenslanges Lernen für Wissenschaftler, Sensibilisierung der Öffentlichkeit). Auch brauchen wir Ausbildung über Fachgebiets- und Spezialisierungsgrenzen hinweg, unter anderem zur Integration der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Biotechnologie; neue Ideen reifen oft dort, wo sich Spezialisierungen begegnen. Für den Erfolg eines Unternehmens müssen wissenschaftliche und technische Expertise Hand in Hand gehen mit unternehmerischen Fähigkeiten. Dieser Handlungsschwerpunkt fügt sich unmittelbar ein in die Ziele Europas in den Bereichen Bildung [4] und Beschäftigung [5]. Umfassende, aktuelle und öffentliche, frei zugängliche Daten der Bioinformatik bilden die Grundlage für Fortschritte in der Biotechnologie. Wirtschaftlicher Erfolg setzt für die Unternehmen den Zugang zu hochwertigen öffentlichen wie privaten Datenbanken und anderen Hilfsmitteln voraus. Neben einer starken öffentlichen Forschung sollten öffentliche Unterstützung und der Schutz des geistigen Eigentums auch die Zusammenarbeit insbesondere zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor fördern, was Ressourcen mobilisiert und die Innovation vorantreibt. Im Grenzbereich zwischen Forschung und Anwendung sind die Bedingungen für die Umsetzung von Kenntnissen, und dabei vor allem ein solides Risikokapitalmanagement sowie europaweit geltende Regeln für das geistige Eigentum, alles entscheidend. Die vollständige Umsetzung der Richtlinie 98/44 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen wird die Rechtssicherheit für die Industrie entscheidend verbessern. Die Klärung des Rechtsrahmens innerhalb der EG wird innovativen Firmen in den verschiedenen Industriezweigen, die Biotechnologie nutzen, einen Anreiz bieten, weiter oder sogar verstärkt in die Forschung zu investieren. Die Einführung des Gemeinschaftspatents würde darüber hinaus die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EG noch weiter fördern.

[4] 10-Jahres-Ziele für Bildung und lebenslanges Lernen.

[5] Beschäftigungspolitische Leitlinien für 2002: Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit; Entwicklung von Unternehmertum und Arbeitsplatzschaffung; Förderung der Anpassungsfähigkeit von Unternehmen und Beschäftigten.

* Wir müssen die verschiedenen Gruppen im Biotechnologiesektor in Europa vernetzen, um ihnen den Zugang zu Kenntnissen, Qualifikationen und bewährten Verfahren zu erleichtern und eine große Gemeinschaft von Akteuren und Einrichtungen der Biotechnologie zu schaffen. Der europaweite Schutz des geistigen Eigentums muss vervollständigt werden, um so eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage für Technologietransfer und Kooperation zu schaffen. Die Verbindungen zwischen Hochschulwelt und Industrie sind zu stärken. Forschungszusammenarbeit und Technologietransfer zwischen Regionen und Mitgliedstaaten müssen ausgebaut werden. Wir müssen verschiedene Formen der Vernetzung und Verbindung fördern, um der aktuellen Fragmentierung entgegenzuwirken. Das Benchmarking erlaubt die Verbreitung bewährter Verfahren (etwa in Bezug auf Unternehmens-,Cluster" und ,-Inkubatoren"). Ein intelligentes Management der Vielfalt könnte die Vorzüge einer Vernetzung regionaler ,cluster" ausspielen, die sich auf bestimmte Technologien spezialisiert haben.

* Die rasche Entwicklung der Biotechnologie und die große Bandbreite möglicher Einsatzzwecke machen eine aktive Rolle öffentlicher Stellen erforderlich, die den Einfluss des bestehenden politischen Rahmens auf die Wettbewerbsfähigkeit prüfen, sich abzeichnende Fragen frühzeitig erkennen und politische Konzepte vorausschauend anpassen müssen. Deshalb muss das den Verantwortlichen in der Politik zur Verfügung stehende Wissen durch Informationsaustausch und Vernetzung zusammengeführt werden.

4. Schlüsselelement für eine verantwortungsvolle Politik: ein ordnungspolitischer Rahmen für Biowissenschaften und Biotechnologie

Die öffentliche Debatte über Biowissenschaften und Biotechnologie und die betroffenen Grundwerte macht die Notwendigkeit deutlich, diese sich rasch entwickelnden Technologiebereiche mit einer verantwortlichen und kohärenten Politik zu steuern. Alle wichtigen Interessengruppen betonen die Bedeutung der ,Governance", also der Art und Weise, wie öffentliche Stellen politische Konzepte vorbereiten, beschließen, umsetzen und erläutern.

Die Kommission schlägt vor, ein höchstmögliches Niveau des ordnungspolitischen Rahmens bei Biowissenschaften und Biotechnologie zu verwirklichen, mit fünf Aktionsschwerpunkten:

* Die Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie sollte von gesellschaftlichem Dialog und Kontrolle begleitet und gelenkt werden.

* Biowissenschaften und Biotechnologie sollten auf verantwortliche Weise in Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen entwickelt werden.

* Überlegte Entscheidungen sollten bedarfsorientierte Anwendungen erleichtern.

* Wissenschaftlich untermauerte ordnungspolitische Kontrolle sollte das Vertrauen der Öffentlichkeit stärken.

* Ordnungspolitische Grundsätze und rechtliche Verpflichtungen sind einzuhalten, um den gemeinschaftlichen Binnenmarkt zu sichern und die Einhaltung internationaler Verpflichtungen zu gewährleisten.

4.1. Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog

Biowissenschaften und Biotechnologie haben in der Öffentlichkeit verstärkte Aufmerksamkeit erregt und eine intensive Debatte ausgelöst. Die Kommission begrüßt diese öffentliche Debatte als Zeichen der Verantwortung und Beteiligung der Bürger. Biowissenschaften und Biotechnologie sollten auch weiterhin vom gesellschaftlichen Dialog begleitet und gelenkt werden.

Der Dialog in unseren demokratischen Gesellschaften sollte integrativ, umfassend, fundiert und strukturiert ablaufen. Ein konstruktiver Dialog erfordert gegenseitigen Respekt zwischen den Teilnehmern, innovative Konzepte und Zeit. Er sollte in Abstimmung mit den Interessenvertretern so strukturiert werden, dass Fortschritte beispielsweise durch bessere Information und gegenseitiges Verständnis möglich sind. Die Erfahrung zeigt auch, wie wichtig es ist, dass der Dialog auf lokaler und nationaler Ebene wie auch international stattfindet, und die Kommission ersucht die Mitgliedstaaten und lokale Akteure, entsprechend aktiv zu werden.

Der Dialog sollte für alle Interessenvertreter offen sein. Öffentliche Stellen sollten darauf achten, auch die Beteiligung von Gruppen mit begrenzten Ressourcen sicherzustellen. Akteure in Wirtschaft, Industrie und Nutzerkreisen, die wirtschaftliche Interessen vertreten, aber auch die Wissenschaft, tragen eine besondere Verantwortung für eine aktive Beteiligung. Die Kommission fordert diese Gruppen insbesondere auf, auf Bedenken der Öffentlichkeit zu reagieren, beispielsweise durch transparente Darstellung ihrer Sichtweise, ihrer Konzepte und ethischen Normen.

Einschlägige, öffentlich bereitgestellte Information ist wesentlich für einen aussagekräftigen Dialog. Die Bereitstellung solcher Informationen erfordert gezielte und vorausschauende Bemühungen. Besonders wichtig ist es dabei, dass der Informationsbedarf der Öffentlichkeit ernst genommen und befriedigt wird. Wir müssen uns auch um einen ausgewogenen und rationalen Ansatz bemühen und zwischen realen Fragen, die ein Handeln erfordern, und irrelevanten Aussagen unterscheiden.

4.2. Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie in Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen

Ohne breite öffentliche Akzeptanz und Unterstützung wird die Entwicklung und Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie in Europa kontrovers sein, Nutzen wird sich nur mit Verzögerung einstellen und die Wettbewerbsfähigkeit dürfte leiden.

Die Debatte und die von der Kommission eingeleitete öffentliche Konsultation [6] lassen erkennen, dass die europäische Öffentlichkeit durchaus bereit und fähig ist, eine komplexe Abwägung von Vor- und Nachteilen vorzunehmen, geleitet durch ihre Grundwerte. Trotz einer gelegentlichen Polarisierung bilden sich in der öffentlichen Debatte zahlreiche Punkte heraus, in denen die Standpunkte sich treffen.

[6] Die Kommission beabsichtigt, diese Kommentare im Internet zu veröffentlichen.

Die öffentliche Meinung wird entscheidend bestimmt durch die Wahrnehmung der Vorteile, die Biowissenschaften und Biotechnologie mit sich bringen. Eurobarometer-Erhebungen zeigen, dass die Erwartungen der Öffentlichkeit an die Biotechnologie - abgesehen von Fortschritten in der Medizin - bescheiden sind. Und es gibt erhebliche Unsicherheit in der Öffentlichkeit im Hinblick auf bestimmte Anwendungen, sowie eine negative Sicht der Verteilungsaspekte und Risiken.

