52001IG1020(02)

Initiative des Königreichs Belgien, der Französischen Republik, des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses über gemeinsame Ermittlungsgruppen durch den Rat

Amtsblatt Nr. C 295 vom 20/10/2001 S. 0009 - 0011


Initiative des Königreichs Belgien, der Französischen Republik, des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses über gemeinsame Ermittlungsgruppen durch den Rat

(2001/C 295/06)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag über die Europäische Union, insbesondere auf Artikel 34 Absatz 2 Buchstabe b),

auf Initiative des Königreichs Belgien, der Französischen Republik, des Königreichs Spanien und des Vereinigten Königreichs,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Eines der Ziele der Union ist es, den Bürgern in einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ein hohes Maß an Sicherheit zu bieten; dieses Ziel soll im Wege der Verhütung und Bekämpfung der Kriminalität durch eine engere Zusammenarbeit der Polizei-, Zoll- und anderer zuständiger Behörden in den Mitgliedstaaten verwirklicht werden.

(2) Der Europäische Rat vom 15. und 16. Oktober 1999 in Tampere rief zur unverzüglichen Einrichtung von gemeinsamen Ermittlungsteams - wie im Vertrag vorgesehen - als ersten Schritt zur Bekämpfung des Drogen- und Menschenhandels sowie des Terrorismus auf.

(3) Artikel 13 des vom Rat gemäß Artikel 34 des Vertrags über die Europäische Union erstellten Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union(1) enthält Bestimmungen für die Bildung und die Arbeit gemeinsamer Ermittlungsgruppen.

(4) Der Rat drängt darauf, dass alle Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, dass dieses Übereinkommen so bald wie möglich, jedenfalls aber im Laufe des Jahres 2002, ratifiziert wird.

(5) Der Rat erkennt an, dass es wichtig ist, dem Auftrag des Europäischen Rates zur unverzüglichen Einsetzung gemeinsamer Ermittlungsgruppen rasch zu entsprechen.

(6) Nach Meinung des Rates empfiehlt es sich für eine möglichst wirksame Bekämpfung der internationalen Kriminalität, nunmehr auf EU-Ebene einen spezifischen verbindlichen Rechtsakt über gemeinsame Ermittlungsgruppen zu verabschieden, der auf gemeinsame Ermittlungen in Fällen von Drogen- bzw. Menschenhandel sowie Terrorismus Anwendung findet.

(7) Nach Auffassung des Rates sollten diese Gruppen vorrangig zur Bekämpfung der von Terroristen verübten Straftaten eingesetzt werden.

(8) Mitgliedstaaten, die eine Gruppe einsetzen, legen Zusammensetzung, Zweck und Dauer fest.

(9) Mitgliedstaaten, die eine Gruppe einsetzen, müssen nach Möglichkeit und im Einklang mit dem geltenden Recht beschließen können, dass Personen, die keine Vertreter der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sind, an der Arbeit der Gruppe teilnehmen können und dass es sich bei diesen Personen beispielsweise um Vertreter von Europol, von der Kommission (OLAF) oder um Vertreter von Behörden von Nichtmitgliedstaaten, insbesondere um Vertreter von Strafverfolgungsbehörden der Vereinigten Staaten handeln kann. In diesem Fall müssen Aspekte wie die etwaigen Verantwortlichkeiten für diese Vertreter in der Vereinbarung über die Einsetzung der Gruppe geregelt werden.

(10) Der Einsatz einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates erfolgt nach dem Recht des betreffenden Mitgliedstaates.

(11) Dieser Rahmenbeschluss lässt etwaige anderweitige Bestimmungen über die Bildung und die Arbeit gemeinsamer Ermittlungsgruppen bzw. Vorkehrungen dafür unberührt -

HAT FOLGENDEN RAHMENBESCHLUSS ANGENOMMEN:

Artikel 1

Gemeinsame Ermittlungsgruppen

(1) Im Wege der Vereinbarung können die zuständigen Behörden von zwei oder mehr Mitgliedstaaten für einen bestimmten Zweck und einen begrenzten Zeitraum, der im gegenseitigen Einvernehmen verlängert werden kann, eine gemeinsame Ermittlungsgruppe zur Durchführung strafrechtlicher Ermittlungen in einem oder mehreren der an der Gruppe beteiligten Mitgliedstaaten bilden. Die Zusammensetzung der Ermittlungsgruppe wird in der Vereinbarung angegeben.

Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe kann insbesondere gebildet werden,

a) wenn in dem Ermittlungsverfahren eines Mitgliedstaats zur Aufdeckung von Straftaten schwierige und aufwändige Ermittlungen mit Bezügen zu anderen Mitgliedstaaten durchzuführen sind;

b) wenn mehrere Mitgliedstaaten Ermittlungen zur Aufdeckung von Straftaten durchführen, die infolge des zugrundeliegenden Sachverhalts ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen in den beteiligten Mitgliedstaaten erforderlich machen.

Ein Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe kann von jedem der betroffenen Mitgliedstaaten gestellt werden. Die Gruppe wird in einem der Mitgliedstaaten gebildet, in dem die Ermittlungen voraussichtlich durchzuführen sind.

(2) Ersuchen um Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe enthalten außer den in den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 14 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen und des Artikels 37 des Benelux-Übereinkommens vom 27. Juni 1962, geändert durch das Protokoll vom 11. Mai 1974, genannten Angaben auch Vorschläge für die Zusammensetzung der Gruppe.

(3) Die gemeinsame Ermittlungsgruppe wird im Hoheitsgebiet der an der Gruppe beteiligten Mitgliedstaaten unter folgenden allgemeinen Voraussetzungen tätig:

a) Die Gruppe wird von einem Vertreter der an den strafrechtlichen Ermittlungen beteiligten zuständigen Behörde des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, geleitet. Der Gruppenleiter handelt im Rahmen der ihm nach innerstaatlichem Recht zustehenden Befugnisse.

b) Die Gruppe führt ihren Einsatz gemäß den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats durch, in dem ihr Einsatz erfolgt. Die Mitglieder der Gruppe nehmen ihre Aufgaben unter Leitung der unter Buchstabe a) genannten Person unter Berücksichtigung der Bedingungen wahr, die ihre eigenen Behörden in der Vereinbarung zur Bildung der Gruppe festgelegt haben.

c) Der Mitgliedstaat, in dem der Einsatz der Gruppe erfolgt, schafft die notwendigen organisatorischen Voraussetzungen für ihren Einsatz.

(4) Im Sinne dieses Rahmenbeschlusses gelten die aus anderen Mitgliedstaaten als dem Einsatzmitgliedstaat stammenden Mitglieder der gemeinsamen Ermittlungsgruppe als in die Gruppe "entsandte" Mitglieder.

(5) Die in die gemeinsame Ermittlungsgruppe entsandten Mitglieder sind berechtigt, bei Ermittlungsmaßnahmen im Einsatzmitgliedstaat anwesend zu sein. Der Gruppenleiter kann jedoch aus besonderen Gründen, nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Ermittlungsgruppe erfolgt, anders entscheiden.

(6) Die in die gemeinsame Ermittlungsgruppe entsandten Mitglieder können nach Maßgabe der Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz der Ermittlungsgruppe erfolgt, von dem Gruppenleiter mit der Durchführung bestimmter Ermittlungsmaßnahmen betraut werden, sofern dies von den zuständigen Behörden des Mitgliedstaats, in dem der Einsatz erfolgt, und von dem entsendenden Mitgliedstaat gebilligt worden ist.

(7) Benötigt die gemeinsame Ermittlungsgruppe Ermittlungsmaßnahmen, die in einem der Mitgliedstaaten, die die Gruppe gebildet haben, zu ergreifen sind, so können die von diesem Mitgliedstaat in die Gruppe entsandten Mitglieder die zuständigen Behörden ihres Landes ersuchen, diese Maßnahmen zu ergreifen. Sie werden in dem betreffenden Staat gemäß den Bedingungen erwogen, die für im Rahmen innerstaatlicher Ermittlungen erbetene Maßnahmen gelten würden.

(8) Benötigt die gemeinsame Ermittlungsgruppe die Unterstützung eines Mitgliedstaats, der nicht zu denen gehört, die die Gruppe gebildet haben, oder eines Drittstaats, so kann von den zuständigen Behörden des Einsatzstaats entsprechend den einschlägigen Übereinkünften oder Vereinbarungen ein Rechtshilfeersuchen an die zuständigen Behörden des anderen betroffenen Staates gerichtet werden.

(9) Ein Mitglied der gemeinsamen Ermittlungsgruppe darf im Einklang mit den Rechtsvorschriften seines Landes und im Rahmen seiner Befugnisse der Gruppe Informationen, über die der das Mitglied entsendende Mitgliedstaat verfügt, für die Zwecke der von der Gruppe geführten strafrechtlichen Ermittlungen vorlegen.

