52001PC0447

Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat /* KOM/2001/0447 endg. - CNS 2001/0182 */

Amtsblatt Nr. 304 E vom 30/10/2001 S. 0192 - 0201


Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat

(von der Kommission vorgelegt)

BEGRÜNDUNG

1. Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat

Auf kurze Sicht muss nach den Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates von Tampere im Oktober 1999 ein gemeinsames europäisches Asylsystem Folgendes umfassen: eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates, gemeinsame Standards für ein gerechtes und wirksames Asylverfahren, gemeinsame Mindestbedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern und die Annäherung der Bestimmungen über die Zuerkennung und die Merkmale der Flüchtlingseigenschaft. Hinzu kommen sollten Vorschriften über die Formen des subsidiären Schutzes, die einer Person, die eines solchen Schutzes bedarf, einen angemessenen Status verleihen. Zur Verwirklichung dieses Ziels hat die Kommission nacheinander folgende Vorschläge vorgelegt: einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Gewährung vorübergehenden Schutzes im Falle eines Massenzustroms von Vertriebenen (KOM(2000)303 endgültig vom 24.5.2000), einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (KOM(2000)578 endgültig vom 20.9.2000) und einen Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (KOM(2001)181 endgültig vom 3.4.2001).

Mit diesem Vorschlag für eine Verordnung zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, trifft die Kommission - wie in dem dem Rat am 27. März 2000 vorgelegten Anzeiger der Fortschritte bei der Schaffung eines Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts in der Europäischen Union vorgesehen - eine weitere Maßnahme zur Errichtung des gemeinsamen europäischen Asylsystems.

Der Ausarbeitung dieses Verordnungsvorschlags ging eine umfassende Debatte voraus:

* Zunächst erfolgte eine Diskussion auf der Grundlage des Arbeitsdokuments der Kommission "Überprüfung des Dubliner Übereinkommens: Ausarbeitung von Gemeinschaftsrechtsnormen zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist" (SEK(2000)522 endgültig vom 21.3.2000). Dieses Dokument analysiert Probleme bei der Durchführung des Übereinkommens, stellt die konkreten Ergebnisse den in der Präambel des Übereinkommens genannten und weiteren etwaigen Zielen eines Systems zur Bestimmung des zuständigen Staates gegenüber und skizziert denkbare Optionen für den Ersatz des Übereinkommens. Es wurde in den Gremien des Rates erörtert und war Gegenstand schriftlicher Beiträge einschlägiger Organisationen, darunter der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (UNHCR), ILPA/MPG, Amnesty International, die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa und der Europäische Rat für Flüchtlinge und im Exil lebende Personen (ECRE).

* Anschließend unterzog die Kommission im Herbst 2000 die Durchführung des Übereinkommens einer Bewertung und kam damit einer entsprechenden Aufforderung des Rates nach. Durch die Analyse der von den Mitgliedstaaten übermittelten Antworten auf einen diesbezüglichen detaillierten Fragebogen und die Diskussion mit Sachverständigen von Dienststellen, die mit der täglichen Anwendung des Übereinkommens in den Mitgliedstaaten befasst sind, konnten praktische und juristische Schwierigkeiten bei der Durchführung des Übereinkommens ermittelt und eine genaue statistische Bilanz aufgestellt werden. Die Ergebnisse dieser Arbeiten werden in dem Arbeitsdokument der Kommission "Bewertung des Dubliner Übereinkommens" (SEK(2001)756 endgültig vom 13.6.2001) erläutert.

2. Ziele und Anwendungsbereich des Vorschlags

2.1. Ziele

Mit der Vorlage dieses Vorschlags trägt die Kommission zur Umsetzung von Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a EG-Vertrag bei und kommt der vom Europäischen Rat auf seiner Sondertagung in Tampere geäußerten Forderung nach, dass die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, auf "einer klaren und praktikablen Formel" beruhen müssen, die sich in den Kontext eines "gerechten und wirksamen" Asylverfahrens einfügt.

Daher zielt der Verordnungsvorschlag darauf ab,

* sicherzustellen, dass jeder Asylbewerber effektiv Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft hat, indem die erforderliche Verbindung zu diesen Verfahren, die im Vorschlag für eine Richtlinie über die diesbezüglichen Mindestnormen festgeschrieben wurden, hergestellt und Bestimmungen festgelegt werden, die im Falle einer Fristüberschreitung Konsequenzen ermöglichen;

* den Asylmissbrauch zu verhindern, den Mehrfachanträge darstellen, die ein und derselbe Asylbewerber gleichzeitig oder nacheinander in mehreren Mitgliedstaaten stellt, um eine Verlängerung seines Aufenthalts in der Europäischen Union zu erreichen;

* Defizite des Dubliner Übereinkommens zu beseitigen und Ungenauigkeiten zu korrigieren;

* das System den neuen Gegebenheiten aufgrund der bei der Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen erzielten Fortschritte anzupassen, indem insbesondere Konsequenzen aus dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, gezogen werden;

* eine möglichst zügige Bestimmung des zuständigen Staates zu ermöglichen, indem einerseits angemessene Fristen für die verschiedenen Phasen des Verfahrens festlegt werden und andererseits präzisiert wird, welche Beweismittel erforderlich sind, damit die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats bestimmt werden kann;

* die Effizienz des Systems zu erhöhen, indem den Mitgliedstaaten eine realistischere Frist für die Durchführung von Beschlüssen zur Überstellung von Asylbewerbern eingeräumt und ein geeigneter Rahmen vorgegeben wird, damit besondere Durchführungsmodalitäten für die Mitgliedstaaten festgelegt werden können, die gemeinsam ein großes Arbeitsvolumen bei der Bestimmung des zuständigen Staates zu bewältigen haben.

2.2. Anwendungsbereich

In dem oben erwähnten Arbeitsdokument "Überprüfung des Dubliner Übereinkommens" wurden mehrere Optionen geprüft, die als Ersatz für das im Dubliner Übereinkommen festgelegte Verfahren in Frage kommen. Das Dokument endet mit der Schlussfolgerung, dass es nicht viele realisierbare Alternativen zum derzeitigen Verfahren gibt.

Die glaubwürdigste Alternative bestuende darin, die Zuständigkeit ausschließlich vom Ort der Antragstellung abhängig zu machen. Dieses Konzept könnte sicherlich die Grundlage für ein klares und funktionelles Verfahren darstellen, bei dem eine rasche Abwicklung und die Rechtssicherheit gewährleistet sind, die Abschiebung von Flüchtlingen von einem Mitgliedstaat zum anderen vermieden wird, das Problem der Mehrfachanträge Berücksichtigung findet und die Einheit der Familie sichergestellt ist. Allerdings wäre dazu - wie die Kommission festgestellt hat - eine Harmonisierung in anderen Bereichen wie Asylverfahren, Aufnahmebedingungen, Auslegung des Flüchtlingsbegriffs und subsidiärer Schutz erforderlich, damit die Faktoren an Bedeutung verlieren, die Asylbewerber bei der Wahl des Mitgliedstaats, in dem sie ihren Antrag stellen, beeinflussen könnten.

In der derzeitigen Phase der Errichtung des gemeinsamen europäischen Asylsystems bestehen bei den Verfahren zur Zuerkennung des Flüchtlingsstatus, den Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern und der Gewährung komplementären Schutzes Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, die sich auf die Zielrichtung der Asylbewerberströme auswirken könnten. Diese Unterschiede werden - in abgeschwächter Form - auch nach Inkrafttreten der von der Kommission in diesem Bereich vorgeschlagenen Richtlinien fortbestehen.

Daher wäre es nicht realistisch, ein System zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates ins Auge zu fassen, das sich grundlegend von dem des Dubliner Übereinkommens unterscheidet. Wie die Kommission in ihrer Mitteilung an den Rat und das Europäische Parlament für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, (KOM(2000)755 endgültig vom 22.11.2000) feststellte, kann ein auf anderen Grundsätzen basierendes System wahrscheinlich erst bei der Einführung eines gemeinsamen Verfahrens und eines einheitlichen Status, das heißt in einer späteren Phase, in Betracht gezogen werden.

Dieser Verordnungsvorschlag stützt sich also auf dieselben Grundsätze wie das Dubliner Übereinkommen und deckt den gleichen Geltungsbereich ab. Mit anderen Worten:

* Generell gilt der Grundsatz, dass derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, der am stärksten an der Einreise des Asylbewerbers ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder seinem Aufenthalt in diesem Gebiet beteiligt war, wobei Ausnahmen möglich sind, um die Einheit von Familiengemeinschaften zu wahren.

* Das System zur Bestimmung des zuständigen Staates findet nur Anwendung auf Personen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des von allen Mitgliedstaaten unterzeichneten Genfer Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28. Juli 1951 beantragen, und erstreckt sich nicht auf die Formen des subsidiären Schutzes, die noch nicht harmonisiert wurden.

Um jedoch den bisherigen Erfahrungen Rechnung zu tragen, beinhaltet der Verordnungsvorschlag mehrere Neuerungen:

* neue Bestimmungen, die den Schwerpunkt darauf legen, dass jeder Mitgliedstaat gegenüber seinen Partnern in der Union den Fortbestand von Umständen zu verantworten hat, die den illegalen Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet ermöglichen;

* weitaus kürzere Verfahrensfristen, die mit den für die Verfahren zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vorgeschlagenen Fristen übereinstimmen, damit eine zügige Bearbeitung der Asylanträge möglich ist;

* längere Fristen für die Durchführung von Überstellungen in den zuständigen Staat, um den hierbei aufgetretenen praktischen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen;

* neue Bestimmungen, die die Einheit der Familien von Asylbewerbern gewährleisten sollen, soweit dies mit den sonstigen Zielen der Asyl- und Einwanderungspolitik vereinbar ist, das heißt einerseits mit dem Ziel einer möglichst zügigen Bearbeitung der Asylanträge im Rahmen eines gerechten und wirksamen Verfahrens und andererseits mit dem Bestreben, eine Zweckentfremdung dieser Bestimmungen zur Umgehung der Vorschriften, die die Kommission in dem derzeit erörterten Vorschlag für eine Richtlinie des Rates betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (KOM(1999) 638 endgültig - 1999/0258 (CNS)) festgelegt hat, zu unterbinden.

Dieser Verordnungsvorschlag soll das Dubliner Übereinkommen ersetzen und beinhaltet daher vor allem Verpflichtungen, die ein Mitgliedstaat gegenüber den anderen Mitgliedstaaten hat und die für alle unter denselben Bedingungen gelten müssen. Er enthält ausschließlich Bestimmungen über Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gegenüber Asylbewerbern, deren Antrag Gegenstand eines Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Staates ist, soweit sich diese auf den Ablauf des Verfahrens zwischen den Mitgliedstaaten auswirken oder erforderlich sind, um die Kohärenz mit dem Vorschlag für eine Richtlinie für Verfahren zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten.

3. Übersicht über die Bestimmungen

3.1. Zuständigkeitskriterien

Diesem Verordnungsvorschlag liegen dieselben Grundsätze wie dem Dubliner Übereinkommen zugrunde, nämlich das Konzept, dass in einem Raum, in dem der freie Personenverkehr gemäß den Bestimmungen des EG-Vertrags gewährleistet ist, jeder Mitgliedstaat gegenüber den anderen Mitgliedstaaten für seine Handlungen im Bereich der Einreise und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen verantwortlich ist und die Konsequenzen seines Vorgehens im Geiste der Solidarität und der loyalen Zusammenarbeit tragen muss.

Die wichtigsten Zuständigkeitskriterien und deren Rangfolge spiegeln diesen allgemeinen Ansatz wider, bei dem die Zuständigkeit jenem Mitgliedstaat übertragen wird, der am stärksten an der Einreise des Asylbewerbers ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten oder seinem Aufenthalt in diesem Gebiet beteiligt war, indem er dem Asylbewerber ein Visum oder einen Aufenthaltstitel erteilt, seine Außengrenzen nicht ordnungsgemäß kontrolliert oder die Einreise ohne Visum ermöglicht hat.

Es wurden jedoch neue Kriterien hinzugefügt:

Eine erste Reihe von Kriterien soll die Einheit der Familie schützen. Das Dubliner Übereinkommen sah bereits vor, - ungeachtet des Vorliegens eines anderen Zuständigkeitskriteriums - die Zuständigkeit dem Staat zu übertragen, in dem ein als Flüchtling anerkannter Familienangehöriger des Asylbewerbers seinen Wohnsitz hat.

* Der Vorschlag enthält ein zusätzliches Kriterium, das darauf abzielt, unter allen Umständen räumliche Nähe zwischen einem unbegleiteten Minderjährigen und einem erwachsenen Familienangehörigen zu schaffen, der sich bereits in einem Mitgliedstaat aufhält und für den Unterhalt des Minderjährigen aufkommen kann.

* Außerdem sieht der Vorschlag vor, die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags dem Mitgliedstaat zu übertragen, der im Rahmen eines regulären Verfahrens (im Sinne des Vorschlags für eine Richtlinie über Mindestnormen für Verfahren zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft) den Asylantrag eines vorher eingereisten Familienangehörigen prüft, über den noch nicht in erster Instanz entschieden worden ist.

* Um zu vermeiden, dass eine buchstäbliche Anwendung der Zuständigkeitskriterien zur Trennung der Mitglieder einer Familiengemeinschaft führt, die in demselben Mitgliedstaat Asyl beantragt haben, legt eine Bestimmung die Regeln fest, nach denen von der üblichen Anwendung der Kriterien abgewichen und somit die Einheit der Familiengemeinschaft in einem einzigen Mitgliedstaat gewahrt wird.

Eine zweite Reihe von Kriterien soll gewährleisten, dass aus dem Unvermögen eines Mitgliedstaats, die illegale Einwanderung zu bekämpfen, Konsequenzen gezogen werden. Das Dubliner Übereinkommen sah bereits vor, dass sich ein Mitgliedstaat, in dem sich ein Asylbewerber vor der Antragstellung mindestens sechs Monate lang illegal aufgehalten hat, nicht auf das Kriterium der illegalen Einreise berufen kann, um den Mitgliedstaat, über den der Asylbewerber in die Europäische Union eingereist ist, zu ersuchen, die Zuständigkeit für die Antragsprüfung zu übernehmen. Diese Bestimmung machte deutlich, dass ein Mitgliedstaat, der den illegalen Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen in seinem Hoheitsgebiet nicht wirksam bekämpft, gegenüber seinen Partnern die gleiche Verantwortung trägt wie ein Mitgliedstaat, der nicht für eine hinlängliche Kontrolle seiner Außengrenzen gesorgt hat. Dem Vorschlag zufolge wird dieser Ansatz auf weitere Situationen angewandt.

