52000DC0722

Mitteilung der Kommission - Anwendung der Wohlverhaltensregeln gemäß Artikel 11 der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie (93/22/EWG) /* KOM/2000/0722 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION ANWENDUNG DER WOHLVERHALTENSREGELN GEMÄSS ARTIKEL 11 DER WERTPAPIERDIENSTLEISTUNGS-RICHTLINIE (93/22/EWG)

- ZUSAMMENFASSUNG -

Integrierte und effizient arbeitende EU-Finanzmärkte sind sowohl für das reibungslose Funktionieren der europäischen Wirtschaft im allgemeinen als auch in bezug auf den Wandel hin zu einer wissensorientierten Wirtschaft im besonderen von ganz entscheidender Bedeutung. Die "Erleichterung einer erfolgreichen Teilnahme aller Anleger an einem integrierten Markt" wurde von den Staats- und Regierungschefs auf dem Europäischen Rat von Lissabon als eine der Prioritäten genannt. Mit dieser Mitteilung soll ein Beitrag zu diesem Ziel geleistet werden. Als mögliches Hindernis für eine derartige Teilnahme wurde im Aktionsplan für Finanzdienstleistungen die Unsicherheit bezeichnet, die hinsichtlich der Auslegung der Bestimmungen von Artikel 11 der Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie [1] ("Investment Services Directive"/ ISD) in der Praxis besteht. Diese Mitteilung ist vor dem Hintergrund der allgemeinen Konsultation zur Form der möglichen offiziellen Änderungen der ISD zu sehen. [2]

[1] Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen, ABl. L 141/27 vom 11.6.1993

[2] Mitteilung der Kommission: Aktualisierung der ISD (8.11.2000)

Der Kontext, innerhalb dessen diese Bestimmung angewandt wird, hat sich in den letzten Jahren radikal verändert:

* So sind auf den Wertpapiermärkten neue Anlegerkategorien aufgetreten.

* Die Wertpapierfirmen entwickeln neue Technologien, um dem wachsenden Interesse an einem größeren Spektrum von Anlageprodukten Rechnung zu tragen, das auf eine immer stärkere Nachfrage trifft.

* Die Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs wird Ende 2001 in Kraft treten. Damit wird der Weg für einen "Herkunftslandansatz" geebnet, der für die Bestimmungen (einschließlich der Wohlverhaltensregeln) auf dem Gebiet der elektronischen Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für professionelle Gegenparteien gelten wird.

* Die Einrichtung des "Forum for European Securities Commissions/ (FESCO)" gestattet es den nationalen Wertpapieraufsichtsbehörden, wie niemals zuvor zusammenzuarbeiten, was zu einer allmählichen Anpassung der Aufsichtspraktiken führt. Dies hat sich bereits bei dem informellen Konsens gezeigt, der hinsichtlich der Kategorisierung der Anleger für die Zwecke von Artikel 11 der ISD erzielt wurde.

Diese Mitteilung verschafft einen Überblick über die Art und Weise, wie Artikel 11 in den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde, und vermittelt Anhaltspunkte dahingehend, wie die Wohlverhaltensregeln angewandt werden könnten, um die grenzübergreifende Erbringung von Wertpapierdienstleistungen zu erleichtern.

Zur derzeitigen Umsetzung:

* Die Mitgliedstaaten haben Maßnahmen ergriffen, um den Wohlverhaltensregeln im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 Rechtskraft zu verleihen. Die grundlegenden Rechtsvorschriften wurden durch detaillierte Bestimmungen für die Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln ergänzt. Auch wenn ihre Form und ihr Gehalt von einem Mitgliedstaat zum anderen variieren, stellen die nationalen Wohlverhaltensregeln doch einen gleichwertigen Schutz für die professionellen Anleger in dem Maße sicher, wie sie die sachkundigen Anleger in die Lage versetzen, fundierte Entscheidungen über die Art der angebotenen Dienstleistungen zu treffen.

* Die allgemeine Verpflichtung, die professionellen Anleger von den anderen Anlegern zu unterscheiden, wird in den meisten Durchsetzungsvorschriften berücksichtigt. Die praktische Umsetzung dieser Unterscheidung wird in den Mitgliedstaaten jedoch höchst unterschiedlich gehandhabt, was dazu führt, daß Wertpapierfirmen für vergleichbare Geschäfte in den verschiedenen Mitgliedstaaten unterschiedlich eingestuft werden können. Folglich können Wertpapierfirmen, die grenzübergreifend tätig sind, qualitativ unterschiedlichen Wohlverhaltensregeln unterworfen werden.

* Um zu bestimmen, "wo die Dienstleistung erbracht wird" (im Sinne von Artikel 11 Absatz 2) wenden die Mitgliedstaaten unterschiedliche Methoden an. In der Praxis wird dieser Aspekt jedoch nicht berücksichtigt, d.h. die Mitgliedstaaten wenden ihre nationalen Wohlverhaltensregeln auf in ihrem Hoheitsgebiet erbrachte Wertpapierdienstleistungen an, selbst wenn das Land des Dienstleisters ein vergleichbares Schutzniveau sicherstellt.

Aus den obengenannten Gründen ist die grenzübergreifende Erbringung von Wertpapierdienstleistungen also aufgrund der Rechtsunsicherheit und der sich überschneidenden Rechtsvorschriften unnötigerweise kompliziert und kostspielig. Wenn die Wertpapiermärkte erfolgreich integriert werden sollen - so wie es die Absicht der Staats- und Regierungschefs ist - ist eine größere Konvergenz bei der Anwendung der Wohlverhaltensregeln unabdingbar. So kann insbesondere ein kohärenter und systematischer Ansatz, der die Professionalität des Anlegers berücksichtigt, einen wesentlichen Beitrag zur Verwirklichung eines Binnenmarktes für Wertpapierdienstleistungen leisten, ohne dabei den Anlegerschutz in irgendeiner Weise zu beeinträchtigen. In der Mitteilung wird folgendes angeregt:

* Zu Artikel 11 Absatz 1: Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der Professionalität des Anlegers Rechung zu tragen, sollte nicht als an eine vorherige Harmonisierung des Inhalts der Wohlverhaltensregeln gebunden angesehen werden. Die FESCO hat sich unlängst auf ein System zur Kategorisierung der Anleger geeinigt, das eine Vertragsgrundlage für die Definition und die Überwachung "professioneller Anleger" darstellt.

* Zu Artikel 11 Absatz 2: Im Sinne des Allgemeininteresses müssen die nationalen Aufsichtsbehörden der Sachkenntnis des Anlegers und seinem "Schutzbedürfnis" Rechnung tragen, bevor sie darüber entscheiden, ob die lokalen Wohlverhaltensregeln anzuwenden sind oder nicht. Die Professionalität des Anlegers kann bei der Abklärung der Tatsache behilflich sein, ob die Vorschrift der Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes eine angemessene Antwort auf das "Schutzbedürfnis" des Anlegers ist. Auch muß der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die Wohlverhaltensvorschriften in allen Mitgliedstaaten bereits einen ausreichenden und vergleichbaren Schutz für die professionellen Anleger bieten. Die für professionelle Anleger erbrachten Wertpapierdienstleistungen könnten folglich ausschließlich den im Land des Dienstleisters ("Herkunftsland") geltenden Wohlverhaltensregeln unterworfen sein, ohne dass es einer vorherigen Harmonisierung bedarf. Für die Kleinanleger bestehen nach wie vor Unterschiede im nationalen Schutzniveau: So können die Aufnahmelandbehörden lokale Wohlverhaltensregeln für diese Kategorie von Anlegern vorschlagen, die allerdings im Einklang mit den Grundsätzen des Vertrages und dem abgeleiteten Gemeinschaftsrecht stehen müssen.

In der Mitteilung wird auch auf die Anwendung der Wohlverhaltensregeln auf Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen eingegangen. Die Überwachung der Wohlverhaltensregeln wird umso wirksamer sein, wenn sie von der Aufsichtsbehörde vorgenommen wird, die sich in dem Land befindet, in dem der Teil der Fima, der die Kontakte zum Kunden unterhält, seinen Sitz hat. Die Behörde des Landes, in dem die Zweigniederlassung belegen ist, dürfte also folglich besser in der Lage sein, die Beziehung zwischen dem Kunden und der Zweigniederlassung zu überwachen. Sowohl der Grundsatz des "Allgemeininteresses" als auch die Bestimmungen der ISD gehen in diese Richtung. Diese Schlussfolgerung gilt für Wertpapierdienstleistungen, die die Zweigniederlassung sowohl für professionelle Anleger als auch für Kleinanleger erbringt. Bei einer systematischen Umsetzung könnte der dargelegte Ansatz die grenzübergreifende Erbringung von Wertpapierdienstleistungen für professionelle Anleger erleichtern, ohne die ISD zu ändern. Der Rechtssicherheit und der Klarheit wäre es natürlich zweckdienlich, wenn an dem ISD-Text entsprechende Änderungen vorgenommen würden. Eine weitergehende Konsultation zu einer umfassenden Aktualisierung der ISD wurde mit der Mitteilung zur Aktualisierung der ISD lanciert. Die in dieser Mitteilung vorgenommene Analyse kann als ein erster Schritt zur Entwicklung eines Ansatzes angesehen werden, den die Kommission in die künftigen offiziellen Änderungen der ISD einfließen lassen möchte. Damit sollen das Europäische Parlament, die nationalen Behörden, die Aufsichtsbehörden und die Marktteilnehmer über die mögliche Art der offiziellen Änderungen an Artikel 11 und damit verbundenen Bestimmungen informiert werden. In dieser Mitteilung werden den Mitgliedstaaten weder neue Verpflichtungen auferlegt noch wird einer eventuellen diesbezüglichen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof vorgegriffen.

