52001AE0525

Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen"

Amtsblatt Nr. C 193 vom 10/07/2001 S. 0042 - 0044


Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen"

(2001/C 193/11)

Der Rat beschloss am 26. Februar 2001, den Wirtschafts- und Sozialausschuss gemäß Artikel 36 und 37 des EG-Vertrags um Stellungnahme zu dem vorgenannten Vorschlag zu ersuchen.

Am 27. Februar 2001 beauftragte das Präsidium des Wirtschafts- und Sozialausschusses die Fachgruppe Landwirtschaft, ländliche Entwicklung, Umweltschutz mit der Vorbereitung der diesbezüglichen Arbeiten.

In Anbetracht der Dringlichkeit der Arbeiten bestellte der Ausschuss auf seiner 381. Plenartagung am 25. und 26. April 2001 (Sitzung vom 25. April) Herrn Sabin zum Hauptberichterstatter und verabschiedete mit großer Mehrheit bei 3 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Die Kommission hat in einem ersten Schritt eine Reihe von Maßnahmen getroffen, um jedes Risiko einer Übertragung des BSE-Prions auf die Verbraucher auszuschalten. Zu diesen Maßnahmen zählt das Verbot der Verfütterung von Tiermehl, wodurch sich der Mangel an pflanzlichem Eiweiß in der Europäischen Union noch gravierender auswirkt. Infolge der Erschütterung des Vertrauens der Verbraucher in Rindfleisch hat die Kommission am 13. Februar 2001 im Rahmen des in der Vereinbarung von Berlin eingeräumten Handlungsspielraums Maßnahmen zur Marktanpassung und zur Förderung des ökologischen Anbaus von Futterleguminosen eingeführt. In der vorliegenden Stellungnahme wird der Vorschlag zur Förderung des Anbaus von Leguminosen analysiert und es werden dazu Empfehlungen ausgesprochen.

2. Der Inhalt des Vorschlags der Europäischen Kommission

2.1. Nach der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 müssen die Erzeuger, die eine Flächenzahlung beanspruchen, einen bestimmten Prozentsatz ihres Ackerlandes stilllegen; die stillgelegten Flächen dürfen auch für bestimmte Nichternährungszwecke genutzt werden.

2.2. Ferner hatte die Kommission eine Verordnung im Hinblick auf die Schaffung besonderer Rahmenbedingungen für die Entwicklung eines ökologischen Landbaus vorgeschlagen; diese Verordnung wurde am 24. Juni 1991 vom Rat angenommen(1).

2.2.1. In Anhang I dieser Verordnung ist insbesondere vorgesehen, dass auf den Anbauflächen während eines Umstellungszeitraums von mindestens zwei Jahren vor der Aussaat die Grundregeln des biologischen Landbaus befolgt werden müssen, bevor die Erzeugnisse als "biologisch" bezeichnet werden dürfen.

2.3. Die Kommission schlägt vor, den Anbau von Futterleguminosen für die Tierernährung nach den Verfahren des ökologischen Landbaus zu fördern, indem die Nutzung von Stilllegungsflächen für diese Zwecke unabhängig davon vorgesehen wird, ob es sich um obligatorisch oder freiwillig stillgelegte Flächen handelt.

2.3.1. Die betreffenden Betriebe müssen ihre gesamte Erzeugung auf die Grundsätze des ökologischen Landbaus umgestellt haben. Die Zulassung würde ab dem Wirtschaftsjahr 2000/2001 gelten und ist haushaltsneutral.

3. Allgemeine Bemerkungen

3.1. Der Wirtschafts- und Sozialausschuss nimmt den Vorschlag der Kommission zum Anbau von Futterleguminosen auf obligatorisch oder freiwillig stillgelegten Flächen zur Kenntnis. Er erinnert daran, dass diese Kulturen sowohl für die Tierernährung als auch aus agrarwissenschaftlicher Sicht von Interesse sind.

3.2. Er stellt jedoch fest, dass kein direkter Zusammenhang zwischen dieser Maßnahme und der Organisation des Rindfleischmarktes besteht. Es geht vielmehr um die viel globalere Frage der Tierernährung und der Proteinversorgung in der Europäischen Union.

4. Der Vorschlag betreffend die Stützungsregelung für Erzeuger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen

4.1. Der Vorschlag der Kommission fügt sich in den Rahmen der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 ein. Der Europäische Rat hatte zur Kenntnis genommen, "dass die Kommission beabsichtigt, noch weiter gehende Untersuchungen zu Angebot und Nachfrage bei öl- und eiweißhaltigen Pflanzen anzustellen, und zwar unter strikter Einhaltung der Finanziellen Vorausschau". Der Ausschuss ist der Ansicht, dass dieser Vorschlag zwar positiv, aber völlig unzureichend ist und das Problem nur teilweise löst.

4.2. Tatsächlich wirft dieser Vorschlag mehrere Fragen auf:

4.2.1. Der Vorschlag gilt ausschließlich für Futterleguminosen. Der Ausschuss unterstreicht, dass Körnerleguminosen und Eiweißpflanzen ebenfalls für die Tierernährung und auch aus agrarwissenschaftlicher Sicht von großem Interesse sind. Diese Pflanzen tragen nämlich zur Erhaltung der Bodenstruktur bei.

4.2.2. Obwohl der Kommissionsvorschlag begrüßenswert ist, stellt sich für den Ausschuss die Frage, ob die Beschränkung dieser Maßnahme allein auf Betriebe, die ökologischen Anbau betreiben, notwendig ist. Tatsächlich sind sämtliche Kulturen von Leguminosen und Eiweißpflanzen, was den Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden anbelangt, nicht anspruchsvoll (kein Stickstoffdünger).

4.3. Da es sinnvoll ist, die Landwirte zur Übernahme guter Praktiken der Bodenbewirtschaftung zu bewegen, könnten nach Ansicht des Ausschusses durch Praktizierung der Fruchtfolge einschließlich des Anbaus von Pflanzen zur Bodenverbesserung (Leguminosen und Eiweißpflanzen) gleich zwei Ziele erreicht werden:

- Ausweitung der Produktion qualitativ hochwertigen Pflanzeneiweißes und

- Förderung guter landwirtschaftlicher Praktiken.

Auf diese Weise würden die von der Kommission erwünschten positiven Umwelteffekte ohne zusätzliche Kosten verstärkt.

4.4. Deshalb fordert der Ausschuss, dass die Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1251/1999 zur Einführung einer Stützungsregelung für Erzeuger bestimmter landwirtschaftlicher Kulturpflanzen nicht allein auf den ökologischen Anbau beschränkt wird, damit alle Landwirte die Möglichkeit zur Anwendung umweltfreundlicher Methoden haben, und regt an, den Vorschlag auf die durch das Blair-House-Abkommen nicht betroffenen Körnerleguminosen und Eiweißpflanzen auszuweiten.

5. Das Problem der Pflanzenproteine

5.1. Das vorübergehende Verbot des Einsatzes von Fleischmehl in der Tierernährung verstärkt die Notwendigkeit einer eingehenden Analyse des Bedarfs der Europäischen Union an Pflanzeneiweiß und des Auffindens nachhaltiger und geeigneter Lösungen. Und dies umso mehr, als die Kommission gegenwärtig über das umfassendere Thema einer größeren Ausgewogenheit der Versorgungsquellen für Pflanzeneiweiß der Europäischen Union nachdenkt. Der Ausschuss möchte zu diesem Thema, an dem sowohl den Landwirten als auch den Verbrauchern liegt, konsultiert werden. Er hat die Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zum Thema "Optionen für die Förderung des Anbaus von Pflanzeneiweiß in der EU"(2) zur Kenntnis genommen und behält sich das Recht vor, sich zu diesem Thema zu äußern.