Lässt sich die Zuständigkeit in Anwendung dieser neuen Kriterien nicht aufgrund eines der oben genannten vorrangigen Kriterien bestimmen, so gilt Folgendes:

* Ein Mitgliedstaat, der über zwei Monate lang in Kenntnis der Sachlage den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen in seinem Hoheitsgebiet geduldet hat (ohne Maßnahmen zur Ausweisung oder Regularisierung zu ergreifen), muss die Konsequenzen daraus tragen, dass er gegenüber den anderen Mitgliedstaaten den Fortbestand dieser Situation zu verantworten hat.

* Ein Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Drittstaatsangehöriger über sechs Monate lang illegal aufgehalten hat, muss die Konsequenzen aus seinem Unvermögen, die illegale Einwanderung zu bekämpfen, tragen.

3.2. Verfahren für die Aufnahme bzw. Wiederaufnahme von Asylbewerbern

Die Vorschriften zur Beantragung der Aufnahme bzw. Wiederaufnahme von Asylbewerbern entsprechen weitgehend dem vom Dubliner Übereinkommen vorgesehenen Verfahren.

Die wichtigsten Unterschiede gegenüber dem Übereinkommen bilden folgende Änderungen:

* Verkürzung der Frist für die Einreichung eines Aufnahmeantrags von sechs Monaten auf 65 Arbeitstage;

* Möglichkeit, eine unverzügliche Antwort zu verlangen;

* neue genauere Angaben zu den Beweismitteln, die zur Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats erforderlich sind;

* Verlängerung der Frist für die Durchführung einer Überstellung auf sechs Monate; wird diese Frist überschritten, geht die Zuständigkeit wieder auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag gestellt wurde;

* Erlöschen der Zuständigkeit des zuständigen Staates, wenn sich der Asylbewerber mindestens sechs Monate lang in dem Mitgliedstaat, in dem er sich ohne Erlaubnis befindet, aufgehalten hat;

* Verpflichtung, dem Asylbewerber eine begründete Entscheidung zu übermitteln, gegen die ein Rechtsbehelf eingelegt werden kann, der aber keine aufschiebende Wirkung hat, da die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nicht die Gefahr eines groben und schwer wieder gutzumachenden Schadens für die betreffende Person birgt; dadurch soll die Effizienz des Verfahrens erhöht, eine zügigere Abwicklung ermöglicht und verhindert werden, dass Rechtsbehelfe nur zur Verzögerung eingelegt werden.

3.3. Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten

Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates kann in der Praxis nur funktionieren, wenn die Mitgliedstaaten loyal zusammenarbeiten, um die erforderlichen Beweismittel zusammenzutragen, Anträge innerhalb der vorgesehenen Fristen zu bearbeiten und Überstellungen unter den bestmöglichen Bedingungen durchzuführen.

Die wichtigste Kooperationsmaßnahme der Mitgliedstaaten ist der Austausch der für die Bestimmung der Zuständigkeit erforderlichen Informationen, einschließlich personenbezogener Daten nach Maßgabe der Bestimmungen der Richtlinie 95/46/EG zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr. Besteht der Zweck dieses Informationsaustauschs darin, die für die Bestimmung der Zuständigkeit eines Mitgliedstaats erforderlichen Hinweise zu sammeln, sollte dem um Auskunft ersuchten Mitgliedstaat eine Antwortfrist gesetzt werden, die mit dem Ziel einer zügigen Bestimmung des zuständigen Staates vereinbar ist (das Dubliner Übereinkommen sah eine solche Frist nicht vor). Vorgeschlagen wird eine Frist von einem Monat.

Den Mitgliedstaaten wird die Verpflichtung auferlegt, die mit der Durchführung des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Staates befassten Dienststellen mit den erforderlichen Ressourcen auszustatten.

Den Mitgliedstaaten steht es frei, auf bilateraler Basis Verwaltungsvereinbarungen zu treffen, die die Durchführung der Bestimmungen dieses Vorschlags erleichtern und deren Wirkung erhöhen sollen. Solche Vereinbarungen können den Austausch von Verbindungsbeamten, die Vereinfachung der Verfahren, die Verkürzung der Antwortfristen oder auch Verfahren zur Rationalisierung der Überstellungen betreffen, die darauf abzielen, ein Hin und Her von Asylbewerbern zwischen zwei Mitgliedstaaten zu vermeiden.

3.4. Schluss- und Übergangsbestimmungen

Hierbei handelt es sich zumeist um Standardbestimmungen zum Diskriminierungsverbot, zu den Sanktionen und zum Inkrafttreten.

Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang:

* die Bestimmungen, die einen kontinuierlichen Übergang vom Dubliner Übereinkommen zur Anwendung dieses Verordnungsvorschlags ermöglichen sollen, insbesondere die Bestimmung zur Festlegung einer Frist zwischen dem Inkrafttreten der Verordnung und dem Zeitpunkt ihrer tatsächlichen Anwendung;

* die Einsetzung eines "Regelungsausschusses", der die Kommission bei der Ausarbeitung von Durchführungsvorschriften unterstützt, insbesondere bei der Festlegung von Bestimmungen betreffend die Beweisführung, die Durchführung von Überstellungen und die Standardvordrucke für Aufnahme- oder Wiederaufnahmeanträge der Mitgliedstaaten.

Sollte die Verordnung vor der Richtlinie über die Asylverfahren angewandt werden, könnten in dieses Kapitel erforderlichenfalls zusätzliche Übergangsbestimmungen aufgenommen werden.

4. Rechtsgrundlage

Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a EG-Vertrag sieht ausdrücklich vor, dass Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, zu beschließen sind.

In Übereinstimmung mit dem den Verträgen beigefügten Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands findet Titel IV des EG-Vertrags keine Anwendung auf das Vereinigte Königreich und Irland, es sei denn, dass sich diese Mitgliedstaaten anderweitig entscheiden. Nach dem Protokoll über die Position Dänemarks, das den Verträgen beigefügt ist, gilt Titel IV auch nicht für Dänemark.

5. Subsidiarität und Verhältnismässigkeit

Subsidiarität

Ziel dieses Vorschlags ist es, im Gemeinschaftsrecht Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates festzulegen, die den Mitgliedstaaten Rechte zugestehen und gegenseitige Verpflichtungen auferlegen. Solche Rechte und Verpflichtungen können wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen naturgemäß nicht von einzeln handelnden Mitgliedstaaten, sondern nur auf Gemeinschaftsebene wahrgenommen werden.

Verhältnismäßigkeit

Dieser Vorschlag soll ein Instrument des Völkerrechts ersetzen und Rechte und gegenseitige Verpflichtungen festlegen, die für alle Mitgliedstaaten unter denselben Bedingungen gelten. Das einzige gemeinschaftsrechtliche Instrument, das dies ermöglicht, ist die Verordnung.

Erläuterungen zu den Artikeln

Kapitel I : Ziel und Definitionen

Artikel 1

Artikel 1 nennt das Ziel der Verordnung, d.h. die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Artikel 2

In dem Artikel werden die in der Verordnung verwendeten Begriffe und Ausdrücke bestimmt.

a) Drittstaatsangehöriger: Person, die nicht Bürger der Union ist; entsprechend gilt die Definition auch für Staatenlose.

b) Genfer Flüchtlingskonvention: das Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 1967. Alle Mitgliedstaaten sind dem Abkommen und dem Protokoll ohne zeitliche oder geographische Einschränkungen beigetreten.

c) Asylantrag: Der Begriff wird in Anlehnung an die Definition des Flüchtlingsbegriffs gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention verwendet. Alle Anträge auf Schutz, die Drittstaatsangehörige an der Grenze zu einem Mitgliedstaat oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellen, werden nach der Genfer Flüchtlingskonvention behandelt. Dies gilt nicht, wenn der Betreffende ausdrücklich um eine andere Form des Schutzes nachsucht und der Mitgliedstaat ein besonderes Verfahren vorgesehen hat.

d) Asylbewerber: Die Rechtsstellung des Asylbewerbers wird unter Bezugnahme auf das Verfahren, das auf eine endgültige Entscheidung über die Flüchtlingseigenschaft zielt, definiert.

e) Prüfung des Asylantrags: die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, die in der Richtlinie .../.../EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vorgesehen sind, mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des nach dieser Verordnung für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Staates.

f) Rücknahme des Asylantrags: Dieser Umstand ist in den Fällen, die in der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] vorgesehen sind, und für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnung dann gegeben, wenn sich der Asylbewerber unerlaubt in einen anderen Mitgliedstaat begibt und seinen laufenden Antrag nicht weiter verfolgt.

g) Flüchtling: Maßgebend für die Definition ist, dass der Betreffende sich regelmäßig in dieser Eigenschaft im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält.

h) Unbegleitete Minderjährige: Der Begriff wird in Anlehnung an die Entschließung des Rates vom 26. Juni 1997 betreffend unbegleitete minderjährige Staatsangehörige dritter Länder verwendet.

i) Familienangehöriger eines Asylbewerbers: Dieser Begriff bezeichnet nicht nur die Mitglieder der Kernfamilie, die bereits im Herkunftsland gebildet wurde, sondern auch eine Person, zu der ein verwandtschaftliches Verhältnis besteht und die im Herkunftsland mit dem Betreffenden im selben Haushalt lebte, sofern eine der Personen für den Unterhalt der anderen aufkommt.

j) Aufenthaltstitel: Dieser Begriff umfasst alle von den Behörden eines Mitgliedstaats ausgestellten Titel und Genehmigungen, die einem Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet gestatten. Dies umfasst auch die Dokumente, die Personen erteilt werden, die vorübergehenden Schutz genießen, oder Personen, deren Ausweisung vorläufig aus Gründen, die dem Vollzug der Ausweisung entgegenstehen, nicht durchgeführt werden kann; der Drittstaatsangehörige erlangt dadurch allerdings kein Recht auf Aufenthalt. Ausgenommen sind Visa und Aufenthaltstitel, die im Rahmen der Prüfung eines Antrags auf Gewährung eines Aufenthaltstitels oder eines Asylantrags erteilt wurden.

k) Visum: Der Begriff wird in Anlehnung an die Definition nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (Visa) verwendet. Sie deckt vier in den Mitgliedstaaten bekannte Arten von Visa ab:

i) "Langzeitvisum", das für einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt erteilt wird;

ii) "Kurzzeitvisum", das für einen kürzeren als dreimonatigen Aufenthalt gemäß der in der Visa-Verordnung enthaltenen Definition erteilt wird;

iii) "Transitvisum", das für die Durchreise nach einem Drittland erteilt wird;

iv) "Flughafentransitvisum", das erteilt wird, um dem Reisenden während einer Zwischenlandung in einem Mitgliedstaat das Betreten der Transitzone des Flughafens zu ermöglichen, ohne dass er dadurch Zutritt zum Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats erhält.

Kapitel II: Allgemeine Grundsätze

Artikel 3

1. Bei der Festlegung der Kriterien und Verfahren für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats gilt grundsätzlich, dass der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird; die Bestimmung des zuständigen Staates erfolgt anhand objektiver Kriterien.

2. Der zuständige Mitgliedstaat prüft den Antrag entsprechend den Verfahren, die er nach Maßgabe der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] eingeführt hat.

3. Dessen ungeachtet kann sich ein Mitgliedstaat aus politischen, humanitären oder praktischen Erwägungen bereit erklären, einen von einem Drittstaatsangehörigen bei ihm gestellten Asylantrag zu prüfen, auch wenn er nach den Kriterien dieser Verordnung nicht für die Prüfung zuständig ist. Die im Dubliner Übereinkommen vorgesehene Bedingung, dass der Asylbewerber einverstanden sein muss, wird nicht in die Verordnung übernommen; hat der Asylbewerber bei einem bestimmten Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt, ist davon auszugehen, dass er mit der Prüfung seines Antrags durch diesen Mitgliedstaat einverstanden ist. Hat ein Mitgliedstaat beschlossen, die Prüfung vorzunehmen, wird er im Sinne der Verordnung der zuständige Staat und übernimmt alle mit dieser Zuständigkeit verbundenen Pflichten. Um zu vermeiden, dass in zwei Mitgliedstaaten parallel Verfahren zum selben Asylantrag laufen, muss der Mitgliedstaat, der diesen Ermessensspielraum nutzt, gegebenenfalls die anderen beteiligten Mitgliedstaaten unterrichten.

Um die Fristen einhalten zu können, die in der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] vorgesehen sind, muss dem Asylbewerber der Zeitpunkt, zu dem das Verfahren zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft eingeleitet wurde, schriftlich mitgeteilt werden.

Artikel 4

1. Bei dem Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats handelt es sich um ein Zulässigkeitsverfahren gemäß der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft], das der sachlichen Prüfung des Antrags vorausgeht und bei Antragstellung eingeleitet werden muss.

2. Ein Asylantrag gilt als gestellt, wenn der Asylbewerber seine diesbezügliche Absicht erklärt hat; dazu kann er bei einer zuständigen Behörde ein von ihm ausgefuelltes Formblatt hinterlegen oder ein behördliches Protokoll abfassen lassen. Die Entgegennahme der schriftlichen Bestätigung stellt den Fristbeginn dar. Diese Bestimmung ist dem Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 entnommen.

3. Da es noch keine einheitliche Definition des subsidiären Schutzes und dessen Umfangs gibt, fallen alternative Schutzformen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht in den Geltungsbereich dieser Verordnung. Wünscht ein Asylbewerber in einem Mitgliedstaat, wo dies zulässig ist, während eines laufenden Verfahrens die Art seines Schutzgesuchs zu ändern, um insbesondere zu verhindern, dass das Instrumentarium zur Bestimmung des zuständigen Staates zur Anwendung gelangt, dürfte dies der Fortführung des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Staates grundsätzlich nicht entgegenstehen, da der Asylbewerber ursprünglich davon ausgegangen war, dass er den günstigsten Status, d.h. die Anerkennung als Flüchtling, erlangen könnte; es wäre also ratsam, dass er diese Rechtsstellung auch im zuständigen Staat beantragt. Diese Lösung beeinträchtigt in keiner Weise die Interessen des Betreffenden, da alle Mitgliedstaaten hinsichtlich der Achtung der Grundrechte, des Schutzes vor Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung und des Schutzes vor Zurückweisung die gleichen Verpflichtungen eingegangen sind. Vielmehr werden die Mitgliedstaaten, die den Zugang zu Formen des zusätzlichen Schutzes nach besonderen Verfahren regeln, den Mitgliedstaaten gleichgestellt, in denen die Bestimmung des angemessenen Schutzes nach einem einzigen Verfahren erfolgt, auf das der Asylbewerber keinen Einfluss hat.