Für zahlreiche Leitwerte und Ziele gibt es breite Unterstützung. Einige davon, wie etwa die Freiheit der Forschung, der Eigenwert neuer Erkenntnisse und die moralische Verpflichtung, Krankheit und Hunger lindern zu helfen, begünstigen eine positive Einstellung zu Entwicklung und Anwendung dieser neuen Technologien. Andere helfen dabei, die Kriterien und Bedingungen für die Entwicklung und Anwendung von Biowissenschaften und Biotechnologie zu klären, wie etwa die Notwendigkeit, ethische und gesellschaftliche Aspekte zu berücksichtigen, und die Bedeutung von Transparenz und Rechenschaftspflicht bei Entscheidungen, Risikominimierung und Wahlfreiheit.

Es ist daher wesentlich, Information und Dialog zu fördern, um der Öffentlichkeit und den Interessenvertretern zu helfen, diese komplexen Fragen besser verstehen und würdigen zu können; außerdem gilt es, Verfahren und Kriterien für die Abwägung von Nutzen und Nachteilen bzw. Risiken zu erarbeiten, unter anderem auch in Bezug auf die Verteilung der Folgen auf die verschiedenen Segmente der Gesellschaft.

Unsere demokratischen Gesellschaften sollten die notwendigen Sicherungen schaffen, damit die Entwicklung und Nutzung der Biowissenschaften und Biotechnologie unter Wahrung der Grundwerte ablaufen kann, die die EU in der Grundrechtecharta anerkannt hat, unter anderem durch Bekräftigung der Achtung vor dem menschlichen Leben und der Menschenwürde. Die Gemeinschaft hat auch die Finanzierung für Forschungen zum Zwecke des reproduktiven Klonens von Menschen verboten. Die französisch-deutsche - an die UNO gerichtete - Initiative für ein weltweites Übereinkommen zum Verbot des Klonens von Menschen zu Reproduktionszwecken verdient Unterstützung. Andere Fragen wie Stammzellenforschung bedürfen sicherlich weiterer Aufmerksamkeit und Diskussion. Europa hat auch deutlich Position bezogen hinsichtlich der Bedeutung der Wahlfreiheit für den Verbraucher und für die Wirtschaftsakteure in Bezug auf GV-Lebensmittel, und wir haben einen breiten gesellschaftlichen Konsens über die Notwendigkeit erreicht, die traditionelle Landwirtschaft Europas zu bewahren.

Aber wissenschaftlicher und technischer Fortschritt werden uns auch künftig vor neue ethische und gesellschaftliche Herausforderungen stellen. Die Kommission ist der Ansicht, dass diese Fragen aktiv und offen angegangen werden sollten, wobei auch die moralische Verpflichtung gegenüber den Menschen heute wie auch künftigen Generationen und dem Rest der Welt nicht vergessen werden darf. Wir sollten uns nicht damit zufrieden geben, nur dann - defensiv - zu handeln, wenn unsere Grundwerte in Gefahr sind.

Diese Fragen lassen sich innerhalb des engen Rahmens administrativer Produktzulassungen nicht angemessen behandeln, sie erfordern einen flexibleren und vorausschauenden Ansatz. Europa braucht einen aktiven und fortlaufenden öffentlichen Dialog, begleitet von einer gezielten Prüfung der Vor- und Nachteile, damit die Öffentlichkeit sich an dem komplexen Prozess der Prioritätenfestsetzung beteiligen kann. Im Rahmen ihrer Initiative Wissenschaft und Gesellschaft [7] hat die Kommission bereits eine Reihe von Maßnahmen zur Stärkung der ethischen Dimension in Wissenschaft und Technik vorgeschlagen.

[7] KOM(2001) 714, 4.12.2001.

Um an vorderster Front mitwirken zu können, muss Europa über die Fähigkeit zur vorausschauenden Analyse und über das nötige Fachwissen verfügen, um die oft sehr komplexen Fragen für Politik und Öffentlichkeit verständlich zu formulieren und in ihrem wissenschaftlichen und sozioökonomischen Kontext darzustellen. Die Kommission begrüßt die Schlüsselrolle, die die Europäische Gruppe für Ethik der Naturwissenschaften und der Neuen Technologien seit ihrer Einsetzung Anfang der 90er Jahre gespielt hat, und schlägt im Rahmen der vorliegenden Strategie vor, die Aufgabe der Gruppe zu erweitern und die Vernetzung mit und zwischen den nationalen Ethikgremien auszubauen. Zu diesem Zweck ist eine weitere, gezielte Konsultation der anderen Gemeinschaftsorgane vorgesehen.

Und Transparenz, Rechenschaftspflicht und partizipative Konzepte im öffentlichen Entscheidungsprozess müssen verstärkt werden. Diese Ziele stimmen überein mit denen des Weißbuchs ,Europäisches Regieren" [8] der Kommission und werden über die darin beschriebenen Aktionen umgesetzt.

[8] KOM(2001) 428 endg., 25.7.2001.

4.3. Bedarfsorientierte Anwendungen aufgrund fundierter Entscheidungen

Die ordnungspolitische Kontrolle der Entwicklung und Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie ist Ausdruck gesellschaftlicher Entscheidungen. Ordnungspolitische und andere politische Maßnahmen legen die Regeln und Bedingungen fest, unter denen Biowissenschaften und Biotechnologie entwickelt und angewendet werden dürfen. Die Ordnungspolitik sollte dementsprechend zuallererst darauf achten, dass die Marktmechanismen ordnungsgemäß funktionieren können, um das erklärte Ziel erreichen zu können. Dieses Ziel verfolgt die europäische Politik der obligatorischen Kennzeichnung, mit der gewährleistet werden soll, dass die Präferenzen der Verbraucher in Anreize für die Produzenten umgesetzt werden, ihr Angebot entsprechend anzupassen.

Bereits 1990 entschied sich die Gemeinschaft nach langen Diskussionen für ein wissenschaftlich untermauertes Regulierungskonzept, dass jede kommerzielle Nutzung genetisch veränderter Organismen auf Einzelfallbasis einer öffentlichen Prüfung und Sicherheitszulassung unterzieht, bevor Anwendung, Freisetzung oder Vermarktung genehmigt werden. Im Ergebnis wurde ein überarbeiteter Rechtsrahmen für GVO verabschiedet, der im Oktober 2002 in Kraft treten wird. Die neuen Rechtsvorschriften bilden eine solide Grundlage, um den derzeitigen Stillstand bei der Zulassung neuer Produkte zu überwinden.

* Nach dem Regulierungskonzept der Gemeinschaft in Sektoren, in denen eine Zulassung vor dem Inverkehrbringen erforderlich ist, wird diese Zulassung nach einer wissenschaftlichen Bewertung der Risiken erteilt, die das Produkt für die Gesundheit von Mensch und Tier oder für die Umwelt darstellen kann, wobei auch andere legitime Aspekte berücksichtigt werden. Nach der Logik dieses Konzepts entscheiden die Märkte darüber, ob ein Produkt überlebt. Es kommt jedoch wesentlich darauf an, sicherzustellen, dass die Marktmechanismen effizient funktionieren, so dass der Verbraucher seine Wahlmöglichkeit nutzen und damit dem Hersteller ein deutliches Signal senden kann. In den letzten fünf Jahren hat Europa als Pionier Lösungen entwickelt, die eine überlegte Entscheidung des Verbrauchers mit Hilfe von Kennzeichnungen ermöglichen - diese müssen dringend vervollständigt und in die Praxis umgesetzt werden.

* Um den Grundsatz der Wahlfreiheit für Wirtschaftsakteure umfassend anzuwenden und die Nachhaltigkeit und Vielfalt der Landwirtschaft in Europa zu gewährleisten, müssen staatliche Stellen in Partnerschaft mit Landwirten und anderen privaten Akteuren agronomische und andere Maßnahmen entwickeln, die die Koexistenz verschiedener landwirtschaftlicher Verfahren erleichtern, ohne dabei GV-Kulturpflanzen auszuschließen.

4.4. Vertrauen in wissenschaftlich untermauerte staatliche Kontrolle

Wo Sicherheitsaspekte berührt sind, ist das Gemeinschaftsrecht wissenschaftlich untermauert, und seine Anwendung auf konkrete Fälle beruht auf dem Vorsorgeprinzip [9]. Die Europäische Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln ist ein erfolgreiches Beispiel für die Schaffung eines hohen Niveaus wissenschaftlicher Expertise und effizienter Risikokommunikation. Mit der Schaffung des Europäischen Amts für Lebensmittelsicherheit wird das bereits hohe Niveau der Unabhängigkeit, der höchsten Fachkompetenz und der Transparenz bei der wissenschaftlichen Beratung in diesem Bereich noch weiter gestärkt, ein neuer Schwerpunkt ist die Risikokommunikation. Das Amt wird zuständig sein für die wissenschaftliche Bewertung der Auswirkungen von GVO und GV-Lebens- und -Futtermitteln auf die Umwelt und die Gesundheit von Mensch und Tier und wird auch vorausschauend neue Risiken identifizieren, einschließlich solcher, die sich aus der Nutzung der Biotechnologie in der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung ergeben können. Dies sind wesentliche Elemente, die das Vertrauen der Öffentlichkeit in die wissenschaftliche Grundlage der ordnungspolitischen Kontrolle über die Sicherheit bestehender Lebensmittel und Medikamente sowie neuer Anwendungen stärken. Vertrauensbildung und Schaffung von Verständnis sind eine Aufgabe auf Dauer.

