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Stellungnahme Nr. 10/2002 zu einem Vorschlag der Kommission zur Änderung der Gründungsrechtsakte der Gemeinschaftseinrichtungen infolge der Annahme der neuen Haushaltsordnung

Amtsblatt Nr. C 285 vom 21/11/2002 S. 0004 - 0006


Stellungnahme Nr. 10/2002

zu einem Vorschlag der Kommission zur Änderung der Gründungsrechtsakte der Gemeinschaftseinrichtungen infolge der Annahme der neuen Haushaltsordnung

(gemäß Artikel 248 Absatz 4 Unterabsatz 2 des EG-Vertrags)

(2002/C 285/02)

DER RECHNUNGSHOF DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 248 Absatz 4 Unterabsatz 2;

gestützt auf das Ersuchen der Europäischen Kommission vom 18. Juli 2002 um Stellungnahme des Hofes zu einem Vorschlag zur Änderung der Gründungsrechtsakte der Gemeinschaftseinrichtungen (Dokument KOM(2002) 406 endg.) -

HAT FOLGENDE STELLUNGNAHME ANGENOMMEN:

1. Der Vorschlag der Kommission bezieht sich für die in Artikel 185 Absatz 1 der neuen Haushaltsordnung für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften(1) (nachstehend "EG-Haushaltsordnung") genannten Gemeinschaftseinrichtungen auf folgende Bereiche:

- Ernennung und Mandatsverlängerung für den Direktor der Gemeinschaftseinrichtung,

- interner Prüfer,

- Verfahren zur Annahme der Finanzregelung der Gemeinschaftseinrichtung,

- Aufstellung und Annahme des Haushaltsplans sowie des Stellenplans,

- Vorlage der Jahresabschlüsse sowie das Entlastungsverfahren,

- Annahme des Jahresberichts über die Tätigkeiten der Einrichtung,

- Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 auf die Dokumente der Einrichtungen.

2. Die Bestimmungen zur Ernennung eines Direktors der Einrichtung räumen insbesondere die Möglichkeit ein, das Mandat zu verlängern, ohne dass ein neues Auswahlverfahren eingeleitet werden muss. Das Mandat kann nur auf Vorschlag der Kommission verlängert werden, die endgültige Entscheidung trifft der Verwaltungsrat der Einrichtung. Nach Ansicht des Hofes führt ein derartiges Verfahren zu einer erhölten Abhängigkeit des Direktors der Einrichtung von den für die Verlängerung seines Mandats zuständigen Stellen der Kommission.

3. Für den Bereich des internen Prüfers wird lediglich eine Bestimmung aus Artikel 185 Absatz 3 der EG-Haushaltsordnung wörtlich wiederholt. Der Hof sieht keinen Grund dafür, eine Bestimmung zu wiederholen, die bereits in einem Rechtstext mit derselben Rechtskraft besteht.

4. Der Entwurf enthält keine Bestimmung, wonach der Rechnungshof vor der Verabschiedung oder Änderung der Finanzregelung der Einrichtungen angehört werden muss. In Zukunft soll lediglich die Kommission konsultiert werden. In der Begründung der Kommission heißt es dazu: "Für die Annahme der Finanzregelung jeder Einrichtung sorgt künftig deren Verwaltungsrat oder ein vergleichbares Gremium (nach Konsultation der Kommission). Das dürfte zur Harmonisierung der Verfahren beitragen. Gegenwärtig liegt die entsprechende Zuständigkeit entweder beim Rat oder aber beim Verwaltungsrat der betreffenden Einrichtungen (bzw. einem vergleichbaren Gremium) mit oder ohne Einschaltung der Kommission und des Rechnungshofes. Die Unterschiede sind ausschließlich historisch bedingt und objektiv nicht gerechtfertigt". Diese Erklärung ist im Hinblick auf die Funktion des Hofes nicht zutreffend. Derzeit ist nämlich in allen Gründungsrechtsakten der Einrichtungen eine Stellungnahme des Hofes vor der Verabschiedung ihrer Finanzregelung(2) vorgesehen.

Der Hof bedauert, dass der Finanzregelung der Gemeinschaftseinrichtungen im vorliegenden Kommissionsentwurf so wenig Bedeutung beigemessen und den Einrichtungen die Beratungskompetenz des Hofes vorenthalten wird. Nach Ansicht des Hofes kann die Kommission schon allein aufgrund ihrer Funktion nicht die Rolle des finanziellen Gewissens der Gemeinschaft übernehmen und die Einhaltung der Grundsätze des Haushaltsrechts und des öffentlichen Rechnungswesens, soweit dies die Finanzregelung der Gemeinschaftseinrichtungen betrifft, gewährleisten.