(10) Von einem Mitglied oder einem entsandten Mitglied während seiner Zugehörigkeit zu einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe rechtmäßig erlangte Informationen, die den zuständigen Behörden der betroffenen Mitgliedstaaten nicht anderweitig zugänglich sind, dürfen für folgende Zwecke verwendet werden:

a) für die Zwecke, für die die Gruppe gebildet wurde;

b) zur Aufdeckung, Ermittlung und Strafverfolgung anderer Straftaten vorbehaltlich der vorherigen Zustimmung des Mitgliedstaats, in dem die Informationen erlangt wurden. Diese Zustimmung kann nur in Fällen verweigert werden, in denen die Verwendung die strafrechtlichen Ermittlungen im betreffenden Mitgliedstaat beeinträchtigen würde oder in Fällen, in denen dieser Mitgliedstaat sich weigern könnte, Rechtshilfe zu leisten;

c) zur Abwehr einer unmittelbaren und ernsthaften Gefahr für die öffentliche Sicherheit und unbeschadet des Buchstabens b), wenn anschließend eine strafrechtliche Ermittlung eingeleitet wird;

d) für andere Zwecke, sofern dies von den Mitgliedstaaten, die die Gruppe gebildet haben, vereinbart worden ist.

(11) Andere bestehende Bestimmungen oder Vereinbarungen über die Bildung oder den Einsatz gemeinsamer Ermittlungsgruppen werden von diesem Rahmenbeschluss nicht berührt.

(12) Soweit die Rechtsvorschriften der betreffenden Mitgliedstaaten oder die zwischen ihnen anwendbaren Übereinkünfte dies gestatten, kann vereinbart werden, dass sich Personen an den Tätigkeiten der gemeinsamen Ermittlungsgruppe beteiligen, die keine Vertreter der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten sind, die die Gruppe gebildet haben. Hierbei kann es sich beispielsweise um Bedienstete von nach dem Vertrag geschaffenen Einrichtungen handeln. Die den Mitgliedern oder den entsandten Mitgliedern der Gruppe kraft dieses Rahmenbeschlusses verliehenen Rechte gelten nicht für diese Personen, es sei denn, dass die Vereinbarung ausdrücklich etwas anderes vorsieht.

Artikel 2

Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

Bei Einsätzen nach Maßgabe des Artikels 1 werden Beamte aus einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem der Einsatz erfolgt, in Bezug auf Straftaten, die gegen sie begangen werden oder die sie selbst begehen, den Beamten des Einsatzmitgliedstaats gleichgestellt.

Artikel 3

Zivilrechtliche Verantwortlichkeit der Beamten

(1) Wenn Beamte eines Mitgliedstaats gemäß Artikel 1 in einem anderen Mitgliedstaat im Einsatz sind, haftet der erste Mitgliedstaat nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet der Einsatz erfolgt, für den durch die Beamten bei ihrem Einsatz verursachten Schaden.

(2) Der Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der in Absatz 1 genannte Schaden verursacht wird, ersetzt diesen Schaden so, wie er ihn ersetzen müsste, wenn seine eigenen Beamten ihn verursacht hätten.

(3) Der Mitgliedstaat, dessen Beamte einer Person im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats Schaden zugefügt haben, erstattet diesem anderen Mitgliedstaat den Gesamtbetrag des Schadensersatzes, den dieser an die Geschädigten oder ihre Rechtsnachfolger geleistet hat.

(4) Unbeschadet der Ausübung seiner Rechte gegenüber Dritten und mit Ausnahme des Absatzes 3 verzichtet jeder Mitgliedstaat in dem Fall des Absatzes 1 darauf, den Betrag des erlittenen Schadens anderen Mitgliedstaaten gegenüber geltend zu machen.

Artikel 4

Umsetzung

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um diesem Rahmenbeschluss bis zum 1. Juli 2002 nachzukommen.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen dem Generalsekretariat des Rates und der Kommission den Wortlaut der Bestimmungen mit, mit denen sie die sich aus diesem Rahmenbeschluss ergebenden Verpflichtungen in ihr innerstaatliches Recht umgesetzt haben. Auf der Grundlage dieser und anderer Angaben legt die Kommission dem Rat bis zum 1. Juli 2004 einen Bericht über die Durchführung dieses Rahmenbeschlusses vor. Der Rat stellt fest, inwieweit die Mitgliedstaaten den Bestimmungen dieses Rahmenbeschlusses nachgekommen sind.

Artikel 5

Inkrafttreten

Dieser Rahmenbeschluss tritt am Tag seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften in Kraft. Er tritt außer Kraft, sobald das Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in allen Mitgliedstaaten in Kraft getreten ist.

Geschehen zu ...

Im Namen des Rates

Der Präsident

...

(1) ABl. C 197 vom 12.7.2000, S. 1.