[9] Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips, KOM(2000) 1 endg. vom 2.2.2000, sowie die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Nizza.

* Es besteht die allgemeine Notwendigkeit, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rolle der Wissenschaft in unseren Gesellschaften zu stärken. Die Kommission hat einen Aktionsplan ,Wissenschaft und Gesellschaft" zur Förderung einer Wissenschaftskultur vorgeschlagen, mit der die Bedürfnisse der Öffentlichkeit bei der Festlegung der wissenschaftlichen Agenda besser berücksichtigt werden und die Wissenschaft ins Zentrum der Politik in Europa rückt. Öffentliche Stellen, Wirtschaftsakteure und Wissenschaftler sollten sich aktiv darum bemühen, relevante Fakten darzustellen und das Verständnis von Schlüsselaspekten zu erleichtern, insbesondere auch deutlich zu machen, dass der wissenschaftliche Kenntnisstand sich stetig weiterentwickelt und damit zunehmend mehr Bezugspunkte für unsere Entscheidungen schafft. Darüber hinaus gehört es zum Prozess der Förderung des Verständnisses in der Öffentlichkeit und der Formulierung politischer Konzepte, die Risiken der Untätigkeit zu bewerten, etwa angesichts der Entstehung neuer, behandlungsresistenter Krankheiten oder in Gebieten, wo heutige landwirtschaftliche Methoden nicht mehr tragbar sind.

* Erfindungen in der Biotechnologie bedingen hohe Investitionen, lange Entwicklungszeiten und umfassende ordnungspolitische Zulassungsverfahren. Ein wirksamer Patentschutz ist ein entscheidender Anreiz für F&E und Innovation und ein wesentliches Instrument, um auch eine entsprechende Rendite zu sichern. Zudem war und ist die Offenlegung von Informationen in Patentveröffentlichungen ein wichtiger Beitrag zur Gesamtentwicklung der Biotechnologie. Angesichts des raschen wissenschaftlichen Fortschritts müssen die Rechtsvorschriften zum geistigen Eigentum aufmerksam beobachtet werden. Eine regelmäßige Bewertung muss Auskunft darüber geben, ob die Patentregelungen den Bedürfnissen von Forschern und Unternehmen genügen. Hier sollten die EG und ihre Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Auslegung der wichtigen Kriterien Neuheitswert, Originalität und Nützlichkeit im Bereich Biowissenschaften nicht nur den Gerichten und Patentämtern überlassen bleibt. Im internationalen Rahmen besteht die Notwendigkeit, für den Patentschutz in den Industrieländern gleichwertige Bedingungen zu schaffen. Es gilt auch, sich um die Förderung des internationalen Dialogs zu dieser Frage zu bemühen.

* Die Grundlage für die Regulierung dieser neuen Technologien durch die Gemeinschaft sollte transparenter sein und besser vermittelt werden. So sollten wir klarer formulieren, wie ordnungspolitisch mit Risiken umzugehen ist - mit potenziellen Risiken, wissenschaftlicher Unsicherheit (beispielsweise wenn ein Risiko nicht völlig ausgeschlossen werden kann, die Anwendung des so genannten Vorsorgeprinzips), vergleichende Abwägung von Risiken, Rolle der verschiedenen Phasen einer Risikoanalyse, Rolle von Maßnahmen des Risikomanagements, wie etwa Überwachung und Vorsorge, und ihrer Angemessenheit angesichts des Risikos. Und auch wenn wir die Bedeutung von Rechtssicherheit und Vorhersagbarkeit anerkennen, müssen wir doch auf der anderen Seite die Notwendigkeit betonen, politische Entscheidungen zurücknehmen zu können, wenn dies gerechtfertigt ist, und im Übrigen auf die aktuelle Arbeit zur internationalen Konvergenz der Methoden der Risikoanalyse und die Entwicklung antizipatorischer Risikoanalysemethoden hinweisen. Öffentlich finanzierte Forschung im Dienste der politischen Kontrolle ist von besonderer Bedeutung für die Vertrauensbildung.

* Spezifische Initiativen, die im Weißbuch ,Europäisches Regieren" der Kommission vorgeschlagen werden, sind von besonderer Bedeutung für die Schaffung öffentlichen Vertrauens, insbesondere die vorgesehenen Verbesserungen hinsichtlich Offenheit und Rechenschaftspflicht bei Risikomanagement und Nutzung von Expertenwissen.

* Das Vertrauen in die ordnungspolitische Kontrolle liegt in der Verantwortung öffentlicher Stellen, es erfordert aber auch die verantwortliche Beteiligung anderer Interessengruppen wie etwa der Biotechnologieindustrie und anderer Wirtschaftsakteure, der Wissenschaft, der NRO und der Medien.

4.5. Ordnungspolitische Grundsätze

Die Gemeinschaftsvorschriften decken derzeit so unterschiedliche Aspekte ab wie Patentierung biotechnologischer Erfindungen, Zulassung pharmazeutischer Produkte, Anwendung genetisch veränderter Mikroorganismen in geschlossenen Systemen, sowie Freisetzung und Inverkehrbringen von Produkten, die GVO enthalten oder daraus hergestellt sind, einschließlich Lebensmittel, Futtermittel und Saatgut. Dieser ordnungspolitische Rahmen hat sich über die letzten 25 Jahre schrittweise entwickelt, wobei die letzten Jahre die bedeutendsten Entwicklungen erlebt haben.

Um die Kohärenz, Transparenz und Effizienz der Gemeinschaftsvorschriften zu stärken, schlägt die Kommission vor, bei der Rechtsetzungstätigkeit der Gemeinschaft folgende Grundsätze zu beachten:

* Risikobeherrschung und Produktzulassung: Produkte der Biotechnologie sollten, gemäß geltenden ordnungspolitischen Grundsätzen und Rahmenbedingungen, nur zugelassen werden, wenn sie eine umfassende wissenschaftliche Risikobewertung durchlaufen haben und als sicher für Leben und Gesundheit von Mensch, Tier und Pflanze sowie für die Umwelt erachtet werden. In Fällen, in denen die wissenschaftlichen Daten unzureichend, nicht schlüssig oder unzuverlässig sind und wo mögliche Risiken als unannehmbar eingeschätzt werden, muss das Risikomanagement nach dem Vorsorgeprinzip arbeiten. Das Risikomanagement sollte die Ergebnisse von Risikobewertungen und andere in bezug auf die zu prüfende Frage legitime Aspekte berücksichtigen, damit das angestrebte Schutzniveau auch tatsächlich erreicht wird. . Zulassungsverfahren sollten transparent sein, die Risikobewertungen sollten im Rahmen des Zulassungsverfahrens veröffentlicht und der Öffentlichkeit zur Stellungnahme vorgelegt werden. Kommunikation muss ein integraler Bestandteil der Risikobewertung und des Risikomanagements sein.

* Sicherung des Binnenmarktes: Um die Funktion des Binnenmarktes und die Rechtssicherheit zu gewährleisten, müssen die Gemeinschaftsvorschriften so abgefasst und regelmäßig überprüft werden, dass Kohärenz und Effizienz gewährleistet sind, und dies auch im Hinblick auf ihre praktische Anwendbarkeit und Durchsetzbarkeit. Umsetzung und Einhaltung des Gemeinschaftsrechts sollten sorgfältig überwacht werden, Probleme bei der Einhaltung sollten zwischen den Beteiligten gemäß den bestehenden Verfahren in transparenter und vorhersehbarer Weise geregelt werden.

* Proportionalität und Wahlmöglichkeit für den Verbraucher: Der Regelungsbedarf der Gemeinschaft sollte dem Grad des festgestellten Risikos angemessen sein und den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft entsprechen. Wie von der Kommission vorgeschlagen, sollten die Rechtsvorschriften der Gemeinschaft dem Verbraucher die Ausübung seiner Wahlfreiheit erleichtern, indem sie gewährleisten, dass Verbraucher/Nutzer in allen Fällen informiert werden, in denen es sich um ein genetisch verändertes oder aus GVO hergestelltes Lebens- oder Futtermittel bzw. Saatgut handelt.

* Vorhersagbarkeit, Modernisierung und Folgenabschätzung: Die Kommission sollte regelmäßig ein fortlaufendes ordnungspolitisches Arbeitsprogramm (siehe untenstehende Ziffer 6) veröffentlichen, um Vorhersagbarkeit, Transparenz und Qualität der Regulierungsmaßnahmen zu verbessern. Die Rechtsvorschriften sollten auch weiterhin regelmäßig überprüft werden im Hinblick auf ihre Übereinstimmung mit dem Stand von Wissenschaft und Technik, auf ihre Folgen und auf die Übereinstimmung mit geltenden Grundsätzen.

5. Europa in der Welt - auf die globalen Herausforderungen reagieren

Die Revolution in Biowissenschaften und Biotechnologie ist eine globale Erscheinung. Forschung ist im wesentlichen international - Wissen und Wissenschaftler bewegen sich rund um den Globus. In immer mehr Ländern wird die Biotechnologie aktiv vorangetrieben, die daraus hervorgehenden Produkte und Dienstleistungen werden zunehmend auf den globalen Märkten gehandelt, der Gewinner ist derjenige, der Neuerungen als Erster auf den Markt bringt.