5. Im Hinblick auf die Aufstellung des Haushaltsplans sind folgende Schritte vorgesehen:

- Der Verwaltungsrat stellt spätestens zum 15. Februar den Voranschlag der Einnahmen und Ausgaben auf der Grundlage eines Entwurfs des Direktors auf.

- Der Verwaltungsrat leitet der Europäischen Kommission spätestens zum 31. März diesen Voranschlag zusammen mit dem Entwurf eines Stellenplans zu.

- Die Kommission übermittelt diese Unterlagen dem Europäischen Parlament und dem Rat, die als Haushaltsbehörde auch über den Zuschuss entscheiden und den Stellenplan feststellen.

- Der Verwaltungsrat stellt den endgültigen Haushaltsplan der Einrichtung vor Beginn des Haushaltsjahres fest.

Für den Hof ergibt sich zu diesem Punkt kein Anlass für Bemerkungen.

6. Für die Übermittlung der Rechnungen und für das Entlastungsverfahren sieht der Entwurf folgende Schritte vor:

- Spätestens zum 1. März des auf das abgeschlossene Haushaltsjahr folgenden Jahres übermittelt der Rechnungsführer der Einrichtung dem Rechnungsführer der Kommission die vorläufigen Rechnungen und den Bericht über die Haushaltsführung und das Finanzmanagement für das abgeschlossene Haushaltsjahr.

- Spätestens zum 31. März übermittelt der Rechnungsführer der Kommission dem Rechnungshof die vorläufigen Rechnungen der Einrichtung und den Bericht über die Haushaltsführung und das Finanzmanagement. Dieser Bericht geht auch dem Rat und dem Europäischen Parlament zu.

- Nach Eingang der Bemerkungen des Rechnungshofes zu den vorläufigen Rechnungen gemäß Artikel 129 der EG-Haushaltsordnung stellt der Direktor die endgültigen Jahresabschlüsse auf.

- Der Verwaltungsrat der Einrichtung gibt seine Stellungnahme zu diesen endgültigen Jahresabschlüssen ab.

- Spätestens zum 1. Juli leitet der Direktor diese endgültigen Jahresabschlüsse zusammen mit der Stellungnahme des Verwaltungsrates dem Europäischen Parlament, dem Rat und dem Rechnungshof zu.

- Spätestens zum 30. September übermittelt der Direktor dem Rechnungshof eine Antwort auf seine Bemerkungen. Diese Antwort geht auch dem Verwaltungsrat zu.

- Auf Empfehlung des Rates, der mit qualifizierter Mehrheit entscheidet, erteilt das Europäische Parlament dem Direktor der Einrichtung vor dem 30. April des Jahres n+2 Entlastung zur Ausführung des Haushaltsplans für das Jahr n.

Die Bestimmungen zu den vorläufigen Jahresabschlüssen verdeutlichen lediglich, was bereits in der EG-Haushaltsordnung vorgesehen ist. Der Hof weist jedoch bei dieser Gelegenheit noch einmal auf die in seiner Stellungnahme Nr. 2/2001(3) dargelegte Grundsatzposition zu diesem Punkt hin: "Die vorläufigen Jahresabschlüsse sind vollständig und kohärent, in ordnungsgemäßer Form und innerhalb der vorgegebenen Frist erstellt. Sie sind nur insoweit vorläufig, als sie die Kommission noch nicht förmlich angenommen hat und sie ggf. aufgrund der Vorschläge des Hofes noch berichtigt werden können. Zweck dieser Vorschläge kann aber keineswegs sein, die Kommission bei der Erstellung der endgültigen konsolidierten Abschlüsse zu unterstützen. Diese verwaltungstechnische und buchhalterische Verantwortung dafür obliegt ausschließlich den Dienststellen der Kommission und ist mit den Aufgaben der externen Kontrolle, die dem Hof zukommt, nicht vereinbar."

7. Der Hof ist erstaunt, dass die Vorlagefrist für die Jahresberichte über die Tätigkeit der Gemeinschaftseinrichtungen auf den 15. Juni des Jahres n+1 festgelegt ist. Eine Frist von fast sechs Monaten nach Ende des Bezugsjahres ist zu lang. Der Hof wird unter diesen Umständen nicht in der Lage sein, die jährlichen Tätigkeitsberichte zu berücksichtigen, da seine Bemerkungen zu den Rechnungen und zum Finanzmanagement der Gemeinschaftseinrichtungen spätestens zum 15. Juni übermittelt werden müssen.