4. Im Falle eines Minderjährigen, der sich in Begleitung eines sorgeberechtigten Erwachsenen befindet und selbst Asyl beantragen will, schreiben die Mitgliedstaaten sehr unterschiedliche Förmlichkeiten vor. In einigen Mitgliedstaaten bedeutet der Asylantrag eines Erwachsenen automatisch auch einen Antrag auf Anerkennung des Minderjährigen als Flüchtling; in anderen Mitgliedstaaten muss der Erwachsene für den Minderjährigen einen Asylantrag stellen, während in wieder anderen Mitgliedstaaten der Minderjährige den Asylantrag ab einem bestimmten Alter selbst zu stellen hat. Die Verordnung legt grundsätzlich fest, dass die Situation des Minderjährigen nicht von der des Erwachsenen, der für seinen Unterhalt sorgt, getrennt gesehen werden kann. Auf diese Weise wird verhindert, dass es infolge divergierender Rechtsvorschriften zu einer unterschiedlichen Anwendung der Vorschriften zur Bestimmung des zuständigen Staates kommt; außerdem kann so die Prüfung des Asylantrags dem zuständigen Staat übertragen und dabei die Einheit der Familie gewahrt werden, auch wenn der Minderjährige nach den Vorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Asylantrag gestellt wurde, förmlich nicht als Asylbewerber in Erscheinung tritt.

5. Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Asylsuchende befindet, ist verpflichtet, das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchzuführen, auch wenn der Asylbewerber seinen Antrag bei einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats, beispielsweise einer diplomatischen oder konsularischen Vertretung oder an der Grenze stellt. Nach diesem Absatz kann der Mitgliedstaat, der infolge der Anwesenheit des Asylbewerbers in seinem Hoheitsgebiet zuständig ist, mit dem Asylantrag befasst werden.

6. Für das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag zuerst gestellt wurde; demzufolge muss dieser Mitgliedstaat den Asylbewerber wieder aufnehmen, sofern sich der Betreffende im Laufe des Verfahrens in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat.

Diese Verpflichtung endet unter folgenden Bedingungen:

- Der Asylbewerber befindet sich seit mehr als drei Monaten nicht mehr im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten. Kehrt der Drittstaatsangehörige zurück und stellt einen Asylantrag, gilt dies als neuer Antrag.

- Ein anderer Mitgliedstaat gewährt dem Asylbewerber einen Aufenthaltstitel gemäß Artikel 2. Im Gegensatz zum Dubliner Übereinkommen ist für den Aufenthaltstitel nicht mehr die Mindestgültigkeitsdauer von drei Monaten vorgesehen. Artikel 5 Absatz 1 des Übereinkommens (in die vorliegende Verordnung als Artikel 9 Absatz 1 übernommen) weist die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags dem Mitgliedstaat zu, der einen Aufenthaltstitel ohne Beschränkungen hinsichtlich der Gültigkeit erteilt hat; es erschien logischer, dieses Prinzip für alle Fälle vorzusehen, in denen ein Mitgliedstaat einen Aufenthaltstitel im Sinne von Artikel 2 gewährt hat.

Kapitel III: Rangfolge der Kriterien

Artikel 5

1. Die Kriterien kommen in der aufgestellten Rangfolge zur Anwendung.

2. Diese Regel, die unverändert aus dem Dubliner Übereinkommen übernommen wird, stellt den zeitlichen Bezugspunkt für die Bestimmung des zuständigen Staates dar.

Artikel 6

Das in diesem Artikel genannte Kriterium ergänzt die Kriterien des Dubliner Übereinkommens. Es soll verhindern, dass ein Minderjähriger, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, als unbegleiteter Minderjähriger zurückbleibt, obwohl sich ein Familienangehöriger, der das Sorgerecht ausüben könnte, im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats befindet. Diese Bestimmung entspricht einem der im Beschluss Nr. 1/2000 des Ausschusses nach Artikel 18 aufgeführten Fälle.

Artikel 7

Dieses Kriterium fand sich bereits im Dubliner Übereinkommen. Es zielt auf die Wahrung der Einheit der Familie der Flüchtlinge und beruht auf der Überlegung, dass die Familienangehörigen eines Flüchtlings im Herkunftsland selbst bedroht sein können. Der Mitgliedstaat, der den Schutz des Flüchtlings gewährleistet, kann am besten beurteilen, ob die Angst vor Verfolgung der Familienangehörigen begründet ist.

Artikel 8

Das in Artikel 7 genannte Kriterium ergänzt das Dubliner Übereinkommen. Mit diesem eigenständigen und verbindlichen Kriterium sollen einige der im Beschluss Nr. 1/2000 des Ausschusses nach Artikel 18 aufgeführten Fälle geregelt werden. Dahinter steht die Überlegung, dass die Behandlung von Asylanträgen mehrerer Mitglieder einer Familie durch ein und denselben Mitgliedstaat eine eingehendere Prüfung der Anträge und kohärentere Entscheidungen ermöglicht. Diese Maßnahme ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn andere wichtige Ziele der gemeinschaftlichen Asylpolitik, z. B. die rasche Bearbeitung von offensichtlich unbegründeten Anträgen, nicht gefährdet sind.

1. Daher bestimmt Absatz 1, dass eine räumliche Annäherung der Asyl suchenden Familienangehörigen an das zuerst eingetroffene Familienmitglied, das selbst Asyl begehrt, nur dann erfolgen soll, wenn der Antrag dieser Person bei der Behörde anhängig ist, die für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Rahmen eines regulären Verfahrens, wie in der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] festgelegt, zuständig ist. Würde nämlich eine Annäherung der Betreffenden organisiert, wenn der Antrag des zuerst eingetroffenen Familienangehörigen in einem Zulässigkeitsverfahren behandelt wird, das mit der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat, der Ausweisung in einen Drittstaat oder der Ablehnung im Rahmen eines beschleunigten Verfahrens enden könnte, bzw. wurde der Antrag bereits in erster Instanz abgelehnt, wäre das Verfahren unverhältnismäßig aufwändig und mit nicht zu vertretenden Fristen für die Antragsprüfung verbunden.

2. Da ein Zulässigkeitsverfahren aber auch zur Zulassung des Antrags zum regulären Verfahren führen kann, soll der Mitgliedstaat, an den ein Aufnahmegesuch gerichtet wird, den ersuchenden Mitgliedstaat über den Stand und nachfolgend über den Ausgang des Verfahrens unterrichten, damit die räumliche Annäherung der Familienangehörigen vollzogen werden kann, sofern die Bedingungen von Absatz 1 erfuellt sind.

Artikel 9

Hat ein Mitgliedstaat durch eine positive Handlung wie die Erteilung eines Visums oder eines anderen Aufenthaltstitels wesentlich dazu beigetragen, dass ein Drittstaatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einreisen konnte und sich dort aufhalten darf, ist er für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Dies trägt dem dem Instrumentarium zugrunde liegenden Prinzip Rechnung, wonach in einem Raum, in dem freier Personenverkehr herrscht, der einzelne Mitgliedstaat den anderen Mitgliedstaaten gegenüber die Verantwortung für sein Handeln hinsichtlich der Einreise und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen übernimmt. Mit der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 (Visa), die eine gemeinsame Visumsregelung vorsieht, können einige der im Dubliner Übereinkommen aufgeführten Fälle nicht mehr auftreten. Der Vorschlag trägt dieser Entwicklung Rechnung, indem die Bestimmungen, die nur dann anwendbar waren, wenn ein Drittstaatsangehöriger gegebenenfalls im Besitz von Visa mehrerer Mitgliedstaaten sein musste, aufgehoben wurden.

Die mit dem Vorhandensein mehrerer Visa verbundenen Fälle können noch auftreten, wenn es um Visa für die Zwecke des Transits nach einem Drittstaat, Visa mit beschränkter territorialer Gültigkeit und Langzeitvisa geht, deren Erteilung nicht in der Visa-Verordnung geregelt ist.

Um unterschiedliche Auslegungen zu verhindern, greifen nach Absatz 5 die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats auch dann, wenn bei der Erlangung des Visums oder des Aufenthaltstitels betrügerische Umstände vorlagen; dies gilt allerdings nicht, wenn die betrügerische Handlung, beispielsweise die Ersetzung oder Änderung des Dokuments, erst nach der Ausstellung vorgenommen wurde.

Artikel 10

Diese Bestimmung entstammt ebenfalls dem Dubliner Übereinkommen. Auch hier gilt das Grundprinzip, dass die Mitgliedstaaten gegenüber den anderen Mitgliedstaaten für ihr Handeln hinsichtlich der Kontrolle der Einreise und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen verantwortlich sind.

Die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, über dessen Grenze der Asylbewerber in die Europäische Union eingereist ist, erlischt, wenn sich der Betreffende mindestens sechs Monate in dem Staat aufgehalten hat, in dem er den Asylantrag stellt. Der im Dubliner Übereinkommen verwendete Begriff "nachweislich" wird durch den Ausdruck "sich herausstellt" ersetzt, um die den Nachweis betreffenden Anforderungen weniger streng zu formulieren.

Artikel 11

Mit diesem Artikel werden die Bestimmungen von Artikel 7 des Dubliner Übereinkommens an die neuen Gegebenheiten nach Umsetzung des Schengener Durchführungsübereinkommens und Erlass der Visa-Verordnung angepasst.

1. Nach Absatz 1 ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der nicht visumpflichtige Drittstaatsangehörige einen Asylantrag stellt. Wird von einem Drittstaatsangehörigen kein Visum verlangt, kann dem Staat, über den der Betreffende in das gemeinsame Hoheitsgebiet eingereist ist, keine Verletzung seiner Pflichten angelastet werden, wenn er diesem die Einreise gestattet hat, denn auch jeder andere Mitgliedstaat hätte ihn unter denselben Bedingungen einreisen lassen. Außerdem richtet sich der Ort der Einreise häufig nach den vorhandenen Flugverbindungen. Daher besteht kein Anlass, den Einreisestaat zu sanktionieren.

2. Stellt ein Reisender, dessen endgültiges Bestimmungsland ein Drittstaat ist, bei der Durchreise durch einen Mitgliedstaat einen Asylantrag, so ist der Transitmitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Diese Zuständigkeit hindert den Mitgliedstaat nicht daran, gegebenenfalls das Kriterium des sicheren Drittlandes anzuwenden.

Artikel 12

Das in diesem Artikel aufgeführte Kriterium ergänzt das Dubliner Übereinkommen. Es weist dem Mitgliedstaat, der mehr als zwei Monate lang wissentlich den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen in seinem Hoheitsgebiet geduldet hat, die Zuständigkeit für die Antragsprüfung zu. Den Behörden war bekannt, dass sich der Drittstaatsangehörige rechtswidrig im Hoheitsgebiet ihres Staates aufhält, und trotzdem ergriffen sie keine aufenthaltsbeendende Maßnahme. Durch eine solche Untätigkeit leistet der Mitgliedstaat den Absichten des Drittstaatsangehörigen Vorschub und ermöglicht ihm, in seinem Hoheitsgebiet zu warten, bis sich eine günstige Gelegenheit zur illegalen Weiterreise in einen anderen Mitgliedstaat bietet, in dem er dann seine Anerkennung als Flüchtling beantragt. Bestuende für den Betreffenden bei seiner Rückkehr in das Herkunftsland eine begründete Furcht vor Verfolgung, hätte ihn dies eigentlich zur Stellung eines Asylantrags veranlassen müssen, und in diesem Fall hätte das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates gemäß dieser Verordnung eröffnet werden können.

Artikel 13

Das in diesem Artikel niedergelegte Kriterium ergänzt das Dubliner Übereinkommen und vergrößert die Reichweite des dem zweiten Unterabsatz von Artikel 10 zugrunde liegenden Prinzips. Ausgangspunkt bildet die Überlegung, dass ein Mitgliedstaat, in dem sich ein Drittstaatsangehöriger mindestens sechs Monate lang unentdeckt illegal aufhalten konnte, seinen Verpflichtungen zur Umsetzung der gemeinsamen Ziele bei der Kontrolle der illegalen Zuwanderung praktisch nicht nachgekommen ist und dafür die Verantwortung gegenüber den Partnerländern übernehmen muss.

Artikel 14

Das in diesem Artikel genannte Kriterium ist unverändert aus dem Dubliner Übereinkommen übernommen worden. Es soll das lückenlose Funktionieren des Instrumentariums sicherstellen. Der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag zum ersten Mal gestellt wird, ist "automatisch" für die Prüfung des Asylantrags zuständig, wenn sich die Zuständigkeit nicht anhand der vorstehenden Kriterien bestimmen lässt.

Artikel 15

Artikel 15 ergänzt das Dubliner Übereinkommen und zielt auf eine klare, verbindliche Regelung zur Wahrung der Einheit der Familie in Fällen, in denen bei einer strengen Anwendung der Kriterien verschiedene Mitgliedstaaten für die Prüfung der Asylanträge mehrerer Familienangehöriger zuständig wären. Die gewählten Kriterien - Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des größeren Teils der Asylanträge von Mitgliedern einer Familie zuständig ist, gegebenenfalls des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des vom ältesten Familienangehörigen gestellten Asylantrags zuständig ist - sind problemlos anzuwenden und für die Mitgliedstaaten ohne besondere Auswirkungen. Sie bieten eine Richtschnur, die auf der Grundlage von Einzelfallprüfungen eine verbindliche Handhabung von bestimmten, im Beschluss Nr. 1/2000 des Ausschusses nach Artikel 18 angeführten Fällen ermöglicht.

Kapitel IV: Humanitäre Klausel

Artikel 16

1. Artikel 16 Absatz 1 enthält die Bestimmungen von Artikel 9 des Dubliner Übereinkommens. Die sogenannte humanitäre Klausel dient vor allem dazu, eine Trennung von Familienangehörigen, die sich aus einer buchstabengetreuen Anwendung der Zuständigkeitskriterien ergeben kann, zu verhindern oder rückgängig zu machen. Auch wenn diese Verordnung künftig mehrere verbindliche Bestimmungen vorsieht, um eine größere räumliche Nähe der Familienangehörigen bzw. die Aufrechterhaltung der Familiengemeinschaft zu ermöglichen, sind derart unterschiedliche Situationen denkbar, dass nicht für jede eine spezifische Bestimmung vorgesehen werden kann; deshalb ist auch künftig im Interesse der Mitgliedstaaten wie der Asylbewerber eine humanitäre Klausel erforderlich, die nach Ermessen angewandt wird. Der zweite Satz gründet auf den Empfehlungen der Mitgliedstaaten, die im Beschluss Nr. 1/2000 des Ausschusses nach Artikel 18 enthalten sind; es gilt, genauer festzulegen, nach welchen Prinzipien die Mitgliedstaaten - in Abweichung von den Zuständigkeitskriterien - verfahren sollen, um einem Asylbewerber eine räumliche Annäherung an einen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, zu ermöglichen.

2. Genauere Vorschriften über die Bedingungen und Verfahren zur Anwendung der humanitären Klausel nach Absatz 1, insbesondere ein Mechanismus zur Regelung divergierender Einschätzungen der Mitgliedstaaten darüber, ob und wo eine solche Annäherung der Familienangehörigen notwendig ist, könnten gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt erlassen werden, wenn erste Erfahrungen mit dem in Artikel 29 vorgesehenen Ausschussverfahren vorliegen.

Kapitel V: Aufnahme und Wiederaufnahme

Artikel 17

Der Artikel nennt die Verpflichtungen des zuständigen Mitgliedstaats sowie die Umstände, unter denen diese Verpflichtungen erlöschen. Die Bestimmung ist dem Dubliner Übereinkommen entnommen und leicht umformuliert.

1. Die Buchstaben a, b und d betreffend die Aufnahme des Asylbewerbers, die Pflicht zur abschließenden Prüfung seines Asylantrags sowie die Verpflichtung zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers, der seinen in dem Mitgliedstaat in Prüfung befindlichen Antrag zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat Asyl beantragt hat, werden ohne Änderung übernommen.

Bei den Buchstaben c und e wird das Wort "illegal" durch den Ausdruck "unerlaubt" ersetzt. Die Änderung ist insofern gerechtfertigt, als sich der Asylbewerber, der von der Visumpflicht befreit ist oder ein gültiges Visum besitzt und im Besitz seines Passes ist, in dem Mitgliedstaat, in den er eingereist ist, aber bei dem nicht die Zuständigkeit liegt, offiziell nicht illegal aufhält; demzufolge ist die Bestimmung, wie im Dubliner Übereinkommen formuliert, in bestimmten Fällen nicht anwendbar.

2. Aus denselben Gründen wie bei Artikel 4 Absatz 6 erscheint es sinnvoller, auf Vorgaben für die Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels zu verzichten.

3. Es gilt der Grundsatz, wonach der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich ein Drittstaatsangehöriger mehr als sechs Monate lang aufgehalten hat, die Verantwortung übernehmen muss.

4. Der Satzteil "Buchstaben a bis d" wird gestrichen und damit die in diesem Absatz vorgesehene Entlastungsklausel auf Absatz 1 Buchstabe e ausgedehnt; damit erlischt die Verpflichtung des zuständigen Staates zur Wiederaufnahme eines Drittstaatsangehörigen, wenn dessen Antrag von ihm abgelehnt wurde und der Drittstaatsangehörige in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag stellt; Voraussetzung ist hierbei, dass sich der Betreffende über drei Monate lang nicht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgehalten hat. Der Asylantrag, der nach einer solchen Abwesenheit gestellt wird, gilt als neuer Antrag; somit ist erneut der zuständige Staat zu bestimmen.

5. Nach Absatz 5 wird der zuständige Mitgliedstaat unverzüglich von den in Absatz 1 Buchstaben d und e genannten Verpflichtungen zur Wiederaufnahme des Asylbewerbers entbunden, wenn er den Drittstaatsangehörigen, der nicht mehr als Asylbewerber gilt, weil er entweder seinen Asylantrag zurückgezogen hat oder weil sein Antrag abgelehnt wurde, tatsächlich ausgewiesen hat; dabei ist es unerheblich, ob die Ausweisung zwangsweise erfolgt ist oder der Betreffende der Anweisung zum Verlassen des Hoheitsgebiets freiwillig nachgekommen ist. Wie in dem im vorstehenden Absatz genannten Fall bedeutet dies, dass ein Asylantrag, den eine Person nach einer tatsächlich erfolgten Ausweisung stellt, wie ein neuer Antrag zu behandeln und erneut der zuständige Staat zu bestimmen ist.

Artikel 18

Die Bestimmungen von Artikel 11 des Dubliner Übereinkommens wurden auf drei verschiedene Artikel aufgeteilt, um die Abfolge der einzelnen Vorgänge zu verdeutlichen und die vom Antragsmitgliedstaat zu treffenden Maßnahmen klarer von den Maßnahmen abzugrenzen, die der ersuchte Staat im Hinblick auf die Aufnahme zu treffen hat.

1. Nach Absatz 1 wird die Frist, innerhalb deren der als zuständig geltende Staat zu ersuchen ist, von sechs Monaten auf 65 Arbeitstage (d. h. 13 Wochen bzw. rund drei Monate) verkürzt. Damit entspricht sie der Frist für Zulässigkeitsverfahren, die in der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] vorgesehen ist, und kommt dem Wunsch der Mitgliedstaaten nach vertretbaren Fristen für die Bestimmung des zuständigen Staates entgegen, was mit dem allgemeinen Ziel einer zügigen Behandlung von Asylanträgen in Einklang steht.

2. In Absatz 2 wird der Begriff "entnehmen" durch "überprüfen" ersetzt; dadurch soll, wie die Mitgliedstaaten im Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 vereinbart haben, grundsätzlich deutlich gemacht werden, dass der ersuchte Staat sich nicht darauf beschränken kann, die in dem Aufnahmegesuch des ersuchenden Mitgliedstaats übermittelten Informationen zu bewerten, sondern dass er gehalten ist, aktiv Nachforschungen anzustellen.

In einem neuen Unterabsatz wird die Möglichkeit vorgesehen, gemäß dem Ausschussverfahren nach Artikel 29 Regeln für die Erstellung und die Modalitäten zur Übermittlung der Aufnahmegesuche festzulegen und beispielsweise einen Standardvordruck einzuführen, der die zur Bearbeitung des Gesuchs erforderlichen Rubriken bzw. zu einem späteren Zeitpunkt Vorschriften zur Nutzung der elektronischen Post umfassen wird.

3. Mit Absatz 3 wird das Instrumentarium um das Dringlichkeitsverfahren ergänzt; die Mitgliedstaaten hatten das Verfahren im Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 vereinbart, um die Fälle, in denen der Asylantrag bei Vorliegen eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots gestellt wird, in denen der Betreffende wegen unerlaubten Aufenthalts festgenommen wird, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme angekündigt oder vollzogen wird, oder der Asylbewerber sich in Gewahrsam befindet, zügig regeln zu können.

4. Absatz 4 greift eine ähnliche Bestimmung der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] auf; danach ist der Asylbewerber davon in Kenntnis zu setzen, dass ein Aufnahmegesuch an einen anderen Mitgliedstaat gerichtet wurde, und welche Fristen anwendbar sind.

Artikel 19

1. Der erste Absatz enthält mehrere Änderungen im Vergleich zur entsprechenden Bestimmung des Dubliner Übereinkommens:

* Erstens wird in Anlehnung an die Formulierung des zweiten Absatzes des vorhergehenden Artikels präzisiert, dass der Mitgliedstaat, an den ein Aufnahmegesuch gerichtet wird, sich nicht darauf beschränken kann, die in dem Gesuch enthaltenen Beweismittel zu prüfen, sondern anhand eigener Register und Archive ermitteln muss, ob seine Zuständigkeit gegeben ist. Auf ein derartiges Vorgehen haben sich die Mitgliedstaaten mit Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 verständigt.

* Zweitens wird die Beantwortungsfrist bei Aufnahmegesuchen auf einen Monat verkürzt, wie dies die Mitgliedstaaten mit Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 gewünscht haben.

* Drittens werden die Beweismittel präzisiert: Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, muss der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit anerkennen, wenn ein Reihe übereinstimmender Indizien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lässt. Der Ausschuss nach Artikel 18 stellt in seinem Beschluss Nr. 1/97 Folgendes fest: "Die Zuständigkeit für die Durchführung eines Asylverfahrens ist grundsätzlich mit einem möglichst geringen Beweisaufwand zu bestimmen. Wäre die Beweisführung mit erheblichen Auflagen verknüpft, so würde das Verfahren zur Bestimmung der Zuständigkeit letztlich länger dauern als die Prüfung des eigentlichen Asylantrags. In diesem Fall würde das Übereinkommen nicht nur seinen Zweck völlig verfehlen, sondern sogar in Widerspruch zu einem seiner Ziele geraten, denn durch die Wartezeiten würde eine neue Kategorie von "refugees in orbit" entstehen, eine Gruppe von Asylbewerbern, deren Anträge nicht geprüft würden, solange das im Übereinkommen vorgesehene Verfahren nicht abgeschlossen wäre. Wären die Beweisregeln allzu strickt, so würden die Mitgliedstaaten die Zuständigkeit nicht übernehmen, und das Übereinkommen würde nur selten Anwendung finden. Andererseits würden die Mitgliedstaaten mit umfangreicheren nationalen Registern gleichsam bestraft, da ihre Zuständigkeit sich leichter nachweisen ließe. Die Mitgliedstaaten sollten bereit sein, die Zuständigkeit für die Prüfung eines Asylantrags auch auf der Grundlage eines Indizienbeweises zu übernehmen, wenn sich bei der Gesamtprüfung der Lage des Asylbewerbers ergibt, dass der betreffende Mitgliedstaat aller Wahrscheinlichkeit nach zuständig ist." Die Beweisführung muss jedoch so gestaltet sein, dass die Zuständigkeit nicht anhand einer bloßen Vermutung bestimmt wird.

* Die Vorschriften über Beweise und Indizien sowie deren Wertung werden im Wege des Ausschussverfahrens nach Artikel 29 erlassen.

2. Absatz 2 legt die Verpflichtungen des Mitgliedstaats fest, an den ein Aufnahmegesuch gerichtet ist, wenn der ersuchende Staat das im dritten Absatz des vorhergehenden Artikels genannte Dringlichkeitsverfahren in Anspruch nimmt.

3. Im dritten Absatz ist geregelt, was geschieht, wenn innerhalb der Einmonatsfrist gemäß Absatz 1 keine Antwort erfolgt: In diesem Fall gilt die Zuständigkeit implizit als akzeptiert.

Artikel 20

1. Diese Bestimmung ergänzt das Dubliner Übereinkommen und greift die Prinzipien auf, auf die sich die Mitgliedstaaten in dem Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 verständigt haben, wobei allerdings die dem Mitgliedstaat zustehende Frist zur Unterrichtung des Asylbewerbers präzisiert wird, wenn: der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit akzeptiert hat; das Asylgesuch in dem Mitgliedstaat, in dem es gestellt wurde, unzulässig ist und sich der Asylbewerber in den zuständigen Mitgliedstaat begeben muss. Diese Mitteilung erfolgt a) innerhalb von 14 Arbeitstagen, da diese Frist für die Entscheidungsfindung als ausreichend betrachtet wird und dazu beiträgt, die Verfahrensdauer nicht übermäßig zu verlängern, b) in Form einer einzigen Entscheidung betreffend die Unzulässigkeit des Asylbegehrens und die Verpflichtung zum Verlassen des Hoheitsgebiets des Mitgliedstaats, um sich in den zuständigen Staat zu begeben. Da beide Aspekte eng miteinander verbunden sind, könnte mittels einer einzigen Entscheidung sichergestellt werden, dass sie Gegenstand ein und desselben Streitverfahrens sind.

2. Im zweiten Absatz wird die im ersten Absatz genannte Entscheidung inhaltlich präzisiert und festgelegt, dass sie anfechtbar ist. Da die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat nicht die Gefahr eines groben und schwer wiedergutzumachenden Schadens für die betreffende Person birgt, ist es nicht erforderlich, dass deren Durchführung bis zum Abschluss des Streitverfahrens ausgesetzt wird.

3. Im dritten Absatz wird festgelegt, welche Regeln bei der Überstellung des Asylbewerbers in den zuständigen Staat einzuhalten sind. Sobald die Überstellung materiell möglich ist, erfolgt sie nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten und innerhalb einer Frist von maximal sechs Monaten. Mit der Verlängerung der Überstellungsfrist um einen Monat auf sechs Monate sollen die praktischen Probleme berücksichtigt werden, die sich in den Mitgliedstaaten bei der Durchführung des Dubliner Übereinkommens ergeben haben.

Erforderlichenfalls ist dem Asylbewerber ein Laissez-passer auszustellen; ein diesbezügliches Muster wird gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 festgelegt.

Der zuständige Mitgliedstaat unterrichtet den ersuchten Mitgliedstaat darüber, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gemeldet hat.

4. Erfolgt die Überstellung nicht innerhalb der im dritten Absatz vorgesehenen Frist von sechs Monaten, erlischt die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats und fällt die Zuständigkeit dem Mitgliedstaat zu, in dem der Asylantrag gestellt wurde. Diese Bestimmung war im Dubliner Übereinkommen - das keinerlei Konsequenzen vorsah, wenn die Überstellung unterblieb - nicht enthalten und stützt sich auf die Überlegungen, die dem zweiten Absatz des Artikels 10 und dem Zuständigkeitskriterium des Artikels 13 zugrunde liegen, d. h. dass der Mitgliedstaat, der die gemeinsamen Zielvorgaben zur Kontrolle der illegalen Zuwanderung nicht umsetzt, gegenüber den Partnerländern die Folgen tragen muss. Außerdem soll so vermieden werden, dass eine Kategorie sog. "refugees in orbit" entsteht, deren Antrag in keinem Mitgliedstaat geprüft wird.

5. Entsprechende Durchführungsbestimmungen können erforderlichenfalls nach dem Verfahren gemäß Artikel 29 erlassen werden.

Artikel 21

Dieser Artikel regelt die Wiederaufnahme eines Asylbewerbers, der sich in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat, durch den zuständigen Staat.

1. In Absatz 1 Buchstaben a und b entsprechen die Änderungen der einschlägigen Bestimmungen des Dubliner Übereinkommens denen in Artikel 18 Absatz 2 und Artikel 19 Absatz 1 und stellen klar, dass der zur Wiederaufnahme ersuchte Staat gehalten ist, in seinen Registern und Archiven die nötigen Nachprüfungen vorzunehmen.

In Buchstabe c wird dem ersuchten Mitgliedstaat die Möglichkeit zugestanden, eine vorläufige Antwort zu erteilen, wenn die erforderlichen Nachprüfungen die zwingende Frist von acht Tagen zu überschreiten drohen. In Ausnahmefällen verfügt der ersuchte Mitgliedstaat über eine zusätzliche Frist von zwei Wochen, worauf sich die Mitgliedstaaten in dem Beschluss Nr. 1/97 des Ausschusses nach Artikel 18 verständigt haben.

Erfolgt keine Antwort innerhalb der in Buchstaben b und c vorgegebenen Fristen, so ist nach Buchstabe d davon auszugehen, dass die Wiederaufnahme implizit akzeptiert wird.

In Buchstabe e werden die in Artikel 20 Absatz 3 genannten Regeln für die Überstellung wieder aufgegriffen, d. h.: Frist von sechs Monaten, Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, gegebenenfalls Ausstellung eines Laissez-passer und Unterrichtung darüber, dass der überstellte Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht gemeldet hat.

Buchstabe f regelt, dass für die Wiederaufnahme durch den zuständigen Mitgliedstaat dieselben Formvorschriften wie für Entscheidungen über die Unzulässigkeit und die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat gelten.

2. Im zweiten Absatz wird festgelegt, was geschieht, wenn der ersuchende Mitgliedstaat nicht in der Lage ist, die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat durchzuführen: In diesem Fall wird die erteilte Zustimmung zur Wiederaufnahme hinfällig und der ersuchende Mitgliedstaat muss die Zuständigkeit für den Asylbewerber übernehmen.