Es zeigt sich auch deutlich, das zwischen den Ländern und Regionen große Unterschiede bestehen im Hinblick auf ihre Fähigkeit, diese neuen Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, ordnungspolitisch zu kontrollieren und anzuwenden. Eine noch größere Diskrepanz könnte sich in Bezug auf die Prioritäten und gesellschaftlichen Werte entwickeln, die die Konzepte und Entscheidungen bei der Entwicklung und Nutzung dieser neuen Technologien bestimmen.

Die politischen Konzepte in Europa sollten nicht isoliert entwickelt werden. Wir müssen den größeren internationalen Kontext sehen, der Herausforderungen wie Chancen für Europa bestimmt, und wir müssen mit verantwortungsvollen und aktiven politischen Entscheidungen auf globaler Ebene antworten. Vorrangiges Ziel muss es sein, die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber den großen Industrieländern wie den USA und Japan zu erhalten. Und welche politischen Entscheidungen Europa in Bezug auf Biowissenschaften und Biotechnologie auch treffen mag, sie werden erhebliche internationale Auswirkungen haben, insbesondere für die Entwicklungsländer. Die Interessen dieser Länder müssen ebenfalls berücksichtigt werden. Wir müssen die internationale Dimension in alle einschlägigen Politikbereiche einbeziehen, und wir müssen eine internationale Agenda aufstellen, die auf unseren Grundwerten und langfristigen Zielen basiert, um so global und aktiv eine ausgewogene und verantwortliche Politik insbesondere gegenüber der Dritten Welt zu fördern.

5.1. Eine europäische Agenda für die internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit ist erforderlich, um die neuen Fragen anzugehen, die Biowissenschaften und Biotechnologie aufwerfen, und mit der Vielfalt an Fähigkeiten und politischen Konzepten in den verschiedenen Ländern und Regionen im Hinblick auf ihre Anwendung umzugehen.

Der Handel mit Gütern und Dienstleistungen wird bereits durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten bei der Produktzulassung berührt. Der internationale Handel kann auch gestört werden, wenn Länder und Regionen unterschiedliche ordnungspolitische Rahmenbedingungen setzen. Erforderlich ist ein internationaler Dialog über ordnungspolitische Fragen, um eine Einigung auf Grundsätze und Grundwerte für die ordnungspolitische Entwicklung in den verschiedenen Ländern zu erzielen.

Die Gemeinschaft engagiert sich für offene, multilaterale und auf Regeln basierende Handelssysteme. Wir sollten daher die Einhaltung und Umsetzung bestehender internationaler Vereinbarungen fördern. Im Hinblick auf die besonderen Aspekte von Biowissenschaften und Biotechnologie sollte die Gemeinschaft Lösungsansätze und Dialog auf internationaler Ebene anstreben, die:

* die gegenseitige Unterstützung zwischen einschlägigen internationalen Vereinbarungen fördern, insbesondere zwischen den WTO-Abkommen und dem Protokoll über die biologische Sicherheit;

* in allen internationalen Foren (einschließlich FAO, UNEP, CBD, WTO, WHO und UNCTAD [10]) ein kohärentes, umfassendes, wirksames, transparentes und integratives Konzept für die Biotechnologie unterstützen, um Überschneidungen zu vermeiden und die jeweiligen Fachkenntnisse optimal zu nutzen; Europa sollte auch weiterhin eine prominente Rolle spielen, insbesondere in der OECD und beim Codex Alimentarius - und hier in erster Linie in der ,Ad Hoc Intergovernmental Task Force on Foods Derived from Biotechnology" -, um innerhalb dieser Organisationen die Entwicklung und periodische Überarbeitung harmonisierter Leitlinien für Risikoanalyse, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von Produkten der modernen Biotechnologie zu fördern. Die Rolle und Wirksamkeit der EU-Mitarbeit in internationalen Diskussionen sollte gestärkt werden, vor allem auch bei Diskussionen mit Industrie- und Entwicklungsländern. Der Dialog sollte das gegenseitige Verständnis der Sorgen und Ziele der verschiedenen Länder und Regionen fördern, ein Beispiel ist das EU-US Biotechnology Consultative Forum, das im Dezember 2000 seinen Schlussbericht vorlegte [11]. Ein frühzeitiger politischer Dialog über Gesetzgebungsvorhaben kann helfen, internationale Reibungen zu verhindern.

[10] Food and Agricultural Organisation, United Nations Environmental Programme, Convention on Biological Diversity, World Trade Organisation, World Health Organisation, United Nations Convention on Trade and Development.

[11] http://europa.eu.int/comm/external_relations/us/biotech/biotech.htm

5.2. Die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt

Biowissenschaften und Biotechnologie bieten die Aussicht, einige der grundlegenden Bedürfnisse der Dritten Welt in Bezug auf Nahrung und Gesundheit befriedigen zu können. Die UNDP betont in ihrem Human Development Report 2001 das Potenzial der Biotechnologie für die Dritte Welt [12]. Einiger Schwellenländer wie China, Indien und Mexiko haben bereits ehrgeizige nationale Entwicklungsprogramme in die Wege geleitet.

[12] http://www.undp.org/hdr2001/

Biowissenschaften und Biotechnologie sind kein Allheilmittel und können nicht die Verteilungsprobleme der Dritten Welt lösen - aber sie werden ein wichtiges Instrument sein. Die Neuerungen sollten den Entwicklungsländern helfen, Ertragssteigerungen mit einer nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen, wirtschaftlicher Effizienz und Sozialverträglichkeit zu vereinbaren. Potenzielle Anwendungen müssen angemessen untersucht und bewertet werden, wobei sowohl Aspekte der Umweltsicherheit als auch das Bedürfnis der betroffenen Menschen nach Verringerung der Armut und Stärkung der Versorgungssicherheit und der Nahrungsmittelqualität berücksichtigt werden müssen.

Als einer der großen Akteure im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologie hat Europa eine besondere Verantwortung, den Entwicklungsländern dabei zu helfen, mit den Risiken, Herausforderungen und Chancen umzugehen, und gleichzeitig die sichere und geordnete Entwicklung dieser Technologien auf globaler Ebene zu erleichtern. Europa hat eine einflussreiche Position in den internationalen Diskussionen über Biowissenschaften und Biotechnologie. Diese müssen wir mit einer verantwortungsbewussten Politik nutzen, um unsere strategischen Ziele zu erreichen und die sichere und wirksame Nutzung von Biowissenschaften und Biotechnologie in den Entwicklungsländern zu ermöglichen.

* Europa sollte auch weiterhin den Schutz der biologischen Vielfalt und die Umsetzung des Protokolls über die biologische Sicherheit beim internationalen Handel mit lebenden gentechnisch veränderten Organismen fördern. Auch sollte Europa weiterhin die ausgehandelten internationalen Rahmenwerke wie etwa das Übereinkommen über die biologische Vielfalt und die Internationale Verpflichtung über pflanzengenetische Ressourcen im Rahmen der FAO unterstützen. Diese internationalen Instrumente regeln den Zugang zu genetischen Ressourcen und die gemeinsame Nutzung und sichern den Ursprungszentren und Besitzern überlieferten Wissens, das in biotechnologischen Erfindungen genutzt wird, einen Ausgleich. Die EG sollte dazu beitragen sicherzustellen, dass der Nutzen aus biotechnologischen Erfindungen, einschließlich der Einnahmen aus geistigem Eigentum, gerecht mit denjenigen geteilt wird, von denen genetische Ressourcen oder traditionelles Wissen stammen.

* Europa sollte zu technischer Hilfe, Aufbau von Kapazitäten und Technologietransfer beitragen, um die Entwicklungsländer in die Lage zu versetzen, an der Aushandlung und Umsetzung internationaler Übereinkommen und Normen insbesondere zum Risikomanagement teilzuhaben und diese neuen Technologien sicher zu entwickeln und anzuwenden, wenn sie dies wünschen. Europa sollte lokale Initiativen für den Dialog über Biotechnologie zwischen öffentlichen und privaten Interessenvertretern und der Zivilgesellschaft in den Partnerländern fördern.

* Europa sollte ausgewogene und gerechte Nord-Süd-Partnerschaften und die öffentliche Forschung im Hinblick auf nachfrageorientierte Anwendungen von Biowissenschaften und Biotechnologie fördern.

* Politische Maßnahmen innerhalb Europas im Hinblick auf Biowissenschaften und Biotechnologie werden zwangsläufig erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklungsländer haben. Während wir einerseits die EU-Politik hinsichtlich Lebensmittelsicherheit und Verbraucherinformationen nicht in Frage stellen dürfen, sollten wir andererseits doch den Entwicklungsländern technische Hilfe und Unterstützung beim Aufbau von Kapazitäten leisten, damit unsere Maßnahmen die angestrebten Vorteile für die Entwicklungsländer nicht ungewollt zunichte machen. Besonders sollten wir uns vor ordnungspolitischen Vorschriften hüten, die nur in der Industriewelt eingehalten werden können, in den Entwicklungsländern jedoch unerreichbar sind und damit entweder den bestehenden Handel empfindlich stören oder die Entwicklungsländer im Ergebnis daran hindern, Biowissenschaften und Biotechnologie nach ihren eigenen Bedürfnissen und Möglichkeiten zu entwickeln.

