52002AE0345

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 80/1268/EWG des Rates im Hinblick auf die Messung von Kohlendioxidemissionen und Kraftstoffverbrauch von N1-Fahrzeugen" (KOM(2001) 543 endg. — 2001/0255 (COD))

Amtsblatt Nr. C 125 vom 27/05/2002 S. 0006 - 0008


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum "Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinien 70/156/EWG und 80/1268/EWG des Rates im Hinblick auf die Messung von Kohlendioxidemissionen und Kraftstoffverbrauch von N1-Fahrzeugen"

(KOM(2001) 543 endg. - 2001/0255 (COD))

(2002/C 125/02)

Der Rat beschloss am 27. November 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 95 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Die mit der Vorbereitung der Arbeiten beauftragte Fachgruppe Binnenmarkt, Produktion und Verbrauch nahm ihre Stellungnahme am 1. März 2002 an. Berichterstatter war Herr Colombo.

Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 389. Plenartagung am 20. März 2002 mit 55 Ja-Stimmen bei 5 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Ziel des Vorschlags

1.1. Ziel des Kommissionsvorschlags ist die Ausdehnung der harmonisierten Mindestanforderungen für die Messung der Kohlendioxidemission und des Kraftstoffverbrauchs, die derzeit nur für Fahrzeuge der Klasse M1 (Personenkraftwagen) gelten, auf Fahrzeuge der Klasse N1 (leichte Nutzfahrzeuge); die ursprünglichen Richtlinien 70/156/EWG und 80/1268/EWG wurden zuletzt durch die Richtlinie 1999/100/EWG geändert.

1.2. Das Hauptziel, das mit diesem Vorschlag verfolgt wird, ist offensichtlich die Vorbereitung spezifischer Maßnahmen zur Senkung der Kohlendioxidemissionen und des Kraftstoffverbrauchs zur Förderung des Umweltschutzes im Straßenverkehr.

2. Adressaten des Vorschlags

2.1. Dieser Vorschlag betrifft leichte Nutzfahrzeuge (N1) mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 3,5 t: dazu gehört ein breites Spektrum von Fahrzeugen (leichte, von PKW abgeleitete Transportfahrzeuge, Freizeitfahrzeuge (Geländewagen), Großraumlimousinen, Kleinlastwagen etc.), wobei vom Grundmodell ausgehend oft eine ganze Reihe verschiedener Varianten angeboten wird.

2.2. Diese Fahrzeuge haben einen erheblichen Marktanteil: Im Jahr 2000 wurden von 14 Mio. verkauften PKW 1,8 Mio. leichte Nutzfahrzeuge verkauft, sodass man ausrechnen kann, dass etwa 10 % des straßenverkehrsbedingten Kohlendioxidausstoßes auf leichte Nutzfahrzeuge entfallen. Die nachstehende, von der Kommission erarbeitete Übersichtstabelle vermittelt einen genauen Überblick über dieses Phänomen.

- Gesamte CO2-Emissionen in der EU (1995): 3227 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente,

- Gesamte CO2-Emissionen in der EU durch den Straßenverkehr (1995): 655,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente (= 20 % der gesamten CO2-Emissionen),

- CO2-Emissionen in der EU durch andere Sektoren (1995):

andere Verkehrsträger als der Straßenverkehr: 195,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente

Verbrennung im Energiesektor: 1041 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente

Verbrennung im nichtindustriellen Bereich: 654,9 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente

- Die CO2-Emissionen von Fahrzeugen der Klasse N1 werden auf etwa 10 % der gesamten straßenverkehrsbedingten CO2-Emissionen geschätzt (ca. 65 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente).

- Die Fahrzeuge der Klasse N1 verteilen sich etwa wie folgt auf die Untergruppen:

- Untergruppe I: 25 %

- Untergruppe II: 50 %

- Untergruppe III: 25 %

- Die CO2-Emissionen der verschiedenen Untergruppen liegen wohl etwa in der gleichen Größenordnung, jedoch mit etwas höheren Werten für die Untergruppe III (höherer Kraftstoffverbrauch, höhere Laufleistung).