- MITTEILUNG DER KOMMISSION -

I. EINLEITUNG

Diese Mitteilung wurde als Antwort auf den Aktionsplan für Finanzdienstleistungen erstellt [3], der in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Köln sowie in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Lissabon unterstützt wurde. Auf dem Europäischen Rat von Lissabon wurde "die erfolgreiche Teilnahme aller Anleger an einem integrierten Markt" als prioritäre Aufgabe bezeichnet. Diese Mitteilung leistet nun einen Beitrag zu dieser Zielsetzung, indem der Wettbewerb zwischen grenzübergreifenden Geschäften unter professionellen Anlegern angekurbelt wird.

[3] KOM (99) 232 vom 11.05.99.

Die Wertpapierdienstleistungs-Richtlinie [4] ("Investment Services Directive"/ ISD) stellt die Grundlage des EU-Rechtsrahmens für Finanzmärkte dar. Sie dient mehreren Zielsetzungen. Ein Ziel besteht darin, den Wertpapierdienstleistern den "Europäischen Pass" (einmalige Zulassung) für Wertpapierdienstleistungen zu gewähren. Alle Mitgliedstaaten haben nationale Bestimmungen zur Durchführung der ISD erlassen. Die Erfahrungen, die seit dem Erlass dieser Maßnahmen gemacht wurden, haben aber gezeigt, dass ein hoher Grad an Unsicherheit bezüglich der Anwendung von Artikel 11 besteht, der eine Reihe von Grundsätzen festschreibt, die die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Wohlverhaltensregeln einzuhalten haben.

[4] Richtlinie 93/22/EWG - ABl. L 141vom 11. Juni 1993, Seite 27.

Der Kontext, innerhalb dessen diese Regeln angewandt werden müssen, hat sich in den letzten Jahren ebenfalls erheblich verändert, was auf die neuen technologischen Entwicklungen und das verstärkte Auftreten neuer Anlegerkategorien bei den Wertpapieranlagen zurückzuführen ist. Dieser Anstieg der Zahl der Investoren, die direkt an Wertpapieranlagen teilhaben möchten, stellt die derzeitigen Aufsichtstraditionen und -ressourcen vor neue Herausforderungen.

Überdies ist der Rechtsrahmen für die grenzübergreifende Erbringung elektronischer Dienstleistungen abzuklären. So sieht die Richtlinie über bestimmte rechtliche Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs [5] vor, dass das auf die Wertpapierdienstleistungen zwischen professionellen Anlegern, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, anwendbare Recht das des Herkunftslandes ist. Diese Richtlinie wird unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten am 17. Januar 2002 Rechtswirkung haben.

[5] Angenommen am 6. Juni 2000.

In dieser Mitteilung wird der Standpunkt der Kommission dargelegt, wie die Anwendung von Artikel 11 der ISD mit dem Ziel des freien Dienstleistungsverkehrs besser in Einklang gebracht werden könnte. Es wird vorgeschlagen, wie die Wohlverhaltensregeln auf die vorherschenden Marktverhältnisse und die anstehenden Veränderungen im rechtlichen Umfeld zugeschnitten werden können. In der Mitteilung werden den Mitgliedstaaten jedoch weder neue Verpflichtungen auferlegt noch wird einer eventuellen diesbezüglichen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof vorgegriffen. Allerdings soll ein möglicher Weg zur Überwindung eines der Haupthemmnisse für die Funktionsweise der ISD aufgezeigt werden. Mit weiteren Anpassungen der ISD und der EU-Politik in diesem Bereich soll diesem Ansatz volle Rechtskraft verliehen werden. Somit verweist diese Mitteilung bereits jetzt auf einen möglicherweise wichtigen Beitrag zu Wachstum, Beschäftigung und Leistungsfähigkeit der europäischen Wertpapiermärkte.

II. EINLEITUNG ZU ARTIKEL 11 DER ISD UND ZU DEN WOHLVERHALTENSREGELN

Der ISD zufolge sollen Wertpapierfirmen aus einem Mitgliedstaat das gleiche Spektrum an Dienstleistungen auch in allen anderen Mitgliedstaaten erbringen können, sofern sie zuvor die Zulassung durch ihre Herkunftslandaufsichtsbehörde erhalten haben. [6] Dieses Recht kann entweder mittels der Gründung von Zweigniederlassungen oder mittels der grenzübergreifenden Erbringung von Dienstleistungen wahrgenommen werden. Um den "Europäischen Pass" (einmalige Zulassung) für Wertpapierfirmen zu untermauern, enthalten die ISD und verbundene Rechtsvorschriften gemeinsame Bestimmungen für die Tätigkeitsbedingungen von Wertpapierfirmen. [7] Artikel 11, der sich auf die Wohlverhaltensregeln bezieht, ist diesbezüglich eine der wichtigsten Bestimmungen.

[6] "Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, daß die Tätigkeiten, die unter die gegenseitige Anerkennung fallen, ohne Behinderung auf die gleiche Weise wie im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt werden können, soweit sie nicht im Gegensatz zu den im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutze des Allgemeininteresses stehen."(s. Erwägungsgrund 33 der ISD).

[7] Die zuständigen Behörden des Herkunftsmitgliedstaats sind für die laufende Überwachung der Einhaltung der Bedingungen für die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Wertpapierfirmen zuständig (s. Artikel 8 und 10).

Artikel 11 Absatz 1: Wohlverhaltensregeln

Artikel 11 Absatz 1 schreibt den Mitgliedstaaten den Erlass von Wohlverhaltensregeln vor, die die Wertpapierfirmen ständig einzuhalten haben. Insbesondere:

- klären diese Wohlverhaltensregeln das Verhältnis zwischen dem Wertpapierdienstleister und dem einzelnen Kunden, so dass ein faires Geschäft abgeschlossen wird und die Anleger nicht zu Anlagen angehalten werden, die für ihre Bedürfnisse ungeeignet sind;

- stellen diese Wohlverhaltensregeln sicher, dass die Wertpapierfirma so geleitet wird und sich so verhält, dass die Integrität der Märkte nicht gefährdet wird.

Artikel 11 Absatz 1 legt weder detailliert den Inhalt noch die Struktur der Wohlverhaltensregeln in den Mitgliedstaaten fest. Vielmehr werden eine Reihe allgemeiner Grundsätze genannt, die in die Wohlverhaltensregeln einfließen müssen [s. Kasten 1].

Kasten 1: Überblick über die Wohlverhaltensregeln

Mit den Wohlverhaltensregeln soll das Vertrauen der Anleger und die Integrität der Märkte gewahrt werden, indem Normen für die Erbringung von Dienstleistungen seitens der Wertpapierdienstleister festgelegt werden. Diesen Schutzmaßnahmen liegt die Überlegung zugrunde, dass die Gefahr besteht, dass bestimmte Anleger benachteiligt sein könnten, indem sie keinen Zugang zu Finanzinformationen haben bzw. diese nicht richtig bewerten können.

Insbesondere sind die Dienstleister gehalten,

* bei der Ausübung ihrer Tätigkeit recht und bilig, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden und der Integrität der Märkte zu handeln. Dies bedeutet, dass vom Kunden Angaben über seine finanzielle Lage, seine Erfahrungen mit Wertpapiergeschäften und die mit den Dienstleistungen verfolgten Ziele einzuholen sind (z.B. die "Kenne-Deinen-Kunden"-Regel);

* bei den Verhandlungen mit ihren Kunden alle zweckdienlichen Informationen in geeigneter Form mitzuteilen (z.B. Warnungen vor zu hohen Risiken);

* sich um die Vermeidung von Interessenkonflikten zu bemühen, und wenn sich diese nicht vermeiden lassen, dafür zu sorgen, dass ihre Kunden nach Recht und Billigkeit behandelt werden.

Artikel 11 schreibt den Wertpapierdienstleistern zudem vor, "allen [...] geltenden Vorschriften im [...] Interesse [...] der Integrität des Marktes nachzukommen." Diese Kategorie von Wohlverhaltensregeln deckt Maßnahmen ab, die der Bekämpfung der Marktmanipulation und anderer unfairer Handelspraktiken dienen. Sie fallen nicht in den Anwendungsbereich der Wohlverhaltensregeln, die das Verhältnis zwischen dem Dienstleister und dem Kunden bestimmen und im Mittelpunkt dieser Mitteilung stehen.

Artikel 11 Absatz 1: Der professionelle Anleger

Artikel 11 Absatz 1 schreibt den nationalen Behörden vor, dass bei der Umsetzung der Wohlverhaltensregeln "der Professionalität der Person Rechnung getragen wird, für die die Dienstleistung erbracht wird". In Erwägungsgrund 32 der Präambel der ISD wird klargestellt, dass die im Hinblick auf den Anlegerschutz ergriffenen Maßnahmen "den unterschiedlichen Schutzbedürfnissen der einzelnen Gruppen von Anlegern und ihrer unterschiedlichen fachlichen Erfahrung" Rechnung tragen sollten. [8] Zusammengefaßt beinhalten diese Bestimmungen, dass die Wohlverhaltensregeln die Tatsache berücksichtigen sollten, dass bestimmte Anlegerkategorien aufgrund ihrer erworbenen beruflichen Erfahrungen oder ihrer Ressourcen einen weniger umfangreichen aufsichtlichen Schutz benötigen. Diese Anleger sind nämlich in der Lage, die wirtschaftlichen und rechtlichen Aspekte der angebotenen Anlage selbst bewerten zu können.