6. Praktische Umsetzung und Kohärenz für alle Politikbereiche, Sektoren und Akteure

Europa hat keine einheitliche Politik in Bezug auf Biowissenschaften und Biotechnologie, sondern einen Flickenteppich von Einzelvorschriften, überlagert von sektorbezogenen und horizontalen politischen Konzepten auf internationaler, gemeinschaftlicher, nationaler und lokaler Ebene. Wenn Europa bei der Vielzahl beteiligter Akteure und Politikbereiche die Biowissenschaften und Biotechnologie erfolgreich handhaben und ihre Vorteile für die Gesellschaft nutzen will, müssen wir auf Basis einer gemeinsamen Vision für ein kooperatives Konzept vorgehen, mit wirksamen Umsetzungsmechanismen, um das Fehlen einer umfassenden Zuständigkeit und Kontrolle auszugleichen. Ohne solche Mechanismen laufen wir Gefahr, Biowissenschaften und Biotechnologie weiterhin durch Unentschlossenheit, Kurzsichtigkeit und lokale Lösungen zu behindern.

Die Kommission schlägt vor, die Umsetzung der vorliegenden Strategie strukturiert zu fördern und den beiliegenden Aktionsplan mit folgenden Maßnahmen zu unterstützen:

* Zur Überwachung des Fortschritts in der politischen Entwicklung und in der Sache und zur Vorwegnahme sich abzeichnender Fragen in diesem sich rasant entwickelnden Bereich wird die Kommission von 2002 bis 2010 regelmäßig einen Bericht über Biowissenschaften und Biotechnologie sowie ein fortlaufendes ordnungspolitisches Arbeitsprogramm vorlegen.

* Wir müssen die Kohärenz in allen Rechtsvorschriften und Politikbereichen der Gemeinschaft sicherstellen, die die Entwicklung und Anwendung von Biowissenschaften und Biotechnologie unmittelbar regeln oder mittelbar beeinflussen. Die Kommission wird im Rahmen ihrer Berichte über Biowissenschaften und Biotechnologie die Kohärenz der Gemeinschaftspolitik und der Rechtsvorschriften in allen Bereichen prüfen, die Auswirkungen auf Biowissenschaften und Biotechnologie haben, und erforderlichenfalls entsprechende Initiativen und Vorschläge erarbeiten. Besonders wird dabei darauf geachtet, dass Rechtsvorschriften zu Biowissenschaften und Biotechnologie unsere internationalen Ziele angemessen berücksichtigen und Innovation und internationale Wettbewerbsfähigkeit erleichtern, dass die Gemeinschaftsforschung konsistent und wirksam zu den Gemeinschaftszielen beiträgt und dass andere Politikbereiche und Ziele der Gemeinschaft (beispielsweise Umweltschutz, Gesundheitsschutz und Verbraucherschutz, Bildung, Beschäftigung, Landwirtschaft, Handel und Entwicklung) die langfristige und globale Bedeutung der Biowissenschaften und Biotechnologie angemessen widerspiegeln. Die Kommission wird prüfen, ob bestehende internationale Foren und bilaterale Dialoge wirksam genug sind und einen angemessenen Informationsfluss gewährleisten und ob die eigenen Koordinierungsmechanismen verbesserungsfähig sind.

* So weit unterschiedliche Ebenen der Zuständigkeit betroffen sind, sollte ein Bezugsrahmen für die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren (Gemeinschaft, Mitgliedstaaten, lokale Behörden, Wirtschaftsakteure, Wissenschaft usw.) angestrebt werden. Im Rahmen der Strategie von Lissabon sollten kohärente Maßnahmen in Bezug auf Biowissenschaften und Biotechnologie mit Hilfe der bewährten Verfahren der Koordination und des Benchmarking verfolgt werden. Daneben sollten neue Formen der Zusammenarbeit und Partnerschaft zwischen Interessenvertretern angeregt werden. Zusammen mit den Mitgliedstaaten wird die Kommission auch prüfen, ob sich die strategischen Ziele mit den aktuellen Zuständigkeitsverteilungen und Kooperationsmechanismen effektiv erreichen lassen; unter anderem wird sie erneut prüfen, ob die Notwendigkeit einer Stärkung der Kompetenzen der Gemeinschaft in Übereinstimmung mit dem Vertrag besteht.

* Die Kommission fordert alle Institutionen und öffentlichen Akteure auf, sich bei ihren Maßnahmen um mehr Kohärenz zu bemühen. Die Kommission wird sich ihrerseits mit Wachsamkeit und politischen Impulsen bemühen, die Dynamik bei der Umsetzung dieser Strategie aufrechtzuerhalten, zum einen durch eigene Maßnahmen, zum anderen durch Empfehlungen und Aufforderungen an andere. Die Kommission wird regelmäßiger Orientierungsdebatten veranstalten, parallel zur Annahme der vorgenannten Kommissionsberichte über Biowissenschaften und Biotechnologie.

* Um bei der Weiterentwicklung und Umsetzung der vorgeschlagenen Strategie für Biowissenschaften und Biotechnologie Transparenz und strukturierten Dialog zu erleichtern, wird die Kommission ein breit angelegtes Forum der Interessenvertreter organisieren, an dem auch Vertreter der Beitrittsländer sowie von Drittländern beteiligt werden.

7. Ein Rahmen für Dialog und Aktion

Es ist an der Zeit, die strategischen Chancen und Herausforderungen, denen Europa gegenübersteht, deutlich zu formulieren. Biowissenschaften und Biotechnologie sind eine globale Realität und wesentlich im Hinblick auf das Ziel, dynamische und innovative, wissensbasierte Volkswirtschaften zu schaffen. Wir müssen uns den schwierigen Fragen stellen und unsere strategischen Ziele festlegen, um der Gefahr zu entgehen, kurzfristige Lösungen für langfristige Herausforderungen und lokale Lösungen für globale Herausforderungen zu suchen.

In der Erkenntnis, dass Biowissenschaften und Biotechnologie spezielle Herausforderungen mit sich bringen, hat sich die Kommission das Ziel gesetzt, eine Strategie und konkrete Aktionen vorzuschlagen. Sie legt hiermit diese Initiative für ein kohärentes, kollaboratives und nachhaltiges Vorgehen vor.

Diese Initiative stützt sich auf eine gründliche Analyse [13] der Stärken und Schwächen der europäischen Biotechnologie und eine umfassende öffentliche Debatte und die spezielle öffentliche Konsultation, die die Kommission im September 2001 eingeleitet hat. Die Initiative sollte ihrerseits einen weiteren Dialog anregen. Der beigefügte Aktionsplan sieht ein breites Spektrum von Maßnahmen vor, entsprechend den in den Kapiteln 3 bis 6 dieser Mitteilung dargelegten Leitlinien. Er bildet einen Rahmen; einige der darin vorgesehenen Maßnahmen können kurzfristig eingeleitet werden, andere, eher mittel- und langfristig angelegte Maßnahmen sind als Anregungen zu verstehen, die in Zusammenarbeit mit Mitgliedstaaten und Interessenvertretern weiterentwickelt werden müssen.

[13] Bericht über die Wettbewerbsfähigkeit Europas 2001, Luxemburg 2001; "Innovation and competitiveness in European biotechnology", Enterprise Papers - N° 7, 2002, Europäische Kommission.

Die Kommission fordert hiermit die Institutionen und Organe der Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten, Interessenvertreter und die Öffentlichkeit auf, durch die Definition detaillierter kurz- und mittelfristiger Maßnahmen und eines Zeitplans für die Durchführung zur Vervollständigung und Umsetzung der vorgeschlagenen Strategie beizutragen, und dies als erster entschlossener Schritt in Richtung auf eine effektive und kohärente europäische Politik für die Biotechnologie.

* *

Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa

TEIL II: AKTIONSPLAN

1. DIE NUTZUNG DES POTENZIALS

Die Ressourcenbasis

Investitionen in Menschen

Aktion 1

Die Kommission wird, gemeinsam mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten [14], den Bildungsbedarf im Bereich Biowissenschaften im Rahmen der 10-Jahres-Ziele für Lernen in der Wissensgesellschaft [15] analysieren und:

[14] Soweit in diesem Aktionsplan auf die Mitgliedstaaten Bezug genommen wird, wird die Kommission mit den interessierten Beitrittsländern die Frage ihrer Beteiligung prüfen.

[15] Bericht des Rates ,Bildung" an den Europäischen Rat, 5980/01.

a) umfassende Maßnahmen zur Bildung und zur Förderung des Verständnisses im Bereich Biowissenschaften unternehmen;

b) den Aufbau und die Ausbildung eines qualifizierten Arbeitskräftepotenzials für Biowissenschaften vorantreiben;

hierzu wird sie Empfehlungen für Lehrpläne und Lehrerschulung vorlegen. Die Unterstützung der Gemeinschaft kann im Rahmen der Programme Comenius und Erasmus geleistet werden.

c) Wie in der Mitteilung über den Europäischen Raum des lebenslangen Lernens [16] dargelegt, wird die Kommission gemeinsam mit Mitgliedstaaten, Industrie, Hochschulwelt und anderen Stellen Maßnahmen zur Förderung der Weiterbildung und Auffrischung der bestehenden Qualifikationen der wissenschaftlichen Arbeitskräfte festlegen. Die Unterstützung der Gemeinschaft kann im Rahmen des Programms Leonardo da Vinci geleistet werden.