- Die Gesamtzahl verschiedener Versionen der Untergruppen II und III wird auf etwa 3000 geschätzt, was jedoch nicht bedeutet, dass 3000 Typgenehmigungen erforderlich wären, da die Hersteller über genügend Flexibilität verfügen, um verschiedene Versionen zu einer Typgenehmigung zusammenzufassen.

- Bei der Ausnahmebestimmung für Kleinserienhersteller muss wirklich sichergestellt werden, dass die Kosten der Typgenehmigung unter Berücksichtigung der Zahl von Fahrzeugen, auf die sich die Genehmigung bezieht, nicht zu hoch sind, denn der Anteil dieser Fahrzeuge an den CO2-Emissionen ist gering.

2.3. Der obengenannte Wert dürfte im Übrigen weiter steigen, da eine allmähliche Zunahme des Marktanteils dieser Fahrzeuge zu verzeichnen ist. Trotz dieses Ausmaßes wurde bislang keinerlei Gemeinschaftsinitiative ergriffen, um sowohl den Kraftstoffverbrauch als auch die Kohlendioxidemissionen dieser Fahrzeugklasse zu überwachen und zu verbessern.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Der Ausschuss hat Kenntnis von den künftigen Initiativen der Kommission für Maßnahmen zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes und zur Optimierung des Kraftstoffverbrauchs; er befürwortet und unterstützt diese Initiativen, die wichtig sind, um die von den Gemeinschaftsbeschlüssen angestrebten ehrgeizigen Umweltschutzziele im Straßenverkehr zu erreichen.

3.2. Das Erreichen der in Kyoto festgelegten Grenzwerte für die Senkung des Kohlendioxidausstoßes ist für die "nachhaltige Entwicklung" als vorrangiges und strategisches Ziel zu betrachten. Die Einbeziehung des Verkehrssektors in die Verwirklichung dieser Ziele dürfte von entscheidender Bedeutung sein; diese Überzeugung wurde in den früheren Stellungnahmen des Ausschusses schon mehrmals vorgebracht und vertreten.

3.3. Nach Ansicht des Ausschusses geht der Kommissionsvorschlag zwar in die richtige Richtung; er befürchtet jedoch, dass die angestrebten Ziele aufgrund der Zusatzkosten verfehlt werden könnten, die sowohl durch die Verdoppelung der vorgeschriebenen Prüfungen als auch durch die erforderliche Anschaffung zusätzlicher Geräte für die neuen Prüfungen entstehen. Diese Kostenfaktoren wirken sich letztendlich unvermeidlich auf den Preis des Produkts aus. In allen Fällen, in denen die Produktion in unterschiedlichen Betrieben oder Ländern erfolgt, ist eine weitere Verdoppelung dieser Kosten anzusetzen. Eine erste Kostenanalyse bestätigt diesen Ansatz und hat die Kommission dazu veranlasst, Unternehmen mit einer Jahresproduktion von weniger als 2000 Stück von diesen Prüfungsmethoden freizustellen.

3.4. Im Kommissionsvorschlag fehlt eine differenzierte Unterteilung der Fahrzeugklasse N1, die sich gemäß Richtlinie 98/69/EWG je nach zulässigem Gesamtgewicht aus drei Unterkategorien zusammensetzt: Gruppe I bis 1305 kg, Gruppe II von 1305-1760 kg und Gruppe III über 1760 kg.

3.5. Hinsichtlich der Messungen an den Fahrzeugen, die ausschließlich in unbeladenem Zustand erfolgen, nimmt der Ausschuss die Aussage der Kommission zur Kenntnis, eine Änderung wäre schwierig, da mehr Tests erforderlich und höhere Kosten anfallen würden. Er hebt jedoch hervor und bittet die Kommission zu berücksichtigen, dass sich der Verbrauch sowohl durch die Nutzlast der Fahrzeuge als auch durch die Art der Ausrüstung erheblich verändern kann.