[8] Die Erwägungsgründe zu einer Richtlinie dienen als Interpretationshilfe in dem Sinne, als sie die Absichten des Gemeinschaftsgesetzgebers klarstellen. S. EuGH-Rechtssache 76/72 Michel [1973] ECR 457 und Rechtssache C-238/94 Garcia [1996] ECR I-1673.

Artikel 11 Absatz 2: Durchführung der Wohlverhaltensregeln

Da eine vollständige Harmonisierung der Wohlverhaltensregeln nicht gegeben ist, räumt Artikel 11 Absatz 2 ein, dass die Durchführung und die Überwachung der Wohlverhaltensregeln "in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats [fällt], in dem die Dienstleistung erbracht wird."

Artikel 11 Absatz 3: Wesensart des endgültigen Anlegers

Artikel 11 Absatz 3 sieht vor, daß Wertpapierfirmen, die Order einer anderen Wertpapierfirma im Namen von Dritten ausführen, gehalten sind, die Wesensart des endgültigen Anlegers im Hinblick auf die Anwendung angemessener Wohlverhaltensregeln zu bewerten.

Mit der ISD im Zusammenhang stehende Bestimmungen

Die ISD enthält auch andere Bestimmungen, die Tätigkeiten betreffen, die mit den Wohlverhaltensregeln in engem Zusammenhang stehen bzw. sich mit diesen teilweise überschneiden.

* Artikel 10 legt die Aufsichtsregeln dar, die die Herkunftslandbehörde gegenüber ihren zugelassenen Wertpapierfirmen durchzusetzen hat. In diesen Regeln werden organisatorische Maßnahmen aufgelistet, die die zugelassenen Firmen zum Schutze der Anlegerinteressen durchzuführen haben. Diese Anforderungen betreffen Verwaltungs- und Buchhaltungsverfahren; die Wahrung der Eigentumsrechte von Anlegern; die Verhinderung der Verwendung von Anlegermitteln für eigene Rechnung der Wertpapierfirma sowie Aufzeichnungsvorschriften. Diese Schutzmaßnahmen dienen den gleichen Zielen wie Artikel 11. Folglich treten bei der Anwendung von Artikel 10 und Artikel 11 Überschneidungen auf, so wie diese Artikel andererseits auch komplementär sind. Diese Interaktion wird noch komplizierter, wenn man berücksichtigt, dass Artikel 10 der Herkunftslandaufsichtsbehörde [9] die Zuständigkeit zuweist, Artikel 11 diesbezüglich aber unklarer ist.

[9] Mit Ausnahme des Vorbehalts von Artikel 10 fünfter Spiegelstrich, der das Recht der Aufnahmelandbehörde betrifft, den in ihrem Hoheitsgebiet errichteten Zweigniederlassungen organisatorische Modalitäten für die Begrenzung von Interessenkonflikten vorzuschreiben.

* Artikel 13 gestattet es den Wertpapierfirmen, für ihre Dienstleistungen über alle verfügbaren Kommunikationskanäle in anderen Mitgliedstaaten zu werben, "sofern Form und Inhalt dieser Werbung den einschlägigen Vorschriften entsprechen, die im Interesse der Allgemeinheit festgelegt worden sind." Trotz dieser Sonderbestimmung für die Werbung für Wertpapierdienstleistungen haben viele Mitgliedstaaten Vorschriften für die Werbung in ihren Wohlverhaltensregeln verankert. Auch in diesem Fall kann es vorkommen, dass die gleiche Tätigkeit ebenfalls unter sich überschneidende Bestimmungen der ISD fällt, die wiederum

unterschiedliche Ansätze vorsehen. [10]

[10] Ein Teil dieser Rechtsunsicherheit könnte durch die Richtlinie über den Fernabsatz von Finanzdienstleistungen gelöst werden, die derzeit im Rat und im Parlament diskutiert wird. Dieser Vorschlag könnte zu einer Harmonisierung der nationalen Bestimmungen auf dem Gebiet des Vertriebs und der Werbung für Wertpapierdienstleistungen führen; u.U. könnten davon auch andere Bestimmungen über Vorabinformationen und Marketingtechniken betroffen sein.

III. aNWENDUNG VON ARTIKEL 11 DURCH DIE MITGLIEDSTAATEN [11]

[11] Diese Analyse gründet sich auf die Antworten auf eine umfassende Erhebung über nationale Praktiken bei der Durchführung der Wohlverhaltensregeln, die von der FESCO koordiniert und durch die Kommissionsanalyse der nationalen Durchführungsbestimmungen ergänzt wurde.

* Erfordernis des Erlasses von Wohlverhaltensregeln (Artikel 11 Absatz 1)

Die Mitgliedstaaten haben zur Durchführung der allgemeinen Grundsätze von Artikel 11 detaillierte nationale Bestimmungen erlassen. So haben sie Wohlverhaltensregeln zum Schutze von Verbrauchern und Anlegern eingeführt, die folgende Bereiche abdecken:

- Werbung, Marketing und Akquisition (oftmals ergänzt durch allgemeine Verbraucherschutzbestimmungen);

- Kundeninformationen (wie z.B. regelmäßige Offenlegungen und Risikowarnungen);

- Informationen seitens des Kunden, um ihm auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produkte anzubieten;

- Provisionen, Kosten und Gebühren;

- Loyalitätsverpflichtungen, wie die "bestmögliche Ausführung" des Auftrags.

Darüber hinaus schreiben die meisten Mitgliedstaaten vergleichbare Schutzmaßnahmen zur Trennung der Tätigkeiten zwecks Vermeidung von Interessenkonflikten vor, sowie interne Kontrollen, mit denen die angemessene Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit gewährleistet werden soll. Schließlich fordern beinahe alle Mitgliedstaaten die Verwendung schriftlicher vom Kunden unterzeichneter Verträge sowie von Standardunterlagen. Dennoch bestehen einige Unterschiede bei der praktischen und detaillierten Umsetzung der Ansätze für den Anlegerschutz. [12]

[12] Während allgemein anerkannt ist, dass die Verpflichtung zur "bestmöglichen Ausführung" des Auftrags auf dem Erfordernis beruht, für den Kunden den - vernünftigerweise erreichbaren - bestmöglichen Preis zu erzielen, unterscheiden sich die Mitgliedstaaten doch in ihren Verfahren, die sie zur Bewerkstelligung dieses Ziels zugrunde legen. So legen die Mitgliedstaaten beispielsweise unterschiedlichen Wert auf die Verhinderung von Interessenkonflikten, das Verbot von Tätigkeiten wie Provisionsschneiderei, die Begrenzung der Aufträge und ihrer Gültigkeitsdauer, Zuteilungen und die Offenlegung von Informationen. Auch bestehen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bezüglich des Ausmasses, in dem auf die Ausführung von Kundenaufträgen beschränkte Geschäfte ("execution only" business) unter das volle "Paket" von Wohlverhaltensregeln fallen. Einige Mitgliedstaaten gestatten nämlich weniger strenge Vorschriften für diese Art von Geschäften.

* Erfordernis, der Professionalität der Person Rechnung zu tragen (Artikel 11 Absatz 1)

Bislang haben die nationalen Behörden sehr unterschiedliche Ansätze für die Unterscheidung zwischen professionellen und anderen Anlegern verwendet. So ist die genaue Abgrenzung zwischen diesen beiden Kategorien sehr verschieden. Das gleiche gilt auch für die Verfahren zur Aufteilung der Anleger zwischen diesen beiden Kategorien und den Inhalt des den verschiedenen Typen von Anlegern angebotenen Schutzes.

Nur wenige Mitgliedstaaten haben ausdrücklich in ihren Rechts- oder Verwaltungsvorschriften zwischen dem mittels den Wohlverhaltensregeln gewährleisteten Schutz unterschieden, der den professionellen Anlegern einerseits und den Kleinanlegern andererseits angeboten werden sollte. Die nationalen Bestimmungen dieser Mitgliedstaaten weisen in der Regel (wenn auch nicht immer systematisch) darauf hin, welche Wohlverhaltensregeln im Falle von für professionelle Anleger erbrachte Dienstleistungen gelockert werden können bzw. nicht angewandt werden müssen. Selbst in diesen Mitgliedstaaten ist nicht völlig klar, ob z.B. eine Nichtfinanzgesellschaft oder ein sachverständiger Anleger des Nichtfinanzsektors als professionelle Anleger oder Kleinanleger zu behandeln sind. Die meisten anderen Mitgliedstaaten gründen sich im wesentlichen auf allgemeine Erklärungen in einem Rechtstext oder einem Verwaltungsrundschreiben, wenn es darum geht, dem Erfordernis der Berücksichtigung der Professionalität des Anlegers Rechnung zu tragen.