[16] KOM(2001) 678.

d) Kommission und Mitgliedstaaten sollten Diskussionsforen für Wissenschaftler mit unterschiedlicher Spezialisierung fördern, um einen Austausch über Fachgrenzen hinweg anzuregen. Entscheidende Entdeckungen kommen oft an den Schnittpunkten der Disziplinen zustande. Die Unterstützung der Gemeinschaft kann im Rahmen des Programms Erasmus geleistet werden.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission, Privatsektor

Zeitrahmen: 2003-2010

Aktion 2

Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten prüfen:

a) wie wirksame Methoden zur Abstimmung von Qualifikationen und Qualifikationsbedarf aussehen können, wobei es um die effiziente Bekanntmachung offener Stellen, die Zusammenarbeit mit bestehenden Unternehmen und ein Arbeitskräftepotenzial geht, das über das Stellenangebot gut informiert ist.

b) Maßnahmen, um Wissenschaftler anzuwerben und zu halten und die Abwanderung wissenschaftlicher Ressourcen zu verhindern. Dabei wird insbesondere Bezug genommen auf die Initiativen im Rahmen der Mitteilung ,Eine Mobilitätsstrategie für den Forschungsraum" [17], die die Gesamtsituation für Forscher und ihre Familien innerhalb der EU verbessern sollen. Entsprechend berücksichtigt werden auch die ausgeweiteten Mobilitätsmöglichkeiten durch das anlaufende Sechste Rahmenprogramm (2002-2006) und insbesondere die Maßnahmen zur Anwerbung ausländischer Forscher und zur Unterstützung der Rückkehr von aus der EU stammenden Forschern, die anderswo in der Welt tätig sind.

[17] KOM(2001) 331 endg. vom 20. Juni 2001, ergänzt durch die Entschließung des Rates vom 20. Dezember 2001 über ,Die Stärkung der Mobilitätsstrategie innerhalb des Europäischen Forschungsraums".

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission

Zeitrahmen: ab 2003

Schaffung und Nutzung von Wissen

Forschung

Aktion 3

Die Kommission wird ihre Unterstützung für Forschung, technologische Entwicklung, Demonstration und Ausbildung im Bereich Biowissenschaften und Biotechnologie innerhalb des nächsten Rahmenprogramms 2002-2006 verstärken, das auf die Schaffung des Europäischen Forschungsraums abzielt.

Die biotechnologische Forschung wird u. a. mit folgenden Schwerpunkten gefördert:

1: Genomik und Biotechnologie im Bereich Gesundheit

3: Nanotechnologie

5: Lebensmittelqualität und Lebensmittelsicherheit

6: Nachhaltige Entwicklung

7: Bürger und Governance

Spezifische Maßnahmen sollen KMU zur Beteiligung ermutigen und internationale Zusammenarbeit, Mobilität und Ausbildung von Forschern anregen.

Die neuen Instrumente der "Networks of Excellence" und Integrierten Projekte werden es erleichtern, die Ziele einer europaweiten Zusammenarbeit, des Erreichens einer kritischen Masse und der administrativen Vereinfachung zu verwirklichen.

Kommission und Mitgliedstaaten sollten zudem in Zusammenarbeit mit dem EIF eine wettbewerbsfähige Infrastruktur für Bioinformatik entwickeln, um die biotechnologische Forschung zu unterstützen und die Forschungsförderung in DV-gestützter Biologie und biomedizinischer Informatik zu bündeln.

Durchführung: Mitgliedstaaten, EIF, Kommission

Zeitrahmen: 2002-2006

Management und juristische Dienste

Aktion 4

Steigerung des Angebots an spezifischen Management- und juristischen Qualifikationen:

a) Mitgliedstaaten und nationale Biotechnologie-Verbände sollten die Möglichkeit prüfen, auf nationaler Ebene eigenständige Netze von Managern in Biotechnologieunternehmen zu schaffen.

b) Mitgliedstaaten und Kommission sollten die Zusammenarbeit zwischen Ausbildungsstätten für Juristen, Anwaltsfirmen und Unternehmen bei der Entwicklung der spezifischen juristischen Kompetenzen fördern, die von den Biotechnologieunternehmen benötigt werden.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Hochschulwelt, Berufsverbände, Kommission

Zeitrahmen: ab 2003

Nutzung des geistigen Eigentums

Aktion 5

Ein solides, harmonisiertes und wirtschaftlich vertretbares europäisches System zum Schutz des geistigen Eigentums, das einen Anreiz für F&E und Innovation bietet, wird vervollständigt durch:

a) die dringliche Umsetzung der Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (EG/98/44) in nationales Recht;

b) die Verabschiedung der Patentverordnung der Gemeinschaft durch den Rat;

c) eine klarere Formulierung - durch Mitgliedstaaten und Kommission - der Regeln für das Recht am geistigen Eigentum aufgrund öffentlicher Forschung, und die Überwachung der Auswirkungen der Durchführung der Patentbestimmungen auf Forschung und Innovation;

d) die Förderung der Sensibilisierung für die strategische Nutzung des Rechts auf geistiges Eigentum während des gesamten Forschungs- und Innovationsprozesses und der Sensibilisierung der Wissenschaftler für das kommerzielle Potenzial ihrer Forschung, die Förderung des Unternehmergeistes und der Freizügigkeit zwischen akademischer Welt und Unternehmen;

e) Maßnahmen zur Förderung von internationalem Dialog und Zusammenarbeit im Hinblick auf die Schaffung gleicher Ausgangsbedingungen in den Industrieländern in Bezug auf den Patentschutz für biotechnologische Erfindungen, um einen wirksamen Schutz für Innovationen in diesem Bereich zu gewährleisten.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Rat, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Kapitalbasis

Aktion 6

Die Kommission sollte, gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank, die Kapitalbasis für die Biotechnologieindustrie stärken durch:

a) Stimulierung von Investitionen in Forschung und technologische Innovation über ergänzende Finanzierung auf der Grundlage der Kooperationsvereinbarung, die Kommission und EIB-Gruppe im Juni 2001 unterzeichnet haben;

b) Bemühungen um die Stimulierung von Investitionen in Unternehmens-,Inkubatoren" über die ,Start-Up Facility" des EIF;

c) Prüfung von Maßnahmen zur Förderung von Technologietransfermechanismen, wie Finanzierung von ,Patentpools" oder anderen Methoden zur Patentnutzung;

d) Prüfung von Maßnahmen zur Anregung kommerzieller Finanzierungsanstrengungen für Unternehmen auf der Basis einer mittelfristigen Investitionsperspektive.

Durchführung: EIB-Gruppe, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Aktion 7

Die Kommission wird die Arbeit des Forums Biotechnologie und Finanzierung durch die Einbeziehung wichtiger Interessenvertreter als Berater bei der Erarbeitung politischer Konzepte für die Kapitalbereitstellung stärken.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2002

Vernetzung von Akteuren im Bereich Biotechnologie in Europa

Netze in Europa

Aktion 8

Die Kommission wird:

a) die Schaffung eines kommerziellen Webportals für Biotechnologie in Europa unterstützen, das freien Zugang zu Informationen bieten und die bestehenden Websites vernetzen soll. Die Inhalte eines solchen Portals sind nach den Kriterien der wirtschaftlichen Machbarkeit und einer kontinuierlichen Nachfrage zu definieren;

b) ihre eigene neue Website weiterentwickeln, um eine umfassende Einstiegsplattform zur Arbeit der Kommission im Bereich Biotechnologie zu bieten.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2002-2003

Aktion 9

Mitgliedstaaten, Regionen, Kommission und EIB sollten Unterstützung leisten für:

a) eine stärkere interregionale Kooperation, etwa durch Vernetzung von Biotechnologie-Regionen. Grenzüberschreitende und interregionale Kooperation kann mit Mitteln aus den Interreg-Programmen (insbesondere Interreg IIIB und IIIC) finanziert werden;

b) die Vernetzung von Biotechnologie-,Clustern". Zusätzlich wird die Kommission einen europäischen Wettbewerb für Innovations-,Cluster" in der Biotechnologie organisieren, um deren Fähigkeit zu demonstrieren, einen ,Cluster" mit einem Wissensschwerpunkt in einem spezifischen Wissenschaftsbereich zu schaffen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Regionen, EIB, Kommission

Zeitrahmen: 2003-2006

Eine aktive Rolle für öffentliche Stellen

Aktion 10

Die Kommission wird schaffen:

a) eine Funktion zur Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit und ein Kontakt-Netzwerk der Ministerien in den Mitgliedstaaten, die für die Wettbewerbsfähigkeit in der Biotechnologie zuständig sind. Die Überwachungsaufgabe sollte auch die Auswirkungen gesetzgeberischer und politischer Maßnahmen auf die Wettbewerbsfähigkeit in Europa einbeziehen.

b) eine Beratende Gruppe für Wettbewerbsfähigkeit in der Biotechnologie mit Vertretern aus Industrie und Hochschulwelt, die feststellen soll, welche Aspekte die Wettbewerbsfähigkeit Europas beeinflussen. Die Gruppe wird einen Beitrag zu den regelmäßigen Berichten der Kommission über Biowissenschaften und Biotechnologie liefern.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission

Zeitrahmen: 2002

Aktion 11

Transparenz im Verwaltungsprozess:

a) Kommission und Mitgliedstaaten sollten als Regulierungsbehörden Antragsteller unterstützen, insbesondere Unternehmensgründer und KMU, die im Rahmen der Regulierung eine Zulassung beantragen.

b) Die Kommission wird einen Leitfaden zum ordnungspolitischen Rahmen der Gemeinschaft für Nutzer und Unternehmer veröffentlichen, die über wenig Personal und Fachkenntnis in den Bereichen Ordnungspolitik und Recht verfügen. Ein solcher Leitfaden könnte auch Bewerbern außerhalb der EU (etwa in den Entwicklungsländern) sowie der Öffentlichkeit zugute kommen.