3. Wie bei Aufnahmegesuchen müssen auch bei Wiederaufnahmegesuchen die Modalitäten für die Antragstellung und Übermittlung festgelegt werden. Obwohl zu erwarten ist, dass die Beweismittel zur Begründung einer Wiederaufnahme im Allgemeinen über Eurodac bereitgestellt werden, ist zu regeln, inwieweit andere Beweismittel berücksichtigt werden können; dies betrifft insbesondere die Übertragung der Zuständigkeit und das Erlöschen der Zuständigkeit nach Artikel 17 Absätze 2 bis 5.

4. Bestimmungen über die Durchführung von Überstellungen können gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 erlassen werden.

Kapitel VI : Verwaltungskooperation

Artikel 22

Im Hinblick auf die Durchführung dieser Verordnung ist ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten unerlässlich, vor allem wenn die Hinweise, über die ein Mitgliedstaat verfügt, um die eventuelle Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats zu bestimmen, nur bruchstückhaft sind und ergänzt bzw. bestätigt werden müssen. Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr gilt uneingeschränkt für die Verarbeitung in Anwendung der vorliegenden Verordnung erhaltener Daten und insbesondere den Informationsaustausch im Sinne dieses Artikels. Allerdings müssen die Durchführungsvorschriften präzisiert werden, da es den in den Mitgliedstaaten geschaffenen Kontrollbehörden zukommt, ihre Überwachungsfunktion wahrzunehmen.

1. Im ersten Absatz wird geregelt, dass Informationen ausschließlich ausgetauscht werden dürfen, um

a) den für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat zu bestimmen;

b) die Prüfung des Asylantrags vorzunehmen;

c) allen Verpflichtungen aus dieser Verordnung nachkommen zu können, wie: Wiederaufnahme eines Asylbewerbers, der sich unerlaubt in einen anderen Mitgliedstaat begeben hat.

2. Im zweiten Absatz wird erläutert, welche Informationen ausgetauscht werden können, nämlich:

a) die Personalien des Asylbewerbers und gegebenenfalls seiner Familienangehörigen;

b) Angaben zu den Ausweis- und/oder Reisepapieren des Asylbewerbers;

c) alle weiteren Informationen, die es ermöglichen, die Identität des Asylbewerbers zu ermitteln bzw. zu bestätigen, einschließlich Fingerabdruckdaten, um insbesondere die in Artikel 4 Absatz 6 der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens vorgesehenen Überprüfungen vorzunehmen. Die Handhabung von Fingerabdruckdaten unterliegt den Bestimmungen der genannten Verordnung;

d) Informationen über die Aufenthaltsorte des Asylbewerbers oder gegebenenfalls eines im Gebiet eines Mitgliedstaats anwesenden Familienmitglieds sowie über den Reiseweg, damit die sich auf diese Angaben stützenden Kriterien der Zuständigkeit angewandt werden können;

e) die von einem Mitgliedstaat ausgestellten Aufenthaltstitel und Visa, da diese für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgeblich sein können;

f) Angaben über den Ort der Einreichung des Antrags;

g) das Datum der Einreichung eines früheren Asylantrags bzw. des jetzigen Antrags, den Stand der Verfahren, den Tenor der getroffenen Entscheidung, alle erforderlichen Informationen, um den zuständigen Mitgliedstaat im Hinblick auf die Wiederaufnahme bzw. die Prüfung eines Asylantrags zu bestimmen.

3. Wird die Souveränitätsklausel nach Artikel 3 Absatz 3 angewandt oder sind bestimmte Fristen abgelaufen, sodass die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats erlischt und auf den Mitgliedstaat übergeht, in dem sich der Asylbewerber aufhält, wird ein Asylantrag möglicherweise sukzessiv von mehreren Mitgliedstaaten geprüft. Dies kann auch geschehen, wenn ein Drittstaatsangehöriger das Gebiet der Mitgliedstaaten für die Dauer von mehr als drei Monaten verlässt und einen neuen Asylantrag einreicht, für dessen Prüfung ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist als derjenige, der den vorhergehenden Antrag geprüft hat. In diesen Fällen scheint es angebracht, dass der mit der Prüfung eines neuen Antrags befasste Mitgliedstaat über den Inhalt des vorhergehenden Antrags und gegebenenfalls die Gründe für eine früher getroffene Entscheidung informiert wird. Da ein Asylantrag mitunter sensible Informationen enthält, hat der ersuchte Mitgliedstaat zu beurteilen, ob er dem Informationsersuchen stattgeben kann, ohne wichtige Interessen zu gefährden oder den Schutz der Grundrechte und -freiheiten des Betreffenden oder einer anderen Person zu beeinträchtigen, und muss er sich der Zustimmung des Asylbewerbers versichern.

4. Diese und die folgende Bestimmung stellen eine Ergänzung zum Dubliner Übereinkommen dar. Die Bestimmungen des ersten Absatzes sind verbindlich und verpflichten die Mitgliedstaaten dazu, jedes Informationsersuchen zu beantworten, was eine erhebliche Belastung für die zuständigen Verwaltungsstellen darstellen und zulasten der Bearbeitung von Gesuchen zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme gehen kann. Deshalb muss jedes Informationsersuchen hinreichend begründet sein und angegeben werden, auf welche nachprüfbaren Indizien es sich stützt, um so die Recherchen des ersuchten Mitgliedstaaten zu erleichtern.

5. Der ersuchte Mitgliedstaat verfügt über eine Frist von einem Monat. In schwierigen Fällen kann der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb von zwei Wochen eine vorläufige Antwort erteilen und angeben, bis wann er abschließend Stellung nehmen kann. Diese zusätzliche Frist darf sechs Wochen nicht überschreiten, sodass sich eine Frist von maximal acht Wochen ergibt. Zwar hat eine etwaige Fristüberschreitung keinerlei Folgen, doch wird sich der Mitgliedstaat, der eine Fristverlängerung in Anspruch genommen hat, nicht auf das in Artikel 18 Absatz 1 vorgesehene Auslaufen der Frist von 65 Arbeitstagen berufen können, um einen Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen, wenn seine Zuständigkeit gegeben ist.

6. Im sechsten Absatz wird festgelegt, dass Informationen nur zwischen den hierzu benannten Behörden ausgetauscht werden können.

7. Im siebenten Absatz wird definiert, welchem Zweck der Informationsaustausch dient und welche Behörden die Informationen entgegennehmen können: Der Zweck muss den Vorgaben des ersten Absatzes entsprechen und die Behörden müssen mit der Erfuellung der Verpflichtungen aus dieser Verordnung betraut sein, wie im selben Absatz beschrieben, wobei jede Behörde selbstverständlich nur Informationen entgegennehmen darf, die zur Ausübung ihrer Kompetenzen erforderlich sind: Sind die für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats betrauten Stellen nicht mit den Behörden identisch, die für die Prüfung des Asylantrags verantwortlich sind, können Informationen betreffend den Inhalt des Asylantrags und die Begründung der diesbezüglichen Entscheidung nur an letztere gerichtet werden.

8. Im achten Absatz werden Regeln zur Genauigkeit und Legalität der ausgetauschten Daten festgelegt.

9. Im neunten Absatz wird daran erinnert, dass der Asylbewerber ein Recht auf Zugang zu und gegebenenfalls auf Berichtigung oder Löschung der über seine Person erfassten Informationen hat. Außerdem wird in den Wortlaut des Dubliner Übereinkommens der Begriff der Sperrung im Sinne der Richtlinie 95/46/EG aufgenommen.

10. Im zehnten Absatz wird ausgeführt, dass Übermittlung und Entgegennahme von Informationen vermerkt werden müssen.

11. Der elfte Absatz enthält Grundsätzliches zur Dauer der Speicherung der ausgetauschten Daten, nämlich: Sie dürfen nur so lange gespeichert werden, wie dies für den Zweck, zu dem sie ausgetauscht wurden, erforderlich ist. Die Festsetzung eines einheitlichen Zeitraums erscheint nicht angemessen, denn während die zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ausgetauschten Informationen gelöscht werden können, sobald eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung vorliegt, gehen die zur Prüfung des Asylantrags ausgetauschten Informationen in die Akte des Antragstellers ein und werden als solche archiviert.

12. Absatz 12 sieht vor, dass wirksame Kontrollen durchzuführen sind, um die Einhaltung dieses Artikels zu gewährleisten.

Die Absätze 10 und 12 des Artikels 15 des Dubliner Übereinkommens werden nicht übernommen, weil Absatz 10 implizit ein abgestuftes Schutzniveau von Daten zulässt, was nach der Richtlinie 95/46/EG nunmehr untersagt ist und Absatz 12 gegenstandslos geworden ist, da die einschlägigen Bestimmungen in der besagten Richtlinie enthalten sind.

Artikel 23

Die zuständigen Stellen in den Mitgliedstaaten müssen über hinreichende Ressourcen verfügen, damit sie ihre Aufgabe erfuellen können und insbesondere in der Lage sind, die in der Verordnung vorgegebenen Fristen einzuhalten.

Artikel 24

Die Verordnung legt allgemeine Regeln fest, die in allen Mitgliedstaaten gelten; besondere Situationen werden nicht berücksichtigt. Wie häufig es zu einem Austausch zwischen Mitgliedstaaten kommt, um den zuständigen Staat zu bestimmen, hängt von verschiedenen Faktoren ab, insbesondere von der geographischen Lage. Die Erfahrung hat gezeigt, dass in Zusammenhang mit der Aufnahme oder Wiederaufnahme von Asylbewerbern die Kontakte zwischen bestimmten Mitgliedstaaten intensiver sind als zwischen anderen. In solchen Fällen können bilaterale Mechanismen, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Verordnung erleichtern, eine wirksame Lösung sein.

1. Im ersten Absatz wird den Mitgliedstaaten die Möglichkeit geboten, solche Vorkehrungen zu treffen, die je nach Fall und Umfang der zu bearbeitenden Anträge Folgendes umfassen können:

a) den Austausch von Verbindungsbeamten. Dies ermöglicht eine bessere Kommunikation zwischen Verwaltungen, deren Organisationsstruktur und Arbeitsmethoden unterschiedlich sind.

b) die Vereinfachung der Verfahren und die Verkürzung der bei diesen Verfahren geltenden Fristen. Solche Vereinbarungen sind zwischen einigen Mitgliedstaaten zur Durchführung des Dubliner Übereinkommens geschlossen worden und haben sich als wirksam erwiesen, insbesondere um durch direkte Kontakte zwischen den hierzu benannten Behörden eindeutige Fälle, die in den Grenzregionen zweier angrenzender Staaten auftreten, rasch zu regeln.

c) ein Mechanismus zur Begrenzung von Überstellungen. Kommt es zwischen zwei Mitgliedstaaten in großem Umfang zu einem regelrechten Hin und Her von Asylbewerbern, die freiwillig oder in Begleitung eines Beamten überstellt werden, wäre es mit dieser Verordnung nicht unvereinbar, wenn eine Seite darauf verzichtet, die gleiche Zahl von Überstellungen durchzuführen und sich darauf beschränkt, nur eine begrenzte Zahl anhand geeigneter Kriterien bestimmter Personen, die der Differenz zwischen den von jeder Seite akzeptierten Überstellungen entspricht, in lediglich eine Richtung zu überstellen. Eine solche Maßnahme ist geeignet, die Arbeitsbelastung und die Kosten der mit der Überstellung beauftragten Diensten zu verringern. Um den Zielen dieser Verordnung zu entsprechen, muss der Zeitraum, nach dessen Ablauf die Zahl der durchzuführenden Überstellungen ermittelt wird, auf einen Monat begrenzt sein und müssen die auf Grundlage der vorliegenden Verordnung durchzuführenden Überstellungen mit dem Ziel, die Aufrechterhaltung einer Familiengemeinschaft zu fördern, auf jeden Fall erfolgen.

2. Die Kommission ist über die von den Mitgliedstaaten geschlossenen Vereinbarungen informieren. Um sicherzustellen, dass die Bestimmungen dieser Verordnung eingehalten werden, müssen die Vereinbarungen nach Buchstaben b und c, die aufgrund ihrer Zielrichtung von der Verordnung abweichende Bestimmungen enthalten können, von der Kommission genehmigt werden.

Kapitel VII: Übergangs- und Schlussbestimmungen

Artikel 25

1. Diese Verordnung ersetzt das Dubliner Übereinkommen.

2. Allerdings ist die Kontinuität bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu wahren, da das Übereinkommen als flankierende Maßnahme zur Herstellung der Freizügigkeit in der Europäischen Union betrachtet wird. Deshalb ist vorgesehen, dass die Fakten, welche die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats begründen , d. h. die Zuständigkeitskriterien, auch berücksichtigt werden, wenn sie aus der Zeit vor dem in Artikel 31 Absatz 2 festgesetzten Datum für die Anwendung der Verordnung stammen.

Um die Kontinuität zu gewährleisten, wird dieselbe Lösung vorgeschlagen, wie sie die Vertragsparteien des Schengener Durchführungsübereinkommens für den Übergang zwischen dem besagten Durchführungsübereinkommen und dem Dubliner Übereinkommen vorgesehen hatten.

3. Außerdem ist die notwendige Kohärenz mit dem Eurodac-System für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens zu gewährleisten, indem vorgesehen wird, dass die Verweise in der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 auf das besagte Übereinkommen als Verweise auf die vorliegende Verordnung auszulegen sind.

Artikel 26

Als Nachfolgeinstrument des Dubliner Übereinkommens verfügt diese Verordnung über denselben räumlichen Geltungsbereich.

Artikel 27

Es wird eine Standardbestimmung über die Nichtdiskriminierung aufgenommen. Der Wortlaut dieser Bestimmung lehnt sich an Artikel 21 der Grundrechtscharta der Europäischen Union an.

Artikel 28

Hier handelt es sich um eine Standardbestimmung des Gemeinschaftsrechts, die wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen vorsieht. Die Mitgliedstaaten können nach freiem Ermessen bestimmen, welche Sanktionen bei Verstößen gegen die gemäß dieser Verordnung erlassenen Vorschriften zu verhängen sind.

Artikel 29

Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem der Vertreter der Kommission den Vorsitz führt. Dieser Ausschuss hat die Aufgabe, die Maßnahmen zu erlassen, die nach den verschiedenen Artikeln dieser Verordnung in seine Zuständigkeit fallen und die Vereinbarkeit der gegebenenfalls zwischen Mitgliedstaaten geschlossenen bilateralen Abkommen mit diesen Bestimmungen zu überprüfen. Gestützt auf die früheren Arbeiten des Ausschusses nach Artikel 18 handelt es sich dabei um das Muster eines Laissez-passer, ein einheitliches Antragsformular und insbesondere die Verzeichnisse der Beweismittel und Indizien für die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats. Diese sind der Verordnung als Anhang beigefügt, da nach Maßgabe der bisherigen Erfahrung eine rasch Aktualisierung geboten ist. Da es sich bei den zu erlassenden Maßnahmen um Maßnahmen von allgemeiner Tragweite im Sinne von Artikel 2 des Ratsbeschlusses 1999/468/EG vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse handelt, wird ein Regelungsausschuss eingesetzt.