Die Mitgliedstaaten unterscheiden sich hinsichtlich des Umfangs, in dem sie den Anlegern die Zugrundelegung weniger strenger Wohlverhaltensregeln gestatten; mehrere Mitgliedstaaten haben ihre Wohlverhaltensregeln auf die Art der erbrachten Dienstleistung bzw. des genutzten Finanzinstruments zugeschnitten. [13] Dieser funktionelle bzw. produktmäßige Ansatz hat sich in ähnlicher Weise auf die Differenzierung nach Kundentyp ausgewirkt, insofern als die Wesensart des Schutzes nämlich modifiziert wurde, um der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der Handel mit einigen spezifischen Instrumenten sachverständigen Anlegern vorbehalten ist, die oftmals aufsichtliche Anforderungen einhalten müssen.

[13] So besteht in einigen Mitgliedstaaten ein "maßgeschneiderter" Schutz für folgende Produkte: Unternehmensfinanzierung, Derivate, Staatsanleihen und Optionsscheine.

Der Grundsatz, dass in den Wohlverhaltensregeln nach professionellen Anlegern und Kleinanlegern unterschieden werden sollte, ist also bereits weitgehend in die nationalen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraktiken eingeflossen. Die Mitgliedstaaten haben diese Differenzierung jedoch unterschiedlich gehandhabt, so dass ein und derselbe Anleger, der ein gleiches Geschäft tätigt, je nach den geltenden Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats unterschiedlich eingestuft werden könnte.

* Zuständigkeit für die Durchführung und Überwachung (Artikel 11 Absatz 2)

Die Mitgliedstaaten wenden eine Reihe unterschiedlicher Kriterien an, um den Ort zu bestimmen, an dem die Dienstleistung erbracht wird und folglich festzulegen, welche nationalen Wohlverhaltensregeln Anwendung finden. Diese Kriterien reichen vom "Wohnsitzland des Anlegers" bis hin zur Prüfung, wo die "typische Leistung" erbracht wird (dabei wird bewertet, wo der Intermediär die zur Ausführung der Dienstleistung erforderlichen Ressourcen verwendet). Andere Mitgliedstaaten wenden einen Ansatz auf Fallbasis an. [14]

[14] Diese höchst unterschiedlichen Ansätze könnten zu Situationen führen, in denen ein bestimmtes Geschäft entweder zwei "Paketen" von Wohlverhaltensregeln unterworfen ist (Beispiel: Das Herkunftsland macht einen "typische Leistung"-Test, während das Aufnahmeland den Wohnsitz des Kunden überprüft) oder überhaupt keinen Wohlverhaltensregeln (Beispiel: Das Aufnahmeland des Anlegers macht einen "typische Leistung"-Test, während das Herkunftsland des Dienstleisters den Wohnsitz des Intermediärs überprüft).

In der Praxis unterwerfen die meisten Mitgliedstaaten ausländische grenzübergreifende Wertpapierdienstleistungen den inländischen Wohlverhaltensregeln, ohne dabei die Art der Wertpapierdienstleistung oder den jeweiligen Kundentyp zu berücksichtigen. Die Anwendung der Aufnahmelandregeln erfolgt dann, wenn die Dienstleistung auf vorübergehender oder auf ständiger Basis erbracht wird. Lediglich zwei Mitgliedstaaten begrenzen die Anwendung der Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes auf Fälle, in denen die Dienstleistung auf regelmäßiger Basis erbracht wird.

De facto werden auf grenzübergreifender Basis erbrachte Wertpapierdienstleistungen in der Regel automatisch den Wohlverhaltensregeln des Lands des Anlegers (Aufnahmemitgliedstaat) unterworfen. Die Anwendung der Aufnahmelandregeln erfolgt zusätzlich zur umfassenden und routinemäßigen Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln des Lands des Dienstleisters. In der Tat ist die Herkunftslandaufsichtsbehörde eng in die Überwachung aller Dienstleistungen einbezogen, die von in ihrem Hoheitsgebiet niedergelassenen Wertpapierfirmen erbracht werden, ohne dabei zwischen den Dienstleistungen zu unterscheiden, die auf inländischer oder auf grenzübergreifender Basis erbracht werden. Dies gilt insbesondere für die Anforderungen, die für die Nachvollziehung angefochtener Geschäfte ("audit trails"/"Prüfungspfade") und für die Aufzeichnung von Geschäften gelten.

Die derzeitige Situation ist folglich durch die allgemeine Anwendung zweier "Pakete" von Wohlverhaltensregeln auf alle grenzübergreifenden Geschäfte geprägt, ob sie nun professioneller Natur sind oder nicht.

* Anwendung der "Transparenz"-Anforderung von Artikel 11 Absatz 3

Zwei Mitgliedstaaten haben Artikel 11 Absatz 3 streng ausgelegt und vorgeschrieben, dass alle an einem multiplen Geschäft beteiligten Intermediäre gehalten sind, der Natur des letztendlichen Anlegers Rechnung zu tragen. Sieben Mitgliedstaaten beschränken die "Kenne-Deinen-Kunden"-Regel auf die Wertpapierfirma, die eine direkte Beziehung zum Kunden unterhält, es sei denn, diese Firma legt ihrer Gegenpartei die Identität des Anlegers offen. Andere Mitgliedstaaten wiederum haben diesbezüglich noch keine spezifischen Vorschriften erlassen.

Unklar ist, wie die Transparenzanforderung gehandhabt wird, wenn die Wohlverhaltensregeln mehr als eines Landes involviert sind. Drei Mitgliedstaaten fordern systematische Informationen über die Natur des letztendlichen Anlegers von seiten aller beteiligten Intermediäre, d.h. unabhängig vom Wohnsitzland des Kunden. Im Falle eines anderen Mitgliedstaats wird die "Kenne-Deinen-Kunden"-Regel gelockert, um es der Wertpapierfirma zu gestatten, sich auf die von einem anderen Intermediär bzw. von einer anderen Quelle gelieferten Informationen über den Kunden zu verlassen.

* Durchführung von Artikel 11 - Schlussfolgerungen

Aus der Kommissionsanalyse der derzeitigen nationalen Praktiken für die Durchführung der Wohlverhaltensregeln geht hervor, dass

* es Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten im durch die Wohlverhaltensregeln für die Kleinanleger gewährleisteten Schutz gibt. Diese Divergenzen scheinen in den folgenden Bereichen am stärksten ausgeprägt zu sein: bestmögliche Ausführung von Kundengeschäften ("best execution"); Interessenkonflikte und Anforderungen in den Wohlverhaltensregeln für auf die Ausführung von Kundenaufträgen beschränkte Geschäfte ("execution only"); Typologie der Vertragsbedingungen und Dokumentation. Hinsichtlich der professionellen Anleger bieten die nationalen Vorschriften letztendlich einen vergleichbaren Schutz.

* Dem allgemeinen Erfordernis, die professionellen Anleger von den anderen Anlegern zu unterscheiden, wurde in den meisten Durchführungs bestimmungen Rechnung getragen. Diese Unterscheidung wird in der Praxis jedoch sehr nuanciert gehandhabt.

* Die Abfassung von Artikel 11 Absatz 2 führt dazu, dass die Mitgliedstaaten unterschiedliche Tests zwecks Festlegung des Kriteriums "... des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht wird" anwenden. In der Praxis wird auf diese Tests jedoch zugunsten der Faustregel verzichtet, dass ausländische Wertpapierdienstleistungen grundsätzlich den inländischen Wohlverhaltensregeln zu unterwerfen sind. Diese Regeln werden auch dann angewandt, wenn das Land des Dienstleisters selbst umfangreiche, vergleichbare und gleichwertige Wohlverhaltensregeln zu Grunde legt.

IV. VORTEILE DER UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN PROFESSIONELLEN ANLEGERN UND KLEINANLEGERN FÜR DEN WERTPAPIERBINNNENMARKT

Eine wirksame Differenzierung zwischen professionellen Anlegern und anderen Anlegerkategorien könnte sich wie folgt vorteilhaft auswirken:

- Integrierte und liquide Wertpapiermärkte und Dienstleistungs erbringung auf Wettbewerbsbasis. Das vorrangige Ziel der EU-Rechtsvorschriften im Wertpapierbereich besteht darin, die Wertpapierfirmen in die Lage zu versetzen, Dienstleistungen in der gesamten EU zu erbringen, ohne durch unnötige Barrieren daran gehindert zu werden. Folglich können die Anleger auch nach profitableren Anlagemöglichkeiten suchen und diese nutzen. Die eventuell gegebene Doppelanwendung der Wohlverhaltensregeln auf grenzübergreifende Geschäfte führt zu Marktzugangshindernissen, die die Kontrahenten vom Abschluss günstiger grenzübergreifender Geschäfte abhalten und folglich den Markt fragmentieren, was wiederum der Liquidität abträglich ist.

- Die Anwendung der Wohlverhaltensregeln, die für den Kleinanleger bestimmt waren, auf die professionellen Anleger erhöht die Kosten und kann u.U. die Verwendung innovativer Produkte durch diese Anleger begrenzen. Auch die Rechtsunsicherheit bezüglich der Klassifizierung der Anleger verursacht erhebliche Kosten. Die derzeitige Situation begünstigt diese Rechtsunsicherheit und das Risiko von Rechtsstreitigkeiten noch, indem Wertpapierfirmen, die verstärkt auf den "Europäischen Pass" zurückgreifen, gehalten sind, 15 unterschiedliche "Pakete" von Wohlverhaltensregeln einzuhalten. Indirekt werden dadurch die stärksten Wertpapierfirmen begünstigt, die über die meisten Ressourcen zur Handhabung dieser komplizierten Lage verfügen.