Durchführung: a) Mitgliedstaaten, Kommission; b) Kommission

Zeitrahmen: ab 2003

Aktion 12

In Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren wird die Kommission bewährte Verfahren bei der Schaffung von Biotechnologie-,Clustern" und bei der Arbeit von Unternehmens-,Inkubatoren" bewerten und die Ergebnisse verbreiten. Die Kommission wird weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten ein Programm zur Bewertung (Benchmarking) relevanter Elemente der politischen Maßnahmen in Bezug auf die Biotechnologie einrichten, zusätzlich zu den bestehenden Benchmarking-Strukturen.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: ab 2003

2. Schlüsselelement für eine verantwortungsvolle Politik: ein ordnungspolitischer Rahmen für Biowissenschaften und Biotechnologie

Gesellschaftliche Kontrolle und Dialog

Aktion 13

Kommission, Mitgliedstaaten, Organisationen, Institutionen und andere Akteure sollten sich an einem strukturierten Dialog auf verschiedenen Ebenen beteiligen, dessen Ziel eine Verständigung und der Informationsaustausch über Biowissenschaften und Biotechnologie ist. Die Kommission wird insbesondere dazu beitragen, alle Schlüsselakteure in der öffentlichen Debatte zu mobilisieren und die Beteiligung von Interessenvertretern mit begrenzten Ressourcen zu erleichtern.

Insbesondere:

a) Die Kommission wird einen Rahmen für einen Prozess des Dialogs und der Weiterarbeit mit den Interessenvertretern im Rahmen der europäischen Strategie für Biowissenschaften und Biotechnologie vorschlagen. Dieser Rahmen soll unter anderem ein breit angelegtes Forum der Interessenvertreter umfassen. In diesem Prozess wird die Kommission sich bemühen, das ordnungspolitische Konzept der Union besser zu erläutern (einschließlich Anwendung des Vorsorgeprinzips, Rolle des Risikomanagements, Überwachung, Sicherheitsvorkehrungen und Umkehrbarkeit ordnungspolitischer Entscheidungen).

b) Die Kommission wird Initiativen zu folgenden Aspekten vorlegen und die Wissenschaftswelt sowie andere Interessenvertreter zur Mitarbeit dabei auffordern: Sensibilisierung für wissenschaftliche Schlüsselparadigmen, die der ordnungspolitischen Kontrolle zugrunde liegen, wie wissenschaftliche Unsicherheit, Unmöglichkeit, Risiken völlig auszuschließen, vergleichbare Risiken, die ständige Weiterentwicklung der Wissenschaft, die unseren Bezugsrahmen und die Übergänge zwischen den einzelnen Stufen der Risikoanalyse verbessert. Innerhalb ihrer Zuständigkeitsbereiche werden die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit und die Europäische Agentur für die Bewertung von Arzneimitteln eine wichtige Rolle bei der allgemeinen Risikokommunikation - auch in Bezug auf wissenschaftliche Grundlagen für ihre Schlussfolgerungen bei Risikobewertungen - spielen.

c) Über diese zwei spezifischen Initiativen hinaus wird die Kommission auch die öffentliche Debatte über die Biotechnologie zwischen Wissenschaftlern, Industrie und Zivilgesellschaft anregen, und zwar unter Beteiligung spezifischer Interessengruppen wie Patientenvereinigungen, Landwirten und Verbrauchern, mit Schwerpunkten bei spezifischen technologischen Entwicklungen, um so das öffentliche Interesse an diesen Entwicklungen zu fördern und frühzeitige Informationen zu potenziellen Nutzen und Risiken zu bieten. Entwickler in Wissenschaft und Industrie haben eine besondere Verantwortung dafür, Hintergründe und Nutzen ihrer Produkte aktiv zu erklären.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Industrie, Hochschulwelt, Zivilgesellschaft, EFSA, EMEA, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Entwicklung von Biowissenschaften und Biotechnologie in Übereinstimmung mit ethischen Werten und gesellschaftlichen Zielen

Aktion 14

Die Kommission wird die Unterstützung der Gemeinschaft für die Erforschung der sozioökonomischen und ethischen Aspekte verstärken und konzentrieren, ebenso die Verbreitung der Ergebnisse; dabei geht es auch um die Kriterien für die Beurteilung des Nutzens der Biotechnologie in der landwirtschaftlichen Lebensmittelerzeugung, um die Erleichterung künftiger Berichterstattung und um eine solide Basis für gesellschaftliche Entscheidungen über den Einsatz von Biowissenschaften und Biotechnologie. Die Kommission wird die Forschungsförderung auf eine systematischere Untersuchung von Vorteilen und Nachteilen/Risiken ausrichten, einschließlich einer starken Komponente für Informationsverbreitung und Debatte.

Die Kommission wird sicherstellen, dass ethische, rechtliche und soziale Aspekte in einem möglichst frühen Stadium der gemeinschaftsfinanzierten Forschung berücksichtigt werden, indem bioethische Forschung finanziert und eine ethische Prüfung der eingehenden Forschungsprojekte vorgenommen wird.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2002-2006

Aktion 15

Die Kommission schlägt vor, die Rolle der Europäischen Ethik-Gruppe zu stärken. Ergänzend wird die Kommission eine separate Konsultation mit den anderen Gemeinschaftsinstitutionen über möglichen strukturelle und prozedurale Verbesserungen einleiten. Die Kommission wird auch die Zusammenarbeit zwischen Gemeinschaft, nationaler und lokaler Ebene fördern, und zwar durch die Unterstützung der Vernetzung nationaler und lokaler Ethik-Gremien und gewählter Volksvertreter. Die Kommission wird ein Netz akademischer und professioneller Sachverständiger für Ad-hoc-Beratung zu spezifischen sozioökonomischen Aspekten organisieren.

Durchführung: Ethik-Gremien, gesetzgebende Gremien, Kommission

Zeitrahmen: 2002

Aktion 16

Die Kommission wird, gemeinsam mit dem Europäischen Parlament, Maßnahmen zur Information über die Analyse ethischer Fragen auf EU-Ebene erarbeiten.

Unter Wahrung der kulturellen Vielfalt wird die Kommission in Zusammenarbeit mit öffentlichen und privaten Partnern Bereiche ermitteln, in denen sich ein Konsens über ethische Leitlinien/Normen oder bewährte Verfahren erarbeiten lässt. Dazu könnten gehören die Stammzellenforschung, Biobanken, Xenotransplantation, Gentests und die Verwendung von Tieren in der Forschung. Solche Leitlinien könnten, sofern dies geeignet erscheint, in Form von Selbstregulierungsinitiativen in Wissenschaftswelt und Industrie vorgelegt werden.

Durchführung: Europäisches Parlament, Mitgliedstaaten, Regionen, Industrie, Institutionen, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Bedarfsorientierte Anwendungen aufgrund fundierter Entscheidungen

Aktion 17

Die Kommission wird sich bemühen, in Partnerschaft mit Mitgliedstaaten, Landwirten und anderen privaten Akteuren, Forschungs- und Pilotprojekte zu erarbeiten, die die Notwendigkeit - und mögliche Optionen - agronomischer und anderer Maßnahmen zur Gewährleistung der Lebensfähigkeit konventioneller und ökologischer Landwirtschaft und ihrer dauerhaften Koexistenz mit dem Anbau von genetisch veränderten Kulturpflanzen klären sollen. Die Kommission sieht auch die Notwendigkeit, die bestehenden genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft zu erhalten. Sie wird ein neues Aktionsprogramm zur Bewahrung, Bestimmung, Erfassung und Nutzung der genetischen Ressourcen in der Landwirtschaft in der Gemeinschaft starten.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Berufsverbände, andere Akteure, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Vertrauen in wissenschaftlich untermauerte staatliche Kontrolle

Rechtsvorschriften für die Pharmaindustrie

Aktion 18

Parlament und Rat werden ersucht, die drei Vorschläge für Rechtsvorschriften zur Änderung des Gemeinschaftsrechts im Pharmabereich beschleunigt zu verabschieden, die Maßnahmen enthalten für:

a) Entwicklung und Ausbau des Systems wissenschaftlicher Beratung und Verbesserung des Zugangs der wissenschaftlichen Ausschüsse der Europäischen Agentur zur Bewertung von Arzneimitteln (EMEA) zu hochrangigem Fachwissen, durch Schaffung von Expertengruppen und ständigen Arbeitsgruppen. Das höhere Niveau des Fachwissens wird auch bei der Überarbeitung bzw. Erarbeitung europäischer Leitlinien für Qualitäts-, Sicherheits- und Wirksamkeitsaspekte biotechnologischer Medizinprodukte hilfreich sein.

b) die Einführung eines beschleunigten Verfahrens für Produkte von besonderem Interesse für den Gesundheitsschutz, um die Fristen für Bewertung und Zulassung von Medizinprodukten verkürzen zu können.

c) Einführung eines Verfahrens für eine bedingte Zulassung, die für ein Jahr gültig ist, aber verlängert werden kann. Dies erlaubt es bei Produkten von besonderem Interesse für den Gesundheitsschutz, bei denen aber die Untersuchungen noch nicht vollständig abgeschlossen sind, während der Schlussphase der Studien bereits einen bedingten Marktzugang zuzulassen.

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat Zeitrahmen: 2002

Rechtsvorschriften in Bezug auf genetisch veränderte Organismen (GVO)

Ordnungspolitische Maßnahmen für die unmittelbare Zukunft

Aktion 19

Parlament und Rat werden ersucht, die Verabschiedung der zwei nachstehenden Vorschläge zu beschleunigen:

a) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung genetisch veränderter Organismen und zur Rückverfolgbarkeit von aus genetisch veränderten Organismen gewonnenen Lebensmitteln und Futtermitteln

b) Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat

Zeitrahmen: 2002

Aktion 20

Die Kommission wird ihre Arbeit fortsetzen und die bereits angekündigten Rechtsvorschläge fertig stellen, so etwa die Initiativen zu GV-Vermehrungsgut, Umwelthaftung und Umsetzung des Protokolls über die biologische Sicherheit.

Durchführung: Europäisches Parlament, Rat, Kommission

Zeitrahmen: 2002-2003

Umsetzung und Durchsetzung

Aktion 21

Die Kommission wird dafür Sorge tragen, dass die Rechtsvorschriften in der ganzen Gemeinschaft einheitlich und wirksam durchgesetzt werden, und sie wird die geeigneten Durchführungsmaßnahmen für die einschlägigen Rechtsvorschriften erlassen, einschließlich der notwendigen Leitlinien für Erfassungs- und Probenahmeverfahren. Die Kommission wird zudem ein Molekularregister einrichten, das der Öffentlichkeit zugänglich sein und Informationen über genetische Veränderungen enthalten soll.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2002-2003

Spezifische langfristige ordnungspolitische Maßnahmen

Aktion 22

Die Kommission wird Bericht erstatten über die Realisierbarkeit von Optionen zur weiteren Verbesserung der Konsistenz und Effizienz des ordnungspolitischen Rahmens für die Zulassung von GVO für die absichtliche Freisetzung in die Umwelt, einschließlich eines zentralisierten Verfahrens zur Gemeinschaftszulassung.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: 2003

Aktion 23

Die Kommission wird die Entwicklung von Methodiken zur Überwachung potentieller ökologischer Langzeitfolgen von GVO im Vergleich mit konventionellen Kulturpflanzen sowie Methodiken zur Überwachung der Auswirkungen von genetisch veränderten Lebens- und -Futtermitteln im Vergleich mit konventionellen Lebens- und Futtermitteln unterstützen. Mit der Einrichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit werden die Bemühungen um eine frühzeitige Erkennung sich abzeichnender Risiken verstärkt.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

3. Europa in der Welt - auf die globalen Herausforderungen reagieren

Eine europäische Agenda für die internationale Zusammenarbeit

Aktion 24

Die Kommission sollte auch weiterhin eine führende Rolle bei der Entwicklung internationaler Leitlinien, Normen und Empfehlungen in relevanten Sektoren auf der Grundlage eines internationalen wissenschaftlichen Konsens spielen und insbesondere auf die Entwicklung eines konsistenten, wissenschaftlich fundierten, fokussierten, transparenten, integrativen internationalen Systems zum Umgang mit Fragen der Lebensmittelsicherheit hinarbeiten.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Die Verantwortung Europas gegenüber der Dritten Welt

Landwirtschaft

Aktion 25

Die Kommission wird in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten Unterstützung leisten für:

a) die Neuorientierung der nationalen Forschung hin auf eine ausgewogene Mischung traditioneller und innovativer Techniken, auf der Grundlage der mit Landwirten vor Ort entwickelten Prioritäten.

b) die Schaffung effizienter Forschungspartnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen in Entwicklungsländern und der EU, Schaffung entsprechender Kapazitäten und Infrastruktur für Entwicklungsländer, damit diese sich an solchen Partnerschaften beteiligen können, entsprechend den internationalen Verpflichtungen aufgrund der Übereinkommen.

c) subregionale, regionale und internationale Organisationen, insbesondere die Internationalen Agrarforschungszentren.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Genetische Ressourcen

Aktion 26

Kommission und Mitgliedstaaten werden die Bewahrung und nachhaltige Nutzung der genetischen Ressourcen in den Entwicklungsländern und die gerechte Teilung ihrer Vorteile unterstützen durch:

a) Förderung der Entwicklung und Durchsetzung wirksamer Maßnahmen zur Bewahrung, nachhaltigen Nutzung von und Sicherung des Zugangs zu genetischen Ressourcen und traditionellem Wissen und zur gerechten und ausgewogenen Teilung ihrer Vorteile, einschließlich der Einnahmen aus dem Schutz des geistigen Eigentums. Die Unterstützung der Menschen vor Ort ist wesentlich für die Bewahrung einheimischen Wissens und genetischer Ressourcen.

b) Förderung der Beteiligung von Delegierten aus Entwicklungsländern bei den Verhandlungen über einschlägige internationale Übereinkommen.

c) Unterstützung von Maßnahmen zur Förderung stärkerer regionaler Koordination bei Rechtsvorschriften zur Minimierung von Diskrepanzen bei Zugang, Nutzung und Handel mit Produkten, die aus genetischen Ressourcen hergestellt wurden, in Übereinstimmung mit internationalen Verpflichtungen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Gesundheit

Aktion 27

Kommission und Mitgliedstaaten sollten in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft die Forschungsverpflichtungen beim Kampf gegen HIV/AIDS, Malaria, TB und andere große Armutskrankheiten konkretisieren und wirksame Maßnahmen zur Unterstützung der Entwicklungsländer beim Aufbau der notwendigen Strukturen für eine Gesundheitspolitik ermitteln.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission Zeitrahmen: ab 2002

Verantwortliche und umsichtige Nutzung

Aktion 28

Die Kommission sollte fördern:

a) die sichere und effiziente Nutzung moderner Biotechnologien in den Entwicklungsländern, gestützt auf deren souveräne Entscheidung und ihre nationale Entwicklungsstrategie.

b) Maßnahmen zur Stärkung der Fähigkeit der Entwicklungsländer zur Bewertung und Beherrschung der Risiken für Mensch und Umwelt unter den im jeweiligen Land herrschenden Bedingungen.

c) die Entwicklung geeigneter administrativer, legislativer und ordnungspolitischer Maßnahmen in den Entwicklungsländern für die ordnungsgemäße Umsetzung des Protokolls von Cartagena.

d) die wirksame Anpassung der internationalen Forschung zu den sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen im Hinblick auf die Berücksichtigung der Bedingungen in den Entwicklungsländern und auf die Rückmeldung der Ergebnisse in einer geeigneten Form.

e) dass die internationalen rechtlichen Erfordernisse für Entwicklungsländer erfuellbar bleiben, um nicht ihre Perspektiven für Handel und Produktion zu behindern.

Durchführung: Kommission Zeitrahmen: ab 2002

4. Praktische Umsetzung und Kohärenz für alle Politikbereiche, Sektoren und Akteure

Aktion 29

Die Kommission wird ausbauen:

a) die allgemeine Vorausschau-Funktion in allen Kommissionsdienststellen, und insbesondere ihre Rolle bei der technologischen Vorausschau mit Hilfe des Institute for Prospective Technological Studies (IPTS), und dies im Hinblick auf die frühzeitige Erkennung sich abzeichnender neuer Fragen und die Ermittlung der Elemente einer politischen Antwort;

b) ihre Überwachungs- und Überprüfungsfunktion zur Bewertung

- der Relevanz, Kohärenz und Wirksamkeit von Rechtsvorschriften und Politik;

- des Ausmaßes, in dem politische Ziele erreicht und die Rechtsvorschriften durchgesetzt werden;

- der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen von Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen.

Im Hinblick auf diese Ziele und zur weiteren Stärkung der politischen Kohärenz wird die Kommission

c) die ständige Koordinierung zwischen ihren Dienststellen verstärken, und sie ersucht die Mitgliedstaaten, ebenfalls erweiterte Vorausschau-/Überprüfungsfunktionen sowie eine koordinierte Schnittstelle für einen Dialog über diese Fragen zu schaffen.

Durchführung: Mitgliedstaaten, Kommission

Zeitrahmen: ab 2002

Aktion 30

Die Kommission wird einen regelmäßigen Bericht über Biowissenschaften und Biotechnologie vorlegen, mit dem sie die Fortschritte überwacht und gegebenenfalls spezifische Vorschläge zur Sicherung der politischen und legislativen Kohärenz präsentieren kann. Dem Bericht werden die Schlussfolgerungen der Aktionen 10 und 29 zugrunde liegen.

Durchführung: Kommission

Zeitrahmen: ab 2003