5.2. Obwohl diese Frage nicht Gegenstand des hier erörterten Kommissionsvorschlags ist, werden in der vorliegenden Stellungnahme einige erste Überlegungen dazu angestellt, die in eine eigene Stellungnahme münden sollten, die sich speziell mit der wichtigen Frage der Versorgung der Europäischen Union mit Pflanzeneiweiß befasst.

5.3. Zur folgenden Tabelle erübrigt sich jeder Kommentar. Die Europäische Union erzeugt ein Drittel ihres Bedarfs, und diese Situation wird sich noch verschärfen. Dieser Abhängigkeitsgrad gibt Anlass zur Besorgnis über die Sicherheit der Viehhaltung in der Europäischen Union und macht eine neue Strategie erforderlich.

Eiweißbilanz der EU (in Mio. Tonnen) im Wirtschaftsjahr 1999/2000

>PLATZ FÜR EINE TABELLE>

Quelle:

Statistische und wirtschaftliche Informationen 1999, Europäische Kommission

5.4. Der Ausschuss nimmt diese Gelegenheit wahr, um die Gründe für die besondere Bedeutung dieser Frage darzulegen:

- Die europäische Produktion deckt weniger als 30 % des EU-Bedarfs.

- Das bestehende Tiermehlverfütterungsverbot verstärkt dieses Defizit.

- Der weltweite Verbrauch an Pflanzeneiweiß nimmt jährlich um 4 bis 5 % zu, und es könnte zu einer Verknappung der Versorgungsmöglichkeiten kommen.

- Die Vereinigten Staaten betreiben eine intensive Anbauförderungspolitik in diesem Bereich, der für sie von strategischer Bedeutung ist.

- In der Agenda 2000 werden die Beihilfen für Ölsaaten auf dem gleichen Niveau angesiedelt wie für andere bedeutende Kulturen, was dem Anbau von Ölsaaten nicht förderlich ist. Auch wenn diese Entscheidung den Vorteil hat, die Europäische Union von den Zwängen des Blair-House-Abkommens zu befreien, hat sie drei Nachteile: sie fördert Monokulturen, befriedigt nicht die quantitativen und qualitativen Sicherheitsbedürfnisse der Gemeinschaft (Unsicherheit über das Vorhandensein von GMO in importierten Rohstoffen) und verschlechtert die Lage der Europäischen Union im Rahmen der WTO. Tatsächlich ist es einfacher, für den eigenen Markt zu produzieren, als für den Export anbauen zu wollen.

- Es wäre vernünftig, den mittel- und osteuropäischen Ländern im Zuge der Erweiterung echte Chancen zur Entwicklung von Kulturen einzuräumen, für deren Produkte es in der Europäischen Union wirklich einen Absatzmarkt gibt.

- Der Anbau von Ölsaaten zu Nichternährungszwecken für die Umwandlung in Kraftstoff (Methylester) würde sowohl die Produktion von Pflanzeneiweiß als auch die Einhaltung der Verpflichtungen der Europäischen Union zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen (Kioto-Protokoll) ermöglichen.

Schließlich wurde in die Vereinbarung von Berlin eine Klausel aufgenommen, die erforderlichenfalls eine Halbzeitüberprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik ermöglicht, um die Agrarpolitik im Bereich des Pflanzeneiweißes zu berichtigen.

5.5. Abschließend lässt sich feststellen, dass alle Voraussetzungen für die Aufstellung eines Plans für die Aufnahme bzw. den Ausbau der Pflanzeneiweißproduktion in der Europäischen Union und den Beitrittsländern gegeben sind. Deshalb muss sich der Ausschuss so bald wie möglich mit dieser Frage befassen, um der Kommission im Hinblick auf die Halbzeitüberprüfung der gemeinsamen Agrarpolitik Vorschläge unterbreiten zu können.

Brüssel, den 25. April 2001.

Der Präsident

des Wirtschafts- und Sozialausschusses

Göke Frerichs

(1) ABl. L 198 vom 22.7.1991, S. 1. Verordnung zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 2020/2000 der Kommission (ABl. L 241 vom 26.9.2000, S. 39).

(2) KOM(2001) 148 endg., S. 2.