Artikel 30

Die Kommission erstellt einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie, wie es ihrer Rolle als Hüterin der Anwendung der von den Organen gemäß dem Vertrag erlassenen Vorschriften entspricht. Sie schlägt gegebenenfalls Änderungen der Verordnung vor. Ein erster Bericht ist spätestens drei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung vorzulegen. Danach erstellt die Kommission gleichzeitig zu der umfassenden Bewertung von Eurodac gemäss Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 mindestens alle sechs Jahre einen Bericht über die Durchführung der Verordnung.

Es liegt auf der Hand, dass für die Ausarbeitung der nach diesem Artikel vorgesehenen Berichte detaillierte statistische Informationen erforderlich sind. Die Kommission schlägt vor, die Frage der Erstellung von Statistiken über die Anwendung des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Staates im Rahmen späterer Vorschläge zur Erhebung statistischer Daten im Bereich Asyl und Einwanderung zu behandeln.

Artikel 31

In diesem Artikel wird der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verordnung festgelegt. Im zweiten Absatz wird festgelegt, ab welchem Zeitpunkt die Verordnung auf Asylanträge anwendbar ist. Zwischen dem Zeitpunkt des Inkrafttretens und dem Datum der Anwendbarkeit können nach dem Verfahren des Artikels 29 die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen erlassen werden. In dieser Zeitspanne erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien des Dubliner Übereinkommens.

2001/0182(CNS)

Vorschlag für eine VERORDNUNG DES RATES zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION,

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a,

auf Vorschlag der Kommission [1],

[1] ABl. C vom , S. .

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments [2],

[2] ABl. C vom , S. .

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses [3],

[3] ABl. C vom , S. .

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Ausarbeitung einer gemeinsamen Asylpolitik einschließlich eines gemeinsamen europäischen Asylsystems ist wesentlicher Bestandteil des Ziels der Europäischen Union, schrittweise einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts aufzubauen, der allen offen steht, die wegen besonderer Umstände rechtmäßig um Schutz in der Europäischen Gemeinschaft nachsuchen.

(2) Der Europäische Rat ist auf seiner Sondertagung vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere übereingekommen, auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem hinzuwirken, das sich auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 in der Fassung des New Yorker Protokolls vom 31. Januar 1967 stützt, damit niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, d. h. der Grundsatz der Nichtzurückweisung gewahrt bleibt.

(3) Entsprechend den Schlussfolgerungen von Tampere sollte dieses System auf kurze Sicht eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates umfassen.

(4) Eine solche Formel muss auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie muss insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um effektiv den Zugang zu den Verfahren zur Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zu gewährleisten und nicht das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Asylanträge zu gefährden, das der Richtlinie .../.../EG des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft [4] zugrunde liegt.

[4] ABl. L [...] vom [...], S. [...].

(5) Vor dem Hintergrund der schrittweisen Einführung eines gemeinsamen europäischen Asylsystems, das auf längere Sicht zu einem gemeinsamen Asylverfahren und einem unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, führen kann, sollten im derzeitigen Stadium die Grundsätze, auf die sich das am 15. Juni 1990 in Dublin unterzeichnete Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags [5] (nachstehend "Dubliner Übereinkommen" genannt) stützt, dessen Durchführung die Harmonisierung der Asylpolitik gefördert und die negativen Folgen der ungleichen Zielrichtung der Asylbewerberströme abgeschwächt hat, mit den aufgrund der bisherigen Erfahrungen erforderlichen Änderungen beibehalten werden.

[5] ABl. C 254 vom 19.8.1997, S. 1.

(6) Die Einheit der Familie muss gewahrt werden, soweit dies mit den sonstigen Zielen vereinbar ist, die mit der Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Staates angestrebt werden.

(7) Die gemeinsame Bearbeitung der Asylanträge von Mitgliedern einer Familie durch ein und denselben Mitgliedstaat ermöglicht eine genauere Prüfung der Anträge und kohärente diesbezügliche Entscheidungen. Dieser Grundsatz darf jedoch nicht dem Ziel einer zügigen Prüfung der Asylanträge zuwiderlaufen und muss sich daher auf die Fälle beschränken, in denen der Asylantrag des zuerst eingereisten Familienmitglieds von der für die Bestimmung der Flüchtlingseigenschaft zuständigen Behörde in einem regulären Verfahren geprüft wird; hiervon ausgenommen sind Zulässigkeitsverfahren, beschleunigte Verfahren im Falle offensichtlich unbegründeter Anträge und Rechtsbehelfe. Allerdings müssen die Mitgliedstaaten von den Zuständigkeitskriterien abweichen können, um eine räumliche Annäherung von Familienmitgliedern vorzunehmen, sofern dies aus schwerwiegenden - insbesondere humanitären - Gründen erforderlich ist.

(8) Die schrittweise Schaffung eines Raums ohne Binnengrenzen, in dem der freie Personenverkehr gemäß den Bestimmungen des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft gewährleistet wird, setzt voraus, dass jeder Mitgliedstaat gegenüber den anderen für seine Handlungen im Bereich der Einreise und des Aufenthalts von Drittstaatsangehörigen verantwortlich ist und die Konsequenzen seiner Asylpolitik im Geiste der Solidarität und der Verantwortung tragen muss. Die Zuständigkeitskriterien müssen diesen Grundsatz widerspiegeln.

(9) Die Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr [6] findet Anwendung. Um den Austausch personenbezogener Daten zu ermöglichen, der für die Durchführung der Bestimmungen über die Aufnahme und Wiederaufnahme von Asylbewerbern und die Erfuellung der Verpflichtungen aus der Verordnung unerlässlich ist, muss präzisiert werden, wie einige Bestimmungen dieser Richtlinie anzuwenden sind.

[6] ABl. L 281 vom 23.11.1995, S. 31.

(10) Um die Durchführung der Verordnung zu erleichtern und ihre Wirksamkeit zu erhöhen, können die Mitgliedstaaten bilaterale Vereinbarungen treffen, die darauf abzielen, die Kommunikation zwischen den zuständigen Dienststellen zu verbessern, die Verfahrensfristen zu verkürzen, die Bearbeitung von Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchen zu vereinfachen oder Modalitäten für die Durchführung von Überstellungen festzulegen.

(11) Ein Verfahren, das die Zahl der Überstellungen von Asylbewerbern zwischen zwei Mitgliedstaaten beschränken soll, kann eine Rationalisierungsmaßnahme darstellen, die sowohl den betroffenen Mitgliedstaaten als auch den Asylbewerbern zugute kommt.

(12) Die Kontinuität zwischen dem im Dubliner Übereinkommen festgelegten Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates und dem in der Verordnung vorgesehenen Ansatz muss gewahrt werden. Außerdem ist die Kohärenz zwischen dieser Verordnung und der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 des Rates vom 11. Dezember 2000 über die Einrichtung von "Eurodac" für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens [7] zu gewährleisten.

[7] ABl. L 316 vom 15.12.2000, S. 1.

(13) Es besteht keine Veranlassung, für die Verordnung einen territorialen Anwendungsbereich vorzusehen, der von dem des Dubliner Übereinkommens, das durch die Verordnung ersetzt werden soll, abweicht, da insbesondere Überstellungen aus entfernten Gebieten zu einer übermäßigen Belastung der Betroffenen führen würden.

(14) Die Verordnung ist unterschiedslos auf alle Asylbewerber anzuwenden.

(15) Die Mitgliedstaaten müssen Sanktionen für Verstöße gegen die Verordnung festlegen.

(16) Da die für die Durchführung der Verordnung erforderlichen Maßnahmen von allgemeiner Tragweite im Sinne des Artikels 2 des Beschlusses 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse [8] sind, sollten sie nach dem Regelungsverfahren des Artikels 5 des Beschlusses erlassen werden.

[8] ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

(17) Die Durchführung der Verordnung ist regelmäßig zu bewerten.

(18) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union [9] anerkannt wurden. Sie zielt insbesondere darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des in Artikel 18 verankerten Rechts auf Asyl zu gewährleisten.

[9] ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1.

(19) Entsprechend dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Prinzip der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit kann das Ziel der geplanten Maßnahme, nämlich die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat, nicht auf Ebene der Mitgliedstaaten erreicht werden und ist daher wegen seines Umfangs und seiner Wirkungen nur auf Gemeinschaftsebene zu verwirklichen. Die Verordnung beschränkt sich auf das zur Erreichung dieses Ziels notwendige Mindestmaß und geht nicht über das dazu Erforderliche hinaus -

HAT FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

Kapitel I

Ziel und Definitionen

Artikel 1

In der Verordnung werden Kriterien und Verfahren festgelegt, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, zur Anwendung gelangen.

Artikel 2

Im Sinne dieser Verordnung gilt als:

a) Drittstaatsangehöriger: jede Person, die nicht Bürger der Union im Sinne von Artikel 17 Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ist;

b) Genfer Flüchtlingskonvention: das Genfer Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge in der Fassung des Protokolls von New York vom 31. Januar 1967;

c) Asylantrag: Antrag, mit dem ein Drittstaatsangehöriger einen Mitgliedstaat um Schutz nach dem Genfer Abkommen unter Berufung auf den Flüchtlingsstatus im Sinne von Artikel 1 Abschnitt A ersucht. Jedes Schutzgesuch wird als Asylantrag betrachtet, es sei denn, der Betreffende sucht ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz nach, der Gegenstand eines anderen Antrags sein kann;

d) Antragsteller bzw. Asylbewerber: der Staatsangehörige eines Drittlands, der einen Asylantrag eingereicht hat, über den noch nicht abschließend entschieden wurde; als abschließend gelten Entscheidungen, gegen die alle in der Richtlinie .../.../EG über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vorgesehenen verfügbaren Rechtsmittel ausgeschöpft wurden;

e) Prüfung eines Asylantrags: die Gesamtheit der Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen bzw. Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Asylantrag gemäß der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft], mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates gemäß dieser Verordnung;

f) Rücknahme des Asylantrags: vom Asylbewerber unternommene Schritte zur Beendigung des aufgrund des von ihm eingereichten Asylantrags eingeleiteten Verfahrens; diese Handlungen können willentlich vollzogen werden, d.h. der Asylbewerber erklärt der zuständigen Stelle schriftlich seine diesbezügliche Absicht, oder sich daraus ergeben, dass die in den entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] vorgesehenen Bedingungen erfuellt sind oder sich der Asylbewerber während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Staates oder während der Prüfung seines Asylantrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält;

g) Flüchtling: jeder Drittstaatsangehörige, dem die Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zuerkannt und der Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats in dieser Eigenschaft gestattet wurde;

h) unbegleiteter Minderjähriger: jeder Drittstaatsangehörige unter 18 Jahren, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen in einen Mitgliedstaat einreist oder sich dort aufhält, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet;

i) Familienangehöriger: der Ehegatte des Asylbewerbers oder sein nicht verheirateter, mit ihm in einer auf Dauer angelegten Beziehung lebender Partner, wenn in den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats unverheiratete Paare mit verheirateten Paaren gleichgestellt sind, sofern die Betreffenden schon im Herkunftsland als Paar lebten; das minderjährige, ledige Kind unter 18 Jahren ungeachtet der Art seiner Abstammung oder dessen, wer die Vormundschaft innehat; der Vater, die Mutter oder der Sorgeberechtigte, sofern es sich bei dem Asylbewerber um eine ledige, noch nicht volljährige Person unter 18 Jahren handelt; gegebenenfalls andere Personen, zu denen eine verwandtschaftliche Beziehung besteht und die im Herkunftsland im selben Haushalt lebten, sofern eine der betreffenden Personen gegenüber der anderen unterhaltsberechtigt ist;

j) Aufenthaltstitel: jede von den Behörden eines Mitgliedstaats erteilte Erlaubnis, mit der der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats gestattet wird, einschließlich der Dokumente, mit denen die Genehmigung des Aufenthalts im Hoheitsgebiet im Rahmen einer Regelung des vorübergehenden Schutzes oder bis zu dem Zeitpunkt nachgewiesen werden kann, zu dem die Umstände, die eine Ausweisung verhindern, nicht mehr gegeben sind; ausgenommen sind Visa und Aufenthaltstitel, die während der Prüfung eines Antrags auf Gewährung eines Aufenthaltstitels oder eines Asylantrags erteilt wurden;

k) Visum: die Erlaubnis oder Entscheidung eines Mitgliedstaats, die im Hinblick auf die Durchreise oder Einreise zwecks eines Aufenthalts in diesem Mitgliedstaat oder in mehreren Mitgliedstaaten verlangt wird. Es werden folgende Arten von Visa unterschieden:

i) Langzeitvisum: die Erlaubnis oder Entscheidung eines Mitgliedstaats, die im Hinblick auf die Einreise in diesen Mitgliedstaat für einen mehr als dreimonatigen Aufenthalt verlangt wird;

ii) Kurzzeitvisum: die Erlaubnis oder Entscheidung eines Mitgliedstaats, die im Hinblick auf die Einreise in diesen Mitgliedstaat oder mehrere Mitgliedstaaten für einen Aufenthalt von höchstens drei Monaten verlangt wird;

iii) Transitvisum: die Erlaubnis oder Entscheidung eines Mitgliedstaats, die im Hinblick auf eine Durchreise durch das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats oder mehrerer Mitgliedstaaten verlangt wird, unter Ausschluss des Flughafentransits;

iv) Flughafentransitvisum: die Erlaubnis oder Entscheidung, die einem ausdrücklich dieser Verpflichtung unterliegenden Drittstaatsangehörigen ermöglicht, bei einer Zwischenlandung oder einer Unterbrechung zwischen zwei Abschnitten eines internationalen Flugs die Transitzone eines Flughafens zu betreten, ohne dass er dabei das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats betritt.

Kapitel II

Allgemeine Grundsätze

Artikel 3

1. Ein Asylantrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft. Dabei handelt es sich um den Mitgliedstaat, der nach den Kriterien in Kapitel III als zuständiger Staat bestimmt wird.

2. Der Antrag wird von dem zuständigen Mitgliedstaat gemäß der Richtlinie .../.../EG [des Rates über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] geprüft.

3. Abweichend von Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den Kriterien dieser Verordnung nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Gegebenenfalls unterrichtet er den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Dem Asylbewerber wird der Zeitpunkt, zu dem die Prüfung seines Antrags beginnt, schriftlich mitgeteilt.