Effizientere Nutzung der Aufsichtsressourcen. Die Aufsichtsressourcen sind "Mangelware". Um sie am besten zu nutzen, sollten sie auf jene Marktsegmente ausgerichtet werden, die am meisten von ihnen profitieren können, d.h. auf die normalen privaten Anleger bzw. die Kleinanleger. Die professionellen Anleger hingegen müssen weniger geschützt werden, da sie mit dem Markt ausreichend vertraut sind und so ihre eigenen Interessen und Anlageratschläge wahrnehmen können.

V. BERÜCKSICHTIGUNG DER UNTERSCHEIDUNG ZWISCHEN PROFESSIONELLEN ANLEGERN UND KLEINANLEGERN

Artikel 11 Absatz 1 enthält eine klare und unbedingt einzuhaltende Vorschrift für die nationalen Behörden, zwecks Erlass der Wohlverhaltensregeln zwischen professionellen Anlegern und anderen Anlegern zu unterscheiden. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der "Professionalität" des Anlegers Rechnung zu tragen, ist nicht an die vorherige Harmonisierung des Inhalts der Wohlverhaltensregeln gebunden. Die nationalen Behörden könnten nun die erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um die auf die professionellen Anleger anwendbaren Wohlverhaltensregeln klar abzugrenzen.

Die in allen Mitgliedstaaten gültigen nationalen Wohlverhaltensregeln gewährleisten bereits einen umfassenden Schutz, der ausreicht, um die professionellen Anleger in die Lage zu versetzen, fundierte Anlageentscheidungen zu treffen. Hinsichtlich der Kleinanleger [15] bedarf es aber weiterer Arbeiten, um die Anwendung der Grundsätze von Artikel 11 Absatz 1 noch zu verfeinern und abzuklären. Die Tatsache, dass an der Absteckung eines Rahmens für einen angemessenen Schutz für die Kleinanleger noch gearbeitet wird, sollte kein Hindernis für die unmittelbare Umsetzung der Unterscheidung zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern sein, die die vorhandenen nationalen Systeme als Ausgangsbasis für die Behandlung der professionellen Anleger benutzen.

[15] Die in der FESCO zusammenarbeitenden nationalen Aufsichtsbehörden haben eine Arbeitsgruppe zur Festlegung von Normen für die Harmonisierung der Wohlverhaltensregeln eingerichtet. Mit diesen bedeutenden Arbeiten soll eine Einigung auf eine Reihe von Normen erzielt werden, wie z.B. Anforderungen für den Handel, von den Kunden einzuholende Informationen, an die Kunden zu übermittelnde Informationen, Verwendung von mit den Kunden abgeschlossenen Verträgen und Dokumentation.

Die ISD liefert keine klare Definition des Begriffs "Professionalität". Dies hat zur verstärkten Ausarbeitung nationaler Ansätze auf dem Gebiet der Kategorisierung von Anlegern geführt. Vor kurzem haben sich die in der FESCO ("Forum of European Securities Commissions") zusammengeschlossenen nationalen Wertpapieraufsichts behörden jedoch auf eine gemeinsame Definition für die Kategorisierung professioneller Anleger geeinigt. [16] So haben sie sich verpflichtet, "bestmögliche Anstrengungen" zu unternehmen, um sicherzustellen, dass diese Kategorisierung für alle in ihre Zuständigkeit fallenden Wertpapierdienstleistungen gelten wird (ob nun auf inländischer Basis oder grenzübergreifend erbracht).

[16] "Categorisation of investors for the purpose of conduct of business rules" ("Kategorisierung der Anleger zwecks Anwendung der Wohlverhaltensregeln") März 2000.

Die Kommission vertritt die Auffassung, dass die nationalen Behörden zweckmäßigerweise frühzeitige und wirksame Maßnahmen ergreifen könnten, um die von ihren Aufsichtsbehörden in der FESCO erzielten Vereinbarungen in die Praxis umzusetzen.

Kasten 2: Überblick über die FESCO-Kategorisierung

Kategorie 1. Anleger, die ohne weitere Formalitäten oder Kontrollen als professionell angesehen werden. Diese umfassende Liste deckt Institute ab, die für ihr Tätigwerden auf den Finanzmärkten eine Zulassung benötigen bzw. der Aufsicht unterworfen sein müssen. Dazu gehören:

Kreditinstitute (gemäß der Definition in der Zweiten Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie);

- Wertpapierfirmen;

- andere zugelassene oder beaufsichtigte Finanzinstitute (gemäß der Definition von Artikel 1 Absatz 6 der Zweiten Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie);

- Versicherungsgesellschaften;

- Organismen für gemeinsame Anlagen und ihre Verwaltungsgesellschaften;

- Pensionfonds und ihre Verwaltungsgesellschaften.

Souveräne Staaten sowie internationale und supranationale Organisationen

Überlegungen zum Verfahren: Jeder in diese Kategorie fallende Anleger kann beantragen, als nichtprofessioneller Anleger behandelt zu werden (Möglichkeit, einen umfassenderen Schutz in Anspruch zu nehmen)

Kategorie 2: Anleger, die auf Antrag als professionelle Anleger behandelt werden können

Großanleger und institutionelle Anleger:

- andere Finanzinstitute (die nicht durch Artikel 1 Absatz 6 der Zweiten Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie abgedeckt sind);

- Großunternehmen und Personengesellschaften (bestimmte Schwellenwerte);

- institutionelle Anleger, die nicht zu jenen zählen, die professionelle Anleger sind und deren Unternehmenszweck die Anlage in Finanzinstrumenten ist.

- Warenhändler;

- Einrichtungen des öffentlichen Sektors;

- Emittenten börsennotierter Instrumente.

Überlegungen zum Verfahren: Der Anleger muss schriftlich über den bewilligten Schutz unterrichtet werden, und er muss wiederum schriftlich bestätigen, dass er über die Folgen des Schutzverlustes informiert ist.

Kategorie 3: Andere Anleger, die auf Antrag als professionelle Anleger behandelt werden können

Diesen Anlegern kann es gestattet werden, dass bestimmte Teile der Wohlverhaltensregeln nicht auf sie angewandt werden. Voraussetzung ist allerdings der Nachweis detaillierten Fachwissens, Erfahrungen mit den Kunden usw. (Die FESCO hat vorgeschlagen, die Kriterien der Zuverlässigkeit und der fachlichen Eignung für das Finanzmanagement zu Grunde zu legen.) Dieses System ist dazu bestimmt, es sachverständigen oder versierten individuellen Anlegern zu gestatten, als professionelle Anleger behandelt zu werden. Allerdings müssen zwei der nachfolgenden Kriterien erfuellt sein:

- 10 Geschäfte bedeutenden Umfangs pro Quartal über vier Quartale (ein Jahr);

- Umfang des Portfolios > 0,5 Mio Euro;

- 1 Jahr Berufserfahrung im Sektor.

Überlegungen zum Verfahren: Der Anleger muss

1. schriftlich bestätigen, dass er als professioneller Anleger behandelt werden möchte;

2. von seiten der Wertpapierfirma darüber informiert werden, welchen Schutz und welche Rechte er verliert;

3. in einem gesonderten Schreiben nochmals schriftlich bestätigen, dass er sich der Folgen des Verlustes eines derartigen Schutzes bewusst ist.

Diese Definitionen sind in der Zukunft eventuell zu überprüfen. Die Erfahrungen mit der vereinbarten Einteilung werden Mittel und Wege aufzeigen, wie diese Kategorisierung noch verbessert werden kann, um neue EDV-gestützte Leistungssysteme für die Wertpapierdienstleistungen zu integrieren. Das gleiche gilt auch für die weitere Spezialisierung der Kunden, die ständig neue Erfahrungen mit dem Handel auf den Wertpapiermärkten sammeln. Bei einer künftigen Überprüfung könnte eine Ausweitung der Kategorie 1-Anleger im Sinne der FESCO-Definition ins Auge gefaßt werden, um andere Finanzinstitute und Großunternehmen miteinzubeziehen, die Finanzabteilungen besitzen. Eine weitere Anpassung in der Zukunft könnte darin bestehen, die Mechanismen, denen zufolge man sich für einen stärkeren oder schwächeren Schutz entscheiden kann ("opt-up/ opt-down"), zu vereinfachen.

VI. ArtiKEL 11 ABSATZ 2: MÖGLICHER ANSATZ zwecks klärung des anwendbaren systems

Artikel 11 Absatz 2 sieht folgendes vor: "Unbeschadet der im Rahmen der Harmonisierung der Wohlverhaltensregeln zu fassenden Beschlüsse fallen die Durchführung und die Überwachung der Einhaltung dieser Vorschriften weiterhin in die Zuständigkeit des Mitgliedstaats, in dem die Dienstleistung erbracht wird." Da der letzte Nebensatz ("in dem die Dienstleistung erbracht wird") nicht eindeutig geklärt ist, haben die zuständigen nationalen Behörden versucht, ihre lokalen Wohlverhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungen durchzusetzen, die für in ihrem Hoheitsgebiet ansässige Anleger erbracht werden. Die Wertpapierdienstleister sind deshalb gehalten, sowohl den Wohlverhaltensregeln im Herkunftsland als auch im Aufnahmeland nachzukommen.

Diese Situation läßt sich anhand der zu Grunde liegenden Vertragsprinzipien auf dem Gebiet des freien Dienstleistungsverkehrs (d.h. dem eigentlichen Ziel der ISD),

bestimmten Vorschriften der ISD, die den Rückgriff auf das Allgemeininteresse gestatten, und anhand des einschlägigen Fallrechts des Europäischen Gerichtshofs bewerten. [17]

[17] "... ist, wenn eine Bestimmung des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts mehr als eine Auslegung gestattet, die Auslegung, bei der die Bestimmung mit dem Vertrag vereinbar ist, derjenigen vorzuziehen, die zur Feststellung ihrer Unvereinbarkeit mit dem Vertrag führt. Die Richtlinie darf daher nicht isoliert ausgelegt werden, sondern es muß geprüft werden, ob die streitigen Erfordernisse gegen die genannten Vertragsbestimmungen verstoßen; das Ergebnis dieser Prüfung ist bei der Auslegung der Richtlinie heranzuziehen." (Kommission gegen Französische Republik, Rechtssache C 220/83, EuGH 4.12.1986).

Der Vertrag und der Text der ISD gehen allgemein klar davon aus, dass der freie Dienstleistungsverkehr auf der Grundlage der Zulassung im Herkunftsland zu gestatten ist. So stellt Erwägungsgrund 3 der ISD klar, dass es das Ziel der Richtlinie ist, "... [daß eine Harmonisierung nur insoweit angestrebt wird, wie dies] zur Gewährleistung der gegenseitigen Anerkennung der Zulassungen und der Aufsichtssysteme unbedingt erforderlich und hinreichend ist, die die Erteilung einer einzigen Zulassung für die gesamte Gemeinschaft und die Anwendung des Grundsatzes der Kontrolle durch den Herkunftsmitgliedstaat ermöglicht." [18]

[18] Erwägungsgründe zu einer Richtlinie dienen als Interpretationshilfe in dem Sinne, als sie die Absichten des Gemeinschaftsgesetzgebers klarstellen S. hierzu EuGH-Rechtssache 76/72 Michel [1973] ECR 457 und EuGH-Rechtssache C-238-94 Garcia [1996] ECR I - 1673.

Die einschlägigen Bestimmungen der ISD sehen indes ausdrücklich die Einbeziehung der Aufnahmelandaufsichtsbehörden aus Gründen des "Allgemeininteresses" vor. So heißt es hierzu in Erwägungsgrund 33: "Die Mitgliedstaaten haben dafür zu sorgen, dass die Tätigkeiten, die unter die gegenseitige Anerkennung fallen, ohne Behinderung auf die gleiche Weise wie im Herkunftsmitgliedstaat ausgeübt werden können, soweit sie nicht im Gegensatz zu den im Aufnahmemitgliedstaat geltenden Rechts- und Verwaltungsvorschriften zum Schutz des Allgemeininteresses stehen." So wird in Artikel 17 Absatz 4 und Artikel 18 Absatz 2 der ISD festgelegt, dass die Aufnahmelandbehörden, die die Mitteilung seitens einer Wertpapierfirma aus einem Partnerland erhalten, der zufolge sich diese Firma im Aufnahmeland niederlassen möchte oder Dienstleistungen erbringen will, "der Wertpapierfirma gegebenenfalls ... die Bedingungen, einschließlich der Wohlverhaltensregeln, mitteilen müssen, die bei den betreffenden Wertpapierdienstleistungen aus Gründen des Allgemeininteresses im Aufnahmemitgliedstaat zu beachten sind." Dieser Wortlaut stellt klar, dass:

- der Aufnahmemitgliedstaat im voraus mitteilen muss, welche Wohlverhaltensregeln Anwendung finden;

- die Aufnahmelandbehörden, die lokale Wohlverhaltensregeln vorschreiben möchten, die ausführlicher sind, als die Mindestharmonisierung der Grundsätze für die Wohlverhaltensregeln im Sinne von Artikel 11 Absatz 1, dies tun können, sofern es im "Allgemeininteresse" liegt.

Auch Artikel 19 Absatz 6 gestattet den Eingriff der Aufnahmelandbehörden, um Unregelmäßigkeiten zu verhindern, die "... gegen die nach Artikel 11 verabschiedeten Wohlverhaltensregeln sowie gegen die von ihnen aus Gründen des Gemeinwohls erlassenen Rechts- und Verwaltungsvorschriften verstoßen".

Mehreren ISD-Bestimmungen zufolge verbleiben den Aufnahmelandaufsichts behörden also beträchtliche Restbefugnisse bei der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln im Sinne des "Allgemeininteresses".

Andererseits hat der EuGH durchweg die Vorschrift nationaler Regeln analysiert, sogar um zu sehen, ob sie nichtdiskriminierend sind, um sie im Lichte von Artikel 49 und 50 des Vertrags zu überprüfen. [19] Diesbezüglich kann auf das jüngste Fallrecht Bezug genommen werden (Fall Parodi gegen Banque Albert de Bary betreffend die Vergabe von Hpyothekenkrediten im Bankensektor [S. EuGH-Rechtssache C 222/95[1997] ECR I 3899], bei dem EuGH zu folgendem Urteil gelangt ist:

[19] "[...] Nach ständiger Rechtsprechung verlangt der Artikel 49 des Vertrags nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Dienstleistungserbringers aus Gründen seiner Staatsangehörigkeit, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für einheimische Dienstleistungserbringer wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeit des Dienstleistungserbringers, der in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, und dort rechtmäßig ähnliche Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen." (S. hierzu EuGH-Rechtssache Arblade & Leloup, C 369/96 UND C 376/96 [1999] ECR I - 8543).

"[...] Bestimmte Dienstleistungen weisen jedoch Besonderheiten auf, die dazu führen, daß an den Leistungserbringer gestellte besondere Anforderungen, die sich aus der Anwendung von Regelungen für diese Art von Tätigkeiten ergeben, nicht als mit dem Vertrag unvereinbar anzusehen sind.

Der freie Dienstleistungsverkehr als fundamentaler Grundsatz des Vertrages darf allerdings nicht durch Regelungen beschränkt werden, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind und die für alle im Hoheitsgebiet des Bestimmungsstaats tätigen Personen oder Unternehmen gelten, und auch nur insoweit, als dem Allgemeininteresse nicht bereits durch die Rechtsvorschriften Rechnung getragen ist, denen der Leistungserbringer in dem Staat unterliegt, in dem er ansässig ist. Diese Anforderungen müssen insbesondere sachlich geboten sein, um die Einhaltung der Berufsregelungen und den Schutz der Empfänger von Dienstleistungen zu gewährleisten, und dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist."

Artikel 11 der ISD gesteht den Aufnahmelandbehörden bei der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln gemäss Artikel 11 eine aktive Rolle zu. Die Kommission vertritt jedoch die Auffassung, dass die Aufnahmelandbehörden bei der Wahrnehmung ihrer Zuständigkeiten hinsichtlich der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln die beiden folgenden miteinander verbundenen Aspekte mitberücksichtigen sollten: 1) ob der Herkunftsmitgliedstaat des Dienstleisters Wohlverhaltensregeln anwendet oder nicht, die einen gleichwertigen Schutz bieten; und 2) ob die Vorschrift der Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes eine angemessene Antwort auf die Wahrung des zu Grunde liegenden "Allgemeininteresses"ist.

Was die Bewertung der "Verhältnismäßigkeit" betrifft, so ist es erforderlich, die Kriterien abzustecken, anhand deren u.U. bestimmt werden kann, wie die Aufnahmelandaufsichtsbehörden ihre Befugnisse für die Anwendung ihrer inländischen Wohlverhaltensregeln wahrnehmen könnten. Nach Auffassung der Kommission ist ein mögliches Kriterium in diesem Bereich das "Schutzbedürfnis (des Anlegers bzw. des Verbrauchers)" [20].Der Stellenwert des "Schutzbedürfnisses" wird auch durch andere EU-Rechtstexte im Wertpapierdienstleistungs- und Effektenbereich untermauert. [21] So müssen Anleger bzw. ihre Berater die spezifischen Merkmale der angebotenen Anlage selbst bewerten. Mit den Wohlverhaltensregeln soll lediglich sichergestellt werden, dass Anleger nicht dazu verleitet werden, unzweckmäßige Anlagen vorzunehmen; überdies sollen die Anleger so gegen Mißbrauch und Fehlverhalten geschützt werden. Die Rechtsvorschriften im Wertpapierdienstleistungs- und Effektenbereich gründen sich deshalb im wesentlichen auf die Grundsätze zur Offenlegung von Informationen, um praktisch veranlagte Anleger in die Lage zu versetzen, fundierte Entscheidungen zu treffen.

[20] Dabei handelt es sich um das den hier analysierten Wohlverhaltensregeln zu Grunde liegende Kriterium überhaupt wie auch um einen Leitgrundsatz der ISD, der in einer Reihe von Bestimmungen klar zum Ausdruck gebracht wird:

[21] Diesbezüglich ist die Richtlinie über Systeme für die Entschädigung der Anleger (97/9/EG) sehr aufschlußreich. Diese Richtlinie sieht nämlich vor, dass bestimmte Kategorien professioneller und institutioneller Anleger vom Anwendungsbereich der obligatorischen Anlegerschutzsysteme ausgenommen werden können (s. Artikel 4 Absatz 2), wenn "der Mitgliedstaat der Auffassung ist, daß bestimmte Gruppen von Anlagen oder Anlegern [...] keines besonderen Schutzes bedürfen, [so muß er die Möglichkeit haben], sie von der durch die Anlegerentschädigungssysteme gebotenen Deckung auszunehmen." (Erwägungsgrund 17). Im Mittelpunkt der Anlegerentschädigungssystem-Richtlinie steht also eindeutig das "Schutzbedürfnis".