8. Der Hof weist darauf hin, dass die Kommission in ihrem Vorschlag für eine Verordnung der Kommission betreffend die Rahmenfinanzregelung für die Einrichtungen gemäß Artikel 185 der EG-Haushaltsordnung eine Bestimmung(4) vorgeschlagen hat, die es ermöglicht, den Direktor von der Wahrnehmung seiner Aufgaben als Anweisungsbefugter zu suspendieren. Nach Auffassung des Hofes sollte ein derartiges Verfahren durchaus als Schutzmechanismus eingeführt werden. Es ist jedoch kaum vorstellbar, dass der Direktor seines Amtes als Anweisungsbefugter enthoben wird und dennoch seine anderen Funktionen als Direktor der Gemeinschaftseinrichtung weiter ausübt.

Der Hof schlägt daher vor, eine Bestimmung über die mögliche Amtsenthebung des Direktors eher in die Gründungsrechtsakte der Gemeinschaftseinrichtungen aufzunehmen als in die Rahmenfinanzregelung. Die Bestimmung könnte wie folgt lauten: "Um schwerwiegende Konsequenzen für die finanziellen Interessen der Gemeinschaftseinrichtungen zu vermeiden, kann der Verwaltungsrat beschließen, den Direktor von seinem Amt zu suspendieren. Der Verwaltungsrat ernennt einen vorläufigen Direktor, der diese Funktion wahrnimmt, bis eine endgültige Entscheidung des Verwaltungsrats ergangen ist."

Diese Stellungnahme wurde vom Rechnungshof in seiner Sitzung vom 25. und 26. September 2002 in Luxemburg angenommen.

Für den Rechnungshof

Juan Manuel Fabra Vallés

Präsident

(1) ABl. L 248 vom 16.9.2002, S. 1.

(2) Artikel 12 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 337/75 vom 10. Februar 1975 (Europäisches Zentrum für die Förderung der Berufsbildung - Thessaloniki),

Artikel 16 der Verordnung (EWG) Nr. 1365/75 vom 26. Mai 1975 (Europäische Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen - Dublin),

Artikel 14 der Verordnung (EWG) Nr. 1210/90 vom 7. Mai 1990 (Europäische Umweltagentur - Kopenhagen),

Artikel 12 der Verordnung (EWG) Nr. 1360/90 vom 7. Mai 1990 (Europäische Stiftung für Berufsbildung - Turin),

Artikel 11 Absatz 12 der Verordnung (EWG) Nr. 302/93 vom 8. Februar 1993 (Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht - Lissabon),

Artikel 57 Absatz 11 der Verordnung (EWG) Nr. 2309/93 vom 22. Juli 1993 (Europäische Agentur für die Beurteilung von Arzneimitteln - London),

Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 2062/94 vom 18. Juli 1994 (Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz - Bilbao),

Artikel 15 der Verordnung (EG) Nr. 2965/94 vom 28. November 1994 (Übersetzungszentrum für die Einrichtungen der Europäischen Union - Luxemburg),

Artikel 12 Absatz 12 der Verordnung (EG) Nr. 1035/97 vom 2. Juni 1997 (Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit - Wien),

Artikel 9 der Verordnung (EG) Nr. 2667/2000 vom 5. Dezember 2000 (Europäische Agentur für den Wiederaufbau - Thessaloniki),

Artikel 25 Absatz 9 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vom 28. Januar 2002 (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit),

Artikel 52 der Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 vom 15. Juli 2002 (Europäische Agentur für Flugsicherheit),

Artikel 21 der Verordnung (EG) Nr.1406/2002 vom 27. Juni 2002 (Europäische Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs),

Artikel 37 des Beschlusses 2002/187/JI des Rates vom 28. Februar 2002 (Eurojust),

Artikel 138 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 vom 20. Dezember 1993 (Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt - Alicante),

Artikel 112 der Verordnung (EG) Nr. 2100/94 vom 27. Juli 1994 (Gemeinschaftliches Sortenamt - Angers).

(3) ABl. C 162 vom 5.6.2001, S. 1, Bemerkungen zu Artikel 118.

(4) Artikel 46 in Dok. SEK(2002) 836 endg. vom 17. Juli 2002.