Artikel 4

1. Das in dieser Verordnung vorgesehene Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald ein Asylantrag erstmals in einem Mitgliedstaat gestellt wurde.

2. Ein Asylantrag gilt als gestellt, wenn den zuständigen Behörden des betreffenden Mitgliedstaats ein vom Asylbewerber eingereichtes Formblatt oder ein behördliches Protokoll zugegangen ist. Bei einem nicht in schriftlicher Form gestellten Asylantrag muss die Frist zwischen der Abgabe der Willenserklärung und der Erstellung einer Niederschrift so kurz wie möglich sein.

3. Wird ein ordnungsgemäß gestellter Asylantrag durch ein auf eine andere Grundlage als die Genfer Konvention gestütztes Schutzgesuch ersetzt, steht dies der Fortführung des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nicht entgegen.

4. Für die Anwendung dieser Verordnung ist die Situation des mit dem Asylbewerber einreisenden minderjährigen Kindes, das durch die Definition des Familienangehörigen in Artikel 2 Ziffer i gedeckt ist, untrennbar mit der seiner Eltern oder seines Vormunds verbunden und fällt in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, der für die Prüfung des Asylantrags der Eltern oder des Vormunds zuständig ist, auch wenn der Minderjährige keinen eigenen Antrag stellt.

5. Stellt ein Asylbewerber bei den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats einen Asylantrag, während er sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, obliegt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet sich der Antragsteller aufhält. Dieser Mitgliedstaat wird unverzüglich von dem mit dem Asylantrag befassten Mitgliedstaat unterrichtet und gilt dann für die Zwecke dieser Verordnung als der Staat, bei dem der Antrag gestellt wurde.

Der Antragsteller wird schriftlich von dieser Übertragung der Zuständigkeit und dem Zeitpunkt, zu dem sie erfolgt ist, unterrichtet.

6. Der Mitgliedstaat, bei dem der Asylantrag gestellt wurde, ist gehalten, nach Maßgabe von Artikel 21 und im Hinblick auf den Abschluss des Verfahrens zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Staates den Antragsteller, der sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält und dort nach der Rücknahme seines Asylantrags während des laufenden Verfahrens zur Bestimmung der Zuständigkeit einen neuen Asylantrag gestellt hat, wieder aufzunehmen.

Diese Verpflichtung erlischt, wenn der Asylbewerber zwischenzeitlich das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von mindestens drei Monaten verlassen hat oder ihm von einem Mitgliedstaat ein Aufenthaltstitel ausgestellt wurde.

Kapitel III

Rangfolge der Kriterien

Artikel 5

1. Die in diesem Kapitel festgelegten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der aufgeführten Rangfolge Anwendung.

2. Bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Staates wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

Artikel 6

Handelt es sich bei dem Asylbewerber um einen unbegleiteten Minderjährigen, ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem sich ein Familienangehöriger aufhält, der das Sorgerecht übernehmen kann, sofern dies im höheren Interesse des Kindes liegt.

Artikel 7

Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dem das Recht auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat in seiner Eigenschaft als Flüchtling gewährt wurde, ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, sofern die Betreffenden dies wünschen.

Artikel 8

1. Hat der Asylbewerber einen Familienangehörigen, dessen Asylantrag in einem Mitgliedstaat im Rahmen eines regulären Verfahrens nach Maßgabe der Richtlinie .../.../EG [über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] geprüft wird, über den noch keine Entscheidung hinsichtlich der für die Bestimmung zuständigen Stelle im Sinne der genannten Richtlinie ergangen ist, obliegt diesem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags, sofern die Betreffenden dies wünschen.

2. Wird der Asylantrag des Familienangehörigen im Rahmen eines Zulässigkeitsverfahrens nach Maßgabe der Richtlinie .../.../EG [über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Zuerkennung oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft] behandelt, und nimmt der Mitgliedstaat, der das Verfahren zur Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats führt, Verbindung zu dem Mitgliedstaat auf, in dessen Hoheitsgebiet sich der Familienangehörige aufhält, unterrichtet der ersuchte Mitgliedstaat den ersuchenden Mitgliedstaat und erteilt ihm binnen einer Frist von höchstens zwei Wochen eine vorläufige Antwort. Der Staat, in dem sich der Familienangehörige aufhält, unterrichtet den ersuchenden Staat unverzüglich über den Ausgang des Zulässigkeitsverfahrens. Wird der Antrag des Familienangehörigen zum regulären Verfahren zugelassen, gilt Absatz 1.

Artikel 9

1. Besitzt der Asylbewerber einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

2. Besitzt der Asylbewerber ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Asylantrags zuständig, es sei denn, dass das Visum in Vertretung oder mit schriftlicher Zustimmung eines anderen Mitgliedstaats erteilt wurde. In diesem Fall ist der letztere Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig. Konsultiert ein Mitgliedstaat insbesondere aus Sicherheitsgründen zuvor die zentralen Behörden eines anderen Mitgliedstaats, so ist dessen Antwort auf die Konsultation nicht gleichbedeutend mit einer schriftlichen Genehmigung im Sinne dieser Bestimmung.

3. Besitzt der Asylbewerber mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so ist für die Prüfung des Asylantrags in folgender Reihenfolge zuständig:

a) der Staat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Staat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;

b) der Staat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;

c) bei nicht gleichartigen Visa der Staat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Staat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.

4. Besitzt der Asylbewerber nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.

Besitzt der Asylbewerber einen oder mehrere seit mehr als zwei Jahren abgelaufene Aufenthaltstitel oder ein oder mehrere seit mehr als sechs Monaten abgelaufene Visa, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag gestellt wird.

5. Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Kann der betreffende Staat allerdings nachweisen, dass nach Ausstellung des Aufenthaltstitels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde, liegt die Zuständigkeit nicht bei ihm.

Artikel 10

Hat der aus einem Drittstaat kommende Asylbewerber eine Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten und kann ihm nachgewiesen werden, dass er über diesen Mitgliedstaat eingereist ist, wird diesem Staat die Zuständigkeit für die Prüfung des Asylantrags zugewiesen.

Die Zuständigkeit des Mitgliedstaats erlischt jedoch, wenn sich herausstellt, dass der Asylbewerber sich mindestens sechs Monate vor Antragstellung in dem Mitgliedstaat, in dem er seinen Asylantrag gestellt hat, aufgehalten hat. In diesem Fall ist der letztere Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 11

1. Für die Prüfung des von einem nicht visumpflichtigen Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrags ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Drittstaatsangehörige seinen Antrag stellt.

2. Stellt ein Drittstaatsangehöriger, dessen endgültige Bestimmung ein Drittland ist, einen Asylantrag beim Transit durch einen Flughafen eines Mitgliedstaats, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 12

Der Mitgliedstaat, der den illegalen Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen in seinem Hoheitsgebiet für eine Dauer von mehr als zwei Monaten wissentlich geduldet hat, ist für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Artikel 13

Kann nachgewiesen werden, dass sich der Drittstaatsangehörige mindestens sechs Monate illegal im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufgehalten hat, ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

Die Zuständigkeit erlischt, wenn der Antragsteller sich anschließend für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten illegal im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufgehalten oder das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für einen Zeitraum von mehr als drei Monaten verlassen hat.

Artikel 14

Lässt sich anhand der Kriterien in der vorliegenden Verordnung nicht bestimmen, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, fällt die Zuständigkeit dem ersten Mitgliedstaat zu, in dem der Asylantrag gestellt wurde.

Artikel 15

Stellen mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Asylantrag, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemeinsam durchgeführt werden können, und könnte die Anwendung der in dieser Verordnung genannten Kriterien ihre Trennung zur Folge haben, so gilt für die Bestimmung des zuständigen Staates Folgendes:

a) Die Prüfung der Asylanträge sämtlicher Familienmitglieder obliegt dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des größeren Teils der Anträge zuständig ist;

b) andernfalls obliegt die Prüfung dem Mitgliedstaat, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist.

Kapitel IV

Humanitäre Klausel

Artikel 16

1. Jeder Mitgliedstaat kann aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, auf Ersuchen eines anderen Mitgliedstaats und sofern die Zustimmung des Asylbewerbers vorliegt, einen Asylantrag prüfen, auch wenn er dafür nach den Kriterien dieser Verordnung nicht zuständig ist. In den nicht in der Verordnung vorgesehenen Fällen halten die Mitgliedstaaten eine räumliche Annäherung des Asylbewerbers an einen Familienangehörigen, der sich im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhält, für hinreichend begründet, wenn die betreffenden Personen wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft oder wegen des gesundheitlichen Zustands oder hohen Alters auf die Unterstützung der anderen Person angewiesen sind.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Ersuchen statt, wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

2. Die Bedingungen und Verfahren für die Umsetzung dieses Artikels, gegebenenfalls einschließlich der Schlichtungsverfahren zur Regelung von Divergenzen zwischen den Mitgliedstaaten über die Notwendigkeit einer Annäherung der betreffenden Personen bzw. den Ort, an dem diese vollzogen werden soll, werden gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 beschlossen.

Kapitel V

Aufnahme und Wiederaufnahme

Artikel 17

1. Der Mitgliedstaat, dem nach der vorliegenden Verordnung die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist gehalten:

a) den Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach den Bedingungen gemäß den Artikeln 18 bis 20 aufzunehmen;

b) die Prüfung des Asylantrags abzuschließen;

c) den Asylbewerber, der sich während der Antragsprüfung unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach den Bedingungen gemäß Artikel 21 wieder aufzunehmen;

d) den Asylbewerber, der seinen Asylantrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat, gemäß den Bedingungen nach Artikel 21 wieder aufzunehmen;

e) den Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, gemäß den Bedingungen nach Artikel 21 wieder aufzunehmen.

2. Erteilt ein Staat einem Asylbewerber einen Aufenthaltstitel, fallen ihm die Verpflichtungen nach Absatz 1 zu.

3. Kann nachgewiesen werden, dass der Asylbewerber sich mindestens sechs Monate in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, gehen die Verpflichtungen nach Absatz 1 auf diesen Mitgliedstaat über.

4. Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn sich der Drittstaatsangehörige mindestens drei Monate nicht im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufgehalten hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom zuständigen Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels.

5. Die Verpflichtungen nach Absatz 1 Buchstaben d und e erlöschen auch, wenn der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat nach der Rücknahme oder der Ablehnung des Asylantrags die notwendigen Vorkehrungen getroffen und tatsächlich umgesetzt hat, damit der Drittstaatsangehörige in sein Herkunftsland oder in ein anderes Land, in das er sich rechtmäßig begeben kann, zurückkehrt.

Artikel 18

1. Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung dieses Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von 65 Arbeitstagen nach Einreichung des Asylantrags im Sinne von Artikel 4 Absatz 2 Letzteren ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen.

Wird das Aufnahmegesuch nicht innerhalb der genannten Frist von 65 Arbeitstagen unterbreitet, so ist der Staat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrags zuständig.

2. Das Aufnahmegesuch muss Hinweise enthalten, anhand deren die Behörden des ersuchten Staates überprüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist.

Die Vorschriften für die Erstellung und die Modalitäten zur Übermittlung der Gesuche werden nach dem Verfahren gemäß Artikel 29 Absatz 2 erlassen.

3. Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Asylantrag gestellt wurde, nachdem Einreise oder Aufenthalt verweigert worden waren, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde, eine Ausweisung angekündigt oder vollstreckt wurde, oder wenn sich der Asylbewerber in Gewahrsam befindet, eine dringliche Antwort anfordern. In dem Ersuchen werden die rechtlichen oder tatsächlichen Umstände genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird.

4. Der Antragsteller wird unverzüglich in einer ihm verständlichen Sprache davon unterrichtet, dass ein Aufnahmegesuch an einen anderen Mitgliedstaat gerichtet worden ist, und welche Fristen zur Anwendung kommen.

Artikel 19

1. Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt insbesondere anhand seiner Register die erforderlichen Überprüfungen vor und muss binnen drei Monaten, nachdem er mit dem Aufnahmegesuch befasst wurde, darüber entscheiden. Liegen keine förmlichen Beweismittel vor, erkennt der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit an, wenn eine Reihe übereinstimmender Indizien mit hinreichender Wahrscheinlichkeit seine Zuständigkeit begründen.

Das Verzeichnis der Beweismittel und Indizien sowie die entsprechenden Auslegungsvorschriften werden gemäss dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 erlassen.

2. Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren, setzt der ersuchte Mitgliedstaat alles daran, innerhalb der vorgegebenen Frist zu antworten. Andernfalls teilt er dem ersuchenden Mitgliedstaat vor Ablauf dieser Frist mit, wann er in der Lage sein wird, eine endgültige Antwort zu erteilen.

3. Wird innerhalb der Frist von einem Monat gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird.

Artikel 20

1. Stimmt der ersuchte Mitgliedstaat der Aufnahme zu, teilt der Staat, in dem der Asylantrag eingereicht wurde, dem Antragsteller innerhalb von höchstens 15 Arbeitstagen ab dem Erhalt der Antwort des zuständigen Mitgliedstaats in einer einzigen Entscheidung mit, dass sein Antrag in diesem Mitgliedstaat unzulässig ist und er in den zuständigen Mitgliedstaat überstellt wird.

2. Die Entscheidung nach Absatz 1 ist mit Gründen zu versehen. Des Weiteren sind die Fristen für die Überstellung anzugeben und erforderlichenfalls werden der Zeitpunkt und der Ort genannt, zu dem bzw. an dem sich der Antragsteller zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden. Der Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung auf die Durchführung der Überstellung.

3. Die Überstellung des Asylbewerbers aus dem Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, in dem zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den nationalen Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Annahme des Antrags auf Aufnahme.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 festgelegt wird.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Mitgliedstaat je nach Fall mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Frist gemeldet hat.

4. Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, geht die Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde.

5. Ergänzende Vorschriften zur Durchführung von Überstellungen können gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 erlassen werden.

Artikel 21

1. Gemäß Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 17 Buchstaben c, d und e wird ein Asylbewerber nach folgenden Modalitäten wieder aufgenommen:

a) Das Wiederaufnahmegesuch muss Hinweise enthalten, aus denen der ersuchte Mitgliedstaat entnehmen kann, dass er zuständig ist.

b) Der Staat, der um Wiederaufnahme des Asylbewerbers ersucht wird, muss die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und diesen Antrag binnen acht Tagen, nachdem er damit befasst wurde, beantworten.

c) In Ausnahmefällen kann der ersuchte Mitgliedstaat vor Ablauf der Achttagefrist eine vorläufige Antwort erteilen, in der angegeben wird, bis wann eine endgültige Stellungnahme erfolgt. Diese Frist muss so kurz wie möglich sein und darf auf keinen Fall mehr als 14 Tagen ab Erteilung der vorläufigen Antwort betragen.

d) Erteilt der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von acht Tagen gemäß Buchstabe b oder innerhalb der Frist von 14 Tagen gemäß Buchstabe c keine Antwort, so wird davon ausgegangen, dass er die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert.

e) Der Mitgliedstaat, der die Wiederaufnahme akzeptiert, muss den Asylbewerber in sein Hoheitsgebiet wiederzulassen. Die Überstellung erfolgt gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung zwischen den beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies materiell möglich ist und spätestens innerhalb von sechs Monaten nach Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme.

f) Der ersuchende Mitgliedstaat teilt dem Asylbewerber die Entscheidung des zuständigen Mitgliedstaats über seine Wiederaufnahme innerhalb einer Frist von 15 Arbeitstagen nach Erhalt der Antwort des zuständigen Staates mit. Diese Entscheidung ist mit Gründen zu versehen. Darüber hinaus sind die Fristen für die Durchführung der Überstellung anzugeben und gegebenenfalls der Ort und der Zeitpunkt zu nennen, an dem bzw. zu dem sich der Asylbewerber zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in dem zuständigen Mitgliedstaat begibt. Gegen die Entscheidung kann ein gerichtlicher Rechtsbehelf eingelegt werden. Dieser Rechtsbehelf hat keine aufschiebende Wirkung auf die Durchführung der Überstellung.

Erforderlichenfalls stellt der ersuchende Mitgliedstaat dem Asylbewerber ein Laissez-passer nach dem Muster aus, das gemäß dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 festgelegt wird.

Der zuständige Mitgliedstaat teilt dem ersuchenden Staat je nach Fall mit, dass der Asylbewerber eingetroffen ist bzw. dass er sich nicht innerhalb der vorgegebenen Fristen gemeldet hat.

2. Erfolgt die Überstellung nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten, erlischt die Wiederaufnahmepflicht des zuständigen Staates und geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über.

3. Die Vorschriften über die Beweismittel und Indizien und deren Auslegung sowie die Modalitäten für das Stellen und Übermitteln von Gesuchen werden gemäss dem Verfahren nach Artikel 29 Absatz 2 erlassen.

4. Ergänzende Vorschriften für die Durchführung von Überstellungen können nach dem Verfahren gemäß Artikel 29 Absatz 2 erlassen werden.

Kapitel VI

Verwaltungskooperation

Artikel 22

1. Jeder Mitgliedstaat übermittelt jedem Mitgliedstaat, der dies beantragt, personenbezogene Daten über den Asylbewerber, die sachdienlich und relevant sind und nicht über das erforderliche Maß hinausgehen, um

a) den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist;

b) die Prüfung des Asylantrags vorzunehmen;

c) allen Verpflichtungen aus dieser Verordnung nachkommen zu können.

2. Betreffen dürfen die Informationen nach Absatz 1 ausschließlich

a) die Personalien des Asylbewerbers und gegebenenfalls der Angehörigen (Name, Vorname - gegebenenfalls früherer Name, Beiname oder Pseudonyme, derzeitige und frühere Staatsangehörigkeit, Geburtsdatum und -ort);

b) den Personalausweis oder den Reisepass (Nummer, Gültigkeitsdauer, Ausstellungsdatum, ausstellende Behörde, Ausstellungsort usw.);

c) sonstige zur Identifizierung des Asylbewerbers erforderliche Angaben, einschließlich Fingerabdruckdaten, die gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 gehandhabt werden;

d) die Aufenthaltsorte und die Reisewege;

e) die Aufenthaltstitel oder die durch einen Mitgliedstaat erteilten Visa;

f) den Ort der Einreichung des Antrags;

g) gegebenenfalls das Datum der Einreichung eines früheren Asylantrags, das Datum der Einreichung des jetzigen Antrags, den Stand des Verfahrens und den Tenor der gegebenenfalls getroffenen Entscheidung.

3. Außerdem und soweit dies zur Prüfung des Asylantrags erforderlich ist, kann der zuständige Mitgliedstaat einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, ihm die Gründe, die der Asylbewerber zur Stützung seines Antrags angeführt hat, und gegebenenfalls die Gründe für die bezüglich seines Antrags getroffene Entscheidung mitzuteilen. Es liegt im Ermessen des ersuchten Mitgliedstaats, das Ersuchen abzulehnen, wenn die Mitteilung dieser Informationen wichtige Interessen des Staates oder den Schutz der Grundrechte und -freiheiten des Betreffenden oder einer anderen Person gefährden kann. Zur Erteilung dieser Auskünfte ist auf jeden Fall die schriftliche Zustimmung des Asylbewerbers einzuholen.

4. Jedes Informationsersuchen ist zu begründen und zielt dieses darauf ab, ein Kriterium zu überprüfen, das die Zuständigkeit des um Auskunft ersuchten Mitgliedstaats nach sich ziehen kann, ist anzugeben, auf welches Indiz oder auf welchen einschlägigen und nachprüfbaren Sachverhalt der Erklärungen des Asylbewerbers es sich stützt.

5. Der ersuchte Mitgliedstaat ist gehalten, innerhalb einer einmonatigen Frist zu antworten. Bei besonderen Schwierigkeiten kann der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb einer Frist von höchstens zwei Wochen eine vorläufige Antwort erteilen und dabei angeben, bis wann er eine endgültige Antwort erteilen kann. Dieser Zeitraum sollte so kurz wie möglich sein und darf keinesfalls eine Frist von sechs Wochen überschreiten. Ergeben sich aus den Nachforschungen des ersuchten Mitgliedstaats, der die Möglichkeit zur Erteilung einer vorläufigen Antwort in Anspruch genommen hat, Anhaltspunkte, die seine Zuständigkeit erkennen lassen, kann sich dieser Staat nicht darauf berufen, dass die in Artikel 18 Absatz 1 vorgesehene Frist überschritten ist, um ein Aufnahmegesuch abzulehnen.

6. Der Informationsaustausch erfolgt auf Antrag eines Mitgliedstaats und kann nur zwischen den Behörden stattfinden, deren Benennung von jedem Mitgliedstaat der Kommission mitgeteilt wurde, die ihrerseits die anderen Mitgliedstaaten davon in Kenntnis gesetzt hat.

7. Die übermittelten Informationen dürfen nur zu den in Absatz 1 vorgesehenen Zwecken verwendet werden. Die Informationen dürfen in jedem Mitgliedstaat je nach Art und nach Zuständigkeit der auskunftsuchenden Behörde nur den Behörden und Gerichten übermittelt werden, die beauftragt sind,

a) den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist;

b) die Prüfung des Asylantrags vorzunehmen;

c) allen Verpflichtungen aus dieser Verordnung nachzukommen.

8. Der Mitgliedstaat, der die Daten übermittelt, sorgt für deren Richtigkeit und Aktualität. Zeigt sich, dass dieser Mitgliedstaat unrichtige Daten oder Daten übermittelt hat, die nicht hätten übermittelt werden dürfen, werden die Empfängermitgliedstaaten darüber unverzüglich informiert. Sie sind gehalten, diese Informationen zu berichtigen oder sie zu löschen.

9. Ein Asylbewerber hat das Recht, sich auf Antrag die über seine Person erfassten Daten mitteilen zu lassen.

Stellt er fest, dass bei der Verarbeitung dieser Informationen gegen die Bestimmungen der vorliegenden Verordnung oder der Richtlinie 95/46/EG verstoßen wurde, insbesondere weil die Angaben unvollständig oder unrichtig sind, hat er das Recht auf Berichtigung, Löschung oder Sperrung.

Die Behörde, die die Berichtigung, Löschung oder Sperrung der Angaben vornimmt, setzt hierüber den Staat in Kenntnis, der die Informationen erteilt bzw. erhalten hat.

10. In jedem betroffenen Mitgliedstaat werden die Weitergabe und der Erhalt der ausgetauschten Informationen in der Akte des Betreffenden oder in einem Register vermerkt.

11. Die ausgetauschten Daten werden nur so lange aufbewahrt, wie dies zur Erreichung der mit dem Austausch der Daten verfolgten Ziele notwendig ist.

12. Soweit die Daten nicht automatisiert oder in einer Datei gespeichert sind bzw. gespeichert werden sollen, hat jeder Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Einhaltung dieses Artikels durch wirksame Kontrollen zu gewährleisten.

Artikel 23

Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Dienststellen, die mit der Durchführung dieser Verordnung betraut sind, über die nötigen Mittel verfügen, um ihre Aufgabe zu erfuellen und insbesondere die Informationsersuchen sowie die Gesuche auf Aufnahme bzw. Wiederaufnahme innerhalb der vorgegebenen Fristen zu beantworten.

Artikel 24

1. Die Mitgliedstaaten können untereinander bilaterale Verwaltungsvereinbarungen bezüglich der praktischen Modalitäten der Durchführung dieser Verordnung treffen, um deren Anwendung zu erleichtern und die Effizienz zu erhöhen. Diese Vereinbarungen können Folgendes betreffen:

a) den Austausch von Verbindungsbeamten;

b) die Vereinfachung der Verfahren und Verkürzung der Fristen für die Übermittlung und Prüfung von Gesuchen zur Aufnahme bzw. Wiederaufnahme;

c) einen Mechanismus, der es gestattet, nach Ablauf eines vereinbarten Zeitraums, der einen Monat nicht überschreiten darf, unbeschadet der Artikel 6, 7, 8, 15 und 16 lediglich die Überstellungen vorzunehmen, die ein Mitgliedstaat einem anderen Mitgliedstaat schuldet, wenn auf eine gegenseitige Aufrechnung der Aufnahmen verzichtet worden ist. Bei jeder diesbezüglichen Vereinbarung ist anzugeben, nach welchen Kriterien beschlossen wird, die Überstellung der betreffenden Asylbewerber durchzuführen oder darauf zu verzichten.

2. Die Vereinbarungen gemäß Absatz 1 werden der Kommission mitgeteilt. Die Kommission genehmigt die Vereinbarungen im Sinne der Buchstaben b und c, nachdem sie sich vergewissert hat, dass sie nicht gegen die Bestimmungen der Verordnung verstoßen.

Kapitel VII

Übergangs- und Schlussbestimmungen

Artikel 25

1. Diese Verordnung ersetzt das am 15. Juli 1990 in Dublin unterzeichnete Übereinkommen über die Bestimmung des zuständigen Staates für die Prüfung eines in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften gestellten Asylantrags.

2. Um die Kontinuität bei der Bestimmung des für den Asylantrag zuständigen Mitgliedstaats zu wahren, wenn der Asylantrag nach dem in Artikel 31 Absatz 2 genannten Datum gestellt worden ist, werden Sachverhalte, welche die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats nach Maßgabe der Bestimmungen dieser Verordnung nach sich ziehen können, auch berücksichtigt, wenn sie aus der Zeit davor datieren.

3. Wird in der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 auf das Dubliner Übereinkommen verwiesen, ist dieser Verweis als Bezugnahme auf die vorliegende Verordnung zu verstehen.

Artikel 26

In Bezug auf die Französische Republik gelten die Bestimmungen dieser Verordnung nur für das europäische Hoheitsgebiet der Französischen Republik.

Artikel 27

Die Mitgliedstaaten wenden die Bestimmungen dieser Verordnung ohne unterschiedliche Behandlung der Asylbewerber aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, genetischer Merkmale, der Sprache, der Religion oder Weltanschauung, politische oder sonstige Überzeugungen, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung an.

Artikel 28

Die Mitgliedstaaten legen die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die Bestimmungen dieser Verordnung zu verhängen sind und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.

Artikel 29

1. Die Kommission wird von einem Ausschuss unterstützt, der sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten zusammensetzt und in dem die Kommission den Vorsitz führt.

2. Wird auf diesen Absatz verwiesen, gelangt das Regelungsverfahren gemäß Artikel 5 des Beschlusses 1999/468/EG nach Maßgabe der Bestimmungen des Artikels 7 dieses Beschlusses zur Anwendung.

3. Die in Artikel 5 Absatz 6 des Beschlusses 1999/468/EG festgelegte Frist beträgt drei Monate.

Artikel 30

Spätestens drei Jahre nach dem in Artikel 31 Absatz 1 genannten Datum erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat Bericht über die Durchführung der Verordnung und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor. Die Mitgliedstaaten übermitteln der Kommission spätestens sechs Monate vor diesem Datum alle für die Erstellung dieses Berichts sachdienlichen Informationen.

Nach Vorlage dieses Berichts legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat den Bericht über die Durchführung dieser Verordnung gleichzeitig mit den in Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 vorgesehenen Berichten über die Anwendung des Eurodac-Systems vor.

Artikel 31

Diese Verordnung tritt 20 Tage nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft.

Die Verordnung ist auf Asylanträge anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten gestellt werden. Für einen Asylantrag, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien des Dubliner Übereinkommens.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in allen Mitgliedstaaten.

Brüssel, den

Für den Rat

Der Präsident

FINANZBOGEN

1. BEZEICHNUNG DER MASSNAHME

Verordnung des Rates zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat

2. HAUSHALTSLINIE

A-7031

3. RECHTSGRUNDLAGE

Artikel 63 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a EG-Vertrag

4. BESCHREIBUNG DER MASSNAHME

4.1 Allgemeines Ziel der Maßnahme

Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist, den ein Staatsangehöriger eines dritten Landes in einem Mitgliedstaat gestellt hat

4.2 Dauer der Maßnahme und Bestimmungen über eventuelle Verlängerungen

Unbefristet

5. EINSTUFUNG DER AUSGABEN/EINNAHMEN

5.1 NOA

5.2 NGM

5.3 Art der Einnahmen

Entfällt

6. ART DER AUSGABEN/EINNAHMEN

Entfällt

7. FINANZIELLE AUSWIRKUNGEN

Verwaltungsmaßnahmen infolge der Einsetzung des Regelungsausschusses

8. BETRUGSBEKÄMPFUNGSMASSNAHMEN

Entfällt

9. KOSTENWIRKSAMKEITSANALYSE

9.1 Quantifizierbare Einzelziele; Zielgruppen

Entfällt

9.2 Begründung der Maßnahme

Entfällt

9.3 Follow-up und Bewertung der Maßnahme

Entfällt

10. VERWALTUNGSAUSGABEN (TEIL A DES EINZELPLANS III DES GESAMTHAUSHALTSPLANS)

Die Bereitstellung der erforderlichen Verwaltungsmittel erfolgt nach Maßgabe des jährlichen Beschlusses der Kommission über die Zuteilung der Ressourcen unter Berücksichtigung der von der Haushaltsbehörde bewilligten zusätzlichen Planstellen und Haushaltsmittel.

10.1 Auswirkung auf den Personalbestand

Keine

10.2 Gesamtkosten für zusätzliches Personal

Keine

10.3 Sonstige Mehrausgaben für Verwaltung und Dienstbetrieb

(EUR)

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

Die unter 10.3 aufgeführten Ausgaben bei Titel A7 werden durch die Gesamtmittelausstattung der GD "Justiz und Inneres" gedeckt.