Im Lichte der vorherigen Ausführungen ist das "Schutzbedürfnis" ein mögliches Kriterium, das von den Aufnahmelandbehörden verwendet werden kann, wenn sie gehalten sind festzustellen, ob die Anwendung ihrer Wohlverhaltensregeln "angemessen" ist oder nicht.

1. Schutz der professionellen Anleger

Sachverstand und die Fähigkeit, seine eigenen Interessen wahrnehmen zu können, sind die ausschlaggebenden Faktoren für die Festlegung des "Schutzbedürfnisses". Handelt es sich bei dem Investor um einen professionellen Anleger, so kann argumentiert werden, dass er/sie über die Fähigkeit und den Sachverstand verfügt, fundierte bzw. auf Wissen beruhende Anlageentscheidungen zu treffen.

Einen derartigen Ansatz hat auch der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zu Grunde gelegt. Insbesondere hat der EuGH anerkannt, dass Maßnahmen, die auf den Schutz der schwächeren Vertragspartei abzielen, nicht als das Kriterium des "Allgemeininteresses" erfuellend angesehen werden können, wenn die Vertragspartei ein professioneller Wirtschaftsteilnehmer ist. [22] Diese Argumen tation gründet sich auf das nicht vorhandene "Schutzbedürfnis". Sie kann im Falle der professionellen Anleger ebenfalls nützlich sein. In einem ähnlichen Fallrecht im Versicherungsbereich hat der EuGH seine Argumentation darauf gestützt, dass professionelle oder sachverständige Versicherungsvertreter weniger geschützt werden müssen als Privatverbraucher (Rechtssache C 220/83). Auch im Fall Alpine (Rechtssache C 384/93) hat der EuGH eine ähnliche Argumentation zu Grunde gelegt, der zufolge er die Anwendung strengerer Marketing-/ Werbevorschriften für derivategestützte Anlagen befürwortete, die auf ein Publikum von Kleinanlegern abzielten.

[22] Rechtssache C-205/84 Kommission gegen Bundesrepublik Deutschland.

Die Unterscheidung zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern, die die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 11 Absatz 1 vornehmen müssen, ist möglicherweise für die Klärung des Umfangs ausschlaggebend, in dem der Anleger den von den Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes zusätzlich zu den Herkunftslandregeln gebotenen Schutz "benötigt". Insbesondere das Kriterium der "Angemessenheit" dürfte im Falle der professionellen Anleger schwerer zu erfuellen sein, da die letztgenannte Gruppe weniger schutzbedürftig ist.

Die Möglichkeit, dass die Bedürfnisse professioneller Anleger durch die Wohlverhaltensregeln des Herkunftslandes gewährleistet werden können, wird durch die Erkenntnis untermauert, dass alle Mitgliedstaaten ausreichende und vergleichbare Schutzregeln für die professionellen Anleger in die Praxis umgesetzt zu haben scheinen. Wie oben dargelegt wurde, enthalten alle nationalen Wohlverhaltensregeln ausreichende Bestimmungen, um die sachverständigen bzw. professionellen Anleger in die Lage zu versetzen, fundierte Anlageentscheidungen zu treffen und alle zur Sicherung ihrer kommerziellen Interessen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.

Die positiven Auswirkungen des Herkunftlandschutzes sind auch in jeder Hinsicht für die Wertpapierfirmen spürbar, die in anderen Mitgliedstaaten tätig sind. Vor dem Abschluß eines Geschäfts mit einem Kunden in einem Partnerland muss die Wertpapierfirma nämlich die Identität der Gegenpartei feststellen und die erforderlichen Tests zur Überprüfung des Kunden durchführen. Dadurch finden automatisch wichtige Bestandteile der Wohlverhaltensregeln des Herkunftslandes (wie Aufzeichnungspflicht, Offenlegung, "bestmögliche Ausführung des Auftrags") Anwendung, die sehr effizient von den Herkunftslandbehörden überwacht und durchgesetzt werden können [23].

[23] Diesbezüglich ist der Standpunkt des Generalanwalts in der Alpine-Rechtssache (C-384/93) bemerkenswert. Er stellte nämlich fest, dass "der Mitgliedstaat, von dem aus der Telefonanruf vorgenommen wird, eher in der Lage ist, das "cold calling" zu regeln, als der Mitgliedstaat des Leistungsempfängers. Selbst wenn der Mitgliedstaat, in den der Telefonanruf geht, das "cold calling" verbieten oder an bestimmte Bedingungen knüpfen will, kann er Telefonanrufe aus einem anderen Mitgliedstaat nicht ohne die Mitwirkung der Aufsichtsbehörden dieses Staates unterbinden."

Überdies sollen die folgenden praktischen Überlegungen mitberücksichtigt werden:

* Praktische und in hohem Maße verwendete Vereinbarungen (wie "Master Agreements" und andere kodifizierte Übereinkünfte) verschaffen den professionellen Anlegern eine Vertragsbasis, auf der sie Beschwerden gegen Vertragsparteien auf schneller und kostengünstiger Basis regeln können.

* Die Richtlinie über bestimmte Aspekte des elektronischen Geschäftsverkehrs soll im Januar 2002 in Kraft treten. Mit ihr soll ein rechtliches Umfeld geschaffen werden, das die Entwicklung des elektronischen Geschäftsverkehrs in Europa fördert. Der Leitfaden für die Wertpapierdienstleistungen besteht dabei darin, dass jede elektronisch erbrachte Dienstleistung unter das gültige Recht des "Herkunftslandes" fällt. Dieser Grundsatz gilt gleichermaßen für Geschäfte zwischen Unternehmen oder zwischen Professionellen, aber nicht für Vertragsverpflichtungen, die sich aus Verbraucherverträgen ergeben.

Aus den obengenannten Gründen vertritt die Kommission die Auffassung, dass bei den nationalen Wohlverhaltensregeln davon ausgegangen werden kann, dass sie einen angemessenen und gleichwertigen Schutz für die professionellen Anleger bieten. Deshalb meint die Kommission, dass die zuständigen nationalen Behörden eine Ausnahme von den Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes bei grenzübergreifenden Wertpapierdienstleistungen vorsehen könnten, die für im Inland niedergelassene professionelle Anleger erbracht werden.

Kasten 3: Welche professionellen Anleger könnten von den Aufnahmelandregeln ausgenommen werden-

Die unlängst getroffene FESCO-Vereinbarung über die Kategorisierung von Anlegern zwecks Anwendung von Artikel 11 legt ein Spektrum von Anlegern fest, die automatisch als "professionelle Anleger" behandelt werden könnten. Die für diese Anleger erbrachten Wertpapierdienstleistungen könnten ausschließlich unter die im Land des Dienstleisters ("Herkunftsland") geltenden Wohlverhaltensregeln fallen. [24]

[24] Anleger, die automatisch als professionelle Anleger eingestuft werden, haben nach wie vor die Möglichkeit, von ihrer Gegenpartei ein höheres Schutzniveau zu fordern.

Zusätzlich zu dieser Gruppe "automatischer professioneller Anleger" können die nationalen Behörden auch darüber befinden, ob sie die lokalen Regeln auf Anleger anwenden oder nicht, die nicht automatisch als "professionelle" Anleger eingestuft werden. Diese Bewertung könnte ebenfalls auf der Grundlage des "Allgemeininteresses" der Mitgliedstaaten erfolgen.

2. Schutz der Kleinanleger

Angesichts des sehr unterschiedlichen Stands der vertraglichen und außervertraglichen Rahmen und der Durchsetzungssysteme sind die nationalen Behörden eventuell darüber besorgt, inwiefern "ihre" Kleinanleger andernorts der Rechtsunsicherheit oder dem Gegenparteiausfallrisiko ausgesetzt sind. In Abschnitt III wurden zuvor die Unterschiede in den Wohlverhaltensregeln aufgezeigt, die verhindern , dass diese Regeln als für die Kleinanleger "gleichwertig" anzusehen wären. Die Anwendung lokaler Wohlverhaltensregeln auf Geschäfte, bei denen vor Ort niedergelassene Kleinanleger involviert sind, kann deshalb den Schutz für diese Kleinanleger eventuell verbessern.

Folglich brauchen die Kleinanleger mehr Schutz als die professionellen Anleger. Die Mitgliedstaaten könnten diese Tatsache bei der Umsetzung von Artikel 11 Absatz 1 und Artikel 11 Absatz 2 der ISD eventuell mitberücksichtigen.

Diese Bewertung der Lage der Kleinanleger kann im Lichte sich verändernder Marktgegebenheiten und weiterer Entwicklungen in der Zusammenarbeit der Aufsichtsbehörden eventuell modifiziert werden. Der Ausbau neuer auf der elektronischen Kommunikation und dem elektronischen Vertrieb beruhender Geschäftsmodelle kann dazu führen, dass die derzeitigen Ansätze zu einem späteren Zeitpunkt zu überarbeiten sind. Auch das rechtliche Umfeld für die elektronische Erbringung sämtlicher Formen von Informationsdienstleistungen wird sich verändern. Diese Entwicklungen sind folglich in der Art und Weise, wie die nationalen zuständigen Behörden bei der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln zusammenarbeiten, u.U. zu berücksichtigen. Die Kommission geht auf diese Themen auch in ihrer parallelen Mitteilung zur Aktualisierung der ISD ein. Überdies sollen sie in dem angekündigten Grünbuch der Kommission zum elektronischen Geschäftsverkehr und zu den Finanzdienstleistungen weiter behandelt werden.

Eine andere bemerkenswerte Entwicklung ist die Art und Weise, wie die FESCO infolge der Vereinbarung über die Kategorisierung von Anlegern nun an gemeinsamen Standards für Wohlverhaltensregeln arbeitet. Ein gemeinsames Verständnis der Behandlung von Kleinanlegern kann dazu führen, dass die Frage, ob aus Gründen des "Allgemeininteresses" nach wie vor die Anwendung des Aufnahmelandsystems auf diese Anleger erforderlich ist, erneut zu prüfen ist.

3. Behandlung von Zweigniederlassungen

Die mittels Zweigniederlassungen getätigten Wertpapiergeschäfte können Charakteristika aufweisen, die dem Vertrag zufolge die Anwendung der Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes auf alle kundenrelevanten Aufgaben der Zweigniederlassung rechtfertigen können. Diese Schlussfolgerung gilt für Wertpapierdienstleistungen, die die Zweigniederlassung sowohl für professionelle Anleger als auch für Kleinanleger erbringt.

Die Behörden des Landes, in dem die Zweigniederlassung ihren Sitz hat, sind am ehesten in der Lage, die Einhaltung der Regeln durch beide Kategorien von Anlegern vor Ort zu überprüfen. Die Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen in anderen Mitgliedstaaten haben in der Regel eigene von der Muttergesellschaft unabhängige Kundensysteme. Die Aufsichtsbehörden im Land der Zweigniederlassung befinden sich vor Ort, haben direkten Zugang zum buchhalterischen Prüfungspfad ("audit trail") und zum Aufzeichnungssystem der Zweigniederlassung und sind besser positioniert, um das direkte Verhältnis zwischen der Zweigniederlassung und ihren Kunden zu überprüfen.

Diese Argumentation entspricht auch Artikel 10 fünfter Spiegelstrich der ISD, in dem es heißt: "Jedoch dürfen die organisatorischen Modalitäten bei der Errichtung einer Zweigniederlassung den vom Aufnahmemitgliedstaat in bezug auf Interessenkonflikte erlassenen Wohlverhaltensregeln nicht zuwiderlaufen."

VII. SCHLUSSFOLGERUNGEN

In dieser Mitteilung wurde die Art und Weise analysiert, wie die Mitgliedstaaten die Wohlverhaltensregeln gemäß Artikel 11 in die Praxis umsetzen. Dabei ließ sich folgendes feststellen:

* Während sich die Mitgliedstaaten zwar im Detail in Form und Gehalt bei der Umsetzung ihrer nationalen Wohlverhaltensregeln unterscheiden, scheinen diese doch einen gleichwertigen Schutz für professionelle Anleger zu bieten, indem sie die sachverständigen Anleger in die Lage versetzen, sich eine fundierte Meinung über die Wesensart der angebotenen Dienstleistungen zu bilden.

* Dem allgemeinen Erfordernis, professionelle Anleger von anderen Anlegern zu unterscheiden, wurde in den meisten Durchführungsvorschriften Rechnung getragen. Die praktische Anwendung dieser Unterscheidung variiert jedoch von einem Mitgliedstaat zum anderen beträchtlich, was dazu führt, dass die Wertpapierfirmen für gleiche Geschäfte in verschiedenen Mitgliedstaaten u.U. unterschiedlich eingestuft werden. Folglich können auf grenzübergreifender Basis tätige Wertpapierfirmen qualitativ unterschiedlichen Anforderungen in Form der Wohlverhaltensregeln unterworfen sein.

* Die Mitgliedstaaten wenden auf ausländische Wertpapierdienstleistungen ihre inländischen Wohlverhaltensregeln an, und zwar unabhängig davon, ob das Land des Dienstleisters bereits gleichwertige Regeln geltend macht.

Die sich daraus ergebende Kombination von Rechtsunsicherheit und sich überschneidenden Anforderungen ist kostspielig und der grenzübergreifenden Erbringung von Wertpapierdienstleistungen in hohem Maße abträglich. Diese Kosten können - zumindest was interprofessionelle Wertpapierdienstleistungen betrifft - durch eine kohärente und systematische Unterscheidung zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern vermieden werden.

Artikel 11 Absatz 1 schreibt den nationalen Behörden eindeutig vor, zum Zwecke der Anwendung der Wohlverhaltensregeln zwischen professionellen Anlegern und anderen Anlegern zu unterscheiden. Nach Auffassung der Kommission ist diese Verpflichtung nicht an die vorherige Harmonisierung des Inhalts der Wohlverhaltensregeln gebunden. Während die ISD keine klare Definition des Begriffs "Professionalität" enthält, hat sich die FESCO unlängst auf ein gemeinsames Schema zur Kategorisierung von professionellen Anlegern geeinigt. Bei der Berücksichtigung der Professionalität im Sinne von Artikel 11 Absatz 1 möchten die nationalen Behörden vielleicht die FESCO-Vereinbarung über die Kategorisierung der professionellen Anleger und der Kleinanleger einfließen lassen.

In dieser Mitteilung wurde auch ein möglicher Ansatz aufgezeigt, der den Aufnahmelandbehörden Anhaltspunkte für die Wahrnehmung ihrer Befugnisse bei der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln gemäß Artikel 11 Absatz 2 und bei der Anwendung des "Allgemeininteresses" an die Hand geben soll. Dem zufolge könnten die Aufnahmelandbehörden insbesondere versuchen, die Wohlverhaltensregeln auf eine Art und Weise anzuwenden, die dem konkreten Bedarf an Anlegerschutz Rechnung trägt. In dieser Mitteilung wurden einige Argumente genannt, die untermauern, dass professionelle Anleger im Sinne der Kategorie 1 der FESCO-Klassifizierung, die über genügend Sachverstand zur Bewertung der Charakteristika eines angebotenen Wertpapiergeschäfts verfügen, Wertpapiergeschäfte tätigen können, die lediglich unter die Wohlverhaltensregeln des Landes des Dienstleisters fallen. Die Umsetzung der Wohlverhaltensregeln durch die Behörden des Herkunftslands bietet dieser Anlegerkategorie bereits einen gleichwertigen Schutz.

In der Mitteilung wird davon ausgegangen, dass die Kleinanleger den von den zu Grunde gelegten Aufnahmelandwohlverhaltensregeln gebotenen Schutz benötigen. Das Ausmaß, in dem die Anwendung der Wohlverhaltensregeln des Aufnahmelandes eine angemessene Maßnahme zum Schutz der Kleinanleger darstellt, ist eventuell zu überprüfen, wenn z.B. die von der FESCO unternommenen Anstrengungen auf dem Gebiet der Standardisierung der Wohlverhaltensregeln für nichtprofessionelle Anleger zur Konvergenz der nationalen Praktiken führen.

Die Mitteilung geht auch auf die Aufgaben und die Zuständigkeiten ein, die den Aufsichtsbehörden des Herkunfts- und des Aufnahmelandes bei der Durchsetzung der Wohlverhaltensregeln im Hinblick auf die Zweigniederlassungen von Wertpapierfirmen zukommen. Die Überwachung der Wohlverhaltensregeln wird dann umso wirksamer sein, wenn sich die Aufsichtsbehörde in der Nähe des Teils der Gesellschaft befindet, der die Kundenbeziehungen pflegt. Folglich ist die Aufsichtsbehörde des Landes, in dem sich die Zweigniederlassung befindet, besser in der Lage, das Verhältnis zwischen Zweigniederlassung und Kunden zu überwachen, als die Behörde des Landes, in dem die Muttergesellschaft ihren Sitz hat. Sowohl der Grundsatz des "Allgemeininteresses" als auch die ISD-Bestimmungen gehen in diese Richtung. Diese Schlussfolgerung gilt für Wertpapierdienstleistungen, die die Zweigniederlassung sowohl für professionelle Anleger als auch für Kleinanleger erbringt.

Die Anwendung der Unterscheidung zwischen professionellen Anlegern und Kleinanlegern könnte die Erbringung grenzübergreifender Wertpapierdienst leistungen für professionelle Anleger erleichtern, ohne dass dazu eine offizielle Änderung der ISD erforderlich ist. Allerdings sprechen die Argumente Rechtsklarheit und -sicherheit für eine offizielle Änderung von Artikel 11 und den damit verbundenen ISD-Bestimmungen. Die parallele Mitteilung, in der eine umfassende Aktualisierung der ISD aufgezeigt wird, wird in den kommenden Monaten im Mittelpunkt ausführlicher Beratungen mit den nationalen Behörden, den Aufsichtsbehörden und den Marktteilnehmern stehen. Die vorliegende Mitteilung verdeutlicht eine mögliche Vorgehensweise für die Aktualisierung der ISD. Die am Konsultationsprozess teilnehmenden Parteien möchten die in diesem Dokument vorgenommene Analyse vielleicht zur Kenntnis nehmen. Ihre Bemerkungen und Antworten auf die ISD-Überarbeitung könnten von der oben vorgenommenen Analyse vielleicht beeinflußt werden.