3.6. Des Weiteren vermisst der Ausschuss eine Kosten-Nutzen-Analyse, die er als notwendig erachtet, um eine eingehendere Bewertung der mit dem Kommissionsvorschlag zu erzielenden Ergebnisse zu ermöglichen. Insbesondere bei Fahrzeugen der Gruppen II und III scheinen die Investitions- und Arbeitskosten in keinem Verhältnis zu den erwarteten Ergebnissen zu stehen.

4. Besondere Bemerkungen

4.1. Ausgehend von der oben unter Ziffer 3.4 im Einzelnen dargestellten Untergliederung der Fahrzeugklasse N1 ist der Ausschuss der Auffassung, dass sich bei der Untergruppe I keine besonderen Probleme stellen werden, da diese Fahrzeuge direkt von Personenkraftwagen abgeleitet sind und als solche bereits den Prüfungen auf dem Fahrleistungsprüfstand unterworfen sind. Somit dürfte es hier keine Anwendungsprobleme geben.

4.2. Anders ist die Lage teilweise bei der Untergruppe II, insbesondere jedoch bei der Untergruppe III, bei denen mit erheblichen Durchführungsproblemen zu rechnen sein wird.

4.3. Denn diese Fahrzeuge werden von Unternehmen gebaut, die Lastkraftwagen herstellen, und LKW-Motoren werden anderen Prüfungen unterzogen (Richtlinie 88/77/EWG und nachfolgende Änderungen). Die in dem neuen Richtlinienvorschlag vorgesehene Ausdehnung der Vorschriften für "Personenkraftwagen" auf diese Fahrzeugklasse würde also dazu führen, dass auf diese Fahrzeuge zwei unterschiedliche Prüfverfahren angewendet werden müssten.

4.4. Der Richtlinienvorschlag sieht vor, dass die Fahrzeuge ohne Ladung geprüft werden sollen, obwohl es unter Punkt E2 desselben Vorschlags heißt, "dass die Beladung einen wesentlichen Einfluss auf den tatsächlichen Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissionen hat". Dieser Ausschluss wird wie folgt begründet: "Da die Zahl der Fahrzeugversionen groß ist, wäre eine beträchtliche Anzahl zusätzlicher Prüfungen erforderlich, die erhebliche zusätzliche Kosten verursachen würden." (s. o. Ziffer 3.4).

4.5. Darüber hinaus sind Ausnahmen für Kleinserienhersteller vorgesehen (s. o. Ziff. 3.3). Es ist verständlich und zu befürworten, dass sich die Kommission über die Auswirkungen auf die KMU Gedanken macht. Es muss jedoch vermieden werden, dass diese Ausnahmeregelung, die Wirksamkeit der im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Vorschrift einschränkt.

4.6. Der Ausschuss neigt dazu, der vorgeschlagenen Lösung zuzustimmen, die sich in den breiteren Rahmen der Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen einfügt. Was die Hersteller angeht, die nur wenig mehr als 2000 Fahrzeuge im Jahr bauen, so empfiehlt der Ausschuss, dass die öffentlichen Stellen, welche die Typgenehmigungskontrollen vornehmen, ihnen die technischen Einrichtungen für die Typgenehmigungen (Fahrleistungsprüfstand) zu geringen Kosten zur Verfügung stellen sollten.

5. Schlussfolgerungen

5.1. Der Ausschuss befürwortet zwar die Anwendung dieser Vorschrift auf Fahrzeuge der Untergruppe I, fordert jedoch aus den oben dargelegten Gründen die Kommission auf, weitere Informationen über die Anwendung der im Richtlinienvorschlag vorgesehenen Vorschriften auf Fahrzeuge der Untergruppen II und III zu liefern, für die es realistischer erscheint, sie von dieser Vorschrift auszunehmen. Anderenfalls wäre eine Verlängerung der Durchführungsfristen auch für Neuzulassungen vom 1. Juli 2003 auf den 1. Oktober 2005 wünschenswert. Dadurch könnte die vorgeschlagene Richtlinie gleichzeitig mit dem Inkrafttreten der strengeren Abgasvorschriften, die als EURO 4 bekannt sind, Anwendung finden.

Brüssel, den 20. März 2002.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs